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Leseprobe aus: Helga Gutowski Sandersommer Mehr Informationen zum Buch finden Sie auf rowohlt.de. Copyright © 2013 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Sandersommer - rowohlt.de · J Das Bilderbuch steht aufgeklappt vor dem brau-nen Pullover von Natascha. Ein goldener Fisch schwimmt in einem runden Glas. Der braune Pullover von Natascha

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Leseprobe aus:

Helga Gutowski

Sandersommer

Mehr Informationen zum Buch finden Sie auf rowohlt.de.

Copyright © 2013 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Helga Gutowski

Mit Illustrationen von

Kerstin Meyer

Rowohlt Taschenbuch Verlag

Originalausgabe

Veröffentlicht im Rowohlt Taschenbuch Verlag,

Reinbek bei Hamburg, Mai 2013

Copyright © 2013 by Rowohlt Verlag GmbH,

Reinbek bei Hamburg

Lektorat Helene Hillebrandt

Umschlag- und Innenillustrationen Kerstin Meyer

Umschlaggestaltung any.way,

Barbara Hanke / Cordula Schmidt

Satz Plantin PostScript, InDesign,

bei Dörlemann Satz, Lemförde

Druck und Bindung CPI – Clausen & Bosse, Leck

Printed in Germany

ISBN 978 3 499 21662 6

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Im Kindergarten sitzt Jette.

Natascha, die Erzieherin, zeigt die Geschichte

vom goldenen Fisch. Sie liest von weit oben. Auf

niedrigen Stühlen sitzen die Kinder unten um sie

herum.

Nico boxt Milan in die Seite. Milan boxt zurück.

Jette kennt das Bilderbuch vom goldenen Fisch

auswendig. Natascha zeigt das Buch im Morgen-

kreis und mittags den Spätkindern. Nie zeigt sie

das Buch mit der Wut im Bauch und auch nicht

das vom Goldesel. Immer nur die Geschichte

vom goldenen Fisch.

Mare rutscht eng an Emi heran. Emi ist fast noch

ein Baby. Mare guckt Emi an wie eine Mutter.

Hundertzwanzigmal schlafen, bis Jette in die

Schule kommt. Hätte Jettes Papa das bloß nicht

gesagt. Jetzt ist es noch langweiliger in der Kita.

Mare wischt Emi das Haar aus der Stirn.

Emi dreht den Kopf weg. Sie mag das Wischen

nicht. Aber Mare macht einfach weiter mit dem

Wischen.

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Das Bilderbuch steht aufgeklappt vor dem brau-

nen Pullover von Natascha. Ein goldener Fisch

schwimmt in einem runden Glas. Der braune

Pullover von Natascha ist das Land.

Jette schwingt ihre Beine. Nico schwingt seine

Beine schneller.

Sie schauen sich an und lachen.

Natascha sperrt den Fisch ins Bilderbuch und

guckt auf Jettes Beine.

« Nico hat angefangen », sagt Jette.

Nico grinst.

In Jettes Bauch wächst eine Blase und steigt hö-

her. Sie sitzt schon fast in Jettes Hals. Gleich wird

die Blase sie ersticken. Jette schreit: « Bei Greta

und Ruth kommt nämlich ein Baby! »

Jette hat es geschafft. Die Blase ist zerplatzt.

« Nicht jetzt, Jette. Jetzt lesen wir den goldenen

Fisch zu Ende. »

Natascha klappt das Bilderbuch wieder auf.

Der Fisch macht ein beleidigtes Maul.

Manchmal sagt Jettes Vater: « Wenn es ein Mäd-

chen wird, hättest du eine Freundin. Sie würde

Mirthe heißen. »

« Aber ich will einen Freund. Er soll Sander hei-

ßen », antwortet Jette dann.

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Als sie hochschaut, zum Buch, schwimmt

Sander durch das Bilderbuch.

Tante Greta und Ruth, Mama, Papa und

Oma nennen das Baby in Gretas Bauch Mirthe-

Sander.

Die Erzieherin klappt das Fisch-Buch zu.

Kim, Milan, Emi, Nico, Mare stehen auf. Nata-

scha geht mit den Kindern hin aus.

Jette steht ganz allein in dem riesigen Raum. Die

Sonne bescheint das Bilderbuch.

