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Samstag, 08. September 2018, 12:11 Uhr ~14 Minuten Lesezeit „Hitler war ein großer Demokrat“ Der ukrainische Parlamentsvorsitzende verehrt Adolf Hitler. von Stefan Korinth Foto: Roman Koval/Shutterstock.com In einer Diskussion im ukrainischen Fernsehen bezeichnet Parlamentspräsident Andrij Parubij Adolf Hitler als großen Verfechter der direkten Demokratie. Das Lob ist nur Teil einer ganzen Reihe von Aussagen und Taten hochrangiger ukrainischer Politiker, die den Faschismus weißwaschen. „Diese Leute genießen völlige Narrenfreiheit“, kritisiert der linke Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko. Denn von westlichen Politikern und Leitmedien ist selbst nach Parubijs Lob für Hitler kaum Kritik zu erwarten.

Samstag, 08. September 2018, 12:11 Uhr „Hitler war ein großer … · Samstag, 08. September 2018, 12:11 Uhr ~14 Minuten Lesezeit „Hitler war ein großer Demokrat“ Der ukrainische

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Samstag, 08. September 2018, 12:11 Uhr~14 Minuten Lesezeit

„Hitler war ein großerDemokrat“Der ukrainische Parlamentsvorsitzende verehrt Adolf Hitler.

von Stefan Korinth Foto: Roman Koval/Shutterstock.com

In einer Diskussion im ukrainischen Fernsehenbezeichnet Parlamentspräsident Andrij Parubij AdolfHitler als großen Verfechter der direkten Demokratie.Das Lob ist nur Teil einer ganzen Reihe von Aussagenund Taten hochrangiger ukrainischer Politiker, die denFaschismus weißwaschen. „Diese Leute genießenvöllige Narrenfreiheit“, kritisiert der linkeBundestagsabgeordnete Andrej Hunko. Denn vonwestlichen Politikern und Leitmedien ist selbst nachParubijs Lob für Hitler kaum Kritik zu erwarten.

„Propaganda auf allen wichtigen russischsprachigen Kanälen lässt

Millionen Menschen immerhin glauben, in Kiew, der Hauptstadt der

Ukraine, herrschen blutrünstige Faschisten, die einen Genozid an

Russischstämmigen in der Ostukraine planen. Wir und viele Medien

sind Hinweisen nachgegangen, ob das stimmt. Und wir haben

festgestellt, es gibt diese Faschisten nicht, jedenfalls nicht an

verantwortlicher Stelle in Kiew. Und trotzdem bekommen wir immer

noch Zuschriften, die das behaupten.“

Diese Aussagen über ukrainische Faschisten waren damals schonnachprüfbar falsch (1). Doch spätestens jetzt müsste Claus Kleber imHeute Journal mächtig zurückrudern. Denn kein Geringerer als derukrainische Parlamentspräsident Andrij Parubij hat nun öffentlichAdolf Hitler, den Diktator und größten Faschisten aller Zeiten, alsVorbild in Sachen Demokratie gelobt(https://www.youtube.com/watch?v=tof3OBZ3itM&feature=youtu.be&t=1251):

„Und übrigens sage ich Ihnen, der größte … (Pause) Mensch, der die

direkte Demokratie praktiziert hat, das war Adolf Aloisowitsch in den

1930er Jahren. Und daran müssen wir uns erinnern“ (2).

Parubij spricht von Hitler in der Höflichkeitsform mit Vornamen undVatersnamen (Alois). Er sagte diese Sätze in der Sendung „FreiesWort“ am 4. September im TV-Kanal ICTV. Parubij stand dortmehreren Gästen Rede und Antwort.

Ein Gast namens Wolodymyr Fesenko stellt dem

Im Juli 2014, in der heißen Phase des Ukraine-Konflikts, standModerator Claus Kleber im „Heute-Journal“ des ZDF und sagte(https://www.youtube.com/watch?v=SmTMELrdazg&feature=youtu.be&t=32):

Parlamentspräsidenten zum Ende der Sendung die Frage nacheinem Gesetz für Volksentscheide in der Ukraine. Parubij bezeichnetsich daraufhin als Verfechter der direkten Demokratie. Er habe sichselbst wissenschaftlich mit dem Thema befasst. Woraufhin ohneersichtlichen Grund Parubijs oben zitiertes Lob für Adolf Hitlerfolgte.

