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Schlecht gestellte Probleme: Einf ¨ uhrung und numerische Methoden Hans-J¨ urgen Reinhardt Vorlesungsskriptum im SS 2002 Fachbereich Mathematik Universit¨ at Siegen

Schlecht gestellte Probleme: Einfuhrung und numerische ... · streiks\ konnten nur Teilbereiche der schlecht gestellten Probleme behandelt werden, wichtige andere mussten weggelassen

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Schlecht gestellte Probleme:

Einfuhrung und numerische

Methoden

Hans-Jurgen Reinhardt

Vorlesungsskriptum

im SS 2002

Fachbereich Mathematik

Universitat Siegen

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Vorwort

Das vorliegende Skriptum ist aus einer Vorlesung entstanden, die der Autor im SoSe 2002

an der Universitat Siegen gehalten hat. Darin wurden auch Teile einer Vorlesung uber

Funktionalanalysis [39] des Autors aus dem SoSe 1995 verwendet, wobei der Aspekt der

schlecht gestellten Probleme vertieft und weiter erganzt wurde.

Wegen der Kurze des Sommersemesters und verschiedener Ausfalle durch”Studenten-

streiks“ konnten nur Teilbereiche der schlecht gestellten Probleme behandelt werden,

wichtige andere mussten weggelassen und dem Selbststudium uberlassen werden. (Lite-

raturhinweise finden sich im Skriptum)

Zur Vorlesung wurden theoretische und praktische Ubungen gestellt. Die theoretischen

Ubungsaufgaben finden sich in Anhang A. Die praktischen Ubungsaufgaben sind mit Bei-

spielrechnungen in Anhang B zusammengestellt.

Dieses Skriptum wurde von Frau C. Mielke mit LATEX erstellt. Herr Dipl.-Math. M.

Charton hat die Ubungsaufgaben zusammengestellt und betreut. Herr cand. math. J.

Frohne war bei der Aufarbeitung der praktischen Aufgaben behilflich. Ihnen und meinen

Studenten sei fur ihren Einsatz und ihre Mitarbeit gedankt.

Siegen, im August 2003 H.-J. Reinhardt

1

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Inhaltsverzeichnis

1 Inverse Probleme: Einfuhrung und erste Beispiele 5

2 Mathematische Hilfsmittel: Grundbegriffe 11

2.1 Metrische Raume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

2.2 Normierte Raume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.3 Vektorraume mit Skalarprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2.4 Lineare Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

2.5 Zur Existenz von Inversen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

3 Operatoren in vollstandigen Raumen 27

3.1 Das Prinzip der gleichmaßigen Beschranktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

3.2 Der Satz von der offenen Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

3.3 Der Satz vom abgeschlossenen Graphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

4 Kompakte Abbildungen 39

4.1 Der Satz von Arzela und Ascoli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

4.2 Beispiele kompakter Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

4.3 Gleichungen 1. Art mit kompakten Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . 49

4.4 Das Inverse Warmeleitproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

4.5 Struktur und Losung der Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

4.6 Identifikationsprobleme in Hilbertraumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

5 Regularisierung schlecht gestellter Probleme 69

3

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4 INHALTSVERZEICHNIS

5.1 Die verallgemeinerte Inverse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

5.2 Regularisierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

5.3 Tikhonov–Regularisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

5.4 Iterative Regularisierung: Landweber-Iteration . . . . . . . . . . . . . . . . 81

5.5 Die Methode der konjugierten Gradienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

5.6 Regularisierung durch Projektionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

A Theoretische Ubungsaufgaben 99

A.1 Erstes Ubungsblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

A.2 Zweites Ubungsblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

A.3 Drittes Ubungsblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

A.4 Viertes Ubungsblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

A.5 Funftes Ubungsblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

A.6 Sechstes Ubungsblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

B Praktische Ubungsaufgabe 107

Literaturverzeichnis 113

Index 116

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Kapitel 1

Inverse Probleme: Einfuhrung und

erste Beispiele

Ein mathematisches Modell einer ingenieurwissenschaftlichen, physikalischen oder auch

wirtschaftswissenschaftlichen Anwendung lasst sich schematisch wie folgt darstellen:

Input OutputSystem-parameter

Die genannten Großen beschreiben das Modell. In den meisten Fallen ist das System

durch Gleichungen (gewohnliche oder partielle Differentialgleichungen, Integralgleichun-

gen, Integro-Differentialgleichungen, Differential-Algebraische Gleichungen, ...) gegeben.

Man unterscheidet bei der Analyse solcher Modelle zwischen folgenden Problemklassen:

(a) Direktes Problem: Gegeben der Input und die Systemparameter, gesucht der Output.

(b) Rekonstruktionsproblem: Gegeben die Systemparameter und der Output, gesucht der

Input.

(c) Identifikationsproblem: Gegeben Input und Output, gesucht Systemparameter, so

dass der Input den gegebenen Output erzeugt (bzw. moglichst gut annahert).

Probleme des Typs (a) bezeichnet man als direkte (oder Vorwarts-) Probleme. Probleme

vom Typ (b) und (c) heißen inverse Probleme.

Mathematisch lassen sich die genannten Probleme wie folgt beschreiben. Es bezeichne

5

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6 KAPITEL 1. INVERSE PROBLEME: EINFUHRUNG UND ERSTE BEISPIELE

X die Menge/den Raum der Eingabegroßen,

Y die Menge/den Raum der Ergebnisse,

P die Menge/den Raum der Parameter,

A(p) Die System-Abbildung von X in Y

(fur ein zugehoriges p ∈ P ).

Dann lassen sich Probleme des obigen Typs formal so beschreiben:

(a) Gegeben x ∈ X und p ∈ P , gesucht y = A(p)x.

(b) Gegeben y ∈ Y und p ∈ P , gesucht die Losung x ∈ X von

Ax = y (A = A(p)).

(c) Gegeben y ∈ Y und x ∈ X, gesucht p ∈ P mit A(p)x = y (bzw. A(p)x ≈ y).

Bemerkungen:

zu (a): y = A(p)x kann die Losung von Differential- oder Integralgleichungen beinhalten

und kann aufwendig sein.

zu (b): Falls A = Bijektion, dann liegt ein”direktes Problem“ vor: x = A−1y. Falls noch

A−1 stetig ist (bzgl. der Topologie in X,Y ), dann hat man Stabilitat (d.h. kleine

Anderungen in den Daten Y verursachen kleine Anderungen in den Losungen). Ein

Problem entsteht, wenn y /∈ R(A) dem Bildbereich von A.

zu (c): Ist i.a. schwierig, insbes. bei nichtlinearen Problemen.

Def. 1.1 (n. Hadamard, 1923). Sei A : X −→ Y, X, Y topologische Raume. Dann heißt

Ax = y (1.1)

”gut gestellt“(engl. ’well posed’), falls:

i) (1.1) hat fur jedes y ∈ Y eine Losung,

ii) die Losung ist eindeutig,

iii) die Losung hangt stetig von den Daten ab.

Def. 1.2 Ist i),ii) oder iii) nicht erfullt, so heißt das Problem (1.1)”schlecht gestellt“

oder”inkorrekt gestellt“(engl. ’illposed’ oder ’improperly posed’).

Page 9: Schlecht gestellte Probleme: Einfuhrung und numerische ... · streiks\ konnten nur Teilbereiche der schlecht gestellten Probleme behandelt werden, wichtige andere mussten weggelassen

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Beispiel 1.3

dy

dt(t) = (Dy)(t) Differentialoperator

(A(x)

)(t) =

t∫

0

x(τ) dτ Integraloperator

(Direkte) Aufgabe:

Gegeben x, gesucht y(t) =t∫0

x(τ)dτ

⇐⇒ y Losung von y′(t) = x(t), y(0) = 0︸ ︷︷ ︸Anfangswertproblem

Inverse Aufgabe:

Gegeben y, gesucht x(t) = y′(t)

⇐⇒ x lost A(x)(t) = y(t) Integralgleichung (1.2)

⇐⇒ x = A−1(y) =d

dty

Der Operator A der direkten Aufgabe ist ein”glattender“ Integraloperator, genauer ein

linearer Volterrascher Integraloperator, wahrend der Losungsoperator A−1 der inversen

Aufgabe mit x = A−1(y) = ddty ein

”aufrauhender“ Differentialoperator ist. Betrachten

wir den Operator A im Raum X = Y = C[0, T ] stetiger Funktionen, d.h. messen wir

alle Abweichungen in der Maximumnorm, dann ist A ein stetiger Operator, denn die

Abschatzung 1

‖A(xn)−A(x0)‖C[0,T ] = max0≤t≤T

∣∣∣∣∣∣

t∫

0

(xn(τ)− x0(τ)

)dτ

∣∣∣∣∣∣≤

≤ max0≤t≤T

t∫

0

∣∣xn(τ)− x0(τ)∣∣dτ ≤ T max

0≤t≤T

∣∣xn(t)− x0(t)∣∣ = T‖xn − x0‖C[0,T ]

impliziert, dass fur n −→∞ mit xn −→ x0 auch A(xn) −→ A(x0) in C[0, T ] gilt.

Storen wir andererseits eine Losung x0 der Gleichung A(x0) = y0 in der Art

xn(t) = x0(t) + cosnt (0 ≤ t ≤ T ; n = 1, 2, . . .), (1.3)

so gilt

‖xn − x0‖C[0,T ] = max0≤t≤T

| cos nt| = 1;

1Wir bezeichnen die Maximumnorm von C[0, T ] und auch mit ‖ · ‖∞.

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8 KAPITEL 1. INVERSE PROBLEME: EINFUHRUNG UND ERSTE BEISPIELE

also haben wir

yn(t) = y0(t) +1

nsinnt (0 ≤ t ≤ T ; n = 1, 2, . . .) (1.4)

mit

‖yn − y0‖C[0,T ] ≤1

n,

wobei yn = A(xn) ist. Folglich gilt

limn→∞

‖yn − y0‖C[0,T ] = 0, aber limn→∞

‖A−1(yn)−A−1(y0)‖C[0,T ] = 1 6= 0.

Der Differentialoperator A−1 ist somit in C[0, T ] unstetig. Die Operatorgleichung verletzt

die Stabilitatsbedingung der Hadamardschen Korrektheitsdefinition und ist somit inkor-

rekt gestellt.

Beispiel 1.4 Numerische Differentiation

Als Naherung der Ableitung f = g′ einer Funktion betrachten wir jetzt Differenzenquoti-

enten,

Dhg(x) =

h−1 (g(x+ h)− g(x)) , 0 ≤ x ≤ h/2 ,

h−1(g(x+ h

2 )− g(x− h2 ))

, h2 < x < 1− h

2 ,

h−1 (g(x)− g(x− h)) , 1− h2 ≤ x ≤ 1 ,

mit einer Schrittweite h. Bekanntlich lasst sich der Fehler abschatzen durch

|g′(x)−Dhg(x)| =

O(h2) fur den zentralen Differenzenquotienten

O(h) fur den vorwarts- und ruckwartsgenommenen

Differenzenquotienten,

vorausgesetzt g ist dreimal stetig differenzierbar; im Falle, dass nur g ∈ C 2[0, 1], hat

man in beiden Fallen nur eine Abschatzung durch O(h). Stehen nur gestorte Daten gε zur

Verfugung mit ‖gε − g‖∞ ≤ ε, dann hat man fur den Datenfehler die Abschatzung

|Dh(gε − g)(x)| ≤ 2ε

h, 0 ≤ x ≤ 1 .

Der Gesamtfehler setzt sich zusammen aus dem Datenfehler Dh(gε − g) und dem Regula-

risierungsfehler (oder Diskretisierungsfehler) g ′ −Dhg,

Dhgε − f = Dh(g

ε − g) +Dhg − g′ ,

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Abbildung 1.1: Gesamtfehler (1), Datenfehler (2), Reg.-fehler (3)

und gestattet die Abschatzung

‖Dhgε − f‖∞ ≤ 2εh−1 +

1

2‖g′′‖∞h . (1.5)

Bei gestorten Daten (ε 6= 0) kann der Gesamtfehler also nicht beliebig klein werden. Es

ergibt sich das fur schlecht gestellte Probleme typische Bild in Abb.1.1.

Der Fehler wird optimal fur die Schrittweite

h(ε) = 2‖g′′‖−1/2∞ ε1/2

vorausgesetzt g′′ 6= 0. Der Gesamtfehler ist dann von der Ordnung O(ε1/2), d. h. man hat

im Ergebnis eine Ordnung ε1/2 gegenuber der Genauigkeit in den Daten verloren. Eine

weitere Schwierigkeit besteht darin, dass die Wahl des optimalen Parameters h(ε) nicht

nur vom Datenfehler sondern auch von der Losung abhangt.

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10 KAPITEL 1. INVERSE PROBLEME: EINFUHRUNG UND ERSTE BEISPIELE

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Kapitel 2

Mathematische Hilfsmittel:

Grundbegriffe

2.1 Metrische Raume

Wir beginnen mit einigen grundlegenden Definitionen fur metrische Raume, die im folgen-

den benotigt werden. Im nachsten Abschnitt zeigen wir unter anderem, dass jede nichtlee-

re Teilmenge eines normierten Raumes ein metrischer Raum wird. Mit jedem normierten

Raum erhalt man dann zugleich auch Beispiele fur metrische Raume. Schließlich fuhren

wir noch prahilbertsche Raume ein, die spezielle normierte bzw. metrische Raume sind.

Eine nichtleere Menge M wird ein metrischer Raum, wenn jedem Paar x, y von Elementen

aus M eine reelle Zahl |x, y|, die Entfernung oder der Abstand von x, y, zugeordnet ist mit

den Eigenschaften

(M1) |x, y| ≥ 0 ,

(M2) |x, y| = 0⇐⇒ x = y ,

(M3) |x, y| = |y, x| ,

(M4) |x, y| ≤ |x, z|+ |z, y|

fur x, y, z ∈ M . Die letzte Ungleichung heißt Dreiecksungleichung . Die Bedingung (M3)

zeigt, dass die Abstandsfunktion symmetrisch in den beiden Argumenten ist. Aus (M4)

folgt unmittelbar die wichtige Ungleichung

∣∣∣|x, z| − |z, y|∣∣∣ ≤ |x, y| , x, y, z ∈M .

Beispiel 2.1 Wie man sofort nachpruft, wird der n–dimensionale Zahlenraum Rn ein

11

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12 KAPITEL 2. MATHEMATISCHE HILFSMITTEL: GRUNDBEGRIFFE

metrischer Raum M , wenn man den euklidischen Abstand einfuhrt

|x, y| =

n∑

j=1

(xj − yj)2

1/2

, x = (x1, . . . , xn) , y = (y1, . . . , yn) ∈ Rn .

Eine beliebige Teilmenge G ⊆M wird mit der Abstandsfunktion |·, ·| von M offensichtlich

wieder ein metrischer Raum, den man Teilraum von M nennt.

Es ist nun sehr bequem und anschaulich, die aus der elementaren klassischen Geometrie

gelaufigen Begriffe wie Punkt, Abstand, Kugel, Sphare usw. auch fur metrische Raume

einzufuhren. In diesem Sinne bezeichnet man Elemente x, y eines metrischen Raumes M

als Punkte und |x, y| als Abstand der Punkte x, y. Weiter ist fur einen Punkt c ∈M und

eine positive Zahl r die abgeschlossene Kugel mit Mittelpunkt c und Radius r definiert

durch die Menge

Kr(c) = x ∈M∣∣∣ |x, c| ≤ r .

Entsprechend wird die offene Kugel erklart durch die Vorschrift

Kr(c) = x ∈M∣∣∣ |x, c| < r

und die Sphare mit Mittelpunkt c und Radius r durch

Sr(c) =x ∈M

∣∣∣ |x, c| = r.

Eine Menge G ⊆M heißt beschrankt, wenn es eine Zahl δ ≥ 0 gibt mit der Eigenschaft

|x, y| ≤ δ , x, y ∈ G .

Fur eine beschrankte Menge G existiert der Durchmesser d(G) von G, das ist die reelle

Zahl

d(G) := supx,y∈G

|x, y| .

Fur jeden Punkt x ∈M und eine nichtleere Teilmenge G ⊆M existiert die Zahl

|x,G| := infy∈G|x, y| .

Diese Zahl heißt der Abstand von x nach G. Wird das Infimum fur einen Punkt z ∈ Gangenommen, so heißt z ein Lotpunkt von x in G.

In einem metrischen Raum M ist der Begriff der Konvergenz von Folgen in naheliegender

Weise erklart. Sei x1, x2, . . . eine Folge von Elementen aus M , dann konvergiert diese Folge

gegen ein Element x ∈M , und wir schreiben xt −→ x (t→∞), wenn die reelle Zahlenfolge

|xt, x| −→ 0 (t→∞)

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2.2. NORMIERTE RAUME 13

konvergiert. Etwas allgemeiner heißt eine Folge (xt) Cauchy–konvergent oder eine Cauchy-

folge, wenn es zu jedem ε > 0 eine naturliche Zahl N(ε) gibt, so dass fur jedes s, t ≥ N(ε)

gilt |xs, xt| < ε. Eine Folge (xt), die gegen ein Element x in M konvergiert, ist Cauchy–

konvergent, wie man mit Hilfe der Dreiecksungleichung (M4) sofort aus der folgenden

Beziehung herleitet

|xs, xt| ≤ |xs, x|+ |x, xt| , s, t = 1, 2, . . .

Umgekehrt ist in einem metrischen Raum M jedoch nicht jede Cauchyfolge notwendig

auch konvergent gegen ein Element aus M . Einen metrischen Raum nennt man daher

vollstandig, wenn jede Cauchyfolge in M gegen ein Element aus M konvergiert.

In metrischen Raumen lassen sich weiter die Begriffe der offenen Menge, der abge-

schlossenen Menge, der Umgebung usw. definieren. Zum Beispiel heißt eine Teilmenge

G ⊆ M offen, wenn es zu jedem Punkt x ∈ G eine offene Kugel Kr(x) ⊆ G gibt. Ei-

ne Teilmenge G ⊆ M heißt abgeschlossen, wenn das Komplement von G in M offen

ist. Ein Punkt x ∈ M heißt Haufungspunkt von G, wenn es eine Folge von Elementen

xt ∈ G , x 6= xt , t = 1, 2, . . . , gibt mit der Eigenschaft |xt, x| −→ 0 (t →∞). Die Menge

aller Beruhrungspunkte x von G mit |x,G| = 0 nennt man die Abschließung (oder abge-

schlossene Hulle) G von G. Wir schreiben auch cl(G) fur die Abschließung von G. Damit

ist fur jede Teilmenge G ⊆ M immer G ⊆ G. Eine Teilmenge G ⊆ M ist genau dann

abgeschlossen, wenn G = G ist. Das Innere (oder den offenen Kern) von G bezeichnen

wir mit int G.

Eine Folge (uj)j∈N von Elementen eines metrischen Raumes M heißt kompakt, wenn jede

Teilfolge (uj)j∈N′ , N′ ⊆ N, eine Teilfolge (uj)j∈N′′ , N′′ ⊆ N′, besitzt, die gegen ein Element

aus M konvergiert,

uj −→ u (j ∈ N′′ , j →∞) .

Eine Teilmenge G aus M heißt kompakt , wenn jede Folge von Elementen aus G eine

Teilfolge besitzt, die gegen ein Element aus G konvergiert, also einen Beruhrungspunkt in

G hat. Schließlich heißt eine Teilmenge G relativ kompakt, wenn jede Folge von Elementen

aus G eine in M konvergente Teilfolge besitzt, also einen Beruhrungspunkt in M hat. Jede

kompakte Teilmenge G ⊆M ist notwendig beschrankt und abgeschlossen.

2.2 Normierte Raume

Im folgenden setzen wir die Grundbegriffe der linearen Algebra als bekannt voraus. Nor-

mierte Raume und allgemeiner alle Teilmengen eines normierten Raumes sind metrische

Raume, so dass die Begriffsbildungen fur metrische Raume hier anwendbar werden. Eine

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14 KAPITEL 2. MATHEMATISCHE HILFSMITTEL: GRUNDBEGRIFFE

Reihe einfacher Beispiele dient zur Erlauterung der allgemeinen Begriffe und als Vorberei-

tung auf spatere Anwendungen.

Sei E ein linearer Raum oder Vektorraum uber dem Korper K = R der reellen Zahlen bzw.

K = C der komplexen Zahlen. Dann heißt der Vektorraum E normiert oder ein normierter

Raum, wenn jedem Vektor x ∈ E eine reelle Zahl ‖x‖, die Norm oder der Betrag von x,

zugeordnet ist mit den folgenden Eigenschaften

(N1) ‖x‖ ≥ 0 ,

(N2) ‖x‖ = 0⇐⇒ x = 0 ,

(N3) ‖λx‖ = |λ| ‖x‖ , λ ∈ K ,

(N4) ‖x+ y‖ ≤ ‖x‖+ ‖y‖

fur x, y ∈ E. Erfullt diese Funktion ‖·‖ auf E nur die Bedingung (N1), (N3), (N4), so heißt

‖ · ‖ eine Halbnorm auf E. Die Ungleichung (N4) kann man ebenfalls als Dreiecksunglei-

chung bezeichnen. Hiermit leitet man unmittelbar noch die folgende wichtige Ungleichung

her

∣∣∣ ‖x‖ − ‖y‖∣∣∣ ≤ ‖x− y‖ , x, y ∈ E .

Fur eine beliebige nichtleere Teilmenge M ⊆ E wird in naturlicher Weise eine Abstands-

funktion |·, ·| auf M erklart durch die Vorschrift

|x, y| = ‖x− y‖ , x, y ∈M .

Man pruft sofort nach, dass hierfur die Eigenschaften (M1)–(M4) erfullt sind und folglich

die Teilmenge M mit dieser Abstandsfunktion ein metrischer Raum wird. Insbesondere

wird fur M = E jeder normierte Raum ein metrischer Raum, so dass sich die Begriffe und

Definitionen fur metrische Raume in dieser Weise sofort auf normierte Raume ubertragen

lassen. Zum Beispiel hat die abgeschlossene Kugel K r(c) hier die Gestalt

Kr(c) =x ∈ E

∣∣∣ ‖x− c‖ ≤ r.

Weiter ist eine Folge von Elementen x1, x2, . . . ∈ E konvergent gegen x ∈ E, wenn gilt

xt −→ x⇐⇒ ‖xt − x‖ −→ 0 (t→∞) .

Eine Folge (xt) ist Cauchy–konvergent, wenn fur jedes ε > 0 eine naturliche Zahl N(ε)

existiert mit ‖xs − xt‖ < ε fur s, t ≥ N(ε). Ein normierter Raum E wird vollstandig oder

ein Banachscher Raum, wenn jede Cauchyfolge von Elementen aus E gegen ein Element

in E konvergiert.

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2.2. NORMIERTE RAUME 15

In einem Vektorraum E lasst sich der Begriff der konvexen Teilmengen M ⊆ E definieren.

Diese werden durch die Eigenschaft charakterisiert, dass mit jedem Paar von Elementen

x, y ∈M auch die Verbindungsstrecke xy in M liegt, also alle Punkte der Gestalt

σx+ (1− σ)y ∈M , 0 ≤ σ ≤ 1 .

Zum Beispiel sind alle linearen Teilraume von E sowie die offenen und abgeschlossenen

Kugeln konvex.

Beispiel 2.2 Fur K = R bzw. K = C und eine naturliche Zahl n bezeichnen wir mit Kn

den n–dimensionalen Zahlenraum oder arithmetischen Vektorraum Rn bzw. Cn uber K.

Setzt man fur 1 ≤ p <∞

‖x‖p =

n∑

j=1

|xj |p

1/p

, x = (x1, . . . , xn) ∈ Kn ,

und fur p =∞ entsprechend

‖x‖∞ = maxj=1,...,n

|xj | , x = (x1, . . . , xn) ∈ Kn ,

so wird durch jede dieser Funktionen ‖ · ‖p fur 1 ≤ p ≤ ∞ eine Norm auf dem Vektorraum

Kn definiert, und damit E = Kn , ‖ · ‖p ein normierter Raum, wie man mit Hilfe der

Ungleichung von MINKOWSKI zeigen kann (s. [25] Kantorowitsch–Akilow , II-§ 3.5).

Zwischen diesen Normen besteht offenbar die Ungleichung

‖x‖∞ ≤ ‖x‖p ≤ n1/p‖x‖∞ , x ∈ Kn ,

fur 1 ≤ p <∞.

Allgemeiner hat man fur jede beliebige Norm ‖ · ‖ auf dem n–dimensionalen Zahlenraum

Kn zwei positive Zahlen γ0, γ1 mit der Eigenschaft

γ0‖x‖2 ≤ ‖x‖ ≤ γ1‖x‖2 , x ∈ Kn ,

(s. [43] Stummel-Hainer, Abschnitt 5.1). Hiermit besteht die Ungleichung

γ0 maxj=1,...,n

|xj | ≤ ‖x‖ ≤√nγ1 max

j=1,...,n|xj|, x = (x1, . . . , xn) ∈ Kn .

Eine Folge von Vektoren x(t) =(x

(t)1 , . . . , x

(t)n

)∈ Kn , t = 1, 2, . . ., konvergiert daher

genau dann gegen einen Vektor x ∈ Kn im normierten Raum E = Kn , ‖ · ‖, wenn die

Vektoren koordinatenweise konvergieren

x(t) −→ x⇐⇒ x(t)j −→ xj , j = 1, . . . , n , (t→∞) .

Nach dem Cauchyschen Konvergenzkriterium besitzt jede Cauchyfolge von Vektoren in

diesem Raum einen Limes, so dass der Zahlenraum Kn mit der Norm ‖ · ‖p vollstandig

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16 KAPITEL 2. MATHEMATISCHE HILFSMITTEL: GRUNDBEGRIFFE

oder ein Banachscher Raum wird. Weiter gilt in diesem Fall der Satz von BOLZANO-

WEIERSTRASS, wonach jede beschrankte Punktfolge wenigstens einen Haufungspunkt

hat. Daher wird eine Teilmenge G ⊆ E = Kn , ‖ · ‖ genau dann kompakt, wenn sie

beschrankt und abgeschlossen ist.

Beispiel 2.3 Sei G eine beliebige nichtleere Punktmenge des n–dimensionalen Zahlen-

raumes Rn, zum Beispiel ein abgeschlossenes Intervall [a, b] ⊆ R fur n = 1 oder ein

n–dimensionales Intervall

[a, b] :=x ∈ Rn

∣∣∣ aj ≤ xj ≤ bj , j = 1, . . . , n.

Dann wird die Menge der reell- bzw. komplexwertigen beschrankten stetigen Funktionen

u, v, . . . auf G ein Vektorraum uber dem Korper K = R bzw. K = C, wenn man setzt

(u+ v)(x) = u(x) + v(x) , (λu)(x) = λu(x) , x ∈ G , λ ∈ K .

Diesen Vektorraum bezeichnen wir mit C(G) oder auch fur G = [a, b] mit C[a, b]. Auf

diesem Vektorraum wird durch die Vorschrift

‖u‖ = ‖u‖∞ = ‖u‖C(G) = supx∈G|u(x)| , u ∈ C(G) ,

eine Norm definiert, die Supremumnorm, und C(G) wird ein normierter Raum. Die Kon-

vergenz einer Folge von Funktionen ut −→ u in C(G) fur t → ∞ ist die gleichmaßige

Konvergenz dieser Funktionen auf G. Damit wird C(G) ein vollstandiger normierter Raum

oder Banachscher Raum.

Beispiel 2.4 Fur eine beschrankte messbare TeilmengeX in Rn wird auf dem Vektorraum

C(X) fur jedes p in 1 ≤ p <∞ durch die Vorschrift

‖u‖p =

(∫

X|u(x)|p dx

)1/p

, u ∈ C(X) ,

eine Norm definiert (s. [25] Kantorowitsch–Akilow , Kap. II–§ 3.6). Wir bezeichnen mit

Lp(X) den normierten Raum, gebildet aus dem Vektorraum C(X) mit der obigen Norm

‖ · ‖p. Diese Raume sind nicht vollstandig, also keine Banachschen Raume, da nicht jede

Cauchyfolge in Lp(X) gegen eine stetige Funktion konvergiert, wie man leicht durch ein

Gegenbeispiel zeigt.

Allgemeiner betrachtet man daher den Vektorraum der im Sinne von LEBESGUE auf X

erklarten, messbaren Funktionen, fur die |u|p uber X integrierbar ist. Dann wird dieser

Raum mit der obigen Norm ‖ · ‖p ein Banachscher Raum, der mit Lp(X) bezeichnet wird

(s. [25] Kantorowitsch–Akilow, Kap. II-§ 5).

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2.3. VEKTORRAUME MIT SKALARPRODUKT 17

2.3 Vektorraume mit Skalarprodukt

Eine spezielle Klasse normierter Raume bilden die Vektorraume mit Skalarprodukt, die

man auch als prahilbertsche Raume bezeichnet. Anschließend werden zunachst einige ein-

fache Definitionen, Bezeichnungen und Beispiele fur diese Raume angegeben.

Sei E ein Vektorraum uber dem Korper K = R bzw. K = C. Dann versteht man unter einer

Sesquilinearform 1 b auf E ×E eine Funktion, die jedem geordneten Paar von Elementen

u, v ∈ E eine Zahl b(u, v) ∈ K zuordnet mit den Eigenschaften

b(αu+ βv,w) = αb(u,w) + βb(v, w) ,

b(u, αv + βw) = αb(u, v) + βb(u,w)

fur jedes u, v, w ∈ E , α, β ∈ K. Dabei bezeichnet α, β fur K = C die zu α, β konjugiert

komplexen Zahlen, und fur K = R ist α = α , β = β. Fur den Fall K = R ist eine

Sesquilinearform also dasselbe wie eine Bilinearform. Eine Sesquilinearform nennt man

symmetrisch oder hermitesch, wenn gilt

b(u, v) = b(v, u) , u, v ∈ E .

