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DER SCHLÜSSEL ZUR INTEGRATION? Schlüsselpersonen in der kommunalen Integrationspolitik LIVIA KNECHT

Schlüsselpersonen in der kommunalen Integrationspolitik · Master-Thesis Livia Knecht 4 dadurch ein Integrationsangebot schaffen und wissen, welche Aspekte beim Aufbau eines Netzwerks

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DER SCHLÜSSEL ZUR INTEGRATION?

Schlüsselpersonen in der

kommunalen Integrationspolitik

LIVIA KNECHT

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DER SCHLÜSSEL ZUR INTEGRATION?

Schlüsselpersonen in der

kommunalen Integrationspolitik

Master-Thesis

von:

Livia Knecht

Master in Sozialer Arbeit Bern│Luzern│St. Gallen│Zürich

Studienbeginn: Herbstsemester 2011

Fachbegleitung: Prof. Dr. Olaf Maass

Abgabedatum: 10. Januar 2014

Umschlagbild von Studienkreis GmbH Deutschland

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Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG 1

1.1 Ausgangslage und Problemstellung 1

1.2 Erkenntnis- und Praxisinteresse 3

1.3 Zielsetzung und Fragestellung 4

1.4 Forschungsstand 5

1.5 Thematische Eingrenzung und Gliederung der Arbeit 7

2 THEORETISCHE BEZÜGE 8

2.1 Migration und Integration 8

2.1.1 Begrifflichkeit Migration 8

2.1.2 Begrifflichkeit Integration 9

2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen 14

2.2.1 Einwanderungsland Schweiz 14

2.2.2 Integrationspolitik der Schweiz 15

2.2.3 Kantonale Integrationsprogramme 17

2.2.4 Kommunale Integrationspolitik 19

2.3 Interkulturelle Kommunikation 20

2.3.1 Instrumente der interkulturellen Kommunikation und deren Wirkung 21

2.3.2 Interkulturelles Dolmetschen und Vermitteln 23

2.3.3 Verständnis von Schlüsselpersonen 27

2.4 Zusammenfassung theoretische Bezüge 30

3 METHODISCHES VORGEHEN 31

3.1 Datenerhebung 31

3.1.1 Datenerhebungsinstrument Leitfadeninterview 31

3.1.2 Auswahl der Interviewpartner und Durchführung der Interviews 33

3.2 Aufbereitung der Daten 33

3.3 Datenauswertung 34

3.4 Reflexion des methodischen Vorgehens 37

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4 RESULTATE 39

4.1 Darstellung der Resultate 39

4.1.1 Beschrieb der Projekte 39

4.1.2 Voraussetzungen 41

4.1.3 Handlungsbereiche 44

4.1.4 Kompetenzen 48

4.1.5 Begriffsklärung 52

4.1.6 Integrationspolitik 55

4.2 Zusammenfassung der Ergebnisse und Beantwortung der Fragestellung 59

5 DISKUSSION 62

5.1 Schlüsselpersonen als Instrumente der interkulturellen Kommunikation 62

5.1.1 Voraussetzungen und Rahmenbedingungen 62

5.1.2 Handlungsbereiche, Kompetenzen und Begriffsklärung 63

5.2 Schlüsselpersonen im Rahmen des kantonalen Integrationsprogramms 66

5.3 Schlüsselpersonen in der kommunalen Integrationspolitik 68

5.4 Schlussfolgerungen und Empfehlungen 69

5.4.1 Empfehlungen für Schlüsselpersonen-Projekte 69

5.4.2 Herausforderungen und weitere Forschungsinteressen 70

5.4.3 Empfehlungen Umsetzung KIP 71

5.4.4 Sicht der Sozialen Arbeit 75

6 LITERATURVERZEICHNIS 77

ANHANG 81

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Abstract

Diese Masterthesis befasst sich mit Schlüsselpersonen in der kommunalen Integrationspolitik.

Schlüsselpersonen sind ehrenamtlich tätige Personen, welche Migranten und Migrantinnen hel-

fen, sich in der Schweiz zu orientieren. Ab 2014 regeln Bund und Kantone die spezifische Integ-

rationsförderung in sogenannten kantonalen Integrationsprogrammen (KIP). Im KIP des Kan-

tons Aargau heisst es, dass durch Schlüsselpersonen der Zugang zu schwer erreichbaren

Migranten und Migrantinnen verbessert wird. In dieser Masterthesis wird untersucht, unter wel-

chen Voraussetzungen und für welche Handlungsbereiche Schlüsselpersonen in der kommuna-

len Integrationspolitik tätig sind und welche Kompetenzen sie dafür benötigen. Dafür wurden

Theorie- und Forschungsarbeiten zum Thema interkulturelle Kommunikation herangezogen und

exemplarisch am Kanton Aargau Leitfadeninterviews mit Leitenden von Schlüsselpersonen-

Netzwerken und Schlüsselpersonen geführt. Die Datenauswertung erfolgte anhand der qualita-

tiven Inhaltsanalyse nach Mayring. Die Ergebnisse zeigen, dass Schlüsselpersonen den Zu-

gang zur Migrationsbevölkerung finden und dazu beitragen können, dass diese Angebote der

Regelstrukturen zunehmend nutzen. Es besteht jedoch noch Klärungs- und Handlungsbedarf

darüber, inwiefern Schlüsselpersonen auch weiter im Rahmen der kantonalen Integrationspro-

gramme, beispielsweise für (Erst-) Informationsangebote, oder in der Frühförderung eingesetzt

werden können.

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Danksagung

Hiermit möchte ich mich bei allen Personen bedanken, welche mich bei der Erarbeitung dieser

Masterthesis unterstützt haben. Einen herzlichen Dank geht an meinen Fachbegleiter, Herrn

Prof. Dr. Olaf Maass. Ich schätzte den wertvollen Austausch und die kritischen Anmerkungen,

durch welche mir immer wieder neue Horizonte eröffnet wurden. Einen besonderen Dank gilt

Frau Lelia Hunziker, Geschäftsleiterin der Anlaufstelle Integration Aargau (AIA), für die Unter-

stützung bei der Themensuche, wie auch für den stetigen Austausch und die anregenden In-

puts. Auch möchte ich mich bei den weiteren Mitarbeitenden der AIA, sowie bei Frau Cavelti

und Herrn Härdi vom Amt für Migration und Integration, bedanken. Einen grossen Dank geht an

die Projektleitenden und Schlüsselpersonen, welche sich für die Interviews zur Verfügung stell-

ten. Abschliessend bedanke ich mich auch bei meiner Familie und meinem Freund, welche

mich während der gesamten Zeit unterstützt haben.

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Master-Thesis Livia Knecht

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1 EINLEITUNG

Bund und Kantone regeln ab 2014 die spezifische Integrationsförderung im Rahmen von kanto-

nalen Integrationsprogrammen (KIP), damit alle Kantone flächendeckende Integrationsmass-

nahmen mit den gleichen Zielen umsetzen. Die Kantone haben, anhand von 12 strategischen

Programmzielen, Massnahmen, Ziele und Indikatoren zur spezifischen Integrationsförderung

entwickelt (vgl. Bundesamt für Migration [BFM], 2012a, S. 10-13). Im kantonalen Integrations-

programm des Kantons Aargau heisst es, dass mit sogenannten Netzwerken von Schlüsselper-

sonen erreicht werden kann, dass „Migranten und Migrantinnen1 am gesellschaftlichen Leben in

der Nachbarschaft, d.h. in der Gemeinde und im Quartier, sowie in zivilgesellschaftlichen Orga-

nisationen“ teilnehmen (Departement Volkswirtschaft und Inneres [DVI], Amt für Migration und

Integration [MIKA], 2013, S. 74).

Eine allgemeingültige Definition, was unter einer Schlüsselperson zu verstehen ist, gibt es nicht.

Trotzdem wird hier vorerst kurz dargestellt, was unter einer Schlüsselperson im Rahmen dieser

Masterthesis in etwa zu verstehen ist, damit den weiteren Ausführungen auch gefolgt werden

kann. Eine Schlüsselperson wird auch Brückenbauer/in, Türöffner/in oder Vernetzer/in genannt.

Ihre Aufgabe ist es, Zugang zur Migrationsgesellschaft, insbesondere zu schwer erreichbaren

Migranten und Migrantinnen, zu schaffen und die Migrationsbevölkerung und die Aufnahmege-

sellschaft miteinander zu vernetzen. Eine Schlüsselperson stellt eine informelle Anlaufstelle für

Migranten und Migrantinnen dar (vgl. Anlaufstelle Integration Aargau [AIA], 2013a, o.S.).

In diesem Kapitel werden folgend die Ausgangslage und Problemstellung beschrieben. Das

Erkenntnis- und Praxisinteresse sowie der Forschungsstand werden aufgezeigt und die Ziele

wie auch die Fragestellung dieser Masterthesis erläutert.

1.1 Ausgangslage und Problemstellung

Die Schweiz war bis ins 19. Jahrhundert vorwiegend ein Auswanderungsland und entwickelte

sich im Zuge der Industrialisierung zu einem Einwanderungsland (vgl. BFM, 2012b, S. 8). Durch

die vermehrt stattfindende Migration in die Schweiz ist zunehmend die Frage der Integration der

zugewanderten Bevölkerung laut geworden und im Laufe der 1990er Jahren wurde die Integra-

tionsförderung als eine staatliche Aufgabe angesehen und gesetzlich verankert (vgl. Tripartiten

Agglomerationskonferenz [TAK], 2009, S. 4-5).

Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Integration von Zugewanderten (vgl. Prodolliet,

2000, S. 5) wurde vermehrt gefragt, wie eine Verständigung zwischen der Schweizer- und

1 Die Verwendung der geschlechterneutralen Sprache erfolgt, indem jeweils zuerst die männliche Form

benannt wird, da vorzugsweise Abkürzungen verwendet werden und die männliche Form bei Abkürzun-gen (Bsp. Die Ausländer/innen) vorrangig genannt wird. Ausnahmen sind Titel, offizielle Benennungen oder wörtliche Zitate.

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Migrationsbevölkerung hergestellt werden kann und welche Instrumente die Eingliederung von

Zugewanderten erleichtern oder unterstützen können. Gemäss Dahinden und Bischoff (2010, S.

8) werden Ansätze und Instrumente der interkulturellen Kommunikation, wie Dolmetschen, in-

terkulturelles Vermitteln oder Mediation, als Lösung von Kommunikations- und Integrationsprob-

leme gesehen, da diese die Verständigung zwischen Personen mit Migrationshintergrund und

der Schweizer Bevölkerung erleichtern. Anhand solcher Instrumente können Schwierigkeiten,

wie fehlendes Wissen, Informationslücken, sprachliche Verständigungsschwierigkeiten, er-

schwerter Zugang zu Institutionen, aber auch Misstrauen gegenüber Behörden und Dienste,

behoben werden (vgl. Dahinden, Felder & D`Amato, 2004, S. 6).

Diesen Tätigkeiten wird eine integrative Wirkung zugesprochen und sie haben daher auch Ein-

zug in die Integrationspolitik gefunden. Gemäss dem „Bundesgesetz über Ausländerinnen und

Ausländern (AuG)“ und der „Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Auslän-

dern (VIntA)“ erfolgt die Integration hauptsächlich über die Regelstrukturen. Unter Regelstruktu-

ren werden die gesellschaftlichen Bereiche und Angebote, welche allen in der Schweiz anwe-

senden Personen zu einer selbstbestimmenden Lebensführung offen stehen sollen, verstan-

den. Damit sind Institutionen in den Bereichen wie Schule, Berufsbildung, Arbeitsmarkt, soziale

Sicherheit sowie Gesundheitswesen gemeint (vgl. BFM, 2011, S. 8). Ferner erfolgt die spezifi-

sche Integrationsförderung komplementär zu der Integration durch die Regelstrukturen und ver-

folgt im Wesentlichen zwei Stossrichtungen. Einerseits werden die Regelstrukturen durch die

spezifische Integrationsförderung unterstützt ihren Integrationsauftrag wahrzunehmen. Ande-

rerseits ergänzt die spezifische Integrationsförderung die Angebote der Regelstrukturen und

deckt bestehende Lücken (vgl. DVI MIKA, 2013, S. 20).

Der Bundesrat hat 2010 einen Bericht zur Weiterentwicklung der schweizerischen Integrations-

politik verfasst. Gemäss der neuen Stossrichtung des Bundes werden Bund und Kantone die

spezifische Integrationsförderung ab 2014 im Rahmen von kantonalen Integrationsprogrammen

regeln. Im KIP werden drei Pfeiler mit acht Förderbereichen und zwölf Programmzielen defi-

niert, in welchen Massnahmen der spezifischen Integrationsförderung zu entwickeln sind (BFM,

2012a, S. 13). Im dritten Pfeiler „Verständigung und gesellschaftliche Integration“ werden zwei

Förderbereiche, die „Interkulturelle Übersetzung“ und die „Soziale Integration“, definiert. Im För-

derbereich „Soziale Integration“ wird folgendes Programmziel verfolgt: Migranten und Migran-

tinnen „nehmen am gesellschaftlichen Leben in der Nachbarschaft, d.h. in der Gemeinde und

im Quartier sowie in zivilgesellschaftlichen Organisationen teil“ (Konferenz der Kantonsregie-

rungen [KdK] & Bundesrat, 2011, S. 4).

Im KIP des Kantons Aargau wird in diesem Förderbereich der Einsatz von sogenannten

Schlüsselpersonen als eine Massnahme formuliert: „Der Zugang zu schwer erreichbaren Grup-

pen von Migrantinnen und Migranten soll durch den Einsatz von Schlüsselpersonen, die das

Vertrauen ihrer Bevölkerungsgruppe geniessen, verbessert werden“ (DVI, MIKA, 2013, S. 54).

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Weiter heisst es aber auch, dass einzelne Massnahmen des KIPs „(…) aus dem Bedarf ver-

schiedener Förderbereichen abgeleitet“ sind und deshalb in ihren Auswirkungen „auf verschie-

dene Bereiche der Integrationsförderung“ zielen und als Beispiel für eine solche Massnahme

wird der Aufbau von Schlüsselpersonen-Netzwerken genannt (DVI, MIKA, S. 60). Durch den

Einsatz von Schlüsselpersonen soll also gemäss KIP des Kantons Aargau insbesondere der

Zugang zu schwer erreichbaren Migranten und Migrantinnen gelingen, jedoch können Schlüs-

selpersonen ebenfalls in anderen Förderbereichen eingesetzt werden.

Auf Anfrage bei der Anlaufstelle Integration Aarau (AIA)2, welche Themen die Fachstelle zurzeit

beschäftigen und wo Handlungsbedarf besteht, hiess es, dass Schlüsselpersonen-Netzwerke

zurzeit in der Integrationsarbeit als ein „Wundermittel“ gesehen werden und in vielen Gemein-

den der Aufbau von Netzwerken mit Schlüsselpersonen ein Thema ist, weshalb sich bei der AIA

auch Anfragen für Beratung und Unterstützung zum Thema „Schlüsselpersonen“ häufen. Die

AIA sieht durchaus ein grosses Potential in der Integrationsförderung durch Schlüsselpersonen,

steht der Thematik aber auch kritisch gegenüber, da der unkoordinierte und unreflektierte Ein-

satz von Schlüsselpersonen auch Gefahren, wie falsche Erwartungen oder Rollenvorstellungen,

mit sich bringen kann (vgl. persönliche Kommunikation, 05.04.13 & 16.05.13). Die Folgen davon

sind gemäss Calderón (2011, S. 4-5) Enttäuschung seitens der Behörden und Überforderung

seitens der Schlüsselpersonen.

Es steht somit fest, dass zurzeit an der Thematik Schlüsselpersonen (-Netzwerke) ein grosses

Interesse seitens des Kantons, der Gemeinden und weiteren Akteuren und Akteurinnen im Be-

reich der Integrationsförderung besteht, gleichzeitig jedoch Wissen in Form von Theorie- und

Forschungsarbeiten nur in sehr beschränkter Form vorhanden ist. Diese Masterthesis hat eine

wissenschaftliche Annäherung an die Thematik Schlüsselpersonen zum Ziel, indem die rechtli-

chen Rahmenbedingungen beleuchtet werden, Erkenntnisse aus Theorien zur interkulturellen

Kommunikation herangezogen werden und hauptsächlich dadurch, dass das Erfahrungswissen

der bereits in diesem Bereich tätigen Personen einbezogen wird.

1.2 Erkenntnis- und Praxisinteresse

Für Akteure und Akteurinnen der Integrationsförderung insbesondere für Kantone, Gemeinden,

Fachstellen für Integration, aber auch für Migrantenvereine und NGOs (Nichtregierungsorgani-

sationen) ist diese Arbeit von Interesse. Auch für Institutionen der Regelstrukturen, insbesonde-

re im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich, ist die Thematik relevant. Die Masterthesis

kann eine Grundlage bieten für die Erarbeitung von Konzepten oder Leitfäden für den Einsatz

von Schlüsselpersonen und den Aufbau von Netzwerken. Gemeinden oder Fachstellen können

2 Die Anlaufstelle Integration des Kantons Aargau ist ein politisch und konfessionell neutraler gemeinnüt-

ziger Verein mit Sitz in Aarau und dient als Fachstelle und Drehscheibe für integrationsrelevante Fragen und Angebote im Kanton Aargau (AIA, 2013b).

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dadurch ein Integrationsangebot schaffen und wissen, welche Aspekte beim Aufbau eines

Netzwerks und beim Einsatz von Schlüsselpersonen zu beachten sind. Institutionen der Regel-

strukturen, wie beispielsweise die Schule oder Sozialdienste, können durch diese Arbeit auf die

Tätigkeit von Schlüsselpersonen sensibilisiert werden und wissen, wann und wofür Schlüssel-

personen eingesetzt werden können.

Sozialarbeitende kommen in den verschiedensten Arbeitsbereichen mit Migranten und Migran-

tinnen in Kontakt. Einerseits arbeiten sie direkt im Bereich der Migration und Integration und es

besteht daher ein Interesse am Thema Schlüsselpersonen, da der Aufbau eines Netzwerks

oder die Koordination der Einsätze direkt über solchen Stellen laufen können. Andererseits sind

Sozialarbeitende in weiteren Praxisfeldern der Sozialen Arbeit tätig und haben dort auch mit

fremdsprachigen Klienten und Klientinnen zu tun. Vielfach werden in Klientengesprächen auch

komplexe Themen angesprochen und die fehlenden oder geringen Sprachkenntnisse von

Migranten und Migrantinnen stellen dann eine Schwierigkeit dar. Zudem ist der Zugang zu den

Dienstleistungen der Sozialen Arbeit für fremdsprachige Personen häufig erschwert. In solchen

Situationen können Schlüsselpersonen eine wichtige Rolle übernehmen, indem sie den Zugang

ermöglichen und eine Vermittlungsfunktion übernehmen.

1.3 Zielsetzung und Fragestellung

Gemäss Kuckartz (2012, S. 22) ist bei der Formulierung der Forschungsfrage das theoretische

Hintergrundwissen und das eigene Vorwissen mit einzubeziehen. Wissen in Form von Theorie-

oder Forschungsarbeiten über die Thematik der Schlüsselpersonen ist kaum vorhanden und

daher ist es das Ziel dieser Arbeit Erkenntnisse zur Praxis der bereits bestehenden Netzwerke

von Schlüsselpersonen zu erlangen und diese Ergebnisse mit den Theorien zur interkulturellen

Kommunikation und den Studien zum interkulturellen Übersetzen3 und Vermitteln zu verglei-

chen und im Hinblick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen zu diskutieren. Dieses Ziel soll

mit folgender forschungsleitenden Fragestellung erreicht werden:

Unter welchen Voraussetzungen und für welche Handlungsbereiche werden Schlüssel-

personen in der kommunalen Integrationspolitik eingesetzt und welche Kompetenzen

benötigen sie dafür?

3 Heute wird gemäss Mitgliederversammlung von Interpret vom Mai 2013 nicht mehr der Begriff interkultu-

relle Übersetzende oder interkulturelle Übersetzung, sondern die Begriffe, interkulturelles Dolmet-schen/interkulturelle Dolmetschende, verwendet. Damit wird eine begriffliche Inkonsequenz behoben, da Übersetzen die schriftliche Übertragung eines Textes bedeutet und Dolmetschen ausschliesslich und explizit eine mündliche Tätigkeit ist (Interpret, 2013, S. 1).

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Die Kernfrage kann wiederum in fünf Teilfragen unterteilt werden:

Was braucht es an Rahmenbedingungen beziehungsweise welche Voraussetzungen

müssen erfüllt sein, damit Schlüsselpersonen-Netzwerke funktionieren?

Wo, wann, warum und für welche Tätigkeiten werden Schlüsselpersonen eingesetzt?

Welche Kompetenzen benötigen Schlüsselpersonen für diese Tätigkeit und aufgrund

welcher Eigenschaften ist man vielleicht weniger geeignet dafür?

Welche Vorstellungen über die Funktion oder Definition von Schlüsselpersonen sind

vorhanden, wie stehen die Interviewpersonen zur Begriffswahl und wie können

Schlüsselpersonen zu anderen Akteuren und Akteurinnen (interkulturelle Übersetzende und

Vermittelnde) abgegrenzt werden?

Welche Vorstellung von Integration haben die Intereviewpersonen, welche politischen

Rahmenbedingungen braucht es und inwiefern kann die Tätigkeit überhaupt integrativ

wirken?

Die Fragestellung beinhaltet einige Implikationen, welche in dieser Arbeit zu beachten sind und

zudem sind die Vorannahmen zur Thematik zu benennen:

In der Fragestellung wird erwähnt, dass Schlüsselpersonen eingesetzt werden. Das

Wort Einsatz impliziert dabei eine Machtkomponente und zeigt eine hierarchische

Beziehung zwischen den Schlüsselpersonen und den Personen, welche den Einsatz

planen, auf.

Die Tätigkeiten von Schlüsselpersonen werden den Instrumenten der interkulturellen

Kommunikation zugeordnet und es wird angenommen, dass Schlüsselpersonen in

ähnlichen Handlungsbereiche wie interkulturelle Dolmetschende und Vermittelnde tätig

sind und die Abgrenzung der Akteure schwierig ist.

Durch Schlüsselpersonen können Migranten und Migrantinnen bei der Integration

unterstützt werden und die Tätigkeit von Schlüsselpersonen hat somit eine integrative

Wirkung. Aus diesem Grund sind Schlüsselpersonen-Netzwerke für die

Integrationsförderung auch bedeutend und nehmen im Rahmen der kantonalen

Integrationsprogrammen auch eine wichtige Funktion ein.

Schlussendlich stellt sich auch die Frage, welche Empfehlungen zur Verankerung von Netzwer-

ken von Schlüsselpersonen aus den gewonnenen Daten abgeleitet werden können.

1.4 Forschungsstand

Wie bereits erwähnt gibt es über die Thematik Schlüsselpersonen im Bereich der kommunalen

Integrationspolitik kaum Theorie- oder Forschungsarbeiten und es werden somit Studien zum

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Thema interkulturelles Übersetzen und Vermitteln herangezogen. In den Studien wird noch der

ältere Begriff interkulturelles Übersetzen verwendet, heutzutage spricht der Dachverband Inter-

pret jedoch von interkulturellem Dolmetschen. In dieser Masterthesis wird jeweils der Begriff

verwendet, welcher in der zugrunde liegenden Studie verwendet wurde und somit werden die

Begriffe interkulturelles Übersetzen/interkulturelle Übersetzende und interkulturelles Dolmet-

schen/interkulturelle Dolmetschende synonym verwendet.

Folgend werden einige relevante Studien geordnet aufgezeigt:

Emch-Fassnacht (2012) setzt sich mit interkulturellem Übersetzen im Bildungsbereich

auseinander. Die Studie zeigt anhand von Fallbeispielen Merkmale von gut funktionierenden

Modellen des interkulturellen Übersetzens auf und geht der Frage nach, in welchen

Gesprächssituationen interkulturelle Übersetzende in Schulen eingesetzt werden.

Gehrig, Calderón, Guggisberg und Gardiol (2012) untersuchen die Einsätze und Wirkung

von interkulturellem Übersetzen im Gesundheitsbereich. Dabei wird eruiert, in welchen

Bereichen und Abteilungen in Schweizer Spitälern und Kliniken interkulturelle Übersetzende

aufgrund von welchen Konstellationen eingesetzt werden. Weiter wird aufgezeigt, welche

Wirkungen der Einsatz auf den Gesundheitszustand und das Vorsorgeverhalten von

Patienten und Patientinnen hat.

Von Glutz (2012) geht der Frage nach, welche Bedeutung interkulturelles Übersetzen im

Sozialbereich hat und welches die relevanten Akteure sind.

Im Auftrag des Bundesamt für Gesundheit BAG (2011) wurde ein Bericht zur interkulturellen

Übersetzung im Gesundheistwesen der Schweiz erstellt. Es wird ein Überblick über

interkulturelle Verständigung im Gesundheitswesen aufgezeigt und auf die Anforderungen

an interkulturelle Übersetzende und Vermittelnde eingegangen.

Calderón-Grossenbacher (2010) hat sich mit der Thematik interkulturelles Übersetzen und

Vermitteln im Sozial- und Bildungsbereich auseinandergesetzt. Der Bericht enthält eine

Bestandesaufnahme zu den finanziellen Ressourcen und dem künftigen Bedarf von

interkultureller Übersetzung, zudem werden anhand von Fallbeispielen bestehende

Massnahmen aufgezeigt und die Thematik der Steuerung und Koordination dieser

Massnahmen fokussiert.

Calderón-Grossenbacher (2010) hat aufbauend auf der zuvor aufgezeigten Studie

untersucht, welche rechtliche und strukturelle Steuerung des interkulturellen Übersetzens

notwendig ist.

Redman (2010) hat sich mit der Thematik der interkulturellen Übersetzung und Vermittlung

bei der Zusammenarbeit zwischen nicht deutschsprachigen Eltern, Mittelpersonen und

Fachpersonen im Sozial- und Bildungsbereich befasst.

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Equal EP TransKom – gesund&sozial (2007) hat eine vergleichende Studie zur Sprach- und

Kulturmittlung in verschiedenen europäischen Ländern (Schweiz, Belgien, Österreich,

Spanien, Italien und Deutschland) herausgebracht. In diesen Ländern ist das Praxisfeld

noch sehr unterschiedlich ausgeprägt. Begriffe im Bereich Sprach- und Kulturmittlung

werden unterschiedlich benutzt und auch das Verständnis bzw. die Aufgabgengebiete sind

je nach Land verschieden.

Interpret (2002) hat einen Bericht zu Ausbildungsstandards für Sprachmittler/innen,

interkulturelle Vermittler/innen im Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich erstellt. Dabei

werden vorerst die Hintergründe und Vorgehensweise von interkulturellem Übersetzen und

Vermitteln aufgezeigt, um danach die Vermittlungstätigkeit in den Zusammenhang mit

Integration zu stellen und daraus Ausbildungs- und Qualitätsstandards zu erarbeiten.

Als Ergänzung zu den Studien wurde das Schweizerische Forum für Migrations- und

Bevölkerungsstudien (FSM/SFM) damit beauftragt im Rahmen einer theoretischen Arbeit,

„die in Betracht zu ziehenden integrationsförderenden und -hemmenden Aspekte

darzustellen und ein Argumentarium zu Sinn und Zweck des Einsatzes von Sprachmitteln

und interkulturellem Vermitteln zu erarbeiten“ (vgl. Dahinden und Chimienti, 2002, S. 2).

1.5 Thematische Eingrenzung und Gliederung der Arbeit

Diese Masterthesis befasst sich mit einem Aspekt im Themenbereich Migration und Integration.

Dabei ist es wichtig, dass folgend im Kapitel 2.1 die zentralen Begriffe definiert werden und eine

kurze allgemeine Einführung in die Thematik Migration und Integration erfolgt.

Im Kapitel 2.2 werden die rechtlichen Rahmenbedingungen aufgezeigt und es wird vor allem

auf die kantonalen Integrationsprogrammen eingegangen. In dieser Arbeit wird exemplarisch

auf das Integrationsprogramm des Kantons Aargau eingegangen.

Erkenntnisse aus Theorien und Studien im Bereich der interkulturellen Kommunikation werden

im Kapitel 2.3 aufgezeigt und mit der Thematik der Schlüsselpersonen verknüpft.

Kapitel 3 befasst sich mit dem methodischen Teil. Auch die empirische Untersuchung be-

schränkt sich auf den Kanton Aargau.

Im Kapitel 4 werden die Resultate dargestellt und folgend im Kapitel 5 diskutiert. Diese Arbeit

schliesst mit den in Kapitel 6 festgehaltenen Schlussfolgerungen und Empfehlungen.

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2 THEORETISCHE BEZÜGE

Schlüsselpersonen werden eingesetzt, um den Zugang zu Migranten und Migrantinnen zu fin-

den und um deren Integration somit zu erleichtern. Demzufolge braucht es vorerst eine Klärung

der Begriffe Migration und Integration, um dann später wiederum die Tätigkeit der Schlüssel-

personen genauer analysieren zu können. Netzwerke von Schlüsselpersonen sind als eine

Massnahme im kantonalen Integrationsprogramm des Kantons Aargau benannt worden und

folglich sind die rechtlichen Rahmenbedingungen im Kapitel 2.2 detailliert darzulegen, damit

aufgezeigt werden kann, inwiefern Schlüsselpersonen in der spezifischen Integrationsförderung

eingesetzt werden können. Schliesslich gilt es auch eine Verknüpfung zu Theorien zur interkul-

turellen Kommunikation herzuleiten, damit Erkenntnisse aus dem Fachdiskurs mit den Ergeb-

nissen der empirischen Untersuchung verglichen werden können.

2.1 Migration und Integration

Die Migration von Menschen über staatliche Grenzen hinweg konfrontiert die Einwanderungs-

länder mit Fragen nach gesellschaftlicher Integration. Migration und Integration stehen somit

theoretisch wie praktisch in einem engen Zusammenhang und Fragen der Migration und Integ-

ration werden oft zusammen behandelt. Trotzdem befassen sich die Migrations- und Integrati-

onsforschung auch mit unterschiedlichen Fragestellungen. Während sich die Migrationsfor-

schung vor allem für die Voraussetzungen, Bedingungen und Formen von sozialräumlicher Mo-

bilität interessiert, stehen bei der Integrationsforschung die sozialen Folgen von grenzüber-

schreitender Migration im Vordergrund (vgl. Schulte und Treichler, 2010, S. 43-44).

2.1.1 Begrifflichkeit Migration

Gemäss Han (2010, S. 6) nimmt das Ausmass der Migrationsbewegungen seit dem Ende des

zweiten Weltkrieges stetig zu und kaum eine Weltregion bleibt heute von der Migration unbe-

rührt. Der Begriff Migration stammt vom lateinischen Wort migrare bzw. migratio ab und bedeu-

tet wandern, wegziehen, Wanderung. Im Politiklexikon (Schubert und Klein, 2011, o.S.) wird

Migration als ein Begriff, welcher für alle Formen räumlicher Mobilität von Individuen steht, defi-

niert. Han (2010, S. 7-9) bezeichnet Migration als dauerhaften Wohnortswechsel und unter-

scheidet zwischen Binnenmigration, welche innerhalb der gleichen nationalstaatlichen Grenzen

stattfindet und internationaler Migration, worunter einen Wohnortswechsel über nationale Gren-

zen hinweg verstanden wird. Menschen wandern gemäss Zeugin (2007, S. 12) jedoch nicht

einfach in ein Land ein oder aus, sondern ziehen weiter, gehen wieder zurück oder pendeln,

diese Form der Wanderung wird zirkuläre Migration genannt. Unter dem Begriff Migration wer-

den somit verschiedene Formen von Wanderung verstanden, jedoch sind für alle Formen die

Aspekte des Wechsels des Wohnortes und die Bewegung von einem Ort zu einem anderen Ort

zentral (vgl. Treibel, 1999, S. 17).

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Ausgelöst werden Migrationsbewegungen durch eine Vielzahl zusammenhängender Ursachen

auf der gesellschaftlichen, strukturellen sowie auf der persönlichen, individuellen Ebene und

verschiedene Migrationstheorien geben unterschiedliche Antworten darauf, aus welchen Grün-

den Personen wandern. Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass weder eine Theo-

rie oder ein Modell alle Ursachen und Bewegungen von Migration verdeutlichen könnten, da

wechselseitig sich verstärkende strukturelle, kollektive und individuelle Gründe zu Wande-

rungsbewegungen führen (vgl. Zeugin, 2007, S. 19-21).

Die Komplexität der Thematik zeigt sich auch darin, dass die Bezeichnung für Menschen, die

aus einem anderen Land in die Schweiz eingewandert sind, unterschiedlich erfolgt und einer

Bestimmung bedarf. In dieser Masterthesis wird in Anlehnung an Zeugin (2007, S. 12-13) unter

Migranten und Migrantinnen Personen verstanden, welche eine eigene Migrationserfahrung

besitzen. Mit dem Begriff Ausländer/innen sind Personen gemeint, welche eine nichtschweizeri-

sche Staatsangehörigkeit besitzen, diese Personen müssen also nicht dringend eine eigene

Migrationserfahrung aufweisen. Oberbegriffe für all diese Bezeichnungen sind die Migrations-

bevölkerung oder Personen mit Migrationshintergrund. In dieser Masterthesis werden folgend

zur Vereinfachung die Begriffe Migranten und Migrantinnen sowie auch der Oberbegriff Perso-

nen mit Migrationshintergrund oder Migrationsbevölkerung synonym verwendet, da diese Be-

zeichnungen zurzeit die gebräuchlichsten sind und in den meisten Quellen keine weitere Diffe-

renzierung erfolgt. Zudem sind im Themenbereich dieser Masterthesis auch meistens Personen

gemeint, welche eine eigene Migrationserfahrung besitzen. Einerseits sind Schlüsselpersonen

selber häufig Personen, welche zugewandert sind und andererseits richten sich die Dienstleis-

tungen von Schlüsselpersonen häufig auch an neuzugezogene Migranten und Migrantinnen.

Sofern in einer der zitierten Literatur andere Terminologien gebraucht werden, werden diese

auch in dieser Masterthesis verwendet, insbesondere wird von Ausländern und Ausländerinnen

die Rede sein, wenn aus Gesetzesartikeln zitiert wird.

2.1.2 Begrifflichkeit Integration

Migration verändert allerdings nicht nur das Leben der Migrationsbevölkerung, sondern hat

auch kulturelle, wirtschaftliche, soziale und demographische Veränderungen für die Gesell-

schaft, welche eine grosse Anzahl von Migranten und Migrantinnen aufnimmt, zur Folge (vgl.