Niemand im TV-Studio kritisierte Parubij dafür. Weder Moderatornoch Publikum beschwerten sich. Der Fragesteller stimmte Parubijsogar ausdrücklich zu. Die Sendung klang aus, als ob nichtsgeschehen wäre.

War Hitler doch kein Diktator?

Aber hatte da nicht gerade der zweithöchste ukrainische Politikerausgerechnet Adolf Hitler als fortschrittlichen Demokraten gelobt?Den Adolf Hitler, der für den größten und verheerendsten Krieg derMenschheitsgeschichte und für viele Millionen Tote derHauptverantwortliche war? Ist Parubij wirklich kein andererVorkämpfer der direkten Demokratie eingefallen? Das hätte dochkein Problem sein müssen, wenn man sich mit dem Thema sogarwissenschaftlich auseinandergesetzt hat.

Gehen wir einmal kurz auf Parubijs Argumentation ein, Hitler wäreein Befürworter direkter Demokratie gewesen: Was zeichnet sojemanden denn aus? Er kritisiert die parlamentarische Demokratie.Ja, das tat Hitler tatsächlich und zwar bis zum mörderischen Exzess.Gegnerische Parteien ließ er verbieten, politische Gegner ins KZsperren und umbringen. Doch ein Verfechter der direktenDemokratie ist auch Gegner der Diktatur. Und das war Hitler ganzsicher nicht.

Ein Freund der direkten Demokratie würde den Mehrheitswillen der

Bevölkerung durch Volksabstimmungen ermitteln und diesenumsetzen – und nicht, wie es Hitler tat, ganze vier Referenden inzwölf Herrschaftsjahren durchführen, die nur das nachträglichbestätigten, was durch gesetzliche oder militärische Schrittesowieso schon vollzogen war (3).

Ein Vorkämpfer der direkten Demokratie würde sich nicht als„Führer“ bezeichnen, sondern sich vom Mehrheitswillen derBevölkerung führen lassen. Diesen Willen manipulierte Hitlerstattdessen mit massiver Propaganda und der Schaffung vonFeindbildern in seinem rassistischen und antisemitischen Sinne.

Ein Vertreter der direkten Demokratie würde zumindest über diewichtigsten Entscheidungen für das Land abstimmen lassen. Aberweder über die massive Rüstungspolitik noch über Verfolgung undErmordung vieler gesellschaftlicher Gruppen und schon gar nichtüber die zahlreichen Kriegserklärungen an andere Länder ließ Hitlerdie deutsche Bevölkerung abstimmen. Hitler war kein Verfechterder direkten Demokratie. Er verachtete sie. Adolf Hitler war einDiktator. Das alles sind banale und definitiv keine neuenErkenntnisse.

Doch bei Andrij Parubij scheint das noch nicht angekommen zu sein.Man muss sich fragen, was an der Iwan-Franko-Universität in Lwiw,wo er sein Studium zum Historiker und Geschichtslehrer im Jahre1994 mit einem Diplom abschloss, gelehrt wird.

Oppositionspolitiker verklagt Parubij

Außerhalb des Fernsehstudios schlug Parubijs Hitler-Lob durchauskleinere Wellen. Der Journalist Andrei Manchuk schrieb: „DieTatsache, dass Parubij die zweite Person im Staat wurde, ist wirklichzu viel, aber dafür müssen wir dem lebensspendenden Maidan

danken, der ursprünglich von solchen Leuten geführt wurde.“ DerBlogger Denis Gorokhovsky kommentierte: „Nun, aus Parubijs Mundsind solche Aussagen nicht überraschend, obwohl eserwähnenswert ist, dass diese Leute aufhören, sich ihrerÜberzeugungen zu schämen“ (4).

Der Vorsitzende des Oppositionsblocks im ukrainischen Parlament,Juri Boiko, forderte Parubijs Rücktritt ebenso wie der früherePräsidentschaftskandidat Vadim Rabinowitsch. Dieser zeigte(https://112.ua/politika/rabinovich-podaet-v-sud-na-parubiya-za-propagandu-fashizma-461000.html) Parubij zusätzlich wegen„faschistischer Propaganda“ an.

Rabinowitsch forderte zudem eine öffentliche Entschuldigung desParlamentspräsidenten bei der Bevölkerung, denn die deutschenInvasoren unter Adolf Hitler hatten ab 1941 auch in der UkraineMillionen Menschen umgebracht und große Teile des Landeszerstört. Außerdem rief der Politiker alle europäischen Botschaften,vor allem den deutschen Botschafter in Kiew, auf, die Handlungender Regierung „zu bewerten“ und die Kontakte zu Parubijabzubrechen.