Jette klappt es auf: Da schwimmt der Fisch.

Jette streicht mit dem Zeigefi nger um sein golde-

nes Maul herum.

Der Fisch grinst.

Plötzlich steht Natascha im Zimmer: « Jette, hörst

du mir zu ? Zieh dich an. Und hilf den Kleinen. »

Die Kleinen anziehen dauert immer so lange. Ein

richtiges Baby anziehen, das wäre toll.

« Heute holt deine Oma dich ab », sagt Natascha,

als Jette sich die Schleife bindet.

« Oma Maliese oder Oma Kurt ? »

« Ich weiß nur: Oma. »

Jette formt zwei Schlaufen und drückt sie fest zu-

sammen. Sie quetscht die Enden in ihren Schuh

hinein.

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« Oma Maliese ist ja immer nur in Bonn. Wenn

mit Tante Greta was ist, kommt Oma Kurt. »

« Was ist denn passiert mit Tante Greta ? »

« Kann sein, sie kriegt Sander heute. Keiner will,

dass er schon kommt, nur ich. Alle sagen, es ist zu

früh. Er soll erst im Sommer auf die Welt kom-

men, ein Sommerkind. Und jetzt ist Mama zu

Greta gefahren. »

« Warum hast du mir denn gar nichts davon er-

zählt ? »

« Weil du gesagt hast: ‹ Nicht jetzt. Jetzt lesen wir

das Fisch-Buch zu Ende. ›»

« Tut mir leid », sagt Natascha. « Komm schnell mit

raus. Ich kann die Kinder nicht allein lassen. »

Als die Sonne hoch am Himmel steht, ist der Vor-

mittag in der Kita fast zu Ende.

Jette läuft mit einem Stock am Holzzaun entlang,

einmal ganz und gar um den Garten herum. Der

Zaun gehört einer Hexe. Alle Bretter, die Jette mit

ihrem Stock berührt, sind frei.

Jette berührt nicht alle Bretter.

Mal das dritte, mal das fünfte oder drei neben-

einander. Manche Bretter sind frei, die anderen

bleiben verhext.

Jette blickt zum Gartentor: Eltern und Schul-

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kinder haben sich dort versammelt. Die großen

Schulkinder holen ihre jüngeren Geschwister ab.

Natascha stellt sich ans Gartentor ; sie ruft Na-

men: « Nico, Kjel, Mare, ihr werdet abgeholt.

Tikko, komm bitte sofort zurück ! »

Mit erhobenem Finger schaut Natascha über das

Gartentor.

Tikko kommt langsam näher und guckt auf seine

Schuhe.

« Du hast dich rausgedrängelt. »

Tikko guckt wie ein Schaf.

Jette zählt die Bretter ihres Zauberzauns: Bald

hundert. Hundertzwanzigmal schlafen, bis sie in

die Schule kommt.

Jettes Oma, Helena Kurt, stellt sich zu den War-

tenden.

Mit zusammengekniffenen Augen sucht sie hinter

dem Zaun nach Jette.

« Oma Kurt ! », ruft Jette. Der Stock fällt ihr aus

der Hand. Die Füße rennen los. Jette läuft an

Nico vorbei, an Kjel, Mare, an der Erzieherin.

Jette stürzt in die Arme von Oma Kurt.

« Ist Sander schon da ? Was ist mit Tante Greta ? »

« Vorsicht, Jette, du wirfst mich ja fast um. »

Sie tanzen dreimal im Kreis herum, danach lau-

fen sie los.

Da kommt der Bus. Oma Kurt zieht Jette mit

sich, noch schneller. Gleich vorn erwischen sie

die besten Plätze mit den größten Fensterschei-

ben.

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Eine Katze betritt die Fahrbahn und jagt durch

den dichten Verkehr. Sie rettet sich in einen Fri-

seursalon.