Han, 2010, S. 206). Die Zuwanderung führt zu einer Heterogenisierung der Gesellschaft und

einer Durchmischung von unterschiedlichen soziokulturellen Lebenswelten und Lebensprakti-

ken (vgl. Zeugin, 2007, S. 79). Gemäss Han (2010, S. 206) wird versucht die Zuwanderung an-

hand politischer Leitideen zu steuern, wobei in der Politik der Begriff Integration zu einem

Schlüsselbegriff geworden ist. Integration ist dabei nicht nur in der Ausländerpolitik, sondern

auch in der Arbeitsmarkt-, Sozial- oder Bildungspolitik ein wichtiges Modell, daher kann unter

Integration auch sehr viel verstanden werden (vgl. Knöpfel, 2009, S. 148). In dieser Masterthe-

sis interessiert der Integrationsbegriff im Bereich Migration und Integration und besonders der

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Master-Thesis Livia Knecht

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rechtliche Integrationsbegriff, wie dieser heute in schweizerischen Integrationsgesetzen definiert

wird. Vorerst wird jedoch auf Ansätze eingegangen, welche die schweizerische Integrationspoli-

tik lange Zeit geprägt haben.

Die Assimilationstheorie hat gemäss Schulte und Treichler (2010, S. 47-49) die Angleichung der

Migrations- an die Aufnahmebevölkerung zum Ziel und besagt, dass Integration erfolgt ist, so-

bald sich die Migrationsbevölkerung angepasst hat. Die Assimilation wird als Endstufe in einem

langwierigen Prozess von Interaktionen zwischen Aufnahmegesellschaft und Migrationsbevöl-

kerung, welche Persönlichkeitsveränderungen und Modifikationen des kulturellen Erbes erfor-

dert, erreicht. Der Begriff der Assimilation wurde seit Beginn an stark kritisiert. Die Unvermeid-

barkeit von Assimilation, wobei sich die Einwanderungsgruppen von selbst auflösen und Segre-

gation und Separierung verschwinden würde, wurde häufig in Frage gestellt und entsprach nicht

den realen Erfahrungen. Der Assimilationsbegriff fand in der Politik aber grosse Beliebtheit, da-

bei wurde Assimilation mehrheitlich nicht als beidseitigen Prozess verstanden, sondern der An-

passungsdruck wurde hauptsächlich auf die Einwanderer übertragen. Daraus entstanden re-

striktive integrationspolitische Massnahmen. Der Ansatz wird daher auch mehr als programma-

tisches, als ein wissenschaftliches Konzept gesehen (vgl. Treibel, 1999, S. 84-95).

Durch kritische Auseinandersetzungen mit dem Assimilationsmodell sind Konzepte und Ansätze

des ethnischen Pluralismus und Multikulturalismus entstanden. Diesem Ansatz liegt ein Ver-

ständnis einer multikulturellen Gesellschaft, in welcher eine Vielzahl von ethnischen Kulturen

nebeneinander existieren, zugrunde (vgl. Schulte und Treichler, 2010, S. 49-57). Gemäss Han

(2010, S. 334) gab es aber auch kontroverse Diskussionen über die Idee der multikulturellen

Gesellschaft. Kritisiert wird die statische Vorstellung von Kultur, deren Unveränderbarkeit und

Homogenität, welche in einer modernen und dynamischen Gesellschaft nicht denkbar ist. Auch

birgt gemäss Han die Idee der multikulturellen Gesellschaft die Gefahr einer Ethnisierung, da

die Eigenständigkeit von ethnischen Gruppen betont wird und dadurch eher ein Nebeneinander

als ein Miteinander geschaffen wird.

Das Assimilationsmodell war lange Zeit die einwanderungspolitische Leitidee bis dann in vielen

traditionellen Einwanderungsländern der Ansatz des Pluralismus und Multikulturalismus zum

offiziellen Programm der Einwanderungs- und Eingliederungspolitik erklärt wurde. Die politi-

schen Konzeptionen in den meisten europäischen Ländern waren sehr restriktiv geprägt und

Zuwanderungen sollten kontrolliert und wenn möglich gar verhindert werden (Han, 2010, S.

321-325). Gemäss Zeugin (2007, S. 81) sind diese Ansätze gescheitert und der Grund dafür

wird darin gesehen, dass die Politik versäumt hat frühzeitig geeignete und ausreichende Mass-

nahmen für die Integration der Migrationsbevölkerung in die Gesellschaft, insbesondere in das

Bildungssystem und den Arbeitsmarkt, zu ergreifen. Auch die schweizerische Integrationspolitik

wurde durch diese Konzepte beeinflusst, gemäss Zeugin (2007, S. 81) hat sich in den letzten

Jahren in der Schweiz jedoch ein Richtungswechsel gezeigt und es wird eine aktivere Integrati-

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onspolitik betrieben. Dabei wird Integration im „Bundesgesetz über Ausländerinnen und Aus-

länder (AuG)“ und der dazugehörigen „Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und

Ausländern (VIntA)“ folgendermassen definiert:

Das Ziel von Integration ist das friedliche Zusammenleben der einheimischen und ausländi-

schen Wohnbevölkerung auf der Grundlage der Werte der Bundesverfassung und gegenseiti-

ger Achtung und Toleranz sowie die chancengleiche Teilhabe von Ausländern und Auslände-

rinnen am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Gesellschaft. Die Integration wird

als beidseitigen Prozess verstanden, welcher sowohl den entsprechenden Willen der Auslän-

dern und Ausländerinnen als auch die Offenheit der schweizerischen Bevölkerung voraussetzt.

Für die Integration erforderlich ist, dass sich Ausländer/innen mit den gesellschaftlichen Ver-

hältnissen und Lebensbedingungen in der Schweiz auseinandersetzen und insbesondere eine

Landessprache erlernen (vgl. BFM, 2013, o.S.). Gemäss BFM (2006, S. 8) ist Integration er-

folgt, wenn „Zugewanderte unter Berücksichtigung ihrer sozio-ökonomischen Lage und familiä-

ren Situation vergleichbare Werte bezüglich der Arbeitsmarktchancen, Bildungschancen, Ge-

sundheit, soziale Sicherheit, Wohnqualität etc. aufweisen wie Schweizer/innen, die sich in der

gleichen Situation befinden“.

Dahinden und Bischoff (2010, S. 9) weisen jedoch darauf hin, dass bei der öffentlichen geführ-

ten Debatte über die Integration von Ausländer/innen manchmal vergessen geht, dass Integra-

tion schon immer auch ein zentraler Begriff der klassischen Sozialtheorie bzw. Soziologie war.

Dabei geht es um die Frage der Integration der Gesellschaft und somit um die Bedingungen

und die Aufrechthaltung von sozialer Ordnung und gesellschaftlicher Kohäsion (Peters, 1993,

zit. nach Dahinden und Bischoff, 2010, S, 9). Der im Gesetz verwendete Integrationsbegriff

kann gemäss Einschätzung der Autorin mit der Definition und Begriffsklärung von Integration

von Hartmut Esser verglichen werden, da in seiner Theorie der Integrationsbegriff in verschie-

dene Ebenen differenziert wird, unter Integration auch ein beidseitiger Prozess verstanden wird

und der Sprache ebenfalls eine wichtige Rolle beigemessen wird.

Esser (2001a, S. 6) versteht allgemein unter Integration, der „Zusammenhalt von Teilen in ei-

nem, systemischen‘ Ganzen“ und unterscheidet zwischen Systemintegration und Sozialintegra-

tion. Für diese Masterthesis ist die Sozialintegration, welche sich auf die Integration der Akteure

in das System hinein bezieht, von Bedeutung. Esser (2001b, S. 8-15; 2001a, S. 1) unterschei-

det dabei zwischen vier Dimensionen:

1. Kulturation oder kulturelle Integration: Erwerb von Wissen und Fertigkeiten (einschliesslich

der Sprache).

2. Platzierung oder strukturelle Integration: Übernahme von Positionen und die Verleihung von

Rechten.

3. Interaktion oder soziale Integration: Aufnahme sozialer Beziehungen im alltäglichen Bereich.

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4. Identifikation oder emotionale Integration: emotionale Zuwendung zum betreffenden

sozialen System.

Esser (2001b, S. 1) weist daraufhin dass alle vier Dimensionen voneinander abhängen. Da eine

Position beispielsweise erst übernommen werden kann, sofern gewisse Fertigkeiten erworben

wurden und erst dadurch wird die Aufnahme von sozialen Beziehungen und die emotionale Zu-

wendung zum betreffenden System möglich. Bei der Sozialintegration lassen sich gemäss Es-

ser vier Fälle unterscheiden: Mehrfachintegration, Marginalität, Assimilation und Segmentation,

wobei die Assimilation das politisch anzustrebende Ziel von Sozialintegration ist. Unter Assimi-

lation versteht Esser dabei etwas anderes, als der zuvor beschriebene Ansatz. „Die Assimilation

meint das Verschwinden der systematischen Unterschiede zwischen den Gruppen (etwa nach

Bildung, Einkommen, Branchenverteilung oder Heiratsverhalten) unter Beibehaltung aller indivi-

duellen Ungleichheiten (etwa auch nach Bildung und Einkommen, aber auch nach politischer

Orientierung, religiöser Überzeugung oder kulturellem Lebensstil)“ (vgl. Esser, 2001b, S. 2).

Somit sind eben nicht die spurenlose Auflösung aller Unterschiede und die Verschmelzung zu

einem neuen Ganzen gemeint, sondern lediglich die Verringerung von systematischen Unter-

schieden zwischen den verschiedenen Teilen der Gesellschaft und die Angleichung in der Ver-

teilung der betreffenden Merkmale. Assimilation geschieht dabei aufgrund von individuellen Be-

dingungen (wie Bildung, Kontakte mit Aufnahmeland) und kontextuellen Bedingungen (wie

günstige Bedingung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, Offenheit der Aufnahmegesell-

schaft). Als Schlüssel der Integration bezeichnet Esser (2001b, S. 3) die Sprache und die daran

anknüpfende strukturelle Assimilation in das Bildungssystem und den Arbeitsmarkt. Esser weist

zudem darauf hin, dass der Prozess der Sozialintegration langwierig ist und über Generationen

hinweg passiert.

Bevor genauer erläutert wird, wie der hier beschriebene Integrationsbegriff für die folgenden

Darstellungen verwendet wird, wird der Begriff einer kritischen Betrachtung unterzogen, wobei

dies in diesem Rahmen nur ansatzweise geschehen kann. Grundsätzlich wird in der Literatur

der Begriff Integration an sich kritisiert und in verschiedenen Bereichen wird heutzutage daher

von Inklusion oder im Zusammenhang mit Migration auch von Interkulturalität gesprochen. Ge-

mäss Ansicht der Autorin ist der Begriff Integration problematisch, da er eine Eingliederung oder

eine Anpassung von „Anderen“ in ein für „normal“ befundenes System propagiert und daher ist

der Begriff auch anfällig für restriktive Programme. Folglich geht die Autorin mit Terkessidis

(2010, S. 61) überein, dass das Konzept der Integration überholt ist, da der Begriff mit Vorstel-

lungen durch frühere Integrationsparadigmen (Assimilation, Multikultur) belastet ist, welche heu-

te nicht mehr angemessen sind. Zudem stimmt die Autorin auch der Kritik zu, dass Integration

noch immer als ein einseitiger Prozess verstanden wird, wobei der Staat noch kaum etwas für

die interkulturelle Öffnung unternommen hat und hingegen die Anforderungen an Migranten und

Migrantinnen in puncto Integration stetig steigen (vgl. Terkessidis, 2010, S. 61). Denn gerade in

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der Definition im Gesetz, wird zwar vorerst betont, dass es sich um einen beidseitigen Prozess

handelt, welcher sich auch an die Schweizerbevölkerung richtet, danach folgen jedoch nur Er-

läuterungen dazu, welche Anforderungen an Ausländer/innen gestellt werden (beispielsweise

die Erlernung einer Landessprache). Inwiefern Schweizer/innen am Prozess beteiligt sind, wird

in der beschriebenen Definition nicht aufgezeigt. Auch die Sprachförderung als Schlüssel zur

Integration wird von der Autorin kritisch betrachtet, denn auch wenn gemäss Zeugin (2007, S.

94-95) Sprachkenntnisse als wichtiger Faktor für den Austausch mit der Mehrheitsbevölkerung

und der Behörde gesehen werden kann, können aufgrund der Sprache keine Schlussfolgerun-

gen auf das Stadium der Integration gezogen werden. Einerseits findet die Autorin die Debatte

um den Begriff „Integration“ verfehlt, da es weniger um den Begriff an sich geht, als darum,

dass ein Selbstverständnis eines Einwanderungslands hergestellt und im öffentlichen Diskurs

vermehrt auf die positiven Aspekte von Einwanderung und auf die Notwendigkeit von geeigne-

ten Massnahmen für das Zusammenleben in einer heterogenen Gesellschaft hingewiesen wer-

den soll. Andererseits braucht es aber gerade auch Begriffe, wie Integration und ein gemeinsa-

mes Verständnis darüber, um eine solche Debatte überhaupt zu führen und um auch vom glei-

chen zu sprechen, damit gesamtgesellschaftliche Prozesse initiiert werden können. Die Kritik

des Begriffs kann in diesem Rahmen nicht abschliessend behandelt werden und in dieser The-

sis wird auf folgende Aspekte von Integration, gemäss gesetzlicher Grundlage und der Definiti-

on von Hartmut Esser, fokussiert:

Integration ist ein wechselseitig stattfindender fortwährender Prozess, mit dem Ziel gleichbe-

rechtigte Teilhabe am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben in einer heterogenen Ge-

sellschaft herzustellen, an dem die zugewanderten Personen wie auch die einheimischen Per-

sonen aktiv beteiligt sind. Integration findet auf verschiedene Ebenen (strukturelle, kulturelle,

soziale und emotionale Dimension von Integration) statt, welche sich aufeinander beziehen.

Dabei interessiert bezogen auf die Thematik Schlüsselpersonen insbesondere die kulturelle

Integration und inwiefern Migranten und Migrantinnen sich Wissen, beispielsweise Informatio-

nen über das Leben in der Schweiz, aneignen, die soziale Integration und die Bedeutung von

Schlüsselpersonen, um sozialen Kontakte innerhalb wie auch ausserhalb der eigenen Kultur-

gruppe herzustellen sowie die emotionale Integration, also inwiefern Schlüsselpersonen helfen,

dass sich Migranten und Migrantinnen emotional mit der Aufnahmegesellschaft verbunden füh-

len.

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2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Um sich mit der Thematik Schlüsselpersonen zu befassen, sind vorerst die rechtlichen Rah-

menbedingungen zu klären, damit man eine Vorstellung darüber hat, inwiefern die Thematik in

der schweizerischen Integrationspolitik eingebettet ist und welches die zu erreichenden politi-

schen Ziele sind. Folgend interessiert daher einerseits, wie die schweizerische Integrationspoli-

tik geregelt ist und andererseits wird spezifisch auf die kantonalen Integrationsprogrammen fo-

kussiert. Dabei wird hauptsächlich auf das kantonale Integrationsprogramm des Kantons Aar-

gau eingegangen .Vorerst wird jedoch die Migrationsgeschichte der Schweiz aufgezeigt, da die

Entstehung der heutigen Integrationspolitik eng mit der Geschichte der Einwanderung in die

Schweiz zusammenhängt.

2.2.1 Einwanderungsland Schweiz

Die Migrationsgeschichte der Schweiz und die Entstehung einer Migrationspolitik können ge-

mäss Wicker (2003 S. 12 ff.) in drei Phasen geteilt werden. Die erste Einwanderungsphase seit

Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg 1914 war von einer offenen Haltung der

Schweizerbevölkerung gegenüber der Zuwanderung geprägt, da die Schweiz auf Arbeitskräfte

vom Ausland angewiesen war. Der Anstieg der Ausländerbevölkerung im Jahre 1914 löste bei

einer Mehrzahl der Schweizer Bevölkerung Ängste aus und damit eine Überfremdung vermie-

den werden konnte, wurde 1917 die Fremdenpolizei gegründet. In dieser Zeit änderte sich auch

die Haltung der Mehrheit der schweizerischen Bevölkerung gegenüber der Zuwanderung.

Die zweite Phase war gemäss Wicker (2003, S. 12 ff.) durch die Überfremdungsdebatte ge-

kennzeichnet und dauerte bis Ende der 1980er Jahre. Während des zweiten Weltkrieges hat

die Schweiz eine Abschottungspolitik geführt und gemäss Bundesamt für Migration (2012a, S.

9-10) wollte die Schweiz den Flüchtlingen nicht als Asylland, sondern nur als Transitland zur

Verfügung stehen. Aufgrund der günstigen Wirtschaftsentwicklung nach dem zweiten Weltkrieg

benötigte die Schweiz jedoch Arbeitskräfte und diese wurden gezielt im Ausland angeworben.

Die damalige Ausländerpolitik oder auch Gastarbeiterpolitik wurde nach dem sogenannten Ro-

tationsprinzip ausgestaltet, welches die Begrenzung des Aufenthalts in der Schweiz und eine

baldige Rückkehr der Arbeitskräfte in ihre Heimatländer zum Ziel hatte. Die Integration der Zu-

wanderer und Zuwanderinnen war kein formuliertes Ziel. Auch wenn bald erkennbar wurde,

dass diese Rotationspolitik nicht funktionierte, da viele Ausländer/innen in der Schweiz blieben,

hielt man lange Zeit an dieser Politik fest.

In der dritten Phase seit den 1990er Jahren hat sich die Schweiz gemäss Wicker (2003, S. 12

ff.) von der bisherigen Gastarbeiterpolitik verabschiedet. Es entstand immer mehr die Einsicht,

dass nicht nur innenpolitische sondern auch internationale Aspekte der Migration zu berücksich-

tigen sind und dass Zuwanderung nicht nur aus einem negativen und defizitorientierten Blick

angesehen werden soll. Die Entwicklung einer Migrations- und Integrationspolitik wurde ange-

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strebt und die Ziele der Integrationsförderung wurden gesetzlich verankert. Allerdings sind die

Folgen der langjährigen Gastarbeiterpolitik, wo die Niederlassung der Ausländer/innen und de-

ren Integration kein Ziel war, noch heute spürbar.

Wie aufgezeigt wurde, gehört Migration zur Geschichte der Menschheit dazu und wird heutzu-

tage durch die Globalisierung und der damit einhergehenden steigenden Mobilität weiterhin

beschleunigt. Im Verlauf der migrationspolitischen Diskussion wurde die Einsicht erlangt, dass

es eine einheitliche und kohärente Migrationsstrategie braucht, um das gesellschaftliche Zu-

sammenleben zu ermöglichen und das Potential von Migration sinnvoll zu nutzen (vgl. BFM,

2012a, S.).

2.2.2 Integrationspolitik der Schweiz

Die Entstehung der schweizerischen Integrationspolitik ist eng mit den zuvor aufgezeigten Zu-

wanderungsbewegungen zu sehen. In den 1960er Jahren erlebte die Schweiz die bis dahin

grösste Migrationswelle und der Bundesrat stand unter Druck, da einerseits eine Nachfrage

nach ausländischen Arbeitskräften bestand und andererseits die Überfremdungsangst stetig

zunahm. Die damalige Rotationspolitik kam zunehmend an ihre Grenzen, da die Gastarbeiter

nicht in ihre Heimatländer zurückkehrten und ihre Familien nachzogen, während die Integration

dieser Menschen als Ziel nicht gesetzlich verankert war. Es existierte schlichtweg keine staatli-

che Integrationspolitik auf Bundesebene. Institutionen der Zivilgesellschaft sowie einzelne Kan-

tone, Städte und Gemeinden haben sich für die Integration der Migranten und Migrantinnen

stark gemacht und Integrationsangebote zur Verfügung gestellt. Erst im Rahmen der Neuorien-

tierung der Ausländer- und Flüchtlingspolitik in den 1990er Jahren hat der Bundesrat die Integ-

rationsförderung als eine staatliche Aufgabe angesehen und mit der Revision des Bundesge-

setzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) vom 26. Juni 1998 hat die

Integrationsförderung Eingang in die Bundesgesetzgebung gefunden (vgl. Tripartiten Agglome-

rationskonferenz [TAK], 2009, S. 4-5).

Die aktuelle Integrationspolitik der Schweiz wird durch das neue „Bundesgesetz über Auslände-

rinnen und Ausländer (AuG)“, welches am 01. Januar 2008 in Kraft getreten ist sowie durch die

revidierte „Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländer (VIntA)“, gere-

gelt (im Anhang 1 sind die für diese Masterthesis relevanten Gesetzesartikeln aufgezeigt). Im

AuG wird die Förderung der Integration explizit als eine staatliche Kernaufgabe und die Ziele

der schweizerischen Integrationspolitik rechtlich verankert (vgl. TAK, 2009, S. 6).

Das Bundesamt für Migration (2013b, o.S.) fasst die Grundsätze der schweizerischen Integrati-

onspolitik aller staatlichen Ebenen zusammen. Dabei wird betont, dass Integration ein gegen-

seitiger Prozess ist, an welchem sich die ausländische und die schweizerische Bevölkerung zu

beteiligen haben. Einerseits setzt Integration die Offenheit und das Willkommensheissen der

schweizerischen Bevölkerung voraus und andererseits haben Ausländer/innen einen Beitrag

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zur Integration zu leisten, indem sie u.a. die Grundwerte der Bundesverfassung respektieren,

sich mit den Lebensbedingungen in der Schweiz aktiv auseinandersetzen und über Kenntnisse

einer Landessprache verfügen (vgl. Art. 4 Abs. 4 AuG). Integration erfolgt hauptsächlich über

die Regelstrukturen (vgl. Art. 2 Abs. 2 und 3 VIntA) und die spezifische Integrationsförderung

erfolgt komplementär dazu (vgl. DVI MIKA, 2013, S. 20). Integration wird als eine staatliche

Querschnittsaufgabe verstanden an der alle staatlichen Ebenen in Zusammenarbeit mit

Nichtregierungs- und Ausländerorganisationen mitwirken

Im Rahmen der Tripartiten Agglomerationskonferenz4 [TAK] vom 31. Oktober 2008 wurde der

Prozess zur „Weiterentwicklung der schweizerischen Integrationspolitik“ lanciert. Das Ziel dabei

war es zu prüfen, ob die Grundsätze der schweizerischen Integrationspolitik den Herausforde-

rungen gerecht werden und ob die integrationspolitischen Instrumente auf allen drei staatlichen

Ebenen genügen. Die Ergebnisse dieses Prozesses sind in einem Bericht festgehalten und ge-

stützt darauf hat die TAK an ihrer Sitzung vom 29. Juni 2009 konkrete Empfehlungen zur Wei-

terentwicklung der Integrationspolitik zuhanden des Bundes, der Kantone sowie der Städte und

Gemeinden verabschiedet (vgl. TAK, 2009, S. 2).

Der Bundesrat (2010, S. 1-3) hat die Weiterentwicklung der Integrationspolitik geprüft und die

Ergebnisse in einem Bericht festgehalten. Grundsätzlich findet der Bundesrat, dass die Integra-

tionspolitik der Schweiz gut ausgebaut ist und die Weiterentwicklung auch analog der bisheri-

gen Entwicklungen erfolgen soll, gleichzeitig wird auch aufgezeigt, dass in einigen Bereichen

Verbesserungen anzustreben sind. Im Bericht wird darauf hingewiesen, dass unterschiedliche

Formen der Zusammenarbeit und Finanzierung in der Integrationsförderung zwischen Bund und

Kantonen existieren und somit die Gefahr der Verzettelung und einer mangelnden Kohärenz

besteht. Daher sollen in Zukunft Bundesgelder in allen Bereichen, in denen bei der Integrations-

förderung eine Aufgabenteilung zwischen Bund und Kanton besteht, in Form von Leistungsver-

trägen gestützt auf kantonalen Programmen, an die Kantone vergeben werden. Damit möchte

der Bundesrat gewährleisten, dass einerseits gesamtschweizerisch die gleichen Ziele verfolgt

und Standards eingehalten werden und andererseits die Integrationspolitik auch den regionalen

Gegebenheiten angepasst werden kann.

Per 01. Januar 2014 sollen daher Bund und Kantone die spezifische Integrationsförderung im

Rahmen von kantonalen Integrationsprogrammen (KIP) regeln. Der Bund finanziert somit ab

2014 die spezifische Integrationsförderung der Kantone verstärkt mit, sofern die Kantone mit

ihren Kantonalen Integrationsprogrammen die Voraussetzungen des Bundes erfüllen. Ende

Juni 2013 wurden die definitiven Programme beim Bundesamt für Migration eingereicht und die

4 Die TAK ist die politische Plattform von Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden für eine gemeinsame

Agglomerationspolitik in der Schweiz. TAK (2013). Über die TAK. Zugriff am 13.6.2013 unter http://www.tak-cta.ch/

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Inhalte des kantonalen Integrationsprogramm im Kanton Aargau werden folgend dargestellt

(DVI, MIKA, 2013, S. 6-7).

2.2.3 Kantonale Integrationsprogramme

Jeder Kanton hat ausgehend von den Integrationsmassnahmen der Regelstrukturen den Bedarf

für die spezifischen Integrationsförderungen im KIP festzuhalten, damit ab 2014 in allen Kanto-

nen flächendeckende Integrationsförderungsmassnahmen mit den gleichen Zielen umgesetzt

werden. Die Integrationsförderung stützt sich auf drei Pfeiler (vgl. BFM, 2012a, S. 11).

Abbildung 1: Die spezifische Integrationsförderung von Bund & Kantonen basierend auf BFM (2012a, S.10)

Die Kantone haben Massnahmen in den einzelnen Förderbereichen zu entwickeln und dabei

die Schnittstellen zu den Regelstrukturen zu klären, dabei sind die Regelstrukturen des Bil-

dungsbereichs, der Arbeitsmarktintegration und des Bereichs Soziales prioritär zu behandeln

(BFM, 2012a, S. 13).

Im Kanton Aargau ist per 25. November 2008 das Einführungsgesetz zum Ausländerrecht

(EGAR) in Kraft getreten, welches die rechtlichen Grundlagen des AuG in der kantonalen Ge-

setzgebung verankert. Zudem hat der Regierungsrat im Oktober 2008 ein Umsetzungskonzept

zur Integration der ausländischen Bevölkerung verabschiedet (vgl. Regierungsrat, 2013, S. 1-3).

Im Aargau existiert jedoch kein kantonales Gesetz zur Integration und es ist zurzeit auch nicht

in Planung (vgl. DVI ,MIKA, 2013, S. 18).

Förderbereiche

Erstinformation und Integra-

tionsförderbedarf

Beratung

Schutz vor Diskriminierung

Förderbereiche

Sprache und Bildung

Frühe Förderung

Arbeitsmarktfähigkeit

Förderbereiche

Interkulturelles Übersetzen

Soziale Integration

Pfeiler 1

Information und Beratung

Pfeiler 2

Bildung und Arbeit

Pfeiler 3

Verständigung und gesell-schaftliche Integration

Spezifische Integrationsförde-

rung von Bund und Kantonen

Integrationsförderung in den Regelstrukturen

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Im März 2011 hat der Regierungsrat das Departement Volkswirtschaft und Inneres [DVI], in

Zusammenarbeit mit dem Departement Gesundheit und Soziales [DGS] und dem Departement

Bildung, Kultur und Sport [BKS] sowie den Gemeinden und weiteren Akteuren der Integrations-

förderung beauftragt das kantonale Integrationsprogramm für den Kanton Aargau zu erarbeiten.

In einem ersten Schritt wurde dabei eine Bestandes- und Bedarfsanalyse gemacht. Diese hat

einerseits die bisherige Stossrichtung der kantonalen Integrationspolitik und –förderung bestä-

tigt und andererseits auch Lücken aufgezeigt. Der bisherige Fokus auf Personen mit geringer

oder fehlender Bildung, auf spätmigrierte Jugendliche, welche erst nach Abschluss der obligato-

rischen Schule in die Schweiz einreisten sowie auf vorläufig Aufgenommene und Flüchtlinge

soll im Kanton Aargau weiterhin beibehalten werden. Lücken werden einerseits bei speziellen

Angeboten in einzelnen Handlungsfeldern aufgezeigt, insbesondere im Bereich der Erstinforma-

tion und der sprachlichen Frühförderung. Andererseits besteht Handlungsbedarf beim er-

schwerten Zugang und der Möglichkeit zur Nutzung von den bestehenden Angeboten in den

Regelstrukturen. Besonders davon betroffen sind sozioökonomisch schwach gestellte Personen

und Personen ohne nachobligatorische Ausbildung, wobei Ausländer/innen in dieser Gruppe

überproportional hoch vertreten sind. Junge Personen, welche spät in die Schweiz einreisen

sind dabei besonders stark betroffen. Diese genannten Personengruppen sollen daher mit den

Massnahmen im KIP besonders fokussiert werden. Ausgehend von dieser Bestandes- und Be-

darfsanalyse wurde das Kantonale Integrationsprogramm anhand der Vorgaben des Bundes

erarbeitet und im Juni 2013 vom Regierungsrat des Kantons Aargau genehmigt (vgl. DVI, MI-

KA, 2013, S. 3-4 und S. 55).

Im KIP des Kantons Aargau (vgl. DVI, MIKA, 2013, S. 4-6) wird der Handlungsbedarf in den

beschriebenen drei Pfeilern der Integrationsförderung aufgezeigt. Folgend werden die für diese

Arbeit als relevant angesehenen Aspekte der einzelnen Pfeiler weiter ausgeführt. Der Fokus

liegt dabei auf dem dritten Pfeiler, da dort explizit darauf eingegangen wird, inwiefern Schlüs-

selpersonen für die spezifische Integrationsförderung im Rahmen des kantonalen Integrations-

programms des Kantons Aargau eingesetzt werden können.

Im ersten Pfeiler geht es um die spezifischen Integrationsförderungen im Bereich Information

und Beratung. Es wird davon ausgegangen, dass die Information über das Leben und Arbeiten

in der Schweiz, die Rechte und Pflichte sowie über Integrationsförderangebote eine zentrale

Voraussetzung für die Integration der Migrationsbevölkerung darstellt. Daher benötigen Migran-

ten und Migrantinnen beim Zuzug in die Schweiz eine zielgruppenspezifische Erstinformation in

Form von Informations- und Willkommensveranstaltungen oder Erstgesprächen und später ist

die Zugänglichkeit zu Informationen über verschiedene Lebensbereiche, wie Bildung, Arbeit,

Gesundheit, sowie über spezifische Beratungsangebote, zu gewährleisten (vgl. DVI, MIKA,

2013, S. 4-5).

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Der zweite Pfeiler Bildung und Arbeit beinhaltet Massnahmen, welche den Zugang zu Bildung

und zum Arbeitsmarkt ermöglichen, da dies als zentral für die Teilhabe am gesellschaftlichen

Leben angesehen wird. Die Regelstrukturen weisen schon ein vielfältiges Angebot in diesem

Bereich auf, jedoch wurde in der Bestandes- und Bedarfsanalyse aufgezeigt, dass der Zugang

zu diesen Angeboten für Personen mit Migrationshintergrund oft erschwert ist und die Angebote

teilweise ungenügend genutzt werden. Der Erwerb einer Landessprache wird als zentrale Vor-

aussetzung für die Integration angesehen, denn ausreichende Sprachkenntnisse sind eine Vor-

aussetzung für eine erfolgreiche Teilnahme an Bildungsmassnahmen und können die berufliche

und soziale Integration erleichtern. Damit die Sprache erlernt werden kann, benötigt es gut er-

reichbare Sprachangebote (vgl. DVI, MIKA, 2013, S. 5-6).

Im dritten Pfeiler des Kantonalen Integrationsprogramms (vgl. DVI, MIKA, 2013, S. 6) wird die

spezifische Integrationsförderung im Bereich Verständigung und gesellschaftliche Integration

geregelt, wobei es sich um Massnahmen der Förderung der interkulturellen Übersetzung und

der sozialen Integration handelt. In Institutionen der Regelstrukturen, wie Schulen, Sozialdiens-

te oder Spitäler, ist man immer wieder mit Situationen konfrontiert, in welchen mit Personen mit

wenig Deutschkenntnissen schwierige Fragen geklärt werden müssen, daher ist die Sicherstel-

lung der Vermittlung von interkulturellen Übersetzenden weiterhin ein Ziel. Die soziale Integrati-

on vor Ort ermöglicht die Bewältigung des Lebensalltags und daher sollen „(…) niederschwelli-

ge Angebote für Begegnung und Austausch, welche gemeinsame Aktivitäten im Gemeinwesen

ermöglichen, sowie der Aufbau von Netzwerken von Schlüsselpersonen zur besseren Erreich-

barkeit der Migrantinnen und Migranten unterstützt werden“ (DVI, MIKA, 2013, S. 6).

2.2.4 Kommunale Integrationspolitik

Da Integration dort geschieht, wo Menschen leben, sind die Gemeinden wichtige Akteure in der

Umsetzung der im kantonalen Integrationsprogramm festgehaltenen Massnahmen zur spezifi-

schen Integrationsförderung. Im Aktionsplan des KIPs (DVI, MIKA, 2013, S. 60-74) werden die

Massnahmen zur Umsetzung der Integrationsförderung festgehalten und dabei sind auch die

Gemeinden einzubeziehen. Die im Aktionsplan festgelegten Massnahmen, welche für diese

Arbeit von Relevanz sind, werden folgend dargestellt.

Gemäss AuG Art. 53 ist Integration eine Verbundaufgabe, die Bund, Kantone und Gemeinden

sowie Städte gemeinsam wahrzunehmen haben. Im KIP (DVI, MIKA, 2013, S. 3) wird festgehal-

ten, dass die Integration in erster Linie vor Ort in den Gemeinden geschieht und die Gemeinden

sollen mit dem KIP bei der Wahrnehmung des Integrationsauftrags unterstützt werden. Oft sind

Gemeinden die erste Kontaktstelle für neuzuziehende Ausländer/innen und stellen auch die

Ansprechstelle vor Ort dar. Die aargauischen Gemeinden haben die Integrationsförderung, je

nach Grösse der Gemeinde und Ausländeranteil, unterschiedlich stark ausgebaut. Bei der Ges-

taltung der Integrationsförderung haben Gemeinden und Städte einen grossen Ermessenspiel-

raum und werden durch den Kanton bei der Ausübung unterstützt. Zudem leisten auch weitere

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Akteure wie die Kirchen, Migrantenorganisationen oder Vereine einen Beitrag zur Integrations-

förderung.