Parubij selbst traf am Tag nach seiner Aussage den deutschenBundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki (FDP) in Kiew.

Später rechtfertigte Parubij seine Behauptung, indem er knappergänzte, dass die Nazis ihre Referenden manipuliert hätten.

Deutsche Historiker kritisieren Parubij

Der Rubikon fragte bei mehreren Fachhistorikern nach, wie sieParubijs Aussagen bewerten.

Der hannoversche Geschichtswissenschaftler Hans-Heinrich Noltesagte: „Parubijs Aussage ist so weit von meinem Verständnis derGeschichte entfernt, dass mir nichts dazu einfällt. That‘s historyturned upside-down.“

Der Hamburger Osteuropahistoriker Frank Golczewski sagte: „DassParubij überhaupt Hitler als positives Beispiel heranzieht, zeugtdavon, dass er nicht akzeptabel ist. Er verstößt damit auch gegendas ukrainische Gesetz.“

Der Berliner Professor für Holocaust-Studien Stephan Lehnstaedtsagte: „Die Aussage ist mindestens unglücklich, denn die Qualitäteiner Demokratie misst sich vor allem im Umgang mit ihrenGegnern und Minderheiten. In Deutschland wäre das sicher einRücktrittsgrund.“

Der Berliner Osteuropahistoriker und Bandera-Biograf GrzegorzRossoliński-Liebe sagte:

„Ende der 1980er Jahre engagierte sich Parubij in neofaschistischen

Organisationen. Entsprechende Bilder von ihm sind noch im Internet

zu finden. Sie zeigen, wie er in einem brauen Hemd und Lederstiefeln

mit Gleichgesinnten an rechtsradikalen Veranstaltungen teilnimmt.

Damals war er stolz darauf, sich so zu kleiden und den faschistischen

Gruß in der Öffentlichkeit vorzuführen. In den späten 1990er Jahren

rückte er vom Neofaschismus zum Postfaschismus, der besser als

rechtsradikaler Populismus bekannt ist. Parubij hörte auf, braune

Hemden zu tragen und den faschistischen Gruß zu benutzen, aber

sein Weltbild hat sich nicht geändert“ (5).

Swoboda-Gründer undMaidankommandant

Während seines Studiums hatte Parubij 1991 die Sozial-NationalePartei gegründet – gemeinsam mit Oleh Tjahnybok. Die Parteiänderte später ihren Namen in Swoboda, arbeitete mit der NPDzusammen und wurde während des Maidan auch im Westenbekannt. Genauso wie Tjahnybok, der zu diesem ZeitpunktParteichef war. Bis 2007 war Parubij in Lwiw lokalpolitisch innationalistischen Gruppierungen aktiv. Danach wurde erParlamentsabgeordneter in Kiew. 2010 versuchte(https://www.kyivpost.com/article/content/ukraine-politics/parubiy-asks-european-parliament-to-reconsider-its-60550.html) er mit einem Brief Stepan Bandera vor denAbgeordneten des Europäischen Parlaments zu rehabilitieren. Diesehatten zuvor die posthume Ehrung Banderas als „Held der Ukraine“scharf kritisiert.

Während des Maidan kommandierte Andrij Parubij dieparamilitärisch organisierte Maidanarmee Samooborona. Er war inhohem Maße mitverantwortlich für Gewalttätigkeit und Bewaffnungder Maidankämpfer. Parubij steht nach Vorwürfen sowohl dergestürzten ukrainischen Regierung als auch anderer ukrainischerKritiker in Verdacht, eine der entscheidenden Personen hinter demMaidanmassaker am 20. Februar 2014 und hinter dem Massenmordim Gewerkschaftshaus von Odessa am 2. Mai 2014 zu sein.

Nach dem Machtwechsel in Kiew übernahm Parubij den Vorsitz desNationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine. SeitApril 2016 agiert er als Parlamentspräsident des Landes.

