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| Der Radiologe 9·98 Freies Thema 766 M. Uder 1 · S. Siemer 2 · D. Gohl 1 · G. Schneider 1 · B. Kramann 1 · U. Humke 2 1 Abteilung für Radiodiagnostik (Direktor: Prof. Dr. B. Kramann), Universitätsklinik des Saarlandes, Homburg/Saar 2 Urologische Klinik (Direktor: Prof. Dr.Dr. h.c. M. Ziegler), Universitätsklinik des Saarlandes, Homburg/Saar Samenblasenzysten bei ipsilateraler Nierenagenesie Bildgebende Diagnostik, Klinik und Langzeitverlauf Patienten wurde primär bei 2 weiteren innerhalb der ersten 6 Monate nach Diagnosestellung eine MRT durchge- führt. In einem Fall wurde in die Zyste über eine perineale Punktion Kontrast- mittel instilliert. Der Zysteninhalt wur- de zytologisch und chemisch unter- sucht. Die klinischen Aufzeichnungen und bildgebenden Untersuchungen wurden auf Symptome, klinische Zei- chen, das Erscheinungsbild, zeitliche Veränderungen und begleitende Miß- bildungen hin ausgewertet. Die MRT wurden mit einem 1,0-T- Magnetresonanztomographen (Mag- netom 1,0, FA. Siemens, Erlangen) unter Verwendung der Body-Coil durchge- führt. Es wurden T 1 - und T 2 -gewichtete Spin-Echo-Sequenzen (SE-Sequenzen) (Repetitionszeit [TR]/Echozeit [TE]= 600/15 bzw. 2100/20 und 90) in trans- versaler, sagittaler und koronarer Schnittführung bei einer Schichtdicke von 5–8 mm angefertigt. In allen Fällen liegen zusätzlich T 1 -gewichtete SE-Se- quenzen nach intravenöser Kontrast- mittelgabe (Gadolinium-DTPA, Ma- gnevist, Fa. Schering) vor. Die Compu- tertomographien wurden mit einem Somatom DR bzw. einem Somatom Plus (beide Siemens Erlangen) vor und nach intravenöser Kontrastmittelgabe durchgeführt. Die endorektale US wur- den mit einem 7,5-MHz-Schallkopf, die Zystische Veränderungen der Samen- blasen mit ipsilateraler Nierenagenesie werden als Kombinationsmißbildung erstmals von Zinner im Jahre 1914 [42] beschrieben. Seither finden sich immer wieder einzelne Fallberichte zu diesem Thema. Ein Literatur-Review von 1976 [15] gibt lediglich 20 Fälle seit der Erst- beschreibung an. Mit der Verbreitung von Sonographie (US), Computertomo- graphie (CT) und Magnetresonanzto- mographie (MRT) werden die Mittei- lungen häufiger, so daß bis heute an die 100 Fälle bekannt sind. Jedoch fehlen genaue Angaben über die Prävalenz dieses Mißbildungsmusters. Dabei gibt es Hinweise darauf, daß es sich nicht, wie in der Vergangenheit meist be- schrieben, um eine Rarität handelt [34]. Die Arbeit berichtet über 9 Patien- ten mit Samenblasenzysten und Einzel- niere, welche mit Hilfe von MRT, CT und US charakterisiert wurden. Von 5 Patienten liegen Verlaufsbeobachtun- gen bis zu 10 Jahren vor. Dies sind die ersten Langzeitverläufe bei Patienten mit kongenitalen Samenblasenzysten und Nierendysplasie. Material und Methoden Zwischen 1985 und 1997 wurden 7 Pati- enten mit kongenitaler Einzelniere und Samenblasenzysten untersucht. Zum Zeitpunkt der Diagnose waren die Pati- enten zwischen 15 und 57 Jahre alt (Mit- tel 45,6 Jahre). Bei allen Patienten wur- den CT sowie Ausscheidungsurogra- phien (AUG) und US (transabdominell und/oder endorektal) angefertigt. Bei 3 Freies Thema Radiologe 1998 · 38:766–773 © Springer-Verlag 1998 Zusammenfassung Kongenitale Samenblasenzysten mit ipsila- teraler Nierenagenesie oder -dyplasie sind seltene angeborene Mißbildungen. Seit Ein- führung moderner Schnittbildverfahren werden sie jedoch zunehmend häufiger dia- gnostiziert. Dennoch fehlen bislang genaue Angaben über die Prävalenz dieses Mißbil- dungsmusters. Diese Studie berichtet über 7 konsekutive Fälle und dokumentiert in 5 Fäl- len Langzeitbeobachtungen (26–119 Mona- te, Mittel 52 Monate).Von allen Patienten lie- gen Ultraschalluntersuchungen, Ausschei- dungsurographien sowie Computer- und Kernspintomographien vor.Nur 2 von 7 Pati- enten wiesen unspezifische Symptome des unteren Harntraktes auf,alle anderen waren asymptomatisch.Von allen bildgebenden Verfahren zeigte die Kernspintomographie am genausten die Veränderungen im klei- nen Becken und ihre Beziehungen zum Uro- genitalsystem. Die Zysten wiesen eine hohe Signalintensität in T1- und T2-gewichteten Spin-Echo-Sequenzen auf. Computertomo- graphisch fanden sich in 5 Fällen Dichtewer- te über 40 HE.Während ein Patient (15 Jahre alt) 10 Jahre nach Erstdiagnose eine erhebli- che Vergrößerung der Zysten mit Verdrän- gung der Harnblase aufwies, zeigten 4 Pati- enten bei der Nachuntersuchung keine Ver- änderung der Fehlbildung. Die vorliegenden Daten stützen somit das Konzept, nur sym- ptomatische Patienten zu therapieren. Schlüsselwörter Samenblasenzysten · Nierenagenesie · Langzeitverlauf · Computertomographie · Magnetresonanztomographie Dr. M. Uder Abt. f. Radiodiagnostik, Universitätsklinik des Saarlandes, D-66421 Homburg/Saar& / f n - b l o c k : & b d y :