Für diese Arbeit von Relevanz sind vor allem die im Pfeiler 3 „Verständigung und gesellschaftli-

che Integration“ genannten Teilziele und Massnahmen des Aktionsplans. Strategisches Pro-

grammziel des Bundes ist es die gesellschaftliche Teilhabe von Migranten und Migrantinnen am

Leben in der Gemeinde zu ermöglichen. Ein Teilziel ist dabei, dass in den Gemeinden und Re-

gionen niederschwellige Angebote für Begegnung und Austausch zwischen einheimischer und

ausländischer Bevölkerung sowie zur Unterstützung bei der aktiven Teilhabe am Gemeindele-

ben bestehen. Als weiteres Teilziel wird formuliert, dass die verschiedenen Angebote in den

Gemeinden und Regionen von der Migrationsbevölkerung vermehrt genutzt werden. Um dieses

Ziel umsetzen zu können ist als Massnahme die Unterstützung der Gemeinden beim Einsatz

von Schlüsselpersonen vorgesehen, damit der Zugang zu schwer erreichbaren Migrantengrup-

pen besser gelingt (DVI, MIKA, 2013, S. 74).

Im Pfeiler 3 wird auch die Sicherstellung und bedarfsgerechte Ausgestaltung des Angebots der

interkulturellen Übersetzung als Teilziel erwähnt (DVI, MIKA; 2013, S. 73). Für diese Arbeit von

Interesse ist diese Thematik, da im KIP nicht geklärt wird, inwiefern das Angebot der interkultu-

rellen Übersetzung von den Schlüsselpersonen-Netzwerken zu differenzieren ist und inwiefern

sich diese Angebote ergänzen könnten.

Im KIP (DVI, MIKA, 2013 S. 60) wird zudem darauf hingewiesen, dass einzelne Massnahmen

des Aktionsplans nicht eindeutig nur einem Förderbereich zugeordnet werden können, sondern

auch aus dem Bedarf verschiedener Förderbereiche abgeleitet werden. Solche Massnahmen

zielen somit in ihren Auswirkungen auch auf die verschiedenen Bereiche der Integrationsförde-

rung ab. Der Aufbau von Schlüsselpersonen-Netzwerken wird explizit als eine solche Mass-

nahme erwähnt, ohne dass dabei genauer darauf eingegangen wird, in welchen weiteren Berei-

chen der Einsatz von Schlüsselpersonen möglich wäre. In welchen weiteren Förderbereichen

der Einsatz von Schlüsselpersonen denkbar wäre, wird in der Diskussion anhand der Erkennt-

nisse aus der empirischen Untersuchung aufgezeigt.

2.3 Interkulturelle Kommunikation

Gemäss Prodolliet (2000, S. 5) wurde der Begriff der interkulturellen Kommunikation im Zu-

sammenhang mit der Diskussion um die Integration von Zugewanderten entwickelt. Die in den

1960er und 1970er Jahren vorherrschende Integrationspolitik, welche die Assimilation bzw. be-

dingungslose Anpassung der Zugewanderten forderte, wurde zunehmend kritisiert. Die in den

1980er und 1990er Jahren folgende Politik der multikulturellen Gesellschaft, welche das Ideal

einer friedlichen Koexistenz verschiedener Kulturen propagierte, führte mit der Zeit zur Ernüch-

terung und es wurde vermehrt darüber nachgedacht, wie eine Verständigung zwischen den

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Master-Thesis Livia Knecht

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unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft hergestellt werden kann. Dabei suchte man gemäss

Dahinden und Bischoff (2010, S. 7) nach Instrumenten, welche die Eingliederung von Zuge-

wanderten erleichtern oder unterstützen können. Auch wurde gemäss Dahinden und Chimienti

(2002, S. 16-17) in der Schweiz lange Zeit ein Einsprachenkonzept verfolgt, wobei die Erler-

nung der Landessprache als Voraussetzung für eine Integration gesehen wurde und somit ei-

nen zentralen Stellenwert einnahm. Mehrsprachigkeit wurde als Nachteil für den Integrations-

prozess angesehen und Übersetzung und Vermittlung wurde somit als für die Integration kont-

raproduktiv beurteilt, da es die Bereitschaft zur Annahme der Landessprache mindere. Erst mit

dem Paradigmenwechsel von einem Einsprachen- zu einem Mehrsprachenkonzept wurde der

Vermittlungstätigkeit bzw. interkultureller Kommunikation eine neue Rolle zugeschrieben. Mehr-

sprachigkeit wurde dabei als eine Ressource angesehen und es wurde anerkannt, dass Perso-

nen mit Migrationshintergrund in gewissen Situationen das Bedürfnis haben in ihrer Herkunfts-

sprache zu kommunizieren.

2.3.1 Instrumente der interkulturellen Kommunikation und deren Wirkung

Da Kultur der zentrale Begriff im Zusammenhang mit interkultureller Kommunikation ist, wird der

Begriff kurz erläutert. Kultur wird gemäss Prodolliet (2000, S. 9) als „ein komplexes, alle Berei-

che einer Gesellschaft betreffendes System, welches die Befähigung zu sinnhaftem Handeln

und zu Bedeutungsbildung zwischen den Individuen vermittelt“ verstanden. Kultur ist dabei als

dynamischer Prozess zu verstehen und unterliegt ständigen Veränderungen. Kultur ist ein Sinn

gebendes System in einer Gesellschaft, welches gegen innen, als ein identitätsstiftendes Kon-

zept wirkt, an welchem sich Menschen orientieren können. Gegen aussen wirkt Kultur rich-

tungsweisend und das „Eigene“ kann gegenüber dem „Fremden“ abgegrenzt werden und kultu-

relle Identität wird geschaffen. Kultur wie auch (kulturelle) Identität sind soziale und gesell-

schaftliche Konstruktionen, die sich stetig wandeln und niemals abschliessend festgelegt wer-

den können. Kulturelle Identität ist also nichts Starres und bezieht sich auch nicht auf eine eth-

nisch begründete Zugehörigkeit. Kultur ist jedoch ein Orientierungssystem und es werden so-

genannte Kulturstandards geschaffen, was Handlungsweisen, Denk- und Ordnungssysteme,

die von allen der Kultur zugehörigen Mitgliedern akzeptiert werden, sind. Kulturstandards wer-

den im Laufe der Sozialisierung erlernt und haben einen hohen Stellenwert im alltäglichen zwi-

schenmenschlichen Umgang. Kulturstandards sind somit Selbstverständlichkeiten, da sie das

adäquate Verhalten in bestimmten Situationen bestimmen. Das Nicht-Wissen um dieses Ver-

halten stellt jedoch die Selbstverständlichkeit in Frage und es kann zu Missverständnissen oder

Konflikten kommen. Genau an diesem Punkt kann interkulturelle Kommunikation ansetzen, in-

dem den Ursachen für die Konfliktsituation nachgegangen wird und die Beteiligten in einen Pro-

zess des gegenseitigen Verstehens geführt werden (vgl. Prodolliet, 2000, S. 9-11).

Unter interkultureller Kommunikation ist gemäss Prodolliet (2000, S. 5-8) einerseits ein metho-

discher Zugang, andererseits auch ein Praxisfeld gemeint. Folgend interessiert der methodi-

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Master-Thesis Livia Knecht

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sche Zugang. Im Zentrum steht bei der interkulturellen Kommunikation das Anliegen, die Ver-

ständigung über kulturell bedingte Grenzen hinweg zu ermöglichen und zum friedlichen Zu-

sammenleben aller beizutragen. Prodolliet (2000, S. 22) weist jedoch darauf hin, dass nicht in

jedem Zusammentreffen von Zugewanderten und Einheimischen ein Missverständnis oder Kon-

flikt entstehen muss, es ist im Migrationskontext lediglich häufiger der Fall. In der Debatte um

die Integration ist interkulturelle Kommunikation zu einem Zauberwort geworden, welches jegli-

che Probleme einer multikulturellen Einwanderungsgesellschaft zu lösen vermag. Jedoch sind

die konzeptuellen und methodischen Ansätze der interkulturellen Kommunikation laut Prodolliet

nur Hilfsmittel und kein Ersatz für gesamtgesellschaftliche Prozesse, welche im Bereich der

Integration notwendig sind.

Es gibt verschiedene Ansätze und Hilfsmittel der interkulturellen Kommunikation. Dahinden und

Bischoff (2010, S. 7) verstehen Dolmetschen, interkulturelles Vermitteln und Mediation5 als In-

strumente der interkultureller Kommunikation. Prodolliet (2000, S. 23) teilt die methodischen

Zugänge der interkulturellen Kommunikation in direkte Interaktion/Intervention (Übersetzen,

Dolmetschen, interkulturelle Mediation, interkulturelle Reflexionsarbeit) und in Sensibilisierungs-

, Lern- und Übungsfelder (interkulturelle Informationsarbeit, interkulturelles Lernen, interkulturel-

le Kurse, interkulturelle Trainings, Bildung in interkultureller Kommunikation) ein. In dieser Arbeit

wird hauptsächlich auf die Tätigkeiten des interkulturellen Dolmetschens und interkulturellen

Vermittelns eingegangen.

Dahinden und Bischoff (2010, S. 18) fragen danach, inwiefern die Tätigkeiten der interkulturel-

len Kommunikation zur Integration beitragen. Anhand einer empirischen Untersuchung konnten

drei „Spielarten“ ausgemacht werden, auf welche Art und Weise interkulturelle Kommunikation

integrativ wirken kann (vgl. Dahinden, 2010, S. 99). Erstens kann Integration als Garantie der

Funktionsweise der Institutionen erfolgen. Der Beizug von Dolmetschenden erfolgt, um die Insti-

tution und deren Sanktionsmacht aufrechtzuerhalten und zu bestärken. Da es dabei hauptsäch-

lich um wortwörtliche Übersetzung geht, wird dieser Punkt nicht weiter ausgeführt (vgl. Dahin-

den, 2010, S. 105). Die zweite Form der Integration im Sinne von Empowerment ist für diese

Arbeit bedeutender. Interkulturelle Tätigkeiten in Institutionen können integrativ wirken, da diese

zu einem Empowerment der Klienten und Klientinnen führt und diese in ihrer Autonomie und

Macht gestärkt werden und sich dadurch neue Handlungsspielräume ergeben (vgl. Dahinden,

2010, S. 108-109). Drittens kann interkulturelle Kommunikation das Ziel verfolgen Informationen

von Institutionen an die Migranten und Migrantinnen zu übermitteln, wobei es darum geht die

Sicht der Institutionen mitzuteilen, damit Personen mit Migrationshintergrund sich entsprechend

ändern und anpassen können (vgl. Dahinden, 2010, S. 112). Die Ergebnisse der Studie ma-

5 Mediation (hier Konfliktmediation) bezeichnet gemäss Interpret (2013, S.3) ein Instrument der Konflikt-

bearbeitung. Mediatoren und Mediatorinnen helfen Konfliktparteien dabei eine einvernehmliche Lösung für ihren Konflikt zu finden.

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chen deutlich, dass „die gesellschaftliche Pluralität zwangsläufig in die öffentlichen Institutionen

hineingetragen wird; allesamt sind die Institutionen mit Fremdsprachigkeit und „Fremdheit“ kon-

frontiert“ (Dahinden, 2010, S. 113). Interkulturelle Tätigkeiten können dabei, wie dies idealty-

pisch anhand der beschriebenen drei Formen aufgezeigt wird, integrativ wirken.

Die Vermittlungstätigkeiten werden jedoch im Fachdiskurs auch kritisiert. Einerseits werde

durch die nach kulturellen, ethnischen oder sprachlichen definierten Vermittlungstätigkeiten

wiederum Exklusion geschaffen, da beispielsweise nicht alle Sprachen von einem Vermittlungs-

tätigkeitsdienst abgedeckt werden können und andererseits bewirken diese Massnahmen eine

Entpolitisierung (vgl. Dahinden, 2004, zit. nach Dahinden und Bischoff, 2010, S. 19). Gemäss

Dahinden und Bischoff (2010, S. 19) zeigt sich, dass die falsche Nutzung von den Überset-

zungs- und Vermittlungsdiensten mehr Schaden anrichtet als, dass diese integrativ wirken. Ins-

besondere die Kulturalisierung durch Übersetzende und Vermittelnde kann dabei eine Schwie-

rigkeit darstellen. Unter Kulturalisierung wird verstanden, dass Zuschreibungen einzig aufgrund

kulturell begründeter oder legitimierter Hintergründe vollzogen werden, wodurch Stereotypen

entstehen und alle einer Kultur zugeordneten Personen in „eine Schublade gesteckt“ werden.

Die Kultur wird als Argument vorgeschoben und weitere Aspekte, wie die soziale und berufliche

Stellung, der Bildungsstand oder die politische Ausrichtungen bleiben unbeachtet. Bei der inter-

kulturellen Vermittlung und Übersetzung soll es gemäss Prodolliet (2000, S. 11) jedoch nicht

darum gehen, dass Migranten und Migrantinnen aufgrund ihrer Andersartigkeit oder Fremdheit

verstanden werden und ihr Handeln in diesen Kontext eingeordnet wird. Interkulturelle Dolmet-

schende und Vermittelnde haben von „ (…) einer veränderlichen Konstruktion von Identität und

einem prozesshaften und transformierbaren Kulturkonzept auszugehen“ (Dahinden und Bi-

schoff, 2010, S. 21). Somit kann sich die Vermittlungstätigkeit von der Fixierung auf kulturelle

Merkmale lösen und beim Individuum ansetzen. Weiter wird gemäss Dahinden und Bischoff

(2010, S. 22) kritisiert, dass Vermittlungstätigkeiten zu einer Entpolitisierung führen können.

Interkulturelle Vermittlung und Übersetzung kann zur Verständigung führen, den Zugang zu

Institutionen erleichtern, ein Empowerment bei den Ausländern und Ausländerinnen bewirken,

Barrieren abschaffen, aber nur wenig zu einer grundlegenden Umverteilung der gesellschaftli-

chen Ressourcen beitragen. Daher plädieren Dahinden und Bischoff (2010, S. 24) „für eine be-

scheidenere Argumentation hinsichtlich des vermeintlichen Integrationspotenzials dieser Tätig-

keiten, ohne aber deshalb ihre Bedeutung für die interkulturelle Kommunikation schmälern zu

wollen“.

2.3.2 Interkulturelles Dolmetschen und Vermitteln

Im Folgenden werden die Begriffe der interkulturellen Dolmetschenden und interkulturellen

Vermittelnden verwendet, im Bewusstsein, dass ähnliche Begriffe, wie interkulturelle Mediato-

ren, Mittelpersonen u.a. ähnliche oder auch gleiche Tätigkeiten bezeichnen. Das Verständnis

dieser Begriffe geht auf die Definition von Interpret zurück:

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Master-Thesis Livia Knecht

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„Interkulturelles Dolmetschen findet in einer Trialogsituation - einem „Dialog zu Dritt“ - statt. Es

bezeichnet die mündliche Übertragung (Konsekutivdolmetschen) des Gesprochenen von einer

Sprache in die andere unter Berücksichtigung des sozialen und kulturellen Hintergrunds der

Gesprächsteilnehmenden“ (Interpret, 2013a, S.1).

„Als interkulturelles Vermitteln wird die Vermittlung von Wissen und Informationen zwischen

verschiedenen Lebenswelten und Lebensformen im Migrationskontext bezeichnet“ (Interpret,

2013a, S. 2). 6

Gemeinsam ist beiden Tätigkeiten, dass sie auf sprachlicher Mediation7 basieren, jedoch um-

fasst die interkulturelle Vermittlung noch weitere Aspekte und Aufgaben. Interkulturelle Vermit-

telnde verfügen neben der sprachlichen Qualifikation und dem Wissen über das Bildungs-, Ge-

sundheits- und Sozialsystem auch Kompetenzen in der Beratung, Bildung und Begleitung von

Personen mit Migrationshintergrund. Interkulturelle Vermittelnde können somit im Unterschied

zu interkulturellen Dolmetschenden bis zu einem bestimmten Grad die Verantwortung für Inhal-

te, Prozesse und Abläufe bei einem Gespräch, Elternabenden, Hausbesuch oder weiteren Set-

tings übernehmen. Für die Tätigkeit des interkulturellen Dolmetschens wurde durch Interpret ein

einheitliches Qualifizierungssystem mit Ausbildungsstandards entwickelt und seit 2009 kann der

eidgenössische Fachausweis für „Interkulturelle Dolmetschende“ erreicht werden. Für die inter-

kulturelle Vermittlung fehlt das entsprechende Qualifizierungssystem noch (Interpret, 2013a, S.

2).

Bischoff und Schuster (2010, S. 176 ff) zeigen idealtypische Rollen von Dolmetschenden auf.

Dabei werden diese Rollen als Formen der Mediation8 bezeichnet. Bischoff und Schuster (2010,

S. 181-186) nennen als grundlegende Arbeit der Dolmetschenden die sprachliche Mediation.

Dabei geht es um einen Dialog zu dritt, in welchem die dolmetschende Person wortwörtlich

übersetzt. Weiter übernehmen Dolmetschende die Rolle der Konfliktmediation, in welcher sie

als unparteiliche Drittpersonen bei Konflikten vermitteln. Die dritte Rolle ist die interkulturelle

Mediation, wobei die die Vermittlung zwischen Kulturen, im Vordergrund steht. Hierbei geht es

darum, dass die Personen in ihrem jeweiligen Kontext erfasst werden, wichtig ist dabei, dass

eine Kulturalisierung vermieden wird, und neben kulturellen, auch persönliche und soziale Fak-

toren beachtet werden. Die letzte Rolle ist die Mediation als Begleitung, wobei es darum geht,

dass jemand auf seinem Weg der Eingliederung und des Einlebens in die Schweiz begleitet

wird. Dolmetschende haben oft selbst eine Migrationsgeschichte und haben den Weg der Integ-

ration, welcher mit einem Wandel oder Klärung der eigenen Identität einhergeht, selber erlebt.

6 Für eine ausführliche Definition ist das Glossar von Interpret unter www.inter-pret.ch herbeizuziehen.

Eine kritische Beurteilung der Begriffe und der Definition erfolgt in der Diskussion der Resultate. 7 Hier wird Mediation nicht als Instrument für die Konfliktbearbeitung, sondern als Überbegriff für alle

Sprachaktivitäten durch Sprachmittler/innen (Dolmetschen, Vermitteln, Konfliktbearbeitung usw.) verwen-det. 8 Auch hier wird Mediation als Überbegriff verwendet und die Rollen von Sprachmittlern in Form von ver-

schiedenen Mediationsrollen dargestellt.

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Somit können diese Personen auch eine Art Vorbildrolle der Integration erhalten. Dolmetschen-

de können verschiedene Mediationsrollen ausüben und zwar nacheinander oder gleichzeitig,

häufig wird mit diesen Rollen geradezu jongliert, es handelt sich also nicht um verschiedene

Typen von Fachpersonen, sondern um eine Person, welche teilweise alle Bereiche selber ab-

decken kann.

Interkulturelle Dolmetschende9 sind hauptsächlich im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbe-

reich tätig. Im Bildungsbereich werden interkulturelle Dolmetschende vorwiegend bei der Zu-

sammenarbeit zwischen Eltern und Schule eingesetzt. Interkulturelle Dolmetschende nehmen

an Elterngesprächen oder Elternabenden teil und die Zusammenarbeit ist vor allem bei den

verschiedenen Schnittstellen, wie Schuleintritt, Übertrittsituationen innerhalb der obligatorischen

Bildung sowie der Übergang in die nachobligatorische Bildung, von Bedeutung. Es zeigt sich

jedoch ein uneinheitliches Bild bezüglich der Zusammenarbeit mit interkulturellen Dolmetschen-

den im Bildungsbereich, aufgrund der dezentralen Strukturen und Verantwortlichkeiten und da

die Zuständigkeit für diese Zusammenarbeit fast vollständig bei den Gemeinden, Schulleitern

oder Lehrpersonen liegt (vgl. Emch-Fassnacht, 2012, S. 1-2).

Im Gesundheitsbereich ist der sprachliche Austausch zwischen Patienten und Patientinnen mit

den Ärzten und Ärztinnen sowie dem Pflegepersonal von hoher Bedeutung. Für eine präzise

Diagnose sind Informationen der Patienten und Patientinnen unabdingbar und eine Behandlung

ist nicht möglich, wenn die ärztlichen Anweisungen nicht verstanden werden. Der Frage, wie die

Verständigung in der Gesundheitspflege über sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg si-

chergestellt werden kann, wurde daher im Gesundheitsbereich seit den 1980er Jahren bereits

nachgegangen (vgl. BAG, 2011, S. 6-7). Interkulturelle Dolmetschende werden bei Gesprächen

zwischen Patienten und Patientinnen und den medizinischen Fachpersonen beigezogen. Empi-

rische Daten zeigen dabei auf, dass sich der Einsatz von interkulturellen Dolmetschenden posi-

tiv auf das Vorsorgeverhalten und den Genesungsprozess von fremdsprachigen Patienten und

Patientinnen auswirken kann. Interkulturelles Dolmetschen löst zwar kurzfristig einen Kosten-

mehraufwand aus, jedoch werden langfristig Einsparungen im Gesundheitsbereich prophezeit

(vgl. Gehrig, Calderón, Guggisberg & Gardiol, 2012, S. 1-3).

Im Sozialbereich finden in den unterschiedlichsten Institutionen (Sozialdienst, Beratungsstellen,

Schulsozialarbeit u.a.) Gesprächssituationen mit komplexen Informationen statt, in welchen oft

auch rechtsverbindliche Vereinbarungen getroffen werden. In solchen Gesprächssituationen ist

die gegenseitige Verständigung zwischen Fachpersonen und fremdsprachigen Klienten und

Klientinnen unverzichtbar. Dabei ist nicht nur die Verständigung auf der sprachlichen Ebene,

9 Die folgenden Darstellungen beziehen sich auf die im Kapitel 1.4 vorgestellten Studien, dabei wurde

hauptsächlich die Tätigkeit des interkulturellen Übersetzens untersucht und weniger die des interkulturel-len Vermittelns, da es sich aber um verwandte Tätigkeiten handelt, können die Darstellungen durchaus auch Gültigkeit für die interkulturelle Vermittlung haben.

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Master-Thesis Livia Knecht

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sondern auch die Verständigung in Bezug auf das schweizerische System der sozialen Sicher-

heit von Bedeutung. Ungenügende Verständigungen in diesem Bereich können zu ineffizienter

Beratung und Missverständnissen führen, welche auch einen bedeutenden zeitlichen und finan-

ziellen Mehraufwand mit sich bringen können. Auch in diesem Bereich unterscheidet sich die

Praxis betreffend Einsatzhäufigkeit oder dem der Thematik beigemessenen Stellenwert stark

voneinander, da die Gesetzgebung im Sozialbereich kantonal variiert und die Umsetzung von

Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich gestaltet wird (vgl. von Glutz, 2012, S. 1-2).

Calderón-Grossenbacher (2010a, S. 5) fragt danach, wer interkulturelles Übersetzen braucht

und weist daraufhin, dass einerseits neu eingereiste Migranten und Migrantinnen einen Bedarf

aufzeigen, da sie gewisse Informationen in ihrer Herkunftssprache benötigen. Andererseits wird

es aber auch immer Migranten und Migrantinnen geben, welche nicht in der Lage sind ein Ge-

spräch mit Behörden und Fachpersonen über komplexe Sachverhalte in einer schweizerischen

Landessprache zu führen. Bei solchen Gesprächen ist es wichtig, dass professionelle Überset-

zende und nicht Verwandte oder Bekannte und schon gar nicht die eigenen Kinder für die

Übersetzung beigezogen werden.

Die rechtliche und strukturelle Steuerung und Koordination des interkulturellen Übersetzens auf

kantonaler, kommunaler oder auch institutioneller Ebene kann gemäss Calderón-

Grossenbacher (2010b, S. 3) auf unterschiedliche Weise erfolgen. Massnahmen und Instru-

mente zur Steuerung und Koordination können dabei rechtliche und normative Vorgaben, wie

Gesetze oder Verordnungen sein, aber auch Leitbilder, Konzepte oder Richtlinien. Finanzielle

Rahmenbedingungen können unterschiedlich ausgestaltet werden. Bei den strukturellen Rah-

menbedingungen ist vor allem wichtig, dass der Zugang zu interkulturellen Übersetzenden und

die Weiterbildung von Fachpersonen sichergestellt ist. Gerade die Weiterbildung von Fachper-

sonen im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich stellt eine wichtige Massnahme dar, da

dies wenige zeitliche Ressourcen benötigt und trotzdem ein wirksames Mittel ist, um den Ein-

satz von interkulturellen Dolmetschenden zu fördern. Interpret (2013b, o.S.) empfiehlt den Ein-

satz von interkulturellen Dolmetschenden über regionale Vermittlungsstelle zu organisieren, um

einen reibungslosen Ablauf aller administrativen Belange sowie die Qualität der Dienstleistung

sicher zustellen. Zudem begrüsst Interpret die Etablierung von festen Strukturen und Abläufen,

welche die Finanzierung des interkulturellen Dolmetschens über die Regelstrukturen sicherstel-

len.

Interkulturelles Dolmetschen hat sich in den Bereichen Bildung, Soziales und Gesundheit zu

einem standardisierten und professionellen Angebot etabliert (vgl. Müller, 2012, S. 1). Für das

interkulturelle Dolmetschen wurden national geltende Standards und Definitionen entwickelt,

wodurch die Aufgaben von interkulturellen Dolmetschenden klar definiert werden. Mit der Grün-

dung des Dachverbands, welcher u.a. die Qualitätssicherung und -entwicklung sowie die Lob-

byarbeit zum Thema interkulturelles Dolmetschen wahrnimmt, wurde die Etablierung des inter-

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kulturellen Dolmetschens vorangetrieben. Die Dienstleistung des interkulturellen Dolmetschens

hat auch Einzug in die nationale Gesetzgebung gefunden, im AuG, wie auch in den kantonalen

Integrationsprogrammen wird interkulturelles Übersetzen als eine integrationsfördernde Mass-

nahme angesehen. Auch wenn die Entwicklung und Etablierung des interkulturellen Überset-

zens eine Erfolgsgeschichte darstellt, gibt es durchaus noch Handlungsbedarf. Es besteht wei-

terhin grosser Bildungs- und Sensibilisierungsbedarf bei den Institutionen und Fachpersonen im

Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich. Auch bedarf es an Klärung in Bezug auf verwandte

Dienstleistungen, wie das interkulturelle Vermitteln. Die Ausarbeitung von Standards und der

Aufbau eines Ausbildungs- und Qualifizierungssystems für die interkulturelle Vermittlung stellt

zurzeit eine bedeutende Aufgabe von Interpret dar (Müller, 2012, S. 1-9).

Auch die diversen Studien zur interkulturellen Übersetzung schliessen jeweils mit Handlungs-

empfehlungen. Ziel der Empfehlungen der verschiedenen Studien ist hauptsächlich die Verein-

heitlichung und Professionalisierung der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen von

interkultureller Übersetzung, die lokale und regionale Verankerung des Angebots sowie die

Förderung der vermehrten Nutzung von interkulturellen Übersetzungs- und Vermittlungsdiens-

ten. Die Empfehlungen zielen daher darauf ab, die Sensibilisierungs- und Lobbyarbeit zu ver-

stärken und insbesondere in die Aus- und Weiterbildung der Fachpersonen im Bildungs-, Ge-

sundheits- und Sozialbreich zu investieren. Weiter wird die Verankerung der interkulturellen

Übersetzung in den Gesetzesgrundlagen der Regelstrukturen empfohlen und es wird Hand-

lungsbedarf bezüglich Richtlinien und Leitfäden in den Institutionen aufgezeigt (vgl. Emch-

Fassnacht, 2012; von Glutz, 2012; Calderón-Grossenbacher, 2010a).

2.3.3 Verständnis von Schlüsselpersonen

Da es zum Begriff Schlüsselperson, wie auch zur Tätigkeit von Schlüsselpersonen kaum Stu-

dien gibt, kann zum theoretischen Verständnis von Schlüsselpersonen nur wenig gesagt wer-

den. Folgend wird daher erstens der Frage nachgegangen, was unter dem Begriff Schlüssel-

personen bzw. verwandten Begriffen wie Gatekeeper verstanden wird und zweitens wird auf ein

Referat von Ruth Calderón (2011) Bezug genommen, in welchem sie zu den Schlüsselperso-

nen Stellung genommen hat sowie auf eine Studie von Dahinden und Moret (2009) eingegan-

gen, welche auf Schlüsselpersonen im Zusammenhang von Kommunikation mit Zugewanderten

eingehen.

Vorerst wird allerdings noch ein Blick in die frühere Integrationsförderung des Bundes geworfen.

Vor 2008 regelte der Bund die Integrationsförderung noch nicht in diesem Rahmen wie sie in

Kapitel 2.2 dargestellt wurde, sondern im Rahmen von Schwerpunktprogramen (2001 bis 2007)

basierend auf den in der VInTA genannten Förderbereichen. Ein Schwerpunkt war damals die

Unterstützung von Projekten auf lokaler und regionaler Ebene zur Förderung der Fort- und Wei-

terbildung von Schlüsselpersonen, also von Personen, welche im beruflichen oder privaten All-

tag eine Schlüsselstellung in ihrer Referenzgruppe einnehmen. Unter Schlüsselpersonen wur-

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den Personen verstanden, denen für die Integration im Alltagsleben eine Schlüsselfunktion zu-

kommt. Schlüsselpersonen wurden dabei in vier Gruppen unterteilt: Mentoren und Mentorinnen,

die eine Beziehung zu Migranten und Migrantinnen aufbauen und diese unterstützen, Mediato-

ren und Mediatorinnen, die als Vermittelnde wirken, Multiplikatoren und Multiplikatorinnen, wel-

che als Informationsvermittelnde agieren, und Personen, die aufgrund ihrer Rolle, als Hauswart,

Sporttrainer (also auch einheimische Personen) wichtige Integrationsarbeit leisten. Schlüssel-

personen sollten durch gezielte Fortbildungs- und Unterstützungsangebote vermehrt in der La-

ge sein sicherer und kompetenter zu handeln. Die Evaluation der Schwerpunktprogramme zeigt

auf, dass zwar ein Bedarf an Schlüsselpersonen besteht, jedoch unklar ist, ob sich daraus auch

eine längerfristige Nachfrage ergibt, da diese vor allem von der Bereitschaft der Institutionen

Schlüsselpersonen auch einzusetzen, abhängt. Aufgrund des fehlenden Problembewusstseins

oder der fehlenden finanziellen Mittel werden Schlüsselpersonen in Institutionen der Regelstruk-

turen nur bedingt eingesetzt. Die Bereitschaft von Institutionen, die notwendigen Rahmenbedin-

gungen für regelmässige Einsätze von Schlüsselpersonen zu schaffen, wurde als gering einge-

schätzt. Im Schwerpunktprogramm 2008 bis 2011 wurde dann auch die Fortbildung und Unter-

stützung von Schlüsselpersonen nicht mehr gefördert (vgl. Hammer & Trageser, 2008, S. 9).

Unter dem Begriff Schlüsselperson wird in der empirischen Sozialforschung (vgl. Ludwig-

Mayerhofer, 1999, o.S.) eine Person verstanden, welche dem Forschenden den Zutritt zur er-

forschenden Organisation oder Gruppe ermöglicht. Im Duden findet man keinen Eintrag zum

Begriff, es werden lediglich ähnliche Begriffe, wie Schlüsselfigur oder Schlüsselrolle aufgezählt.

Eine Schlüsselfigur wird als eine bedeutende, einflussreiche Figur definiert, als eine Person in

einer Schlüsselposition, deren Handeln und Wirken der Schlüssel zur Erklärung von bestimm-

ten Zusammenhängen ist. Die Bedeutung von Schlüsselrolle ist, eine Rolle von entscheidender

Bedeutung, eine wichtige, einflussreiche und führende Rolle (Duden, 2013, o.S.). Unter dem

englischen synonymen Begriff Gatekeeper findet man Definitionen in weiteren Bereichen, bei-

spielsweise im Wirtschaftsbereich wird damit eine Person mit Schlüsselposition in einer Organi-

sation gemeint oder im Bereich Medien wird ein Journalist gemeint, welcher Nachrichten selek-

tioniert. Im Bereich Migration werden Schlüsselpersonen ebenfalls, wie diese Definitionen auf-

zeigen, als Personen in Schlüsselpositionen gesehen, welchen eine bedeutende Rolle für die

Integration von Migranten und Migrantinnen zukommen und wie in der Sozialforschung wird

durch Schlüsselpersonen der Zutritt bzw. Zugang zu bestimmten Personengruppen ermöglicht.

Calderón (2011, S. 4-5) hat sich im Rahmen einer Tagung am Rande mit der Thematik Schlüs-

selpersonen beschäftigt, da der Begriff im Zusammenhang mit der Integration von Migranten

und Migrantinnen immer öfters verwendet wird. Sie weist darauf hin, dass keine allgemein gülti-

ge Definition existiert, landläufig sind darunter jedoch besonders gut integrierte Migranten und

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Master-Thesis Livia Knecht

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Migrantinnen10 gemeint, welche die lokale Sprache beherrschen und eingesetzt werden, um die

jeweilige Kulturgruppe direkter anzusprechen, als dies schweizerische Fachpersonen und Be-

hörden können. Somit fungieren sie als Brückenbauer/innen zwischen Zugwanderten und Ein-

heimischen. Schlüsselpersonen geben Informationen an die jeweilige Kulturgruppe weiter, stel-

len eine informelle Anlaufstelle für die eigenen Landsleute dar und orientieren diese darüber,

wie und wo sie Beratung erhalten können und wie sie bei bestimmten Fragen vorzugehen ha-

ben. Die Tätigkeiten und Funktionen, welche Schlüsselpersonen innehaben, sind unterschied-

lich und genauso unterschiedlich sind somit auch die Anforderungen an Schlüsselpersonen. Die

Definition von Schlüsselpersonen und die Beschreibung derer Tätigkeiten erinnert gemäss Cal-

derón jedoch stark an die Tätigkeit von interkulturellen Übersetzenden und Vermittelnden und

sie weist daraufhin, dass es für die Praxis sinnvoll wäre, zu klären, was unter Schlüsselperso-

nen verstanden wird und wie diese zu den Tätigkeiten der interkulturellen Übersetzenden und

Vermittelnden abgegrenzt werden. Calderón unterscheidet dabei zwischen zwei Arten von

Schlüsselpersonen: freiwillig Tätige und interkulturelle Vermittelnde. Schlüsselpersonen, welche

freiwillig tätig sind, begleiten einzelne Migranten und Migrantinnen, unterstützen diese bei all-

täglichen Fragen und beteiligen sich an kulturellen Anlässen. Die Einsätze finden in der Freizeit

statt und sie können einerseits aus eigener Initiative diese Tätigkeit ausführen oder auch im

Auftrag von Behörden und Institutionen. Ist Letzeres der Fall, dann ist es wichtig, dass die Frei-

willigen in die Aufgaben eingeführt und begleitet werden. Diese Schlüsselpersonen arbeiten

unentgeltlich, erhalten aber eine Spesenvergütung und werden nicht bei komplexen und belas-

tenden Situationen eingesetzt. Schlüsselpersonen, welche als interkulturelle Vermittelnde ge-

mäss Interpret tätig sind, arbeiten im Auftrag von Behörden und Institutionen und werden dafür

bezahlt. Die Aufgaben sind verantwortungsvoll und thematisch anspruchsvoll und sie bewegen

sich oft in einem Spannungsfeld. Da diese Arbeit belastend sein kann, benötigen sie entspre-

chende Ausbildungen, um dafür vorbereitetet zu sein.

