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Schiffe zur Verschrottung II Stahl und Gift- müll für Asien Gefahren für Gesundheit und Umwelt in den Empfängerländern Arbeits- und Umweltschutzprobleme auf der Abbruchwerft für alte Hochseeschiffe der Chang Jiang Ship-Breaking Yard der „China National Shipbreaking Corporation“ in Xiagang bei Jiangyin. Anmerkung: Dieses Dokument sollte in Verbindung mit „Ships for Scrap – Steel and Toxic Wastes for Asia – The health and environmental hazards in recipient states – A fact finding mission to the Indian shipbreaking yards in Alang and Bombay“ der gleichen Autoren vom März 1999 benutzt werden. Dort sind Probleme erklärt, die hier teilweise nur noch erwähnt sind.

Schiffe zur Verschrottung II Stahl und Gift- müll für Asien · 2009-12-20 · Schiffe zur Verschrottung II Stahl und Gift-müll für Asien Gefahren für Gesundheit und Umwelt in

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Schiffe zur Verschrottung II

Stahl und Gift-müll für Asien

Gefahren für Gesundheit und Umwelt in denEmpfängerländern

Arbeits- und Umweltschutzprobleme auf derAbbruchwerft für alte Hochseeschiffe der ChangJiang Ship-Breaking Yard der „China NationalShipbreaking Corporation“ in Xiagang beiJiangyin.

Anmerkung: Dieses Dokument sollte in Verbindung mit„Ships for Scrap – Steel and Toxic Wastes for Asia – Thehealth and environmental hazards in recipient states – Afact finding mission to the Indian shipbreaking yards inAlang and Bombay“ der gleichen Autoren vom März 1999benutzt werden. Dort sind Probleme erklärt, die hier teilweise nur nocherwähnt sind.

AutorenDipl.-Ing. Judit KanthakAndreas Bernstorff

FotosAndreas Bernstorff (4, 5, 6, 8, 9, 10 ,11, 12, 14, 15)Howard Liu (7, 12, 13)

Herausgegeben vonGreenpeace e.V. Große Elbstrasse 3922767 Hamburg

Telefon: ++49(40)-30618-0Fax: ++49(40)-30618-130

Email: [email protected];[email protected]

Dezember 1999

Inhalt Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4

Vorgeschichte dieses Berichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5

Beschreibung der Werft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7

DIE PROBLEME

Asbest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9

Brände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11

Allgemeine Arbeitsorganisation, Arbeits- und Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14

Literatur und Nachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15

Vorwort:

Die internationale Greenpeace-Kampagne zurSchiffsabwrackung will die Verhältnisse bei demumweltschädigenden und gefährlichen Geschäftder Verschrottung ausgedienter Hochsseschiffe,besonders aus reichen OECD-Staaten Ländern inverschiedenen Ländern Asiens, verändern.

Der Export von Schiffen zur Verschrottung stelltdie Weltgemeinschaft vor einzigartige und kom-plizierte rechtliche Probleme, die sich deutlichvom gebräuchlichen Begriff „gefährlicher Abfall“unterscheiden.

Greenpeace setzt sich mit gleicher Kraft für eineschnelle und drastische Verbesserung der Arbeits-sicherheit, sowie des Arbeits- und Umweltschutzesan allen Verschrottungsplätzen der Welt ein.

Dabei untersucht Greenpeace die Bedingungender Schiffsabwrackung und liefert bislang unbe-kannte Daten, Erkenntnisse und Problemanaly-sen. Wir versuchen durch Öffentlichkeitsarbeitund Expertise die Verhältnisse zu verbessern.

Das oberste Ziel auf dem Weg zum sicheren undumweltschonenden Schiffsrecycling ist die Been-

digung des Einsatzes toxischer Substanzen beimBau und Betrieb von Schiffen. *

Ungeachtet dieses obersten Zieles dient der vor-liegende Bericht der Identifizierung unmittelba-rer, sofort umsetzbarer Verbesserungen.