Samenblasenzysten bei ipsilateraler Nierenagenesie

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Page 1: Samenblasenzysten bei ipsilateraler Nierenagenesie

| Der Radiologe 9·98

Freies Thema

766

M. Uder1 · S. Siemer2 · D. Gohl1 · G. Schneider1 · B. Kramann1 · U. Humke2

1 Abteilung für Radiodiagnostik (Direktor:Prof.Dr.B.Kramann), Universitätsklinik des Saarlandes,

Homburg/Saar2 Urologische Klinik (Direktor:Prof.Dr.Dr.h.c.M.Ziegler), Universitätsklinik des Saarlandes,

Homburg/Saar

Samenblasenzystenbei ipsilateraler NierenagenesieBildgebende Diagnostik, Klinikund Langzeitverlauf

Patienten wurde primär bei 2 weitereninnerhalb der ersten 6 Monate nachDiagnosestellung eine MRT durchge-führt. In einem Fall wurde in die Zysteüber eine perineale Punktion Kontrast-mittel instilliert. Der Zysteninhalt wur-de zytologisch und chemisch unter-sucht. Die klinischen Aufzeichnungenund bildgebenden Untersuchungenwurden auf Symptome, klinische Zei-chen, das Erscheinungsbild, zeitlicheVeränderungen und begleitende Miß-bildungen hin ausgewertet.

Die MRT wurden mit einem 1,0-T-Magnetresonanztomographen (Mag-netom 1,0, FA. Siemens, Erlangen) unterVerwendung der Body-Coil durchge-führt. Es wurden T1- und T2-gewichteteSpin-Echo-Sequenzen (SE-Sequenzen)(Repetitionszeit [TR]/Echozeit [TE]=600/15 bzw. 2100/20 und 90) in trans-versaler, sagittaler und koronarerSchnittführung bei einer Schichtdickevon 5–8 mm angefertigt. In allen Fällenliegen zusätzlich T1-gewichtete SE-Se-quenzen nach intravenöser Kontrast-mittelgabe (Gadolinium-DTPA, Ma-gnevist, Fa. Schering) vor. Die Compu-tertomographien wurden mit einemSomatom DR bzw. einem SomatomPlus (beide Siemens Erlangen) vor undnach intravenöser Kontrastmittelgabedurchgeführt. Die endorektale US wur-den mit einem 7,5-MHz-Schallkopf, die

Zystische Veränderungen der Samen-blasen mit ipsilateraler Nierenagenesiewerden als Kombinationsmißbildungerstmals von Zinner im Jahre 1914 [42]beschrieben. Seither finden sich immerwieder einzelne Fallberichte zu diesemThema. Ein Literatur-Review von 1976[15] gibt lediglich 20 Fälle seit der Erst-beschreibung an. Mit der Verbreitungvon Sonographie (US), Computertomo-graphie (CT) und Magnetresonanzto-mographie (MRT) werden die Mittei-lungen häufiger, so daß bis heute an die100 Fälle bekannt sind. Jedoch fehlengenaue Angaben über die Prävalenzdieses Mißbildungsmusters. Dabei gibtes Hinweise darauf, daß es sich nicht,wie in der Vergangenheit meist be-schrieben, um eine Rarität handelt [34].

Die Arbeit berichtet über 9 Patien-ten mit Samenblasenzysten und Einzel-niere, welche mit Hilfe von MRT, CTund US charakterisiert wurden. Von 5Patienten liegen Verlaufsbeobachtun-gen bis zu 10 Jahren vor. Dies sind dieersten Langzeitverläufe bei Patientenmit kongenitalen Samenblasenzystenund Nierendysplasie.

Material und Methoden

Zwischen 1985 und 1997 wurden 7 Pati-enten mit kongenitaler Einzelniere undSamenblasenzysten untersucht. ZumZeitpunkt der Diagnose waren die Pati-enten zwischen 15 und 57 Jahre alt (Mit-tel 45,6 Jahre). Bei allen Patienten wur-den CT sowie Ausscheidungsurogra-phien (AUG) und US (transabdominellund/oder endorektal) angefertigt. Bei 3

Freies ThemaRadiologe1998 · 38:766–773 © Springer-Verlag 1998

Zusammenfassung

Kongenitale Samenblasenzysten mit ipsila-

teraler Nierenagenesie oder -dyplasie sind

seltene angeborene Mißbildungen. Seit Ein-

führung moderner Schnittbildverfahren

werden sie jedoch zunehmend häufiger dia-

gnostiziert. Dennoch fehlen bislang genaue

Angaben über die Prävalenz dieses Mißbil-

dungsmusters. Diese Studie berichtet über 7

konsekutive Fälle und dokumentiert in 5 Fäl-

len Langzeitbeobachtungen (26–119 Mona-

te, Mittel 52 Monate).Von allen Patienten lie-

gen Ultraschalluntersuchungen, Ausschei-

dungsurographien sowie Computer- und

Kernspintomographien vor. Nur 2 von 7 Pati-

enten wiesen unspezifische Symptome des

unteren Harntraktes auf, alle anderen waren

asymptomatisch.Von allen bildgebenden

Verfahren zeigte die Kernspintomographie

am genausten die Veränderungen im klei-

nen Becken und ihre Beziehungen zum Uro-

genitalsystem. Die Zysten wiesen eine hohe

Signalintensität in T1- und T2-gewichteten

Spin-Echo-Sequenzen auf. Computertomo-

graphisch fanden sich in 5 Fällen Dichtewer-

te über 40 HE.Während ein Patient (15 Jahre

alt) 10 Jahre nach Erstdiagnose eine erhebli-

che Vergrößerung der Zysten mit Verdrän-

gung der Harnblase aufwies, zeigten 4 Pati-

enten bei der Nachuntersuchung keine Ver-

änderung der Fehlbildung. Die vorliegenden

Daten stützen somit das Konzept, nur sym-

ptomatische Patienten zu therapieren.