« Was ist mit Tante Greta ? Ist Sander nun da oder

nicht ? »

« Mama ist bei ihr. Es geht

ihr gut. Mirthe-Sander

wollte tatsächlich auf die

Welt kommen. Deswegen

muss Greta jetzt ganz

still im Bett liegen blei-

ben. Vielleicht beruhigt

sich das Baby wieder. Es

muss warten. So geht das

nicht. »

« Immer müssen alle

warten, im Kindergarten

warte ich auch nur. Und

wann kommt Mama zu-

rück ? »

« Greta möchte gern, dass

sie noch etwas bei ihr

bleibt. »

« Und wenn es länger

dauert, was ist dann mit

mir ? »

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« Lass uns zu mir nach Hause gehen. Da bespre-

chen wir alles in Ruhe. »

Jette drückt auf den Halteknopf. Der Bus fährt

weiter, als wäre nichts.

Endlich hält er an.

Auf dem Klingelknopf steht: Helena Kurt.

Das Haus ist gelb. Es hat einen Aufzug und viele

Stockwerke. Im Treppenhaus riecht es nach

Sauer kraut und Jahrmarkt würstchen.

« Ich hab Hunger, Oma ! », ruft Jette. Ihre Beine

nehmen zwei Stufen auf einmal.

Helena Kurt wohnt gleich links im Hochparterre.

In der Wohnung riecht es nach Oma Kurt.

« Wann kann ich mal wieder bei dir schlafen ? »

Der Kühlschrank ist leer. Oma tut erstaunt und

greift nach einem einsamen Kräuterkäsedreieck.

Sie zieht das Gemüsefach auf, blickt zur Ket-

chup-Flasche.

« So leer war unser Kühlschrank noch nie », stöhnt

Jette.

« Ab zur Griechin. Wir gehen in mein Lieblings-

lokal. »

Die Tür steht weit offen. Auf die Straße strömt

Pommes- und Gyrosduft.

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Die Luft riecht ölig ; es duftet nach gebackenen

Auberginen, nach Honig und gesüßtem Tee.

Die Griechin hat grau-schwarzes Haar, eine Kit-

telschürze und heißt Eleni. Wenn sie gute Laune

hat, gibt es zur Begrüßung ein Glas süßen Tee.

Heute hat sie gute Laune.

Jette nippt am Tee. « Dürfte ich diesen Tee bei

Mama auch trinken ? »

« Hier bei mir darfst du jedenfalls. »

« Und was ist nun mit Tante Greta und Sander ? »

« Greta wird eine Weile in der Klinik bleiben. Sie

muss ganz still liegen. Deine Mama ist bei ihr. »

« Aber wer füttert Miralda ? »

« Na, du. »

« Und ich – wie komme ich in den Kinder garten ? »

« Mittwochs habe ich Zeit. Da könnte ich dich

bringen und abholen. »

« Und die anderen Tage ? »

« Lass uns überlegen. Wie ich dich kenne, hast du

bestimmt selbst eine Idee. »

« Na klar, ich kann allein in die Kita gehen, ist

doch bebi. »

« Du kriegst das hin. »

« Das glaube ich auch », verkündet Jette feierlich.

Sie sitzt kerzengerade auf der Eckbank und pustet

Wellen über ihren Tee.

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« Glauben Papa und Mama auch, dass ich allein

in den Kindergarten gehen kann ? »

« Was meinst du ? Glauben sie’s ? »

« Weiß nicht. Nur, wenn du mit ihnen sprichst. »

Eleni stellt zwei Teller auf den Tisch.

Da kitzelt etwas an Jettes Bein.

« Huch ! », ruft Jette und guckt unter den Tisch.

« Oma Kurt, das ist die Katze, die wir vom Bus

aus gesehen haben. »

Eleni kommt angefegt. Katzen in ihrem Lokal,

das mag sie gar nicht. Blitzschnell rührt ihr Fuß

unter dem Tisch: « Kss kss kss kss ! », ruft Eleni

und klatscht in die Hände, tritt mit den Füßen

gegen Stuhlbeine.

Oma Kurt und Jette sehen sich an.

Gegen Abend klingelt es an der Tür von Oma

Kurt.

Jette steigt auf einen Stuhl und drückt den Tür-

öffner. Drei Sprünge, und Papa steht vor ihnen.

« Och, schade, ich wollte bei Oma bleiben. »

Papa sieht aus wie einer, den sie den ganzen Tag

Herr Dankers genannt haben.

Jette blickt zu Oma Kurt. « Fragst du Papa jetzt ? »

« Hinnerk, wir fi nden, wenn Ida nicht da ist, kann

Jette allein in die Kita gehen. »

« Genau, Papa. » Jette blickt zu ihrem Papa hoch.