Gemäss Dahinden und Moret (2009, S. 6) sind gewisse Migrantengruppen besonders schwer

zu erreichen und daher befassen sie sich in ihrer Studie damit, wie verschiedene Migranten-

netzwerke die Kommunikation zwischen Behörden und Migrationsbevölkerung verbessern kön-

nen. Dahinden und Moret stellen dabei fünf Typen der Zusammenarbeit zwischen Behörden

und Migrantennetzwerken vor und ein Typ davon ist die Zusammenarbeit mit Schlüsselperso-

nen und Multiplikatoren. Unter Schlüsselpersonen verstehen Dahinden und Moret (2009, S. 11)

Personen mit Migrationshintergrund, die über spezifische fachliche Kompetenzen verfügen.

Eine Zusammenarbeit mit Schlüsselpersonen eröffnet öffentlichen Instanzen zahlreiche Mög-

lichkeiten spezifische Gruppen zu erreichen, da Schlüsselpersonen gleichzeitig einen privile-

gierten Zugang zum lokalen institutionellen Netzwerk wie auch zu bestimmten schwer erreich-

10

Die Begriffsklärung und ob Schlüsselpersonen einen Migrationshintergrund haben, wird im Kapitel 4.1.5 dargestellt.

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Master-Thesis Livia Knecht

30

baren Personen der Migrationsbevölkerung haben. Dabei nehmen die Schlüsselpersonen ver-

schiedene Rollen ein: Mediation, Vermittlung, Übersetzung oder Mentoring. Gleichzeitig können

Schlüsselpersonen auch die Behörden mit Informationen zur jeweiligen Kulturgruppe versorgen.

Die Erwartungen an Schlüsselperson sind gemäss Dahinden und Moret (2009, S. 16) hoch,

während die Anerkennung die sie bekommen nicht immer so hoch ist, wie sie verdient hätten

und auch das Potential von Schlüsselpersonen nicht immer ausgeschöpft wird. Schlüsselperso-

nen werden für punktuelle Leistungserbringungen im Rahmen von Aktionen und Projekten ein-

gesetzt, würden sie besser und von Beginn weg in Projekte und Netzwerke eingebunden wer-

den, könnten sie ihre Kompetenzen besser einbringen und das Potential könnte besser genutzt

werden. Denn Personen der gleichen Herkunft wird grösseres Vertrauen entgegen gebracht als

Schweizer-Personen oder -Institutionen und dies ist für Wahl der richtigen Informationsstrategie

sehr wichtig. Der Hauptgrund, dass Migranten und Migrantinnen sich an Schlüsselpersonen

wenden, ist der mündliche, persönliche und informelle Charakter. Das Misstrauen gegenüber

Schweizer-Institutionen wird damit begründet, dass erstens entmutigende Erfahrungen gemacht

wurden oder man Angst davor hat, zweites werden negative. Erfahrungen mit Behörden im

Herkunftsland auf Schweizer-Behörden übertragen und drittens haben Migranten und Migran-

tinnen auch unzureichende Kenntnisse über die Institutionen und deren Angebote. Schlüssel-

personen verbreiten Informationen und ermöglichen den Zugang zu Institutionen, insbesondere

für Migrantengruppen, welche auf traditionellen Kommunikationswegen kaum erreichbar sind.

2.4 Zusammenfassung theoretische Bezüge

Dass Integration lange Zeit nicht politisch verankert war und nicht als staatliche Aufgabe ange-

sehen wurde, ist noch heute spürbar. Zwar ist die Thematik Integration in der politischen Agen-

da beim Bund und bei den Kantonen nicht mehr wegzudenken, bei den Gemeinden ist dies je-

doch noch nicht überall der Fall und auch die Finanzierung von integrationsfördernden Mass-

nahmen ist nicht immer gegeben, da die Thematik noch nicht überall ernst genommen wird.

Inwiefern die Regelung der Integrationsförderung über die kantonalen Integrationsprogramme

einen Einfluss auf die Gemeinden ausüben kann, wird sich noch zeigen. Trotzdem sind schon

einige integrationsfördernde Projekte, u.a. Projekte mit Schlüsselpersonen-Netzwerken, in ver-

schiedenen Gemeinden entstanden. Was unter Schlüsselpersonen in der Praxis verstanden

wird, welche Tätigkeiten sie unter welchen Voraussetzungen ausführen und welche Kompeten-

zen sie dafür benötigen, wird folgend im Rahmen einer empirischen Untersuchung anhand von

fünf Projekten11 im Kanton Aargau erforscht.

11

Bei den untersuchten „Schlüsselpersonen-Netzwerke“ handelt es sich nicht bei allen untersuchten An-geboten um Projekte, da es mehrheitlich aber Projekte sind, wird folgend jeweils von Projekten die Rede sein.

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31

3 METHODISCHES VORGEHEN

Gemäss Kuckartz (2012, S. 21) ist die Forschungsfrage „Dreh- und Angelpunkt jedes For-

schungsprojekts“, da sich der Forschende anhand der Forschungsfrage bewusst macht, was er

überhaupt erfahren will, welche Art von Untersuchung Aufschluss über die Forschungsfragen

liefert und welche Methodik angemessen ist, um die Forschungsfrage beantworten zu können.

Die Forschungsfrage lautet, wie bereits in Kapitel 1.3 erläutert, folgendermassen:

Unter welchen Voraussetzungen und für welche Handlungsbereiche werden Schlüsselpersonen

in der kommunalen Integrationspolitik eingesetzt und welche Kompetenzen benötigen sie da-

für?

Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde das in folgenden Unterkapiteln dargestellte quali-

tative Forschungsdesign angewandt. Es wurde ein qualitatives Vorgehen gewählt, da die Fra-

gestellung darauf abzielt, das Erfahrungswissen der Akteure und Akteurinnen zu verstehen, zu

interpretieren und zu rekonstruieren. Zudem ist zur Thematik Schlüsselpersonen nur wenig

Theorie vorhanden und es können somit keine aus der Theorie abgeleiteten Hypothesen unter-

sucht werden, sondern es ist vom Einzelfall bzw. von Einzelfällen auf das Allgemeine zu

schliessen. Die Datenerhebung erfolgte anhand von offenen Leitfadeninterviews. Die Interviews

wurden transkribiert und mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Schluss-

endlich wurden die Ergebnisse diskutiert und daraus wurden Empfehlungen und Schlussfolge-

rungen abgeleitet.

3.1 Datenerhebung

In dieser Forschungsarbeit erfolgte die Datenerhebung anhand von offenen Leitfadeninterviews

einerseits mit Einzelpersonen und andererseits im Rahmen von Gruppendiskussionen. Insge-

samt wurden zwei Gruppendiskussionen und zwei Einzelinterviews mit Schlüsselpersonen, vier

Einzelinterviews mit Leitenden von Schlüsselpersonen-Netzwerken sowie ein Interview mit ei-

ner Person, welche selber keine Leitungsfunktion inne hat, jedoch bei der Initiierung des Pro-

jekts mitgewirkt hat, durchgeführt. Vorerst waren lediglich die zwei Gruppendiskussionen mit

den Schlüsselpersonen geplant, da sich diese als sehr ergiebig erwiesen, wurden weitere Inter-

viewpartner gesucht. Da es sich als zu aufwendig herausstellte wiederum Gruppendiskussionen

zu organisieren, wurden noch zwei Einzelinterviews durchgeführt. Dabei wurde auch darauf

geachtet, dass es sich um kontrastierende Fälle handelt, indem beispielsweise Personen von

anderen Projekten oder mit anderem kulturellen Hintergrund gewählt wurden.

3.1.1 Datenerhebungsinstrument Leitfadeninterview

Gemäss Przyborski und Wohlrab-Sahr (2010, S. 91-92) sind je nach Forschungsinteresse und

Forschungsgegenstand unterschiedliche Erhebungsinstrumente geeignet. Offene Leitfadenin-

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terviews sind gemäss Przyborski und Wohlrab-Sahr (2010, S. 139) u.a. geeignet für For-

schungsfragen, welche sich auf die Darstellung von bestimmten beruflichen oder alltäglichen

Praktiken beziehen, wobei der Modus der Beschreibung und Argumentation im Vordergrund

steht. Im Rahmen der empirischen Erhebung gilt es in dieser Masterthesis herzuleiten, wie Lei-

tungs- und Schlüsselpersonen die Voraussetzungen eines Schlüsselpersonen-Netzwerkes und

die Praktiken des Einsatzes von Schlüsselpersonen beschreiben. Anhand der Beschreibungen

der Tätigkeit von Schlüsselpersonen und ihren Reflexionen sowie Argumentationen dazu soll

die Fragestellung beantwortet werden.

Ein offenes Leitfadeninterview basiert auf einem zuvor erstellten Leitfaden, welcher anhand

bestimmter Kriterien verfasst wird. Der Ablauf eines offenen Leitfadeninterviews bewegt sich

vom Allgemeinen zum Spezifischen, wobei am Anfang des Interviews ein Stimulus erfolgt, wo-

durch eine Narration oder Beschreibung bei den Interviewenden ausgelöst wird. Danach folgen

thematisch geordnete Fragenkomplexe. Bei der Umsetzung ist zu beachten, dass der Leitfaden

als Orientierungshilfe dient und ein flexibler Umgang gefordert ist, damit das Interview möglichst

einer natürlichen Gesprächssituation nahe kommt (vgl. Przyborski und Wohlrab-Sahr, 2010, S.

140).

Der Leitfaden (Anhang 2) wurde anlehnend an die Forschungsfrage erstellt. Dabei wurden an-

hand der fünf in der Forschungsfrage relevanten Themen (analog der fünf im Kapitel 1.3 vorge-

stellten Unterfragen) Fragenkomplexe erstellt: Voraussetzungen / Rahmenbedingungen, Hand-

lungsbereiche, Kompetenzen, Verständnis / Definition von Schlüsselperson, Integration und

Integrationspolitik. Eingeleitet wurde das Interview anhand eines Erzählstimulus, wodurch die

Interviewpartner aufgefordert wurden, über die Arbeit von Schlüsselpersonen zu erzählen.

In Gruppendiskussionen können gemäss Przyborski und Wohlrab-Sahr (2010, S. 105) kollektive

Wissensbestände und kollektive Strukturen, welche durch gemeinsame Erfahrungen gebildet

wurden, artikuliert werden. Eine ergiebige Diskussion ergibt sich mit Personen, welche über

hinreichend ähnliche Erfahrungen verfügen. Bei einer bestehenden realen Gruppe kann ge-

mäss Przyborski und Wohlrab-Sahr (2010, S. 108) davon ausgegangen werden, dass eine ge-

meinsame Erfahrungsbasis vorhanden ist. Die Selbstläufigkeit des Diskurses kann somit er-

reicht werden und eine Gruppendiskussion liefert ergiebiges Material. In den untersuchten Pro-

jekten arbeiten die Schlüsselpersonen eng zusammen, da sie regelmässig stattfindende Sit-

zungen haben und sich dabei über ihre Erfahrungen in der Tätigkeit als Schlüsselperson aus-

tauschen. Gruppendiskussionen eignen sich daher gut für dieses Forschungsdesign, um einen

selbstläufigen, durch die Interviewpartner selbst strukturierten Diskurs, zu initiieren und für die

Forschungsfrage relevantes Material zu erhalten (vgl. Przyborski und Wohlrab-Sahr. 2010, S.

109). Die Gruppendiskussionen wurden auch anhand des Leitfadens geführt, wobei der gleiche

Einstiegsstimulus angewendet und die weiteren Fragen jeweils an die ganze Gruppe gerichtet

wurden.

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Master-Thesis Livia Knecht

33

3.1.2 Auswahl der Interviewpartner und Durchführung der Interviews

Der Feldzugang wurde durch die Anlaufstelle Integration Aarau sowie die Sektion Integration

und Beratung des Amtes für Migration und Integration des Kantons Aargau ermöglicht. Mit Ver-

tretern von beiden Institutionen wurden vor Beginn der Untersuchung Gespräche geführt und

dabei die bereits existierenden Angebote im Kanton Aargau vorgestellt und die Kontaktdaten

von Leitenden von fünf Projekten weitergereicht, welche zum Teil bereits über eine Anfrage für

ein Interview vorinformiert wurden. Alle Anbieter wurden per Mail für einen Interviewtermin an-

gefragt und gleichzeitig wurde dadurch der Zugang zu den Schlüsselpersonen erfragt. Drei Lei-

tungspersonen haben dabei den Kontakt zu Schlüsselpersonen ermöglicht. Mit allen Interview-

partnern wurden Termine für die Interviews vereinbart und mit einigen Interviewpartnern wurden

offene Fragen schon vor dem Interviewtermin via E-Mail geklärt. Ansonsten erfolgte beim Inter-

view vorerst eine kurze Small-Talk-Phase, in welcher die Autorin das Forschungsvorhaben

nochmals vorstellte und Unklarheiten wie auch offene Fragen geklärt wurden.

Unmittelbar nach den Interviews wurden Postskripts geschrieben. Dabei wurde einerseits er-

fasst, was nicht auf Tonband aufgenommen werden konnte, wie die Gesprächsatmosphäre

oder die Sitzordnung und andererseits erfolgte eine kurze Reflexion über das geführte Inter-

view. Insbesondere das Postskript nach dem ersten geführten Interview war von grosser Be-

deutung, da anhand dieser Reflexion auch der Leitfaden analysiert und nochmals neu ange-

passt wurde. Die Einstiegsfrage hat sich dabei als gut erwiesen und wurde beibehalten, bei den

weiteren Fragen wurden jedoch einige Anpassungen vorgenommen, indem einzelne Fragen

gestrichen oder umformuliert oder auch neue Fragen formuliert wurden. Zudem wurde die Rei-

henfolge der Fragenkomplexe nochmals neu gestaltet und einige Begriffe wurden hinterfragt.

Beispielhaft dafür ist der Begriff Schlüsselperson selber, da dieser Begriff nicht in allen Projek-

ten verwendet wird und auch zu Verwirrung führen konnte. Da im Voraus der Forschung nicht

bei allen Projekten bekannt war, welche Begriffe verwendet werden, wurde eine Begriffsklärung

zu Beginn des Interviews eingeführt.

3.2 Aufbereitung der Daten

Die Interviews wurden mit einem Tonbandgerät aufgenommen. Die Aufbereitung der Daten er-

folgte anhand von wortwörtlichen Transkriptionen mit Hilfe des Programms F4. Wichtig ist ge-

mäss Przyborski und Wohlrab-Sahr (2010, S. 161), dass eine Transkription regelgeleitet und

systematisch erfolgt, um die Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der Forschungsergebnis-

se zu gewährleisten. Die Interviews wurden von Mundart ins Schriftdeutsche übersetzt und die

Transkription erfolgte nach festen Regeln (Anhang 3).

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Master-Thesis Livia Knecht

34

3.3 Datenauswertung

Die Auswertung des Datenmaterials erfolgt anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach May-

ring. Die qualitative Inhaltsanalyse stellt ein systematisches und regelgeleitetes Vorgehen dar

und folgt einem festgelegten Ablauf, indem der Text in einzelne Analyseschritte geteilt wird (vgl.

Mayring, 2010, S. 12-13). Die Methodik der qualitativen Inhaltsanalyse zu definieren, ist gemäss

Mayring (2010, S. 11 ff.) schwierig, da unter einer Inhaltsanalyse je nach Interesse auch etwas

Unterschiedliches verstanden wird. Daher verzichtet Mayring auf eine Definition und erläutert

hingegen die Spezifika einer Inhaltsanalyse. Zusammenfassend hat die Inhaltsanalyse Kom-

munikation, welche in irgendeiner Form fixiert wurde, zum Gegenstand. Bei der Analyse der

Kommunikation wird systematisch, regelgeleitet und theoriegeleitet vorgegangen und dabei wird

das Ziel verfolgt Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte zu ziehen. Die Inhaltsanalyse hat sich

gemäss Kuckartz (2012, S. 39) von der klassischen Inhaltsanalyse, welcher noch eher quantita-

tive Vorgehensweisen zugrunde lagen, zu einer qualitativen Inhaltsanalyse weiterentwickelt. Die

klassische Inhaltsanalyse hat sich dabei stärker auf den Inhalt beschränkt, während bei der

qualitativen Inhaltsanalyse Textverstehen und Textinterpretation einen grösseren Stellenwert

einnehmen. Die Quellen für die Entstehung der qualitativen Inhaltsanalyse kommen gemäss

Mayring (2010, S. 26 ff.) aus der Kommunikationswissenschaft, der Hermeneutik, der qualitati-

ven Sozialforschung, der Literaturwissenschaft sowie der Psychologie der Textverarbeitung.

Gemäss Kuckartz spielt dabei vor allem die Hermeneutik, welche als „Kunst und Theorie der

Auslegung und Deutung“ oder als „Technik des Verstehens“ (vgl. Kuckartz, 2012, S. 31) defi-

niert wird, eine Rolle. Die Hermeneutik hat die qualitative Inhaltsanalyse geprägt, indem aus der

Hermeneutik Handlungsregeln für die qualitative Inhaltsanalyse gewonnen wurde: Vorverständ-

nis reflektieren, Text als Ganzes erarbeiten, sich der hermeneutischen Differenz bewusst sein,

im ersten Durchgang auf relevante Themen für die Forschung achten, Logik der Anwendung

(vgl. Kuckartz, 2012, S. 30-33).

Gemäss Kuckartz (2012, S. 72) besteht eine Vielzahl von Methoden und Techniken der qualita-

tiven Inhaltsanalyse. Mayring (2010, S. 63ff.) und unterscheidet zwischen drei Grundformen des

Interpretierens: Zusammenfassung, Explikation und Strukturierung. Diese Grundformen werden

weiter differenziert und daraus werden acht Analyseformen entwickelt. Allen Techniken ist ge-

mäss Mayring (2010, S. 49-50) gemeinsam, dass sie ein systematisches Vorgehen darstellen,

welches sich an vorab festgelegten Regeln orientiert und einem konkreten Ablauf folgt. Im Zent-

rum der Analyse steht bei allen Techniken die Kategorienkonstruktion und -begründung. Die

Kategorien können einerseits induktiv, aus den Daten heraus, entwickelt werden und anderer-

seits kann die Kategorienentwicklung deduktiv erfolgen, indem sie basierend auf theoretischen

Erkenntnissen abgeleitet werden.

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Die Wahl der Technik bei einer Forschungsarbeit hängt jeweils von der Fragestellung der Un-

tersuchung ab. Für diese Forschungsuntersuchung eignet sich die inhaltlich strukturierende

qualitative Inhaltsanalyse besonders, da gemäss Kuckartz (2012, S. 77) bei dieser Methode die

Kategorien sowohl deduktiv als auch induktiv entwickelt werden können. Gemäss Einschätzung

der Autorin eignet sich eine Mischform oder gemäss Kuckartz (2012, S. 69) eine deduktiv-

induktive Kategorienbildung besonders gut, da einerseits die Orientierung an der Fragestellung

bzw. am Leitfaden, im Sinne eines deduktiven Vorgehens, besonders ergiebige Materialien lie-

fern kann und andererseits benötigt es auch gewisse induktive Elemente, indem auch Katego-

rien aus dem Interviewmaterial entwickelt werden, da aufgrund fehlender Theorien nicht auf

Hypothesen oder Erkenntnisse aus der Theorie zurück gegriffen werden können. Die inhaltlisch

strukturierende qualitative Inhaltsanalyse hat zum Ziel eine bestimmte Struktur aus dem Materi-

al herauszuarbeiten. In dieser Arbeit interessiert besonders die inhaltliche Strukturierung, also

das Extrahieren und Zusammenfassen von bestimmten Inhalten und Themen (Mayring, 2010,

S. 98).

Die Auswertung des Datenmaterials erfolgte mit dem Programm Maxqda 11 und folgte dem

Ablauf der inhaltlich strukturierenden Analyse gemäss folgender Abbildung (Kuckartz, 2012, S.

78).

Abbildung 2: Ablauf inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse (Kuckartz, 2012, S. 78)

In einem ersten Schritt (vgl. Kuckartz, 2012, S. 79) wurde das Material sorgfältig gelesen und

wichtige Textstellen, aber auch Widersprüche und zu weiteren Reflexionen anregende Textstel-

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36

len markiert sowie Memos mit Anmerkungen dazu erstellt. Dieser Arbeitsschritt diente auch

dazu induktiv Kategorien am Material zu entwickeln und neue, nicht zu erwartende Themen,

nicht gleich von Beginn an auszuschliessen. Abschliessend zu diesem Schritt wurden für die

neun geführten Interviews kurze Fallzusammenfassungen erstellt, dabei wurden das Projekt

und die Interviewpartnerinnen kurz beschrieben. Besonderheiten zur Interviewführung wurden

erwähnt, der eigene Eindruck formuliert und die zentralen Ausführungen zur Fragestellung kurz

zusammengefasst.

Im zweiten Schritt wurden anhand des Leitfadens und der Fragestellung fünf Hauptkategorien

entwickelt:

Voraussetzungen

Rahmenbedingungen beziehungsweise Voraussetzungen für funktionierende und

erfolgreiche Netzwerke von Schlüsselpersonen

Handlungsbereiche

Einsatz von Schlüsselpersonen in verschiedenen Handlungsbereichen sowie die

Tätigkeiten der Schlüsselpersonen bei diesen Einsätzen

Kompetenzen

Kompetenzen, welche man benötigt, um für die Tätigkeit als Schlüsselperson geeignet zu

sein.

Begriffsklärung

Verständnis über die Funktion einer Schlüsselpersonen und die Abgrenzung zu anderen

Akteuren und Akteurinnen, insbesondere zu interkulturelle Dolmetschende und

Vermittelnde

Integrationspolitik

Vorstellung von Integration der Interviewpersonen, politische Rahmenbedingungen und

Einschätzung der integrativen Wirkung der Tätigkeiten

Anhand dieser fünf Hauptkategorien wurde das Material in einem dritten Schritt codiert (vgl.

Kuckartz, 2012, S. 79-80). Der Text wurde Zeile für Zeile durchgegangen und die Textabschnit-

te wurden den fünf Kategorien zugeordnet, zudem wurden dazu wiederum Memos geschrieben.

Nachdem das ganze Material codiert wurde, wurden in einem vierten Schritt alle mit der glei-

chen Kategorie codierten Textstellen in Exceltabellen zusammengestellt.

Im nächsten Schritt wurden die fünf Hauptkategorien ausdifferenziert und induktiv Subkatego-

rien gebildet (vgl. Kuckartz, 2012, S. 83-84). Diese Subkategorien wurden vorerst in einer un-

geordneten Liste zusammengestellt und danach durch den Rückbezug auf die Fragestellung

und den Zielsetzungen der empirischen Forschung geordnet und systematisiert.

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Der sechste Schritt beinhaltete einen zweiten Codierprozess und das komplette Material wurde

mit dem ausdifferenzierten Kategoriensystem nochmals codiert (vgl. Kuckartz, 2012, S. 85).

Dabei wurde geprüft, ob die Textstellen jeweils den Kategorien zugeordnet werden konnten

oder ob es weitere Präzisierungen und Erweiterungen bedarf. Einige Subkategorien wurden

nach diesem Codierprozess nochmals überarbeitet. Das gesamte Kategoriensystem wird im

Anhang 4 dargestellt.

Schritt sieben stellt schlussendlich die eigentliche Auswertung und Ergebnispräsentation dar. Im

Mittelpunkt stehen dabei die Themen und Subthemen, welche im Auswertungsprozess erarbei-

tet wurden. Kuckartz (2012, S. 93-94) unterschiedet sieben Formen der Auswertung und Er-

gebnisdarstellung, und in dieser Masterthesis wurde die kategorienbasierte Auswertung entlang

der Hauptthemen gewählt. Die Forschungsergebnisse werden somit für jede thematische

Hauptkategorie abgebildet und leitend ist dabei die Frage, was zu diesem Thema alles gesagt

wurde. Die Kategorien werden dabei in einer sinnvollen und nachvollziehbaren Reihenfolge

dargestellt und die inhaltlichen Ergebnisse werden in qualitativer Weise präsentiert sowie proto-

typische Beispiele aus dem Material dazu zitiert werden. Der Ergebnisbericht endet mit einem

resümierenden Bogen auf die Forschungsfrage. Die Ergebnisse werden wie hier beschrieben in

Kapitel 4 dargestellt.

3.4 Reflexion des methodischen Vorgehens

Der Feldzugang ist gelungen, da dieser durch die Vertreter/innen der kantonalen Stellen herge-

stellt wurde. Jedoch ist dadurch die Auswahl der Interviewpartner/innen relativ unsystematisch

geschehen. Die untersuchten Projekte eigneten sich nicht alle gleich gut für dieses For-

schungsvorhaben, da einige Interviewpersonen nicht auf bereits gemachte Erfahrungen zu-

rückgreifen konnten, weil die Projekte sich erst in der Planungsphase befinden. Daher wäre

eine bessere Prüfung der Projekte darüber, in welcher Projektphase diese sind und ob bereits

Einsätze von Schlüsselpersonen stattgefunden haben, sinnvoll gewesen. Trotzdem waren auch

die Interviews mit den Akteuren und Akteurinnen von Projekten in der Planungsphase ergiebig,

da dort vor allem auch Unklarheiten, offene oder auch kritische Fragen zur Thematik formuliert

wurden. Die Überarbeitung des Leitfadens nach dem ersten Interview war relevant für das Ge-

lingen der Datenerhebung. Die grösste Schwierigkeit bei der Datenerhebung war, dass der Leit-

faden nur als Orientierung dienen durfte. Es war schwierig nur anhand immanenter Fragen das

Gespräch zu steuern und sich aber auch am Leitfaden zu orientieren. Zudem war auch schwie-

rig sich an eine logische Reihenfolge halten zu können, ohne dabei das Gespräch zu stark zu

steuern. Mehrheitlich gelang die Datenerhebung jedoch sehr gut, einzig in einem Interview war

vor allem auch die Sitzordnung ungünstig gewählt, da die Interviewerin zwischen zwei Inter-

viewpersonen gesessen ist und somit konnte schwer ein selbstläufiger Diskurs initiiert werden

und das Gespräch wurde hauptsächlich durch die Interviewerin gesteuert. Auf eine Einver-

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ständniserklärung der Interviewpersonen wurde verzichtet, da es sich nicht um ein heikles (Ta-

bu-) Thema handelte. Jedoch wurde zu Beginn des Interviews auf die Anonymisierung der Da-

ten hingewiesen, im Nachhinein würde die Autorin eine schriftliche Einverständniserklärung

jedoch als sinnvoll einschätzen, da man dadurch auch sicherer sein kann, dass die Interview-

personen dies auch verstanden haben.

Die Datenerhebungsmethodik sowie die Auswertungsmethode sind für dieses Forschungsde-

sign geeignet. Die Leitfadeninterviews eignen sich gut, um die Ergebnisse auch zu vergleichen

und trotzdem wird Offenheit im Forschungsprozess gewährleistet. Eine grosse Schwierigkeit

war bei dieser Masterthesis, dass die Forschungsarbeit eine Einzelarbeit ist. Gerade bei qualita-

tiven Forschungen wäre der Austausch in einem Forschungsteam jedoch sehr hilfreich. Die

qualitative Inhaltsanalyse ist eine Methodik, welche sich gemäss Einschätzung der Autorin auch

für Forschungen, welche nicht in Forschungsruppen vollzogen werden, gut eignet. Weiter sind

die Fokussierung auf die Inhalte des Materials, sowie auch die Aneignung der Methodik für Stu-

dierende gut machbar ist Kriterien für die Eignung dieser Methodik.

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4 RESULTATE

In diesem Kapitel werden erstens die Resultate kategorienbasiert und anhand von Ankerbei-

spielen aus den Interviews dargestellt und zweitens in Kapitel 4.2 im Hinblick auf die Fragestel-

lung zusammengefasst.

4.1 Darstellung der Resultate

Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wurden fünf Projekte untersucht, dabei wurden fünf Inter-

views mit Leitenden bzw. einer Person, welche bei der Initiierung mitgewirkt hat, durchgeführt,

welche folgend als Projektleitende A-E (PL A-E) betitelt werden. Zudem wurden zwei Gruppen-

diskussionen mit Schlüsselpersonen (SPE A und B) und zwei Einzelinterviews mit Schlüssel-

personen (SP B und C) geführt12. Bevor die Ergebnisse kategorienbasiert dargestellt werden,

macht es Sinn die untersuchten Projekte kurz zu beschreiben. Da das Ziel der empirischen For-

schung jedoch keine umfassende Bestandesaufnahme der Projekte war, steht somit auch keine

ausführliche Beschreibung zur Verfügung.

4.1.1 Beschrieb der Projekte

Die fünf untersuchten Projekte sind aufgrund diverser Ausgangslagen entstanden. Erstens sind

Projekte aufgrund einer Initiative der Schule bzw. des Kindergartens entstanden. Lehrkräfte

haben die Erfahrung gemacht bei der Elternarbeit mit Migranten und Migrantinnen an Grenzen

zu stossen und haben geeignete Massnahmen seitens der Gemeinde gefordert. Zweitens wer-

den die Projekte im Rahmen eines Bundesprogramms zur Integrationsförderung finanziert und

unterstützt oder drittens sind sie aufgrund der Initiative der Gemeinde oder Stadt entstanden, da

der Bedarf nach Massnahmen im Integrationsbereich erkannt wurde. Daraus sind fünf unter-

schiedliche Projekte entstanden, welche sich heute gemäss der Einschätzung der Autorin noch

in unterschiedlichen Projektphasen befinden. Drei Projekte werden „eher“ am Ende der Pla-

nungs- und am Anfang der Durchführungsphase zugeordnet. Die Planungsphase ist mehrheit-

lich abgeschlossen, da Konzepte oder Leitbilder verfasst wurden und eine Vorstellung darüber,

was eine Schlüsselperson ist und macht, vorhanden ist. Jedoch sind die Schlüsselpersonen

zurzeit noch nicht offiziell im Einsatz. Zwar gibt es teilweise Personen, welche diese Tätigkeiten

schon ausführen, jedoch machen sie dies noch eher als Privatpersonen und nicht als eine vom

Projekt beauftragte Schlüsselperson. Zudem bestehen doch noch viele Unklarheiten und offene

Fragen wie dieses Projekt umgesetzt werden soll und beispielsweise darüber, wie Schlüssel-

personen honoriert werden sollen. Eine Projektleitende in einem solchen Projekt sagt dazu fol-

gendes: „ich habe Leute im Projekt, wo schon eigentlich als Schlüsselpersonen tätig sind, aber

es ist wie noch nicht definiert, was sind ihre Aufgaben, was ist das Profil, was sind die Entloh-

12

Da alle Interviewende weiblich sind, wird folgend nebst der geschlechterneutralen Sprache auch die weibliche Form benutzt.

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nungen, das muss man ja auch diskutieren, in welchem, in welchem Rahmen, welcher Struktur

begeben sie sich, was ist der Leistungsauftrag etcetera.“ (PL D, Abschnittsnummer [AN] 2).

Eine Schlüsselperson, welche diese Tätigkeit bereits privat oft gemacht hat, meint dazu: „es

wäre schön, wenn wir eine Karte, Visitenkarte, hätten. Wir haben immer noch keine von der

Gemeinde/Stadt, darum ist das, Bezahlung ist auch manchmal problematisch und ja Vorstellung

auch so. Wir haben über dieses Thema ein bisschen gesprochen, ich glaube die Gemein-

de/Stadt arbeitet darüber, hoffentlich. Eine, ja, diese Karte, wenn wir, wenn wir sie haben, dann

können wir uns einfach schnell und wie nennt man das, ein bisschen offiziell vorstellen, es wäre

wirklich schön. Aber seit langer Zeit warten wir immer eine Entscheidung von der Gemein-

de/Stadt“ (SP C, AN 8).

Die zwei anderen Projekte befinden sich dagegen eher bei der Durchführungs- und Abschluss-

phase. Das Projekt wird umgesetzt und die Schlüsselpersonen sind offiziell im Einsatz. Die Auf-

gabenbereiche sind klar gegeben sowie auch die Abläufe geklärt sind. Auch sind u.a. Stellen-

beschriebe, Anstellungsverträge oder Pflichtenhefte für die Steuerung und Koordination der

Arbeit von Projektleitenden und Schlüsselpersonen vorhanden. Eines der Projekte wurde auch

bereits evaluiert und ein entsprechender Bericht ist vorhanden, beim zweiten Projekt ist eine

Evaluation für nächstes Jahr geplant.

Auch bezüglich der Angebote oder der Aufgabenbereiche von Schlüsselpersonen unterschei-

den sich die Projekte. Während in einem Projekt die Hauptaufgabe von Schlüsselpersonen Be-

ratungen bei Migranten und Migrantinnen zu Hause sind, wird diese Dienstleitsung in anderen

Projekten gar nicht angeboten, sondern man fokussiert sich mehr auf Erstinformationsgesprä-

che oder Einsätze in Institutionen wie in der Schule. Auch die Umsetzung ähnlicher Angeboten

variiert wiederum, da in einem Projekt die Erstinformation über Begrüssungsbesuche bei

Migranten und Migrantinnen zu Hause stattfindet und in einem anderen Projekt Begrüssungs-

gespräche auf der Verwaltung oder in den Räumlichkeiten des Projekts zusammen mit der Pro-

jektleiterin durchgeführt werden. Schliesslich sind die Funktion oder die Ziele der Schlüsselper-

sonen aber überall in etwa die Gleichen, denn sie schaffen aufgrund des Zugangs über die Mut-

tersprache Vertrauen und geben wichtige Informationen zum Leben in der Schweiz weiter.

Bei allen fünf Projekten stellt sich jedoch die Frage, wie es weitergehen soll. Bei den ersten drei

Projekten stellt sich dabei vor allem die Frage, wie nun dieses Projekt professionell umgesetzt

werden kann und bei den zwei letzteren Projekten steht die Frage der Weiterfinanzierung im

Vordergrund, da die bisherige Finanzierung bald ausläuft. Allen Projekten gemeinsam ist die

Frage, wie das Projekt fest institutionalisiert werden kann, wie dies PL B (AN 40) beschreibt „ich

will aber auch kein ewiges Projekt, also ich will nicht, dass es immer wieder verlängert wird,

sondern irgend einmal muss man zum Punkt kommen und sagen, diese Sachen machen wir,

diese Sachen machen wir nicht und jetzt, ja, jetzt sind wir hier.“

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4.1.2 Voraussetzungen

Dieses Kapitel behandelt die erste Teilfrage und gibt somit Antwort darauf, welche Vorausset-

zungen es braucht, damit Netzwerke von Schlüsselpersonen funktionieren können.