Schlüsselwörter

Samenblasenzysten · Nierenagenesie ·

Langzeitverlauf · Computertomographie ·

Magnetresonanztomographie

Dr. M. UderAbt. f. Radiodiagnostik,

Universitätsklinik des Saarlandes,

D-66421 Homburg/Saar&/fn-block:&bdy:

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M. Uder · S. Siemer · D. Gohl · G. Schneider

B. Kramann · U. Humke

Seminal vesicle cysts associatedwith ipsilateral renal agenesis.Presentation, diagnostic imagingand course

Summary

Congenital seminal vesicle cysts associated

with ipsilateral renal agenesis or dysplasia

are rare malformations. Even though they

are more often diagnosed today due to the

introduction of advanced, sectional imaging

techniques as CT and MRI, no reliable data

about the prevalence of this malformation

are available.This study reports seven con-

secutive cases, with long-term follow-up

in five cases (26–119 months, mean 52

months). All patients underwent sonogra-

phy, excretory urography, CT and MRI. Only

two of seven patients presented nonspecific

symptoms of the lower urinary tract; five

were asymptomatic. In all cases sonography

revealed the cystic character of the retrovesi-

cal enlargement.The anatomy of the lower

pelvis was most accurately shown on MRI,

which depicted the ectopic insertion of the

ureter into the seminal vesicle in five cases.

Cysts demonstrated high signal intensities in

T1- and T2-weighted spin-echo images. In

five cases the CT density was over 40 HU.

Whereas one patient (15 years) presented

significant enlargement of the cysts 10 years

after primary diagnosis with compression of

the urinary bladder, four patients showed no

changes of their malformation in the follow-

up examinations.The present data therefore

support the concept of treating only sym-

ptomatic patients.

Key words

Seminal vesicle cysts · Renal agenesis ·

Long-term results · Magnetic resonance

imaging · Computed tomography

Eine Erweiterung des Ductus eja-culatorius wiesen 3 Patienten auf(Abb. 2b). Sie war lediglich mit der MRTund dem transrektalem US nachweis-bar. Ureterocelenartige Vorwölbungender Zysten ins Blasenlumen fanden sichebenfalls bei 3 Patienten und konntensowohl mit der US als auch mit derCT und MRT nachgewiesen werden(Abb. 1c, Abb. 3). Nur bei 2 von 7 fandsich in der AUG eine entsprechendeAussparung in der Blase. Die uretero-celenartige Vorwölbung in die Blasewies eine breite kontinuierliche Verbin-dung mit dem retrovesikalen Zystenan-teil sowie eine dicke Wand zum Blasen-lumen hin auf. Bei zwei Patienten wur-de eine dicke Zystenwand gesehen, diesowohl in der CT als auch in der MRTeine Kontrastmittelaufnahme zeigte.

Die AUG zeigte bei allen Patienteneine kompensatorisch hypertrophierteEinzelniere (3 links, 4 rechts). In einemFall ließ sich computertomographischeine kleine (1,5 cm) dysplastische Nierelinks nachweisen (Abb. 1d). Bei 5 Pati-enten konnte ein erweiterter Ureter-stumpf auf der Seite der Nierenagene-sie/-dysplasie nachgewiesen werden.Dieser war zwar auch computertomo-graphisch darstellbar, aber lediglich mitder MRT gelang es, die ektope Einmün-dung in die Samenblasen zu beweisen.

Der Zysteninhalt hatte in 5 FällenDichtewerte zwischen 45 und 80 HE.Bei 2 Patienten wurde eine nahezu was-serisodense Dichte gemessen. In 4 Fäl-len wiesen die Zysten einen signalrei-chen Inhalt in allen Spin-Echo-Sequen-zen auf. Bei 2 Patienten stellten sich dieZysten in T1-Wichtung signalreich undin T2-Wichtung signalarm (signalär-mer als Urin) dar. Patient 6 zeigte einenwasserisointensen Zysteninhalt.

Als begleitende Anomalie fand sichzweimal eine gedoppelte V. cava inferiorund einmal ein zirkumaortaler Venen-ring der linken Einzelniere. Bei einemPatienten fand sich kontralateral einsegmentaler Megaureter.

Verlaufsbeobachtungen

Im eigenen Krankengut wurden 5 Pati-enten über einen längeren Zeitraumkontrolliert (26, 31, 37, 52 und 119 Mona-te). Bei 4 von ihnen (Alter bei Erstdia-gnose 58, 57, 52 und 37 Jahre) wurde imBeobachungszeitraum in der US, CTund MRT keine Veränderung der Sa-

transabdominelle US mit einem 3,5-MHz-Sektorscanner durchgeführt. Da-bei wurde die gefüllte Harnblase alsakustisches Fenster verwendet.

Von den 7 Patienten wurden 5 übereinen längeren Zeitraum (26, 31, 37, 52und 119 Monate, Mittel 52 Monate) z.T.mehrfach kontrolliert. Der bei der Erst-diagnose 15jährige Junge wurde zuletztim Alter von 24 Jahren untersucht. DenEinsatz der verschiedenen Bildgeben-den Verfahren in der Verlaufsbeobach-tung gibt Tabelle 1 wieder. In allen Fäl-len wurden die Befunde mit der US, CTund MRT kontrolliert. Bei 2 Patientenwurde auch eine AUG angefertigt.