Folgende Gremien im System der VereintenNationen wurden bisher für ein Engagement inder Frage gewonnen: - die Kommission für nachhaltige Entwicklung

(Comission on Sustainable Development, CSD) hat die Internationale Meeresorganisation, IMO, aufgerufen, sich der Lösung des Problems anzunehmen

- die Technische Arbeitsgruppe, TWG, der „Basler Konvention“ gegen Giftmüllexporte hat sich für die Entwicklung „globaler Standards“ zusammen mit IMO (s.u.) bei der Schiffsverschrottung ausgesprochen

- der Umweltschutzausschuß (Marine Environ-ment Protection Committee, MEPC) von IMO hat empfohlen, sich des Themas anzunehmen

Die letzten beiden Beschlüsse müssen noch vonder Fünften Vertragsstaatensitzung der BaslerKonvention (Fifth Conference of Parties, COP5), inBasel (6.-10.12.1999) bezw. der nächsten Sitzung

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Aktion Rotterdam: Greenpeace markiertein altes Hapag Lloyd Schiff mitWarnungen in verschiedenen Sprachen

*„The ultimate goal of any effort to comprehensively address the issue safe and environmentally sound ship scrapping must be to phase out the use of toxicsubstances in ship design, construction and operation. Strengthened mechanisms are needed to facilitate this process.“, siehe: IMO Marine EnvironmentProtection Committee 43rd session, Agenda item 18, „Scrapping of ships“, Submitted by Greenpeace and the ICFTU (MEPC43/18/6; 2 April 1999)

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von IMO im März 2000 in London angenommenwerden, damit eine konkrete gemeinsame Arbeitin diesen Gremien beginnen kann. x

Vorgeschichte dieses Berichts

Bei einem zweitägigen Besuch am 17. und 18. August 1999 auf der chinesischen Abbruch-werft Chang Jiang Ship-Breaking Yard der „China National Shipbreaking Corporation“ inXiagang bei Jiangyin (Großraum Shanghai) imMündungsdelta des Yangtse-Flusses konnte eindeutsch-chinesisches Greenpeace Team die untenfolgenden Beobachtungen machen, mit Videound Foto dokumentieren und mit den verant-wortlichen Managern der Werft diskutieren.

In Zusammenhang dieser Arbeit wurden zuvorverschiedene Schiffseigner und Betreiber aus demKreis der „großen Zwanzig“ auf der Welt, wieHamburg Süd, P&O Nedlloyd und Hapag Lloydsowie die griechische Reederei Costamare damitkonfrontiert, wie die Schadstoffe, die in ihreSchiffe eingebaut sind, Menschen und Umwelt inAsien schädigen können.

Ein Schiff der Hamburger Reederei HamburgSüd, der 1972 gebaute Containerfrachter „Colum-bus New Zealand“, wurde im Oktober 1998 aufdem Strand von Alang, Gujarat, Indien aufge-spürt, während die Abbrucharbeiten liefen. Eswurden Materialproben von dem Schiff, Umwelt-proben von den Arbeitsplätzen auf dem Strand,aus dem Wattenmeer, der näheren Umgebungund dem entfernten Hinterland genommen unddie mögliche Belastung von Mensch und Umwelteingeschätzt. Außerdem konnten alle wesentli-chen Arbeitsvorgänge und die Zustände amArbeitsplatz per Video und Foto dokumentiertwerden. Video und Fotos wurden in etlichenFernseh- und Zeitungsberichten verwertet.

Die Ergebnisse wurden zuletzt zusammenfas-send im März 1999 in dem Bericht „Ships forScrap: Steel and Toxic Wastes for Asia“ mit Fotosund Analysdaten vorgelegt. Die allgemeine Erör-terung von Umwelt- und Arbeitsschutzproblemeaus jenem Bericht werden in diesem Text nichtwiederholt. Beide Texte sollten zusammenbenutzt werden.