Anforderung an die Politik

Schlüsselpersonen-Netzwerke können nur funktionieren, wenn die Politik bzw. die Gemeinden

hinter dem Projekt stehen. Dies geschieht jedoch nur dann, wenn die Thematik Integration in

der politischen Agenda auch ernst genommen wird. Eine Projektleitende, die in einem regiona-

len Projekt tätig ist, äussert sich dazu wie folgt: „also das merke ich auch jetzt hier bei dieser

Arbeit, wenn der Gemeinderat nicht dahintersteht oder wenn diese Gemeinderäte aus diesen

Gemeinden nicht dahinter stehen, dann kann ich machen was ich will, es bringt nichts“ und die

Politik bzw. die Trägerschaften haben anzuerkennen „dass das Thema Integration genauso

wichtig ist wie die Umwelt, oder Wirtschaft, also das ist jetzt vielleicht ein wenig übertrieben ge-

sagt, aber ich finde wie, das ist ein genau gleich wichtiges Traktandum, wie so viel andere

Themen auch, wie Bauverwaltung oder Strassenbau oder weiss ich was. Das ist alles auch

sehr wichtig, aber ich finde das Thema gesellschaftliche Entwicklung, Integration, soll genau ein

gleich wichtiges Traktandum sein“ (PL D, AN 15).

Hinter dem Projekt zu stehen genügt jedoch nicht, sondern es braucht auch die Bereitschaft der

Gemeinden, dass solche Projekte (mit-) finanziert werden. Jedoch wird auch ausgesagt, dass

die Gemeinden alleine solche Projekte nicht selber finanzieren können. Eine Projektleitende,

welche sich über die Weiterfinanzierung des Projekts Gedanken macht, meint dazu: „und wenn

sich Bund und Kanton nicht beteiligen, dann stirbt dieses Projekt, weil die Gemeinden können

das nicht finanzieren und ich finde das auch okay und das sagen sie auch seit Anfang an, wenn

sich niemand anderes beteiligt, können wir das nicht bezahlen. Weil sie haben so viele Ver-

pflichtungen und sie würden es gerne zahlen, aber es geht wirklich nicht. Und von mir aus ge-

sehen ist es auch wirklich eine Aufgabe vom Kanton jetzt“ (PL B, AN 36).

Akteure / Akteurinnen und Rollenklärung

Die wichtigsten Akteure in einem solchen Projekt sind natürlich die Schlüsselpersonen. Wichtig

ist daher die Rollenklärung, also zu klären, welche Aufgaben Schlüsselpersonen übernehmen

und wie sie dafür auch entschädigt werden. Dabei sind wiederum unterschiedliche Praxisfor-

men feststellbar, während in einem Projekt die Schlüsselpersonen von der Gemeinde angestellt

werden, eine richtige Entlohnung sowie die Bezahlung von AHV-Beiträgen erhalten, bekommen

die Schlüsselpersonen bei anderen Projekten Sitzungsgelder sowie einen tieferen Stundenlohn

pro Einsatz. Grundsätzlich ist man sich jedoch einig, dass die Tätigkeit kein Job ist, welcher

einem das Leben finanzieren könnte. Es handelt sich daher doch eher um eine ehrenamtliche

Tätigkeit. In jedem der Projekte ist jedoch eine finanzielle Entschädigung der Schlüsselperso-

nen vorgesehen und wird auch als relevant angesehen, um die Arbeit von Schlüsselpersonen

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Master-Thesis Livia Knecht

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wertzuschätzen. Folgendes Zitat von zwei Schlüsselpersonen zeigt auf, dass auch für sie die

Arbeit eher ehrenamtlich ist:

„ja das ist so. Weil das ist ja nicht, wir machen das ja nicht für Geld /...

IP2: .../ Nein eigentlich nicht /...

IP1: .../ in unserer Freizeit, ja /...“ (SPE B, AN 27-29).

Wichtige Akteure in diesen Projekten sind auch die Projektleitenden, welche die Aufgaben der

Koordination und Steuerung übernehmen und dafür auch entsprechende Kompetenzen im Be-

reich Projektmanagement benötigen. Jede Projektleiterin arbeitet in einem Teilzeitpensum, wel-

ches jedoch fast in allen Fällen zu knapp bemessen ist. Die Aufgaben der Projektleitung sind

vielfältig und als wichtiger Aufgabenbereich wird die „Personalführung“ oder Beziehungspflege

zu den Schlüsselpersonen gesehen. Die Projektleitenden stellen Ansprechpersonen für die

Schlüsselpersonen dar, wie dies eine Schlüsselperson formuliert: „wenn ich etwas nicht ge-

wusst, ich kann schon immer nachfragen zum Beispiel bei der Leiterin, oder so, wir sind keine

Fachleute, oder“ (SPE A, AN 41). Aber nicht nur die Projektleitende ist eine wichtige Ansprech-

person, sondern auch der Austausch im Team, mit anderen Schlüsselpersonen, wird als rele-

vant angesehen. Zur Personalführung gehört auch die Akquirierung von Schlüsselpersonen.

Dabei heisst es überwiegend, dass viele engagierte Migranten und Migrantinnen interessiert

seien mitzuwirken. Jedoch ist vor einer „Anstellung“ zu klären, ob Personen auch für diese Tä-

tigkeit geeignet sind und dies wird oft in Form eines Vorstellungsgesprächs abgeklärt. Die Be-

ziehungsarbeit und der Aufbau des Netzwerks geschehen hauptsächlich über die persönliche

Ebene und sind somit auch zeitintensive Aufgaben. Weiter sind die Aufgaben der Projektleiten-

den die Bereitstellung von relevanten Informationen. Wie dies beispielswiese eine Projektleiterin

für die Erstinformationsgespräche macht: „ich habe mit diesen Leuten so ein Themenkatalog

erarbeitet, was so wichtige Themen sein könnten, wenn jemand neu ist in der Schweiz und da-

zu gibt es ja, dass jede Gemeinde irgend ein <Sack> mit Material oder Mappen abgibt“ (SP A,

AN 4). Aber auch Weiterbildung in verschiedenen Themenbereichen wird durch die Projektlei-

tung organisiert: „und in diesen Sitzungen haben wir auch Weiterbildungen (…) hier ist der

Schulleiter gekommen einmal und hat einfach die Neuerungen im Schulsystem dieses Jahr er-

klärt und im September kommt eine Anwältin, welche über Scheidung und Migration erzählt und

wir haben dann noch mit der Leiterin vom RAV eine separate Weiterbildung in Bezug auf Ar-

beitsintegration“ (SP A, AN 32). Eine weitere Aufgabe der Projektleitung ist die Vernetzung und

Zusammenarbeit mit relevanten Institutionen, da diese Aufgabe bedeutend für das Funktionie-

ren von Netzwerken mit Schlüsselpersonen ist, wird diese folgend ausführlich erläutert.

Vernetzung und Sensibilisierung

Die Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber, also mit den Gemeinden, wird als sehr wichtig für

das Gelingen von solchen Projekten eingeschätzt. Bei regionalen Projekten, welche von mehre-

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ren Gemeinden gemeinsam finanziert werden, kann diese Zusammenarbeit durchaus auch er-

schwerend sein, wie dies eine Projektleiterin ausdrückt, „also es ist so extrem schwierig und

man sieht dann auch regional, ein regionales Projekt hat extrem viel Hürden, welche man neh-

men muss, welche man auch bei internen Gemeinde, internen Projekten, machen muss, aber

wenn es dann auf vier Gemeinden verteilt ist, ist es einfach dann vierfach“ ( PL B, AN 8). Die

Gemeinderäte werden dabei in manchen Projekten stark mit einbezogen, indem sie beispiels-

weise in einer Steuergruppe sind und eine strategische Rolle seit Beginn an im Projekt über-

nehmen.

Weiter ist aber auch die Vernetzung mit Institutionen, welche Schlüsselpersonen einsetzen,

wichtig. Projektleitende machen auf das Projekt aufmerksam, zeigen auf wann und wofür

Schlüsselpersonen eingesetzt werden können und sensibilisieren die Fachpersonen auf die

Thematik. Denn ein solches Netzwerk kann nur funktionieren, „wenn sehr viele auch davon wis-

sen“ (PL A, AN 8). Als wichtiger Kooperationspartner wird dabei immer wieder die Schule ge-

nannt. Eine Schlüsselperson erklärt dies damit, dass „die Schule, (…) eine sehr wichtiger Faktor

in Integration von Kindern und von Familien (ist). (…) wenn man Kinder hat, man geht zur Schu-

le, es gibt keinen anderen Weg. Und wenn die Schule dieser Kontakt von dieser Person leichter

macht, dann kann Integration auch leichter fallen, auch im Dorf“ (SP B, AN 32).

Damit ein Schlüsselpersonen-Projekt funktioniert, gehört auch dazu, dass die Öffentlichkeit über

das Projekt informiert wird. Öffentlichkeitsarbeit findet häufig durch kulturelle Anlässe oder Fes-

te statt, welche von der Projektleitung und den Schlüsselpersonen organisiert wird und welche

auch einen Austausch und Begegnung zwischen Migrations- und Schweizerbevölkerung er-

möglicht.

Grundsätze/Grundprinzipien

Die Projekte verfolgen gewisse Grundsätze, welche zwar häufig nicht explizit in einem Leitbild

oder Konzept verankert sind, jedoch in den Interviews angesprochen wurden. Mehrheitlich wird

ein partizipativer Ansatz verfolgt, indem die Schlüsselpersonen von Anfang an in das Projekt

involviert werden und sie das Projekt auch aktiv mitgestalten können. Eine Projektleiterin meint

dazu, dass die Schlüsselpersonen seit Anfang an dabei sind und „diese haben mitgeholfen die-

ses Angebot aufzubauen und sie haben auch mit mir zusammen, Angebote diskutiert, was es

braucht“ (PL A, AN2 2).

Der Ansatz über die Muttersprache, dass Schlüsselpersonen in ihrer Muttersprache den Zu-

gang zu den Migranten und Migrantinnen finden, ist bewusst gewählt. Ohne dabei jedoch die

Wichtigkeit der Erlernung einer Landessprache untergraben zu wollen. „Es gibt Leute, welche

sagen, ja die Informationen soll man nur auf Deutsch bringen, weil die müssen ja Deutsch ler-

nen, aber bis eine Person, wenn sie überhaupt einmal Deutsch kann, bis sie Deutsch kann,

geht das Jahre und bis, dann ist schon alles vorbei, also du musst von Anfang … müssen sie

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doch wissen, dass man am Sonntag nicht Rasen mäht zum Beispiel“ (PL B, AN 28). Eine

Schlüsselperson meint dazu „das ist wichtig wegen Muttersprache und Vertrauen ist gross,

wenn wir unsere Leute gehen und auf Muttersprache etwas sagen, ist Vertrauen gross“ (SPE B,

AN 15).

Weiter wird die Niederschwelligkeit des Angebots als ein wichtiger Grundsatz benannt. Das

Projekt selber ist niederschwellig aber auch durch die Schlüsselpersonen werden Hemm-

schwellen abgebaut.

Bedarf und Zielgruppen

Die Zielgruppen sind nicht klar definiert und es gibt je nach Projekt Unterschiede. Einige Projek-

te richten sich nicht nur an Migranten und Migrantinnen, sondern auch an Schweizer/innen, bei-

spielsweise werden Erstinformationsgespräche auch für Schweizer/innen angeboten, da sich

diese auch erst in der neuen Gemeinde zurecht finden müssen, wie dies eine Projekleitende

treffend sagt „ja, also dieses Projekt ist eigentlich nicht nur für Migrantinnen und Migranten,

sondern für alle Neuzugezogenen. Weil wir finden eben auch jemand aus dem Appenzell hat

Integrationsbedarf zum Beispiel“ (PL B, AN 24). Ein Projekt hat als Zielgruppe schwer erreich-

bare Familien mit Kindern im Schul- und Vorschulalter definiert, da in diesem Projekt auch

Massnahmen im Bereich Frühförderung als Ziele benannt werden. Ausserdem wurde die Erfah-

rung gemacht, dass gewisse Angebote, nicht an alle Migranten und Migrantinnen gerichtet wer-

den können. Eine Projektleiterin erzählt von ihrer Erfahrung: „wir haben zuerst Infoveranstaltun-

gen gemacht für Alle, also einfach eine Infoveranstaltung für Migrantinnen und Migranten zum

Beispiel zum Thema, was haben wir einmal gehabt, das Gesundheitswesen zum Beispiel im

Kanton Aargau, dann ist einfach niemand gekommen und dann haben wir rausgefunden wir

können nicht ... also man kann ja gar nicht alle in den gleichen Topf werfen, also sie haben alle

so unterschiedliche Hintergründe, soziale, kulturelle, einfach intellektuelle, so viel verschiedene

Leute und du kannst die nicht zusammen nehmen. Du kannst ja nicht einmal die Schweizer

zusammen nehmen, wieso willst du dann alle Kulturen zusammen nehmen können. Und dann

haben wir begonnen Infoveranstaltungen zu machen mit Kulturvereine“ (PL B, AN 2). Die Erfah-

rung zeigt auch, dass Erstinformationsgespräche je nach Kultur unterschiedlich genutzt werden

und Hausbesuche nicht unbedingt bei allen Kulturen erwünscht sind. Gerade bei den Projekten,

welche sich auch an Schweizer/innen richten, zeigt sich, dass diese Zielgruppe noch viel

schwieriger zu erreichen ist. An welche Zielgruppe sich Angebote richten und welcher Bedarf

bei welcher Zielgruppe vorhanden ist und ob Angebote eventuell je nach Kulturgruppe zu diffe-

renzieren sind, wird jedoch nicht evaluiert oder hinterfragt in der Praxis.

4.1.3 Handlungsbereiche

In diesem Kapitel wird die zweite Teilfrage, wo, wann bzw. warum und für welche Tätigkeiten

Schlüsselpersonen eingesetzt werden, beantwortet.

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Grund für Einsätze

Die Gründe, warum Schlüsselpersonen eingesetzt werden, sind gemäss Aussagen der Inter-

viewpersonen folgende:

Sprachschwierigkeiten / sprachliche Barrieren

Fehlende Informationen / fehlendes Wissen

Erschwerter Zugang zu Angeboten / Institutionen (der Regelstrukturen)

Hierzu ein Zitat einer Projektleiterin und einer Schlüsselperson:

„Das Ziel wäre, dass sie [Fachpersonen] diese (Schlüssel-) Personen einsetzen können, wenn

sie, wenn sie eben mit, sagen wir jetzt Kunden zu tun haben, welche einfach die Sprache nicht

können und das einfach würde vereinfachen, in verschiedenen Situationen“ (PL C, AN 2).

„Wir kommen aus irgendeiner anderen Welt, in eine andere Welt. Und das muss man, eben

man muss sich anpassen und die grösste und die erste Barriere ist dann die Sprachbarriere,

oder, weil die, die neu zukommen, die kennen die Sprache noch nicht gut, oder und das ist

dann am schlimmsten, oder, wenn man die Sprache nicht kann, dann ist man total gebunden,

oder“ (SPE B, AN 6).

Einsatzorte

Schlüsselpersonen werden für Anlässe der Gemeinde sowie im Bildungs-, Gesundheits- und

Sozialbereich eingesetzt.

Bei den Gemeinden sind die Neuzuzügeranlässe ein wichtiger Handlungsbereich von Schlüs-

selpersonen. Sie nehmen an diesen Anlässen teil, machen dort auf das Angebot aufmerksam

und stehen neuzuziehenden Migranten und Migrantinnen für Fragen zur Verfügung. Die Erstin-

formation und die Herstellung einer Willkommenskultur für neuzuziehende Migranten und

Migrantinnen wird immer mehr als Aufgabe der Gemeinden wahrgenommen. Schlüsselperso-

nen machen dabei einerseits Begrüssungsbesuche bei den Migranten und Migrantinnen zu

Hause und andererseits finden Begrüssungsgespräche in der Gemeinde oder in den Räumlich-

keiten des Projekts statt, in einigen Projekten führen die Schlüsselpersonen diese Gespräche

selbständig, in anderen Projekten werden die Gespräche mit der Projektleitende geführt und die

Schlüsselpersonen sind dabei vor allem als Übersetzende tätig. Eine Projektleiterin beschreibt

diese Erstinformationsgespräche wie folgt: „im Auftrag von der Gemeinde, also können sie an-

gestellt werden zum eine Familie, nachdem sie angekommen sind, können diese Familien sich

melden bei diesen Kontaktpersonen, oder diese Kontaktperson ruft einmal an und sagt, ja wie

geht es euch jetzt und so, braucht ihr mich oder nicht und wenn diese das wollen, dann gehen

die nach Hause und erzählen etwas über Schulsystem, die haben eine Liste von Themen bei-

spielsweise über Abfall oder Steuern oder was es dann ist, einfach was gerade ansteht“ (SP E,

AN14).

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Schlüsselpersonen werden im Bildungsbereich oft in der Schule und im Kindergarten einge-

setzt. Dabei nehmen sie an Elternabenden teil, übersetzen für Migranteneltern Informationsma-

terial der Schule oder sind auch bei Elterngesprächen dabei. Ein weiterer Handlungsbereich ist

die Frühförderung und in einigen Projekten begleiten Schlüsselpersonen die Mütter- und Väter-

Berater/innen bei deren Hausbesuchen.

Zum Teil werden Schlüsselpersonen auch im Gesundheitsbereich in Spitälern oder bei Haus-

ärzten bei Patientengesprächen eingesetzt sowie sie auch bei Gesprächen im Sozialbereich in

Sozialdiensten oder weiteren Fach- und Beratungsstellen hinzugezogen werden.

Bei diesen Einsätzen können Schlüsselpersonen von den Fachpersonen beigezogen werden

oder auch Migranten und Migrantinnen fragen die Schlüsselpersonen an, ob diese sie zu be-

stimmte Termine oder Anlässe begleiten.

Tätigkeit von Schlüsselpersonen

Bei den Einsätzen in den verschiedenen Handlungsbereichen übernehmen Schlüsselpersonen

verschiedene Aufgaben.

Schlüsselpersonen finden über die Muttersprache Zugang zu (schwer erreichbaren) Migranten

und Migrantinnen und stellen somit auch den Kontakt oder eine Verbindung zwischen Institutio-

nen und der Migrationsbevölkerung her. Eine Projektleiterin meinte dazu, dass die Schlüssel-

personen die Funktion haben „die Türe aufzumachen, eigentlich für uns [Institutio-

nen/Fachpersonen] die Türe aufzumachen, dass wir rein marschieren können, sie bei uns und

wir bei ihnen“ (PL E, AN 16). Somit setzen Schlüsselpersonen auch die Hemmschwelle herun-

ter und für Migranten und Migrantinnen wird der Zugang zu Institutionen der Regelstrukturen

erleichtert. Ziel ist es Migranten und Migrantinnen zu ermöglichen, dass sie „sich getrauen zu

melden, dass sie keine Hemmungen haben (…) das wäre eigentlich super und das kann man

halt nur über Schlüsselpersonen und von Anfang an. Ja und Schlüsselpersonen sind vielleicht

auch noch da, um die Hemmschwelle eben herunterzusetzen zum mit Fachstellen in Kontakt zu

kommen, weil in anderen Ländern hat man ja ganz ein schlechtes Verhältnis zu Verwaltungen,

zur Regierung und zu Beratungsstellen (…) Und Schlüsselpersonen können natürlich auch wei-

ter dieses Vertrauen herstellen, dass man sagt, schau, ruf an, es passiert nichts, es ist, die hel-

fen einem nur, die wollen nicht einmal etwas dafür“ (PL B, AN 28).

Eine weitere Tätigkeit der Schlüsselpersonen ist das Informieren über unterschiedliche The-

men: Schulsystem, Gesundheitssystem, Wohnen, Freizeit, Abfallentsorgung, Krankenkassen-

verbilligung u.a. Eine Projektleiterin äussert sich dazu folgendermassen „dass auch diese Per-

sonen [Migranten und Migrantinnen] wirklich auch an Informationen kommen, in jedem Lebens-

bereich (…) eben sei es Schulsystem, dass sie wirklich wissen, wie es geht, also schon von

Anfang an, sei es Frühförderung, ja es ist wichtig, das Kind geht in die Spielgruppe“ (PL C, AN

2). Weiter erklären Schlüsselpersonen, wo bestimmte Informationen erhältlich sind, indem sie

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auf Anlaufstellen, Broschüren oder Internetseiten aufmerksam machen oder sie übersetzen

bestimmte Informationen, wie beispielsweise Elternbriefe. Eine Schlüsselperson erklärt „also da

ich schon lange in der Schweiz lebe, ich verstehe wie das Leben hier ist, wie das Schulsystem

funktioniert, wie eine Arbeitsstelle suchen oder Wohnung suchen, also ich verstehe, wie das

Leben hier läuft oder die Kultur, wie die Leute denken oder wie sind die, die Bräuche und Sitten

hier in der Schweiz. Und dann ich kann, ich kann dieses Wissen weitergeben, was man machen

soll oder was nicht unbedingt man machen soll“ (SP B, AN 18). Wie bereits erwähnt, ist ein

wichtiger Aufgabenbereich der Schlüsselpersonen auch die Erstinformation, dabei informieren

Schlüsselpersonen über die Begebenheiten in der Schweiz, speziell im Wohnort und schaffen

somit eine Willkommenskultur. Schlüsselpersonen „begrüssen die Leute hier, also heissen wir

sie herzlich willkommen hier und erklären ihnen, wie da in der Gemeinde alles funktioniert, wie

die Leute hier leben, an welche Regeln muss man sich halten“ (SPE A, AN 2).

Jedoch beinhalten die Gespräche nicht nur das Informieren, sondern es geht auch in Richtung

Erklären und Beraten. In einem Projekt führen Schlüsselpersonen selbständig Beratungsge-

spräche, aber auch in den weiteren Projekten geht die Tätigkeit über das Informieren hinaus,

indem Schlüsselpersonen nicht nur die Informationen in der Muttersprache weitergeben, son-

dern auch erklären, warum dies in der Schweiz anders ist als im Heimatland, die kulturellen

Differenzen aufzeigen und ihnen somit helfen sich hier zurecht zu finden und sich zu orientie-

ren. Eine Schlüsselperson sagt dazu, dass ihre Aufgabe ist „manche Sachen sehr gut erklären,

(…) Nicht nur wegen der Sprache, sondern kulturelle Sachen und Niveau“ (SP C, AN 6).

Eine weitere Tätigkeit ist die Vermittlung und Vernetzung. Schlüsselpersonen informieren nicht

nur über Angebote, sondern schaffen auch den Zugang zu diesen Angeboten und somit eröff-

nen sich für die Migranten und Migrantinnen neue Netzwerke. Eine Schlüsselperson meint da-

zu, „aber sie wissen alle nicht, unsere Klientel, wenn was gibt, wo gibt es, das ist unsere ... ein

Teil vom Arbeit, oder, wir müssen zeigen, da in der Nähe gibt es etwas, oder“ und ihre „Team-

kollegin“ ergänzt „und manchmal machen wir die Leute auch aufmerksam über die Angebote,

zum Beispiel es gibt auch hier solche Angebote, Frauengesprächsgruppe und Eltern-Kind-Treff

und wir motivieren die Leute auch, dass sie hier kommen und teilnehmen“ (SPE A, AN 18). Die-

se Aussage zeigt auch auf, dass die Tätigkeiten von Schlüsselpersonen auch ein Empower-

ment bewirken kann, da Migranten und Migrantinnen motiviert und ermutigt werden Angebote

zu nutzen.

Weiter gehört zu den Aufgaben von Schlüsselpersonen auch die Begleitung an Anlässen, wie

beispielsweise Neuzuzügeranlässe oder Elternabende dazu. Sie begleiten jedoch auch Migran-

ten und Migrantinnen bei Gesprächen mit Fachpersonen oder umgekehrt begleiten sie auch

Fachpersonen, wie beispielsweise Mütter- und Väter Berater/innen bei Besuchen. Bei dieser

Tätigkeit ist ihre Hauptaufgabe das Übersetzen.

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Schlüsselpersonen sind auch bei weiteren Angeboten innerhalb des Projekts tätig, sie organi-

sieren Anlässe, Feste oder Vorträge mit oder stehen bei internen oder externen Projekten bera-

tend zur Seite. In einigen Projekten wird dabei auch zwischen den Tätigkeiten der Schlüssel-

personen differenziert, es machen also nicht alle Schlüsselpersonen die gleichen Aufgaben,

beispielsweise führen in einem Projekt nicht alle Schlüsselpersonen Beratungsgespräche, eini-

ge Personen werden nur für Begrüssungsbesuche oder bei öffentlichen Anlässen eingesetzt.

Wie beschrieben sind die Tätigkeiten von Schlüsselpersonen sehr vielseitig, jedoch sind die

Schlüsselpersonen für einige Anliegen nicht die richtigen Anlaufstellen, da sie vor allem für All-

tagsthemen und nicht für komplexe Themen zuständig sind. Sobald die Schlüsselpersonen

nicht die richtige Anlaufstelle sind, werden Migranten und Migrantinnen an geeignete Stellen

weitervermittelt.

4.1.4 Kompetenzen

In diesem Kapitel werden die Antworten zur dritten Teilfrage, welche Kompetenzen Schlüssel-

personen für diese oben beschriebenen Tätigkeiten benötigen, dargestellt.

Fach- und Methodenkompetenzen

Schlüsselpersonen brauchen einige Fachkompetenzen, um für die beschriebenen Tätigkeiten

geeignet zu sein. Von grosser Bedeutung sind dabei die Sprachkenntnisse, also das Beherr-

schen der Herkunftssprache sowie auch Deutschkenntnisse. Eine Projektleiterin meint dazu,

dass sie beim Vorstellungsgespräch auf Folgendes achtet „und ich kann mich mit ihr kommuni-

zieren, sie muss nicht perfekt Deutsch können, aber ich merke <momol> du bist integriert und

ich merke du kennst dich aus“ (PL C, AN 6). Neben der Sprache ist also auch das Wissen über

das Leben in der Schweiz und speziell im Wohnort wichtig, wie dies eine Schlüsselperson sagt

es ist wichtig, dass sie „gut informiert (sind), wie hier Schulsystem funktioniert, Gesundheitssys-

tem, Bildungssystem, alles insgesamt, oder. Und so sind wir dann ... so haben wir dann gute

Grundlage zu jemanden zu gehen und eben den Leuten erklären, wie hier das alles funktioniert,

oder“ (SPE A, AN 72).

Methodenkompetenzen sind auch wichtig, vor allem darüber, wie sich Schlüsselpersonen ab-

grenzen können, „sie können differenzieren (…) was ist meins, wo ist meine Rolle, was ist seine

Rolle, was ist ihre Rolle. Und das ist eine gute Ausgangsposition für solche Gespräche, (PL A,

AN 14). Eine Projektleiterin sagt aber auch klar, dass sie hier eine grosse Schwierigkeit sieht,

denn es gibt Migranten und Migrantinnen „welche extrem viele Probleme haben, oder, und die

rufen sie [Schlüsselpersonen] immer an, weil sie kennen sonst niemand. Und wie soll sie sich

jetzt abgrenzen, weil einerseits will sie diese Person nicht verletzen, weil sie merkt, sie ist die

einzige Person, welche ihr helfen kann, andererseits kann sie aber nicht 5 Mal pro Woche eine

Stunde mit ihr telefonieren, das geht jetzt einfach nicht und das ist auch nicht die Aufgabe von

einer Schlüsselperson. Und das ist so ein wenig ein Punkt, wo ich jetzt auch wieder ein wenig

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versucht habe, zu definieren, für unsere Schlüsselpersonen, bis wohin und wo ist dann die

Grenze oder wie setzt man diese Grenzen (…) also die gehen zu ihnen nach Hause, sie über-

schreiten eine Grenze so in die Privatsphäre und müssen sich dann aber irgendwie wieder

rausnehmen und das ist extrem schwierig“ (PL B, AN 12). Schlüsselpersonen sind sich dieser

Schwierigkeit durchaus bewusst und haben auch entsprechende Erfahrungen gesammelt,

mehrheitlich haben sie Strategien entwickelt, wie sie mit solchen Situation umgehen, eine

Schlüsselperson erklärt: „ wir arbeiten alle, wo wir wohnen, oder, Wohngemeinde, oder, das ist

wegen, wir müssen unsere neutral oder Grenze, das ist sehr wichtig, Grenze halten, oder, wie

kennen wir uns, oder. Dann ein bisschen parteilos, neutral sein, das ist sehr wichtig“ (SPE A,

AN 93). Wenn die Schlüsselpersonen Leute im Dorf bereits kennen, dann sei es wichtig, dass

man die Projektleitung darauf aufmerksam macht und bei der Person nachfragt, ob sie einver-

standen damit ist, dass die ihr bereits bekannte Schlüsselperson eingesetzt wird. Die Schlüs-

selpersonen geben auch an, dass sie sich bei schwierigen Situationen an die Projektleitung

oder ans Team wenden und im Austausch Lösungsansätze entwickelt werden können.

Nebst den bereits genannten Fachkompetenzen ist es auch wichtig, dass administrative Grund-

kenntnisse vorhanden sind, damit Schlüsselpersonen in den Projekten mitarbeiten können. In

einem der untersuchten Projekte ist auch die Ausbildung zu interkulturellen Dolmetschenden

ein Kriterium für die Aufnahme. Die Projektleiterin findet, dass diese Ausbildung für die Tätigkei-

ten im Projekt notwendig ist, jedoch sagt sie auch, dass sie nicht für alle Sprachen die gleichen

Anforderungen stellen kann und es sind daher nicht alle Schlüsselpersonen auch bereits aus-

gebildete interkulturelle Dolmetschende.

Sozial- und Selbstkompetenzen

Neben den Fach- und Methodenkompetenzen sind auch Sozial- und Selbstkompetenzen von

Bedeutung. Dabei heisst es, dass Schlüsselpersonen hauptsächlich folgende Eigenschaften

benötigen:

Hohes Verantwortungsbewusstsein

Selbständigkeit

Flexibilität

Teamfähigkeit

Vernetzt denken

Positive Einstellung zu Integration, politisch interessiert

Kommunikativ, kontaktfreudig und offen

Verständnis, Geduld, Mitgefühl

Interessiert, motiviert, Freude

Vertrauenswürdig

Empathie, Wertschätzung

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Kompetenzen, wie Verständnis oder Geduld, werden hauptsächlich von Projektleitenden ge-

nannt, „sie [Schlüsselperson] muss sozial kompetent sein, also, sie muss reden können, sie

muss vermitteln können, sie muss Verständnis haben, Geduld, Zeit auch und das Interesse zu

vermitteln“ (PL B, AN). Bei den Schlüsselpersonen sind die Motivation und die Freude an der

Tätigkeit vor allem ein Kriterium für die Eignung. Eine Schlüsselperson beschreibt dies folgen-

dermassen „ich glaube das Wichtigste, ich glaube man muss nicht so ein Beruf haben, dieser

Wille um Menschen zu helfen. Und diese Herz noch, oder Zeit geben, bisschen Zeit, wo in jetzt

in dieser Zeit haben wir nicht mehr“ (SPE B, AN 26). Aber auch für die Projektleitenden ist die

Motivation ein wichtiges Kriterium „die Frage vom Herz, für mich ist das eine von den ersten

Fragen. Will ich das, will ich als Schlüsselperson auch, will ich, dass die Leute sich integrieren?

Habe ich selber erfahren, dass das wichtig ist, dass mir das gut getan hat, meinen Kindern das

gut getan hat?“ (SP E, AN 32).

Interkulturelle Kompetenzen

Unter interkulturellen Kompetenzen wird hier verstanden, dass Schlüsselpersonen einerseits

gut vernetzt sind in der eigenen Kulturgruppe, sich andererseits aber auch lokal gut auskennen

und sich gut in der Schweiz eingelebt haben. Eine Projektleiterin hat dies folgendermassen for-

muliert „eine Schlüsselperson ist eine Person, welche hier lebt, welche aber noch einen ande-

ren kulturellen Hintergrund hat, also entweder ist sie hier aufgewachsen oder dann ist sie hier

hingezogen (…) also einfach später hier hingezogen. Sie kennt sich aber mit der Kultur hier

aus, also sie findet sich hier zurecht, sie hat aber noch ihren eigenen kulturellen Hintergrund

und sie ist sehr gut vernetzt natürlich, also sie kennt viele Leute einerseits aus ihrem früheren

Kulturkreis, aber vielleicht auch aus diesem hier, das wäre natürlich ideal, oder, so ein wenig

überall vernetzt“ (PL B, AN 12). Aber auch die Schlüsselpersonen gehen damit überein, dass

die interkulturelle Kompetenz wichtig ist, da man als Schlüsselperson versucht „zwei Kulturen

zu vernetzen, also wir kommen immer aus einer Kultur und wir leben hier in einer anderen Kul-

tur. Wir haben uns hier einigermassen schon eingelebt und integriert“ (SPE A, AN 2).

Eigene Erfahrungen

Neben den beschriebenen Kompetenzen sind ausserdem die Erfahrungen der Personen ein

Kriterium für die Eignung als Schlüsselperson. Die eigene Migrationserfahrung befähigt die

Schlüsselpersonen dazu, dass sie Personen in ähnlichen Lebenslagen verstehen und wissen,

was diese benötigen. Eine Projektleiterin erläutert dies wie folgt: „ich glaube einfach, dass je-

mand mit Migrationshintergrund, welcher die Erfahrung gemacht hat neu hier hin zu ziehen, hat

mehr zum oder hat einfach eine andere Wirkung, als wenn jetzt der Herr Müller, wo hier im Dorf

aufgewachsen ist zum Neuzuzüger geht und sagt, <ja los> wir haben hier eine Informationsver-

anstaltung wie funktioniert die Schweiz, komme auch“ (SP D, AN 6). Eine Schlüsselperson äus-

sert dazu, dass es aber auch wichtig ist, dass man in der Schweiz gut eingelebt ist: „und auch

hier sich wohl fühlen (…) also mit beiden Füssen am Boden, dass man weiss, wo man ist und

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dann kann man dieser Person sagen, dass sie auch das schaffen kann. (…) und dass man, ich

denke auch mit dem eigenen Leben auch zufrieden ist, weil wenn man, wenn man schon genug

Probleme hat, dann das ist die falsche Person für diese Stelle“ (SP B, AN 24). Wie diese Aus-

sage aufzeigt, ist oft die Motivation als Schlüsselperson tätig zu sein, dass man den eigenen

Integrationsprozess als schwierig empfunden hat und daher den Personen in ähnlichen Lagen

nun helfen möchte, „ja es ist eben das Wichtigste wir können unsere Erfahrungen weitergeben

(…) wir haben damals nicht so Hilfe gehabt, es hat noch nicht so etwas gegeben. Wir haben

das alles selber müssen irgendwie lernen“ (SPE B, AN, 7). Aber auch allgemeine Lebenserfah-

rungen, beispielsweise die Erfahrung eine Familie und Kinder zu haben oder die Erfahrung eine

Arbeit in der Schweiz zu suchen, führt dazu, dass man Personen in ähnlichen Lebenslagen be-

ratend zur Seite stehen kann. Zudem sind auch die Berufs- und Arbeitserfahrungen von Bedeu-

tung, einerseits haben viele Schlüsselpersonen bereits Erfahrung in dieser Tätigkeit, indem sie

beispielsweise als interkulturelle Dolmetschende tätig sind oder privat schon ähnliche Aufgaben

übernommen haben oder aber sie sind durch den im Heimatsland erlernten Beruf dazu befä-

higt.