Ergebnisse

Klinik

Symptome, die dem Urogenitaltrakt zu-zuordnen sind, wiesen nur 2 Patientenauf (s. Tabelle 2). Die Symptome warenunspezifisch und umfaßten Schmerzenim äußeren Genitale sowie ein Ziehenin der Leiste. Bei den übrigen 5 Patien-ten wurden die Samenblasenzysten zu-fällig entdeckt im Rahmen von Unter-suchungen wegen anderer Erkrankun-gen (2 Patienten wegen Tumoren in derEinzelniere, 2 Patienten wegen Pan-kreatitis, 1 Patient Vorsorgeuntersu-chung).

Zystoskopisch fehlte bei allen Pati-enten das ipsilaterale Hemitrigonumund ein Harnleiterostium. Rektal digi-tal ließ sich bei 4 Patienten eine prall-elastische Raumforderung oberhalbder Prostata tasten.

Anatomische Befunde

Die Samenblasenzysten fanden sich bei3 Patienten links, bei einem rechts undbei 2 auf beiden Seiten (s. Tabelle 2).Nur bei einem Patienten fand sich eineeinzelne, ungekammerte Zyste, alle an-deren wiesen ein mehrfach septiertes,tubuläres Zystensystem auf (Abb. 1).Die Größe der Zysten lag zwischen 4,5und 9 cm. Die retrovesikalen Zysten wa-ren mit allen Schnittbildverfahrennachweisbar. Die Abgrenzung zur Pro-stata gelang am besten mit der Kern-spintomographie. Die zusätzlichen ko-ronaren und sagittalen Schnittebenenwaren darüber hinaus bei der Darstel-lung der anatomischen Beziehungen imkleinen Becken hilfreich.

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menblasenzysten gesehen. Sowohl Grö-ße und Erscheinungsbildes als auch dasDichteverhalten in der Computertomo-graphie bzw. das Signalverhalten in denKernspintomographie blieben unver-ändert. Das hohe Signal in allen Spin-Echo-Sequenzen blieb bei 2 Patientenüber 37 bzw. 52 Monate erhalten. Bei Pa-tient 1, der erstmals im Alter von 15 Jah-ren untersucht worden war, zeigte sichim Verlauf von 10 Jahren eine Größen-zunahme der Zysten. Bei der Erstdia-gnose wurde noch ein streng retrovesi-kales Zystensystem gesehen (US, CT),im Alter von 24 Jahren imponierte danneine ureterocelenartige Vorwölbung insBlasenlumen (US, CT, MRT). Die Dichtedes retrovesikalen Zystenanteils in derComputertomographie war mit jeweilsum die 70 HE über den Beobachtungs-zeitraum unverändert. Der ins Blasen-lumen vorgewölbte Teil wies jedoch nurWerte zwischen 20 und 30 HE auf. Inden neueren Computertomographienzeigten die Zystenwände eine Zunahmeder Dicke und der Dichte.

Nierenanlage nicht zentral, sondern ineinem Bereich, der nicht das volle Dif-ferenzierungsvermögen aufweist. Eskommt zur Nierenagenesie oder zurNierendysplasie mit Ausbildung unrei-fer Strukturen. Das Ausmaß der Dys-plasie ist um so größer, je weiter dasUreterostium von seiner normalen Lo-kalisation entfernt ist. Ist zusätzlich dieResorption des unteren Urnierengan-ges in den Sinus urogenitalis gestört,entwickelt sich eine partielle oder kom-plette Stenose des Ductus ejaculatoriusbei normaler Entwicklung von Samen-bläschen, Ductus deferens und Neben-hoden. Mit der Akkumulation von Se-kret (meist einsetzend mit der Puber-tät) bilden sich Zysten der Samenblasenund der Ampulle des Ductus deferens.

Epidemiologie

Die tatsächliche Prävalenz der kongeni-talen Samenblasenzysten mit ipsilate-raler Nierenagenesie ist nicht bekannt.Die wenigen bisher bekannten Fälle re-flektieren wohl nicht die reale Frequenzder Veränderung [13, 16, 22, 43]. DasVorkommen kongenitaler Einzelnierenwird relativ konstant mit Werten zwi-

Diskussion

Embryologie

Zur Genese der beschriebenen Mißbil-dung liegt eine schlüssige Theorie vor[5, 9, 14, 15, 17, 24, 29, 38]: Bei regelrechterEntwicklung stülpt sich in der 4. Em-bryonalwoche die Ureterknospe ausdem kaudalen Ende des Urnierengan-ges (Wolff-Ganges) aus, wächst nachkranial und trifft die Nierenanlage zen-tral. Dies stellt den Stimulus zur Ausdif-ferenzierung einer normalen Niere dar.Die oberhalb der Ureterknospe gelege-nen Teile des Wolff-Ganges bilden inder weiteren Entwicklung Teile des Tri-gonums, des Blasenhalses, der Harn-röhre (proximal des äußeren Sphink-ters) und die Samenwege (Samenbla-sen, Ductus deferens und Nebenho-den).