Fur eine symmetrische Form sind somit die Funktionswerte der dazugehorigen quadrati-

schen Form notwendig reell

b(u) := b(u, u) ∈ R , u ∈ E .

Eine Sesquilinearform heißt weiter positiv semidefinit, wenn b symmetrisch ist und die

zugehorige quadratische Form der Bedingung genugt

b(u) ≥ 0 , u ∈ E .

Die Sesquilinearform b heißt positiv definit, wenn b symmetrisch ist und die zugehorige

quadratische Form die Eigenschaft hat

b(u) > 0 , 0 6= u ∈ E .

Fur jede positiv semidefinite Sesquilinearform b gilt bekanntlich die sogenannte verallge-

meinerte Schwarzsche Ungleichung

|b(u, v)|2 ≤ b(u)b(v) , u, v ∈ E .

Eine positiv definite Sesquilinearform nennt man auch ein Skalarprodukt oder inneres

Produkt des Vektorraumes E.

1sesqui (lat.): um die Halfte mehr, anderthalb

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18 KAPITEL 2. MATHEMATISCHE HILFSMITTEL: GRUNDBEGRIFFE

Ein Vektorraum uber dem Korper K = R bzw. K = C heißt dann Vektorraum mit Ska-

larprodukt oder prahilbertscher Raum H, wenn ein Skalarprodukt oder inneres Produkt

fur H definiert und ausgezeichnet ist. Jeder Vektorraum mit Skalarprodukt (., .) wird ein

normierter Raum mit der Norm

‖u‖ = (u, u)1/2 , u ∈ H .

Durch diese Vorschrift erhalt man namlich eine Funktion ‖ · ‖ auf H, welche offenbar

die Eigenschaften (N1), (N2), (N3) besitzt. Jedes Skalarprodukt (., .) genugt als positiv

definite Sesquilinearform der Schwarzschen Ungleichung in der Gestalt

|(u, v)| ≤ ‖u‖ ‖v‖ , u, v ∈ H .

Die Eigenschaft (N4), also die Dreiecksungleichung, folgt mit Hilfe der Schwarzschen Un-

gleichung aus der Beziehung

‖u+ v‖2 = (u+ v, u+ v) ≤ ‖u‖2 + ‖v‖2 + 2|(u, v)| ≤≤ (‖u‖ + ‖v‖)2 , u, v ∈ H .

Schließlich erwahnen wir noch die sogenannte Parallelogrammidentitat

‖u+ v‖2 + ‖u− v‖2 = 2‖u‖2 + 2‖v‖2 , u, v ∈ H ,

die auf jedem Vektorraum H mit Skalarprodukt fur die zugehorige Norm besteht.

Wenn man fur einen Vektorraum H mit Skalarprodukt von der Norm auf H spricht oder

H als normierten Raum bezeichnet, so ist immer die mit Hilfe des Skalarprodukts (., .)

oben definierte Norm ‖.‖ gemeint. In diesem Sinne lassen sich fur jeden Vektorraum mit

Skalarprodukt oder prahilbertschen Raum H alle Definitionen und Begriffe anwenden, die

fur normierte Raume erklart sind. Dies gilt insbesondere fur die Konvergenz von Folgen

und den Begriff der Vollstandigkeit. Unter einem Hilbertschen Raum versteht man dann

einen Vektorraum mit Skalarprodukt, der in diesem Sinne vollstandig ist, in dem also fur

jede Cauchyfolge (uj)j=1,2,... ein Element u des Raumes existiert mit der Eigenschaft

uj −→ u⇐⇒ ‖uj − u‖ −→ 0 (j →∞) .

Diese allgemeinen Begriffsbedingungen sollen nun an einfachen Beispielen erlautert wer-

den.

Beispiel 2.5 Das einfachste Beispiel fur Vektorraume mit Skalarprodukt bilden die n–

dimensionalen Zahlenraume Kn = Rn bzw. Kn = Cn mit dem euklidischen Skalarprodukt

< u, v >=

n∑

j=1

ujvj , u = (u1, . . . , un) , v = (v1, . . . , vn) ∈ Kn .

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2.3. VEKTORRAUME MIT SKALARPRODUKT 19

Die zugehorige Norm lautet

‖u‖2 =

n∑

j=1

|uj |2

1/2

, u = (u1, . . . , un) ∈ Kn .

Damit ist ‖ · ‖2 die euklidische bzw. unitare Norm des Zahlenraums Rn bzw. Cn. Da

jeder endlichdimensionale normierte Raum vollstandig ist, sind diese Raume Hilbertsche

Raume.

Sei jetzt (., .) ein beliebiges Skalarprodukt auf dem n–dimensionalen Zahlenraum Kn. Wie

man leicht zeigt, existiert dann eine n×nMatrix (cjk)j,k=1,...,n, so dass mit der zugehorigen

Abbildung C,

w = Cu⇐⇒ wj =

n∑

k=1

cjkuk , j = 1, . . . , n ,

die Darstellung besteht

(u, v) = < Cu, v > , u, v ∈ Kn .

Damit ist die Matrix (cjk)j,k=1,...,n notwendig symmetrisch bzw. hermitesch und positiv

definit.

Beispiel 2.6 Sei X eine beschrankte messbare Teilmenge in Rn und sei C(X) der Vek-

torraum der beschrankten stetigen reell- bzw. komplexwertigen Funktionen auf X. Dann

bezeichnen wir wieder mit L2(X) den Vektorraum C(X) mit dem Skalarprodukt

(u, v) =

Xu(x)v(x) dx , u, v ∈ C(X) .

Die zugehorige Norm hat damit die Darstellung

‖u‖ =

(∫

X|u(x)|2 dx

)1/2

, u ∈ C(X) .

Eine Folge (uj)j=1,2,... ist eine Cauchyfolge im prahilbertschen Raum L2(X), wenn gilt

X|uj(x)− uk(x)|2 dx −→ 0 (j, k →∞) .

In diesem Fall sagt man auch, dass die Funktionenfolge (uj)j=1,2,... im Mittel konvergiert .

Man zeigt leicht durch ein Gegenbeispiel, dass nicht jede Cauchyfolge in L2(X) gegen eine

stetige Funktion konvergiert, so dass L2(X) kein Hilbertscher Raum sein kann.

Allgemeiner betrachtet man daher den Vektorraum der im Sinne von LEBESGUE auf X

erklarten, messbaren Funktionen, fur die |u|2 uber X integrierbar ist, und erhalt damit

den Raum Lp(X) fur p = 2, der mit dem obigen Skalarprodukt ein Hilbertscher Raum

wird.

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20 KAPITEL 2. MATHEMATISCHE HILFSMITTEL: GRUNDBEGRIFFE

2.4 Lineare Operatoren

In diesem Abschnitt betrachten wir lineare Operatoren A : X → Y zwischen normierten

Raumen X,Y . Die Normen in X bzw. Y schreiben wir als ‖.‖X bzw. ‖.‖Y . Bei dieser

Schreibweise ist X der Definitionsbereich von A, und der Bildbereich A(X) (oder R(A))

ist ein linearer Teilraum von Y . Wenn der Definitionsbereich D(A) nur ein (linearer)

Teilraum von X ist, schreiben wir auch A : D(A) ⊂ X → Y .

Satz 2.7 Fur lineare Abbildungen A : X → Y sind die folgenden Bedingungen aquivalent:

(a) A ist stetig bei u0 ∈ X.

(b) A ist gleichmaßig stetig in X.

(c) ∃C > 0 ∀u ∈ X : ‖Au‖ ≤ C‖u‖.

(d) sup‖u‖≤1 ‖Au‖ <∞ (Norm von A : ‖A‖ := sup‖u‖≤1 ‖Au‖)

(e) A ist eine beschrankte Abbildung.

Beweis: (a) ⇒ (d). Sei ε > 0 (und fest) und δ > 0 die Zahl aus der Stetigkeitsbedingung

bei u0. Fur alle v in ‖u0− v‖ ≤ δ gilt dann ‖Au0−Av‖ = ‖A(u0− v)‖ ≤ ε. Zu beliebigem

u mit ‖u‖ ≤ 1 definieren wir z = u0 + δu. Dann gilt ‖u0 − z‖ ≤ δ und

‖Au‖ =1

δ‖A(δu)‖ =

1

δ‖A(u0 − z)‖ ≤

ε

δ.

Daraus folgt schließlich

sup‖u‖≤1

‖Au‖ ≤ ε

δ<∞ .

(d) ⇒ (c). Diese Implikation folgt aus den Ungleichungen

1

‖u‖‖Au‖ = ‖A(

u

‖u‖

)‖ ≤ sup

‖v‖≤1‖Av‖ = C <∞ , u ∈ X .

(c) ⇒ (b). Zu beliebigen ε > 0 wahle man δ = ε/C. Dann folgt aus ‖u − v‖ ≤ δ, dass

‖A(u− v)‖ ≤ C‖u− v‖ ≤ ε.(b) ⇒ (a) ist trivial.

(c) ⇒ (e) Sei B ⊂ X eine beschrankte Menge in X. Wegen (c) gilt fur die Elemente aus

A(B)

‖w‖Y = ‖Au‖X ≤ C‖u‖X , w = Au ∈ A(B) .

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2.4. LINEARE OPERATOREN 21

Also ist auch A(B) beschrankt.

(e) ⇒ (d). Sei B =u∣∣∣ ‖u‖X ≤ 1

die Einheitskugel in X. Dann ist ‖Au‖Y ≤ C wegen

(e) und

sup‖u‖≤1

‖Au‖ ≤ C <∞ ;

also gilt (d).

Man kann die zunachst erstaunliche Implikation (a) ⇒ (b) auch sehr einfach, direkt ein-

sehen.

Beweis von (a) ⇒ (b): Zu beliebigen ε > 0 und u0 ∈ X sei δ die Zahl aus der Stetigkeits-

bedingung. Zu beliebigen u, v ∈ X mit ‖u− v‖ ≤ δ setzen wir z = u0 + (u− v). Dann ist

u0 − z = v − u, und es gilt

‖A(u− v)‖ = ‖A(u0 − z)‖ ≤ ε .

Die Norm einer beschrankten linearen Abbildung kann man auch schreiben als

‖A‖ = sup06=u∈X

‖Au‖Y‖u‖X

.

Beispiel 2.8 Lineare Integraloperatoren

X = Y = C[a, b] , ‖.‖ = ‖.‖∞ = Max.-Norm, K : C[a, b]→ C[a, b]

(Ku)(x) =

∫ b

ak(x, y)u(y) dy

wobei k(., .) als Kern bezeichnet wird. Beispiele fur k sind

(a)

k(x, y) = exp(x− y) ,

(b)

k(x, y) =

x(1− y) , 0 ≤ x ≤ y ≤ 1 ,

y(1− x) , 0 ≤ y ≤ x ≤ 1 ,

(c)

k(x, y) = |x− y|−α mit 0 < α < 1 .

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22 KAPITEL 2. MATHEMATISCHE HILFSMITTEL: GRUNDBEGRIFFE

Einen Kern der Form (c) nennt man auch”schwach singular“ . Die Stetigkeit von Ku

ergibt sich z. B. aus der Stetigkeit des Kerns bzgl. des ersten Arguments.

Satz 2.9 Der in Beispiel 2.8 definierte Integraloperator K ist ein stetiger linearer Opera-

tor, falls

supa≤x≤b

∫ b

a|k(x, y)| dy <∞ (2.1)

oder falls

|k(x, y)| ≤M fur alle x, y ∈ [a, b] . (2.2)

Beweis: Die Beschranktheit (und damit die Stetigkeit) von K folgt aus den Abschatzungen

|(Ku)(x)| ≤ maxa≤y≤b

|u(y)|∫ b

a|k(x, y)| dy

⇒ ‖Ku‖∞ ≤ ‖u‖∞ maxa≤x≤b

∫ b

a|k(x, y)|dy .

Bedingung (2.1) folgt aus (2.2), denn dann ist

maxa≤x≤b

∫ b

a|k(x, y)|dy ≤M(b− a) .

Die Beispiele (a) und (b) in Beispiel 2.8 erfullen (2.2). Wir zeigen, dass Beispiel 2.8(c)

(2.1) aber nicht (2.2) erfullt.

Beweis von’nicht (2.2) fur (c)‘: Zu festem y ∈ [0, 1] strebt limx→y |x − y|−α → ∞ fur

α > 0 .

Beweis von (2.1) fur (c):

∫ b

a|k(x, y)|dy =

∫ x

a|x− y|−αdy +

∫ b

x|x− y|−αdy

=−1

1− α(x− y)1−α∣∣∣∣x

a

+1

1− α (y − x)1−α∣∣∣∣b

x

=1

1− α(x− a)1−α + (b− x)1−α

⇒ maxx∈[0,1]

∫ b

a|x−y|−αdy ≤ 2

1− α(b−a)1−α(> 0 falls α < 1)

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2.4. LINEARE OPERATOREN 23

Def. 2.10

L(X,Y ) :=A : X −→ Y

∣∣∣ A ist stetig und linear.

Mit der obigen (naturlichen) Operatornorm wird L(X,Y ) ein normierter Raum.

Satz 2.11 L(X,Y ) ist ein Banachraum, falls Y vollstandig ist. Ist T ∈ L(X,Y ) und

S ∈ L(Y,Z), so ist ST ∈ L(X,Z) mit

‖ST‖ ≤ ‖S‖ ‖T‖ .

Beweis: Alt [3], Satz 3.3.

Def. 2.12 (a) L(X) := L(X,X). Die Identitat auf X bezeichnen wir mit I.

(b) X∗ := L(X,R) ist der Dualraum von X. Die Elemente von X ∗ nennen wir auch

lineare Funktionale.

(c) Kompakte Operatoren K von X nach Y sind dadurch definiert, dass K(B) relativ

kompakt ist fur alle beschrankten Mengen B ⊂ X. Kompakte, stetige Operatoren

heißen vollstetig. Lineare, kompakte Operatoren sind notwendigerweise beschrankt,

also vollstetig.

(d) Eine lineare Abbildung P : X → X heißt (lineare) Projektion (oder Projektor), falls

P 2 = P . Die Menge der stetigen (linearen) Projektionen bezeichnen wir mit

P (X) := P ∈ L(X) | P 2 = P .

(e) Fur A ∈ L(X,Y ) ist

N(A) := x ∈ X | Ax = 0

der Nullraum von A. Wir schreiben auch Ker (A) = N(A). N(A) ist abgeschlossen.

Der Bildraum von A, R(A) := Ax ∈ Y ; x ∈ X , ist im allgemeinen nicht

abgeschlossen.

(f) T ∈ L(X,Y ) heißt (lineare stetige) Einbettung von X nach Y , falls T injektiv, d. h.

N(T ) = 0. Ist T zusatzlich surjektiv, d. h. R(T ) = Y , und T−1 ∈ L(Y,X), so

heißt T (linearer stetiger) Isomorphismus. T heißt Isometrie, falls ‖Tx‖Y = ‖x‖Xfur alle x ∈ X.

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24 KAPITEL 2. MATHEMATISCHE HILFSMITTEL: GRUNDBEGRIFFE

2.5 Zur Existenz von Inversen

Die Gutgestelltheit eines Problems

Ax = y (2.3)

A : X −→ Y , nicht notwendig linear, X,Y normierte Raume, lasst sich auch wie folgt

formulieren:

A−1 : Y −→ X existiert und ist stetig (2.4)

Falls (2.4) nicht erfullt ist, liegt ein schlechtgestelltes Problem vor.

Beispiel 2.13 (klassisches Beispiel nach Hadamard)

-

6

u = 0, ∂u∂y = w

∆u = 0

y

u sei Losung von

∆u = 0 in R × (0,∞)

u(x, 0) = 0,∂u

∂y(x, 0) = w(x), x ∈ R (2.5)

Als”Daten“ wahle man

w(x) := wn(x) := n−1 sin(nx), x ∈ R, n ∈ N,

w(x) := w0(x) := 0, x ∈ R .

Als eindeutige Losung erhalt man

un(x, y) = n−2 sin(nx) sinh(ny), (x, y) ∈ R× (0,∞), n ∈ N

bzw.

u0(x, y) = 0, (x, y) ∈ R× (0,∞).

Man sieht, dass

i) (wn)n ∈ N konvergiert gleichmaßig gegen w0;

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2.5. ZUR EXISTENZ VON INVERSEN 25

ii) limn|un(x, y)− u0(x, y)| =∞ ∀(x, y) ∈ R× (0,∞), x 6= 0;

iii) (un)n∈N konvergiert nicht gegen u0 (bzgl. irgendeiner vernunftigen Topologie).

Damit ist das Problem (2.5) schlecht gestellt.

Bei der Schlechtgestelltheit unterscheidet man noch zwischen

– Nichtlosbarkeit, d.h. y liegt nicht im Bildbereich von A;

– Nichteindeutigkeit, d.h. A ist nicht injektiv, damit existiert A−1 nicht und die Glei-

chung (2.1) kann viele Losungen haben;

– Instabilitat, d.h. A−1 existiert, ist aber nicht stetig.

In gewissen Fallen kann man die Stabilitat erzwingen, indem man gewisse a-priori Infor-

mationen benutzt. Der folgende Satz von Tikhonov beschreibt eine solche Information.

Satz 2.14 Seien U bzw. W Teilmengen von normierten Raumen X bzw. Y und A : U −→W eine stetige Abbildung. Wenn A bijektiv und U kompakt ist, dann ist A−1 : W −→ U

stetig.

Beweis: Seien w ∈ W und (wn)n∈N eine Folge in W mit wn −→ w(n ∈ N). Setzt man

un := A−1wn, n ∈ N, und u = A−1w, dann ist un −→ u(n ∈ N) zu zeigen. Wegen der

Kompaktheit von U gibt es eine konvergente Teilfolge (un)n∈N′ ,N′ ⊂ N, d.h. un −→ z(n ∈N′) mit z ∈ U . Da A selbst stetig und als injektiv vorausgesetzt ist, muss Aun −→ Az =

w(n ∈ N′) und z = A−1w = u gelten. Damit konvergiert die gesamte Folge (un)n∈N gegen

u.

Literatur

Alt, H. W.: Lineare Funktionalanalysis.

Springer Hochschultext. Springer, Berlin, 1985.

Dieudonne, J.: Grundzuge der modernen Analysis. Band 1.

Vieweg, Braunschweig, 1971.

Kantorowitsch, L. W., Akilow, G. P.: Funktionalanalysis in normierten Raumen.

Akademie Verlag, Berlin, 1964.

Reinhardt, H.-J., Seiffarth, F.: Arbeitsmaterialien zur Analysis I + II. (328 S.)

FB Mathem., Univ.–GH–Siegen, 1994.

Stummel, F., Hainer, K.: Praktische Mathematik.

Teubner, Stuttgart, 1982.

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26 KAPITEL 2. MATHEMATISCHE HILFSMITTEL: GRUNDBEGRIFFE

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Kapitel 3

Operatoren in vollstandigen

Raumen

In diesem Abschnitt bringen wir das Prinzip der gleichmaßigen Beschranktheit, die Satze

von der offenen Abbildung und vom abgeschlossenen Graphen. Die genannten Resultate

gelten als Fundament der linearen Funktionalanalysis und haben zahlreiche Anwendungen.

Einige der Anwendungen werden diskutiert; etwas ausfuhrlicher werden schlecht gestellte

Probleme untersucht. Schlechtgestelltheit liegt fur Operatorgleichungen 1. Art mit kom-

paktem Operator vor, was sich als Folgerung eines Satzes von Banach (oder Satzes von

der stetigen Inversen, s. Satz 3.8) ergibt.

3.1 Das Prinzip der gleichmaßigen Beschranktheit

Als Hilfsmittel in diesem und Abschnitt 3.2 benotigen wir die folgende Eigenschaft

vollstandiger Raume.

Satz 3.1 (Satz von Baire) Sei (X, d) ein vollstandiger metrischer Raum und sei

(An)n∈N eine Folge abgeschlossener Teilmengen von X mit X = ∪n∈NAn. Dann gilt:

∃N ∈ N ∃x ∈ X ∃δ > 0 : Kδ(x) ⊂ AN . (3.1)

Ohne Beweis.

Bem. Man sagt, ein topologischer Raum (X, τ) ist von zweiter Kategorie, wenn er nicht

abzahlbare Vereinigung von nirgends dichten Mengen ist; dabei heißt A ⊂ X nirgends

dicht, wenn gilt:

int(cl(A)) = ∅ .

27

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28 KAPITEL 3. OPERATOREN IN VOLLSTANDIGEN RAUMEN

Die Aussage des Satzes kann man also so interpretieren: Ein vollstandiger Raum ist von

zweiter Kategorie.

Satz 3.2 (Prinzip der gleichmaßigen Beschranktheit) Sei (X, ‖ · ‖X) ein Banach-

raum, sei (Y, ‖ · ‖Y ) ein normierter Raum, und sei Ti | i ∈ I eine Familie in L(X,Y ).

Es gelte:

∀x ∈ X ∃cx ≥ 0 ∀i ∈ I : ‖Tix‖Y ≤ cx .

Dann gibt es c ≥ 0 mit

‖Ti‖ ≤ c ∀i ∈ I .

Beweis: Wir beweisen zunachst

∃x0 ∈ X ∃ρ0 > 0 ∃κ0 > 0 ∀x ∈ Kρ0(x0)∀i ∈ I : ‖Tix‖Y ≤ κ0 . (∗)

Sei dazu fur k ∈ N:

Mk :=x ∈ X

∣∣∣ ‖Tix‖ ≤ k ∀i ∈ I

=⋂

i∈I

x ∈ X

∣∣∣ ‖Tix‖ ≤ k

Jedes Mk ist abgeschlossen, da jedes Ti stetig ist. Nach Voraussetzung liegt jedes x ∈ Xin einem Mk, also

X =⋃

k∈N

Mk .

Nach dem Satz von Baire (Satz 3.1) gilt:

∃k0 ∈ N ∃x0 ∈ X ∃ρ0 > 0 : Kρ0(x0) ⊂Mk0 .

(∗) gilt also mit κ0 := k0.

Wegen (∗) gilt fur alle x ∈ Kρ0(0) , i ∈ I:

‖Tix‖Y = ‖Ti(x+ x0)− Tix0‖Y ≤ ‖Ti(x+ x0)‖Y + ‖Tix0‖Y ≤ κ0 + cx0.

Hieraus folgt fur alle x ∈ K1(0) , i ∈ I:

‖Tix‖Y ≤ ρ−10 (κ0 + cx0

) =: c .

D. h. ‖Ti‖ ≤ c ∀i ∈ I.

Def. 3.3 Seien X,Y normierte Raume und seien Tn , n ∈ N, und T aus L(X,Y ).

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3.1. DAS PRINZIP DER GLEICHMASSIGEN BESCHRANKTHEIT 29

(a) Tn −→ T :⇔ limn‖Tn − T‖ = 0 (in L(X,Y )!)

(b) Tns−→ T

((Tn)n∈N konvergiert stark gegen T

)

:⇔ Tnx −→ Tx ∀x ∈ X (in Y )

Satz 3.4 Seien X,Y,Z normierte Raume.

(a) Seien Tn ∈ L(X,Y ) , n ∈ N, und T ∈ L(X,Y ). Aus 1

Tns−→ T folgt ‖T‖ ≤ limn‖Tn‖ .

(b) Seien Tn, T ∈ L(X,Y ) , n ∈ N, und seien Sn , S ∈ L(Y,Z) , n ∈ N; ferner sei Y ein

Banachraum2. Dann folgt aus Tns−→ T , Sn

s−→ S, dass

SnTns−→ ST (n→∞) .

(c) Seien X,Y Banachraume und seien Tn ∈ L(X,Y ) , n ∈ N. Dann sind aquivalent:

i) ∃T ∈ L(X,Y ) : Tns−→ T

ii) ∃c ≥ 0 ∃M ⊂ X : cl (M) = X und

‖Tn‖ ≤ c , (Tnx)n∈N ist Cauchyfolge ∀x ∈M .

Beweis:

(a) Sei (Tnk)k∈N eine Teilfolge mit

limn‖Tn‖ = limk‖Tnk

‖ .

Fur x ∈ X gilt dann

‖Tx‖ = limk‖Tnk

x‖ , ‖Tnkx‖ ≤ ‖Tnk

‖ ‖x‖ ∀k ∈ N , (3.2)

‖Tx‖ ≤ limk‖Tnk

‖ ‖x‖ = (limn‖Tn‖) ‖x‖ . (3.3)

(b) Fur jedes y ∈ Y ist (Sny)n∈N konvergent, also beschrankt. Nach Satz 3.2 gibt es

c ≥ 0 mit

‖Sn‖ ≤ c ∀n ∈ N .

1limnan = infa∈H , limnan = supa∈H

H : = a|∀ε > 0∀N∃n ≥ N : an ∈ (a − ε, a + ε)”Haufungswerte“

= a|∃ konv. Teilfolge (aµk)k∈N mit a = limk aµk

2Statt S T schreiben wir bei linearen Abbildungen kurz ST

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30 KAPITEL 3. OPERATOREN IN VOLLSTANDIGEN RAUMEN

Fur x ∈ X gilt dann

‖SnTnx− STx‖ ≤ ‖Sn(Tn − T )x‖+ ‖(Sn − S)Tx‖ (3.4)

≤ c‖Tnx− Tx‖+ ‖Sn(Tx)− S(Tx)‖ . (3.5)

Daraus liest man die Behauptung ab.

(c) i) ⇒ ii) Wir konnen M := X setzen und haben nur die Beschranktheit der Folge

(Tn)n∈N in L(X,Y ) zu zeigen. Diese folgt wie fur (Sn)n∈N unter (b).

ii) ⇒ i) Sei x ∈ X. Sei ε > 0. Nun gilt:

∃y ∈M mit ‖x− y‖ < ε

3· 1

c+ 1,

∃N ∈ N ∀n,m ≥ N : ‖Tny − Tmy‖ <ε

3.

Damit folgt fur n,m ≥ N :

‖Tnx− Tmx‖ ≤ ‖Tn(x− y)‖+ ‖(Tn − Tm)y‖+ ‖Tm(y − x)‖ (3.6)

≤ c‖x− y‖+ ‖Tny − Tmy‖+ c‖x− y‖ (3.7)

< ε . (3.8)

Also ist (Tnx)n∈N eine Cauchyfolge in Y und somit konvergent. Es ist daher sinnvoll

zu definieren:

T : X → Y , Tx := limnTnx , x ∈ X .

Offenbar ist T linear, ja sogar stetig, da

‖Tx‖ = limn‖Tnx‖ ≤ c‖x‖ ∀x ∈ X .

Nach Konstruktion gilt: Tns−→ T .

Bemerkung:

Die Aussage (c) von Satz 3.4 bezeichnet man auch als Satz von BANACH–STEINHAUS.

Eine Teilmenge M mit cl(M) = X heißt dicht in X.

Beispiel 3.5 Als Anwendung fur den Satz 3.4 skizzieren wir einen Konvergenzsatz fur

Quadraturformeln. Wir setzen X := C[a, b], versehen mit der Supremumsnorm, und be-

trachten eine Folge (Qn)n∈N von Quadraturformeln:

Qnx :=

N∑

m=1

gnmx(tnm) , x ∈ X , n ∈ N ;

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3.2. DER SATZ VON DER OFFENEN ABBILDUNG 31

dabei sind a ≤ tn1 < · · · < tnN ≤ b Stutzstellen und gn1, . . . , gnN Gewichte, wobei N = Nn.

Jedes Qnx stellt eine Approximation fur∫ ba x(s) ds dar. Offenbar gilt Qn ∈ L(X,R) ∀n ∈

N. Uns interessiert die Frage nach der Konvergenz der naherungsweisen Integration mittels

(Qn)n∈N, also: Gilt Qns−→ Q fur Qx :=

∫ ba x(s) ds , x ∈ X?

Nach dem Satz von Weierstraß gilt, dass die Menge P der Polynome auf [a, b] in X dicht

ist, d. h.

cl(P) = X .

Fur Qns−→ Q ist nach Satz 3.4(c) hinreichend, dass gilt:

‖Qn‖ ≤ c ∀n ∈ N , Qnp→ Qp ∀p ∈ P .

Da ‖Qn‖ =∑N

m=1 |gnm| ∀n ∈ N, benotigen wir also eine Schranke fur die `1–Norm der

Gewichte. Offenbar erhalten wir diese, wenn gilt:

Qnx = Qx fur alle konstanten Funktionen,

gnm ≥ 0 m = 1, . . . , N , N ∈ N .

Damit lasst sich die Konvergenz aller GAUßschen Quadraturformeln absichern. Erfasst

wird etwa auch die summierte SIMPSONsche Regel:

Q2nx :=h

3

(x(a) + 4x(t1) + 2x(t2) + · · ·+ 4x(t2n−1) + x(b)

)

x(ti+1)− x(ti) = h , 0 ≤ i ≤ 2n− 1 , h :=b− a2n

, t0 := a .