Einige dieser beschriebenen Kriterien sind für sich alleine genommen keine dringenden Vor-

aussetzungen sowie auch nicht alle aufgeführten Kriterien erfüllt sein müssen, um für die Tätig-

keit geeignet zu sein. Beispielsweise kann eine Person ohne Migrationserfahrung auch diese

Tätigkeit ausführen, wenn sie genügend Sozialkompetenzen hat und sich in die Lebenslagen

von neuzugezogenen Personen einfühlen kann. In den untersuchten Projekten sind jedoch

mehrheitlich Personen mit eigener Migrationserfahrung tätig und diesem Aspekt wird eine wich-

tige Bedeutung zugemessen, gleichzeitig heisst es aber auch, dass Schweizer/innen als

Schlüsselpersonen auch geeignet wären, ohne aber genau zu beleuchten, wie dies möglich

wäre, denn gerade der Zugang über die Muttersprache kann von einer schweizerischen

Schlüsselperson nicht unbedingt erfüllt werden.

Keine Eignung

In den Interviews kam auch immer wieder zur Sprache, aufgrund von welchen Eigenschaften

Personen möglicherweise nicht geeignet sind für die Tätigkeit von Schlüsselpersonen. Dabei

wurden beispielsweise kulturelle Hintergründe, das Bildungsniveau oder das Geschlecht ge-

nannt. Diese Merkmale stellen jedoch mehr situativ gesehen einen Grund für die Eignung dar,

denn ein Mann kann beispielsweise für eine Informationsveranstaltung zu einem frauenspezifi-

schen Thema als ungeeignet angesehen werden, ist dann jedoch nicht als Schlüsselperson an

sich ungeeignet. Weiter gibt es aber auch Gründe, wie die Arroganz gegenüber der eigenen

Kulturgruppe oder das Nichteinhalten von Vorgaben im Projekt, wie beispielsweise die Teil-

nahme an den Sitzungen, welche dazu führen, dass Personen sich nicht für diese Tätigkeit eig-

nen und aufgrund dessen diese auch nicht „eingestellt“ werden oder ihnen auch „gekündigt“

wird. Auch wird darauf hingewiesen, dass einige Personen vielleicht für bestimmte Tätigkeiten

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weniger, aber für andere Tätigkeiten durchaus geeignet sind. Eine Projektleitern beschreibt dies

wie folgt „es gibt Leute, die vielleicht nicht so geeignet sind, welche vielleicht geeigneter wären

zum irgendwie, etwas zu übersetzen, zum Beispiel oder irgendwie eine andere Arbeit zu über-

nehmen in diesem Bereich und einfach halt nicht als Schlüsselperson. Ich glaube es gibt Leute,

die sind nicht so kommunikativ und können nicht einfach so auf fremde Leute zu oder haben

auch vielleicht Angst oder sind voreingenommen“ (SP D, AN 13).

4.1.5 Begriffsklärung

In diesem Kapitel wird die vierte Teilfrage beantwortet und ausgeführt, welche Vorstellungen

zum Begriff „Schlüsselperson“ bestehen, was unter einer Schlüsselperson verstanden wird und

inwiefern sich Schlüsselpersonen von anderen Begriffen oder Akteuren und Akteurinnen, insbe-

sondere von interkulturellen Dolmetschenden und Vermittelnden, abgrenzen.

Begriffswahl

Die Wortwahl Schlüsselperson wird nicht von allen Interviewpersonen als geeignet empfunden,

in einigen Projekten spricht man daher auch nicht von Schlüsselpersonen, sondern von Vernet-

zern und Vernetzerinnen. Begründet wird diese Wahl hauptsächlich damit, dass dem Begriff

Schlüsselperson eine Machtkomponente zugewiesen wird, da es impliziert, dass die Schlüssel-

person den Schlüssel in der Hand hat und dadurch auch Macht besitzt. Aber auch bei den Pro-

jekten, bei welchen man den Begriff Schlüsselperson verwendet, ist man nicht vollumfänglich

zufrieden damit. Es heisst, dass man sich wenig unter dem Begriff vorstellen kann, da der Beg-

riff Schlüsselperson nicht explizit auf den Bereich Migration zugestimmt ist und auch in anderen

Bereichen Verwendung findet. „Schlüsselperson kann alles sein, es gibt in unserem Bereich …

gibt es jetzt Schlüsselpersonen, aber es gibt auch in anderen Bereichen Schlüsselpersonen,

also, es ist vielleicht auch ein wenig ein blödes Wort?“ (PL C, AN 4). Es wäre jedoch wichtig,

dass man sich unter einem Begriff etwas vorstellen kann und man damit etwas anfangen kann.

Gemäss einer Projektleiterin ist es nämlich wichtig, dass „Begriffe (…) eine Aussage haben,

welche die Leute verstehen können und zwar auf der Schweizerebene, weil ob ich jetzt einem

Albaner sage, ich bin ein Vernetzer oder ein Vermittler, ist denen egal (…) Aber in der Schwei-

zerszene ist schon wichtig, Begriffe, welche so ein wenig eine Ausstrahlung haben“ (PL A, AN

25). Allerdings ist es auch schwierig einen geeigneten Begriff zu finden, da es schon viele be-

setzte Begriffe gibt, wie beispielsweise die interkulturellen Vermittler/innen. Wie soeben be-

schrieben herrschen in der Praxis verschiedene Begriffe vor, aber schliesslich findet eine Pro-

jektleitende auch „manchmal wäre es einfacher alles würde gleich heissen“ (PL A, AN 24).

Verständnis

Trotz der Uneinigkeit bezüglich der Begriffswahl sind sich alle in diesem Bereich tätigen Akteure

und Akteurinnen einig darüber, was sie unter einer Schlüsselperson verstehen. Schlüsselper-

sonen verbinden Kulturen und sind somit eine Verbindungsperson, ein Bindungsglied oder eben

Brückenbauer/inne. Sie sind Türöffner und öffnen die Türen, sie vernetzen zwischen Welten

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Master-Thesis Livia Knecht

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und öffnen neue Netzwerke. Dabei nehmen sie eine Vermittlerrolle ein, sind aber auch Begleit-

person oder Kontaktperson. Die Funktion von Schlüsselpersonen ist, wie dies eine Projektleite-

rin beschreibt „wie einander die Hand, wie dass zwei Kulturen einander die Hand geben kön-

nen, dass sie einander verstehen“ (PL A, AN 22) oder eine andere Projektleitende meint dazu,

„ich finde (…) sehr ein wichtiger Teil ist, dass sie eben diese Brücke machen zwischen der

Schweizerbevölkerung und ihrer jeweiligen Kulturgruppe, also dass sie dort einfach diese Ver-

mittlerrolle übernehmen, das ist für mich ... ich finde das ist eigentlich so die grundlegende Auf-

gabe“ (PL D, AN 15).

Abgrenzung zu anderen Begriffen

Die Tätigkeiten von Schlüsselpersonen sind sehr ähnlich wie die Tätigkeiten von interkulturellen

Dolmetschenden und interkulturellen Vermittelnden. Die Abgrenzung zwischen den verschiede-

nen Akteuren gelingt in der Praxis nur bedingt. Zu den interkulturellen Übersetzenden konnten

in der Praxis einige Indizien zur Abgrenzung gesammelt werden. Zur Unterscheidung zu inter-

kulturellen Vermittelnden konnten hingegen keine Kriterien gesammelt werden, einerseits si-

cherlich darum, weil die Abgrenzung zu diesem Akteur nicht explizit erfragt wurde13, anderer-

seits aber auch daher, weil der Begriff weder in der Theorie noch in der Praxis klar verstanden

wird.

Schlüsselpersonen haben im Unterschied zu interkulturellen Dolmetschenden keine Ausbil-

dung. Für die meisten Schlüsselpersonen ist die Tätigkeit kein Job und sie machen dies vor

allem aus Freude und nicht um Geld zu verdienen. „Wir machen das ja nicht als Beruf, es ist ja

nicht unser Job eigentlich in diesem Sinn. Wir machen das ja freiwillig, wir machen das ja mit

Herz (…). Wir machen ja das, weil wir Leuten helfen wollen. Wir machen, also ich sehe das,

etwas, was mich befriedigen tut (…) das ist für mich nicht als Geldquelle gedacht, das ist etwas,

was ich dann, ja, was mich dann eben emotional befriedigt, ich mache das gerne“ (SPE B, AN

40). Oder eine andere Schlüsselperson beschreibt auch, dass es für sie „ein Dienst auch an die

Gemeinschaft (ist). Ich bin auch in dieser Situation gewesen (…) und ich denke, weil ich so ge-

litten habe, dass ich kein Unterstützung habe damals, dann ich denke, wenn ich jemanden hel-

fen kann, das ist auch eine, das ist für mich ein gutes Gefühl“ (SP B, AN 12).

Der Einsatz von Schlüsselpersonen ist „mehr so ein wenig niederschwellig“ (PL C, AN 2). Die

Schlüsselpersonen sind „halt einfach hier vernetzt, also lokal vernetzt und das ist ganz wichtig

(…) Schlüsselpersonen, die sind, die arbeiten in ihrem Alltagsumfeld (…) Und Schlüsselperso-

nen sind natürlich vielleicht auch darum so engagiert, weil sie ja hier leben und weil sie ein per-

sönliches Interesse haben, dass hier etwas geht und dass sie etwas hier bewirken können.“ (PL

B, AN 20). Im Gegensatz dazu werden „interkulturelle Vermittler beigezogen bei Gesprächen,

13

Es wurde allgemein gefragt, inwiefern sich Schlüsselpersonen von interkulturellen Übersetzenden und Vermittelnden unterscheiden. Dabei sind die meisten Interviewpersonen hauptsächlich auf die interkultu-rellen Übersetzenden eingegangen.

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bei Beratungen (…) interkulturelle Vermittler kommen von aussen irgendwo rein, tun vermitteln

und gehen wieder raus (…) Interkultureller Vermittler das ist ein Job, finde ich“ (PL B, AN 20).

Das Setting unterscheidet sich diesbezüglich, dass die Tätigkeit von interkulturellen Dolmet-

schenden im Trialog stattfindet, sie übernehmen also in einem Gespräch zwischen Migranten

und Migrantinnen und Fachperson(en) die mündliche Übertragung des Gesagten. Die Tätigkeit

von Schlüsselpersonen findet hingegen nicht zwingend in einem Trialog statt. Es kann zwar

sein, dass Schlüsselpersonen in Gesprächen im Trialog begleiten und übersetzen, aber sie

können auch bei Anlässen teilnehmen oder selbständig Gespräche, beispielsweise Erstinforma-

tionsgespräche, führen. Aber auch die Beziehung oder das Verhältnis zu den Migranten und

Migrantinnen scheint nicht das gleiche zu sein. Die interviewten Schlüsselpersonen, welche

auch als interkulturelle Übersetzende tätig sind, beschreiben, dass sie bei Übersetzungen nicht

direkt mit den Migranten und Migrantinnen zu tun haben: „sie [Migranten und Migrantinnen] dür-

fen nicht uns anrufen, oder. Aber bei der Vernetzung [Tätigkeit als Schlüsselperson] wir geben

unsere Telefonnummer, wir haben schon auch Kontakttelefonnummer auf dem Flyer und ja

manchmal wenn sie Fragen haben, sie fragen auch, sie rufen uns auch an und wenn sie ir-

gendwohin sie uns sehen, sie fragen auch und so“ (SPE A, AN 57). Als Schlüsselpersonen sind

sie auch aktiver am Gespräch beteiligt oder gestalten dieses auch selbständig, während inter-

kulturelle Dolmetschende einfach dem Gespräch, wie es die Fachperson bestreitet, folgt.

Schlüsselpersonen, welche beide Tätigkeiten ausüben, sehen auch einen grossen Unterschied

in der Tätigkeit an sich, denn „als Übersetzerinnen arbeiten wir nur als Übersetzerin, oder. Wir

dürfen uns nicht ins Gespräch einmischen, wir dürfen nicht Gespräch führen, wir sind dort nur

zum Übersetzen“ (SPE A, AN 51). „Ja wir müssen nicht viel machen bei der Übersetzung, zum

Beispiel, eine Stunde da sitzen und später, wir gehen nach Hause, ohne etwas im Kopf oder so,

aber bei der Vernetzung, ja da muss ein bisschen recherchieren auch zu Hause, du musst mit

dem Team sprechen“ (SPE A, AN 53). Die Tätigkeit von Schlüsselpersonen besteht also nicht

hauptsächlich aus dem Übersetzen, sondern es geht eben auch darum die Migranten und

Migrantinnen beispielsweise zu informieren und um diese Informationen zu erhalten, führt eine

Schlüsselperson auch eigene Recherchen oder tauscht sich im Team aus.

Interkulturelle Übersetzende sollen bei schwierigen, heiklen oder komplexen Themen beigezo-

gen werden. Bei Gesprächen „also jetzt sei es in der Sozialhilfe oder wo auch immer, in der

Schule, und es ist wirklich ein wenig ein heikleres Problem, sollte man schon nicht so eine

Schlüsselperson beiziehen“ (PL C, AN 2). Denn ein Schlüsselpersonen-Projekt ist auch „ eine

Anlaufstelle für eigentlich so das Alltagsleben. Also man kommt hier hin und man weiss nicht,

wo die Kinderbetreuung ist oder mit den Schulen, wie läuft es genau mit den Schulen oder

suchst Kontakte oder eine Bibliothek, so ein wenig Alltagsfragen, das ist unser Angebot, nicht

ich habe Probleme, finanzielle Probleme und weiss nicht wie ich über die Runden komme, aber

wir müssen natürlich dann wissen wie weiter oder wohin verweisen“ (PL B, AN 16).

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55

Diese Abgrenzung wurde nicht durch alle Interviewpersonen gleich klar formuliert. Schlüssel-

personen, welche selber auch als interkulturelle Dolmetschende tätig sind, haben ganz klare

Vorstellungen darüber, wie sich diese beiden Tätigkeiten unterscheiden. Dagegen gibt es aber

auch Schlüsselpersonen, welche diese Ausbildung gar nicht kennen und daher auch keine Un-

terscheidung machen können. Aber auch bei den Projektleitenden ist spürbar, dass einige die

Frage nach der Unterscheidung durchaus nicht abschliessend beantworten können.

4.1.6 Integrationspolitik

Der fünften und letzten Teilfrage wird in diesem Kapitel nachgegangen. Es wird ausgeführt,

welche politischen Rahmenbedingungen für das Funktionieren solcher Projekte notwendig sind,

welche Vorstellung von Integration, die in diesen Projekten tätigen Akteure und Akteurinnen

haben, und inwiefern die Tätigkeiten von Schlüsselpersonen überhaupt integrativ wirken.

Politische Rahmenbedingungen

Wie bereits bei den Voraussetzungen beschrieben (Kapitel 4.1.2) sind die politischen Rahmen-

bedingungen elementar für das Gelingen solcher Projekte, denn diese können nur funktionie-

ren, wenn Integration ernst genommen wird und die Bereitschaft vorhanden ist, dafür auch Geld

zu investieren. Projekte scheitern oft daran, weil die Gemeinde oder der Gemeinderat nicht hin-

ter dem Projekt stehen. Gesetze auf Bundes- und Kantonsebene können dabei ein Motor für

Projekte auf kommunaler Ebene sein. Gesetzliche Vorgaben, wie beispielsweise das KIP, ge-

ben Gemeinden Orientierung und dienen als Hilfe für die Entstehung von integrationsfördern-

den Projekten. Beispielsweise wirken sich, die im KIP geforderten Massnahmen zur Erstinfor-

mationen und der Herstellung einer Willkommenskultur, auch auf die kommunale Ebene aus:

„der Ansatz vom MIKA ist richtig, über die Begrüssungskultur anfangen, das ist ein guter An-

satz. Und das tut auch die Haltung in der Gemeinde und in der Politik, kann das ein bisschen

etwas bewegen. Man muss den Weg von den kleinen Schrittchen machen, weil die Politik ist

nicht auf der Seite von der Integrationsarbeit“ (SP A, AN 70).

In den Interviews wird geäussert, dass Integration vor Ort, in der Gemeinde, im Quartier oder

der Nachbarschaft passieren muss, aber gleichzeitig auch über die Gemeindesgrenze hinweg

geschehen soll. Den regionalen Ansatz, welche einige Projekte verfolgen, wird klar als eine

Stärke gesehen. Die Interviewpersonen sind aber auch der Ansicht, dass Integration eine Auf-

gabe von Kanton und Gemeinde ist, wobei der Kanton insbesondere die Finanzierung von sol-

chen Projekten und eine strategische Rolle übernehmen soll und Gemeinden sich finanziell

beteiligen und die operativen Aufgaben übernehmen. Eine Projektleitende beschreibt, wie sie

sich die Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden vorstellt: „der Kanton muss eine AIA

[kantonale Fachstelle] haben (…), der Kanton muss aber auch regionale Fachstellen haben,

(…) weil es braucht eine regionale Verankerung, sonst geht es nicht, du brauchst Leute vor Ort,

welche bei den Türen läuten gehen, welche anrufen, welche die Leute kennen, sonst funktio-

niert Integrationsarbeit nicht. Und darum finde ich, es ist Kantonsaufgabe. Also der Kanton

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müsste regionale Fachstellen machen, diese finanzieren und die Gemeinden zahlen einen klei-

nen Teil dazu. Aber die Gemeinden stellen Infrastruktur zur Verfügung und solche Sachen und

die Schlüsselpersonen und so, das ist glaube ich eher Gemeindeaufgabe. Ich glaube einfach es

muss vom Kanton kommen, sonst geht es nicht. Und es ist auch viel zu schwierig, also eine

kleine Gemeinde mit 3000 Einwohnern kann so etwas ja gar nicht machen, die haben ja keine

Leute und mit 3000 Einwohnern, was willst du da eine Fachstelle Integration machen, also das

ist ja doof, oder. Aber regional würde es wieder gehen, also dass man irgendwie in jedem Be-

zirk eins hätte oder weiss auch nicht (…). Nein, weil ich finde es ist Kantonsaufgabe, es ist nicht

Gemeindesaufgabe, oder, die Gemeinde muss sich immer noch genug beteiligen. Und eine

Teilbeteiligung ist okay, aber nicht ... und durch das kann ja der Kanton dann auch ein wenig

mehr steuern, wenn er dann den Auftrag gibt“ (PL B, AN 36).

Projektleitende wie auch Schlüsselpersonen sind der Meinung, dass Schlüsselpersonen-

Projekte voneinander lernen und bestehende Potentiale genutzt werden können, denn „es ist

auch doof, wenn jeder irgendetwas wurstelt, also es müssen ja nicht jetzt alle nochmals die

gleichen Fehler wie wir machen, wie wir schon gemacht haben, oder (…) man (hat) so viele

Erfahrungen gemacht, dann kann man das doch einfach nehmen und anpassen natürlich regio-

nal und lokal, aber doch auf dem aufbauen“ (PL B, AN 36). Gleichzeitig weist die Projektleiterin

auch daraufhin, dass es aber schwierig sei alle Akteure und Akteurinnen von verschiedenen

Projekten an einen Tisch zu bringen, dies aber ihrer Meinung nach wichtig wäre um „so ein we-

nig Richtlinien oder einen Leitfaden wirklich zu definieren, welche dann eben nicht nur für hier

ist, sondern gerade, also für kantonal, einfach dass man sich mal irgendwo orientieren kann“

(PL B, AN 20).

Insbesondere die Schlüsselpersonen machen auch darauf aufmerksam, dass bei den kommu-

nalen Behörden das Bewusstsein, dass sie für die ganze Bevölkerung, auch für die Migrations-

bevölkerung da sind, noch stärker entwickelt werden soll „also die Gemeinde muss verstehen,

dass sie da sind als Behörde nicht nur für die Schweizer. Sie sind für alle Bevölkerung eines

Dorfs oder einer Stad, egal, ob der Schweizerpass hat oder nicht (…) Und dann haben wir ein

Recht darauf von der Gemeinde wahrgenommen zu werden“ (SP B, AN 40).

Verständnis Integration

Akteure und Akteurinnen von Schlüsselpersonen-Projekten machen sich auch Gedanken dar-

über, was Integration überhaupt ist. In einigen Projekten wird an den Sitzungen auch intensiv

darüber gesprochen, was man sich unter Integration vorstellt. Man ist sich jedoch auch einig,

dass der Begriff Integration sehr schwierig zu definieren ist und eine Projektleitende meint dazu,

„Integration ist für mich auch so ein Begriff, welcher ich eigentlich nicht gerne brauche (…) was

ist dann überhaupt Integration. Wir sagen immer das Einleben eigentlich, dass man sich hier

wohl fühlt, oder, dass man sich zurechtfindet“ (PL B, AN 28). Grundsätzlich verstehen die Inter-

viewpersonen unter Integration einen gegenseitigen Prozess, in welchen beide Kulturen gefor-

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dert sind. Eine Schlüsselperson erklärt diesen gegenseitigen Prozess folgendermassen: „man

muss einfach nur ein Weg aneinander finden, oder. Weil wir leben ja hier gemeinsam, dann

müssen wir schauen, alle schauen, dass uns allen gut geht. Und wenn wir nicht gemeinsam

kommunizieren, dann ist Gemeinschaft kaputt, dann funktioniert das nicht, aber wenn wir dann

kommunizieren, dann haben wir gute Chancen, dass das dann gut funktioniert. Ja, dass wir im

Frieden dann leben“ (SPE A, AN 26).

Die Interviewpersonen befürworten den Mehrsprachenansatz, da sie es als wichtig empfinden,

dass neuzugezogene Personen von Beginn an in ihrer Muttersprache Informationen erhalten.

Gleichzeitig ist man aber auch davon überzeugt, dass es wichtig ist eine Landessprache zu

erlernen. Schlüsselpersonen und Projektleitende „sind alle fest davon überzeugt, es geht nicht

ohne Deutsch lernen. Es geht nicht ohne aus der Haustüre rausgehen“ (PL A, AN 40). Eine

Voraussetzung für die Integration ist ihrer Meinung nach, dass jemand die Sprache lernt. „Dann

ich denke, die (…) erste Teil von (…) dem Zusammenleben kommt von Integration und Integra-

tion kommt mit der Sprache (…) Weil das ist, eine Person, welche die Sprache kann und er

kann mehr erreichen, er kann mehr verstehen, wie hier das Leben gelebt wird, wie die Sitten

sind, die Regeln, Pflicht und Rechte, dann kann man besser verstehen und man wird richtig

integriert. Ohne Sprache es gibt, ohne Sprache zu kennen, es gibt keine Integration. Integration

kommt mit der Sprache“ (SP B, AN 42).

Integrative Wirkung der Tätigkeiten

Die Schlüsselpersonen haben den eigenen Integrationsprozess als schwierig empfunden und

sind der Meinung, dass man dafür auch Unterstützung benötigt. Sie gehen daher davon aus,

dass ihre Tätigkeiten als Schlüsselpersonen, indem sie also informieren, vermitteln oder vernet-

zen, die Integration von Migranten und Migrantinnen vereinfachen.

Insbesondere der Zugang zu Informationen wird als wichtig eingeschätzt „für Integration ist

schon noch wichtig, dass man Informationen hat“ (PL C, AN 12). Eine Schlüsselperson, welche

selber auch die Erfahrung gemacht hat, dass sich zu integrieren kein einfacher Prozess ist,

meint dazu „wenn dir dann jemand sagt, welcher schon Erfahrung hat und welcher schon ein

bisschen länger hier ist oder, wie das alles da funktioniert, dann ist das für die Leute sehr einfa-

cher und sehr erleichternd“ (SPE A, AN 14). Indem Migranten und Migrantinnen also die not-

wendigen Informationen in ihrer Muttersprache erhalten, verstehen sie diese auch und können

sich zurechtfinden und sich orientieren.

Schlüsselpersonen ermutigen die Migranten und Migrantinnen hinaus zu gehen und Angebote

zu nutzen. Der Zugang zu den Regelstrukturen oder weiteren Integrationsangeboten gelingt

und neue Netzwerke werden eröffnet. Zwei Schlüsselpersonen beschreiben, inwiefern dies vor

allem auch für fremdsprachige Frauen wichtig ist: „so dass dann die Frauen, eben wie gesagt,

ein bisschen aus dem Haus kommen und mit den Leuten kommunizieren und auch, dass ein

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bisschen untereinander sind, oder, nicht immer zu Hause“ (SPE A, AN 37) und eine zweite

Schlüsselperson meint dazu „aber wenn mir niemand sagt, wo was gibt, dann bleibe ich zu

Hause, dann mache ich nichts“ (SPE A, AN 111). Eine Projektleiterin hat in diesem Zusammen-

hang erwähnt, dass insbesondere auch der Zugang zu Vereinen wichtig sei „was wir aber auch

noch viel machen ist, die Leute in Vereine bringen, weil wir sagen, das ist eigentlich das ein-

fachste, weil wenn du in einem Verein bist, eben dort hat es Schlüsselpersonen, halt nicht mit

Migrationshintergrund, aber von der Region, wenn du Kontakt hast zu einem Verein, dann

siehst du, wenn du einkaufen gehst, dann siehst du plötzlich Personen, welche du kennst, dann

fühlst du dich wie zu Hause, oder du lernst dann natürlich auch die Sprache viel besser, du

machst Ausflüge, das ist eigentlich das einfachste“ (PL B, AN 22).

Schliesslich fühlen sich Migranten und Migrantinnen durch die Tätigkeiten der Schlüsselperso-

nen in der Schweiz zugehörig und können am gesellschaftlichen Leben teilhaben. „Und wenn

sie [Migranten und Migrantinnen] in Kontakt sind mit einer Schlüsselperson oder mit einer Be-

zugsperson oder was auch immer und dann das Gefühl bekommen, dass sie hier auch ein

Stück weit auch daheim sind und mitgezogen werden, (…) das Gefühl haben, ich gehöre ir-

gendwo dazu und ich bin wichtig (…). Ich glaube das ist sehr eine positive Auswirkung von der

Arbeit von Schlüsselpersonen, jemandem das Gefühl geben können oder jemanden auch ein

wenig zu begleiten sich irgendwo dazugehörig zu fühlen“ (PL D, AN 23).

Die Tätigkeiten wirken aber nicht nur integrativ für die Zielgruppen, sondern auch die Schlüs-

selpersonen selber werden gestärkt, indem sie sich für die Integration ihrer Kulturgruppe ein-

setzen. Eine Projektleitende beschreibt dies somit „am Anfang hat fast keine [der Schlüsselper-

sonen] einen Job gehabt, jetzt haben alle einen Job und es ist wirklich, die sind, die Frauen sind

auch gestärkt worden“ (PL A, AN 66).

Abschliessend folgen zwei Zitate. Erstens von einer Projektleitenden und zweitens von einer

Schlüsselperson, welche treffend erklären, inwiefern ihrer Meinung nach die Tätigkeiten von

Schlüsselpersonen integrativ wirken:

„Und wir [gemeint ist das Projekt bzw. die Schlüsselpersonen] sind ja da ein Bindeglied, wir tun

versuchen den Frauen [bzw. Migranten und Migrantinnen] zu ermöglichen, über das abholen

über die Muttersprache am Anfang, dass sie dann wirklich ihnen zeigen, wie sie können Zugang

finden, das ist, dann auch in eine Gesprächsgruppe kommen, das ist auch einmal ins MuKi-

Turnen gehen, oder so, auch wieder das ganz niederschwellige, das sind so die ersten Schritte

raus, in unsere Gesellschaft, in unser gesellschaftliche Leben, oder. Dass das möglich ist, müs-

sen die Leute sehr viel wissen, also Wissen vereinfacht die Integration. (…) und das wir ihnen

auch viel Informationen geben, also, wenn eine Mutter kann mehr oder weniger nachvollziehen

wie unser Schulsystem ist (…) kann sie besser ihr Kind vorbereiten, als wenn sie vielleicht mit

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einem albanischen Schulbild oder mit einem asiatischen Schulbild kommt. Dann gibt es viel

schneller Missverständnisse“ (PL A, AN 52).

„Unser Anliegen ist einfach, den Leuten helfen sich besser und schneller integrieren und sich

hier her wohlfühlen. Und dass das passiert einfach nur, wenn sie dann merken und wenn ihnen

jemand erklärt, wie das hier ist und wie da, wie da funktioniert, oder, dass dann einfach, dass

sich dann auflöst und dass die Barrieren dann gebrochen werden, oder. Und dass sie dann den

Weg irgendwie suchen, wie weiter, und dass das doch nicht so ist, wie man sich vorgestellt,

oder, am Anfang, oder noch so viel Unklarheiten gibt“ (SPE A, AN 42).

4.2 Zusammenfassung der Ergebnisse und Beantwortung der Fragestellung

Wie dies in Kapitel 4.1 dargestellt wurde, konnten zu allen fünf Teilfragen der Fragestellung

Antworten gefunden werden und diese werden hier nochmals zusammenfassend dargestellt.

Damit Netzwerke von Schlüsselpersonen funktionieren, ist hauptsächlich wichtig, dass die Poli-

tik, die Gemeinden aber auch der Kanton, dahinter stehen und bereit sind dafür entsprechende

Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Sofern dies sichergestellt ist, kann ein Schlüsselperso-

nenprojekt auch umgesetzt werden und dafür verantwortlich sind vor allem die Projektleitenden

und die Schlüsselpersonen. Es ist wichtig, dass die Rollen geklärt sind, also dass klar ist, wel-

che Aufgaben Schlüsselpersonen zukommen und wie sie dafür honoriert werden. Projektleiten-

de unterstützen und begleiten die Schlüsselpersonen und diese auf der persönlichen Ebene

stattfindende Tätigkeit ist sehr zeitintensiv. Eine weitere Aufgabe von Projektleitenden ist die

Vernetzung mit Institutionen der Regelstrukturen, denn nur wenn diese Institutionen das Ange-

bot kennen, werden die Schlüsselpersonen auch eingesetzt. Gründe für den Einsatz von

Schlüsselpersonen sind hauptsächlich Sprachbarrieren, fehlendes Wissen oder der erschwerte

Zugang zu Angeboten. Diese Gründe führen dazu, dass Schlüsselpersonen bei den Gemein-

den oder in Institutionen im Bildungs-, Gesundheits- oder Sozialbereich eingesetzt werden. Als

bedeutende Handlungsbereiche werden vor allem die Erstinformationsgespräche für neuzuge-

zogene Migranten und Migrantinnen gesehen und Elternabende oder Informationsveranstaltun-

gen in der Schule. Bei diesen Einsätzen ist es die Aufgabe von Schlüsselpersonen, dass sie

den Kontakt zu den Migranten und Migrantinnen finden und eine Vertrauensebene herstellen

können, insbesondere sorgen sie auch dafür, dass dadurch der Kontakt zwischen der Behörde

(Gemeinde, Schule u.a.) und der fremdsprachigen Personen hergestellt wird. Je nach Situation

haben sie weitere Aufgaben im Gespräch, sie informieren Migranten und Migrantinnen über

bestimmte Themen, wie das Schul- oder Gesundheitssystem der Schweiz, sie machen auf ent-

sprechende Angebote aufmerksam und vermitteln oder vernetzen somit die Migranten und

Migrantinnen. Damit Schlüsselpersonen diese Tätigkeiten ausführen können, benötigen sie ent-

sprechende Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenzen sowie auch interkulturelle Kom-

petenzen. Aber auch die eigene Migrationserfahrung und die eigene Lebens- und Arbeitserfah-

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rung befähigt Personen dazu als Schlüsselperson tätig zu sein. Schlüsselpersonen haben somit

die Funktion Kulturen zu verbinden oder zu vernetzen und Brücken zu bauen. Bezüglich der

Funktion besteht in der Praxis Einigkeit, betreffend der Begriffswahl „Schlüsselperson“ ist man

jedoch nicht überall zufrieden. Eine Schlüsselperson besitze den Schlüssel und somit die Macht

Türe zu öffnen (oder auch zu schliessen bzw. nicht zu öffnen). Daher werden die Schlüsselper-

sonen in einigen Projekten auch Vernetzer/innen genannt, jedoch sind auch diese Akteurinnen

der Meinung, dass es einfacher wäre man hätte einen Begriff und zwar einen Begriff unter wel-

chem man sich auch etwas vorstellen kann. Die Abgrenzung zu interkulturellen Dolmetschen-

den gelingt mehrheitlich ganz gut und wird vor allem damit begründet, dass Dolmetschende für

ein Gespräch im Trialog beigezogen werden und dann auch hauptsächlich die Aufgabe des

Übersetzens übernehmen, während Schlüsselpersonen auch in anderen Settings beigezogen

werden und nicht hauptsächlich übersetzen, sondern eben Kontakt und Zugang finden, infor-

mieren, vermitteln und vernetzen. Die Abgrenzung zu den interkulturellen Vermittelnden ist

schwieriger und kann nicht beantwortet werden. Die kantonalen Gesetze, insbesondere das

KIP, sorgen dafür, dass solche integrationsfördernde Massnahmen auf kommunaler Ebene auf-

gebaut und umgesetzt werden. Integration wird als eine Aufgabe von Kanton und Gemeinde

gesehen, dabei sollte der Kanton beim Aufbau und der Umsetzung von Netzwerken von

Schlüsselpersonen vor allem Geldgeber sein und eine strategische Rolle einnehmen und die

Gemeinden beteiligen sich finanziell an den Projekten und setzen dann diese Projekte um. Alle

beteiligten Akteurinnen sind davon überzeugt, dass die Tätigkeiten von Schlüsselpersonen in-

tegrativ wirken, indem Migranten und Migrantinnen notwendige Informationen erhalten und der

Zugang zu Angeboten der Regelstrukturen ermöglicht wird und sie sich somit orientieren kön-

nen, zugehörig fühlen und an der Gesellschaft teilhaben können.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass insbesondere die Teilfrage betreffend der Hand-

lungsbereichen und der Kompetenzen ausführlich beantwortet werden konnte, da hier die Ak-

teurinnen von ihren Erfahrungen berichten und das Praxiswissen abgeholt werden konnte. Zu

den Voraussetzungen für das Gelingen von solchen Projekten konnten hauptsächlich die Pro-

jektleitenden berichten und weniger die Schlüsselpersonen. Zudem ist es hier schwieriger Wis-

sen abzuholen und allgemeine Aussagen zu treffen, da die Projekte unterschiedlich aufgebaut

und ausgestaltet sind. Ausserdem sind diese Ergebnisse eher abstrakt, als dass sie konkret für

Personen, welche daran interessiert sind ein solches Angebot aufzubauen, als handlungslei-

tende Empfehlungen dienen könnten, bieten jedoch eine gute Grundlage für eine Weiterent-

wicklung dazu. Die Abgrenzung der in diesen Bereichen tätigen Akteuren und Akteurinnen ist

auch nur bedingt gelungen. Es konnten zwar einige Kriterien für die Abgrenzung zu interkultu-

rellen Dolmetschenden erfasst werden, jedoch können diese nicht als abschliessend gesehen

werden und auch die Abgrenzung zu den interkulturellen Vermittelnden wurde nicht geklärt. Die

Frage zur Integrationspolitik, also wo die Massnahmen in der Integrationspolitik zu verorten

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sind, was für ein Verständnis von Integration vorhanden ist und inwiefern diese Tätigkeiten inte-

grativ wirken, wurde zu Beginn der Forschung als eher schwierig eingestuft und daher hat es

überrascht, dass hier durchaus viele Antworten gefunden wurden. Insbesondere die Frage, in-

wiefern die Tätigkeiten auch integrativ wirken, wurde mehrheitlich beantwortet.