Entspringt die Ureterknospe ober-halb der normalen Position aus demWolff-Gang, so entsteht ein ektopes Os-tium mit Position im Blasenhals, in derHarnröhre oder in den Samenwegen.Da Ausmaß und Geschwindigkeit desLängenwachstums der Ureterknospekonstant bleiben, trifft der Ureter die

Tabelle 1

Untersuchungsmodalitäten bei Erstdiagnose und in der Verlaufsbeobachtung. Die Monatsangaben bei den Verlaufsbeobach-tungen geben den zeitlichen Abstand zum ersten Nachweis (unabhängig vom Nachweisverfahren) der Kombinationsmißbil-dung an

NR. Beobachungs- Untersuchungen bei Erstdiagnose Verlaufsbeobachtungenzeitraum

AUG US CT MRT andere AUG US CT MRT

1 119 Monate x x x perineale Zystenpunktion 105 Monate 105 Monate 105 Monate 119 MonateA und KM-Füllung, MCU (A,E)

2 37 Monate x x x x 37 Monate 22 Monate 37 MonateA (A,E)E

3 52 Monate x x x x MCU 11 Monate (A) 6 Monate 52 MonateA 12 MonateE 41 Monate

4 26 Monate x x x Angiographie 12 Monate 11 Monate (A) 12 Monate 26 MonateA 24 Monate (A) 24 Monate

5 4 Monate x x x 4 MonateAE

6 31 Monate x x x x Angiographie 30 Monate (A) 31 Monate 31 MonateA

7 6 Monate x x x 6 Monate (E) 6 MonateA

AUG, Ausscheidungsurographie; CT, Computertomographie; MRT, Magnetresonanztomographie; US, Ultrasonographie (A=transabdominell, E=endorektal);MCU, Miktionszysturetrographie

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schen 1:900 bis 1:1100 angegeben [6, 12,24, 25, 35]. In einer sonographischenReihenuntersuchung an 280 000 Kin-dern konnte Sheih [34] bei 236 Kindern(119 Jungen und 117 Mädchen) eine kon-genitale Solitärniere nachweisen, vondenen 6 Jungen mit Samenblasenzystenund 7 Mädchen mit Zysten des Gartner-Ganges, dem analogen Krankheitsbildbei der Frau. Bezogen auf die männli-chen Individuen ergibt sich daraus eineHäufigkeit der Kombinationsmißbil-dung von 0,00429% (1:23 333) [34, 35].Die nach den Untersuchungen vonSheih [34] zu vermutende Häufigkeitunterschätzt möglicherweise den tat-sächlichen Wert, da nur Schulkinderuntersucht wurden und bei einem Teilder Patienten Samenblasenzysten wohlerst mit Einsetzen der sekretorischenAktivität des Reproduktionstraktesapparent werden.

Klinische Symptomatik

Die Mehrzahl der Träger dieser Mißbil-dung ist asymptomatisch. Wenn Sym-ptome auftreten, dann meist in der 2.bis 4. Lebensdekade, in der Zeit dergrößten sexuellen Aktivität.Am häufig-sten werden rezidivierende Prostatiti-den, wiederkehrende Entzündungen

Langzeitverlauf

Verlaufsbeobachtungen von kongenita-len Samenblasenzysten mit Einzelnieresind bislang nicht in der Literatur do-kumentiert. 4 von 5 Patienten in unse-rer Untersuchung zeigten über einenZeitraum von 26–52 Monaten keine Be-fundänderung. Die Nachuntersuchungdes 15jährigen Jungen nach 10 Jahrenergab jedoch eine erhebliche Größen-zunahme der Zyste mit Ausbildung ei-ner Pseudoureterozele. Da die Ausbil-dung der intravesikalen Zystenanteileerst nach der Pubertät einsetzt, trägtwohl in erster Linie die Produktion vonSamenflüssigkeit zur Größenzunahmebei. Auch eine Restfunktion der kleinendysplastischen Niere, die bei diesemJungen nachgewiesen werden konnte,mit Ausscheidung in die Samenblasenkönnte hier Mitursache der Verände-rung sein. Die Dicken- und Dichtezu-nahme der Zystenwand, wie sie bei demPatienten gesehen werden kann, istwohl Folge einer Fibrosierung und Ver-kalkung aufgrund eines chronischenEntzündungsprozesses [9, 23, 40].

des ipsilateralen Nebenhodens sowieSchmerzen in Perineum und Hoden beider Ejakulation angeführt [13, 19, 30,41]. Bei einigen Patienten mit kongeni-talen Samenblasenzysten wird über ei-ne Sub- bzw. Infertilität berichtet [5, 11,14, 20, 28–30], ohne daß klinisch eineAuffälligkeit der kontralateralen Sa-menwege nachgewiesen werden kann.Als Ursache der Sub- bzw. Infertilitätwird eine chronische Entzündung derSamenblasenzysten und der angren-zenden Prostata angeschuldigt. Im eige-nen Patientengut sind 5 von 7 MännernVäter, was eher für eine niedrige Infer-tilitätsrate spricht.

Begleitanomalien

Die einseitige kongenitale Nierenage-nesie ist häufig mit zusätzlichen Miß-bildungen assoziiert [1, 6, 12]. In derKombination mit Samenblasenzystenwerden weitere Fehlbildungen nur sel-ten beschrieben. Bisher wird lediglicheinmal zusätzlich das Fehlen des ipsila-teralen Hodens und des Ductus defe-rens angegeben [7]. Auffallend war inder eigenen Untersuchung das Vorlie-gen von 3 Anomalien des Venensy-stems, die bei dieser Fehlbildung nochnicht beschrieben worden sind.

Tabelle 2

Befunde bei 7 Patienten mit Samenblasenzysten und ipsilateraler Nierenagenesie

NR. Alter bei Beobachungs- Klinik Größe und Lokalisation Niere und Ureter Zusätzliche BefundeErstdiagnose zeitraum der Zysten

1 15 Jahre 119 Monate Schmerzen im äußeren Genitale, 7×4,5×3 cm, teilweise Dyplasie links Ureterocelenartige VorwölbungMit 24 Jahren obstruktive septiert, links (1,5 cm) mit Ureter in die Blase, erweiterter DuctusMiktionsbeschwerden und ejaculatorius linksInkontinenz

2 52 Jahre 37 Monate Ziehen linke Leiste, Mikro- 9,0×6,5×7,5 cm, Agenesie rechts, Gedoppelte Vena cava inferior;hämaturie; nicht septiert, rechts kein Ureter segmentaler Megaureter links.