3.2 Der Satz von der offenen Abbildung

Vorbereitend sei bemerkt, daß man die Stetigkeit einer Abbildung auch dadurch charak-

terisieren kann, daß das Urbild jeder offenen Menge offen ist. Eng zusammenhangend mit

der Stetigkeit einer Abbildung ist die Eigenschaft, offen zu sein, was im Satz von Banach

(vgl. den folgenden Satz 3.8) zum Ausdruck kommt.

Def. 3.6 Eine Abbildung A : D(A) ⊂ X → Y zwischen normierten Raumen X,Y heißt

offen, wenn fur jede offene Menge U ⊂ X auch A(U) offen in Y ist.

Satz 3.7 (Satz von der offenen Abbildung) Seien X,Y Banachraume und T ∈L(X,Y ) surjektiv. Dann ist T offen.

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32 KAPITEL 3. OPERATOREN IN VOLLSTANDIGEN RAUMEN

Beweis: a) Wir zeigen zuerst, dass fur jedes ρ > 0 ein τ > 0 existiert mit T (Kρ(0)) ⊃Kτ (0). Zur Abkurzung setzen wir im Beweis Xρ = Kρ(0) (⊂ X) , Yρ = Kρ(0) (⊂ Y )

fur offene Kugeln in X bzw. Y . Mit δ = ρ/2 ist offenbar X =⋃nXnδ und wegen der

Surjektivitat von T folgt

Y = T (X) =⋃

n∈N

T (Xnδ) =⋃

n∈N

T (Xnδ) ⊂ Y .

Nach dem Satz von Baire (s. Satz 3.1) enthalt mindestens eine der Mengen T (Xnδ) eine

offene Kugel K0; also enthalt auch T (Xδ) eine offene Kugel K – mit 1n–tel des Radius von

K0 (da T linear ist). Wegen δ = ρ/2 ist

Xδ −Xδ := x− x′|x, x′ ∈ Xδ ⊂ Xρ

und

T (Xδ)− T (Xδ) ⊂ T (Xρ) und somit

T (Xρ) ⊃ T (Xδ)− T (Xδ) ⊃ T (Xδ)− T (Xδ) ⊃ K −K =⋃

x∈K(x−K) .

Da K offen ist, ist die zuletzt stehende Menge als Vereinigung offener Mengen ebenfalls

offen und enthalt 0. Also existiert eine offene Kugel um 0, die in dieser Menge, und somit

in T (Xρ) enthalten ist.

b) Wir zeigen, daß fur jedes ρ > 0 die Menge T (Xρ) eine offene Kugel um Null enthalt.

Dazu sei r0 = ρ/2, und rn > 0 seien so gewahlt, daß∑∞

n=1 rn < r0. Nach Teil a) existieren

dann fur alle n ∈ N ∪ 0 positive τn mit

Yτn ⊂ T (Xrn) .

Wegen rn → 0 kann man τn → 0 (n → ∞) annehmen. Zeigt man nun, daß Yτ0 ⊂ T (Xρ),

dann ist die Behauptung von b) bewiesen. Fur y ∈ Yτ0 ist auch y ∈ T (Xr0), und somit

existiert ein x0 ∈ Xr0 mit

‖y − Tx0‖ < τ1 , d. h. y − Tx0 ∈ Yτ1 .

Dann ist aber auch y − Tx0 ∈ T (Xr1), und somit existiert ein x1 ∈ Xr1 mit

‖y − Tx0 − Tx1‖ < τ2 , d. h. y − Tx0 − Tx1 ∈ Yτ2 .

Dieser fortgesetzte Prozeß liefert eine Folge xn , n ∈ N, aus X mit

xn ∈ Xrn und ‖y − T (x0 + · · ·+ xn)‖ < τn+1 .

Die Reihe∑∞

0 xn konvergiert, da ‖xn‖ < rn und da∑rn konvergiert. Damit folgt fur

x =∑∞

0 xn, dass

‖x‖ ≤∞∑

0

‖xn‖ ≤ r0 +

∞∑

1

rn < 2r0 = ρ .

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3.3. DER SATZ VOM ABGESCHLOSSENEN GRAPHEN 33

Damit ist x ∈ Xρ und

‖y − Tx‖ = limn→∞

‖y − T (x0 + · · ·+ xn)‖ ≤ limn→∞

τn = 0 ,

d. h. es gilt y = Tx und y ∈ T (Xρ) .

c) Wir zeigen abschließend, daß T offen ist. Sei M ⊂ X offen, x ∈ M , y = Tx. Dann

existiert eine offene Kugel K um 0 in X mit x+K ⊂M . Nach b) gibt es eine offene Kugel

V um 0 in Y mit V ⊂ T (K). Daraus folgt (wegen T linear)

y + V = Tx+ V ⊂ Tx+ T (K) = T (x+K) ⊂ T (M) .

Also gibt es um jedes y ∈ T (M) eine offene Kugel, die ganz in T (M) liegt; T (M) ist somit

offen.

Eine unmittelbare Anwendung des Satzes von der offenen Abbildung liefert der folgende

Satz von Banach – oder Satz von der stetigen Inversen .

Satz 3.8 (Satz von Banach) Seien X,Y Banachraume und T ∈ L(X,Y ) bijektiv.

Dann ist T−1 stetig.

Beweis: Nach Satz 3.7 ist T = (T−1)−1 offen, d. h. fur jedes offene M ⊂ X ist (T−1)−1(M)

offen, also ist das Urbild von M unter T−1 offen. Dies ist gerade die oben erwahnte

Charakterisierung der Stetigkeit von T−1 .

3.3 Der Satz vom abgeschlossenen Graphen

Fur zwei normierte Raume X,Y laßt sich der Produktraum X × Y durch

‖(x, y)‖ = ‖x‖+ ‖y‖ (3.9)

ebenfalls zu einem normierten Raum machen; X × Y ist genau dann vollstandig, wenn X

und Y vollstandig sind.

Fur einen linearen Operatoren T : X → Y mit Definitionsbereich D(T ) ⊂ X wird der

Graph durch

G(T ) := (x, Tx) ∈ X × Y , x ∈ D(T )

definiert; offensichtlich ist G(T ) ein Teilraum von X × Y . Die zugehorige Graphennorm

ergibt sich durch ‖x‖T = ‖(x, Tx)‖ , x ∈ D(T ), und jeder nicht notwendig beschrankte

Operator ist trivialerweise bzgl. der Graphennorm beschrankt.

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34 KAPITEL 3. OPERATOREN IN VOLLSTANDIGEN RAUMEN

Def. 3.9 Eine lineare Abbildung T : D(T ) ⊂ X → Y heißt abgeschlossen, wenn G(T ) als

Teilraum von X × Y abgeschlossen ist, d. h.

∀xn ∈ D(T ) , n ∈ N , mit xn → x , Txn → y (n→∞) folgt:

x ∈ D(T ) und Tx = y .

Folgerung 3.10 Fur eine injektive Abbildung ist offenbar T genau dann abgeschlossen,

wenn T−1 : T (X)→ X abgeschlossen ist.

Beweis: Sei T abgeschlossen und yn ∈ R(T ) mit Txn = yn −→ y,

xn︷ ︸︸ ︷T−1yn −→ x(n −→∞)

=⇒ (T abgeschlossen) x ∈ D(T ) = R(T−1) und Tx = y ∈ R(T ) = D(T−1)

und umgekehrt.

Satz 3.11 Seien X und Y Banachraume, dann ist die Abgeschlossenheit von T : X → Y

aquivalent dazu, dass (D(T ), ‖.‖T ) bzgl. der Graphennorm ‖.‖T vollstandig ist.

Beweis: Die Vollstandigkeit von (D(T ), ‖.‖T ) bedeutet die Vollstandigkeit des Graphen

G(T ) bzgl. der in (3.9) definierten Norm. Man uberlegt sich leicht, daß die Vollstandig-

keit des Raumes (G(T ), ‖(·, ·)‖) aquivalent zu dessen Abgeschlossenheit als Teilraum des

vollstandigen Raumes X × Y ist.

Offensichtlich ist jede beschrankte – und damit jede stetige – lineare Abbildung (definiert

auf einem linearen Raum) auch eine abgeschlossene Abbildung (vgl. auch Satz 3.13, unten).

Fur lineare Abbildungen zwischen Banachraumen sichert der Satz vom abgeschlossenen

Graphen die Umkehrung dieser Aussage.

Satz 3.12 (Satz vom abgeschlossenen Graphen) Seien X und Y Banachraume, T

ein linearer Operator mit D(T ) = X. Ist T abgeschlossen, so ist T beschrankt.

Beweis: Fur den abgeschlossenen Graphen G(T ) wird durch

P (x, Tx) = x

eine stetige, lineare Abbildung P : G(T ) → X definiert, die daruber hinaus bijektiv ist.

Die Linearitat ist offensichtlich, die Beschranktheit folgt aus

‖P (x, Tx)‖ = ‖x‖ ≤ ‖x‖+ ‖Tx‖ = ‖(x, Tx)‖ , x ∈ X ;

die Injektivitat ist durch die folgenden Implikationen gesichert,

P (x, Tx) = 0⇒ x = 0⇒ (x, Tx) = (0, 0) ;

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3.3. DER SATZ VOM ABGESCHLOSSENEN GRAPHEN 35

die Surjektivitat ist trivial. Nach dem Satz von Banach (Satz 3.8) ist P −1 stetig. Definiert

man noch Q als stetige Projektion auf die zweite Komponente,

Q(x, Tx) = Tx , x ∈ X ,

dann ist T = QP−1, also T stetig.

Die Aussage des letzten Satzes gilt auch, wenn anstelle von D(T ) = X nur vorausgesetzt

wird, daß D(T ) abgeschlossen ist; dann ist D(T ) ein vollstandiger linearer Raum.

Weitere Eigenschaften abgeschlossener Operatoren bringt der folgende Satz.

Satz 3.13 Seien X,Y normierte Raume und T : D(T ) ⊂ X → Y ein linearer Operator.

Dann gelten die Aussagen:

(a) Ist T beschrankt und D(T ) abgeschlossen, dann ist T abgeschlossen.

(b) Sei Y ein Banachraum, T beschrankt und abgeschlossen, dann ist D(T ) abgeschlossen.

Beweis: (a) Sei xn ∈ D(T ) , n ∈ N, mit xn → x , Txn → y (n→∞). Da D(T ) abgeschlos-

sen ist, gilt x ∈ D(T ). Wegen der Stetigkeit von T folgt Tx = limn→∞

Txn = y.

(b) Zu x ∈ D(T ) existiert eine Folge (xn) ∈ D(T ) mit xn → x (n → ∞). Wegen der

Beschranktheit von T ist (Txn) eine Cauchyfolge und somit konvergent, Txn → y (n→∞)

(da Y vollstandig ist). Da T abgeschlossen ist, folgt x ∈ D(T ) .

Eine Kombination der obigen Satze liefert den folgenden Aquivalenzsatz. Wir benutzen

die Bezeichnung R(T ) fur den Bildbereich eines Operators T .

Satz 3.14 Sei T : D(T ) ⊂ X → Y ein beschrankter, injektiver linearer Operator zwischen

Banachraumen X und Y mit abgeschlossenem Definitionsbereich D(T ). Dann sind die

folgenden Aussagen aquivalent:

(a) R(T ) ist abgeschlossen.

(b) T−1 : R(T )→ X ist stetig.

Beweis:(a) ⇒ (b). Wegen der Abgeschlossenheit von D(T ) und R(T ) bilden D(T ) und

R(T ) vollstandige lineare Raume. Wegen der Injektivitat von T ist

T : D(T )→ R(T )

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36 KAPITEL 3. OPERATOREN IN VOLLSTANDIGEN RAUMEN

eine bijektive, stetige Abbildung. Nach dem Satz von Banach (s. Satz 3.8) muß deshalb

T−1 stetig sein.

(b) ⇒ (a). Aussage (a) von Satz 3.13 liefert zunachst die Abgeschlossenheit von T und

damit auch die Abgeschlossenheit von T−1 (s. Folgerung im Anschluss an Def.3.9). Aussage

(b) desselben Satzes angewendet auf T−1 : R(T ) → X sichert die Abgeschlossenheit von

R(T ) = D(T−1) . Es gilt namlich auch, dass die Inverse T−1 stetig ist, genau wenn das

Urbild M ⊂ R(T ) jeder abgeschlossenen Menge T−1(M) ⊂ D(T ) abgeschlossen ist.

Beispiel 3.15 Wir geben ein Beispiel eines abgeschlossenen, nicht stetigen Operators.

Sei X := C[0, 1], versehen mit der Maximumnorm ‖ · ‖∞. Sei D := C1[0, 1] und sei

A : X ⊃ D 3 x 7−→ x′(= dx

dt

)∈ X . Offenbar ist A linear.

A ist nicht stetig, da fur xn(t) := tn gilt:

‖xn‖∞ = 1 , ‖Axn‖∞ = n , n ∈ N .

A ist abgeschlossen, denn ist (xn)n∈N eine Folge in D mit xn → x ∈ X , Axn → y ∈ X, so

gilt:

xn → x gleichmaßig und x′n → y gleichmaßig.

Daraus folgt (vgl. Satz 14.9 in Reinhardt-Seiffarth [41]):

x ist differenzierbar, x′ = y , x ∈ D .

Betrachtet man die Umkehrabbildung T = A−1 : C[0, 1] −→ C1[0, 1] = R(T ),

(Tx)(t) = x(0) +

1∫

0

x(s) ds

so ist R(T ) (versehen mit ‖ · ‖∞) nicht abgeschlossen. 3 Nach Satz 3.14 ist A = T−1

nicht stetig. Anders ausgedruckt stellt man fest, dass Satz 3.12 (Satz vom abgeschlossenen

Graphen) auf A nicht anwendbar ist, dass A zwar abgeschlossen aber der Definitionsbereich

D(A) = C1[0, 1] nicht abgeschlossen bzgl. ‖ · ‖∞ ist.

3Vgl. D. Werner [49], 1.1, S. 6: Sei xn(t) = (t2 + 1

n)

1

2 ∈ C1[−1, 1], n ∈ N, x0(t) = |t|. Dann konvergiert

xn −→ x0(n −→ ∞) gleichmaßig, aber x0 /∈ C1[−1, 1]. Z.z.:(t2 + 1

n

) 1

2 −→ |t| (n −→ ∞) gleichmaßig

in (−1, 1)

(t2 +

1

n

) 1

2

=

(|t|2 + 1

n

) 1

2 , t 6= 0√1

n, , t = 0

Wegen (a + b)2 ≥ a2 + b2 ⇐⇒ (a + b) ≥√

a2 + b2 ist

(t2 + 1

n)

1

2 ≤ |t| + 1√n−→ |t| (n −→ ∞).

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3.3. DER SATZ VOM ABGESCHLOSSENEN GRAPHEN 37

Literatur

Alt, H. W.: Lineare Funktionalanalysis.

Springer Hochschultext. Springer, Berlin, 1985.

Ciarlet, P. C.: The finite element method for elliptic problems.

North-Holland, Amsterdam, 1978.

Kantorowitsch, L. W., Akilow, G. P.: Funktionalanalysis in normierten Raumen.

Akademie Verlag, Berlin, 1964.

Louis, A. K.: Inverse und schlecht gestellte Probleme. Teubner, Stuttgart, 1989.

Protter, M. H., Weinberger, H. F.: Maximum principles in differential equations.

Prentice Hall, Englewood Cliffs, 1967.

Werner, D.: Funktionalanalysis. Springer, Berlin, 2000.

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38 KAPITEL 3. OPERATOREN IN VOLLSTANDIGEN RAUMEN

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Kapitel 4

Kompakte Abbildungen

In diesem Kapitel wird der Satz von Arzela–Ascoli bewiesen, der fur zahlreiche Operatoren

als Hilfsmittel zum Nachweis von deren Kompaktheit dient. Anschließend beschaftigen wir

uns mit Gleichungen erster Art fur kompakte Abbildungen, die sich als schlecht gestellt

erweisen. Es werden verschiedene Beispiele diskutiert, ausfuhrlich das inverse Warmeleit-

problem.

4.1 Der Satz von Arzela und Ascoli

In Abschnitt 2.1 bzw. 2.4 wurden schon die Definitionen kompakter Mengen bzw. kom-

pakter Operatoren gegeben. Hier werden zunachst kompakte Teilmengen in metrischen

Raumen betrachtet und deren Eigenschaften sowie aquivalente Charakterisierungen ange-

geben. Ziel dieses Abschnitts ist es, den Satz von Arzela und Ascoli zur Charakterisierung

kompakter Mengen stetiger Funktionen zu beweisen. Dieser Satz hat weitreichende An-

wendung, die nicht nur stetige Funktionen betreffen.

Sei X ein metrischer Raum mit Metrik |., .|.

Def. 4.1 K ⊂ X ist kompakt, wenn jede unendliche Folge (xn) von Elementen xn ∈ Keinen Haufungspunkt in K besitzt.

Eigenschaften einer kompakten Menge K:

Eigenschaft 4.2 K ist abgeschlossen.

Eigenschaft 4.3 K ist vollstandig, d. h. jede Cauchy–Folge in K konvergiert gegen ein

Element aus K.

39

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40 KAPITEL 4. KOMPAKTE ABBILDUNGEN

Eigenschaft 4.4 K ist beschrankt, d. h. supx,y∈K |x, y| <∞.

Eigenschaft 4.5 Es existiert eine abzahlbare in K dichte Menge D = a1, . . . , an, . . ..

Eigenschaft 4.6 K ist prakompakt, d. h. ∀ε > 0∃ endliche Menge M ⊂ X mit

infy∈M |x, y| ≤ ε ∀x ∈ K. (M heißt ε–Netz fur K).

Eigenschaft 4.7 K erfullt die Borel–Lebesgue–Eigenschaft, d. h. fur jede Familie

Uλλ∈H (in K) offener Mengen Uλ, so dass K = ∪λ∈HUλ, existiert eine endliche Menge

L ⊂ H, so dass K = ∪λ′∈LUλ′ .

Es gelten die folgenden Charakterisierungen einer kompakten Menge:

Lemma 4.8 K ist kompakt.

⇐⇒ K ist vollstandig und prakompakt.

⇐⇒ K ist abgeschlossen und erfullt die Borel–Lebesgue–Eigenschaft.

(vgl. [12] Dieudonne, 3.16 & 3.17, [5] Aubin, 2.6)

Def. 4.9 K ⊂ X heißt relativ kompakt, wenn der Abschluß K kompakt ist.

Def. 4.10 Ein Raum X ist kompakt, wenn X als Teilmenge (von sich selbst) kompakt

ist.

Lemma 4.11 Fur die relative Kompaktheit jeder beschrankten Menge eines normierten

Raumes X ist notwendig und hinreichend, dass X endlichdimensional ist.

Beweis: Vgl. z. B. [25] Kantorowitsch–Akilow, Satz 2.(2.II).

Sei X ein metrischer Raum und Y ein normierter Raum. Mit B(X,Y ) wird der Raum

aller beschrankten Funktionen auf X mit Bildern in Y bezeichnet. Durch

‖F‖ = supx∈X‖F (x)‖ , F ∈ B(X,Y ) ,

wird darin eine Norm erklart.

Satz 4.12 B(X,Y ) ist vollstandig, wenn Y vollstandig ist.

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4.1. DER SATZ VON ARZELA UND ASCOLI 41

Beweis: (vgl.[12] Dieudonne, (7.1.3)).

Mit C(X,Y ) wird der Raum aller stetigen Funktionen F : X → Y bezeichnet undCb(X,Y )

= C(X,Y )∩B(X,Y ) ist der Raum aller beschrankten, stetigen Funktionen. Als Korollar

von Satz 4.12 erhalt man die Vollstandigkeit von Cb(X,Y ) .

Satz 4.13 Cb(X,Y ) ist eine abgeschlossene Teilmenge von B(X,Y ). Falls Y vollstandig

ist, ist auch Cb(X,Y ) vollstandig.

Beweis: Der gleichmaßige Limes stetiger Funktionen ist wieder stetig (vgl. [12] Dieudonne,

(7.2.1)). Also ist Cb(X,Y ) abgeschlossen. Ein abgeschlossener Teilraum eines vollstandigen

Raumes ist bekanntlich selbst vollstandig.

Der Begriff der gleichgradigen Stetigkeit laßt sich in naheliegender Weise auf Teilmengen

von Cb(X,Y ) verallgemeinern.

Def. 4.14 H ⊂ Cb(X,Y ) heißt gleichgradig stetig bei x ∈ X, wenn

∀ε > 0 ∃δ > 0 ∀F ∈ H ∀y : |x, y| ≤ δ ⇒ ‖F (x)− F (y)‖ ≤ ε .

Def. 4.15 H heißt gleichgradig stetig in M ⊂ X, wenn H gleichgradig stetig bei allen

x ∈M ist.

Def. 4.16 H heißt gleichgradig stetig, wenn H gleichgradig stetig in X ist.

Fur gleichgradig stetige Funktionen fn, n = 1, 2, . . ., auf einem kompakten metrischen

Raum X gilt auch in diesem allgemeinen Rahmen das Ergebnis, dass sie gleichmaßig

konvergieren, wenn sie nur punktweise konvergieren (vgl. [12] Dieudonne, (7.5.5)).

Wir beweisen nun einen Aquivalenzsatz fur die relative Kompaktheit einer Menge

H ⊂ Cb(X,Y ).

Satz 4.17 (Satz von Arzela und Ascoli) Sei X ein kompakter metrischer Raum und

Y ein vollstandiger normierter Raum. D. u. n. d. ist eine Teilmenge H von Cb(X,Y ) rela-

tiv kompakt, wenn H gleichgradig stetig ist und fur alle x ∈ X die Menge H(x) = F (x) :

F ∈ H relativ kompakt in Y ist.

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42 KAPITEL 4. KOMPAKTE ABBILDUNGEN

Beweis: (a) Falls H relativ kompakt ist, ist H insbesondere prakompakt (s. Eigenschaft

4.6), d. h. zu jedem ε > 0 gibt es endlich viele Funktionen Fj ∈ H , j = 1, . . . , J , so dass

zu jedem F ∈ H ein Index ν ∈ 1, . . . , J existiert mit ‖F − Fν‖ ≤ ε/3. Insbesondere ist

fur jedes x ∈ X ‖F (x) − Fν(x)‖ ≤ ε/3, so dass H(x) fur jedes x ∈ X prakompakt ist.

Da Y vollstandig ist, ist H(x), x ∈ X, kompakt, also H(x) relativ kompakt. Zu x ∈ Xund allen j = 1, . . . , J , gibt es ein (gemeinsames) δ > 0, so dass fur alle y : |x, y| ≤ δ gilt

‖Fj(x)− Fj(y)‖ ≤ ε/3. Damit ist

‖F (x)− F (y)‖ ≤ ‖F (x)−Fν(x)‖+ ‖Fν(x)− Fν(y)‖+ ‖Fν(y)− F (y)‖ ≤ ε ,

was die gleichgradige Stetigkeit von H beweist.

(b) Da Cb(X,Y ) vollstandig ist (vgl. Satz 4.13), braucht man nur die Prakompaktheit von

H zu beweisen (vgl. Lemma 4.8). Seien ε > 0 und x ∈ X beliebig und δ > 0 die Zahl aus

der Bedingung der gleichgradigen Stetigkeit von H bei x (zu ε/4). Zu beliebigem F ∈ Hist dann ‖F (y) − F (x)‖ ≤ ε/4 fur alle y : |x, y| ≤ δ. Wegen der Kompaktheit von X

gibt es endlich viele xi ∈ X , i = 1, . . . , I, und zugehorige offene Kugeln Kδi(xi), so dass

X = ∪Ii=1Kδi(xi). Da jedes H(xi) , i = 1, . . . , I, relativ kompakt ist, ist auch deren

Vereinigung K := ∪Ii=1H(xi) relativ kompakt in Y . Es gibt also endlich viele yj ∈ K ,

j = 1, . . . , J , so dass K ⊂ ∪Jj=1Kε/4(yj). Man hat also:

∀F ∈ H∀i ∈ 1, . . . , I∃j ∈ 1, . . . , J : ‖F (xi)− yj‖ ≤ ε/4 .

Bezeichnet man mit Φ die Menge der Abbildungen ϕ : 1, . . . , I → 1, . . . , J, dann ist

diese Menge endlich. Sei

Lϕ :=

F ∈ H : max

1≤i≤I‖F (xi)− yϕ(i)‖ ≤ ε/4

, ϕ ∈ Φ .

Wie wir gerade gezeigt haben, ist H = ∪ϕ∈ΦLϕ; moglicherweise ist die Menge Lϕ fur einige

ϕ ∈ Φ leer. Zur Prakompaktheit bleibt zu zeigen, dass supF,G∈Lϕ‖F − G‖ ≤ ε fur alle

ϕ ∈ Φ. Dann gibt es namlich zu jedem F ∈ H ein ϕ ∈ Φ, so dass F ∈ Lϕ und mit einem

beliebigen, aber festen Gϕ ∈ Lϕ gilt

|F (z)−Gϕ(z)| ≤ supF,G∈Lϕ

‖F −G‖ ≤ ε ;

Gϕ , ϕ ∈ Φ ist dann ein ε–Netz fur H. Zu beliebigen ϕ ∈ Φ , F,G ∈ Lϕ und

z ∈ X existiert ein i ∈ 1, . . . , I, so dass z ∈ Kδi(xi) und ‖F (z) − F (xi)‖ ≤ ε/4

sowie ‖G(z) −G(xi)‖ ≤ ε/4. Nach Definition von Lϕ ist

‖F (xi)−G(xi)‖ ≤ ‖F (xi)− yϕ(i)‖+ ‖yϕ(i) −G(xi)‖ ≤ ε/2 .

Zusammen folgt

‖F (z)−G(z)‖ ≤ ‖F (y)− F (xi)‖+ ‖F (xi)−G(xi)‖+ ‖G(xi)−G(y)‖≤ ε fur alle z ∈ X .

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4.2. BEISPIELE KOMPAKTER ABBILDUNGEN 43

Bekanntlich sind in Y = Rn beschrankte Mengen relativ kompakt. Man kann dann also im

Satz von Arzela–Ascoli die relative Kompaktheit von H(x) durch deren Beschranktheit

ersetzen. Außerdem weiß man, dass beschrankte, gleichgradig stetige Funktionen auf einer

kompakten Menge gleichmaßig beschrankt sind, falls H(x) fur jedes x ∈ X beschrankt ist.

Dies liefert das folgende Korollar zum Satz von Arzela–Ascoli (vgl. [25] Kantorowitsch–

Akilow, I.3).

Satz 4.18 Sei X ein kompakter metrischer Raum und Y = Rn , n > 0. D. u. n. d. ist H

relativ kompakt in Cb(X,Rn), wenn H gleichgradig stetig und gleichmaßig beschrankt ist.

Mit Hilfe des Satzes von Arzela–Ascoli beweist man das folgende Kompaktheitskriterium

fur Teilmengen von Lp(a, b) (vgl. [25] Kantorowitsch–Akilow, Satz 2 (1.IX)).

Satz 4.19 (Satz von M. Riesz) Fur die relative Kompaktheit einer Menge H ⊂Lp(a, b) sind die beiden folgenden Bedingungen notwendig und hinreichend:

(a) H ist beschrankt.

(b) Es konvergiert∫ ba |f(x+ τ)− f(x)|pdx −→ 0 (τ → 0) gleichmaßig fur alle f ∈ H.

4.2 Beispiele kompakter Abbildungen

Dieser Abschnitt bringt die Definition einer kompakten Abbildung. Als Beispiele werden

lineare Integraloperatoren sowohl im Raum der stetigen Funktionen als auch in Lp–Raum-

en betrachtet. Wesentliches Hilfsmittel zum Nachweis der Kompaktheit ist der Satz von

Arzela–Ascoli.

Seien X und Y normierte Raume und A : D(A) ⊂ X → Y ein nicht notwendig linea-

rer Operator. Fur lineare bzw. kompakte Operatoren verwenden wir auch T bzw. K als

Bezeichnung.

Def. 4.20 A heißt kompakt, wenn jede beschrankte Menge B ⊂ D(A) in eine relativ

kompakte Menge abgebildet wird.

Aquivalent dazu ist:

Zu jeder beschrankten Folge xn ∈ D(A) , n ∈ N, gibt es eine konvergente Teilfolge

(Axn)n∈N′ , N′ ⊂ N.

Def. 4.21 A heißt vollstetig, wenn A kompakt und stetig ist.

Satz 4.22 Ein linearer kompakter Operator T : X → Y ist vollstetig.

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44 KAPITEL 4. KOMPAKTE ABBILDUNGEN

Beweis: Sei B die Einheitskugel in X, dann ist T (B) relativ kompakt. Damit ist T (B)

insbesondere beschrankt.

=⇒ sup‖x‖≤1

‖Tx‖ ≤ C =⇒ T beschrankt =⇒ T stetig .

Satz 4.23 Fur die Kompaktheit eines linearen Operators T reicht es aus nachzuweisen,

dass das Bild der Einheitskugel relativ kompakt ist.

Beweis: Sei B ⊂ X eine beliebig beschrankte Menge, dann gibt es ein r > 0 mit B ⊂Kr(0). Ist T (K1(0)) relativ kompakt und xn ∈ B , n ∈ N, dann ist xn/r ∈ K1(0) und

T (xn/r)→ z ∈ Y (n→∞ , n ∈ N′)⇒ Txn → rz (n→∞ , n ∈ N′) .

Beispiel 4.24 Lineare Integraloperatoren K : C[a, b] → C[a, b] , [a, b] = beschranktes

abgeschlossenes Intervall in R,

(Ku)(x) =

∫ b

ak(x, y)u(y)dy

Satz 4.25 Ist der Kern k(., .) : [a, b] × [a, b] → R stetig, dann ist der Integraloperator

K : C[a, b]→ C[a, b] vollstetig.