Ihr Vater nickt. « Na klar, warum nicht ? In die

Schule gehst du ja auch bald allein, oder etwa

nicht ? »

« Danke, Papa ! », ruft Jette und strahlt. « Oma,

kann ich morgen mit dir auf den Friedhof gehen ?

Morgen ist doch Samstag. »

« Wenn du so früh aufstehen willst …»

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?

Am Samstag wacht Jette früh auf. Sie denkt an

Greta: ‹ Hoffentlich liegt sie still. Und wenn das

Baby nun von innen schubst, was dann ? ›

Papa pfeift unter der Dusche.

« Miralda, wo bist du ? » Jette läuft im Nachthemd

durch die Wohnung bis ans Ende. Da liegt der

Wirtschaftsraum. In der Ecke steht die Wiege für

Sander.

Früher hat Jette darin gelegen. Und wer liegt da

jetzt ?

Miralda. Die Katze hat sich in eine Ecke hinein-

gekuschelt. Schnarcht sie ?

Bis zum Friedhof sind es zwei Stationen. Der Bus

fährt durch sehr enge Straßen. Er schaukelt und

hupt und bremst so plötzlich ab, dass die Fahr-

gäste aneinanderstoßen.

Jette presst ihren Zeigefi nger auf den Halteknopf.

Der Bus überquert genüsslich eine Kreuzung.

Endlich der Halt. Noch einmal gibt es einen ge-

waltigen Ruck.

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Besucherinnen sind gekommen, lauter Frauen

und ein Mann im Rollstuhl. Der Parkplatz steht

voller Autos. Fahrräder lehnen am Zaun.

Jette rennt voraus, kehrt zurück.

« Da ist ein neues Grab, direkt neben Opa Kurt.

Wie wird man eigentlich tot ? »

« Man fällt um und sagt nichts mehr. Oder man

geht abends ins Bett und wacht nie mehr auf.

Manche Menschen sind vorher krank für kurze

oder lange Zeit. Opa Kurt ist einfach umgefallen.

Ich hätte ihn gern behalten. »

« Ich auch, Oma, aber jetzt hast du sein Grab. Wir

können immer hier sein. »

« Ja, schon. »

« Sein Grab ist dein Garten. Stimmt doch, Oma,

zu Hause hast du keinen. Aber wir haben einen

Garten. Wir brauchen kein Grab. »

Als sie näher kommen, sehen sie den bunten

Hügel aus Schleifen und Blumen. Direkt neben

dem Grab von Opa Kurt.

Jette buchstabiert. Sie liest: « De-i-ne Ti-i-i-na. »

« Du kannst lesen », staunt Oma.

« Guten Tag », sagt Jette.

Eine Frau, so alt wie Jettes Mutter, kniet am

Grab. Auf dem Grab liegen Kränze mit Schleifen.

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Die Frau dreht eine Schleife zwischen ihren Fin-

gern. Darauf steht: Deine Tina.

Die Frau nickt ihnen zu.

Jette blickt ihr ins Gesicht.

« Oma Kurt wollte zuerst auch nicht, dass Opa

Kurt bei ihr ausgezogen ist. Aber jetzt hat sie sich

daran gewöhnt. Ich auch. »

« Ich noch nicht. » Die Frau spricht leise. Dabei

streicht sie Tinas Schleife glatt.

« Wer ist denn überhaupt Tina ? », fragt Jette.

« Tina ist meine Schwester. Sie ist noch trau riger

als ich. Sie will das Grab nicht. »

« Ist das denn ihr Vater, der jetzt hier wohnt ? »

« Ja, es ist unser Vater. Er ist gestorben. »

« Schade. Aber ich krieg bald einen Sander. Der

muss erst noch still liegen, damit er nicht zu früh

kommt, und dann muss er auch noch geboren

werden. »

Das Gesicht der Frau hellt sich auf. « Ihr freut

euch bestimmt alle. » Sie zupft eine vertrocknete

Tulpe aus einem Blumenstrauß.

« Ich kann dir was vorlesen, hier: DE-IN SING…,

SING…, SING… – mach du mal. »

« Dein Singkreis als letzter Gruß. » Die Frau hat

Tränen in den Augen. « Das war mittwochs,

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immer mittwochs ist er zum Singen gegangen.