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5 DISKUSSION

Die Resultate werden vorerst im Kapitel 5.1 unter Einbezug der Ergebnisse aus dem Fachdis-

kurs diskutiert. Im Kapitel 5.2 wird aufgezeigt, inwiefern die Resultate in der kantonalen Integra-

tionspolitik zu verorten sind und im Kapitel 5.3 wird die Fragestellung anhand der Diskussion

nochmals beleuchtet und im Kapitel 5.4 Empfehlungen daraus abgeleitet.

5.1 Schlüsselpersonen als Instrumente der interkulturellen Kommunikation

Durch die Forschungsstudie wird bestätigt, dass die Zuordnung der Tätigkeiten von Schlüssel-

personen zu den Instrumenten der interkulturellen Kommunikation richtig ist. Schlüsselpersonen

unterstützen, wie interkulturelle Dolmetschende oder Vermittelnde, die Verständigung zwischen

der Schweizer- und der Migrationsbevölkerung und ihre Tätigkeiten können als Instrumente

gesehen werden, welche die Eingliederung von Migranten und Migrantinnen erleichtern.

Gleichzeitig wird auch die Annahme bestätigt, dass Schlüsselpersonen in gleichen Handlungs-

bereichen eingesetzt werden und ähnliche Tätigkeiten übernehmen, wie interkulturelle Dolmet-

schende und Vermittelnde. Folgend werden relevante Erkenntnisse aus dem Fachdiskurs zur

interkulturellen Kommunikation (vgl. Prodolliet, 2000; Dahinden & Bischoff, 2010) und aus den

Studien zur interkulturellen Übersetzung und Vermittlung (vgl. Emch-Fassnacht, 2012; von

Glutz, 2012; Calderón-Grossenbacher 2010) mit den Resultaten verglichen.

5.1.1 Voraussetzungen und Rahmenbedingungen

Die Rahmenbedingungen in welchen Schlüsselpersonen tätig sind, unterscheiden sich stark

von den Arbeitsbedingungen der interkulturellen Dolmetschenden und Vermittelnden. Interkultu-

relles Dolmetschen hat sich als professionelles Instrument etabliert, die Aufgaben sind mehr-

heitlich geklärt und es besteht auch die Tendenz einer Vereinheitlichung. Oft sind interkulturelle

Übersetzende bei Koordinations- oder Vermittlungsstellen eingestellt, und Fachpersonen wen-

den sich bei Bedarf an diese Stellen und der Einsatz wird gemäss einheitlichen Standards or-

ganisiert (vgl. Müller, 2012, S. 1-9). Die Koordination und Struktur der Schlüsselpersonen-

Netzwerke unterscheiden sich hingegen je nach Projekt, der Ablauf der Einsätze ist zum Teil

noch unklar und es gibt keine einheitliche Leitbilder oder Konzepte. Obwohl in den Interviews

Grundsätze, wie ein partizipativer Ansatz oder der Ansatz über die Muttersprache erwähnt wur-

den, sind diese Grundsätze nicht in einem Leitbild oder Konzept verfasst sowie auch eine Re-

flexion über die Zielgruppen, folglich darüber wer mit den Dienstleistungen von Schlüsselperso-

nen erreicht werden soll und darüber welchen Bedarf diese Zielgruppe hat, fehlt. Bei beiden

Handlungsfeldern ist jedoch die Vernetzung mit weiteren Institutionen von grosser Bedeutung,

um vor allem auch auf das Angebot aufmerksam zu machen. Auch im Bereich interkulturelle

Übersetzung wird heute noch ein grosser Sensibilisierungsbedarf ausgemacht und Massnah-

men in der Aus- und Weiterbildung von Fachpersonen sind dafür von grosser Bedeutung. Wenn

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diese bereits in der Ausbildung auf die Thematik sensibilisiert werden, werden in der Praxis

auch vermehrt interkulturelle Übersetzende oder Schlüsselpersonen eingesetzt.

5.1.2 Handlungsbereiche, Kompetenzen und Begriffsklärung

Schlüsselpersonen sind wie interkulturelle Dolmetschende oder Vermittelnde in Institutionen im

Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich tätig. Wie die Forschungsergebnisse aufzeigen,

übernehmen Schlüsselpersonen und interkulturelle Dolmetschende und Vermittelnde gleiche

Aufgaben, und wie sich diese Akteure und Akteurinnen voneinander unterscheiden, ist nicht

immer klar. Fachpersonen können bei einem Elterngespräch oder in Gesprächen auf dem So-

zialdienst Schlüsselpersonen wie auch interkulturelle Dolmetschende beiziehen.

In dieser Arbeit werden die Begriffe „interkulturelle Dolmetschende“ und „interkulturelle Vermit-

telnde“ gemäss der Definition von Interpret verwendet. Dabei fällt auf, dass interkulturelles Dol-

metschen weitaus präziser definiert ist und unter anderem wohl auch darum die Abgrenzung zu

den Schlüsselpersonen besser gelingt. Diese präzisere Begriffsklärung gelingt wahrscheinlich

auch darum, da hier schon auf grosses Erfahrungswissen Bezug genommen werden kann. Der

Begriff der interkulturellen Vermittlung ist noch relativ schwammig formuliert, da es heisst es sei

Vermittlung von Wissen, was eigentlich auch die Bezeichnung an sich schon aussagt, und es

umfasse neben der sprachlichen Vermittlung auch noch andere Aspekte und Aufgaben, ohne

diese jedoch konkret zu benennen. Es fällt auch auf, dass im Glossar von Interpret auf weitere

Akteure, wie zum Beispiel auf Migrationsfachpersonen oder auf Schlüsselpersonen, nicht ein-

gegangen wird. Auch im weiteren Fachdiskurs wird wenig zum Begriff Schlüsselperson gefun-

den und die Forschungsresultate zeigen ebenfalls auf, dass der Begriff Schlüsselperson nicht

unbedingt geeignet ist und eventuell auch andere Begriffe, wie Vernetzer/in oder wie vor allem

in Deutschland verwendet Integrationslotsen, besser geeignet wären. Für die Eignung eines

Begriffs ist es wichtig, dass man sich unter dem Begriff etwas vorstellen und dadurch ein Bild

über die Tätigkeit dieser Personen erhalten kann. Unter dem Begriff Schlüsselpersonen kann

man sich jedoch vieles vorstellen, da dieser Begriff auch nicht explizit auf den Migrationsbereich

zugestimmt ist und somit besteht eine Unklarheit darüber, was nun eine Schlüsselperson sein

soll. Gerade in der Politik kann ein präziser Begriff mit einer klaren Aussage und einer Ausstrah-

lung jedoch wichtig sein, damit solche Projekte auch erfolgreich sind. Dem Begriff Schlüssel-

person wird auch eine Machtkomponente nachgesagt, da die Schlüsselperson den Schlüssel

und somit die Macht in ihrer Hand hat. Die Vermutung, dass auch beim Einsatz von Schlüssel-

personen eine Machtkomponente mit einspielt, da Projektleitende Schlüsselpersonen einset-

zen, hat sich nicht prophezeit, da die Teilhabe und Partizipation der Schlüsselpersonen in den

Projekten als sehr wichtig eingeschätzt wurde.

Die Abgrenzung zu den interkulturellen Dolmetschenden gelingt noch besser als zu den inter-

kulturellen Vermittelnden. Während interkulturelle Dolmetschende hauptsächlich engagiert wer-

den, um bei Gesprächen im Trialog zu übersetzen, werden Schlüsselpersonen und interkulturel-

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Master-Thesis Livia Knecht

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le Vermittelnde auch für weitere Tätigkeiten eingesetzt. Interkulturelle Vermittelnde haben bei

ihren Einsätzen, vor allem die Vermittlung zum Ziel und sie vermitteln zwischen Fachpersonen

und Personen mit Migrationshintergrund. Bei diesen Gesprächen können sie eine aktive Rolle

übernehmen und weiter gehören auch die Beratung oder Begleitung zur Tätigkeit von interkultu-

rellen Vermittelnden dazu (vgl. Interpret, 2013a, S. 2). Schlüsselpersonen sind ehrenamtlich

tätige Personen, welche vor allem eingesetzt werden, um den Kontakt oder Zugang zu Migran-

ten und Migrantinnen zu finden und um diese über verschiedene Themen zum Leben in der

Schweiz zu informieren oder auf Angebote aufmerksam zu machen. Dabei ist vor allem die

Erstinformation ein wichtiger Handlungsbereich. Jedoch wird auch beschrieben, dass Schlüs-

selpersonen beraten, vermitteln, vernetzen und an Anlässen teilnehmen und hier wird es sehr

schwierig diese Tätigkeit von der interkulturellen Vermittlung abzugrenzen. Einzig, ob es sich

um ein einfaches oder ein heikles und komplexes Thema handelt, wurde in Praxis und Theorie

als Abgrenzungskriterium genannt, jedoch vermag dieses einzelne Kriterium die Abgrenzung

zwischen den Tätigkeiten nicht abschliessend zu vollziehen. In einem der untersuchten Projekte

gelingt gemäss obiger Beschreibung die Abgrenzung zu den interkulturellen Vermittelnden nicht

wirklich und die Schlüsselpersonen sind dort auch vielmehr als interkulturelle Vermittelnde tätig,

da sie eigenständig Hausbesuche und Beratungen durchführen und sie mehrheitlich auch aus-

gebildete interkulturelle Dolmetschende sind, da diese Ausbildung in diesem Projekt eine Vor-

aussetzung ist, um als Schlüsselperson tätig zu sein. Die Projektleiterin geht davon aus, dass

Personen mit einer solchen Ausbildung besser für diese Tätigkeiten geeignet sind, denn Perso-

nen ohne Ausbildung sind gemäss ihrer Erfahrungen mit den Aufgaben überfordert. Diese Per-

sonen bringen somit durch die Ausbildung die erforderlichen Kompetenzen für diese Tätigkeiten

mit. Es zeigt sich bei der Untersuchung auch, dass die ausgebildeten Schlüsselpersonen insbe-

sondere im Bereich Fach- und Methodenkompetenz besser ausgerüstet sind, als Schlüsselper-

sonen ohne Ausbildung. Ausgebildete interkulturelle Dolmetschende kennen ihre Rolle und

können sich abgrenzen. Weitere Kompetenzen, wie die Sprachkenntnisse oder Sozialkompe-

tenzen, bringen aber auch Personen ohne Ausbildung mit. Wichtig sind vor allem die eigenen

Erfahrungen und dass sich Schlüsselpersonen lokal auskennen und in der Gemeinde wie auch

in der eigenen Kulturgruppe vernetzt sind, hiermit unterscheiden sie sich auch von den interkul-

turellen Übersetzenden, denn diese brauchen nicht zwingend lokale Kenntnisse, um in einem

Fachgespräch eingesetzt zu werden.

Wann nun welche Akteure oder Akteurinnen für welche Tätigkeiten eingesetzt werden, kann

anhand der Forschungsresultate nicht abschliessend beantwortet werden. Auch heisst es im

Fachdiskurs, dass Dolmetschende verschiedene Mediationsrollen ausüben können und es sich

dabei nicht um verschiedene Typen von Fachpersonen handelt, sondern um eine Person, wel-

che teilweise alle Bereiche selber abdecken kann (vgl. Bischoff und Schuster, 2010, S. 181-

186). Dies wurde auch in der Praxis beobachtet, da einige Schlüsselpersonen als interkulturelle

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Master-Thesis Livia Knecht

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Übersetzende wie auch als Schlüsselpersonen tätig sind. Diese Tatsache macht eine klare Un-

terscheidung wiederum schwierig. Trotzdem wird anhand folgender Tabelle eine (nicht ab-

schliessende) Unterscheidung der drei Akteure und Akteurinnen versucht:

Tabelle 1 Abgrenzung von Akteuren/Akteurinnen (eigene Darstellung)14

AKTEURE/ KRITERIEN

Interkulturelle Vermittelnde

Interkulturelle Dolmetschende

Schlüsselpersonen

Handlungsberei-che

Gesundheits-, Bil-dungs-, Sozialbereich

Gesundheits-, Bil-dungs-, Sozialbereich

Gesundheits-, Bildungs-, Sozialbereich, Gemein-de

Anlass/Grund Für eigenverantwort-lich organisierte Ver-mittlungsleistungen in Gesprächen und Ver-anstaltungen im Auf-trag von Fachperso-nen

Für Übersetzungsleis-tungen in Fachge-sprächen

Für niederschwellige Informationsarbeiten zu alltäglichen Fragen und um den Zugang zu fin-den

Setting Übernehmen Verant-wortung in Gesprä-chen oder bei Veran-staltungen

Trialog Nicht zwingend im Tria-log, auch Veranstaltun-gen und Einzelgesprä-che

Formale Bedin-gungen

Lohn

Job

Lohn

Job

Entschädigung/Spesen

Ehrenamt

Kompetenzen Ausbildung „Interkultu-relle Vermittelnde“ (in Planung)

Ausbildung „Interkul-turelle Dolmetschen-de“

Keine Ausbildung

Erfahrungen, Vernet-zung in Kulturgruppe und lokale Kenntnisse sehr wichtig

Tätigkeiten Vermittlung

Beratung

Begleitung

Dolmetschen Zugang finden

Informieren

Bestärken

Kundenkontakt Indirekt via Vermitt-lungsstelle oder Fach-personen

Dienstleistung richtet sich hauptsächlich an Fachpersonen

Indirekter Kontakt zu Kunden via Vermitt-lungsstelle

Dienstleistung richtet sich an Fachperso-nen

Direkter Kontakt zu Kunden

Dienstleistung richtet sich hauptsächlich an Migrant/in

Themen Bei komplexen oder belastenden Themen

Bei komplexen oder belastenden Themen

Einfache und nie-derschwellige Alltags-themen

Art des Einsatzes Einmalige Aufträge aber auch begleitende und beratende Aufträ-ge

Neutrale Rolle

Meist einmaliger Auf-trag in Institutionen

Neutrale Rolle

Einsätze im Alltagsum-feld

Auf Vertrauensebene und niederschwellig

14

Auf die Abgrenzungskriterien wird in Kapitel 5.5.3 nochmals eingegangen.

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Master-Thesis Livia Knecht

66

Integrative Wirkung

Die Integrationspolitik auf Bundes- und Kantonsebene als Motor für verändernde Prozesse auf

kommunaler Ebene wird als sehr wichtig beurteilt und es wurde vermehrt angesprochen, dass

die Gemeinde oder die Trägerschaft hinter einem Integrationsprojekt stehen müsse, damit die-

ses auch erfolgreich ist. Dass diese Tätigkeiten integrativ wirken, wird im Fachdiskurs wie in der

Praxis, bestätigt, da interkulturelle Tätigkeiten ein Empowerment der Klienten und Klientinnen

bewirken kann und diese ermutigt werden Angebote der Regelstrukturen zu nutzen und ihnen

somit neue Handlungsspielräume eröffnet werden. Zudem wird die Integration erleichtert, indem

Migranten und Migrantinnen bedarfsgerechte Informationen erhalten und sich dadurch orientie-

ren können.

Im Fachdiskurs ist jedoch auch eine kritische Sichtweise auszumachen, da diese Tätigkeiten

Exklusionen schaffen und eine Entpolitisierung bewirken können (vgl. Dahinden und Bischoff,

2010, S. 19-24). In der Praxis werden die Tätigkeiten kaum kritisch hinterfragt. Dabei ist aufge-

fallen, dass gerade auch die Frage, an wen sich das Projekt richtet, unterschiedlich beantwortet

werden kann und dadurch auch einige relevante Personengruppen ausgeschlossen werden

könnten. Diese Eingrenzung auf bestimmte Personengruppen sollte begründet werden und eine

Reflexion darüber, inwiefern andere Personen somit ausgeschlossen werden, wäre wichtig.

Interkulturelles Dolmetschen und Vermitteln hat Einzug in die Integrationspolitik gefunden und

in den Vorgaben des Bundes für die kantonale Integrationsprogramme wird im Pfeiler drei „Ver-

ständigung und gesellschaftliche Integration“ als erster Förderbereich das interkulturelle Über-

setzen genannt. Somit heisst es im KIP des Kantons Aargau auch, dass die Etablierung des

interkulturellen Übersetzens weiterhin gefördert und das Angebot bedarfsgerecht ausgestaltet

werden soll. Im gleichen Pfeiler im Förderbereich „soziale Integration“ wird im KIP des Kantons

Aargau der Aufbau von Schlüsselpersonen-Netzwerken als eine Massnahme zur Förderung der

sozialen Integration benannt (vgl. DVI, MIKA, 2013, S. 73-74). Dass diese Tätigkeiten Einzug in

die Integrationsgesetze gefunden haben, zeigt auf, dass ihnen eine integrationsfördernde Wir-

kung nachgesagt wird.

5.2 Schlüsselpersonen im Rahmen des kantonalen Integrationsprogramms

Wie soeben beschrieben, wird auf die Schlüsselpersonen im KIP des Kantons Aargau im dritten

Pfeiler im Förderbereich „soziale Integration“ eingegangen. Damit Angebote in Gemeinden und

Regionen von der Migrationsbevölkerung vermehrt genutzt werden, sind die Gemeinden beim

Aufbau von Schlüsselpersonen-Netzwerke zu unterstützen, damit der Zugang zu schwer er-

reichbaren Migrantengruppen besser gelingt. In der Praxis wird die Erfahrung gemacht, dass

der Zugang durch Schlüsselpersonen oft gelingt, da diese durch die Muttersprache das Ver-

trauen herstellen können und somit den Kontakt finden. Auch ist es eine wichtige Aufgabe der

Schlüsselpersonen, dass sie auf Angebote in der Region aufmerksam machen und die Migran-

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Master-Thesis Livia Knecht

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ten und Migrantinnen ermutigen, diese Angebote zu nutzen. Die im KIP formulierten Ziele kön-

nen also durch die Schlüsselpersonen in den untersuchten Projekten erreicht werden.

Weiter heisst es im KIP aber auch, dass Schlüsselpersonen-Netzwerke in ihrer Auswirkung

auch auf andere Förderbereiche zielen können. Im KIP wird nicht formuliert, welche Bereiche

dies sein könnten, jedoch zeigt es sich in der Praxis, dass sie durchaus in weiteren Bereichen

eingesetzt werden. Schlüsselpersonen werden im Pfeiler 1 „Information und Beratung“ in Erstin-

formationsgesprächen eingesetzt und tragen einen wesentlichen Beitrag dazu, dass Gemein-

den eine Willkommenskultur herstellen können. Eines der untersuchten Projekte hat Familien

mit Kindern im (Vor)-Schulalter als Zielgruppe benannt und Schlüsselpersonen können somit

auch dem Pfeiler 2 „Bildung und Arbeit“ zugeordnet werden. Dabei stellen Schlüsselpersonen

den Kontakt zu Migranteneltern her und ermöglichen ihnen dadurch den Zugang zu familiener-

gänzenden und familienunterstützenden Angeboten. Hier gilt es aber auch vermehrt noch zu

klären, inwiefern Schlüsselpersonen im Rahmen der Frühförderung eingesetzt werden können,

um neue Zugänge und Informationskanäle zu finden sowie Massnahmen im Rahmen der El-

ternbildung zu entwickeln. Weiter ist in diesem Pfeiler auch ein Teilziel, dass Ausländer/innen

über das Bildungssystem und die Anforderungen der Arbeitswelt informiert werden. Schlüssel-

personen informieren in der Praxis über alltägliche Themen und gerade das Bildungssystem ist

dabei ein relevantes Thema, indem Schlüsselpersonen Eltern von (Vor)-Schulkindern aufklären,

was es heisst in der Schweiz die Schule zu besuchen. Auch hier gilt es noch weiter zu klären, in

welchem Rahmen Schlüsselpersonen eingesetzt werden können, um die Zielgruppen zu errei-

chen und bedarfsgerecht zu informieren. Im Anhang 5 wird tabellarisch aufgezeigt, in welchen

Bereichen Schlüsselpersonen im Aktionsplan des kantonalen Integrationsprogramms vom Kan-

ton Aargau eingesetzt werden können. Wie die Ergebnisse aufzeigen, werden die Schlüssel-

personen vermehrt auch in anderen Förderbereichen eingesetzt und anhand von Schlüsselper-

sonen-Netzwerken können daher einige im KIP formulierten Teilziele erreicht werden. Es be-

steht jedoch noch Klärungsbedarf, inwiefern und in welchem Rahmen die Schlüsselpersonen in

den weiteren Förderbereichen eingesetzt werden könnten.

Gleichzeitig zeigt sich auch, dass Schlüsselpersonen-Netzwerke der im AuG formulierten Integ-

rationsförderung gerecht werden. Durch solche Netzwerke wird das friedliche Zusammenleben

in der Gemeinde gefördert und den Ausländer/innen wird ermöglicht an der Gesellschaft teilzu-

nehmen, da sie über die Lebensbedingungen in der Schweiz informiert werden und ihnen auf-

gezeigt wird, dass die Erlernung einer Landessprache für die Integration von grosser Bedeu-

tung ist und auf entsprechende Deutschkursangebote aufmerksam gemacht wird. Da Integrati-

on hauptsächlich durch die Regelstrukturen erfolgt, sorgen Schlüsselpersonen dafür, dass

Migranten und Migrantinnen die Angebote der Regelstrukturen kennen und diese auch nutzen.

Schlüsselpersonen fördern hauptsächlich die kulturelle Integration, indem sie Migranten und

Migrantinnen Wissen über das Leben in der Schweiz vermitteln. Zudem können Schlüsselper-

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Master-Thesis Livia Knecht

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sonen aber auch zur sozialen Integration von Migranten und Migrantinnen beitragen, indem sie

diese auffordern, Angebote zu nutzen und ihnen somit neue Netzwerke eröffnet und soziale

Kontakte ermöglicht werden. Schliesslich kann dies auch dazu führen, dass Migranten und

Migrantinnen emotional integriert sind, da sie sich orientieren können, Kontakte haben und sich

dadurch hier zu Hause fühlen und sich somit auch mit dem Aufnahmeland verbunden fühlen.

5.3 Schlüsselpersonen in der kommunalen Integrationspolitik

Folgend wird nochmals auf die Fragestellung eingegangen und aufgezeigt, unter welchen Vor-

aussetzungen und für welche Handlungsbereiche Schlüsselpersonen in der kommunalen Integ-

rationspolitik eingesetzt werden und welche Kompetenzen sie dafür benötigen.

Schlüsselpersonen sind ehrenamtlich tätige Personen, welche die Integration von Migranten

und Migrantinnen unterstützen und erleichtern. Sie werden in der kommunalen Integrationspoli-

tik insbesondere eingesetzt, um den Kontakt zu schwer erreichbaren Migranten und Migrantin-

nen zu finden und um sicherzustellen, dass die Migrationsbevölkerung die Angebote der Regel-

strukturen auch vermehrt nutzt. Ein wichtiger Handlungsbereich in der Praxis sind die Erstin-

formationsgespräche. Schlüsselpersonen informieren neuzugezogene Migranten und Migran-

tinnen über die Lebensbedingungen in der Schweiz und über den neuen Wohnort. In den weite-

ren im KIP genannten Förderbereichen sind die Schlüsselpersonen teilweise auch schon im

Einsatz, jedoch besteht noch Klärungs- und Handlungsbedarf inwiefern Schlüsselpersonen im

Bereich der Information und Beratung von Migranten und Migrantinnen, insbesondere zum

Thema Arbeitsweilt und Bildungssystem sowie in der Frühförderung eingesetzt werden können.

Auch gilt es klarer zu definieren, inwiefern Schlüsselpersonen-Netzwerke auch zum Austausch

und zur Begegnung zwischen der Schweizer- und der Migrationsbevölkerung beitragen können

und inwiefern sie die aktive Teilhabe von Migranten und Migrantinnen am Gemeindeleben för-

dern können. Weiter gilt es zu analysieren, anhand welcher Kriterien interkulturelle Dolmet-

schende und Vermittelnde von Schlüsselpersonen abgegrenzt werden können. In der Praxis

zeigt sich nämlich, dass zurzeit Schlüsselpersonen und interkulturelle Dolmetschende und

Vermittelnde im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich für ähnliche oder sogar für gleiche

Aufgaben eingesetzt werden. Fachpersonen in den obgenannten Bereichen ziehen Schlüssel-

personen, interkulturelle Dolmetschende oder Vermittelnde bei, wenn sie den Zugang zu be-

stimmten Personengruppen nicht finden oder wenn sprachliche Barrieren bestehen. In solchen

Gesprächen werden anspruchsvolle Aufgaben an Schlüsselpersonen, interkulturelle Dolmet-

schende und Vermittelnde gestellt und für diese Tätigkeiten werden entsprechende Kompeten-

zen benötigt. Interkulturelle Dolmetschende und Vermittelnde sind ausgebildet und haben ent-

sprechende Fach- und Methodenkompetenzen erlangt, wobei vor allem die Sprachkenntnisse

von Bedeutung sind. Für Schlüsselpersonen gibt es keine Ausbildung, jedoch sind Sprach-

kenntnisse und gewisse Fach- und Methodenkompetenzen auch notwendig, wobei jedoch aus-

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Master-Thesis Livia Knecht

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gebildete Dolmetschende und Vermittelnde deutlich mehr Kompetenzen durch ihre Ausbildung

mitbringen. Bei den Schlüsselpersonen sind daher vor allem die eigenen Erfahrungen, Berufs-,

Lebens- oder Migrationserfahrung sowie die Sozialkompetenzen wichtige Kriterien für die Eig-

nung. Zudem sind Schlüsselpersonen im Unterschied zu interkulturellen Dolmetschenden und

Vermittelnden in der Gemeinde und in der eigenen Kultur vernetzt und kennen sich lokal gut

aus. Die Resultate zeigen auf, dass Schlüsselpersonen und interkulturelle Übersetzende und

Vermittelnde anhand von verschiedenen Kriterien (siehe Tabelle 1: Handlungsbereiche, Setting,

Kompetenzen u.a.) unterschieden werden können. Wie und anhand welcher Kriterien die Un-

terscheidung gelingt, kann mit dieser Forschungsarbeit nicht abschliessend beantwortet wer-

den. Welche Voraussetzungen es für Schlüsselpersonen-Netzwerke benötigt, kann nicht ein-

heitlich beantwortet werden, da in der Praxis unterschiedliche Projekte existieren. Wichtig ist

jedoch, dass die politische Trägerschaft hinter dem Projekt steht, die Rollen und Aufgaben der

beteiligten Akteure und Akteurinnen geklärt sind und das Projekt mit den in der Region relevan-

ten Institutionen vernetzt ist. Was beim Aufbau und der Umsetzung von Schlüsselpersonen-

Netzwerken allgemein zu beachten ist und wie die Schlüsselpersonen vermehrt im KIP des

Kantons Aargau einzusetzen sind, wird im folgenden Kapitel beschrieben.

5.4 Schlussfolgerungen und Empfehlungen

In diesem Kapitel wird aufgezeigt, aufgrund welcher Kriterien gemäss den Forschungsresulta-

ten Schlüsselpersonen-Projekte gelingen und zweitens wird erläutert, inwiefern diese For-

schungsarbeit weiter ergänzt werden könnte. Das Kapitel schliesst mit Empfehlungen für die

Praxis, einerseits bezogen auf die Umsetzung des kantonalen Integrationsprogramms im Kan-

ton Aargau und andererseits auch aus Sicht der Sozialen Arbeit.

5.4.1 Empfehlungen für Schlüsselpersonen-Projekte

Folgend werden die wichtigsten Erkenntnisse für den Erfolg von Schlüsselpersonen-Projekte

anhand der Forschungsresultate aufgezeigt. Diese Punkte stellen auch Kriterien dar, welche bei

der Entwicklung von Schlüsselpersonen-Projekten mit einbezogen werden sollten.

Erfolg von Projekten hängt von Gemeinden ab

Damit Schlüsselpersonen-Netzwerke erfolgreich sind, muss die Gemeinde dahinter stehen, nur

so kann sich das Projekt etablieren. Das bedeutet, dass der Bedarf an Schlüsselpersonen-

Netzwerken aufgezeigt wird und auf der persönlichen Ebene Kontakte mit relevanten Personen

aus der Verwaltung und dem Gemeinderat gepflegt werden. In vielen Projekten wurden einzel-

ne Mitglieder des Gemeinderats gleich beim Aufbau als strategische Steuergruppe einbezogen.

Der regionale Ansatz, was bedeutet, dass ein Schlüsselpersonen-Projekt durch verschiedene

Gemeinden geplant, umgesetzt und finanziert wird, wird als positiv beurteilt. Wichtig ist auch

von Anfang an die Nachhaltigkeit des Projekts mit zu bedenken. Dabei gilt es vor allem zu be-

denken, wie Schlüsselpersonen-Netzwerke als fester Bestandteil in die kommunale, regionale

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Master-Thesis Livia Knecht

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oder kantonale Integrationsförderung eingegliedert werden können.

Vernetzungsarbeit ist relevant, aber auch zeitintensiv

Von Projektbeginn an gilt es sich mit relevanten Institutionen zu vernetzen. Beim Aufbau eines

Netzwerks sind bereits existierende Integrationsangebote einzubeziehen, und sobald das

Netzwerk besteht und die Schlüsselpersonen eingesetzt werden, heisst es Institutionen der Re-

gelstrukturen auf das Angebot aufmerksam zu machen und zu sensibilisieren. Als wichtige Ver-

netzungsinstitution wurde dabei immer die Schule genannt. Jedoch ist nicht nur die Sensibilisie-

rung von Institutionen und Behörden von Bedeutung, auch die Öffentlichkeitsarbeit ist wichtig,

da dies die Akzeptanz von integrationspolitischen Massnahmen fördern kann. In vielen Projek-

ten werden daher kulturelle Anlässe organisiert, um die Schweizerbevölkerung zu informieren

und sensibilisieren, aber auch um den Austausch zwischen Schweizer- und Migrationsbevölke-

rung zu fördern. Da die Vernetzungsarbeit vor allem auf der persönlichen Ebene stattfindet, ist

es eine sehr zeitintensive Arbeit.

Projekte sind personenabhängig und Beziehungsarbeit ist intensiv

Projekte sind personenabhängig:

1. Die Projekte sind von den Leitenden abhängig, da diese mit geringem Pensum eine

zeitintensive und anspruchsvolle Aufgabe bewältigen. Um diese Tätigkeit machen zu

können, sind Erfahrungen im Bereich Projektmanagement und allgemein in der Arbeit

mit Migranten und Migrantinnen erforderlich.

2. Die Projekte funktionieren nur mit Schlüsselpersonen, welche mit grosser Begeisterung

in den Projekten mitarbeiten. Der Einbezug oder die Partizipation der Schlüsselpersonen

von Beginn an und während des ganzen Projekts ist ein wichtiges Kriterium für den

Erfolg der Projekte.

3. Verbündete in der Verwaltung, Verbänden, Organisationen der Zivilgesellschaft und

Institutionen der Regelstrukturen sind für den Erfolg bedeutend. Damit ein Schulleiter

oder eine Gemeindsschreiberin zum/zur Verbündete/n wird, benötigt es eine

vertrauensvolle Beziehung, was wiederum eine zeitintensive Tätigkeit ist.

5.4.2 Herausforderungen und weitere Forschungsinteressen

Folgend wird aufgelistet, wo die Autorin noch weiteren Forschungsbedarf erkennt und welche

Themen in weiteren Forschungs- oder Theoriearbeiten angegangen werden könnten. Dies wird

nur stichwortartig beschrieben:

Abgrenzung von Schlüsselpersonen, interkulturellen Dolmetschenden und

Vermittelenden, beispielsweise anhand von Interviews mit Dolmetschenden,

Vermittelnden, Interpret und Fachpersonen

Bestandesaufnahme von Schlüsselpersonenprojekten

Welche Projekte können als Best Practice Modelle genommen werden und wie kann

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Master-Thesis Livia Knecht

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durch die Erfahrungen dieser Projekte ein Leitfaden oder Konzept entwickelt werden?

Dabei auch den Blick nach aussen richten und Projekte in anderen Kantonen, Projekte

in Deutschland (Integrationslotsen) oder auch in weiteren Ländern einbeziehen.

Schlüsselpersonen im Rahmen von Kommunikations- und Informationsstrategien

Wie können Schlüsselpersonen in der Kommunikations- und Informationsarbeit

eingesetzt werden? Welche Aspekte aus der Theorie zum Thema Kommunikation sind

für Schlüsselpersonenprojekte von Bedeutung?

Schlüsselpersonenarbeit als Ehrenamt / Freiwilligenarbeit:

Welche Erkenntnisse können aus Theorien zu Ehrenamt und Freiwilligkeit für die

Projekte gezogen werden? Wie sind Schlüsselpersonen als ehrenamtlich tätige

Personen zu begleiten und zu unterstützen?

Schlüsselpersonen und Netzwerkarbeit:

Inwiefern ist die Arbeit von Schlüsselpersonen auch Netzwerkarbeit?

Schlüsselpersonen und Empowerment:

Inwiefern führen Tätigkeiten von Schlüsselpersonen zu einem Empowerment von

Migranten und Migrantinnen?

Schlüsselpersonen und Selbstorganisation von Migranten:

Welche Erkenntnisse werden erlangt, wenn die Thematik Selbstorganisation von

Migranten mit der Thematik Schlüsselpersonen verknüpft wird?

Genderaspekte:

Schlüsselpersonen sind hauptsächlich weiblich, wie ist diese Tatsache einzuschätzen?