Nach längeren Auseinandersetzungen mit derReederei und ihrem Eigentümer, dem Nahrungs-mittelproduzenten „Dr.Oetker“, räumte Hamburg

Werbeplakat der Abbruchwerft an der Straßenzufahrt

Süd ein, die Verhältnisse in Indien seien „nichtakzeptabel“ und teilte mit, Hamburg Süd habesich für die Verschrottung der beiden baugleichenSchwesterschiffe der „Columbus Zealand“, näm-lich die „Columbus America“ und die „C. Austra-lia“, auf der ganzen Welt nach besseren Möglich-keiten umgesehen.

In Mexiko, wo Abbruchwerften angeblich nachUS EPA Standards arbeiten, seien die Kapazitätenebenso wie in den USA selbst erschöpft gewesen.Sie hätten sich dann mangels besserer Alternati-ven schließlich für China entschieden. Die Staats-firma „China National Shipbreaking Corporation“CNSC habe ihnen fünf Abbruchwerften vorge-führt, von denen für Hamburg Süd nur eine inFrage gekommen sei, die Chang Jiang Ship-Brea-king Yard in Xiagang bei Jiangyin nordwestlichvon Shanghai am Unterlauf des Yangtse, der Vor-zeigewerft der CNSC.

Hamburg Süd habe darauf bestanden, dass diebeiden Columbus-Schiffe dort und nur dort verar-

beitet würden und dass bestimmte Arbeits- undUmweltschutzmaßnahmen getroffen würden. Solieferte Hamburg Süd selbst 100 Schutzanzügeund -masken für die Arbeiten bei der Entfernungvon asbesthaltigen Materialien.

Vor allem hatte Hamburg Süd, einer Grund-forderung von Greenpeace entsprechend, einumfangreiches, nach unserer Kenntnis bisherweltweit einmaliges und aussagekräftiges Schad-stoffkataster mit präziser Bezeichnung der Risiko-stellen in den Schiffen erstellt und dem Abbruch-betrieb überreicht.

Dieses Dokument liegt uns vor, ebenso dieArbeitschutzvorschriften der Werft, die freundli-cher Weise von Winpeak Shipping, Hong Kong,für Greenpeace ins Englische übersetzt wurden.

Der Besuch des Greenpeace-Teams wurde durchHamburg Süd unterstützt und fand zusammen mitHamburg Süd – Vertretern sowie deren Repräsen-tanten in Hong Kong (Winpeak Shipping) statt.

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Hamburg Süd Schiff „Columbus America“auf der chinesischen Abbruchwerft –soeben seines Namens beraubt, August 99

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Beschreibung der Werft

Der Chang Jiang Ship-Breaking Yard ist einervon mindestens fünf ähnlichen Betrieben der„China National Shipbreaking Corporation“ undliegt am Unterlauf des Yangtse-Flusses. DerBetrieb besteht seit 1997 und hatte bis August

1999 sieben Schiffe verarbeitet, darunter: „288“,„Deltajoy“, „Karrington“, „Appleby“, „Cathy“,„Ibeyrett“; zur Zeit des Besuches waren die bei-den genannten Columbus-Schiffe in Arbeit undder Frachter „Skagerrak“ wartete auf Reede. DieWerft wird als „Staatsbetrieb“ bezeichnet.

Die Manager von CNSC ermöglichten die Beob-achtung aller landseitigen Arbeiten und derenausführliche Dokumentation, verwehrten jedoch

den Zutritt zum Innern der Schiffe „aus Sicher-heitsgründen“.

x

Erste Seite des Schadstoffkatasters

Krananlagen

Der Betrieb beschäftigt etwa 300 ortsansässigeArbeitskräfte teils saisonal nach Auftragslage,teils ständig. Mitte August 1999 konnten tagsü-ber 60-70 Personen bei laufenden Arbeiten beob-achtet werden. Laut Hamburg Süd beträgt dieSchicht- Arbeitszeit 8-10 Stunden, der Monatslohnentspreche 160 USD.