Schwieriger Kooperationspartner

Andrej Hunko, Europapolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKEim Bundestag und Mitglied der Parlamentarischen Versammlung desEuroparates, sagte auf Rubikon-Anfrage (6): „Der jetzige

Parlamentspräsident der Werchowna Rada, Andrij Parubij, ist einerder einflussreichsten Rechtsextremisten in der Ukraine.“ Dass sichParubij genau wie andere ukrainische Nationalisten positiv auf„Adolf Aloisowitsch“ Hitler bezieht, sei nicht überraschend. DieVorläufer dieser Bewegung, wie die heute in der Ukraine verehrteUPA, waren schließlich bekennende Kollaborateure der Wehrmachtund der Nazis, unterstrich der Bundestagsabgeordnete.

Hunko forderte Politiker in Deutschland und der EU auf, öffentlicheinzuräumen, dass Neonazis und Rechtsradikale eine wichtige Rollebeim „schwierigen Kooperationspartner“ Ukraine spielen. „In derukrainischen Politik herrscht ein rechtsradikaler Mainstream, auchwenn sich die regierenden Parteien nach außen demokratischdarstellen.“

Parubij sei in seiner Funktion im Nationalen Sicherheits- undVerteidigungsrat der Ukraine ab 2014 maßgeblich dafürverantwortlich gewesen, einen Krieg gegen die eigene Bevölkerungim Osten der Ukraine anzuzetteln, betonte Hunko.

Milliardenkredite und Narrenfreiheit

Eine wichtige Frage ist, wie Bundesregierung und EU mit ParubijsHitler-Lob umgehen. Eigentlich müssten Berlin und Brüssel endlichKlartext mit Kiew reden und den Geldhahn zudrehen, fordertHunko.

„Es darf kein Dauerzustand werden, dass dieSteuerzahler aus der EU eine wilde Bande vonRechtsextremisten und Korrupten in Kiewsubventionieren, nur weil das der NATO ins Feindbildpasst.“

Doch Hunko glaubt nicht, dass es von dieser Seite Kritik geben wird.

„Alle Bemühungen aus der Bundesregierung und aus Brüssel sind

darauf ausgerichtet, die Poroschenko-Regierung zu stabilisieren, etwa

durch einen neuen Milliarden-Kredit. Das heißt, diese Leute genießen

völlige Narrenfreiheit. Ich kann mir keine Gründe vorstellen, die die

Bundesregierung veranlassen könnten, nun etwas einzuräumen, was

sie seit vier Jahren lauthals ignoriert.“

Nicht der erste Fall vonGeschichtsklitterung

Erfahrungsgemäß werden auch deutsche Leitmedien über denVorfall nicht berichten. Jeder darf sich an dieser Stelle ausmalen,wie die großen Medien reagiert hätten, wenn der russischeParlamentspräsident Adolf Hitler als großen Demokraten gelobthätte. Dies wäre zu Recht über Tage ein zentrales Thema gewesenund hätte womöglich sogar zu politischen Sanktionen Berlinsgeführt. Doch da diese Worte aus dem Munde eines ukrainischenVerbündeten kamen, tut man besser so, als sei nichts geschehen.

Das Gleiche war bereits zu beobachten, als der damalige ukrainischeRegierungschef Arsenij Jazenjuk im Januar 2015 live in denTagesthemen (!) den Zweiten Weltkrieg als „sowjetische Invasion derUkraine und Deutschlands“ beschrieb(https://www.nachdenkseiten.de/?p=24527). Wahnsinnigerechtsradikale Geschichtsklitterung vor einem Millionenpublikum –doch weder die überforderte Moderatorin noch dieBundesregierung reagierten.

Weder die Ehrung nationalistischer Weltkriegsveteranen noch dieUmbenennungen von Straßen, Brücken und Plätzen nachukrainischen Kriegsverbrechern und Nazi-Kollaborateuren hattenpolitische Folgen für Kiew. Im August 2018 ließ der ukrainischePräsident die faschistische Parole der ukrainischen Nationalisten als

offiziellen Militärgruß einführen(https://www.heise.de/tp/features/Slawa-Ukraini-Poroschenko-versucht-rechtsradikale-Waehler-hinter-sich-zu-scharen-4137455.html) und bei der Militärparade zum Unabhängigkeitstagvon tausenden Soldaten in Kiew rufen(https://www.youtube.com/watch?v=SPQEhTk73EY&feature=youtu.be&t=2097). Kritik von derBundesregierung war nicht zu vernehmen. Das alles nennt mandann wohl Realpolitik.