Beweis: Zunachst ist jede stetige Funktion auf einer kompakten Menge beschrankt, so dass

eine Zahl γ0 existiert mit

|k(x, y)| ≤ γ0 , x, y ∈ [a, b] .

Außerdem ist k(., .) auch gleichmaßig stetig in [a, b]× [a, b]. Fur beliebiges u ∈ C[a, b] ist

|Ku(x)| ≤ γ0(b− a)‖u‖∞ , x ∈ [a, b] .

Deshalb ist K(B) fur jede beschrankte Menge B ⊂ C[a, b] beschrankt. Wegen der gleich-

maßigen Stetigkeit von k(., .) gibt es zu bel. ε > 0 ein δ > 0, so dass fur alle |x− x′| ≤ δ

folgt

|Ku(x)−Ku(x′)| =∣∣∣∣∫ b

a(k(x, y) − k(x′, y) )u(y)dy

∣∣∣∣ ≤ ε(b− a)‖u‖∞ .

Damit ist auch K(B) gleichgradig stetig und der Satz von Arzela–Ascoli liefert die relative

Kompaktheit von K(B). Satz 4.22 liefert schließlich die Vollstetigkeit von K.

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4.2. BEISPIELE KOMPAKTER ABBILDUNGEN 45

Unter den Voraussetzungen von Satz 4.25 kann man K auch als Abbildung von Lp(a, b)

in Lr(a, b) betrachten, wobei p, r beliebig in 1 < p, r <∞ liegen. Man hat namlich

|Ku|r ≤∫ b

a

[∫ b

a|k(x, y)|p′dy

]r/p′dx

1/r

|u|p , u ∈ Lp(a, b) , (4.1)

wobei p′ = p/(p− 1).

Beweis von (4.1): Nach der Holderschen Ungleichung ist

| (Ku)(x) | ≤[∫ b

a|k(x, y)|p′dy

]1/p′ [∫ b

a|u(y)|pdy

]1/p

und

∫ b

a| (Ku)(x)|rdx ≤ |u|rp

∫ b

a

[∫ b

a|k(x, y)|p′dy

]r/p′dx .

Mit Hilfe von Satz 4.19 laßt sich zeigen, dass K auch ein vollstetiger Operator von Lp in

Lr ist.

Satz 4.26 Unter den Voraussetzungen von Satz 4.25 ist K : Lp(a, b) → Lr(a, b) ein

vollstetiger Operator, wobei 1 < p, r <∞.

Beweis: Sei B die Einheitskugel in Lp(a, b). Nach (4.1) ist K(B) beschrankt in Lr(a, b).

Wir weisen nun Bedingung (b) von Satz 4.19 fur H = K(B) , p = r , f = Ku , u ∈ Bnach. Es ist

∫ b

a| (Ku)(x+ τ)− (Ku)(x)|rdx

=

∫ b

a

∣∣∣∣∫ b

a(k(x+ τ, y)− k(x, y)) u(y)dy

∣∣∣∣r

dx ,

≤∫ b

a

[(∫ b

a|k(x+ τ, y)− k(x, y)|p′dy

)r/p′|u|rp

]dx ,

≤ |u|rp︸︷︷︸≤1

∫ b

a

(∫ b

a|k(x+ τ, y)− k(x, y)|p′dy

)r/p′dx , u ∈ B .

Wegen der Stetigkeit von k konvergiert

∫ b

a| (Ku)(x+ τ)− (Ku)(x)|rdx −→ 0 (τ → 0)

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46 KAPITEL 4. KOMPAKTE ABBILDUNGEN

gleichmaßig fur alle u ∈ B .

Beispiel 4.27 Quadraturformelapproximationen linearer Integraloperatoren

Sei Gn eine endliche Stutzstellenmenge in [a, b] , αn(y) , y ∈ Gn, positive Gewichte,

kn : Gn ×Gn → R und Kn : C[a, b]→ C(Gn),

(Knu)(x) =∑

y∈Gn

αn(y)kn(x, y)u(y) , x ∈ Gn , u ∈ C[a, b] .

Kn ist vollstetig.

Die Vollstetigkeit der durch Quadraturformelapproximationen definierten Kn im letzten

Beispiel ergibt sich aus dem folgenden allgemeinen Resultat. Es sei daran erinnert, dass

Lemma 4.11 eine Aquivalenz zwischen der Kompaktheit beschrankter Mengen und endli-

cher Dimension liefert.

Satz 4.28 Ist T : X → Y ein stetiger, linearer Operator mit endlichdimensionalem Bild-

bereich T (X). Dann ist T vollstetig.

Beweis: Ist B die Einheitskugel in X, dann ist T (B) eine beschrankte Menge in Y . Be-

schrankte Mengen in endlichdimensionalen Raumen sind bekanntlich relativ kompakt (vgl.

Lemma 4.11), was die Behauptung beweist.

Beispiel 4.29 Projektionsmethode

Sei T : X → Y ein stetiger, linearer Operator, Xn ⊂ X und Yn ⊂ Y endlichdimensio-

nale Teilraume sowie PXn : X → Xn , PYn : Y → Yn zugehorige beschrankte, lineare

Projektionsoperatoren. Dann sind nach Satz 4.28 die folgenden Abbildungen vollstetig:

P Yn T , PYn T |Xn , P

Yn TP

Xn .

Mit Hilfe des Begriffs der Vollstetigkeit von Abbildungen laßt sich Lemma 4.11 wie folgt

formulieren.

Satz 4.30 Die identische Abbildung in einem normierten Raum X ist d. u. n. d. voll-

stetig, wenn X endlichdimensional ist.

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4.2. BEISPIELE KOMPAKTER ABBILDUNGEN 47

Als Folgerung aus Lemma 4.11 und Satz 4.30 ergibt sich, dass die Einheitskugel in einem

unendlichdimensionalen Raum nicht kompakt ist.

Der folgende Satz gibt ein nutzliches Kriterium fur den Nachweis der Vollstetigkeit an,

das wir in Beispiel 4.32 anwenden werden.

Satz 4.31 Sei X ein normierter Raum, Y ein Banachraum und Kn : X → Y , n ∈ N,

eine Folge vollstetiger, linearer Operatoren, die gleichmaßig gegen eine beschrankte lineare

Abbildung K : X → Y konvergiert, ‖Kn −K‖ → 0 (n→∞). Dann ist auch K vollstetig.

Beweis: Da Y vollstandig ist, genugt es, die Prakompaktheit von K(B) fur die Einheits-

kugel B ⊂ X zu zeigen. Zu beliebigem ε > 0 gibt es ein n0 ∈ N, so dass

‖K −Kn‖ ≤ ε/2 , n ≥ n0 ,

und

‖(K −Kn)(x)‖ ≤ ε/2 , x ∈ B , n ≥ n0 .

Da Kn0(B) nach Voraussetzung prakompakt ist, gibt es endlich viele yj ∈ Y , j = 1, . . . , J ,

so daß

Kn0(B) ⊂ ∪Jj=1Kε/2(yj) .

Zu jedem x ∈ B gibt es also ein j ∈ 1, . . . , J mit

‖Kn0x− yj‖ ≤ ε/2 und ‖Kx− yj‖ ≤ ‖Kx−Kn0

x‖+ ‖Kn0x− yj‖ ≤ ε .

Damit ist auch

K(B) ⊂ ∪Jj=1Kε(yj) ,

was die Prakompaktheit von K(B) beweist. (Man nimmt endlich viele yj ∈ K(B) ∩Kε(yj) , j = 1, . . . , J , falls die entsprechenden Mengen nichtleer sind.)

Bemerkung: Falls man auch X als vollstandig voraussetzt, kann man mit Hilfe des Prin-

zips der gleichmaßigen Beschranktheit die Beschranktheit von K mitbeweisen.

Beispiel 4.32 Integraloperatoren zwischen Lp–Raumen

Sei p in 1 < p <∞ und q = pp−1 (⇒ 1

p + 1q = 1). Die q–te Potenz des Kerns k(., .) sei in

(a, b)× (a, b) integrierbar und erfulle

[∫ b

a

∫ b

a|k(x, y)|qdx dy

]1/q

=: C <∞ . (4.2)

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48 KAPITEL 4. KOMPAKTE ABBILDUNGEN

Dann ist

(Ku)(x) =

∫ b

ak(x, y)u(y)dy

ein linearer vollstetiger Operator von Lp(a, b) in Lq(a, b) und fur die Norm gilt

‖K‖ ≤ C .

Beweis: Die Abschatzung fur ‖K‖ folgt wie in (4.1) mit r = p′ = q. Da k ∈ Lq(X) , X =

(a, b)×(a, b), und Lq(X) die Vervollstandigung von C0,q(X) bzgl. |.|q ist, existieren stetige

Funktionen kn ∈ C(X) mit

[∫ b

a

∫ b

a|k(x, y) − kn(x, y)|qdy dx

]1/q

≤ εn −→ 0 (n→∞) .

Die Integraloperatoren

(Knu)(x) =

∫ b

akn(x, y)u(y)dy , n ∈ N ,

sind nach Satz 4.26 vollstetige Abbildungen von Lp(a, b) in Lq(a, b). Weiter hat man die

Abschatzungen

|Knu−Ku|q =

[∫ b

a

∣∣∣∣∫ b

a(kn(x, y)− k(x, y)) u(y)dy

∣∣∣∣q

dx

]1/q

≤[∫ b

a

(∫ b

a|(kn(x, y) − k(x, y)|qdy

)1/q (∫ b

a|u(y)|pdy

)1/pq

dx

]1/q

= |u|p[∫ b

a

∫ b

a|kn(x, y)− k(x, y)|qdy dx

]1/q

≤ εn|u|p , u ∈ Lp(a, b) .

Damit konvergiert ‖Kn −K‖ −→ 0 (n → ∞), und Satz 4.31 liefert die Vollstetigkeit von

K .

Bemerkung: Zu Lp(X) = C0,p(X), X = (a, b) × (a, b)

Zu jedem normierten Raum N gibt es eine Vervollstandigung N . Zwei beliebige Ver-

vollstandigungen sind isomorph.

Eine Vervollstandigung lasst sich wie folgt konstruieren. Sei N = Cauchy-Folge in N;dann wird eine Aquivalenzrelation wie folgt definiert

(fn) ∼ (gn) ⇐⇒ ‖fn − gn‖ → 0 (n→∞).

Es bezeichne N =Aquivalenzklassen f , f =[(fn)

]=(gn) ∈ N : (gn) ∼ (fn)

; dann

ist f unabhangig von der Wahl des Reprasentanten. Weiter existiert∥∥∥[(fn)

]∥∥∥ = limn→∞

‖fn‖,da fur eine Cauchy-Folge (fn) der Limes von (‖fn‖) existiert.

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4.3. GLEICHUNGEN 1. ART MIT KOMPAKTEN ABBILDUNGEN 49

Zur Definition von Lp(X): Sei Lp(X) =f |f : X → R messbar, |f |p integrierbar

fur

X ⊂ Rn. Dann ist ‖f‖p =(∫X |f |p dx

)1/peine Halbnorm. Eine Aquivalenzrelation wird

erklart durch f ∼ g ⇐⇒ f(x) = g(x) f.u. in X. Die Aquivalenzklassen werden mit [f ] =g ∈ Lp(X)

∣∣g(x) = f(x) f.u. in X bezeichnet. Man definiert dann

Lp(X) := [f ]∣∣f ∈ Lp(X), 1 ≤ p ≤ ∞,

und erhalt mit ‖ · ‖p als Norm einen vollstandigen normierten Raum Lp(X). Fur p = ∞ergibt sich das

”wesentl. Supremum“

∥∥[f ]∥∥∞ = ess sup

∣∣f(x)∣∣ = inf

M∣∣µ(

x :∣∣f(x)

∣∣ ≥M)

= 0

als Norm in L∞(X).

Fur gewisse X ist Lp(X) = C0,p (X) bzgl. ‖ · ‖p , wobei

C0,p(X) =f ∈ C(X)

∣∣∫

X

∣∣f(x)∣∣p dx <∞

.

D.h. ∀f ∈ Lp(X) ∃fk ∈ C0,p(X), k ∈ N, mit fk −→ f in Lp(X) (und (fk) ist Cauchy-Folge

in C0,p(X)).

4.3 Gleichungen 1. Art mit kompakten Abbildungen

Der in Kapitel 3 zuletzt bewiesene Satz 3.14 besagt mit diesen Begriffen, dass unter den

dort geforderten Voraussetzungen an T die Operatorengleichung erster Art

Tx = y (4.3)

in Banachschen Raumen X,Y genau dann schlecht gestellt ist, wenn das Bild von T nicht

abgeschlossen ist. Anders ausgedruckt liefert der Satz von Banach gerade eine positive

Antwort, wann ein Problem korrekt gestellt ist.

Gleichungen erster Art mit kompakten Operatoren fuhren immer auf schlecht gestellt

Probleme, wie der folgende Satz 4.33 zeigt. Fur dessen Beweis benotigen wir das in Lemma

4.11 bewiesene Kompaktheitskriterium fur Mengen in normierten Raumen.

Satz 4.33 Sei K : X → Y ein linearer kompakter Operator zwischen Banachschen Raum-

en X,Y . Ist K noch injektiv und das Bild R(K) unendlichdimensional, dann ist R(K)

nicht abgeschlossen und damit die Inverse K−1 : R(K)→ X nicht stetig.

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50 KAPITEL 4. KOMPAKTE ABBILDUNGEN

Beweis: Angenommen R(K) ist abgeschlossen, dann ist K−1 stetig. Betrachtet man ei-

ne beliebige beschrankte Menge B ⊂ Y , dann ist wegen der Stetigkeit von K−1 auch

K−1(B) beschrankt in X. Die Kompaktheit vonK impliziert die relative Kompaktheit von

B = KK−1(B) in Y , was nach Lemma 4.11 nur fur einen endlichdimensionalen Raum

R(K) gelten kann – im Widerspruch zur Voraussetzung.

Gleichungen erster Art

Kx = y

mit einem kompakten Operator K zwischen Banachraumen sind also schlecht gestellt,

wenn die Probleme nicht endlichdimensional sind. Damit hat man eine ganze Klasse von

schlecht gestellten Problemen und eine Fulle von Beispielen fur solche Probleme.

Beispiel 4.34 Integralgleichungen erster Art

Fur einen stetigen Kern k ∈ C([a, b]× [a, b]) ist der lineare Integraloperator

(Ku)(x) =

∫ b

ak(x, y)u(y)dy , u ∈ C[a, b] ,

als Abbildung von C[a, b] in sich kompakt (vgl. Abschnitt 4.2). Schwacht man die Voraus-

setzung an den Kern ab zu k ∈ L2((a, b) × (a, b)

), dann ist der obige Integraloperator als

Abbildung von L2(a, b) in sich kompakt. Standardbeispiele schlecht gestellter Probleme

liefern somit Integralgleichungen erster Art

(Kf)(x) =

∫ b

ak(x, y)f(y)dy = g(x) , x ∈ [a, b] , (4.4)

mit kompakten Integraloperatoren K .

Die Bestimmung der Ableitung einer Funktion ist aquivalent zur Losung einer Integral-

gleichung erster Art und somit schlecht gestellt (vgl. Beispiel 1.3).

Beispiel 4.35 Warmeleitung ruckwarts in der Zeit

Nach dem physikalischen Gesetz der Energieerhaltung wird der Prozeß der Warmeleitung

durch die Differentialgleichung

ut = uxx , x ∈ (0, π) , t > 0 , (4.5)

beschrieben; u = u(x, t) bezeichnet hierbei die Temperatur; die Ortsvariable wird zur

Vereinfachung als eindimensional und auf (0, π) normiert angenommen. Gibt man noch

homogene (Dirichlet–) Randbedingungen

u(0, t) = u(π, t) = 0 , t > 0 , (4.6)

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4.3. GLEICHUNGEN 1. ART MIT KOMPAKTEN ABBILDUNGEN 51

vor, dann erhalt man mit der Methode der Separation der Variablen und dem Superposi-

tionsprinzip eine Losung von (4.5), (4.6) durch

u(x, t) =∞∑

n=1

αn exp(−n2t) sin(nx) . (4.7)

Die Koeffizienten αn ergeben sich als die Fourierkoeffizienten der Anfangsfunktion u0(x) =

u(x, 0),

αn =2

π

∫ π

0u0(y) sin(ny)dy . (4.8)

Betrachtet man nun den Operator A : L2(0, π)→ L2(0, π), der der Losung der Warmelei-

tungsgleichung zum Zeitpunkt t = 0 die Losung zur Zeit t = T zuordnet, dann gilt nach

(4.7) und (4.8) die Beziehung

ψ(x) =

∫ π

0k(x, y)ϕ(y)dy =: Aϕ(x) (4.9)

mit ψ(x) = u(x, T ) , ϕ(x) = u0(x) = u(x, 0) und

k(x, y) =2

π

∞∑

n=1

exp(−n2T ) sin(nx) sin(ny) .

Das Warmeleitproblem ruckwarts in der Zeit besteht nun darin, aus ψ(x) = u(x, T ) die

Anfangstemperatur ϕ(x) = u(x, 0) zu bestimmen. Dies ist offenbar ein schlecht gestelltes

Problem, da das Problem aquivalent zur Losung der Integralgleichung erster Art (4.9) mit

kompaktem Integraloperator A ist.

Man kann die Losung explizit angeben, wenn man in (4.7) t durch τ = T − t substituiert,

u(x, τ) =

∞∑

n=1

βn exp(n2τ) sin(nx) (4.10)

mit

βn =2

π

∫ π

0ψ(y) sin(ny)dy , n ∈ N ,

wobei βn jetzt die Fourierkoeffizienten von ψ = u(., T ) bezeichnen. Auch an (4.10) sieht

man die Schlechtgestelltheit des Warmeleitproblems ruckwarts in der Zeit, da die Ampli-

tuden in der Entwicklung (4.10) mit en2

wachsen. Kleine Storungen in den Daten – hier

den Fourierkoeffizienten von ψ – multiplizieren sich also mit diesem Faktor in der Losung.

Das Ziel der Behandlung schlecht gestellter Probleme ist es, fur spezielle Klassen,

z. B. kompakte Operatoren, spezielle Regularisierungen zu konstruieren, die Regularisie-

rungsparameter geeignet zu wahlen und gegebenenfalls Optimalitat von Regularisierungen

zu beweisen.

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52 KAPITEL 4. KOMPAKTE ABBILDUNGEN

4.4 Das Inverse Warmeleitproblem

Wir behandeln nun ein schlecht gestelltes Problem etwas ausfuhrlicher und geben geeignete

Regularisierungen sowie numerische Approximationen an.

Neben der Warmeleitung ruckwarts in der Zeit (vgl. Beispiel 4.35) gibt es im Zusam-

menhang mit Warmeleitung ein weiteres schlecht gestelltes Problem, das man als In-

verses Warmeleitproblem bezeichnet (engl. ’Inverse Heat Conduction Problem’). Bei Be-

schrankung auf eine Ortsdimension besteht es darin, aus gegebenen Randbedingungen bei

x = 1,

u(1, t) = g(t) , ux(1, t) = 0 (4.11)

auf die Temperatur f(t) = u(0, t) und den Warmefluß q(t) = −ux(0, t) bei x = 0 fur die

Losung u = u(x, t) der Warmeleitungsgleichung

ut = uxx , x ∈ (0, 1) , t > 0 , (4.12)

zu schließen. Als Anfangsbedingung sei u(x, 0) = u0(x) gegeben.

PSfrag replacements

0 1x

t

ges. geg.

u = f

q = −ux

u = g

ux = 0

u = u0

ut = uxx

Abb. 4.1 Inverses Warmeleitproblem

Zunachst wird die Losung des (direkten) Problems

vt = vxx , x ∈ (0, 1) , t > 0 ,

v(0, t) = f(t) , vx(1, t) = 0 , t > 0 ,

v(x, 0) = 0 , x ∈ (0, 1) ,

(4.13)

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4.4. DAS INVERSE WARMELEITPROBLEM 53

PSfrag replacements

0 1x

t

geg. geg.

v = f vx = 0

geg. v = v0

vt = vxx

Abb. 4.2 Direktes Warmeleitproblem

mit homogener Anfangsbedingung bestimmt. Unter Differenzierbarkeitsvoraussetzungen

an f laßt sich (4.13) als Problem mit homogenen Randbedingungen umschreiben, indem

man w(x, t) = v(x, t) − f(t) setzt. Fur w hat man dann das Problem

wt − wxx = −f ′ , x ∈ (0, 1) , t > 0 ,

w(0, t) = 0 , wx(1, t) = 0 , t > 0 ,

w(x, 0) = −f(0) , x ∈ (0, 1) .

(4.14)

Die Losung w des zu (4.14) gehorigen homogenen Anfangswertproblems, d. h. mit Null

anstelle von −f ′ in der Differentialgleichung, erhalt man durch den Separationsansatz

w(x, t) = ψ(t)ϕ(x). Die Differentialgleichung fuhrt auf

ψ′ϕ− ψϕ′′ = 0 oder aquivalentψ′

ψ=ϕ′′

ϕ(= −λ) ; (4.15)

die Quotienten hangen links nur von t und rechts von x ab, mussen also konstant sein. Man

uberlegt sich leicht, dass nichttriviale Losungen ϕ von (4.15) unter Beachtung der Rand-

bedingungen nur fur λ > 0 vorliegen. Setzt man µ =√λ, dann erhalt man nichttriviale

Losungen von

ϕ′′ + µ2ϕ = 0 in (0, 1) , ϕ(0) = 0 , ϕ′(1) = 0 , (4.16)

durch ϕ = ϕk(x) = cos(µk(1 − x)) mit µk = (2k + 1)π2 , k = 0,±1,±2, . . .. Die negativen

ganzen Zahlen ergeben keine neue Losungen, so dass k auf 0 ∪N eingeschrankt werden

kann. Die zugehorigen Zeitanteile ergeben sich als Losungen der Differentialgleichungen

ψ′ = −µ2kψ , t > 0 , k = 0, 1, 2, . . . (4.17)

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54 KAPITEL 4. KOMPAKTE ABBILDUNGEN

d. h. ψk(t) = exp(−µ2kt); also wk(x, t) = exp(−µ2

kt) cos(µk(1− x)).

Nach dem Superpositionsprinzip ist auch jede Linearkombination der wk eine Losung des

homogenen Problems (4.14),

w(x, t) =∞∑

k=0

Ck exp(−µ2kt) cos(µk(1− x)) .

Damit die Anfangsbedingungen w(x, 0) = −f(0) erfullt wird, mussen die Ck als Fourier-

koeffizienten von −f(0) gewahlt werden,

Ck = 2

∫ 1

0−f(0)ϕk(ξ)dξ

= −2f(0)sin(µk)

µk= (−1)k+1 2f(0)

µk, k = 0, 1, 2, . . . . (4.18)

Man beachte, dass ϕk ein Orthogonalsystem bzgl. des L2–Skalarprodukts bildet, das

durch √

2ϕk ein Orthonormalsystem wird.

Um die Losung des inhomogenen Problems (4.14) zu bestimmen, definieren wir fur eine

beliebige Anfangsfunktion w0 = w0(x),

(S(t)w0)(x) = 2∞∑

k=0

(w0, ϕk)ϕk(x)ψk(t) , x ∈ (0, 1) , t > 0 , (4.19)

mit dem L2–Skalarprodukt (., .). Die Familie S(t) , 0 ≤ t <∞, bildet dann eine stetige

Halbgruppe von Abbildungen des L2(0, 1) in sich, d. h. es gelten die Eigenschaften

(a) S(s+ t) = S(s)S(t);

(b) S(0) = I;

(c) S(t)w0 ist stetig bzgl. t.

Man kann die Halbgruppe auch als etA schreiben, wobei A den Differentialoperator

(Aϕ)(x) = ϕ′′(x) , ϕ ∈ D(A) = ϕ ∈ C2 : ϕ(0) = 0 , ϕ′(1) = 0 ,

bezeichnet. Durch w(t) = w(., t) = S(t)w0 wird namlich das folgende reine Anfangswert-

problem in D(A) gelost,

dw

dt(t) = Aw(t) , t > 0 , w(0) = w0 ,

Dies druckt sich auch in der Beziehung ddtS(t) = AS(t) aus. Fur jedes t bildet S(t) = etA

den Raum D(A) in sich ab und A ist bzgl. der L2–Norm ein unbeschrankter Operator

(vgl. z. B. Dunford–Schwartz [14], Hille-Phillips [23]).

Aus den Eigenschaften der Halbgruppe sieht man nun, dass durch

w(x, t) = S(t)(−f(0)) +

∫ t

0S(t− s)(−f ′(s))ds (4.20)

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4.4. DAS INVERSE WARMELEITPROBLEM 55

eine Losung des inhomogenen Problems (4.14) gewonnen wird, die daruberhinaus eindeutig

ist (vgl. Aubin [6], Ch. 14, Sec.3).

Wir sind nun in der Lage, die Losung des Anfangs–Randwertproblems (4.13) anzugeben.

Satz 4.36 Die Losung von (4.13) ist gegeben durch

v(x, t) =

∫ t

0

2

∞∑

k=0

(−1)kµk exp(−µ2k(t− s))ϕk(x)

f(s)ds . (4.21)

Beweis: Mit Hilfe partieller Integration erhalt man

∫ t

0S(t− s)(−f ′(s))ds

= S(t− s)(−f(s))|t0 −∫ t

0

d

drS(t− s)f(s)ds

= −If(t)− S(t)(−f(0)) −∫ t

0

d

drS(t− s)f(s)ds ,

so dass (s. (4.19) mit ψ′k = −µ2

kψk )

w(x, t) = −f(t)−∫ t

0

d

drS(t− s)f(s)ds

= −f(t)−∫ t

02

∞∑

k=0

(f(s), ϕk)ϕk(x)ψk(t− s)(−µ2k)ds

Losung des Anfangswertproblems (4.14) wird. Wegen v(x, t) = w(x, t)+f(t) fur die Losung

v von (4.13), µk = (2k + 1)π2 ,

1∫

0

cos(µk(1− ξ)

)dξ = − 1

µksinµk(1− ξ)

∣∣10

=−1

µk

=0︷ ︸︸ ︷sin(0)−

(−1)k

︷ ︸︸ ︷sinµk

,

(f(s), ϕk) = f(s)(1, ϕk) = f(s)

∫ 1

0cos(µk(1−ξ))dξ =

(−1)k

µkf(s) , k = 0, 1, 2, . . .

folgt die behauptete Darstellung (4.21).

Die Schlechtgestelltheit des Ausgangsproblems (4.11), (4.12) sieht man jetzt leicht dadurch

ein, dass man in (4.21) den Wert bei x = 1 einsetzt. Die gesuchte Temperatur f(t) = u(0, t)

muß daher mit der gegebenen g(t) = u(1, t) die folgende Beziehung erfullen,

∫ t

0κ(t− s)f(s)ds = g(t) , t > 0 , (4.22)

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56 KAPITEL 4. KOMPAKTE ABBILDUNGEN

wobei

κ(r) = 2

∞∑

k=0

(−1)kµk exp(−µ2kr) , µk = (2k + 1)

π

2. (4.23)

(Vgl. auch Elden [15], p. 250, Carslaw-Jaeger [10], p. 104.) Damit erfullt f eine Integral-

gleichung 1. Art. Der zugehorige Integraloperator

(Kf)(t) =

∫ t

0κ(t− s)f(s)ds (4.24)

ist als Abbildung von L2(0, T ) , T > 0, in sich kompakt und das Problem (4.22) daher

schlecht gestellt (vgl. Beispiel 4.34). Den Integraloperator in (4.24) bezeichnet man auch

als Faltungsintegraloperator und schreibt Kf = κ ∗ f .

Eine haufig verwendete Methode zur Behandlung schlecht gestellter Probleme besteht

darin, letztere als Kontrollprobleme umzuschreiben, wobei die gesuchte Große die Rolle

der”Kontrolle“ spielt. Im vorliegenden Beispiel fuhrt das auf das Optimierungsproblem

Min.f

‖g − u(1, .)‖ (4.25)

unter den Nebenbedingungen

ut − uxx = 0 , 0 < x < 1 , 0 < t < T ,

u(0, t) = f(t) , ux(1, t) = 0 , 0 < t < T ,

u(x, 0) = u0(x) , 0 < x < 1 .

(4.26)

Fur u0 = 0 haben wir oben gesehen, dass das Kontrollproblem (4.25), (4.26) aquivalent

ist zum Minimierungsproblem

Min.f

‖g − κ ∗ f‖ (4.27)

wobei κ in (4.23) definiert ist. Laßt man alle f ∈ L2(0, T ) als”Kontrolle“ zu, so hat man

gegenuber der Losung der Integralgleichung (4.22) zunachst noch nichts gewonnen, und es

liegt weiterhin ein schlecht gestelltes Problem vor. Schrankt man allerdings die Kontrollen

f ein, z. B. auf endlichdimensionale Raume im Fall numerischer Verfahren, so werden die

approximierenden Probleme sachgemaß (oder korrekt) gestellt und man hat Kandidaten

fur sogenannte Regularisierungen.