3 37 Jahre 52 Monate keine, Zufallsbefund bei 5×8,5×4 cm, teilweise Agenesie links, Ureterocelenartige VorwölbungPankreatitis-Abklärung septiert, links dilatierter Ureter- in die Blase, erweiterter Ductus

stumpf ejaculatrius4 58 Jahre 26 Monate keine, Zufallsbefund bei 3×4×3 cm, Agenesie rechts, Zircumaortaler Venenring,

Abklärung eines Tumor in septiert, rechts Ureterstumpf tubuläre Struktur zwischen linkerder Einzelniere und rechter Samenblase

5 54 Jahre 4 Monate keine, Zufallsbefund bei 4,5×5×5 cm, Agenesie links, gedoppelte Vena cava inferior,Pankreatitis-Abklärung septiert, links kein Ureter erweiterter Ductus ejaculatorus

links6 57 Jahre 31 Monate keine, Zufallsbefund bei 4×4×5 cm, Agenesie rechts, keine

Abklärung eines Tumor in septiert, beidseits dilatierter Ureter-der Einzelniere stumpf

7 45 Jahre 6 Monate keine, Zufallsbefund bei li.: 5×5,5×6cm Agenesie links, ureterocelenartige Vorwölbungsonographischer Unter- re.:5×5×4 cm, Ureter in die Blasesuchung beidseits

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Freies Thema

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1a

1b

1c

1d

2a

2b

Abb. 1a–d m Patient 1: a Perineale Punktion (Pfeil) und Füllung der Samenblasenzyste mitRöntgenkontrastmittel bei einem 15 Jahre alten Jungen mit linksseitiger Nierenagenesie. DasFüllungsbild zeigt ein lobuliertes Zystensystem im kleinen Becken. Der ektop einmündendeHarnleiter stellt sich bis in Höhe des Promontoriums dar (Pfeil). b Die Computertomographie indiesem Alter zeigt retrovesikale Samenblasenzysten. c 10 Jahre später hat die Zyste erheblichan Größe zugenommen und ragt ureterocelenartig in die Harnblase vor. d Die CT-Scans in Höheder Niere nach intravenöser Kontrastmittelgabe zeigen auf der Seite der Samenblasenzysteeine kleine, dysplastische Niere (Pfeil)

Abb. 2a,b b Patient 5: 54jähriger Patient mit linksseitiger Samenblasenzyste und ipsilateralerNierenagenesie. a Die sagittalen Kernspintomographien (TR=600 ms, TE=15 ms) des kleinesBeckens zeigen einen distal erweiterten Harnleiter (Pfeil), der in die zystisch degenerierte Sa-menblase einmündet. b Die koronaren, T1-gewichteten Kernspintomographien (TR=600 ms,TE=15 ms) in Höhe der Prostata zeigen einen erweiterten linken Ductus ejaculatorius mit ho-hem Signal, der nach kaudal spitz zuläuft. In der Zystoskopie war in Höhe des Colliculs semina-lis links eine Vorwölbung der Schleimhaut zu sehen

Page 6: Samenblasenzysten bei ipsilateraler Nierenagenesie

schrieben [3, 4, 9, 11, 17, 18, 24, 26, 29, 34,36, 41]. Der Begriff der ektopen Uretero-zele [17] darf hier nicht verwendet wer-den, da nicht die fehlerhafte Einmün-dung des Harnleiters in die Blase derUrsprung der beobachteten Verände-rung ist. Vielmehr liegt hier eine ver-wandte Störung der Vereinigung des di-stalen Wolff-Ganges mit dem Sinus uro-genitalis vor. Wiederholt wird daraufhingewiesen, daß der Unterschied zuechten Ureterocelen in der dickerenWand besteht [26, 34]. Eine intraprosta-tische Erweiterung des Ductus ejacu-latorius wird bisher nur bei 3 Patientenbeschrieben [4, 14, 17]. Bei 2 von ihnenläßt sich eine breite Öffnung zur pro-statischen Harnröhre nachweisen. Derüberwiegende Teil der vesikulogra-phisch untersuchten Patienten zeigt ei-ne komplette Obliteration bzw. einFehlen des ipsilateralen Ductus ejacu-latorius.

Therapie

Die Therapie sollte sich auf symptoma-tische Fälle beschränken. Zur Behand-lung stehen neben der Gabe von Anti-biotika 3 Möglichkeiten zur Verfügung:1. die Entleerung der Zyste über eine di-rekte Punktion oder über den ipsilate-ralen Ductus deferens, 2. die transure-thrale Fensterung und 3. die offene ope-rative Abtragung der Samenblase. DieEntleerung der Zyste über eine rektaleoder perineale Punktion hat den Nach-teil, daß es innerhalb kurzer Zeit zu ei-ner erneuten Füllung des Zystenbalgeskommen kann und der chronische Ent-zündungsprozeß persistiert [15, 18, 37].Einige Autoren berichten jedoch überanhaltende Besserung, längerfristigeBeobachtungen fehlen jedoch [3, 13, 21].Die transurethrale Resektion und Drai-nage in die Blase scheint hier überlegen[28]. Der dabei entstehende Reflux indie Zyste disponiert jedoch zu Infektender Harn- und Samenwege und kann sozu einer Persistenz der Symptome füh-ren [8, 36, 41]. Die meisten der beschrie-benen Fälle wurden einer offenen Ope-ration mit verschiedenen Zugangswe-gen zugeführt [3, 24, 30, 37, 39, 41]. Kürz-lich wurde als weitere Therapie über dielaparoskopische Entfernung einer Sa-menblasenzyste berichtet. Diese Tech-nik bietet gegenüber der offenenOperation den Vorteil der kürzeren Re-konvaleszenz. Auch soll es bei diesem

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Wertigkeit der bildgebendenVerfahren