Willkommen bei den westlichen Werten

Auch Bundespräsident Joachim Gauck verkniff sich im September2016 jegliche Kritik am fragwürdigen Umgang ukrainischer Politikermit der Geschichte. Die Chance hatte er an der Gedenkstätte BabynJar in Kiew, wo 1941 innerhalb von zwei Tagen mehr als 30.000Kiewer Juden von deutschen und ukrainischen Kommandosermordet wurden.

Anstatt das Verbrechen historisch aufzuarbeiten,instrumentalisierte (https://www.nachdenkseiten.de/?p=35303)es der ukrainische Präsident Petro Poroschenko für seineAußenpolitik. Anders als der israelische Präsident blieb Gauck inseiner Rede unkritisch. Dann stellte er Kerzen auf. Übrigens an derSeite von keinem Geringeren als Andrij Parubij, dem ukrainischenParlamentspräsidenten, der ukrainische Nationalisten als Heldenverehrt und Adolf Hitler, den Hauptverantwortlichen des Massakers,als großen Demokraten preist.

Foto: Andrij Parubij, Joachim Gauck und PetroPoroschenko stellen im September 2016 Kerzen an derSchlucht Babyn Jar zum Gedenken an die hier vonFaschisten ermordeten Kiewer Juden auf (Quelle:Screenshot Tagesthemen)

Quellen und Anmerkungen:

(1) Nicht nur war die rechtsextreme Partei Swoboda zu diesemZeitpunkt mit mehreren Ministern an der ukrainischen Regierungbeteiligt, auch zahlreiche weitere Rechtsextreme saßen imParlament und auf hohen staatlichen Posten. Darüber hinaus warder Rechtsradikale Oleh Ljaschko zwei Monate vor Klebers Aussagebei der ukrainischen Präsidentenwahl auf Platz drei gelandet.Westliche Maidanunterstützer bedienen sich gern des analytischenTricks, Parteien wie die „Radikale Partei“, die „Volksfront“ oder die„Selbsthilfe“, die mit teils ultranationalistischen Programmpunktenund rechtsextremem Personal im Parlament aktiv sind, als „pro-europäisch“ zu bezeichnen. Das genügt wohlmeinendenJournalisten schon, um entsprechende Parteien vom Verdacht des

Faschismus freizusprechen. (2) Die Originalaussage Parubijs auf Ukrainisch lautet: „І до речі,скажу я вам, що найбільшим ... Людиною, яка практикувалапряму демократію, це був Адольф Алоізович у 1930-х роках. Іми повинні про це також пам'ятати.“(3) Hitler ließ tatsächlich vier große Volksabstimmungen in den1930er Jahren abhalten: Und zwar über den Austritt Deutschlandsaus dem Völkerbund (1933), über die Zusammenlegung vonReichspräsident und Reichskanzler (1934), über die militärischeBesetzung des Rheinlandes (1936) sowie über den AnschlussÖsterreichs (1938).(4) Diese und weitere Reaktionen aus der Ukraine hat die Online-Zeitung Strana.ua gesammelt.(5) Grzegorz Rossoliński-Liebes komplettes Statement gegenüberdem Rubikon: „Andrij Parubij ist mir gut bekannt. Vor zwölf Jahrenhabe ich mit ihm ein Interview über das Bandera-Denkmal gemacht,weil er damals das Komitee leitete, das das Denkmal in Lembergerrichtet hat. Damals hat er für den Landrat (Oblasna Rada)gearbeitet. Seine Ansichten haben sich seitdem oder genauer gesagtseit den späten 1980er Jahren nicht wirklich verändert. Es ist hiernur eine Verschiebung vom Neo- zum Postfaschismus zubeobachten, um mit dem bedeutenden Faschismus- undPopulismuskenner Federico Finchelstein zu argumentieren. Endeder 1980er Jahre engagierte sich Parubij in neofaschistischenOrganisationen. Entsprechende Bilder von ihm sind noch imInternet zu finden. Sie zeigen, wie er in einem brauen Hemd undLederstiefeln mit Gleichgesinnten an rechtsradikalenVeranstaltungen teilnimmt. Damals war er stolz darauf, sich so zukleiden und den faschistischen Gruß in der Öffentlichkeitvorzuführen. In den späten 1990er Jahren rückte er vomNeofaschismus zum Postfaschismus, der besser als rechtsradikalerPopulismus bekannt ist. Bedeutende rechtsradikal-populistischeParteien sind die polnische Prawo i Sprawiedliwość und OrbánsFidesz. Parubij hörte auf, braune Hemden zu tragen und denfaschistischen Gruß zu benutzen, aber sein Weltbild hat sich nicht