Das Betriebsgelände befindet sich einige Kilo-meter entfernt von dichter Wohnbesiedlung ohneunmittelbare angrenzende industrielle Nachbar-betriebe. In unmittelbarer Nähe wird Reis ange-baut.

Die Grundausstattung der Werft besteht auseiner Pier, an der die Schiffe anlegen, Krananla-gen, die schwere Teile an Land hieven oder fürden Abtransport in Stahlwerke auf Flussschiffeverladen.

Die Abbrucharbeiten finden auf befestigtenFlächen statt. Hier verkehren kleinere Transport-fahrzeuge wie Gabelstapler. Volle Gasflaschenwerden sorgfältig mit Abstand voneinander senk-recht unter Sonnenschutz gelagert und von einerzentralen Ausgabestelle verwaltet.

Bereits auf dem großzügigen Gelände werdengroße Anteile der auseinandergeschnittenenSchiffswände als Gehplatten abtransportiert odermechanisch in Streifen geschnitten. Diese werdendann im Kaltwalzwerk zu Baustahl verarbeitet.Hierdurch werden Brände durch weiteres Trenn-schweißen (=Brennschneiden) vermieden. x

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Volle Gasflaschen, mit Abstand, senkrecht, unterSonnenschutz, in zentraler Ausgabestelle

Schiffswände werden mechanisch in Streifen geschnitten

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DIE PROBLEME

Das Greenpeace-Team konzentrierte sich unterdem Eindruck früherer Erfahrungen und derKenntnis der allgemeinen Problemlage auf dreiBereiche: Asbest, Brände, allgemeine Arbeitsor-ganisation, Arbeits- und Umweltschutz.

Asbest

Schiffe der Baugenerationen bis 1980 und teil-weise danach sind mit erheblichen Mengenasbesthaltiger Stoffe zum Zwecke der Isolierung(Wärme-/Kältedämmung, Berührschutz) und desBrandschutzes ausgerüstet.

Beobachtete Praxis:

Die Reederei Hamburg Süd als vormaligerEigentümer der beiden Containerfrachter„Columbus America“ und „Columbus Australia“hatte der Werft zur Vorbereitung der Abbruchar-beiten ein detailliertes Schadstoffkataster überge-ben. Hier waren die jeweiligen Asbestsortenbenannt und quantifiziert und für die jeweiligenIsoliermaterialien, in denen sie vorkommen,benannt. Die asbestrelevanten Gefahrenstellenwaren genau beschrieben worden.

Ungeachtet dieser Vorbereitungen wurden abersämtliche Schiffsteile mit Isoliermaterialien, dienach dem Eindruck des Werftmanagments eineasbestähnliche Faserstruktur aufweisen oderAsbest enthalten könnten, unter uns unbekann-ten Umständen aus dem Wrack des Schiffes„Columbus America“ entnommen. Sie lagenwährend unseres Besuches frei auf dem Werks-gelände herum.

Arbeiter mit Vollschutzanzügen entnahmen siemit den Händen von den verwertbaren Schiffstei-len (geeignete Handschuhe vorhanden) und pack-ten sie in Plastiksäcke. Diese leerten sie dann aufeine Deponie und holten mit denselben Säckenneue Portionen. Vollgepackte Säcke mit dem

Material standen unverschlossen herum. Die Ein-sammelquote lag bei möglicherweise 90%. DerRest blieb auf dem Platz verstreut liegen.

Dabei waren die Arbeitsbereiche der Einsamm-ler nicht von anderen Arbeiten separiert undabgesichert. Selbst Besucher wurden ohne Schutzzur Besichtigung der Arbeiten herangelassen.

Das Deponiegelände liegt direkt angrenzend zu den Bürogebäuden und Arbeitsbereichen undist nur durch eine Straße von einem Reisfeld

Schiffsteile auf dem Werftgelände:Entnahme von Isoliermaterialien

getrennt. Dort wurde gearbeitet. Die Oberflächeder Deponie war zu etwa drei Vierteln abgedeckt.Sie wurde nicht systematisch feuchtgehalten.