Diese Idee wird zur approximativen Bestimmung von Temperaturen f(tn) an diskreten

Punkten tn = n 4 t , n = 0, 1, . . ., benutzt. Ein entsprechendes Verfahren verlauft wie

folgt:

(a) Starte mit n = 0 , u00 = u0 , f

0 = u0(0) ;

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4.4. DAS INVERSE WARMELEITPROBLEM 57

(b) Lose das Anfangsrandwertproblem

un+1t − un+1

xx = 0 , 0 < x < 1 , tn < t < tn+1 ,

un+1(0, t) = fn , un+1x (1, t) = 0 , tn < t < tn+1 ,

un+1(x, tn) = un0 (x) , 0 < x < 1 (Ergebnis: un+1);

(c) Minimiere |g(tn+1)− un+1(1, tn+1)| (Ergebnis: fn+1);

(d) Lose (b) mit fn+1 anstelle von fn und setze un+10 (x) = un+1(x, tn+1) .

(e) Gehe zu (b) mit fn+1 , un+10 anstelle von fn , un0 .

Man lost also auf dem Zeitintervall (tn, tn+1) ein Kontrollproblem der Art (4.25), (4.26),

indem man die approximative Kontrolle f n in diesem Intervall konstant laßt. Die Losung

von (b) ist dann offenbar eine Funktion von f n , un+1 = un+1(fn ; x, t). Zur Bestimmung

von fn+1 aus (c) wendet man Taylor–Entwicklung bis zur ersten Ableitung an,

un+1(fn+1; 1, tn+1) ≈ un+1(fn; 1, tn+1) + (fn+1 − fn)∂un+1

∂f(fn; 1, tn+1) ,

und erhalt eine Naherung der Minimallosung offenbar durch die Setzung g(tn+1) =

un+1(fn+1; 1, tn+1), d. h.

fn+1 = fn +(g(tn+1)− un+1(fn; 1, tn+1)

)/∂un+1

∂f(fn; 1, tn+1) . (4.28)

Schritt (d) bedeutet im Anschluss an (c) eine”Korrektur“ der Losung un+1 mit Hilfe

des neuen Randwertes fn+1, um die neue Anfangsfunktion un+10 fur den nachsten Schritt

bereitzustellen.

Die Ableitungen sn+1 = ∂un+1/∂f heißen Sensitivitatskoeffizienten. Sie erfullen offenbar

selbst die folgenden Anfangsrandwertprobleme,

sn+1t − sn+1

xx = 0 , 0 < x < 1 , tn < t < tn+1 ,

sn+1(0, t) = 1 , sn+1x (1, t) = 0 , tn < t < tn+1 ,

sn+1(x, tn) = 0 , 0 < x < 1 .

(4.29)

In dem vorliegenden speziellen Fall, dass der Warmeleitkoeffizient konstant (gleich Eins)

ist, hangt sn+1 gar nicht von n ab. Man kann also sn+1(., t) = s(., t−tn) vorher bestimmen,

um sn+1(1, tn+1) = s(1, 4t) dann in (4.28) zur Verfugung zu haben.

Eine Modifikation des Verfahrens (a)− (e) besteht darin, dass man nicht die Temperatur

sondern den Warmefluß q = −ux(0, .) bei x = 0 als Kontrolle wahlt. In (b) andert sich

die Randbedingung zu −un+1x (0, t) = qn, die Sensitivitatskoeffizienten s = sn+1 in (4.29)

haben als Randbedingung −sx(0, t) = 1, und der neue Warmefluß ergibt sich aus

qn+1 = qn + (g(tn+1)− un+1(qn; 1, tn+1))/s(1,4t) . (4.30)

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58 KAPITEL 4. KOMPAKTE ABBILDUNGEN

Diese Modifikation stellt die einfachste Version des Beck–Verfahrens dar (vgl. Beck et al.

[8]). Von Beck wurde der Vorschlag gemacht, anstelle von (b) das Anfangsrandwertproblem

in tn < t < tn+r fur r ≥ 1 zu losen und anstelle von (c) qn+1 aus

Minimiere

r∑

ν=1

∣∣g(tn+ν)− un+1(1, tn+ν)∣∣2

zu bestimmen. Als Naherung fur qn+1 erhalt man

qn+1 = qn +1

D

r∑

ν=1

(g(tn+ν)− un+1(qn; 1, tn+ν)

)s(1, ν 4t) , (4.31)

wobei D =∑r

ν=1 s(1, ν 4 t)2. Die Zahl r heißt die Anzahl der”zukunftigen Zeiten“; im

Fall von r = 1 reduziert sich (4.31) auf (4.30).

Abschließend sei noch bemerkt, dass bei einer numerischen Berechnung der Losung des

Beck–Verfahrens die Anfangsrandwertprobleme in (b) – und in (4.29) – durch geeignete

Differenzenverfahren oder Finite–Element–Methoden zu losen sind.

4.5 Struktur und Losung der Gleichungssysteme

Als einfachstes Approximationsschema fur vt − vxx = F mit Randbedingungen v|x=0 =

f, v|x=1 = g und Anfangsbedingung v|t=0 = v0 betrachten wir das eindimensionale Ein-

heitsintervall G = (0, 1) ⊂ R. Das Gitter hat dann die in Abb. 4.1 veranschaulichte Gestalt.

Die Gitterpunkte in G werden von 0, . . . ,M + 1 durchnumeriert, so daß

∆x =1

M + 1, xj = j∆x , j = 0, . . . ,M + 1 , (4.32)

wird. Differenzenapproximationen fuhren auf ein lineares Gleichungssystem zur Berech-

nung der Funktionswerte uh ≈ v an Gitterpunkten, die man zur Vereinfachung der Schreib-

weise mit

unj = uh(xj, tn) , j = 0, ..,M + 1 , n = 0, . . . , N ,

bezeichnet. Entsprechend sei

F nj = F (xj , tn) , fn = f(tn), gn = g(tn).

Bei Dirichlet-Randbedingungen ist die diskrete Anfangs-Randwertaufgabe fur das

vorwartsgenommene Euler-Verfahren dann gleichbedeutend mit dem Gleichungssystem

1

∆t

(un+1j − unj

)=

1

(∆x)2

(unj−1 − 2unj + unj+1

)+ F nj , j = 1, . . . ,M ,

u0j = v(xj , 0) , j = 0, . . . ,M + 1 ,

un0 = fn , unM+1 = gn , n = 1, . . . , N .

(4.33)

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4.5. STRUKTUR UND LOSUNG DER GLEICHUNGSSYSTEME 59

Der zugehorige Differenzenstern fur diese Aufgabe ist in Figur 4.2(a) dargestellt. Die Dif-

ferenzengleichung (4.33) lasst sich explizit nach un+1j auflosen in der Form

un+1j = ρ(unj−1 + unj+1) + (1− 2ρ)unj + ∆tF nj (4.34)

mit ρ = ∆t/(∆x)2.

Hat man Ableitungs-Randbedingungen −vx(0, t) = q(t) bzw. vx(1, t) = φ(t), dann werden

diese wie folgt approximiert:

un1 − un−1

2∆x= −qn ⇐⇒ un−1 = un1 + 2∆xqn bzw.

unM+2 − unM2∆x

= φn ⇐⇒ unM+2 = unM + 2∆xφn

In den Gleichungen (4.33) wird dadurch fur j = 0 die Große un−1 bzw. fur j = M + 1 wird

unM+2 eliminiert.

Die mit Hilfe des ruckwartsgenommenen Differenzenquotienten in Zeitrichtung definierte

Approximation der Anfangs-Randwertaufgabe fuhrt auf das ruckwartsgenommene Euler-

Verfahren mit dem Gleichungssystem

1

∆t

(unj − un−1

j

)=

1

(∆x)2(unj−1 − 2unj +unj+1

)+ F nj ,

j = 1, . . . ,M , n = 1, . . . , N ,

(4.35)

und den entsprechenden Anfangs- und Randwerten wie oben. Diese Gleichungen lassen

sich auch als

−ρunj−1 + (1 + 2ρ)unj − ρunj+1 = un−1j + ∆tF nj , j = 1, . . . ,M ,

mit un0 = fn , unM+1 = gn schreiben. Der zugehorige Differenzenstern ist in Figur 4.2(b)

veranschaulicht.

Fur n = 1 ist u0j durch die Anfangsbedingung bestimmt und damit die rechte Seite be-

kannt. Zur Berechnung von u1j muß dann ein tridiagonales lineares Gleichungssystem gelost

werden. Die Matrix dieses Gleichungssystems hat bei Dirichlet-Randbedingungen die Form

1 + 2ρ −ρ 0

−ρ 1 + 2ρ −ρ

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

0 −ρ 1 + 2ρ −ρ

−ρ 1 + 2ρ

,

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60 KAPITEL 4. KOMPAKTE ABBILDUNGEN

ist daher strikt diagonal dominant und somit invertierbar wie wir weiter unten noch zeigen

werden. Daruber hinaus ist diese Matrix eine M–Matrix, symmetrisch und folglich positiv

definit. Das Gleichungssystem ist daher stets eindeutig losbar. Ist u1j berechnet, so laßt

sich anschließend die rechte Seite fur n = 2 und dann u2j als Losung des Gleichungssystems

(4.35) berechnen usw. In jedem Zeitschritt ist also unj bei dieser Approximation implizit

durch (4.35) definiert. Dementsprechend heißt diese Approximation auch ein implizites

Differenzenverfahren im Unterschied zum obigen expliziten Differenzenverfahren.

Hat man bei x = 0 bzw. x = 1 Ableitungsrandbedingungen −ux(0, t) = q(t) bzw.

ux(1, t) = φ(t), dann vergroßert sich das Gleichungssystem um eine oder zwei Gleichungen.

Elimination von un−1 bzw. unM+2 und Einsetzen in (4.35) fur j = 0 bzw. j = M + 1 liefert

die Gleichungen

j = 0 : − ρ(un1 + 2∆xqn) + (1 + 2ρ)un0 − ρun1 = un−10 + ∆tF n0

⇐⇒ (1 + 2ρ)un0 − 2ρun1 = un−10 + 2ρ∆xqn + ∆tF n0

j = M + 1 : − ρunM + (1 + 2ρ)unM+1 − ρ(unM + 2∆xφn) = un−1M+1 + ∆tF nM+1

⇐⇒ −2ρunM + (1 + 2ρ)unM+1 = un−1M+1 + 2ρ∆xφn + ∆tF nM+1

Tridiagonale lineare Gleichungssysteme bilden eine besonders einfache Klasse von Glei-

chungssystemen, die wir in der Form

a1u1 + b1u2 = y1

. . .

cj−1uj−1 + ajuj + bjuj+1 = yj , j = 2, . . . ,M − 1

. . .

cM−1uM−1 + aMuM = yM

schreiben konnen. Wenn die Koeffizientenmatrix die obengenannten Eigenschaften hat, ist

das Gaußsche Eliminationsverfahren ohne Zeilenvertauschungen durchfuhrbar. Vorwarts-

elimination fuhrt dann auf das gestaffelte Gleichungssystem

djuj + bjuj+1 = zj , j = 1, . . . ,M − 1 , dMuM = zM ,

mit den Koeffizienten

d1 = a1 , dj = aj + pjbj−1 , pj = − cj−1

dj−1

z1 = y1 , zj = yj + pjzj−1 , j = 2, . . . ,M ,

wobei alle dj 6= 0 sind. Die Koeffizienten pj sind die negativen Zeilenmultiplikatoren

−mj,j−1. Die Losungen des gestaffelten Gleichungssystems erhalt man sehr einfach durch

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4.5. STRUKTUR UND LOSUNG DER GLEICHUNGSSYSTEME 61

Ruckwartseinsetzen in der Form

uM =1

dMzM , uj =

1

dj−bjuj+1 + zj , j = M − 1, . . . , 1 .

6

-

0 1x

t

tn ×

xj

T

Abbildung 4.1: Gitter zum Gebiet G× [0, T ]

.tn

tn+1

tn

tn−1

xj−1 xj xj+1 xj−1 xj+1xj

(a) (b)

. . .

.

.

Abbildung 4.2:

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62 KAPITEL 4. KOMPAKTE ABBILDUNGEN

4.6 Identifikationsprobleme in Hilbertraumen

Seien X,Y Hilbertraume, A ∈ L(X,Y ), (·, ·)X bzw. (·, ·)Y Skalarprodukte, K = R.

Def. 4.37 Adjungierter Operator A∗ ∈ L(Y,X) : (Au, v)Y = (u,A∗v)X ∀u ∈ X, v ∈ Y .

Bemerkung:

ψv(u) = (Au, v)Y ist beschranktes lineares Funktional auf X,ψv ∈ X∗, denn∣∣ψv(u)

∣∣ ≤‖Au‖‖v‖ . Nach dem Satz von Riesz existiert ein eindeutig bestimmtes Element z = A∗v ∈X : ψv(u) = (u, z)X∀u ∈ X

Eigenschaften:

X = N(A)⊕R(A∗), Y = R(A)⊕N(A∗).

Def. 4.38 A ∈ L(X,X) selbstadjungiert, wenn A = A∗.

Def. 4.39 λ Eigenwert von A, wenn ∃w 6= 0 : Aw = λw; w heißt der zugehorige Eigen-

vektor. σ(A) = λ ∈ C|λI −A nicht invertierbar heißt Spektrum von A.

Satz 4.40 (Spektralsatz fur kompakte selbstadjungierte Operatoren, vgl. Werner [49],

VI. 3)

Sei K ∈ L(X,X) kompakt und selbstadjungiert. Dann existiert ONSei und Nullfolge

λi(6= 0), i = 1, 2, . . ., so dass X = N(K)⊕ spane1, e2, . . . und

Kx =∑

k

λk(x, ek)ek ∀x ∈ X, ‖K‖ = supk|λk| ,

wobei λi Eigenwert zu Eigenvektor ei ist, Kei = λiei, i = 1, 2, . . . , .

Bemerkungen:

1) K ∈ L(X) d.u.n.d. kompakt, wenn K∗ kompakt (Satz von Schauder).

2) Wenn A ∈ L(X,Y ) nicht notw. selbstadjungiert, dann sind (K =)A∗A ∈ L(X) und

AA∗ ∈ L(Y ) selbstadjungiert.

=⇒ ∃λi, ui,Kui = λiui =⇒ (vi := σ−1i Aui, σi :=

√λi)Aui = σivi, A

∗vi = σiui, wenn

A kompakt.

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4.6. IDENTIFIKATIONSPROBLEME IN HILBERTRAUMEN 63

Satz 4.41 (Spektralsatz fur kompakte Operatoren)

Sei A ∈ L(X,Y ) kompakt. Dann existiert ein ONS uii∈J und ein ONS vii∈J in X

bzw. Y sowie positive reelle Zahlen σi, i ∈ J , mit den folgenden Eigenschaften:

i) J = 1, . . . ,m falls dimR(A) = m bzw. J = N sonst;

ii) σ1 ≥ σ2 ≥ . . . , limj→∞

σj = 0 (falls J = N)

iii) Auj = σjvj , A∗vj = σjuj , j ∈ J

iv)

x = x0 +∑j∈J

(x, uj)uj fur beliebiges x ∈ X mit x0 ∈ N(A),

Ax =∑j∈J

σj(x, uj)vj ∀x ∈ X,

A∗y =∑j∈J

σj(y, vj)uj ∀y ∈ Y.

(4.36)

Bemerkungen:

3) Man weiß umgekehrt, dass durch

Ax =∑

n∈N

λn(x, un)Xvn, x ∈ X

ein kompakter Operator A : X −→ Y def. wird, falls un ONS in X, vn ONS in

Y, (λn)n∈N monoton, nicht wachsend, limn λn = 0 .

Def. 4.42 σj ;ui, vjj∈J heißt singulares System fur A, σj = Singularwerte, (4.36) heißt

Singularwertzerlegung.

4) a) ‖A‖ = σ1 betragsgroßter Eigenwert

b) A∗Auj = σ2juj , AA

∗vj = σ2j vj

c) uj ONB in R(A∗), vj ONB in R(A)

Beispiel 4.43 Ableitung einer Funktion (f = g ′ mit g(0) = 0)

Af(x) =x∫0

f(t) dt, A : L2(0, 1) −→ Y (vgl. Beispiel 1.3),

mit Y =ϕ ∈ L2(0, 1) |ϕ(0) = 0

.

Singulares System σn;un, vn : σn =1

(n+ 12)π

un(t) =√

2 cos(n+ 12)πt

vn(t) =√

2 sin(n+ 12 )πt

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64 KAPITEL 4. KOMPAKTE ABBILDUNGEN

Beweis: Gesucht Eigenwerte von A∗A, d.h. A∗Af = λf , wobei

A∗f(x) =

1∫

x

f(t) dt =⇒ A∗Af(x) =

1∫

x

Af(t) dt =

1∫

x

t∫

0

f(y) dy dt = λf(x)

=⇒ (x = 1)f(1) = 0 =⇒d

dx

−Af(x) = −x∫

0

f(t) dt = λf ′(x)

=⇒ (x = 0)f ′(0) = 0 =⇒d2

dx2

−f(x) = λf ′′(x)

allgemeine Losung: f(x) = a cos(λ−1/2x) + b sin(λ−1/2x)

Randbedingungen:

(x = 1) a cos λ−1/2 + b sinλ−1/2 = 0

(x = 0)− aλ−1/2 sin(λ−1/20)︸ ︷︷ ︸=0

+bλ−1/2 cos(λ−1/20)︸ ︷︷ ︸=1

= 0

=⇒ cos λ−1/2 = 0

=⇒ b = 0

[.3cm]

=⇒ λ−1/2︸ ︷︷ ︸σ−1

n

= (n+ 12 )π =⇒ f = un (durch normieren, ‖un‖L2 = 1), vn = σ−1

n Aun.

Beispiel 4.44”Warmeleitung vorwarts bzw. ruckwarts“

A : X −→ Y, A :

ϕ(x)︷ ︸︸ ︷u|t=0 −→

ψ(x)︷ ︸︸ ︷u|t=T , wobei ut = uxx, u(0, t) = u(π, t) = 0 und

X = Y =f ∈ L2(0, π) | f(0) = f(π) = 0

.

Singulares System σn;un, vn : un(x) = vn(x) =(

)1/2sin(nx), σn = exp(−n2T )

Beweis: (s. Beispiel 4.35)

Af(x) =

π∫

0

k(x, y)f(y)dy

wobei k(x, y) =2

π

∞∑

n=1

exp(−n2T ) sin(nx) sin(ny)

=⇒ A symmetrisch bzw. selbstadjungiert, Singularwertzerlegung wie angegeben.

Satz 4.45 (Losbarkeitskriterium fur Ax = y)

Sei A ∈ L(X,Y ) kompakt und σj ;uj , vjj∈J ein zugehoriges singulares System. Fur jedes

y ∈ Y sind dann aquivalent:

(a) y ∈ R(A)

(b) y ∈ R(A) und∑j∈J

σ−2j

∣∣(y, vj)Y∣∣2 <∞ (

”Picard–Bedingung“)

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4.6. IDENTIFIKATIONSPROBLEME IN HILBERTRAUMEN 65

Fur die Losung von Ax = y hat man dann die Darstellung

x =∑

j∈Jσ−1j (y, vj)Y uj + x0, x0 bel. aus N(A) .

Beweis: (a) =⇒ (b)

Sei Ax = y losbar. Es gilt die Besselsche Ungleichung 1

∑j

∣∣(x, uj)X∣∣2 ≤ ‖x‖2X ∀x ∈ X, da uj ONB in R(A∗) und X = N(A)⊕R(A∗).

Zur Losbarkeit:

(y, vj)Y = (Ax, vj)Y = (x,A∗vj)X = (x, σjuj)X

=⇒ σ−1j (y, vj)Y = (x, uj)X und Picard-Bedingung gilt (wegen Besselscher Ungleichung).

(b) =⇒ (a)

Sei y ∈ R(A). Wegen der Picard-Bedingung ist xN :=∑j≤N

σ−1j (y, vj)Y uj Cauchy-Folge,

weil ‖xN − xM‖2 (M≥N)=

M∑j=N+1

σ−2j

∣∣(y, vj)Y∣∣2, und die Reihe konvergiert.

Fur den Limes erhalt man:

x = limN−→∞

xN =∑jσ−1j (y, vj)Y uj und Ax = lim

N→∞AxN

=⇒ Ax = limN−→∞

∑j≤N

σ−1j (y, vj)Y σjvj

=⇒ ‖Ax‖2 ≤ limN

(∑j≤N

∣∣(y, vj)Y∣∣2)

Bessel≤ ‖y‖2

Z.z.: Ax = y(⇐⇒ z := y −∑(y, vj)Y vj = 0)

Es ist ‖z‖2 = (z, z) = ‖y‖2Y −∑

j

∣∣(y, vj)Y |2 durch Ausmultiplizieren

und (z, vk) = (y, vk)− (y, vk) = 0 ∀k

=⇒ A∗z =∑σj(z, vj)uj = 0, d.h. z ∈ N(A∗).

Da y ∈ R(A) = N(A∗)⊥ =⇒ (z, y) = 0

=⇒ 0 = (z, y) = ‖y‖2 −∑∣∣(y, vj)Y

∣∣2 s.o.= ‖z‖2 =⇒ z = 0.

Bemerkung:

Im endlich-dimensionalen Fall ist R(A) = R(A) und (daher) die Picard-Bedingung immer

erfullt.

1Fur nicht notwendiges vollstandiges ONS gilt die Besselsche Ungleichung. Fur ONB gilt die Parseval-

Gleichung∞∑

n=1

(x, un)2 = ‖x‖2 .

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66 KAPITEL 4. KOMPAKTE ABBILDUNGEN

Beispiel 4.46 (Fortsetzung von Beispiel 4.43)

N(A∗) = 0, da un vollstandig in Y(

=⇒ Y = R(A))

Picard-Bedingung:∞∑n=1

((n+ 1

2 )π)2∣∣(g, vn)L2

∣∣2 <∞

⇐⇒ Losbarkeit vonx∫0

f(t) dt = g(x) mit g(0) = 0.

Beispiel 4.47 (Fortsetzung von Beispiel 4.44)

N(A∗) = 0, da un vollstandig X = Y(

=⇒ Y = R(A))

Picard-Bedingung:∞∑n=1

exp(2n2)∣∣(ψ, vn)L2

∣∣2 <∞

⇐⇒ Losbarkeit vonπ∫0

k(x, y)ϕ(y)︸︷︷︸u|t=0

dy = ψ(x) = u|t=1.

D.h. die Entwicklungskoeffizienten der Daten g bzw. ψ mussen mindestens wie 1n (Beispiel

4.46) bzw. e−n (Beispiel 4.47) fallen.

Beispiel 4.48 Singularwertzerlegung einer Matrix

(vgl. Baumeister [7], 8.1, S. 177ff, Louis [28], 5.1, S. 146ff)

A ∈ Rm,n, Bildbereich Rm = R(A)⊕N(A∗)

Bemerkung:

Ax = y losbar ⇐⇒ y ∈ R(A) = N(A∗)⊥(R(A) ist abgeschl.

)

⇐⇒ A∗y = 0

Satz 4.49 Es existieren Matrizen U ∈ Rn,n, V ∈ Rm,m und Zahlen σ1 ≥ . . . σr > 0 mit

r > 0, so dass

A = V

←− n −→

σ1 0

. . .

σr

0 0

︸ ︷︷ ︸D

U∗ (d.h. D ∈ Rm,n)

und U∗U = UU∗ = I, V ∗V = V V ∗ = I (d.h. U und V sind unitar).

Beweis: A∗A ∈ Rn,n ist symm. und positiv semidefinit. Also gibt es reelle Zahlen σ1 ≥. . . ≥ σn ≥ 0, so dass σ2

1 , . . . , σ2n die Eigenwerte von A∗A sind. Seien u1, . . . , un ∈ Rn die

zugehorigen orthonormierten Eigenvektoren, und sei r ≤ n die Zahl, fur die σr > 0, σr+1 =

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4.6. IDENTIFIKATIONSPROBLEME IN HILBERTRAUMEN 67

. . . = σn = 0. Wir setzen

U1 =(u1| . . . |ur

)∈ Rn,r, U2 =

(ur+1| . . . |un

)∈ Rn,n−r

U =(u1| . . . |un

)∈ Rn,n, D1 = diag (σ1, . . . , σr) ∈ Rr,r .

Dann gilt

D−11 = diag (σ−1

1 , . . . , σ−1r ), U∗

1A∗AU1 = D2

1

D−11 U∗

1A∗AU1D

−11 = I ∈ Rr,r, U∗

2A∗AU2 = 0, AU2 = 0

(letzteres, weil Rn = R(A∗)⊕N(A) und die u1, . . . ur eine Basis von R(A∗) bilden; damit

liegen ur+1, . . . , un ∈ N(A)). Setzt man vj = σ−1j Auj ∈ Rm, j = 1, . . . , r, dann bilden die

v1, . . . , vr ein ONS in Rm, das sich zu einer ONB v1, . . . , vn erganzen lasst. Man stellt

fest, dass

(vk, Au`) = 0, ` > r (da u` ∈ N(A), ` > r)

(vk, Au`) = σ−1k (Auk, Au`)

= σ−1k (uk, A

∗Au`) = σk (uk, u`)︸ ︷︷ ︸δk`

, 1 ≤ ` ≤ r

und damit A = V DU ∗.

Literatur

Adams, R. A.: Sobolev spaces. Academic Press, New York, 1975.

Aubin, J.-P.: Applied abstract analysis. Wiley, New York, 1977.

Aubin, J.-P.: Applied functional analysis. Wiley, New York, 1979.

Baumeister, J.: J. Stable Solution of Inverse Problems. Vieweg, Braunschweig, 1987

Dieudonne, J.: Foundations of modern analysis. Academic Press, New York, 1969.

Kantorowitsch, L. W., Akilow, G. P.: Funktionalanalysis in normierten Rumen.

Akademie Verlag, Berlin, 1964.

Louis A. K. Inverse und schlecht gestellte Probleme. Teubner, Stuttgart, 1989.

Oden, J. T., Reddy, J. N.: An introduction to the mathematical theory of finite

elements. Wiley, New York, 1976.

Reinhardt, H.-J.: Analysis of approximation methods for differential and integral

equations. Springer, New York, 1985.

Vainikko, G.: Funktionalanalysis der Diskretisierungsmethoden. Teubner-Verlag, Leip-

zig, 1976.

Page 70: Schlecht gestellte Probleme: Einfuhrung und numerische ... · streiks\ konnten nur Teilbereiche der schlecht gestellten Probleme behandelt werden, wichtige andere mussten weggelassen

68 KAPITEL 4. KOMPAKTE ABBILDUNGEN

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Kapitel 5

Regularisierung schlecht gestellter

Probleme

In diesem zentralen Kapitel wird zuerst die verallgemeinerte Inverse eines beschrankten

linearen Operators eingefuhrt und Beispiele angegeben. In den folgenden Abschnitten wer-

den dann verschiedene Regularisierungsschemata zur Approximation der verallgemeinerten

Inversen vorgestellt. Diese basieren auf der Berucksichtigung eines Strafterms (Tikhonov-

Regularisierung, Abschnitt 5.3), auf iterativen Verfahren (Landweber-Iteration, 5.4, und

Methode der konjugierten Gradienten, 5.5) sowie auf Regularisierung durch Projektions-

verfahren in 5.6.

5.1 Die verallgemeinerte Inverse

In diesem Abschnitt seien X,Y Hilbertraume und A ein beschrankter linearer Operator,

A ∈ L(X,Y ). Wir untersuchen die Losbarkeit der Gleichung (erster Art)

Ax = y (5.1)

mit gegebenen y ∈ Y . Falls keine Losung existiert, also y /∈ R(A), wird ein x ∈ X gesucht

mit der Eigenschaft

‖Ax− y‖ ≤ ‖Au− y‖ ∀u ∈ X. (5.2)

Die Untersuchung dieser Art von”Losung“ ist Gegenstand dieses Abschnitts.

Es bezeichne Q die orthogonale Projektion von Y auf R(A), d.h. (Qy, z)Y = (y, z)Y ∀y ∈Y, z ∈ R(A). Bekanntlich besitzt Qy folgende Minimaleigenschaft,

‖Qy − y‖ ≤ ‖z − y‖ ∀z ∈ R(A) (5.3)

69

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70 KAPITEL 5. REGULARISIERUNG SCHLECHT GESTELLTER PROBLEME

und aus dem Projektionssatz (vgl. z.B. Kantorowitsch-Akilow [25], II.7 und III.3) folgt

y −Qy ∈ R(A)⊥ = R(A)⊥. (5.4)

Außerdem gelten noch die folgenden Beziehungen zwischen A und seinem adjungierten

Operator A∗ ∈ L(Y,X), d.h. (Ax, y)Y = (x,A∗y)X , x ∈ X, y ∈ Y,

N(A) = R(A∗)⊥, N(A∗) = R(A)⊥,

R(A) = N(A∗)⊥, R(A∗) = N(A)⊥(5.5)

Der folgende Satz charakterisiert die Losung von (5.2).

Satz 5.1 Sei y ∈ Y . Dann sind fur x ∈ X die folgenden Bedingungen aquivalent:

(a) Ax = Qy;

(b) ‖Ax− y‖ ≤ ‖Au− y‖ fur alle u ∈ X;

(c) A∗Ax = A∗y.

Beweis: (a) =⇒ (b). Sei u ∈ X. Wegen (5.4) und dem Satz von Pythagoras folgt,

‖Au− y‖2 = ‖Au−Qy‖2 + ‖Qy − y‖2

= ‖Au−Qy‖2 + ‖Ax− y‖2

≥ ‖Ax− y‖2 .