geändert. Seine letzte Aussage von Hitler als Demokraten ist nureine von vielen, die die Medien nicht aufgegriffen haben. Sie istleider für den politischen und intellektuellen Diskurs im westlichenTeil der Ukraine bezeichnend. Ich habe dieses Phänomen umfassendim letzten Kapitel meiner Bandera-Biographie erläutert, diePolitiker und Intellektuelle in der Ukraine verärgerte und bis heutenicht ins Ukrainische übersetzt wurde.“(6) Andrej Hunkos Antworten in voller Länge:„Was halten Sie von Parubijs Aussage?“„Der jetzige Parlamentspräsident der Werchowna Rada, AndrijParubij, ist einer der einflussreichsten Rechtsextremisten in derUkraine. Auch wenn Parubij häufig seine Parteizugehörigkeit undseine Funktionen wechselt: Er ist und bleibt ein Mitbegründer derrechtsextremen Sozial-Nationalen Partei der Ukraine. Dass er sichgenau wie andere ukrainische Nationalisten positiv auf ‚AdolfAloisowitsch‘ Hitler bezieht, überrascht mich keineswegs. Immerhinwaren die Vorläufer dieser Bewegung, wie die heute in der Ukraineverehrte UPA, bekennende Kollaborateure der Wehrmacht und derNazis.“„Es gab bereits ähnliche rechtsradikale Aussagen ukrainischerLokal- oder Oppositionspolitiker. Aber was bedeutet es, wenn derParlamentschef des Landes so etwas sagt?“„Die Politiker in Deutschland und der EU müssen endlich zurKenntnis nehmen und auch öffentlich einräumen, dass Neonazisund Rechtsradikale eine wichtige Rolle bei diesem schwierigenKooperationspartner spielen: In der ukrainischen Politik herrschtein rechtsradikaler Mainstream, auch wenn sich die regierendenParteien nach außen demokratisch darstellen. Wichtiger noch als inseiner Position als Parlamentspräsident war Andrij Parubij übrigensin seiner Funktion im Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsratder Ukraine, wo er 2014 maßgeblich dafür verantwortlich war, einenKrieg gegen die eigene Bevölkerung im Osten der Ukraineanzuzetteln. Nach meinen Informationen hat Parubij alsKommandant der Maidan-Proteste schon eine bis heuteunaufgeklärte Rolle bei den Schüssen auf dem Maidan gespielt.“

„Glauben Sie, dass die Bundesregierung eine politische Reaktiondarauf zeigen wird?“„Soweit ich das einschätzen kann, geht die Bundesregierung nichtdavon aus, dass es vor den Wahlen im kommenden Jahr irgendeinepositive Entwicklung in der Ukraine gibt. Alle Bemühungen aus derBundesregierung und aus Brüssel sind darauf ausgerichtet, diePoroschenko-Regierung zu stabilisieren, etwa durch einen neuenMilliarden-Kredit. Das heißt, diese Leute genießen völligeNarrenfreiheit. Ich kann mir keine Gründe vorstellen, die dieBundesregierung veranlassen könnten, nun etwas einzuräumen, wassie seit vier Jahren lauthals ignoriert.“ „Was müsste die Bundesregierung Ihrer Meinung nach tun?“„Um das Treiben der Rechtsradikalen in Kiew zu beenden, unddamit auch den Bürgerkrieg in der Ostukraine, die andauerndenMenschenrechtsverbrechen durch die Behörden und dierechtsradikalen Milizen, müssten Berlin und Brüssel endlich Klartextreden und den Geldhahn zudrehen, aus dem diese Leute sich seitvier Jahren bereichern. Es darf kein Dauerzustand werden, dass dieSteuerzahler aus der EU eine wilde Bande von Rechtsextremistenund Korrupten im Kiew subventionieren, nur weil das der NATO insFeindbild passt. Ohne deutliche politische Änderungen in Kiew wirdes keinen Frieden in der Region geben.“

Stefan Korinth, Jahrgang 1983, ist freiberuflicherJournalist. Er lebt und arbeitet als Autor und Redakteurin Hannover. Dort studierte er Politikwissenschaften undSoziologie. Für seine Abschlussarbeit forschte er in derUkraine. Seine journalistischen Arbeitsschwerpunktesind politische und historische Themen sowie derUkraine-Konflikt.

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