Verschiedene Arbeiten zeigen die Be-deutung von AUG, US, CT, MRT und derDeferentovesikulographie für die Dia-gnose der zystischen Degeneration derSamenblasen [15, 17, 19, 22, 27, 31, 32, 37].Die AUG kann die ipsilaterale Nieren-agenesie nachweisen. Auf die Verände-rungen im kleinen Becken gibt sie je-doch meist keine Hinweise. Die Raum-forderung hinter der Blase wird durchdie CT gut dargestellt, jedoch ist wegender ähnlichen Dichtewerte der Organeim kleinen Becken eine Abgrenzung oftschwierig. Die hohen Dichtewerte derVeränderungen lassen die Samenbla-senzysten bei den eigenen Patienten alssolide Raumforderungen im nativen CTerscheinen. Hier weist nur die fehlendeKontrastmittelaufnahme auf den zysti-schen Charakter hin. Der Zysteninhaltsetzt sich in den in der Literatur berich-teten Fällen [3, 9, 14, 18, 23, 30, 38] aus al-tem Blut, Spermatozoen und Entzün-dungszellen zusammen. Ein ähnlicherZysteninhalt konnte bei Patient 1 nach-gewiesen werden. Der hohe Zell- undProteingehalt ist sowohl für die hohenDichtewerte in der CT als auch das Si-gnalverhalten in der MRT (mit hoher Si-

gnalintensität in allen Spin-Echo-Se-quenzen) verantwortlich. Der transab-dominelle und endorektale Ultraschallzeigt gut die zystische Struktur der Ver-änderung. Intravesikale Zystenanteilelassen sich auch transabdominell dar-stellen, wohingegen die intraprostati-schen Veränderungen nur in der endo-rektalen Sonographie nachweisbar sind.Hier läßt sich auch bestätigen, daß dieZysten von der Samenblase ausgehen.Alle wesentlichen Aspekte der Kombi-nationsmißbildung sind sowohl sono-graphisch als auch computertomogra-phisch darstellbar, die MRT zeigt abergegenüber diesen Verfahren deutlicheVorteile bei der Beurteilung der retro-vesikalen Strukturen und ihrer Abgren-zung [17, 22]. Die prästenotische Erwei-terung des Ductus ejaculatorius kannmit dieser Methode ebenso nachgewie-sen werden wie die ektope Harnleiter-einmündung in die Bläschendrüse. DieDeferentovesikulographie hat ebensowie die direkte Punktion der Zyste heutekeine diagnostische Bedeutung mehr.

Morphologische Befunde

Eine ureterocelenartige Vorwölbungder Samenblasenzysten in die Harnbla-se wird in ungefähr 25% der Fälle be-

a

b

Abb. 3a,b b Patient 3: 37 Jahre alterPatient mit linksseitiger Samenbla-senzyste, die sich ureterocelenartigin die Harnblase vorwölbt. a Dietransrektale Sonographie zeigt ei-ne relativ dicke Wand der „Uretero-zele“. b Im sagittalen T1-gewichte-ten MR-Bild (TR=600 ms, TE=15 ms)zeigt die ureterozelenartige Vor-wölbung in die Blase einen signal-reichen Inhalt

Page 7: Samenblasenzysten bei ipsilateraler Nierenagenesie

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bei dem Nachweis einer einseitigenNierenagenesie nach anderen Fehlbil-dungen gefahndet werden. Meist fälltdie kongenitale Einzelniere bei einerAbdomensonographie auf, hierbei ist eseinfach auch Zysten der Bläschendrüsezu entdecken. Bei der Abklärung einerunklaren Fertilitätsstörung sollte andieses Krankheitsbild gedacht werden.Die Verlaufsbeobachtungen stützen dasKonzept, nur symptomatische Samen-blasenzysten zu behandeln. Sie zeigen,daß Kinder, bei denen Samenblasenzy-sten nachgewiesen werden, über diePubertät hinaus kontrolliert werdensollten, ggf. sollte nach Eintritt der Ge-schlechtsreife ein Spermiogramm an-gefertigt werden.

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Freies Thema

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Verfahren möglich sein, das neurovas-kuläre Bündel und den kontralateralenDuctus ejaculatorius zu schonen und soStörungen der erektilen Potenz und derFertilität zu vermeiden [33].

Differentialdiagnose

Differentialdiagnostisch sind erworbe-ne Samenblasenzysten zu berücksichti-gen. Diese sind sehr selten und tretenvorwiegend im höheren Lebensalter auf[32, 38]. Es handelt sich meist um beid-seitige Retentionszysten aufgrundpostentzündlicher Obstruktionen desDuctus ejaculatorius nach Harnwegsin-fekten oder Prostatitiden. Sie sollen miteiner Erweiterung der Ampulle desDuctus deferens einhergehen [13, 33,37]. Der Zysteninhalt stellt sich sowohlin der CT als auch in der MRT wasser-äquivalent dar. Häufig sind begleitendeVerkalkungen in den Drüsen selbst undin der Prostata nachweisbar. Auch flori-de Samenblasenentzündungen gehenmit einer Vergrößerung der Bläschen-drüse einher. Hier sind ebenfalls meistbeide Seiten betroffen [2]. Weiterhin istan Zysten des Müller-Ganges, Utriku-luszysten, Prostatazysten und Diverti-kel des Ductus ejaculatorius zu denken.Sowohl die Zysten des Müller-Gangesals auch die Utrikuluszyste liegen in derMittellinie in oder dorsal der Prostata.[38]. Selten sind sie größer als 2 cm undim Gegensatz zu den Samenblasenzy-sten stets unseptiert [10, 32]. Differen-tialdiagnostisch ist der Nachweis vonSpermienvorstufen im Punktat zur Ab-grenzung der Samenblasenzysten vonZysten des Müller-Ganges und anderenzystischen Raumforderungen verwert-bar. Die Abgrenzung der Samenblasen-zysten zu Blasendivertikeln, Dermoid-zysten, Echinokokkuszysten und pelvi-nen Abszessen ist in den Schnittbild-verfahren insbesondere der MRT durchdie gute Organzuordnung meist mög-lich.