Die Schutzanzüge waren von der ReedereiHamburg Süd mitgeliefert worden, die auch aufdie Verwendung gedrungen hatte. Die Leutemachten einen ungeschulten Eindruck und öffne-ten teilweise während der Arbeit ihre Schutzmas-ken. Sie hatten gar keine Hemmungen, direktneben anderen, ungeschützten Menschen zu han-tieren.

Das absurde Bild einer verkleideten Truppe inGanzkörperschutz mitten unter völlig unge-schützten Leuten vermittelte uns den Eindruck,dass das Problem Asbest nicht ernst genommenwird und vielleicht nicht einmal recht bekannt ist.

In den uns überreichten chinesischen Arbeit-schutzvorschriften, freundlicher Weise ins Engli-sche übersetzt durch Winpeak Marine, Hong-kong,(4) fehlt jeder Hinweis auf Asbest.

Fazit:

Das vorliegende Schadstoffkataster von Ham-burg-Süd wurde nicht berücksichtigt. Es wurde zuviel Material eingesammelt, nämlich sämtlicheIsolierstoffe mit Faserstruktur. Diese wurden abernicht mit der nötigen Sorgfalt behandelt.

Arbeiter sind während der Aktion möglicher-weise hinreichend geschützt, nicht aber andere

Personen, die andere Dinge erledigen. Asbest-stäube können vor allem in der trockeneren Jah-reszeit jederzeit alle Arbeitsbereiche der Werft,die angrenzende Reiskultur, und möglicherweiseauch Wohngebiete in einiger Entfernung errei-chen. Im Ergebnis ist niemand in der Gegendwirklich geschützt.

Empfohlene Sofortmaßnahmen:

Asbest gilt als Gefahrstoff ersten Grades undvon daher ist anzuraten, ein Spezialistenteam fürden Umgang mit asbesthaltigen Stoffen auszubil-den, und zwar ähnlich wie es, laut den uns über-gebenen Unterlagen, zur Brandbekämpfung aufder selben Werft bereits geschehen ist.

Die Aufgabe dieses neuen Teams wäre - Identifizierung von Asbestfasern mit einfachen

Methoden, - Kennzeichnung und Separierung asbest-

haltiger Materialien, - Anleitung weiterer Mitarbeiter und - Überwachung aller Arbeitsgänge bis hin zur

Deponierung und Deponieschließung.

Das Team wäre weiter verantwortlich für Bereit-stellung und Pflege von Schutzausrüstung undGeräten. Es ist zu empfehlen, den Teamleiter alsSicherheitsbeauftragten direkt der Geschäftslei-tung zu unterstellen.

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Asbestsammler in Aktion – mitungeschützten Zuschauern

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Von den Alt-Eigentümern der Schiffe muss manweiterhin Schadstoffkataster mit exakter Lages-beschreibung der asbesthaltigen Stoffe einfor-dern und überprüfen. Auf der Werft muss dannaber auch danach gearbeitet werden.

Bereits beim Herausholen asbesthaltiger Mate-rialien aus den Wracks muss mit Ganzkörper-schutz gearbeitet werden. Kritische Stellen müs-sen vor Beginn der Arbeiten befeuchtet, um eineStaubentwicklung zu unterdrücken. Notwendigist die Separierung und Einhausung von Arbeits-bereichen auf dem Gelände, wo asbesthaltigeAnlagenteile gelagert, demontiert und verarbei-tet werden.

Asbesthaltige Stoffe sollten restlos erfasst wer-den unter Einsatz technischer Sauggeräte. DieSäcke sollten reißfest und gekennzeichnet sein,um Verwechslungen auszuschließen, die Säckesollten sofort nach Befüllung verschlossen werdenund verschlossen auf der Deponie abgelegt wer-

den. Sie sollten nicht ausgeleert und wiederver-wendet werden.