(b) =⇒ (c). Zu Qy ∈ R(A) gibt es eine Folge (xn)n∈N in X mit limn−→∞Axn = Qy. Dafur

gilt

‖Qy − y‖2 = limn−→∞

‖Axn − y‖2 ≥ ‖Ax− y‖2

und

‖Ax− y‖2 = ‖Ax−Qy‖2 + ‖Qy − y‖2

≥ ‖Ax−Qy‖2 + ‖Ax− y‖2 .

Also ist

Ax = Qy, Ax− y = Qy − y ∈ R(A)⊥

= N(A∗)

und deshalb A∗(Ax− y) = 0.

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5.1. DIE VERALLGEMEINERTE INVERSE 71

(c) =⇒ (a). Nach Voraussetzung (c) ist Ax− y ∈ N(A∗) = R(A)⊥

und deshalb

0 = Q(Ax− y) = QAx−Qy = Ax−Qy .

Man bezeichnet den Vektor x, der eine – und damit alle – der Bedingungen von (a) - (c)

in Satz 5.1 erfullt, als Quasilosung (engl. ’least squares solution’) der Gleichung Ax = y.

Die Gleichung in (c) nennt man auch die Normalgleichung. Im endlichdimensionalen Fall

ist die Quasilosung gerade die Losung eines uberbestimmten Gleichungssystems mit einer

nicht notwendig quadratischen Matrix A ∈ Rm,n,m ≥ n (vgl. Stummel-Hainer [43], §7).

Als Folgerung von Satz 5.1 erhalten wir Aussagen uber die Menge der Quasilosungen.

Korollar 5.2 Sei y ∈ Y . Dann gelten die folgenden Aussagen:

i) Die Menge der Quasilosungen,

L(y) := x ∈ X|A∗Ax = A∗y ,

ist nicht leer d.u.n.d. wenn y ∈ R(A)⊕R(A)⊥.

ii) Fur y ∈ R(A) ⊕ R(A)⊥ ist L(y) eine nichtleere, abgeschlossene und konvexe Teil-

menge von X.

Beweis:

i) Fur x ∈ L(y) folgt nach Satz 5.1, dass

Ax− y ∈ N(A∗) = R(A)⊥

= R(A)⊥ .

Also gilt y = Ax + (y − Ax) ∈ R(A) ⊕ R(A)⊥. Diese Aufspaltung ist eindeutig, da

fur beliebige y1 ∈ R(A), y2 ∈ R(A)⊥ mit y = y1 + y2 gilt

Qy = y1 und y1 = Ax fur ein x ∈ X .

Nach Satz 5.1 ist damit x ∈ L(y).

ii) Benutzt man i) und Bedingung (c) von Satz 5.1, dann erhalt man die Konvexitat von

L(y), denn fur x, x′ ∈ L(y) ist A∗Ax = A∗y,A∗Ax′ = A∗y und z = tx′ +(1− t)x, t ∈[0, 1] beliebig, erfullt auch

A∗Az = tA∗y + (1− t)A∗y = A∗y .

Die Abgeschlossenheit folgt aus Bedingung (b) von Satz 5.1, denn fur xn ∈ L(y), n ∈N, mit xn −→ x(n ∈ N), x ∈ X, folgt

‖Ax− y‖ = limn‖Axn − y‖ ≤ ‖Au− y‖ ∀u ∈ X.

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72 KAPITEL 5. REGULARISIERUNG SCHLECHT GESTELLTER PROBLEME

Wegen der Konvexitat von L(y) gibt es eine eindeutig bestimmte Quasilosung x ∈ L(y)

mit minimaler Norm falls y ∈ R(A)⊕R(A)⊥,

‖x‖ = min‖u‖∣∣u ∈ L(y)

.

Def. 5.3 Die verallgemeinerte Inverse A† hat Definitionsbereich D(A†) := R(A)⊕R(A)⊥

und ordnet jedem y ∈ D(A†) die Quasilosung x := A†y mit minimaler Norm zu.

Die verallgemeinerte Inverse hat folgende Eigenschaften.

Korollar 5.4 Es gilt

i) D(A†) ist dicht in Y , und D(A†) = Y , falls R(A) abgeschlossen ist.

ii) Wenn R(A) abgeschlossen ist und A−1 existiert, dann ist A†|R(A) = A−1 .

iii) R(A†) = N(A)⊥(= R(A∗)

).

iv) A† ist linear.

v) A† ist beschrankt d.u.n.d wenn R(A) abgeschlossen ist.

vi) Zu jedem y ∈ D(A†) ist A†y die eindeutige Quasilosung von Ax = y, die in N(A)⊥

liegt.

Beweis: s. Baumeister [7], Cor. 6.5 in Chapt. 6.1.

Fur kompakte Operatoren lasst sich die verallgemeinerte Inverse mit Hilfe der Sin-

gularwertzerlegung angeben.

Satz 5.5 Sei A kompakt mit singularem System σn;un, vn. Dann ist fur y ∈ D(A†)

A†y =∑

j

σ−1j (y, vj)uj .

Beweis: Sei y ∈ D(A†) = R(A)⊕R(A)⊥, d.h. y = Ax+ z, x ∈ X, z ∈ R(A)⊥.

=⇒ (y, vj)Y = (Ax, vj)Y + (z, vj)Y︸ ︷︷ ︸=0

= (x,A∗vj)X = σj(x, uj)X .

Damit konvergiert x† :=∑jσ−1j (y, vj)Y uj =

∑j

(x, uj)Xuj ∀y ∈ D(A†),

(weil∑j

∣∣(x, uj)∣∣2 ≤ ‖x‖2 <∞). Anwendung von A∗A liefert

A∗Ax† =∑

j

σ−1j (y, vj)YA

∗Auj =∑

j

σj(y, vj)Y uj = A∗y

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5.1. DIE VERALLGEMEINERTE INVERSE 73

d.h. x† lost die Normalgleichungen. Da x† ∈ R(A∗)(uj ONB in R(A∗)

)und R(A∗) =

R(A†), folgt

x† = A†y

Beispiel 5.6

A ∈ Rm,n, X = Rn, Y = Rm

Die Matrix-Pseudoinverse A† ∈ Rn,m hat die Eigenschaften:

i) AA†A = A, iii) (AA†)> = AA†,

ii) A†AA† = A†, iv) (A†A)> = A†A.

Beispiel:

A =

1 1

ε 0

0 ε

m = 3, n = 2 A∗A =

1 + ε2 1

1 1 + ε2

(A∗A)−1 =1

ε2(2 + ε2)

1 + ε2 −1

−1 1 + ε2

.

Fur invertierbares A∗A ergibt sich die verallgemeinerte Inverse aus der Normalgleichung

als A† = (A∗A)−1A∗. Fur dieses Beispiel erhalt man

A† =1

ε2(2 + ε2)

1 + ε2 −1

−1 1 + ε2

1 ε 0

1 0 ε

=1

ε2(2 + ε2)

ε2 ε(1 + ε2) −ε

ε2 −ε ε(1 + ε2)

=1

ε(2 + ε2)

ε 1 + ε2 −1

ε −1 1 + ε2

Der Rang von A∗A ist ungefahr 1 und ‖A†‖∞ = O(1/ε), also ist A† schlecht konditioniert.

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74 KAPITEL 5. REGULARISIERUNG SCHLECHT GESTELLTER PROBLEME

5.2 Regularisierungsverfahren

Zur Berechnung von Quasilosungen bzw. zur Bestimmung der verallgemeinerten Inversen

ist es nach Satz 5.1 naheliegend, die Normalgleichung (c) zu benutzen. Aber selbst wenn

A∗Ax = A∗y

eine eindeutige Losung besitzt – und damit dann A† = (A∗A)−1A∗ – konnen kleine Storun-

gen von y große Fehler in der Losung x hervorrufen. A† ist namlich i.a. unstetig (vgl. auch

Beispiel 5.6). Da es sich bei der rechten Seite y der Gleichung Ax = y ublicherweise um

eine aus Messungen ermittelte Große handelt, ist die Voraussetzung y ∈ D(A†) zur An-

wendung der verallgemeinerten Inversen nicht erfullt. Man versucht dann, den Operator

A∗A durch eine Approximation zu ersetzen, die eine beschrankte Inverse hat.

Def. 5.7 Ein Regularisierungsschema ist eine Familie von Operatoren Rαα>0, Rα ∈L(Y,X), mit der Eigenschaft

limα→0‖RαAx− x‖X = 0 ∀x ∈ X .

Falls A bijektiv ist, liefert Rα := A−1, α > 0, offenbar ein Regularisierungsschema. Falls

A injektiv aber A−1 nicht notwendig beschrankt ist, gibt der folgende Satz Eigenschaften

eines Regularisierungsschemas an.

Satz 5.8 Sei A ∈ L(X,Y ) injektiv, R(A) nicht abgeschlossen und (Rα)α>0 ein Regulari-

sierungsschema. Dann gilt

i) (‖Rα‖)α>0 ist unbeschrankt;

ii) Die Konvergenz ‖RαAx−x‖X −→ 0(α −→ 0) ist nicht gleichmaßig auf beschrankten

Teilmengen von X.

Beweis: Da R(A) nicht abgeschlossen ist, ist A−1 : R(A) −→ X nicht beschrankt (s. Satz

3.14).

i) Nach dem Prinzip der gleichmaßigen Beschranktheit (vgl. Satz 3.2) kann(‖Rα‖

)α>0

nicht beschrankt sein, da sonst A−1 beschrankt ware.

ii) Angenommen die Behauptung ist falsch, dann gilt:

∀ε > 0 ∀B = beschrankt ∃α0 > 0∀α : 0 < α ≤ α0 ∀x ∈ B : ‖RαAx− x‖ < ε .

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5.2. REGULARISIERUNGSVERFAHREN 75

Insbesondere erhalt man fur B = ‖z‖ ≤ 1, ε = 1/2 die Existenz eines α0 > 0 mit

‖RαAz − z‖ ≤ 1/2, also fur bel. x ∈ X (mit z = x/‖x‖)

‖RαAx− x‖ ≤1

2‖x‖, 0 < α ≤ α0 .

Fur beliebiges y ∈ R(A) und x = A−1y gilt deshalb

‖A−1y‖ ≤ ‖A−1y −Rαy‖+ ‖Rαy‖

= ‖A−1y −RαA(A−1y)‖+ ‖Rαy‖

≤ 1

2‖A−1y‖+ ‖Rα‖‖y‖, 0 < α ≤ α0 ,

und

‖A−1y‖ ≤ 2‖Rα‖‖y‖, 0 < α ≤ α0 .

Fur ein festes α, insbesondere fur α = α0, widerspricht dies der Unbeschranktheit von

A−1.

Sei nun (Rα)α>0 ein Regularisierungsschema und seien x0 ∈ X, y0, yε ∈ Y gegeben mit

Ax0 = y0, ‖y0 − yε‖ ≤ ε . (5.6)

Wir wollen nun x0 aus yε rekonstruieren und zwar durch xα,ε := Rαyε, α > 0. Fur den

Rekonstruktionsfehler erhalt man dann die Abschatzungen

‖xα,ε − x0‖ ≤ ‖Rαyε −Rαy0‖+ ‖Rαy0 − x0‖≤ ‖Rα‖‖yε − y0‖+ ‖RαAx0 − x0‖≤ ε‖Rα‖+ ‖RαAx0 − x0‖ .

(5.7)

Hierbei bezeichnet man ahnlich wie im Beispiel 1.4 Rα(yε − y0) als Datenfehler und

RαAx0 − x0 als Regularisierungsfehler.

Die Abschatzung (5.7) in Verbindung mit Satz 5.8 zeigt, dass man fur schlecht ge-

stellte Probleme eine Strategie entwickeln muss wie der Regularisierungsparameter α in

Abhangigkeit von der Große ε der Storungen (und von der exakten Losung x0) zu wahlen

ist. (5.6) legt eine solche Strategie nahe, namlich die rechte Seite der letzten Abschatzung

moglichst klein zu machen, also

e(α) := ‖Rα‖ε+ ‖RαAx0 − x0‖

zu minimieren. Falls ε > 0 ist, gilt ja

limα−→0

‖RαAx0 − x0‖ = 0 und limα−→0

‖Rα‖ε =∞ .

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76 KAPITEL 5. REGULARISIERUNG SCHLECHT GESTELLTER PROBLEME

Also muss α so gewahlt werden, dass einerseits eine moglichst gute Genauigkeit fur den

Regularisierungsfehler und andererseits Stabilitat mit moglichst kleinem ‖Rα‖ε erreicht

wird. Das qualitative Verhalten der Schranke e(α) fur den Gesamtfehler ist ahnlich wie

der fur das Beispiel 1.4.

Abbildung 5.1: Gesamtfehler (1), Datenfehler (2), Reg. fehler (3)

In der Praxis ist es schwierig eine vernunftige Wahl fur α zu treffen, da x0 nicht bekannt ist.

Man will aber theoretisch untersuchen, wie das asymptotische Verhalten von(‖Rα‖α>0

)

und(‖RαAx0 − x0‖

)α>0

ist und daruber hinaus Konvergenzordnungen fur den letzten

Term unter geeigneten Voraussetzungen an x0 angegeben.

Die zentralen Fragen fur die Anwendung eines Regularisierungsschemas sind also die fol-

genden:

i) Wie wahlt man α > 0?

ii) Wie berechnet man xα,ε = Rαyε in stabiler Weise?

iii) Wie ist das asymptotische Verhalten von ‖xα,ε − x0‖ fur α→ 0 und ε −→ 0?

5.3 Tikhonov–Regularisierung

Seien A ∈ L(X,Y ), X, Y Hilbertraume. Bei der Tikhonov–Regularisierung sucht man ein

Minimum des folgenden Problems (Pα), α > 0,

minx∈X

(‖Ax− y‖2Y + α‖x‖2X

), y ∈ Y . (5.8)

Dieses Minimierungsproblem ist aquivalent zur Losung der Gleichung

(A∗A+ αI)x = A∗y, y ∈ Y . (5.9)

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5.3. TIKHONOV–REGULARISIERUNG 77

Setzt man namlich ϕ(λ) := Jα(x+ λv), λ ∈ R, v ∈ X beliebig, mit

Jα(x) := ‖Ax− y‖2Y + α‖x‖2X ,

dann erfullt ein Minimum x von (5.8) die Gleichung

0 = ϕ′(0) = 2(Ax− y,Av) + 2α(x, v)

= 2(A∗Ax−A∗y, v) + 2α(x, v) ∀v ∈ X ,

also

A∗Ax+ αx−A∗y = 0 .

Die Gleichung (5.9) ist eindeutig losbar und die Losung hangt stetig von y ab, da A∗A+α I

positiv definit ist,

((A∗A+ α I)z, z

)= ‖Az‖2 + α‖z‖2 ≥ α‖z‖2 > 0, z 6= 0 . (5.10)

Die Losung von (5.9) bzw. (5.8) laßt sich also schreiben als

xα = (A∗A+ α I)−1A∗y ;

Wir setzen deshalb fur die Tikhonov-Regularisierung Rα := (A∗A+α I)−1A∗. Die stetige

Abhangigkeit der Losung von (5.9) ergibt sich aus (5.10) wie folgt,

∥∥(A∗A+ α I)x∥∥ ≥ α‖x‖ (5.11)

=⇒ (x = xα = Rαy)‖A∗y‖ ≥ α‖Rαy‖

=⇒ ‖xα‖ ≤ 1

α‖A‖‖y‖

(wobei noch

1

α‖A‖ ≥ ‖Rα‖

)

Fur y ∈ D(A†) zeigen wir nun, dass Rαy −→ A†y(α −→ 0) konvergiert, d.h. dass durch

(5.8) ein Regularisierungsverfahren erklart wird.

Satz 5.9 Sei y ∈ D(A†) und δR := inf‖A†y −A∗w‖

∣∣‖w‖ ≤ R, R > 0 . Dann gilt

i) limR→∞

δR = 0

ii) ‖A†y − xα‖ ≤ (δ2R + αR2)1/2 ∀α > 0, R > 0

iii) limα−→0

xα = A†y

Beweis:

i) Da R(A†) = N(A)⊥ = R(A∗) laßt sich jedes x = A†y ∈ R(A†)(fur y ∈ D(A†)

)

beliebig gut durch eine Folge A∗wn, wn ∈ X,n ∈ N, approximieren. Dies beweist i).

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78 KAPITEL 5. REGULARISIERUNG SCHLECHT GESTELLTER PROBLEME

ii) Fur x = A†y bzw. xα gelten die Gleichungen

A∗Axα + αxα = A∗y ,

A∗Ax = A∗y (es gilt insbes. die Normalgleichung).

=⇒ ‖Axα −Ax‖2 = (Axα −Ax,Axα −Ax)

= (A∗Axα −A∗Ax, xα − x)

= (A∗y − αxα −A∗y, xα − x)

= −α(xα, xα − x)

= −α‖xα − x‖2 − α(x, xα − x)

= −α‖xα − x‖2 − α(x−A∗w, xα − x)− α=(w,Axα−Ax)︷ ︸︸ ︷

(A∗w, xα − x)

≤ −α‖xα − x‖2 + α‖x−A∗w‖‖xα − x‖+ α‖w‖‖Axα −Ax‖Fur beliebiges w ∈ Y sei nun ‖w‖Y ≤ R . Dann folgt

‖Axα −Ax‖2 ≤ −α‖xα − x‖2 + α‖x−A∗w‖‖xα − x‖+ αR‖Axα −Ax‖

=⇒inf .

‖Axα −Ax‖2 ≤ −α‖xα − x‖2 + αδR‖xα − x‖+ αR‖Axα −Ax‖

≤ −α‖xα − x‖2 + α

12 δ

2R + 1

2‖xα − x‖2

+ 12α

2R2 + 12‖Axα −Ax‖2

=⇒ 12‖Axα − x‖2 + 1

2α‖xα − x‖2 ≤ α2 δ

2R + 1

2α2R2

=⇒ α‖xα − x‖2 ≤ αδ2R + α2R2

Division durch α beweist ii).

iii) Sei R =1

3√α

ii)=⇒ ‖xα − x‖ ≤

δ21/ 3

√α +

α3√α

2

−→ 0

1/2

−→ 0(α −→ 0)

Bemerkung:

Wenn man das asymptotische Verhalten von δR(R −→∞) kennt, kann man die Schranken

in ii) ausbalancieren.

Beispiel 5.10 Fur ein gut gestelltes Problem ist R(A) abgeschlossen, und deshalb

R(A∗) = R(A∗) = N(A)⊥ = R(A†). Zu x† = A†y ∈ R(A†) gibt es also ein w ∈ Y

mit x† = A∗w. Wahlt man R = ‖w‖, dann ist δR = 0 und (nach ii) in Satz 5.9)

‖xα − x†‖ ≤(α‖w‖2

)1/2= α1/2‖w‖ = O

(α1/2

).

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5.3. TIKHONOV–REGULARISIERUNG 79

Beispiel 5.11 Sei A ∈ L(X,Y ) kompakt, σj ;uj , vj ein singulares System, dann laßt

sich die Losung von (A∗A+ α I)xα = A∗y darstellen als

xα =

∞∑

j=1

σjσ2j + α

(y, vj)uj .

Setzt man dies namlich ein in (5.9), so erhalt man

A∗Axα + αxα =∑j

σjσ2j + α

(y, vj)

(A∗Auj︸ ︷︷ ︸σ2

juj

+αuj

)

=∑jσj(y, vj)uj = A∗y .

Eine Verallgemeinerung der Regularisierung nach Tikhonov erhalt man fur einen kompak-

ten Operator A ∈ L(X,Y ) und ein zugehoriges singulares System σj ;uj , vj durch die

Setzung

Rαy(= xα) :=∑

j

σ−1j Fα(σj)(y, vj)Y uj , (5.12)

wobei Fα ein Filter (oder eine Filterfunktion) darstellt, das die folgenden Eigenschaften

besitzt (vgl. Louis [28], 3.3)

limα→0

Fα(σ) = 1 punktweise ∀σ

supj|Fα(σj)σ

−1j | = c(α) <∞

0 < Fα(σj) ≤ 1 ∀α, j

(5.13)

Erklart man das Filter Fα(·) fur σ ∈ (0, a] mit a > 0, dann kann man die zweite Bedingung

auch ersetzen durch Fα(σ) ≤ c(α)σ fur alle σ ∈ (0, a]; in der dritten Bedingung kann man

auch Null zulassen, 0 ≤ Fα(σ) ≤ 1 (vgl. Baumeister [7], 5.2).

Solch ein Filter heißt”regularisierend“, weil dadurch ein Regularisierungsverfahren im

Sinne von Def. 5.7 erklart wird (vgl. Satz 5.12). Bevor Satz 5.12 formuliert und bewiesen

wird sei bemerkt, dass Rα auf ganz Y definiert ist, da wegen der zweiten Bedingung in

(5.13)

‖Rαy‖2X =∑

j

∣∣∣F 2α(σj)σ

−2j

∣∣∣ |(y, vj)Y |2

≤ c(α)2∑

j

∣∣(y, vj)Y∣∣2 ≤ c(α)2‖y‖2Y <∞ ∀y ∈ Y .

(5.14)

Satz 5.12 Unter den obigen Voraussetzungen (5.13) an das Filter Fα wird durch Rα, α >

0, eine Familie beschrankter linearer Operatoren aus L(Y,X) erklart, ‖Rα‖ ≤ c(α), α > 0,

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80 KAPITEL 5. REGULARISIERUNG SCHLECHT GESTELLTER PROBLEME

und ‖Rαy − A†y‖X −→ 0(α −→ 0), y ∈ D(A†). Unter Storungen ‖yε − y‖Y ≤ ε, fur

(kleine) ε > 0, gilt die Konvergenz

‖Rαyε −A†y‖X −→ 0 (α −→ 0) (5.15)

falls α = α(ε) −→ 0 und εc(α) −→ 0 fur ε −→ 0.

Beweis: Die Abschatzung ‖Rα‖ ≤ c(α), α > 0, ist schon in (5.14) gezeigt worden. Weiter

gelten die Abschatzungen

‖Rαyε −A†y‖X ≤ ‖Rαyε −Rαy‖X + ‖Rαy −A†y‖X

≤ ‖Rα‖‖yε − y‖Y + ‖Rαy −A†y‖X

wobei (s. Satz 5.5)

limα−→0

‖Rαy −A†y‖2X = limα−→0

∑j

(1− Fα(σj)

)2σ−2j

∣∣(y, vj)|2

=∑j

limα−→0

(1− Fα(σj)

)2σ−2j

∣∣(y, vj)|2 = 0 .

Letzteres folgt aus der Abschatzung (vgl. auch Louis [28], Satz 3.3.3)

j

(1− Fα(σj)

)2σ−2j

∣∣(y, vj)|2 ≤∑

j

σ−2j

∣∣(y, vj)|2 ≤ ‖A†y‖2 ,

der daraus folgenden gleichmaßigen Konvergenz der Reihe (bzgl. α), die die Vertauschung

von Summation und limα−→0 gestattet, und limα→0

(1 − Fα(σj)

)= 0. Gilt noch α =

α(ε) −→ 0 und εc(α) −→ 0 fur ε −→ 0, dann folgt die behauptete Konvergenz (5.15).

Beispiel 5.13 Tikhonov–Regularisierung

Das Filter bei der (klassischen) Tikhonov-Regularisierung (vgl. Beispiel 5.11) ist gegeben

durch

Fα(σ) =σ2

σ2 + α

Dafur gilt offenbar

limα−→0

Fα(σ) = 1, 0 < Fα(σ) < 1 und σ−1Fα(σ) =σ

σ2 + α≤ 1

2√α

=: c(α)

Die letzte Abschatzung ergibt sich durch die folgenden Aquivalenzen

σ

σ2 + α≤ 1

2√α⇐⇒ 2

√ασ ≤ σ2 + α

⇐⇒ 0 ≤ σ2 − 2√ασ + α⇐⇒ 0 ≤ (σ −√α)2 .

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5.4. ITERATIVE REGULARISIERUNG: LANDWEBER-ITERATION 81

Die Forderungen an c(α) = 12√α

und ε aus Satz 5.12 bedeuten hier, dass

α(ε) −→ 0 und εc(α) =ε

2√α−→ 0(ε −→ 0) .

Dies ist z.B. durch folgende a-priori Wahl von α(ε) = εν mit ν < 2 erfullt.

Beispiel 5.14 Abgeschnittene Singularwertzerlegung

Setzt man fur einen kompakten Operator A ∈ L(X;Y ) und ein zugehoriges singulares

System σj ;uj , vj

Rαy =∑

j:σj≥√α

σ−1j (y, vj)uj (5.16)

dann nennt man Rα abgeschnittene Singularwertzerlegung . Dies entspricht der Filterfunk-

tion

Fα(σ) =

1, σ ≥ √α0, σ <

√α, α > 0 .

Hier gelten die in Anschluss an (5.13) erweiterten Eigenschaften einer Filterfunktion –

insbesondere darf sie Null sein,

0 ≤ Fα(σ) ≤ 1, Fα(σ) ≤ 1√ασ (d.h. c(α) :=

1√α

), limα→0

Fα(σ) = 1 .

Letzteres gilt punktweise (in σ), da fur festes σ und alle α ≤ σ2 gilt Fα(σ) = 1.

Die Forderungen aus Satz 5.12 an c(α) in Abhangigkeit von Datenstorungen yε = y+O(ε)

bedeuten hier

α(ε) −→ 0 undε√α(ε)

−→ 0(ε −→ 0) .

Dies ist wie in Beispiel 5.13 durch die a-priori Wahl α = εν mit ν < 2 erfullt. Es sei hier

noch bemerkt, dass man unter zusatzlichen Voraussetzungen an y den Regularisierungs-

parameter α”optimal“ wahlen kann (vgl. Louis [28], Engl et al. [16], Baumeister [7]).

5.4 Iterative Regularisierung: Landweber-Iteration

Fur eine lineare Abbildung A ∈ L(X,X) zwischen Hilbertraumen X,Y erfullt x = A†y

fur y ∈ R(A†) insbesondere die Normalgleichung A∗Ax = A∗y, was fur ω > 0 aquivalent

zur Losung der folgenden Fixpunktgleichung ist,

x = x− ω(A∗Ax−A∗y) (5.17)

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82 KAPITEL 5. REGULARISIERUNG SCHLECHT GESTELLTER PROBLEME

Die Methode der sukzessiven Approximation mit gestorten Daten yε – und Anfangswert

x0 = 0 – hat die Form

x0 = 0, xn+1 = (I − ωA∗A)xn + ωA∗yε, n = 0, 1, . . . (5.18)

Diese Iterationsvorschrift zur Approximation einer Losung der Normalgleichung bezeichnet

man auch als Landweber-Iteration. Sie ist bekanntlich konvergent, wenn q := ‖I−ωA∗A‖ <1, was fur 0 < ω < 1/‖A‖2 erfullt ist. Die iterativ gebildeten Approximationen lassen sich

in geschlossener Form schreiben,

xn =

n−1∑

ν=0

(I − ωA∗A)νωA∗yε .

Wir unterscheiden zwei Falle. Zunachst sei yε ∈ R(A)⊕R(A)⊥. Dann ist die Normalglei-

chung losbar und die Quasilosung mit minimaler Norm sei mit xεmin = A†yε bezeichnet.

Ist q := ‖I − ωA∗A‖ < 1, dann konvergiert xn −→ xεmin(n −→∞). Es gilt namlich

n−1∑

ν=0

(I − ωA∗A)νωA∗A = I − (I − ωA∗A)n (5.19)

was man wie bei Zahlen (1− α)∑n−1

ν=0 αν = 1− αn durch vollstandige Induktion beweist,

und deshalb

(I − ωA∗A)nxεmin = −(I − (I − ωA∗A)n

)xεmin + xεmin

= −n−1∑ν=0

(I − ωA∗A)νωA∗Axεmin︸ ︷︷ ︸yε

+ xεmin

= −xn + xεmin, n = 1, 2, . . . ,

woraus folgt

‖xεmin − xn‖X ≤ qn‖xεmin‖X −→ 0(n −→∞) . (5.20)

Da A† i.a. unbeschrankt ist (bei R(A) 6= R(A), s. Kor. 5.4), kann xεmin = A†yε u.U. weit

von x = A†y entfernt sein.

Im zweiten Fall sei yε /∈ R(A)⊕R(A)⊥. Nimmt man den nichttrivialen Fall dimR(A) =∞und setzt A als kompakt voraus – mit einem sigularen System σj ;uj , vj – dann laßt sich

xn in (5.20) wie folgt darstellen,

xn =∞∑j=1

n−1∑ν=0

(1− ωσ2

j

)νωσj(y

ε, vj)Y uj

=∞∑j=1

1− (1− ωσ2j )n

σj(yε, vj)Y uj

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5.4. ITERATIVE REGULARISIERUNG: LANDWEBER-ITERATION 83

Im Fall ω < 1/‖A‖2 gilt wegen |σj | ≤ ‖A‖ die Abschatzung 0 < 1− ωσ2j < 1 und

‖xn‖2X =∞∑

j=1

1

σ2j

∣∣1− (1− ωσ2j )n∣∣2∣∣(yε, vj)Y

∣∣2

konvergiert (fur n −→ ∞) gegen

∞∑

j=1

1

σ2j

∣∣(yε, vj)Y∣∣2 ,

Letzeres ist jedoch eine (gegen ∞) divergente Reihe, da mit yε /∈ R(A) die Picard–

Bedingung verletzt ist (vgl. Satz 4.45).

In diesem Fall kann man den Iterationsindex als Regularisierungsparameter interpretieren.