Konsequenzen für die Praxis

Die einseitige Nierenagenesie ist häufigmit weiteren Fehlbildungen assoziiert.Collins [6] findet bei 41% der Männermit Einzelniere begleitende Mißbildun-gen des Genitaltraktes und anderer Sy-steme. Vor diesem Hintergrund sollte

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Der Radiologe 9·98 | 773

tung in der GKV“ (S. 49 bis 137) und dem „Konzept

der individuellen Gesundheitsleistungen“ (S. 139

bis 185) den zentralen Problemstellungen zuwen-

det. Lesenswert ist der aus der Sicht des Autors

maßgebliche „Empfehlungskatalog“ nebst einem

Katalog weiterer individueller Gesundheitslei-

stungen (S. 187 bis 319 und S. 321 bis 403), der im

Anhang durch einen fachgruppenspezifischen

Katalog ergänzt wird (S. 405 bis 422). Das Werk

schließt mit Literatur- und Sachverzeichnis. Ihm

sind als Anlagen „Materialien zur Patienteninfor-

mation“ beigefügt.

Krimmel hat – und dies bezieht sich auf die

Darstellung im Ganzen – ein lesenswertes und

die Durchdringung der Materien aus der juristi-

schen Sicht anregendes Buch vorgestellt. Beacht-

lich sind – aus der Fülle der behandelten Fragen

exemplarisch – seine Ausführungen über das Ver-

hältnis von Kostenerstattung gegenüber Praxis-

budgets und Regelleistungsvolumina sowie zur

von der Krankenkasse der KV geschuldeten Ge-

samtvergütung (S. 124 ff.). Insbesondere werden

seine Ausführungen zum Konzept der individuel-

len Gesundheitsleistungen, die sich in der Fach-

presse unter der Abkürzung „IGEL“ schnell einen

Namen gemacht haben, Beachtung und auch die

streitige Diskussion finden. Dies gilt um so mehr,

als Krimmel sein Buch in der Eigenschaft als stell-

vertretender Hauptgeschäftsführer der KBV her-

ausgegeben hat, so daß die Arbeit wohl auch als

deren rechtspolitische Position verstanden wer-

den darf.

Man mag in der einen oder anderen Frage

durchaus unterschiedlicher Meinung sein:Von

vorneherein abzulehnen ist nicht ein einziger der

von Krimmel vertretenen Standpunkte! Die Arbeit

baut auf den Finanznöten der GKV auf. Ihr offen-

sichtliches Anliegen ist es, der finanziellen Über-

forderung der auch von Anspruchsdenken betrof-

fenen GKV zu begegnen. Die Legitimation dieser

Zielsetzung ist nicht zu bestreiten. Die überaus le-

sens- und nachdenkenswerten Ausführungen in

dem von Krimmel verfaßten Werk verdienen eine

breite Beachtung.

G. Schneider (Chemnitz)

L. KrimmelKostenerstattung und IndividuelleGesundheitsleistungenNeue Chancen für Patienten und Ärzte

Köln: Deutscher Ärzte-Verlag, 1998. 432 S.,95 Abb., (ISBN 3-7691-0365-3), brosch.,DM 98,–

Kostenerstattung und Individuelle Gesundheits-

leistungen – beide Begriffe sind in kurzer Zeit zu

Reizworten in der Diskussion über die zukünftige

Gestaltung des Leistungssystems der Gesetzlichen

Krankenversicherung (GKV) geworden. Schien die

Art und Weise der Leistungsverschaffung in Ge-

stalt der Sach- oder Naturalleistung noch bis vor

kurzem mit der GKV als deren „Wesenselement“

untrennbar verbunden, hat der Gesetzgeber mit

dem 2. GKV-Neuordnungsgesetz vom 23. Juni

1997 (BGBI I S. 1520) die Kostenerstattung als

gleichrangige Kassenleistung zugelassen. Die „Ko-

stenexplosion“ im Gesundheitswesen sowie der

auf den sog.„Leistungserbringern“ und nament-

lich der Ärzteschaft lastende Kostendruck haben

überdies zu Überlegungen geführt, das Leistungs-

recht der GKV neu zu strukturieren, wenn nicht

einzudämmen – von einer sog.„Zwei-Klassen-Me-

dizin“ ist vorschnell, wenn nicht voreilig, die Rede.

Krimmel hat sein Buch thematisch zu Recht

beiden Aspekten gewidmet: Kostenerstattung

kann den konkreten Bedarfslagen des gesetzlich

Krankenversicherten eher gerecht werden als ein

schematisch starres System der Leistungsver-

schaffung (Sach- oder Naturalleistung). Die mit

den „individuellen Gesundheitsleistungen“ ein-

hergehenden Überlegungen erteilen dem Den-

ken an eine angeblich „optimale“ Rundum-Ver-

sorgung ebenso eine unzweideutige Absage wie

dem Glauben, die sich aufgrund der Verkürzung

der wissenschaftlichen „Halbwertszeiten“ zuneh-

mend verteuernden neuen Diagnose- und Thera-

piemethoden ließen sich mit den herkömmlichen

Mechanismen uneingeschränkt finanzieren.

Das in seinem Hauptteil in sechs Kapitel ge-

gliederte Werk untersucht zunächst die maßgeb-

lichen Rahmenbedingungen (S. 9 bis 48), bevor

sich die Darstellung mit den Teilen „Kostenerstat-

Buchbesprechung