Er hatte eine sehr schöne Stimme: Tenor, er war

noch immer Tenor », erzählt sie. « Und meine

Mutter zog mit ihren Freundinnen los. Mittwochs

brauchte man die beiden gar nicht anzurufen. Die

waren unterwegs. Jetzt hat meine Mutter jeden

Abend frei. »

« Ist doch cool », entschlüpft es Jette. Ihre Stimme

wird leiser: « Sie kann machen, was sie will », fl üs-

tert sie. Irgendwie ist ihr nicht ganz wohl bei dem,

was sie sagt.

Die Frau macht einen harten Mund. Ihre Finger

krallen sich in eine Schleife.

« Sie könnten Ihrer Mutter doch sagen, sie kann

sich einen Hund aus dem Tierheim holen. Die

sind da auch allein. »

« Ich werde es ihr vorschlagen. Vielen Dank. »

Die Frau tupft sich die Tränen vom Gesicht. Sie

hebt Papier und Plastiktöpfe vom Boden auf und

wendet sich zum Gehen.

Plötzlich dreht sie sich zu Jette um: « Es war nett,

mit dir zu reden. Ich glaube, du verstehst ganz

schön viel vom Friedhofsleben. » Die Frau reibt

den Sand von ihren Fingern. « Wenn ich Fragen

habe, werde ich mich an dich wenden. Ich bin ja

neu hier. Wie heißt du eigentlich ? »

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« Ich ? Jette. Und du, ich meine, wie heißen Sie

denn eigentlich ? »

« Else Bauer, du kannst mich Else nennen. Jetzt

muss ich aber wirklich los. Auf Wiedersehen. »

« Moment, Else, wie wird TENOR geschrieben ? »

« Nächstes Mal. Ich muss jetzt los. »

Jette geht nah an das neue Grab heran. Sie zieht

die Schleifenenden lang und zeigt mit dem Finger

auf die Buchstaben. An welchem Ende beginnt

man mit dem Lesen ? Ist das egal ? G wird immer

Gruß, das kennt Jette schon. Also geht es mit

dem großen Buchstaben los ? Die großen Buch-

staben sind wichtig. Sander wird mit S geschrie-

ben, groß. Sander ist wichtig.

Jette springt auf.

« Ich brauche einen Stift und Papier, Oma. »

Oma Kurt rührt in ihrer Handtasche und reicht

Jette Bleistift und Papier. Jette geht zurück an das

Schleifengrab.

« Was schreibst du da ? » Oma Kurt reibt sich den

Sand von den Fingern und setzt sich neben Jette

auf einen Stein. Der Stein ist warm.

« Wenn ich alle Wörter von den Schleifen ab-

schreibe, hab ich am Ende einen richtigen Brief

für Tante Greta und Ruth. Soll ich dir vorlesen,

was ich geschrieben habe, Oma ? GRUSS. Und

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hier noch: D-D-DAA-N-DANN-N-NK-E-

DANKE. »

« Hoffentlich wird es dir in der Schule nicht lang-

weilig werden. »

« Langweilig ist es in der Kita schon lange. »

« Wie schade. Mir war früher nie langweilig. Als

ich Kind war, hatte ich den Kopf voller Spiele:

Springen, Laufen, durch Pfützen und Dreck stap-

fen, am liebsten in Gummistiefeln. Wer Gummi-

stiefel trug, durfte alles. »

Da kommt der Bus. Als er anfährt, gibt es einen

Ruck. Eine Frau kann sich gerade noch an einer

Stange festhalten, sie schleudert einmal halb um

sich selbst herum. Ihr Kopf ist ein Puppenkopf.

Der Bus hält: Tigergasse.

Die Sonne scheint auf einen Laden mit bunten

Auslagen. TIERPARADIES.

« Komm mal mit, Oma, die haben Mäuse, richtige

und aus Plastik. »

Beim Eintreten schaut der Besitzer ihnen blin-

zelnd entgegen. Der Geruch im Laden beißt in

den Augen.

Der Mann hantiert mit Plastik-Mäusen. Dabei

schaut er zwischen Jette und den Mäusen hin und

her.