Der gesamte Deponiebereich sollte systematischfeucht gehalten werden, um etwa aus Löchernentweichende Stäube bis zur endgültigenSchließung der Deponie zu binden. Die Deponiemuss komplett abgedeckt, abgesperrt und dauer-haft als solche gekennzeichnet bleiben.

Das Eingraben von Asbest ist im Prinzip korrektund sollte möglichst auf eigenem Firmengeländeerfolgen.

Als allererste Maßnahme ist dringend dasFeuchthalten aller asbestrelevanten Stellen, Teileund Stoffe nötig.

Eine Kurzfassung einschlägiger deutscher Vor-schriften zum Vorgehen bei der Asbestsanierungfindet sich in (2), Seite 10f. x

PROBLEM: Brände

Anstriche auf alten Schiffen enthalten in erheb-lichen Mengen: giftige Arsen-, Cadmium-, Blei-,Quecksilber- und Zinkverbindungen sowie Chro-mate. Faustregel: je älter desto giftiger. NeueSchiffe werden auch heute noch auf der Außen

haut unter der Wasserlinie mit Organozinnfarben(TBT) bestrichen, um Bewuchs zu verhindern. Die-se Anstrichstoffe sind brennbar und entzündensich beim Brennschneiden. Während der Abbran-des werden krebserregende Polyaromaten (PAK)wir Benzpyren neu erzeugt.

Offener Brand beim Abwrackender „Columbus Australia“

Beobachtete Praxis:

Offensichtlich gut geschulte Arbeiter trennenmit Handschweißgeräten ohne Atemschutz Stahl-teile zu handlichen, tragbaren Stücken für dieweitere Verarbeitung. Manche Arbeiter tragendunkle Brillen. Neben den ständig qualmendenkleinen Schwelbränden durch das Trenn-schweißen entstehen regelmäßig auch offeneBrände und konnten während des Besuchs mehr-mals beobachtet und dokumentiert werden.

Bei offenen Bränden, die auf ölhaltige Aggre-gate und alle brennbaren herumliegenden Teileübergreifen, entstehen je nach Material weitereProbleme, die erst bei genauerer Betrachtung desBrandmaterials beurteilt werden können.

Offene Brände werden umgehend mit Wassergelöscht, kleine Schwelbrände dagegen hinge-nommen.

Fazit:

Giftige Dämpfe und schwermetallhaltige Asche,die herunterfällt, belasten unvermeidbar dieSchweißer, den ganzen Arbeitsbereich und dieUmgebung.

In einer Staubprobe vom Arbeitsplatz derBrennschneider fanden sich:

Arsen : 65 mg /kg; Blei : 390 mg/kg; Cadmium :0,3 mg/kg; Chrom : 282 mg/kg.

Die Messwerte deuten auf eine Akkumulationvon Arsen und giftigen Schwermetallen amArbeitsplatz hin.

Alarmierend ist die extrem hohe Belastung dergleichen Staubprobe mit polyaromatischen Koh-lenwasserstoffen (PAK): 1500 mg/kg (ppm) Ben-zo(a)pyren (BaP) und fünf weitere toxikologischrelevante PAK-Verbindungen in ähnlicher Größen-ordnung. Allein die BaP-Konzentration übertrifftum Größenordnungen die in der Literatur immer

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Offene Brände werden gelöscht,Schwelbrände hingenommen

Beim Brennschneiden entstehenSchwelbrände und giftige Brandgase

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wieder als Beispiele angeführten Werte: Kamin-ruß 400 mg/kg; Boden einer Zinkhütte 94,5mg/kg; Boden in Autobahnnähe 3 mg/kg usw.