Die letzten Uberlegungen zeigen, dass große Iterationsindizes nicht sinnvoll sind. Um dies

in den Rahmen von Abschnitt 5.3 einzuordnen, kann man hier das Filter

Fα(σ) = 1− (1− ωσ2)1/α fur1

α∈ N( d.h. α =

1

N) (5.21)

einfuhren, wobei 0 < ω < 1/‖A‖2, wie oben, vorausgesetzt wird und σ in 0 < σ < ‖A‖variiert. Eine Regularisierung von x = A†y erhalt man dann durch (α = 1/N)

xεα = Rαyε = xN,ε =

∞∑

j=1

1− (1− ωσ2j )N

σj︸ ︷︷ ︸σ−1

j Fα(σj)

(yε, vj)Y uj . (5.22)

Die in (5.21) angegebene Filterfunktion hat die Eigenschaften

0 < Fα(σ) < 1, limα→0

Fα(σ) = 1

und∣∣Fα(σ)

∣∣σ

=1− (1− ωσ2)N

σ≤ N(=: c

(α)),

da (Bernoullische Ungleichung)

1− (1− τ)N ≤ τN ∀N ∈ N, 0 < τ ≤ 1, und 0 < σ ≤ 1√ω.

Als Folgerung von Satz 5.12 sieht man, dass durch (5.22) ein Regularisierungsschema

Rα = RN , N ∈ N, fur A† gegeben ist, falls N = N(ε) die Bedingungen

N(ε) −→∞ und εN(ε) −→ 0 (ε −→ 0)

erfullt; fur RN , N ∈ N, hat man die Abschatzung ‖RN‖ ≤ N . Mit c(α) = cN = N gilt

dann ja εcN −→ 0(ε −→ 0).

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84 KAPITEL 5. REGULARISIERUNG SCHLECHT GESTELLTER PROBLEME

Man sieht, dass zu große N nicht sinnvoll sind, da dann in (5.18) zu viele Auswertungen

von A∗Axn notig werden. Man muss also in Abhangigkeit der Datenstorungen etwa O(ε−1)

Interationsschritte zur approximativen Bestimmung durchfuhren.

Ein a-posteriori Abbruchkriterium fur die Landweber-Iteration laßt sich durch das folgende

Lemma motivieren.

Lemma 5.15 (vgl. Engl et al. [16], Prop. 6.1, 6.3, S. 157 f)

Seien y ∈ R(A) und x ∈ X beliebig mit Ax = y. Wenn ‖yε−AxN,ε‖ > 2ε, dann ist xN+1,ε

eine bessere Approximation von x† := A†y als xN,ε.

Das folgende Diskrepanz–Prinzip dient daher als Abbruchkriterium fur die Landweber-

Iteration: Stoppe beim ersten Index N = N(ε, yε), fur den gilt

‖yε −AxN,ε‖ ≤ τε (5.23)

mit einem festen τ > 1.

Die im Diskrepanz-Prinzip vorkommende Differenz nennt man auch den N -ten Defekt

oder das N -te Residual. Stoppt man nach dem obigen Diskrepanz-Prinzip, dann hat man

fur den Stopp-Index, der hier ja die Rolle des Regularisierungsparameters spielt (wegen

N = 1α), das folgende asymptotische Verhalten

N(ε, yε) = O(ε−2)(ε −→ 0)

(vgl. Engl et al. [16], Prop. 6.4, S. 158).

Ohne das Diskrepanz-Prinzip anzuwenden, kann man unter weiteren Voraussetzungen an

A bzw. deren Pseudoinverse zeigen, dass die (optimale) Konvergenzordnung (µ > 0)

‖xn,ε − x†‖ = O(ε2µ

2µ+1 )(ε −→ 0)

vorliegt, wobei dann N(ε, yε) = 0(ε− 2

2µ+1 ) ist (vgl. Engl et al. [16], Thm. 6.5 und Abschnitt

4.2).

5.5 Die Methode der konjugierten Gradienten

Die bekannte Methode der konjugierten Gradienten (Abk.: CGM) eignet sich ahnlich wie

das Landweber-Verfahren als iterative Regularisierung schlecht gestellter Probleme, wobei

wieder der Iterationsindex, bzw. der Kehrwert davon, die Rolle des Regularisierungspara-

meters spielt.

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5.5. DIE METHODE DER KONJUGIERTEN GRADIENTEN 85

Zu A ∈ L(X,Y ), X, Y Hilbertraume, K = R, sucht man wieder eine Approximation der

Losung von Ax = y bzw. von einer Quasilosung A∗Ax = A∗y, wobei y durch Storungen

yε mit ‖y − yε‖ ≤ ε ersetzt wird. Die Bestimmung einer Quasilosung ist aquivalent zur

Minimierung von

J(x) :=1

2‖Ax− y‖2 −→ min (5.24)

(vgl. Satz 5.1). Wir wollen dieses Minimierungsproblem iterativ losen und benotigen dazu

die Frechet–Ableitung von J ,

J ′(x) = A∗(Ax− y) (5.25)

Die Beziehung (5.25) ist aquivalent zu

(J ′(x), h

)X

=(A∗(Ax− y), h

)X

= (Ax− y,Ah)Y ∀x, h ∈ X

Beweis: von (5.25)

Wir mussen nachprufen, ob

∣∣J(x+ h)− J(x)− J ′(x)h∣∣

‖h‖ −→ 0(‖h‖ −→ 0

)

Es ist

∥∥A(x+ h)∥∥2 − ‖Ax‖2 =

(A(x+ h), A(x+ h)

)− ‖Ax‖2

= (Ax,Ax) + (Ax,Ah) + (Ah,Ax) + (Ah,Ah) − ‖Ax‖2

= 2(Ax,Ah) + ‖Ah‖2,

und

2J(x) = (Ax− y,Ax− y) = ‖Ax‖2 − 2(Ax, y) + ‖y‖2,

2J(x+ h) =∥∥A(x+ h)

∥∥2 − 2(A(x+ h), y

)+ ‖y‖2,

2(J(x+ h)− J(x)

)=

∥∥A(x+ h)∥∥2 − ‖Ax‖2 − 2

(A(x+ h), y

)− (Ax, y)

= 2(Ax,Ah) + ‖Ah‖2 − 2(Ah, y)

= 2(Ax− y,Ah) + ‖Ah‖2, x, h ∈ X, y ∈ Y .

Setzt man (5.25) ein, dann erhalt man

∣∣J(x+ h)− J(x)− J ′(x)h∣∣ =

1

2‖Ah‖2 ≤ 1

2‖A‖2‖h‖2 ,

was die Eigenschaft von (5.25) als eindeutig bestimmter Frechet–Ableitung beweist.

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86 KAPITEL 5. REGULARISIERUNG SCHLECHT GESTELLTER PROBLEME

Die CGM ist nun unter Berucksichtigung von (5.25) wie folgt erklart

r0 := A∗(Ax0 − y) =: −d0(m = 0) ,

αm := − ‖rm‖2X

‖Adm‖2Y, xm+1 := xm + αmd

m ,

rm+1 := A∗(Axm+1 − y)(

= J ′(xm+1)),

βm :=(Arm, Adm)Y‖Adm‖2Y

, dm+1 := −rm+1 + βmdm .

(5.26)

Man stoppt, wenn rm = 0; sonst berechnet man mit Hilfe von αm, xm+1 das neue rm+1

und pruft erneut. Es sei bemerkt, dass man βm auch durch βm = ‖rm+1‖2Y /‖rm‖2Y erhalt.

Die Iterierten des CGM haben folgende Eigenschaften.

dm ∈ N(A)⊥, (Adm, Adk)Y = 0 ∀m 6= k,

xm minimiert J auf x0 +Dm−1, Dm−1 := span (d0, . . . , dm−1)

(rm, dj) = 0 ∀j < m .

Die m-ten Residuen rm := Axm − y berechnen sich durch

rm+1 = Axm+1 − y = A(xm + αmdm)− y

= Axm − y + αmAdm

= rm + αmAdm, m = 0, 1, . . . ,

(5.27)

so dass in jedem Iterationsschritt Az bzw. A∗w nur zweimal gebildet werden muss (fur

Adm zur Berechnung von αm bzw. A∗rm+1 zur Berechnung von rm+1).

Fur das CGM gilt das folgende Ergebnis.

Satz 5.16 Sei A ∈ L(X;Y ) kompakt (und A 6= 0). Dann ist die Abbildung Rk :

Y 3 y 7−→ xk ∈ x0 +Dk−1 fur gewisse y und alle k unstetig.

Beweisskizze (s. Engl et al. [16], Thm. 7.6): Mit einem singularen System σj ;uj , vj sei

x =k−1∑j=1

ξjuj, ξj 6= 0 ∀j, und y = Ax. Dann lassen sich zu beliebigem δ > 0 naturliche

Zahlen m = m(δ) angeben – namlich alle m(δ) so, dass δ/σm(δ) −→ ∞(δ −→ 0) – fur die

mit yδ = y + δvm gilt

‖Rkyδ −Rky‖ ≥δ

σm(δ)−→∞(δ −→ 0).

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5.5. DIE METHODE DER KONJUGIERTEN GRADIENTEN 87

Mit der im Beweis angegebenen Folge (fur y = 0) yδ = δvm sieht man, dass

yδ −→ 0 (δ −→ 0) aber

xk(δ) = Rk(δ)yδ =

δ

σmum −→∞(δ −→ 0)

fur jede (a-priori) Wahl von Indizes k = k(δ) −→ ∞(δ −→ 0). (Fur das betrachtete x

bzw. y = Ax sieht man auch noch, dass xk = Rky = A†y = x ist.) Also hat die CGM fur

gewisse y nicht die Eigenschaft eines Regularisierungsverfahrens.

Stoppt man beim CGM fur obiges x =∑k−1

j=1 ξjvj bzw. y = Ax allerdings schon bei der

(k − 1)-ten Iteration, dann hat man folgende Stabilitatsaussage,

xk−1,δ = Rk−1yδ −→ Rk−1y = x fur yδ −→ y. (5.28)

Nach Ergebnissen von Gilyazov [20] und Nemirovskii [32] kann man fur y ∈ D(A†) die

Konvergenz der Iterierten xk des CGM zeigen,

xk = Rky −→ A†y(k −→∞), y ∈ D(A†).

Betrachtet man fur y ∈ R(A) und Storungen yε mit ‖yε−y‖ ≤ ε das folgende”Diskrepanz–

Prinzip“ fur das CGM, d.h. mit einem τ > 1 stoppt man beim ersten Index k = k(ε, yε),

fur den

‖yε −Axk,ε‖ ≤ τε < ‖yε −Axk−1,ε‖ (5.29)

gilt, dann stellt man fest:

i) Die Norm des k-ten Defekts des CGM ist immer kleiner als beim Landweber-

Verfahren. Das asymptotische Verhalten der Stopp-Indizes bei letzterem garantiert

daher, dass auch das Diskrepanz–Prinzip fur das CGM erfullt wird, d.h. dass das

CGM stoppt.

ii) Wegen der Minimaleigenschaft des CGM sind die Normen der Defekte nicht wach-

send, also der Stopp-Indes k(ε, yε) durch (5.29) eindeutig bestimmt.

iii) Bricht das CGM durch rk = 0, fur alle k ≥ κ, ab, dann ist xκ,ε = A†yε und

‖yε −Axk,ε‖ ≤ ε, also auch k(ε, yε) ≤ κ.

Von Nemirovskii [32] sind unter starkeren Voraussetzungen an die verallgemeinerte Losung

x† = A†y auch Abschatzungen fur ‖xk,ε − x†‖ gezeigt worden, worauf hier aber nicht

eingegangen werden kann.

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88 KAPITEL 5. REGULARISIERUNG SCHLECHT GESTELLTER PROBLEME

Beispiel 5.17 Inverses Warmeleitproblem (IHCP)

Hier wird die Anwendung des CGM fur das IHCP skizziert. Fur Details sei auf [22] ver-

wiesen. Das IHCP ist bereits in Abschnitt 4.4 beschrieben worden.

Sucht man nicht nur den Warmefluss (q =)v1 bei x = 0 sondern auch die Anfangstempera-

tur v0 = u|t=0, dann ist dem Problem ein”Neumann–zu–Dirichlet–Operator“ zugeordnet,

A : L2(0, 1) × L2(0, T ) 3 (v0, v1) 7−→ u(1, ·) = u(1, ·; v0, v1) ∈ L2(0, T )

wobei u die Losung des folgenden parabolischen Anfangs-Randwertproblems bezeichnet,

ut(x, t) =(a(x, t)ux

)x

+ c(x, t)u+ F (x, t), (x, t) ∈ (0, 1) × (0, T ],

aux∣∣x=1

= 0, 0 < t ≤ T,

−aux∣∣x=0

= v1(t), 0 < t ≤ T,

u(x, 0) = v0(x), 0 < x ≤ 1,

(5.30)

Hierbei sind die Koeffizientenfunktionen a, c und der Quellterm F gegeben. Bei x = 1 sind

zusatzlich noch Temperaturwerte g = u|x=1 gegeben, die auch in gestorter Form gε ≈ u|x=1

vorliegen konnen – z.B. durch Meßfehler. Man nennt den Fluss und die Temperatur bei

x = 0, die Cauchy–Daten bei x = 0. In Abschnitt 4.4 haben wir gesehen, dass im dortigen

Spezialfall und bei vorgegebener Anfangstemperatur v0 = 0 die Bestimmung von q = v1

(aus g) auf eine Integralgleichung erster Art fuhrt, die schlecht gestellt ist. Der allgemeine

Fall mit von x und t abhangigen Funktionen a, c, F und der Bestimmung von v = (v0, v1)

aus den Cauchy-Daten ist offenbar schwieriger – und ebenfalls schlecht gestellt.

Zur approximativen Losung des IHCP wollen wir die Methode der konjugierten Gradienten

(CGM) verwenden. Zunachst stellt man fest, dass der Operator A affin ist, A = AL + z,

wobei der lineare Anteil AL gegeben ist durch

AL(v0, v1) = u(1, ·; v0, v1)

und u die Losung von (5.30) mit F = 0 bezeichnet, und z = u(1, ·; 0, 0) die Losung von

(5.30) mit gegebenem F aber v0 = 0, v1 = 0 ist.

Betrachtet man

J(v) :=1

2

∥∥u(1, ·; v0, v1)− g∥∥2

L2(0,T ), (5.31)

dann ergibt sich die Frechet–Ableitung durch (5.25), J ′(v) = A∗L

(A(v0, v1) − g

). Den zu

AL adjungierten Operator A∗L erhalt man mit Hilfe der Losung ψ = A∗

Lρ der Differential-

gleichung

ψt = −(aψx)x − cψ, 0 < x < 1, 0 ≤ t < T, (5.32)

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5.6. REGULARISIERUNG DURCH PROJEKTIONSVERFAHREN 89

mit”Endbedingung“ und Randbedingungen

ψ(x, T ) = 0, 0 < x < 1,

aψx|x=1 = ρ, 0 < t < T,

aψx|x=0 = 0, 0 < t < T .

(5.33)

-

6

ψx = 0 ψx = ρψt = −ψxx(a = 1, c = 0)

ψ = 0T

x

Die Frechet-Ableitung ergibt sich dann zu

J ′(v) =

ψ(x, 0)

ψ(0, t)

,

wobei fur die Randbedingungen bei x = 1 hier der Defekt ρ = u(1, ·; v0, v1)− g eingesetzt

wird.

Das Problem (5.32), (5.33) ist ein parabolisches Problem ruckwarts in der Zeit, was aber

wegen des Minuszeichens vor (aψx)x gut gestellt ist. Man nennt (5.32), (5.33) das zu (5.30)

adjungierte Problem.

Damit ist alles bereitgestellt, um das CGM zur approximativen Bestimmung des

Randwarmeflusses v1 und der Anfangstemperatur v0 durchzufuhren. In jedem Iterati-

onsschritt muss man einmal das direkte Problem (5.30) losen – zur Bestimmung von

Adm = u(1, ·; d(m)0 , d

(m)1 ) – und einmal das adjungierte Problem – zur Bestimmung von

rm+1 = (rm+10 , rm+1

1 ).

5.6 Regularisierung durch Projektionsverfahren

(nach Louis [28], 4.6)

Seien X,Y Banachraume und A : X −→ Y linear, stetig, injektiv. Dann betrachten wir

wieder die Operatorgleichung

Ax = y .

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90 KAPITEL 5. REGULARISIERUNG SCHLECHT GESTELLTER PROBLEME

Projektionsverfahren werden charakterisiert durch Folgen endlichdimensionaler Raume

Xhh ⊂ X, Y ∗h h ⊂ Y ∗, h ∈ Λ,

mit einer Nullfolge Λ. Es werden Naherungslosungen in den Teilraumen Xh gesucht. Die

Gleichheit von Operator angewandt auf die Elemente im Unterraum und Inhomogenitat

wird durch die Funktionale in Y ∗h beschrieben. Als Naherungslosung bestimmen wir

xh ∈ Xh mit < ψ,Axh > = < ψ, y > fur alle ψ ∈ Y ∗h . (5.34)

Wir nehmen an, dass xh eindeutig bestimmt ist. Dies ist eine Bedingung an die Wahl von

Y ∗h in Abhangigkeit von Xh. Diese Forderung stellt keine starke Einschrankung dar, hat

aber den Vorteil, dass die im folgenden definierte Abbildung Qh nicht mengenwertig ist.

Wir schreiben die Anwendung der Funktionale ψ ∈ Y ∗ auf Elemente aus Y als < ψ, y >.

Ist Y ein Hilbertraum mit Skalarprodukt (·, ·), dann kann man bekanntlich Y ∗ mit Y

identifizieren (uber den Satz von Riesz) und < ψ, y >= (ψ, y) schreiben. In diesem Fall

betrachtet man Teilraume Yh ⊂ Y .

Beispiel 5.18 Fehlerquadratmethode

Es sei Y ein Hilbertraum und Y ∗h = AXh ⊂ Y = Y ∗. Ist

Xh = span ϕ1, . . . , ϕn ,

dann ist

Y ∗h = span Aϕ1, . . . , Aϕn .

Die Naherungslosung xh konnen wir darstellen als

xh =n∑

ν=1

ανϕν .

Aus < ψ,Axh >= (ψ, y) entsteht

(ψ,Axh) = (Aϕµ,n∑ν=1

ανAϕν)

(ψ, y) = (Aϕµ, y)

fur µ = 1, . . . , n. Dies ist ein lineares Gleichungssystem fur die Entwicklungskoeffizienten

αν der Form

Bα = G

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5.6. REGULARISIERUNG DURCH PROJEKTIONSVERFAHREN 91

mit B = (bµν), G = (gµ) und

bµν = (Aϕµ, Aϕν) = (ϕµ, A∗Aϕν), µ, ν = 1, . . . , n,

gµ = (Aϕµ, y) = (ϕµ, A∗y), µ = 1, . . . , n .

Man kann somit xh auch bestimmen durch Minimierung des Defektes

‖Ax− y‖2 in Xh ,

was dem Verfahren den Namen gegeben hat. (vgl. auch Stummel-Hainer [43], §7).

Beispiel 5.19 Das Ritz–Verfahren

Hier sei X = Y ein Hilbertraum und A selbstadjungiert und positiv definit. Wir wahlen

Y ∗h = Xh. Dann gilt hier

(ϕµ, Axh) = (ϕµ, y) fur µ = 1, . . . , n .

Das Gleichungssystem hat die Form

Bα = G

mit B = (bµν), G = (gµ) und

bµν = (ϕµ, Aϕν), µ, ν = 1, . . . , n,

gµ = (ϕµ, y), µ = 1, . . . , n .

Dieselbe Losung xh erhalt man auch, wenn man das Funktional

J(x) := (x,Ax)− 2(x, y)

in Xh minimiert.

Beispiel 5.20 Das Kollokationsverfahren

Eine gegenuber den bisher vorgestellten Methoden grundlegend unterschiedliche Wahl der

Funktionale kennzeichnet das Kollokationsverfahren. Sei Y = C(Ω), also der Raum der

stetigen Funktionen auf Ω mit beschranktem Ω. Die Funktionale aus Y ∗h sollen nun die

Punktauswertungen an Stellen in Ω sein. Damit konnen wir Y ∗h darstellen als

Y ∗h = span δt1 , . . . δtn

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92 KAPITEL 5. REGULARISIERUNG SCHLECHT GESTELLTER PROBLEME

also

δtkf = f(tk), tk ∈ Ω .

Fur (5.34) entsteht hier folgendes Gleichungssystem

n∑

ν=1

ανAϕν(tµ) = y(tµ), µ = 1, . . . , n .

Das ergibt das Gleichungssystem Bα = G mit

B = (bµν), G = (gµ),

bµν = Aϕν(tµ), µ, ν = 1, . . . , n,

gµ = y(tµ), µ = 1, . . . , n .

Die Abbildungen

Ph : X −→ Xh

und

Qh : Y −→ Xh

mit

XA−→ Y

Ph Qh

Xh

seien definiert durch

< ψ,APh· >=< ψ,A· > und < ψ,AQh· >=< ψ, · >

fur alle ψ ∈ Y ∗h . Qh ordnet also einem Element y ∈ Y die Naherungslosung xh zu. Es folgt

aus (5.34)

xh = Qhy, denn < ψ, AQhy >=< ψ, y >

und

xh = Phx, denn < ψ, APhx >=< ψ,Ax > .

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5.6. REGULARISIERUNG DURCH PROJEKTIONSVERFAHREN 93

Wir werden nun die Projektionsverfahren als Regularisierungen studieren. Die Rolle des

Regularisierungsparameters ubernimmt der Diskretisierungsparameter h, die Regularisie-

rung ist Qh. Diese Abbildung ist im Falle eines invertierbaren A gegeben als Qh = PhA−1.

Fur alle u ∈ Xh ist

Phu = u⇐⇒ (I − Ph)u = 0 ,

da Phu als Losung von (5.34) in Xh eindeutig bestimmt ist. Somit folgt

x− xh = (I − Ph)x = (I − Ph)(x− u) fur alle u ∈ Xh ,

und es gilt

‖x− xh‖ ≤(1 + ‖Ph‖

)dist(x,Xh)

mit

dist(x,Xh) := inf‖x− v‖, v ∈ Xh

.

Def. 5.21 Ein Projektionsverfahren heißt quasioptimal, wenn ‖Ph‖ ≤ cP mit einer von

h unabhangigen Konstante cP .

Satz 5.22 Es gelte dist(x,Xh) −→ 0 fur h −→ 0 und alle x ∈ X. Dann sind folgende

Aussagen aquivalent:

i) Qh : Y −→ X ist ein lineares Regularisierungsverfahren.

ii) Das Projektionsverfahren ist quasioptimal.

Beweis: ii) =⇒ i) Aus der Quasioptimalitat folgt

‖x− xh‖ = ‖x−Qhy‖ ≤ (1 + ‖Ph‖) dist(x,Xh)

≤ (1 + cP ) dist(x,Xh) .

Ist Xh dicht in X in dem Sinn

dist(x,Xh) −→ 0 ∀x ∈ X ,

so konvergiert QhA gegen die Identitat. Fur festes h ist Qh stetig, da (5.34) im endlichdi-

mensionalen Xh eindeutig losbar ist. Also ist Qh eine Regularisierung.

i) =⇒ ii) Sei Qh, h ∈ Λ, ein Regularisierungsverfahren fur eine Nullfolge Λ von positiven

Schrittweiten. Dann gilt QhA = Ph, weil

< ψ,AQhAu > = < ψ,Au > = < ψ,APhu > ∀u ∈ X ∀ψ ∈ Y ∗h ,

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94 KAPITEL 5. REGULARISIERUNG SCHLECHT GESTELLTER PROBLEME

und A injektiv ist, und wegen dist(x,Xh) −→ 0 (h −→ 0) konvergiert

QhA = Ph −→ I (h −→ 0)

punktweise. Nach dem Satz von Banach-Steinhaus bzw. dem Prinzip von der gleichmaßi-

gen Beschranktheit (s. Satz 3.4 bzw. Satz 3.2) folgt ‖Ph‖ ≤ cP , also die Quasioptimalitat

des Projektionsverfahrens.

Stehen nur gestorte Daten gε zur Verfugung, so erhalten wir folgende Abschatzung fur

den Gesamtfehler.

Satz 5.23 Seien y, yε ∈ Y mit ‖y − yε‖ ≤ ε. Dann gilt fur die Naherungslosung xεh die

Fehlerabschatzung

‖x− xεh‖ = ‖x−Qhyε‖ ≤

(1 + ‖Ph‖

)dist(x,Xh) + ‖Qh‖ε .

Beweis: Es ist

‖x−Qhyε‖ ≤ ‖x− Qhy︸︷︷︸

xh=Phx

‖+∥∥Qh(y − yε)

∥∥

≤(1 + ‖Ph‖

)dist(x,Xh) + ‖Qh‖ε .

Der Begriff der Quasioptimalitat spielt bei der Konvergenzuntersuchung gut gestellter

Probleme auch eine entscheidende Rolle. Fur den Datenfehler folgt dort

‖Qh‖ ≤ ‖Ph‖ · ‖A−1‖ ≤ cQ unabhangig von h.

Bei schlecht gestellten Problemen ist eine solche Abschatzung wegen der Unbeschranktheit

von A−1 nicht mehr zu erwarten. Um nun wieder Aussagen uber die Regularisierungsord-

nung zu machen, benotigen wir eine weitere Eigenschaft der Projektionsverfahren. Fur

u ∈ Xh ist

u = QhAu(= Phu)

somit

‖u‖ ≤ ‖Qh‖ · ‖Au‖ ,

also

‖Qh‖ ≥ αh := sup‖u‖ : u ∈ Xh, ‖Au‖ = 1

. (5.35)

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5.6. REGULARISIERUNG DURCH PROJEKTIONSVERFAHREN 95

Das so definierte αh hangt nur noch von Xh, nicht aber von Y ∗h , ab. Bei unbeschranktem

A−1 gilt aber

αh −→ ∞ fur h −→ 0 .

Def. 5.24 Das Projektionsverfahren Qh heißt robust, wenn unabhangig von h gilt

‖Qh‖α−1h ≤ cQ .

Folgerung 5.25 Ist das Verfahren quasioptimal und robust, so gilt

‖x− xεh‖ ≤ C(dist(x,Xh) + εαh

).

Bemerkung. Diese Abschatzung kann durch die Wahl von Y ∗h nicht beeinflußt werden.

Auch hier ist der Gesamtfehler dargestellt als Summe aus Diskretisierungsfehler und Da-

tenfehler.

Der Nachweis von Quasioptimalitat und Robustheit muss nun in jedem konkreten Bei-

spiel eines Projektionsverfahrens durchgefuhrt werden. Am einfachsten gelingt er bei der

Fehlerquadratmethode.

Satz 5.26 Die Fehlerquadratmethode ist robust. Existiert eine Konstante c > 0, so dass

fur alle x ∈ X ein u ∈ Xh existiert mit

‖x− u‖+ αh∥∥A(x− u)

∥∥ ≤ c‖x‖ ,

dann ist die Fehlerquadratmethode quasioptimal. Hierbei ist αh wie in (5.35) definiert.

Beweis:

i) Die Fehlerquadratmethode ist definiert durch

(Axh, Au) = (y,Au) fur alle u ∈ Xh .

Setzt man insbesondere u = xh, so folgt

‖Axh‖2 = (y,Axh) ≤ ‖y‖‖Axh‖

also

‖Axh‖ ≤ ‖y‖ .

Aus xh = Qhy folgt

‖AQhy‖ ≤ ‖y‖ ,

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96 KAPITEL 5. REGULARISIERUNG SCHLECHT GESTELLTER PROBLEME

also, falls AQhy 6= 0 ist, gilt

‖Qhy‖ =

≤αh︷ ︸︸ ︷‖Qhy‖‖AQhy‖

‖AQhy‖ ≤ αh‖y‖ .

Ist AQhy = 0 so ist auch Qhy = 0 (da A injektiv). Somit ist das Verfahren robust

(mit cQ = 1).

ii) Um die Quasioptimalitat zu zeigen, betrachten wir u ∈ Xh. Es ist

QhAu = u(= Phu)

und somit

‖Phx− x‖ =∥∥QhA(x− u) + u− x

∥∥

≤ ‖Qh‖∥∥A(x− u)

∥∥+ ‖x− u‖≤ αh

∥∥A(x− u)∥∥+ ‖x− u‖ (cQ = 1)

≤ c‖x‖

nach Voraussetzung fur ein geeignetes u (zu x ∈ X). Also gilt

‖Ph‖ ≤ 1 + c ,

was die Quasioptimalitat zur Folge hat.

Projektionsverfahren mit speziellen Ansatzfunktionen konnen wir als Filterung der ver-

allgemeinerten Inversen interpretieren. Sei A ∈ L(X,Y ) kompakt, X,Y Hilbertraume,

σj ;uj, vj ein singulares System. Als endlichdimensionale Teilraume der Fehlerquadrat-

methode wahlen wir

Xh = spanu1, . . . , uN .

Dann ergibt sich die Matrix B bei der Fehlerquadratmethode zu

bµ,ν = (Auµ, Auν)

= σµσν(vµ, vν)

= σ2µδµν , µ, ν = 1, . . . , N .

Die Matrix B ist also die Diagonalmatrix mit den Elementen σ2µ fur µ = 1, . . . , N . Die

rechte Seite des Gleichungssystems ist gegeben durch G = (gµ) mit

gµ = (Auµ, y) = σµ(vµ,, y) .