Nach den deutschen Technischen Regeln zumUmgang mit Gefahrstoffen TRGS 551 (Pyrolyse-produkte aus organischem Material) gelten PAK-haltige Stoffe als Gefahrstoff, wenn sie 50 mg BaP / kg oder mehr aufweisen. Seit 1775 ist dashautkrebserregende Potential von PAK-reichenStoffgemischen bekannt. Bei bestimmten Berufs-gruppen wie Schornsteinfegern, Kokerei- undsog. Gasarbeitern ergab sich immer wieder eineerhöhte Häufigkeit bestimmter Karzinome derHaut und der Atemwege.

Das Gelände ist zwar befestigt und von daherkönnen Umweltbelastungen in Grenzen gehaltenwerden. Um so mehr sind aber die Arbeitendenvon Brandgasen, Staubverwehungen und -aufwir-belungen betroffen.

Empfohlene Sofortmaßnahmen:

Am Arbeitsplatz:Für die unmittelbaren Auswirkungen derSchweißarbeiten: - Vorbehandlung der Stahlteile durch mechani-

sche Entfernung der Farben entlang geplanter Trennlinien durch Sandstrahl oder Schrubb-scheiben,

- Schutzbrillen und wo erforderlich, jedenfalls in schlechtgelüfteten Schiffsinnenräumen, Atem-schutz für die Arbeiter

Für offene Brände: - Materialentzug, dh. schnelle Entfernung aller

brennbaren Gegenstände und Ölreste vom Werftgelände entweder zur Verwertung oder, falls nicht möglich, zur sicheren Deponierung

NachsorgeIn erster Linie gilt es, alle Arten von Bränden zu

vermeiden. Gelingt dies nicht, sollten die Brand-rückstände als Sondermüll behandelt und ent-sorgt werden, um weitere Akkumulation vonSchadstoffen am Arbeitsplatz zu vermeiden.

Regelmäßige Analyse von Staubproben auf demWerksgelände sollten Aufschluss darüber geben,ob und wo Entsorgungsmaßnahmen notwendigsind. x

Typische Rückstände vom Schwelbrand nach Brenn-schneiden, hier wurde die Probe genommen (S)

S

Ihre Probe -

Unsere Probe 9931501

PAK nach EPA

Naphtalin mg/kg TS 180

Acenaphthylen mg/kg TS 42

Acenaphten mg/kg TS 205

Fluoren mg/kg TS 210

Phenanthren mg/kg TS 1.700

Anthracen mg/kg TS 196

Fluorenthen mg/kg TS 2.400

Pyren mg/kg TS 2.250

Benzo(a)anthracen mg/kg TS 1.600

Chrysen/Triphenylen mg/kg TS 2.100

Benzo(b)fluoranthen mg/kg TS 2.400

Benzo(k)fluoranthen mg/kg TS 800

Benzo(a)pyren mg/kg TS 1.500

Indeno(1,2,3-cd)pyren mg/kg TS 1.100

Dibenzo(a,h)anthracen mg/kg TS 415

Benzo(g,h,i)perylen mg/kg TS 1.100

PAK-Werte in mg/kg Trockensubstanz

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Allgemeine Arbeitsorganisation,Arbeits- und Umweltschutz

Die gesamte Arbeitsorganisation in den Berei-chen Transport und Lagerung von Schiffsteilenbedarf einer systematischen Analyse. Nur sokönnten gezieltere Empfehlungen für mehrArbeits- und Umweltschutz, aber auch für mehrEffizienz, entwickelt werden.

Beispielsweise sind Ladezonen, Transport- undVerkehrswege nicht ausgewiesen. Es fehlenGeschwindigkeitsbegrenzungen, Kreuzungs- undVorfahrtsregeln.

Beim Heben und Fortbewegen von Schiffsteilendurch Kräne sind die Arbeitsbereiche nicht sepa-riert und gesichert. Vor allem beim Beladen derFlussschiffe mit Schrott für die Stahlwerke befin-den sich die Arbeitenden unter schwebenden Teilen und können beim Herabfallen von diesengetroffen werden.

Herumliegende Teile von früher verarbeitetenSchiffen, die keiner erkennbaren Nutzung zuge-führt werden, liegen überall auf dem Geländeherum. Ölhaltige Aggregate und andere schad-

stoffbelastete Teile aus verschiedenartigen Ver-bundwerkstoffen verschmutzen die Fläche. Wodiese Teile letztendlich verbleiben, konnte beiGesprächen auf der Werft nicht geklärt werden.

Immer wieder auftretende Brände werdendadurch gefördert und verschärfen die Probleme.In einer Staubprobe auf dem Werksgelände fan-den sich Arsen und verschiedene Schwermetallesowie extrem hohe Konzentrationen an krebser-zeugenden polyaromatischen Kohlenwasserstoffe(PAK, s.o.).

Eines ist jedoch ohne weitere Analyse direkt zufordern:

Öl- und schmierstoffhaltige Aggregate undSchiffsteile müssen auf befestigtem Grund aufeiner von allen Arbeitsprozessen strikt abge-grenzten Lagerfläche konzentriert werden. Hierist jeder Umgang mit offenem Feuer, Funkeninklusive Rauchen zu unterbinden.

Die Verschmutzung des Werksgeländes durchgesundheits- und umweltschädliche Stoffe kannsich nach Regenfällen, und, bei Trockenheit durch Verwehungen, auf die Umgebung und das Wasser des Yangtse-Flusses fortsetzen.

Lauter lose Teile schweben gebündeltüber den Köpfen der Flussschiffer

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Für die weitere Verarbeitung ist folgendes zubeachten:

Neben vielen Schiffsteilen, die mechanischgeschnitten und dann kaltgewalzt werden, wirdaber auch viel Material im Hochofen einge-schmolzen. Das kann zu Emissionsproblemen

führen. Für diese Seite sollten Werftmanagementund Firmenleitung im Zusammenwirken mitStahlwerksbetreibern und den Umweltbehördendarauf hinwirken, dass stahlwerksinterne Lösun-gen durch Feuerungstechnik, Abgasführung und -kontrolle gefunden werden. x

Gefährliche Unordnung: verschmutzte Schiffsteileohne klare Bestimmung sammeln sich haufenweise an

Literatur and Nachweise

1. Jankipersad, Karan J.: Influencing Life Cycle Management of Ships, Masters Thesis, Technical University of Delft, 1997

2. Judit Kanthak, Andreas Bernstorff, with inputs from Nitiyanand Jayaraman: „Ships for Scrap – Steel and Toxic Wastes for Asia – The health and environmental hazards in recipient states – A fact finding mission to the Indian shipbreaking yards in Alang and Bombay“, Greenpeace, Hamburg, March 1999

3. Det Norske Veritas: Decommissioning of Ships – Environmental Protection and Ship Demolition, Technical Report No.: 99-3065, carried out by Aage Bjoern Andersen, Astrid Roestad, Erik Bjoernbom, 81 Seiten, Oslo, Februar 1999. Diese Arbeit entstand gleichzeitig mit (2) und wurde im Auftrag

des Norwegischen Umweltministeriums und der Norwegian Shipowners Association erstellt. Sie enthält im wesentlichen Listen von Schadstoffen, wie sie typischerweise auf alten Tankern vorzufinden sind.

4. Chinese National Ship-Breaking Corporation:Chang Yiang Ship-Breaking Yard, Safety Rules on Operations, 18th June 1999 (chinesisch, 23 Seiten), an Greenpeace übergeben 17.8.99, ins Englische übersetzt von Winpeak Shipping, Hongkong

5. GALAB: Untersuchungsbericht Nr. 99315 „Boden“ Analyse von PAK nach EPA., Geesthacht bei Hamburg, 16.11.99

6. Labor Wartig: Untersuchungsbericht Nr. 9992444 „Untersuchung Feststoffprobe auf Pb, Cd, Cr“, Hamburg,11.11.99

S 1121