Page 99: Schlecht gestellte Probleme: Einfuhrung und numerische ... · streiks\ konnten nur Teilbereiche der schlecht gestellten Probleme behandelt werden, wichtige andere mussten weggelassen

5.6. REGULARISIERUNG DURCH PROJEKTIONSVERFAHREN 97

Die Entwicklungskoeffizienten sind dann sofort abzulesen als

αµ =1

σµ(vµ, y) .

Die Losung stimmt mit der abgeschnittenen Singularwertzerlegung (s. Beispiel 5.14) ube-

rein, also

xh =N∑

µ=1

(y, vµ)

σµuµ .

Naturlich ist es viel zu aufwendig, den Unterraum aus den singularen Funktionen aufzu-

spannen, aber wegen der Vollstandigkeit der singularen Funktionen kann jede Basis eines

Unterraumes durch diese Elemente reprasentiert werden; die Losungen lassen sich dann

als gefilterte Singularwertzerlegung auffassen.

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98 KAPITEL 5. REGULARISIERUNG SCHLECHT GESTELLTER PROBLEME

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Anhang A

Theoretische Ubungsaufgaben

A.1 Erstes Ubungsblatt

1. Aufgabe: Sei M ein metrischer Raum, zum Beispiel der n–dimensionale Zahlen-

raum Rn mit einer Norm ‖.‖ und der Metrik |x, y| = ‖x− y‖. Sei G die Menge aller

nicht leeren beschrankten abgeschlossenen Teilmengen von M . Man zeige: Fur jedes

Paar von Mengen G1, G2 ∈ G existiert dann

d0(G1, G2) = supx∈G1

|x,G2| , d(G1, G2) = max (d0(G1, G2) , d0(G2, G1))

mit der Abkurzung

|x,G| = infy∈G|x, y| , x ∈M , G ∈ G .

Die Funktion d(., .) definiert einen Abstand, den Hausdorff–Abstand, fur die Mengen

in G, so daß G ein metrischer Raum wird.

2. Aufgabe: Sei [a, b] ein beschranktes abgeschlossenes Intervall der reellen Zahlen-

geraden R und fur jedes h aus einer Nullfolge I0 sei Gh eine Gitterpunktmenge der

Gestalt

Gh =x ∈ [a, b]

∣∣∣ x = a+ jh, j = 0, . . . , Nh

,

b− ah−1 < Nh ≤

b− ah

.

Damit beweise man fur den Hausdorff–Abstand d die Beziehung

d (Gh, [a, b]) ≤ h −→ 0 (h ∈ I0) .

3. Aufgabe: Sei (uj)j∈N eine Zahlenfolge und u eine Zahl. Man beweise: Dann und

nur dann ist die Folge (uj)j∈N konvergent und limj∈N

uj = u, wenn die Folge (uj)j∈N

kompakt ist und fur jede konvergente Teilfolge (uj)j∈N′ , N′ ⊂ N, gilt limj∈N′

uj = u.

99

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100 ANHANG A. THEORETISCHE UBUNGSAUFGABEN

A.2 Zweites Ubungsblatt

4. Aufgabe: Sei H ein prahilbertscher Raum mit dem Skalarprodukt (., .), sei Hm

ein m-dimensionaler Teilraum und w1, . . . , wm eine orthonormale Basis in Hm. Man

beweise: Dann wird durch die Vorschrift

Pu =

m∑

k=1

(u,wk)wk , u ∈ H ,

eine beschrankte lineare Abbildung in H definiert mit den Eigenschaften P 2 = P

sowie

(a) Pu = u⇐⇒ u ∈ Hm

(b) (Pu, v) = (u, Pv) , u, v ∈ H(c) 0 ≤ (u, Pu) = ‖Pu‖2 ≤ ‖u‖2 , u ∈ H .

5. Aufgabe: Sei (X, ‖.‖) ein Banachraum, Z ein linearer Teilraum von X. Zeigen Sie:

Z ist Banachraum d.u.n.d. wenn Z abgeschlossen ist.

6. Aufgabe: Sei G = [α, β] ein beschranktes abgeschlossenes Intervall der reellen Zah-

lengeraden R undX = C1[α, β] der Raum der stetig differenzierbaren reell bzw. kom-

plexwertigen Funktionen auf [α, β]. Dann wird eine Abbildung A von X = C 1[α, β]

in Y = K× C[α, β] definiert durch die Vorschrift

v = Au⇐⇒ v =

(u(α) ,

du

dx

)∈ K×C[α, β] ,

fur jedes u ∈ X = C1[α, β]. Man beweise: Die Abbildung A : X → Y ist bijektiv,

linear und in beiden Richtungen stetig, d. h. es gibt positive Zahlen γ0, γ1 mit der

Eigenschaft

γ0‖u‖X ≤ ‖Au‖Y ≤ γ1‖u‖X , u ∈ X = C1[α, β] ,

mit den Normen

‖u‖X = max

(‖u‖C[α,β] ,

∥∥∥∥du

dx

∥∥∥∥C[α,β]

), ‖v‖Y = max

(|c|, ‖d‖C[α,β]

)

fur jedes u ∈ X = C1[α, β] und v = (c, d) ∈ Y = K× C[α, β].

7. Aufgabe: Zeigen Sie:

Die Bestimmung der n-ten Ableitung x = f (n) einer Funktion f ∈ Cn[0, 1] mit f(0) =

f ′(0) = ... = f (n−1)(0) = 0 ist aquivalent zur Losung der folgenden Integralgleichung

(Ax(t) :=)

∫ t

0

1

(n− 1)!(t− s)n−1x(s)ds = f(t) .

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A.3. DRITTES UBUNGSBLATT 101

A.3 Drittes Ubungsblatt

8. Aufgabe: Zeige:

a) Eine injektive, lineare Abbildung T : X → Y ist genau dann abgeschlossen,

wenn T−1 : T (X)→ X abgeschlossen ist.

b) C1[a, b] ist bzgl. der Maximumnorm nicht abgeschlossen.

9. Aufgabe: Zeige:

a) Der Integraloperator A aus Aufg. 7 ist eine kompakte Abbildung von C[0, 1] in

C[0, 1] (bzgl. der Maximumnorm).

b) Das Problem Ax = f aus Aufg. 7 ist bzgl. der Maximumnorm schlecht gestellt.

10. Aufgabe: Sei f(x) := x− x2, x ∈ [0, π]. Setze an :=2

π

π∫

0

f(x) sin nxdx, n ∈ N.

a) Berechne an, n ∈ N und zeige: f(x) =∑n∈N

an sin nx, x ∈ [0, π).

b) Sei nun an ∈ R eine Naherung von an mit |an − an| ≤ε

n, n ∈ N, ε > 0 .

Zeige:∑n∈N

(an − an)2 ≤ ε2π2

6.

c) Zeige:”I.a.“ ist g(x) :=

∑n∈N

an sin nx, x ∈ [0, π], divergent.

d) Zeige:π∫0

∣∣f(x)− g(x)∣∣2 dx ≤ ε2 π

3

12.

e) Zeige:

Mit X := C[0, π], Y := `2 :=(βn) :

∞∑0β2n < ∞

, ‖ · ‖X := Max.–Norm,

‖(βn)‖Y := `2–Norm und A : X → Y definiert durch Af := (an)n∈N(an siehe

oben) ist das Problem

Af = g, g ∈ Y,

schlecht gestellt.

11. Aufgabe: Sei (an)n∈N eine beschrankte Folge reeller Zahlen. Definiere fur x ∈ `2eine Folge Ax durch (Ax)j := ajxj, j ∈ N. Zeige:

a) A : `2 → `2 ist stetig.

b) A ist kompakt genau dann, wenn limn→∞

an = 0.

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102 ANHANG A. THEORETISCHE UBUNGSAUFGABEN

A.4 Viertes Ubungsblatt

12. Aufgabe: Seien Gn ⊂ [a, b] , n ∈ N, endliche Gitterpunktmengen, αn(y) , y ∈Gn , n ∈ N, positive Gewichte, so daß

y∈Gn

αn(y) ≤ β , n ∈ N .

Die Operatoren Kn : C[a, b]→ C[a, b] , n ∈ N, seien durch

(Knu)(x) =∑

y∈Gn

αn(y)k(x, y)u(y) , x ∈ [a, b] , u ∈ C[a, b] , n ∈ N ,

erklart, wobei k(., .) einen stetigen Kern darstellt. Man zeige: Ist (un) eine beschrank-

te Folge in C[a, b], dann ist (Knun) eine kompakte Folge.

(Hinweis: Man benutze den Satz von Arzela-Ascoli.)

13. Aufgabe: Zeigen Sie, daß

D := x ∈ C[0, 1] | −1 ≤ x(t) ≤ 1

in keinem der Funktionenraume C[0, 1] und L2(0, 1) kompakt ist.

14. Aufgabe: Seien X,Y,Z separable, unendlichdimensionale Hilbertraume. Weiter

seien zwei beschrankte lineare Operatoren A ∈ L(X,Y ) bzw. B ∈ L(X,Z) gegeben,

die mit einer Konstanten C > 0 der Abschatzung

‖Ax‖Y ≤ C‖Bx‖Z ∀x ∈ X

genugen. Man zeige:

Ist B vollstetig, dann ist auch A vollstetig.

Hinweis: Man benutze die Aussage, daß in Hilbertraumen X,Y eine Abbildung A ∈L(X,Y ) dann und nur dann vollstetig ist, wenn fur jede in X schwach konvergente

Folge (i.Z. xn x0 (n→∞)) die Bildfolge (stark) konvergiert, Axn → Ax0. Hierbei

heißt eine Folge xn schwach konvergent gegen x0, falls

∀g ∈ X (xn, g)X → (xo, g)X (n→∞)

gilt.

15. Aufgabe: Bestimmen Sie die Losung der Anfangsrandwertaufgaben

a)

ut = uxx ,

u(x, 0) = sin (πx) ,

u(0, t) = u(1, t) = 0 ,

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A.5. FUNFTES UBUNGSBLATT 103

b)

ut = uxx , x ∈ (0, 1) , t > 0

u(x, 0) = 0 , x ∈ (0, 1)

u(0, t) = 1, ux(1, t) = 0 , t > 0 ,

mit Hilfe der Fourierschen Methode. Diese besteht aus den folgenden Schritten:

o) Vorbereitend schreibe man das gegebene Problem in eines fur v(x, t) mit ho-

mogenen Randbedingungen um (falls diese nicht schon homogen sind).

i) Durch den Separationsansatz

v(x, t) = X(x)T (t)

erhalt man gewohnliche Differentialgleichungen fur X,T, die zunachst von un-

endlich vielen Xn, Tn, n ∈ N, (ohne Berucksichtigung der Anfangsbedingung)

erfullt werden.

ii) Man wahle den Ansatz v(x, t) =∑∞

n=1AnTn(t)Xn(x) und bestimme die

Koeffizienten An, n ∈ N, als Fourierkoeffizienten der Anfangsfunktion

v0(x) = v(x, 0). Dazu muss man v0 geeignet außerhalb von (0, 1) fortsetzen.

Wie sehen die Losungen von a) und b) fur negative Zeiten aus?

A.5 Funftes Ubungsblatt

16. Aufgabe:

Sei A ∈ Rn,m mit rgA = m, d. h. die Spalten sind linear unabhangig.

Man zeige:

(a) C = A∗A ist positiv definit.

(b) Fur die verallgemeinerte Inverse gilt die Darstellung

A† = (A∗A)−1A∗ .

Hinweis zu (b): Man benutze fur eine injektive Matrix die Tatsache, daß die verall-

gemeinerte Losung x = A†y die Normalgleichung A∗Ax = A∗y erfullt.

17. Aufgabe:

Berechnen Sie die verallgemeinerte Inverse von

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104 ANHANG A. THEORETISCHE UBUNGSAUFGABEN

A =

(1 0 1

0 2 2

)∈ R2,3 .

Hinweis: Man benutze Aufgabe 16b fur A∗ anstelle von A und (A∗)† = (A†)∗ .

18. Aufgabe:

Sei A ∈ Rm,n und Q die Projektion auf R(A). Zeigen Sie folgende Charakterisierung

einer Matrix-Pseudoinversen:

z = A†y ⇐⇒ Az = Qy und z ∈ R(A∗)

(Hinweis: Man beweise dazu zuerst die Tatsache, dass jede Quasilosung x(zu y) die

Darstellung x = t+ s hat, wobei t ∈ R(A∗) Quasilosung und s ∈ N(A) ist.)

A.6 Sechstes Ubungsblatt

20. Aufgabe: Sei X = Rn bzw. Y = RN der n- bzw. N -dimensionale Euklidische

Raum. Zu einer gegebenen Matrix A ∈ RN×n mit N Zeilen und n Spalten, N ≥ n,

ist die Bestimmung der”Quasilosung“z,

‖Az − y‖2 = minx∈X‖Ax− y‖2 ,

zu gegebenem y ∈ Rn, nach einem Ergebnis der Vorlesung aquivalent zur Losung

des Gleichungssystems

A∗Az = A∗y

mit der adjungierten Matrix A∗ zu A. Nach bekannten Satzen ist dies auch aquivalent

zur Losung der Gradientengleichung ∇ρ(z) = 0 mit dem quadratischen Funktional

ρ(x1, . . . , xn) =

N∑

i=1

(N∑

i=1

aijxj − yi)2

.

Bestimme mit Hilfe einer der beiden Methoden

a) die Quasilosung fur N = 2, n = 1 und A =(11

), y =

(23

).

b) . . . die Gerade g(x) = α+ βx, so dass

4∑

i=0

∣∣yi − g(xi))|2

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A.6. SECHSTES UBUNGSBLATT 105

minimal wird, wobei xi die folgenden Meßwerte bei xi = i, i = 0, . . . , 4, bedeu-

ten:

xi 0 1 2 3 4

yi 0.5 0.5 2 3.5 4

21. Aufgabe: Sei A : X 7→ Y linear und beschrankt, X,Y Hilbertraume.

a) Zeige fur die Pseudoinverse A† die Eigenschaft

A† beschrankt =⇒ R(A) abgeschlossen

Hinweis: Neben der Stetigkeit von A† ist die Gleichung AA†y = Qy, y ∈ D(A†)

mit der orthogonalen Projektion Q : Y 7→ R(A) zu benutzen.

b) Zeige, dass die Pseudoinverse A† : Y ⊃ D(A†) 7→ X eine abgeschlossene Abbil-

dung ist.

c) Beweise mit dem Satz vom abgeschlossenen Graphen und mit Teil b) die Um-

kehrung der Behauptung von Teil a), d.h.

R(A) abgeschlossen =⇒ A† beschrankt

Hinweis: Bei der Anwendung des erwahnten Satzes auf die Pseudoinverse geht

die Abgeschlossenheit von R(A) ein.

22. Aufgabe: Beweise die Aussage von Aufgabe 18.

23. Aufgabe: Die Charakterisierung in 18 ergibt einen Algorithmus zur Berechnung von

A†. Die Spalten von A† sind namlich gegeben durch x(j) = A†e(j) , j = 1, . . . ,m,

mit den Einheitsvektoren e(j) ∈ Rm. Der Algorithmus beinhaltet also die folgenden

Schritte (beachte: N(A)† = R(A∗)):

i) Bestimme R(A) und N(A) = [a(1), . . . , a(r)].

ii) Berechne Qe(j) , j = 1, . . . ,m.

iii) Lose Ax(j) = Qe(j) und (x(j), a(i))2 = 0 , i = 1, . . . , r.

Berechne mit dieser Methode die Pseudoinversen der folgenden Matrizen:

a) A = a ∈ Rm,1 (Spaltenvektor a 6= 0)

b) A = d ∈ R1,n (Zeilenvektor d 6= 0)

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106 ANHANG A. THEORETISCHE UBUNGSAUFGABEN

c)

A =

1 0 1 1

0 1 −1 0

1 1 0 1

∈ R3,4

24. Aufgabe: Sei A linear und kompakt, X,Y Hilbertraume. Sei xα , α > 0 die

(eindeutige) Losung von

minx∈X‖Ax− y‖2Y + α2‖x‖2X .

Zeige: ‖xα‖X ist monoton fallend in α.

Hinweis: Verwende ein singulares System.

25. Aufgabe: Berechne die singularen Systeme der in den Aufgaben 17 und 23 c)

angegebenen Matrizen. Stelle damit die Losung der Pseudoinversen-Gleichung, d.h.

x = A†y, dar.

26. Aufgabe: Sei A : X 7→ Y linear und kompakt, X,Y Hilbertraume und weiter

(σj , ej , f j)j ein singulares System, ‖A‖ ≤ 1 und y ∈ D(A†). Zu x0 ∈ X betrachte

folgende Iteration:

xn+1 := xn −A∗Axn +A∗y , n = 0, 1, 2, . . . .

Sei x = A†y und x− x0 ∈ R((A∗A)m) fur ein m ∈ N.

Man zeige:

a)

‖x− xn‖2X ≤∑

j

(σ2j )

2m(1− σ2j )

2n∣∣(w, ej)X

∣∣2 ,

wobei x− x0 = (A∗A)mw.

b)

‖x− xn‖X ≤ c(

1− m

m+ n

)n( m

m+ n

)m,

wobei c unabhangig von m,n ist.

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Anhang B

Praktische Ubungsaufgabe

Berechne mit MATLAB eine Naherungslosung fur das IHCP,

ut − uxx = F, x ∈ (0, 1), t ∈ (0, T ],

u(1, t) = g(t), ux(1, t) = 0

u(x, 0) = u0(x), x ∈ (0, 1)

zur Bestimmung von f = u(0, ·) und q = −ux(0, ·) mit Hilfe des BECK-Verfahrens (s.

unten) fur die folgenden Beispiele:

a) u(x, t) = exp(ct) cos(1− x)mit c = −1

2;

b) u(x, t) = exp(ct) sin(π

2x)

mit c =π2

4;

c) wie b) mit c = −π2

4.

Das BECK-Verfahren verlauft wie folgt (tn = n4t, n = 0, . . . , N, N4t = T ; vgl.

Abschnitt 4.4):

(a) Starte mit n = 0, u00 = u0, q

0 = −∂u0

∂x(0);

(b) Lose

un+1t − un+1

xx = F in (0, 1) × (tn, tn+r],

−un+1x (0, t) = qn, un+1

x (0, t) = 0, t ∈ (tn, tn+r],

un+1(x, tn) = un0 (x), x ∈ (0, 1)

107

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108 ANHANG B. PRAKTISCHE UBUNGSAUFGABE

mit Hilfe des ruckwartsgenommenen Euler-Verfahrens (vgl. Skript [40] WS 96/97,

4.2.1, oder MATLAB-Routine) bei aquidistanter Unterleitung des x-Intervalls (Er-

gebnis: un+1)

(c) Bestimme qn+1 durch Minimierung vonr∑

ν=1

∣∣g(tn+ν)− un+1(1, tn+ν)∣∣2, d.h.

qn+1 = qn +1

D

r∑

ν=1

(g(tn+ν)− un+1(qn; 1, tn+ν)

)s(1, ν4t)

wobei D =r∑

ν=1s(1, ν4t)2 und s Losung des folgenden Problems ist:

st − sxx = 0 in (0, 1) × (0, T ],

−sx(0, t) = 1, sx(1, t) = 0, t ∈ (0, T ]

s(x, 0) = 0, x ∈ (0, 1) .

(Fur die numerische Losung von s benutze man wieder das ruckwartsgen. Euler-

Verfahren mit einer u.U. feineren Unterteilung des Zeitintervalls.)

(d) Lose (b) mit qn+1 anstelle von qn und setze un+10 (x) = un+1(x, tn+1).

(e) Gehe zu (b) mit n+ 1, qn+1, un+10 anstelle von n, qn, un0 .

Fur die Anzahl der”zukunftigen Zeiten“ wahle r = 1, 5, 10.

Das obige Verfahren sei mit Variante A bezeichnet. Eine Variante B besteht darin, anstelle

von qn+1 (in (b)) eine Naherung fn+1 fur u(0, tn+1) zu bestimmen:

(a) Anstelle von q0 : f0 = u0(0).

(b) Lose

un+1t − un+1

xx = F in (0, 1) × (tn, tn+r],

un+1(0, t) = fn, un+1x (0, t) = 0, t ∈ (tn, tn+r],

un+1(x, tn) = un0 (x), x ∈ (0, 1)

(c) Anstelle von qn+1 :

fn+1 = fn +r∑

ν=1

(g(tn+ν) − un+1(fn; 1, tn+ν)

)s(1, ν4t) mit D wie oben und s als

(numerische) Losung von

st − sxx = 0 in (0, 1) × (0, T ]

s(0, t) = 1, sx(1, t) = 0, t ∈ (0, T ],

s(x, 0) = 0, x ∈ (0, 1)

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109

(d) Mit fn+1 anstelle von qn+1.

(e) Mit fn+1 anstelle von qn+1.

Losung:

Die folgenden Diagramme zeigen fur die Variante A jeweils zwei Naherungslosungen des

Warmeflußes q = −ux(0, .) (als Funktion der Zeit t) zu den Funktionen aus a),b) und c)

sowie die zugehorige exakte Losung. Dabei variieren fur jede berechnete Naherung nur die

Parameter r und dt (= ∆t). Man erkennt, daß die Wahl dieser Parameter einen starken

Einfluß auf die Stabilitat der Naherungslosungen besitzt. Es gilt: Je kleiner dt gewahlt

wird, desto großer muß die Anzahl der zukunftigen Zeiten r gesetzt werden, um eine stabile

Naherung zu erhalten. Der Umkehrschluß gilt ebenso, d.h. kleines r und großes dt ergeben

stabile Naherungen. Allerdings erhalt man fur r = 1 in keinem Fall gute Ergebnisse.

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110 ANHANG B. PRAKTISCHE UBUNGSAUFGABE

0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1−0.85

−0.8

−0.75

−0.7

−0.65

−0.6

−0.55

−0.5

−0.45

Zeit

q

dx = 1/100 ; dt = 1/10

r = 1r = 5exaktes q

0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1−0.9

−0.85

−0.8

−0.75

−0.7

−0.65

−0.6

−0.55

−0.5

Zeit

q

dx = 1/100 ; dt = 1/75

r = 5r = 10exaktes q

Abbildung B.1: Aufgabe a)

Page 113: Schlecht gestellte Probleme: Einfuhrung und numerische ... · streiks\ konnten nur Teilbereiche der schlecht gestellten Probleme behandelt werden, wichtige andere mussten weggelassen

111

0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1−25

−20

−15

−10

−5

0

Zeit

q

dx = 1/100 ; dt = 1/15

r = 1r = 5exaktes q

0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1−20

−18

−16

−14

−12

−10

−8

−6

−4

−2

0

Zeit

q

dx = 1/100 ; dt = 1/75

r = 5r = 10exaktes q

Abbildung B.2: Aufgabe b)

Page 114: Schlecht gestellte Probleme: Einfuhrung und numerische ... · streiks\ konnten nur Teilbereiche der schlecht gestellten Probleme behandelt werden, wichtige andere mussten weggelassen

112 ANHANG B. PRAKTISCHE UBUNGSAUFGABE

0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1−2

−1.8

−1.6

−1.4

−1.2

−1

−0.8

−0.6

−0.4

−0.2

0

Zeit

qdx = 1/100 ; dt = 1/10

r = 1r = 5exaktes q

0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1−2

−1.8

−1.6

−1.4

−1.2

−1

−0.8

−0.6

−0.4

−0.2

0

Zeit

q

dx = 1/100 ; dt = 1/60

r = 5r = 10exaktes q

Abbildung B.3: Aufgabe c)

Page 115: Schlecht gestellte Probleme: Einfuhrung und numerische ... · streiks\ konnten nur Teilbereiche der schlecht gestellten Probleme behandelt werden, wichtige andere mussten weggelassen

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Page 118: Schlecht gestellte Probleme: Einfuhrung und numerische ... · streiks\ konnten nur Teilbereiche der schlecht gestellten Probleme behandelt werden, wichtige andere mussten weggelassen

Index

Abbildung

abgeschlossene, 34

beschrankte, 21

offene, 31

abgeschlossene Hulle, 14

Ableitungsrandbedingungen, 60

Abschließung, 14

Abstand, 11, 13

euklidischer, 12

Anfangswertproblem

reines, 54

Beck–Verfahren, 58

Beruhrungspunkt, 14

Betrag, 15

Bildbereich, 21, 35

Bildraum, 24

Bilinearform, 18

Borel–Lebesgue–Eigenschaft, 40

Cauchy–Daten, 88

Cauchyfolge, 14

CGM, 84

Datenfehler, 8, 75

Defekt, 84

Definitionsbereich, 21

Differenzenquotienten, 8

Differenzenstern, 59

Diskrepanz–Prinzip, 84, 87

Diskretisierungsfehler, 8

Dreiecksungleichung, 11, 15

Dualraum, 24

Durchmesser, 13

Eigenvektor, 62

Eigenwert, 62

Einbettung, 24

Euler–Verfahren

ruckwartsgenommenes, 59

vorwartsgenommenes, 58

Faltungsintegraloperator, 56

Fehlerquadratmethode, 90, 96

Filter, 79

Folge

Cauchy–konvergente, 15

kompakte, 14

konvergente, 13

Fourierkoeffizienten, 51

Frechet–Ableitung, 85, 89

Funktional

lineares, 24

Gaußsche Eliminationsverfahren, 60

Gleichungssystem

tridiagonales lineares, 60

Graph, 33

Graphennorm, 33

Haufungspunkt, 14

Hadamard Beispiel, 25

Halbgruppe

stetige, 54

Halbnorm, 15

IHCP, 87

Inneres, 14

inneres Produkt, 18

Integralgleichung

erster Art, 50

Integraloperator, 47

linearer, 22, 44

Inverse

verallgemeinerte, 72

Inverses Warmeleitproblem, 52, 87

116

Page 119: Schlecht gestellte Probleme: Einfuhrung und numerische ... · streiks\ konnten nur Teilbereiche der schlecht gestellten Probleme behandelt werden, wichtige andere mussten weggelassen

INDEX 117

Isometrie, 24

Isomorphismus, 24

Kern, 22

eines Integraloperators, 44

schwach singularer, 23

Kollokationsverfahren, 91

Kontrollproblem, 56

Kontrollprobleme, 56

Konvergenz

starke, 29

Landweber-Iteration, 82

Lotpunkt, 13

Maximumnorm, 7

Menge

dichte, 30

abgeschlossene, 14

beschrankte, 13

kompakte, 14, 39

konvexe, 16

nirgends dichte, 27

offene, 14

relativ kompakte, 14, 40

Methode der konjugierten Gradienten, 84

Netz

ε–, 40

Norm, 15

einer Abbildung, 22

euklidische, 20

unitare, 20

Normalgleichung, 71

Nullraum, 24

offener Kern, 14

Operator

adjungierter, 62, 70

selbstadjungierter, 62

kompakter, 24, 43

vollstetiger, 24, 43

Operatorengleichung

erster Art, 49

Parallelogrammidentitat, 19

Picard–Bedingung, 64

Prinzip der gleichmaßigen Beschranktheit, 28

Problem

adjungiertes, 89

Produktraum, 33

Projektion, 24

orthogonale, 69

Projektionsmethode, 46

Projektionsverfahren, 89

quasioptimal, 93

robust, 94

Projektor, 24

quadratische Form, 18

Quadraturformelapproximation, 46

Quadraturformeln, 30

GAUßsche, 31

Quasilosung, 71

Raum

B(X,Y ), 40

C(X,Y ), 41

Cb(X,Y ), 41

L(X,Y ), 24

Lp(X), 48

Lp(X), 17

Banachscher, 15

Hilbertscher, 19

kompakter, 40

metrischer, 11

normierter, 15

prahilbertscher, 19

vollstandiger, 14

von zweiter Kategorie, 27

Regularisierung

iterative, 81

Regularisierung nach Tikhonov

Verallgemeinerung, 79

Regularisierungsfehler, 8, 75

Regularisierungsschema, 74

Residual, 84

Ritz–Verfahren, 90

Satz

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118 INDEX

von Schauder, 62

von Tikhonov, 26

vom abgeschlossenen Graphen, 34

von Arzela und Ascoli, 41

von Baire, 27, 28, 32

von Banach, 33, 35

von BANACH–STEINHAUS, 30

von BOLZANO-WEIERSTRASS, 17

von der offenen Abbildung, 31

von der stetigen Inversen, 33

von M. Riesz, 43

von Weierstrass, 31

Sensitivitatskoeffizienten, 57

Separation der Variablen, 51

Sesquilinearform, 18

hermitesche, 18

positiv definite, 18

positiv semidefinite, 18

symmetrische, 18

SIMPSONsche Regel

summierte, 31

singulares System, 63

Singularwerte, 63

Singularwertzerlegung, 63

abgeschnittene, 96

einer Matrix, 66

Skalarprodukt, 18

euklidisches, 19

Spektralsatz, 62

Spektrum, 62

stetig

gleichgradig, 41

Superpositionsprinzip, 51

Supremum

wesentl., 49

Supremumnorm, 17

Tikhonov–Regularisierung, 76, 80

Ungleichung

Bernoullische, 83

Schwarzsche, 19

verallgemeinerte Schwarzsche, 18

von MINKOWSKI, 16

Vektorraum, 15

C(G), 17

L2(X), 20

arithmetischer, 16

mit Skalarprodukt, 19

Warmeleitung, 50

ruckwarts, 64

vorwarts, 64

ruckwarts in der Zeit, 50

Zahlenraum

n-dimensionaler, 16

zukunftige Zeiten, 58