5.4.3 Empfehlungen Umsetzung KIP

Folgend wird nun darauf eingegangen, inwiefern Teilziele im KIP durch den Einsatz von

Schlüsselpersonen umgesetzt werden können und welche Aspekte dabei zu beachten sind.

Im Aktionsplan des KIPs heisst es, dass Gemeinden „beim Einsatz von Schlüsselpersonen um

den Zugang zu schwer erreichbaren Gruppen von Migranten und Migrantinnen zu verbessern“

(DVI MIKA, 2013, S. 74) unterstützt werden, damit die Migrationsbevölkerung die verschiede-

nen Angebote in den Gemeinden und der Region vermehrt nutzt. Wie dies durch den Kanton

unterstützt wird, wird jedoch im KIP nicht näher beleuchtet. Gemäss den Forschungsergebnis-

sen können im Rahmen dieser Masterthesis einige Punkte zur Umsetzung dieser Massnahme

erläutert werden.

Bisherige Projekte als Modelle

Einige der untersuchten Projekte eignen sich als „Modellprojekte“ oder „Best Practice Projekte“.

Aus den in diesen Modellprojekten gemachten Erfahrungen können Erkenntnisse generiert

werden, welche als Grundlagen für künftige Projekte dienen. Die gemachten Erfahrungen wer-

den vom konkreten Kontext abstrahiert und allgemeingültige Aussagen können in einem Kon-

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Master-Thesis Livia Knecht

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zept zusammengefasst werden. Diese Konzepte können dann wiederum regional angepasst

und umgesetzt werden. Ein anderer Ansatz wäre es eine Bestandes- und Bedarfsabklärung der

bereits bestehenden Projekte zu machen, dabei könnten auch weitere Projekte innerhalb und

auch ausserhalb des Kantons einbezogen werden. Anhand dieser Ergebnisse könnte, wie oben

beschrieben, ein Konzept entwickelt werden. Neben einem Konzept oder Leitfaden, wäre aber

auch eine Art „Factsheet“ zu den Schlüsselpersonen von Interesse. In diesem „Factsheet“ wird

dargestellt, was man unter Schlüsselpersonen versteht, was diese tun und warum, wann und

wie sie eingesetzt werden. Denn wie die Forschungsergebnisse zeigen, wird der Begriff nicht

einheitlich verwendet und auch in der Erarbeitung dieser Masterthesis wurde die Autorin damit

konfrontiert, dass nicht unbedingt klar ist, was man unter einer Schlüsselperson versteht. Die-

ses „Factsheet“ würde vor allem auch den Fachpersonen dienen ein Verständnis davon zu er-

langen, was Schlüsselpersonen sind und durch die Sensibilisierung und Aufklärung der Fach-

personen werden Schlüsselpersonen auch vermehrt eingesetzt.

Aufbau von Netzwerken mit Schlüsselpersonen

Gemäss Forschungsresultaten macht es Sinn, dass Netzwerke von Schlüsselpersonen regional

aufgebaut werden, damit die finanziellen und personellen Ressourcen überhaupt sichergestellt

werden können. Für eine Gemeinde alleine ist es schwierig überhaupt genügend Schlüsselper-

sonen für ein Netzwerk zu finden. Weiter sagen die Interviewpersonen auch, dass Gemeinden

alleine, ohne finanzielle Beteiligung des Kantons, solche Netzwerke nicht finanzieren können.

Ein weiterer Punkt ist, dass die Projektleitenden gewisse Fach- und Methodenkompetenzen,

wie Kenntnisse im Bereich Migration und Integration oder Wissen über Projektmanagement,

haben sollten, damit sie für die Leitungsaufgabe geeignet sind. Will man dem gerecht werden

und ein regionales Projekt mit einer dafür geeignete Projektleitende aufbauen, wird man wahr-

scheinlich grosse Mühe haben, da es weder einfach ist Gemeinden für regionale Integrations-

projekte zu begeistern noch eine Leitungsperson zu finden, welche diese Voraussetzungen mit-

bringt und bereit ist in einem meist sehr geringem Teilzeitpensum zu arbeiten. Hier stellt sich

also die Frage, ob es Sinn macht, wenn solche Projekte auf Gemeinde- bzw. Regionaler Ebene

aufgebaut werden oder ob eine kantonale Steuerung15 grundsätzlich zweckmässiger wäre?

Eine kantonale Steuerung bedeutet, dass die fachlichen- und methodischen Kompetenzen

durch die Mitarbeitenden der kantonalen Fachstelle für den Aufbau eines kantonalen Netzwerks

von Schlüsselpersonen vorhanden sind und die Betreuung und Unterstützung der Schlüssel-

personen sichergestellt werden kann. Ein kantonales Netzwerk empfiehlt sich ausserdem dar-

um, da dadurch das Gelingen eines Netzwerks nicht nur vom Willen der Gemeinden oder ein-

zelner Gemeinderäte abhängt. Die Gemeinden und weitere Institutionen könnten sich dann bei

Bedarf an die Projektleitung des kantonalen Netzwerkes wenden und es würde ihnen eine ge-

eignete Schlüsselperson vermittelt werden. Der Einsatz sowie die Entschädigung finden somit

15

Beispielsweise durch eine Integrationsfachstelle.

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Master-Thesis Livia Knecht

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kantonal nach einheitlichen Kriterien statt. Die Vernetzung und Sensibilisierung der Institutionen

der Regelstrukturen würde weiterhin ein wichtiger Bestandteil bleiben, denn die Institutionen

müssen das Angebot kennen, damit die Schlüsselpersonen auch eingesetzt werden. Gegen ein

kantonales Netzwerk sprechen hingegen die oft genannte Personenabhängigkeit und die Be-

deutung der Lokalität. In den Interviews wurde genannt, dass Integration vor Ort also in der

Gemeinde stattfindet. Die Schlüsselpersonen-Netzwerke sind darum erfolgreich, weil die

Schlüsselpersonen lokal sind und sich für und in der Gemeinde einsetzen möchten. Der Einbe-

zug und die Partizipation der Schlüsselpersonen von Beginn an wurden oft als wichtige Kriterien

für den Erfolg der Projekte genannt. Die Motivation und Teilhabe könnte durch ein kantonales,

anonymeres Projekt vermindert werden, jedoch könnten auch auf kantonaler Ebene partizipati-

ve Elemente berücksichtigt werden. Zudem wurde die Personenabhängigkeit der Projekte oft

genannt. Die Projektleitenden haben dabei eine wichtige Rolle, da sie die Beziehung zu den

Schlüsselpersonen und den verantwortlichen Personen in den Institutionen pflegen. Diese Tä-

tigkeit findet auf der persönlichen Ebene statt, um Vertrauen aufbauen zu können. Ein/e Pro-

jektleiter/in auf kantonaler Ebene wird wahrscheinlich die Beziehungspflege nie so intensiv und

persönlich gestalten können, wie dies die Projektleitenden in den untersuchten Projekten zurzeit

tun. Abschliessend kann somit keine Empfehlung gemacht werden, ob ein kantonales oder re-

gionales Netzwerk sinnvoller ist. Grundsätzlich stellt sich die Autorin jedoch den Aufbau von

Netzwerken auf Gemeindeebene oder regional als umständlicher vor, da die Gemeinden da-

durch erstmals überzeugt werden müssten, dass Integration eine ernst zu nehmende politische

Thematik ist und oft die Ressourcen für solche Projekte nicht vorhanden sind (oder nicht dafür

verwendet werden wollen). Wichtig ist sicherlich, dass wie dies oben beschrieben wird, aus den

Erfahrungen der bereits existierenden Schlüsselpersonen-Netzwerken gelernt wird.

Einbezug Schlüsselpersonen in weiteren Massnahmen des KIPs

Wie in dieser Arbeit aufgezeigt wurde, können Schlüsselpersonen im Rahmen des kantonalen

Integrationsprogramms des Kantons Aargau auch in weiteren Förderbereichen eingesetzt wer-

den. Hier benötigt es jedoch noch Klärungsbedarf, inwiefern dies möglich wäre. Im Pfeiler 3

„Verständigung und gesellschaftliche Integration“ im Förderbereich „soziale Integration“ ist ne-

ben den Schlüsselpersonennetzwerken noch ein weiteres Teilziel und zwar die Schaffung von

Angeboten zu Begegnung und Austausch zwischen Schweizer- und Migrationsbevölkerung wie

auch die Unterstützung von Migranten und Migrantinnen zur aktiven Teilhabe am Gemeindele-

ben, erwähnt. Dieses Teilziel ist gut mit dem Teilziel „Schlüsselpersonen-Netzwerke“ kombi-

nierbar, wie dies in der Praxis auch bereits geschieht, da viele der Projekte neben den Schlüs-

selpersonen-Netzwerken auch andere Massnahmen oder Angebote entwickelt haben. In einem

Projekt gibt es beispielsweise einen Treffpunkt für ausländische und schweizerische Frauen, wo

sie sich begegnen und austauschen können. Bei diesen Angeboten nehmen die Schlüsselper-

sonen wiederum eine wichtige Rolle ein, da sie den Zugang zu diesen Angeboten für Migranten

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Master-Thesis Livia Knecht

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und Migrantinnen ermöglichen und auch der Projektleitung beratend bei der Planung und Um-

setzung solcher Angebote zur Seite stehen.

Aber auch in den anderen Pfeilern ist der Einsatz von Schlüsselpersonen vielversprechend. Für

die Erstinformation im ersten Pfeiler „Information und Beratung“ eignen sich Schlüsselpersonen

sehr gut, da sie Erstinformationsgespräche in ihrer Muttersprache durchführen können und

Migranten und Migrantinnen sich dadurch willkommen fühlen und Basisinformationen zur

Schweiz und dem neuen Wohnort erhalten. Schlüsselpersonen können aber auch bei weiteren

Angeboten für Neuzugezogene teilnehmen, beispielsweise bei Nezuzügerabenden oder Dorf-

bzw. Stadtführungen. Zudem können sie auch hier beratend und unterstützend bei der Entwick-

lung von Angeboten für neuzuziehende Migranten und Migrantinnen mitwirken, indem sie die

Gemeinden auf die Bedürfnisse von neuzuziehenden Personen aufmerksam machen. Aber

nicht nur bei der Erstinformation, sondern allgemein bei der Information und Kommunikation mit

der Migrationsbevölkerung sind Schlüsselpersonen einsetzbar. Eine Massnahme im KIP ist,

dass eine Strategie zur Erstinformation aber auch allgemein zur Information und Beratung von

Migranten und Migrantinnen erarbeitet wird (DVI, MIKA, 2013, S. 63). Welche Rolle Schlüssel-

personen bei dieser Informationsstrategie übernehmen könnten, ist hier dringend zu reflektie-

ren. Es macht auch Sinn Schlüsselpersonen von Beginn an bei der Erarbeitung der Strategie

einzubeziehen, da sie die Sicht der Migrationsbevölkerung einbringen können und die Informa-

tionsstrategie somit bedarfs- und zielgruppengerichtet entwickelt werden kann.

Im dritten Pfeiler „Bildung und Arbeit“ im Förderbereich „Frühe Förderung“ besteht auch Klä-

rungsbedarf, wie Schlüsselpersonen genutzt werden können, um Migranteneltern und deren

Kindern den Zugang zu Angeboten der frühen Förderung zu ermöglichen. Schlüsselpersonen

können fremdsprachige Eltern auf die Thematik Frühförderung sensibilisieren und an Informati-

onsanlässen teilnehmen. Schlüsselpersonen begleiten in einigen Projekten schon jetzt die Müt-

ter-und Väterberater/innen bei deren Hausbesuchen, gerade dieses Angebot könnte noch aus-

gebaut werden oder auch andere Angebote bzw. Fachpersonen im Frühbereich könnten mit

einbezogen werden. Auch hier ist es interessant für die Institutionen die Sicht der Migrationsbe-

völkerung zu kennen, um ihre Angebote in der Frühförderung zielgruppengerecht weiterentwi-

ckeln zu können.

Abgrenzung zu interkulturellen Dolmetschenden und Vermittelnden

Die Tätigkeiten von Schlüsselpersonen und interkulturellen Dolmetschenden und Vermittelnden

sind ähnlich, und wie diese abgegrenzt werden, wird im Fachdiskurs nicht wirklich thematisiert,

und auch in der Praxis wird wenig darüber reflektiert. Die Gefahr besteht, dass sie einander

konkurrenzieren, da sie für gleiche Tätigkeiten engagiert werden. Weiter können Fachpersonen

mit der Vielzahl von Akteuren und Akteurinnen für ähnliche Tätigkeiten überfordert sein, wenn

sie nicht wissen, wann wer für welche Tätigkeit eingesetzt wird. Damit die Potentiale aller Ak-

teure und Akteurinnen genutzt werden können, ist eine Abgrenzung anhand geeigneter Krite-

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Master-Thesis Livia Knecht

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rien dringend notwendig. Eine geeignete Abgrenzung könnte gemäss den in dieser For-

schungsarbeit gemachten Erkenntnissen beispielsweise dadurch gelingen, dass die Hand-

lungsbereiche klar definiert sind. Dabei können Schlüsselpersonen vor allem im Bereich der

Gemeinde für (Erst-) Informationsveranstaltungen und im Bildungsbereich in der Schule bei-

spielsweise bei Elternabenden oder weiteren Veranstaltungen der Schule eingesetzt werden.

Weiter können sie wie oben beschrieben vermehrt auch in der Frühförderung und allgemein für

die Informations-und Kommunikationstätigkeit von der Gemeinde und von weiteren Institutionen

eingesetzt werden. Im Gesundheits- und Sozialbereich finden vermehrt Gespräche mit komple-

xen und sehr persönlichen Inhalten statt und es macht daher auch Sinn, dass in diesen Berei-

chen hauptsächlich interkulturelle Dolmetschende und Vermittelnde eingesetzt werden. Zudem

ist das Kriterium, dass sich die Dienstleistung von interkulturellen Dolmetschenden und Vermit-

telnden vor allem an Fachpersonen richten, damit diese den institutionellen Informationsauftrag

ausführen können, auch ein wichtiges Unterscheidungskriterium. Denn Schlüsselpersonen rich-

ten sich primär an Migranten und Migrantinnen und die Dienstleistung ist an ihrem Bedarf orien-

tiert. Andere Kriterien, wie beispielsweise die Tätigkeit oder das Setting, eignen sich nur bedingt

für die Abgrenzung, da es dort vermehrt auch Überschneidungen gibt bzw. die Abgrenzung nur

zwischen zwei Akteuren gelingt und zum dritten Akteur dann wiederum unklar ist.

5.4.4 Sicht der Sozialen Arbeit

Soziale Arbeit im Bereich Migration und Integration hat sich zunehmend im Laufe der im Kapitel

2.2.1 aufgezeigten Geschichte der Einwanderung in die Schweiz zu einem Arbeitsfeld entwi-

ckelt. Die Benennung dieses Arbeitsfeldes als migrationsbezogene Soziale Arbeit, als Interkul-

turelle Soziale Arbeit oder als Soziale Arbeit in der Einwanderungsgesellschaft hat sich mit der

Zeit immer wieder verändert und ist nicht abschliessend geklärt (vgl. Schulte und Treichler,

2010, S. 145). Während zur Zeit der Gastarbeiterpolitik die Integration der Migranten und

Migrantinnen noch kein Ziel war und vor allem eine defizitorientierte Sozialarbeit betrieben wur-

de, ist heute insbesondere die interkulturelle Kompetenz von Sozialarbeitenden und die interkul-

turelle Öffnung von Institutionen der Sozialen Arbeit ein Thema. Aber auch das interkulturelle

Paradigma wird vermehrt kritisiert, da die Ausrichtung an interkulturellen Kriterien zu einer Ver-

nachlässigung oder gar Ausblendung ökonomischer, politischer und rechtlicher Kriterien führen

kann und soziale Probleme als kulturelle Probleme umgedeutet werden. In den Studiengängen

der Sozialen Arbeit wird die Thematik der Migration und Integration stets stärker thematisiert.

Trotzdem ist das Arbeitsfeld „Migration und Integration“ ein kleines Teilgebiet der Sozialen Ar-

beit geblieben (vgl. Cyrus und Treichler, 2004, S. 16-19) und auch in der Ausbildung von Sozi-

alarbeitenden hat die Thematik noch einen kleinen Stellenwert und gerade in Bezug auf inter-

kulturelle Übersetzung und Vermittlung und der Verantwortung von Fachpersonen, dass sie

Migranten und Migrantinnen als Klientel wahrnehmen und dafür sorgen, dass diese den Ge-

sprächen folgen können und der Zugang zu Institutionen der Sozialen Arbeit ermöglicht wird,

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Master-Thesis Livia Knecht

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besteht gemäss Einschätzung der Autorin noch viel Handlungsbedarf. Sozialarbeitende haben

dennoch heute in allen Aufgabenbereichen mit Migranten und Migrantinnen zu tun, da diese

nicht nur in spezialisierten Migrations- oder Integrationsfachstellen sondern auch in allen Re-

geldiensten der Sozialen Arbeit zum Klientel dazu gehören (vgl. Cyrus und Treichler, 2004, S.

16-19). Die Auswirkungen von Einwanderung und damit einhergehenden möglichen sozialen

Problemen treten auf kommunaler Ebene als Erstes in Erscheinung. Daher sind auch Konzepte

und Programme auf kommunaler Ebene von grosser Bedeutung für die Steuerung und Gestal-

tung der Integrationspolitik (vgl. Cyrus und Treichler, 2004, S. 25-26). Trotz der grossen Bedeu-

tung von solchen Konzepten, bedarf es aber auch einer umfassenden Sozialpolitik, welche die

verbesserte Teilhabe von benachteiligten Gruppen am Bildungssystem sowie am Arbeits- und

Wohnungsmarkt ermöglicht, und gerade hier sind wiederum Sozialarbeitende stark gefordert

sich dafür vermehrt einzusetzen (vgl. Krummacher 2004; S. 281).

In den untersuchten Projekten hatte keine der interviewten Projektleiterinnen eine Ausbildung in

der Sozialen Arbeit. Mehrheitlich waren es zwar Personen mit einer Ausbildung auf tertiärer

Stufe, jedoch nicht im Bereich Soziale Arbeit, oder aber sie haben bereits Erfahrungen im Be-

reich Migration und Integration durch ihre früheren Tätigkeiten gesammelt. Das Konzeptualisie-

ren solcher Projekte sowie auch die Umsetzung sind jedoch gemäss Einschätzung der Autorin

Handlungsbereiche, welche für Sozialarbeitende und gerade für Sozialarbeitende mit Master-

abschluss geeignet. Auch für die Erarbeitung von kantonalen Konzepten oder Programmen, wie

das KIP, sind Sozialarbeitende mit Masterabschluss und Erfahrung im Bereich Integration und

Migration besonders gut geeignet, da sie das notwendige Fach- und Methodenwissen für kon-

zeptuelle, planerische und forschende Arbeiten mitbringen (vgl. Master in Sozialer Arbeit, 2013,

o.S.).

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Master-Thesis Livia Knecht

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Master-Thesis Livia Knecht

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ANHANGVERZEICHNIS

Anhang 1: Rechtliche Grundlagen

Anhang 2: Leitfaden

Anhang 3: Regeln für Transkription

Anhang 4: Kategoriensystem

Anhang 5: Schlüsselpersonen im Aktionsplan des KIPs

Anhang 6: Erklärung eigenständige Erarbeitung der Master-Thesis

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Anhang 1: Rechtliche Grundlagen

142.20

Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (Ausländergesetz, AuG)

vom 16. Dezember 2005 (Stand am 1. Januar 2014)

2. Kapitel: Grundsätze der Zulassung und der Integration

Art. 4 Integration

1 Ziel der Integration ist das Zusammenleben der einheimischen und ausländischen Wohnbevölkerung

auf der Grundlage der Werte der Bundesverfassung und gegenseitiger Achtung und Toleranz.

2 Die Integration soll längerfristig und rechtmässig anwesenden Ausländerinnen und Ausländern ermögli-

chen, am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Gesellschaft teilzuhaben.

3 Die Integration setzt sowohl den entsprechenden Willen der Ausländerinnen und Ausländer als auch die

Offenheit der schweizerischen Bevölkerung voraus.

4 Es ist erforderlich, dass sich Ausländerinnen und Ausländer mit den gesellschaftlichen Verhältnissen

und Lebensbedingungen in der Schweiz auseinandersetzen und insbesondere eine Landessprache er-

lernen.

142.205

Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern (VIntA)

vom 24. Oktober 2007 (Stand am 1. Januar 2014)

1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen

Art. 2 Grundsätze und Ziele

(Art. 4 und 53 AuG)

1 Ziel der Integration ist die chancengleiche Teilhabe der Ausländerinnen und Ausländer an der schweize-

rischen Gesellschaft.

2 Die Integration ist eine Querschnittaufgabe, welche die eidgenössischen, kantonalen und kommunalen

Behörden zusammen mit den nichtstaatlichen Organisationen, einschliesslich der Sozialpartner und der

Ausländerorganisationen, wahrzunehmen haben.

3 Sie hat in erster Linie über die Regelstrukturen zu erfolgen, namentlich über die Schule, die Berufsbil-

dung, die Arbeitswelt sowie die Institutionen der sozialen Sicherheit und des Gesundheitswesens. Den

besonderen Anliegen von Frauen, Kindern und Jugendlichen ist Rechnung zu tragen. Spezifische Mass-

nahmen für Ausländerinnen und Ausländer sind nur im Sinne einer ergänzenden Unterstützung anzubie-

ten.

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2. Kapitel: Beitrag und Pflichten der Ausländerinnen und Ausländer

Art. 4 Beitrag der Ausländerinnen und Ausländer zur Integration

(Art. 4 AuG)

Der Beitrag der Ausländerinnen und Ausländer zu ihrer Integration zeigt sich namentlich:

a. in der Respektierung der rechtsstaatlichen Ordnung und der Werte der Bundesverfassung;

b. im Erlernen der am Wohnort gesprochenen Landessprache;

c. in der Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen in der Schweiz;

d. im Willen zur Teilnahme am Wirtschaftsleben und zum Erwerb von Bildung.

Quelle: Schweizerische Eidgenossenschaft, Landesrecht (2014)

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Anhang 2: Leitfaden

Einführung

Bedanken für Bereitschaft und Zeit, Klären des Zeitrahmens

Nochmals kurze Vorstellung Person (Sozialarbeiterin und Masterstudentin Soziale Arbeit) und Masterthesis (Thema: Schlüsselpersonen in der

kommunalen Integrationspolitik)

Information und Einverständnis: Aufnahme des Interviews (für Auswertung), Löschung und vertrauliche Behandlung der Daten; Information,

dass Notizen gemacht werden

AUFNAHMEGERÄT EINSCHALTEN

Kurz Erhebungssituation erläutern: Ich werde Ihnen nun Fragen stellen und Sie sollen nachher möglichst viel erzählen. Dies wird vielleicht

komisch sein, da ich mich zurückhalte, aber es ist so, dass mich ihre persönliche Sichtweise interessiert und Sie daher möglichst viel von sich

aus sagen und ich Ihnen zuhören werde. Ich beginne nun mit meiner ersten Frage.

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Interviewfragen

Erzählaufforderung Check/Konkrete Fragen

Erzählen Sie mir von der Arbeit einer Schlüsselperson. Wie sieht die Arbeit von Schlüs-

selpersonen aus, was machen sie und wann und wofür werden sie eingesetzt? Erzäh-

len Sie mir ruhig alles, was für Sie dazugehört, damit ich mir eine Bild über die Tätigkeit

von Schlüsselpersonen machen kann.

Handlungsbereiche

Aufgaben/Tätigkeiten

Einsatzbereich-/ort Zielgruppe

Herausforderungen

Wirkung/Nutzen Möglichkeiten und Grenzen

Weiterführende Frage:

Welche Akteure/Institutionen nehmen die Dienstleis-

tung von Schlüsselpersonen in Anspruch?

Welche Kenntnisse oder Fähigkeiten braucht eine Schlüsselperson für diese Tätigkeit? Kompetenzen/Eignung

Häufig sind in diesem Tätigkeitsbereich auch interkulturelle Übersetzer oder interkultu-

relle Vermittler engagiert - also ausgebildete Fachpersonen, welche in Gesprächen zwi-

schen Migranten und Schweizern übersetzen und vermitteln. Was sind Ihrer Meinung

nach die Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zwischen Schlüsselpersonen und

Interkulturellen Übersetzer/Vermittler?

Definition

Weiterführende Frage:

Wie würden Sie einer Person, welche noch nie etwas

von Schlüsselpersonen gehört hat, erklären, was eine

Schlüsselperson ist?

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Welche Rahmenbedingungen braucht es, damit Schlüsselpersonen tätig sein können? Voraussetzungen/Rahmenbedingung

Organisation, Koordination, Steuerung

regionale Koordination/kantonale Vernetzung

Weitere Akteure (Gemeinde)

Schulung, Unterstützung, Begleitung

Weiterführende Fragen:

Wie soll der Einsatz von Schlüsselpersonen honoriert

werden?

Was sind Ihrer Meinung nach Merkmale von gut funk-

tionierenden Netzwerken von Schlüsselpersonen?

Welche Anforderungen stellen sich an eine Gemeinde (Politik), damit ein Netzwerk von

Schlüsselpersonen funktionieren kann?

Integration/Integrationspolitik

Qualitätsansprüche/-sicherung

Aufbau von Netzwerken

Zugang zu Schlüsselpersonen

Öffentlichkeits/ -Sensibilisierungsarbeit

Finanzieller Aufwand

Was sind Ihrer Meinung nach Chancen von einem Einsatz von Schlüsselpersonen, wo

sehen Sie aber auch Grenzen?

Integrative Wirkung

Wie schätzen sie die Rolle von Schlüsselpersonen in der Integration von Migran-

ten/Migrantinnen ein? Inwiefern kann die Integration von Migranten und Migrantinnen

durch den Einsatz von Schlüsselpersonen gefördert werden?

Integrative Wirkung

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Master-Thesis Livia Knecht

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Wo gibt es Ihrer Meinung nach noch Handlungsbedarf bei der Arbeit von Schlüsselper-

sonen und was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Zukunftsperspektive

Lücken

Entwicklungspotential

Offene Fragen

Herausforderungen

Weiterführende Frage:

Mit welchen gezielten Massnahmen können Netzwer-

ke von Schlüsselpersonen gefördert werden?

Ich bin nun mit meinen Fragen zu Ende. Gibt es etwas, was Sie noch ergänzen möch-

ten? Wurde etwas, was Ihnen wichtig erscheint, noch nicht angesprochen?

-

Abschluss

Ende Interview und Gerät ausschalten

Dank und Feedback

Bereitschaft für Nachfragen klären

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88

Anhang 3: Regeln für Transkription

Transkriptionsregeln nach S. Kobi, Unterrichtsmaterialien zum Basismodul FOM

Hinweise Bitte übersetzen Sie das Schweizerdeutsche ins

Hochdeutsche. Versuchen Sie dabei aber, möglichst

nahe am Text zu bleiben (Satzumstellungen nur

dann, wenn zum Verständnis unbedingt nötig)

Bitte anonymisieren Sie die Transkription

(Verwendung von Pseudonymen bzw.

Anfangsbuchstaben von Namen)

„Mhms“ und „ähms“ müssen nicht transkribiert

werden, wenn es nicht inhaltstragende Äusserungen

sind

I: = Interviewerin/ Interviewer

IP: = Interviewpartnerin/ Interviewpartner

< > Ausdrücke, die in Mundart bzw. der entsprechenden

Sprache belassen wurden.

…. Nicht zu Ende geführter Satz.

/…

…/

Satz wird von der Sprecherin/dem Sprecher nicht zu En-

de geführt (/…), da die Gesprächspartnerin mit einer ei-

genen Sprechsequenz (…/) beginnt.

(lacht) Charakterisierung besonders auffälliger nonverbaler Vor-

gänge (lachen, weinen etc.).

Betonungen Betonte Worte unterstreichen

[Wort] Eingefügtes Wort zur besseren Verständlichkeit der Aus-

sage.

[Unterbruch: Angabe Grund] Unterbruch mit Angabe des Grundes: Tonband-Ende,

Störungen etc.

[Unverständliche Stelle: ungefäh-

re Anzahl Worte; „vermuteter

Wortlaut“]

Unverständliche Stellen. Wenn möglich, vermuteten

Wortlaut einsetzen.

[Anmerkung: ....] Ergänzende Bemerkungen zur besseren Verständlichkeit

der Interviewstelle.

(Pause: Anzahl Sekunden) Bezeichnung von Pausen. Nur wenn deutlich hörbar.

Beispiel: I: Könnten Sie mir sagen, wie Sie aufgewachsen sind?

IP: Ich bin an einem kleinen Ort an der südspanischen

Küste aufgewachsen. Im Alter von fünf Jahren /....

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Master-Thesis Livia Knecht

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Anhang 4: Kategoriensystem

Hauptkategorien Subkategorien Definition

1. Voraussetzungen

Was braucht es an Rahmenbedingungen

bzw. welche Voraussetzungen müssen

es erfüllt sein, damit Netzwerke mit

Schlüsselpersonen funktionieren?

1.1. Merkmale eines

Projekts

Welche Aspekte in Bezug auf das Pro-

jektmanagement, die Projektorganisation,

Aufbau und die Prozesse / Abläufe zei-

gen sich bei den untersuchten Projekten?

1.2. Anforderung an die

Politik

Welche Anforderungen stellen sich an die

Politik, damit Netzwerke von Schlüssel-

personen aufgebaut werden und funktio-

nieren können?

1.3. Vernetzung und

Sensibilisierung

Mit welchen Institutionen vernetzen

/kooperieren die Projekte und wie können

Kooperationspartner, aber auch weitere

Akteure und die Öffentlichkeit auf die

Thematik sensibilisiert werden, insbe-

sondere mit Bezug auf eine erhöhte Nut-

zung des Angebots?

1.4. Ansatz/Leitlinie Welche Leitlinien/Ansätze liegen den

Projekten zugrunde?

1.5. Akteure

Welche verschiedene Akteure arbeiten

intern im Projekt mit, welches sind ihre

Rollen und Aufgaben und wie können

Schlüsselpersonen auch akquiriert wer-

den?

1.6. Bedarf und Ziel-

gruppen (-erreichung)

Was ist der Bedarf und welche Zielgrup-

pe möchte man mit den Massnahmen

erreichen und wie sind die Massnahmen

auszugestalten, um die Zielgruppe zu

erreichen?

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Hauptkategorien Subkategorien Definition

2. Handlungsbereiche

Wo, wann, warum und für welche Tätig-

keiten werden Schlüsselpersonen einge-

setzt?

2.1. Anlass/Grund für

Einsätze

Warum/aus welchem Grund setzt man

Schlüsselpersonen ein?

2.2. Einsatzorte In welchen Bereichen und wofür werden

Schlüsselpersonen eingesetzt?

2.3. Tätigkeit von

Schlüsselpersonen

Welche Tätigkeiten/Aufgaben führen

Schlüsselpersonen aus und inwiefern

werden diese Tätigkeiten auch differen-

ziert?

3. Kompetenzen

Wie sieht das Profil einer Schlüsselper-

son aus, welche Personen sind in diesem

Bereich tätig, welche Kompetenzen be-

nötigen sie dafür und aufgrund welcher

Eigenschaften ist man vielleicht auch

weniger geeignet für diese Tätigkeit?

3.1. Fach- und Metho-

denkompetenzen

Welches Fach- und Methodenwissen

benötigen Schlüsselpersonen für ihre

Tätigkeit?

3.2. Sozial- und Selbst-

kompetenzen

Welche Sozial- und Selbstkompetenzen

sind Voraussetzungen für die Tätigkeit

von Schlüsselpersonen?

3.3. Interkulturelle Kom-

petenzen

Inwiefern sind Personen für die interkultu-

relle Tätigkeit geeignet?

3.4. Eigene Erfahrungen Welche eigenen Erfahrungen befähigen

zur Tätigkeit als Schlüsselperson?

3.5. Keine Eignung

Aufgrund von welchen Merkmalen kön-

nen Personen für die Tätigkeit als

Schlüsselperson nicht geeignet sein?

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Hauptkategorien Subkategorien Definition

4. Begriffserklärung

Was sind Schlüsselpersonen bzw. was

stellt man sich unter Schlüsselpersonen

vor, wie ist der Begriff an sich zu verste-

hen und wie können Schlüsselpersonen

zu anderen Akteuren abgegrenzt wer-

den?

4.1. Wort-

wahl/Benennung

Wie steht man zur Begrifflichkeit Schlüs-

selperson?

4.2. Bedeutung/ Ver-

ständnis

Was versteht man unter einer Schlüssel-

person?

4.3. Abgrenzung zu an-

deren Begriffen

Wie kann der Begriff zu ähnlichen Begrif-

fen im gleichen Tätigkeitsgebiet abge-

grenzt werden?

5. Integrationspolitik

Welche Vorstellung von Integration ha-

ben die Akteure/Akteurinnen, wie veror-

ten sie die Tätigkeit in der Integrationspo-

litik bzw. welche politischen Rahmenbe-

dingungen braucht es und inwiefern kann

die Tätigkeit überhaupt integrativ wirken?

5.1. Politische Rahmen-

bedingungen

Welche politischen Rahmenbedingungen

sind notwendig für die Integrationsarbeit?

5.2. Verständnis Integra-

tion

Welche Vorstellung/welches Verständnis

von/über Integration herrscht vor?

5.3. Integrative Wirkung

der Tätigkeiten

Inwiefern wirken die Tätigkeiten der

Schlüsselpersonen integrativ (auch in

Bezug auf die Schlüsselpersonen

selbst)?

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Anhang 5: Schlüsselpersonen im Aktionsplan des KIPs

Mögliche Einsätze von Schlüsselpersonen im Aktionsplan des KIPs basierend auf DVI, MIKA (2013, S. 61-74)

Pfeiler Förderbereich Strategisches Ziel Teilziel Massnahmen

Information &

Beratung

Erstinformation & Integ-

rationsförderbedarf

Neuzugezogene fühlen sich

willkommen und sind informiert.

Migranten16 mit besonderen

Integrationsbedarf werden so

früh wie möglich geeigneten

Integrationsmassnahmen zu-

gewiesen.

Migranten werden auf kommu-

naler oder regionaler Ebene

zielgruppengerecht informiert.

Zielgruppengerechtes Informa-

tionsmaterial steht zur Verfü-

gung.

Pilotprojekte für Erstinformation

und Willkommenskultur

Erarbeiten einer Strategie zur

Erstinformation von Migranten.

Umsetzen von Erstinformati-

onsangeboten.

Aufbereitung von zielgruppen-

gerechtem Informations-

material.

Information &

Beratung

Beratung Migranten sind informiert und

beraten in Fragen des Sprach-

erwerbs, der Alltagsbewälti-

gung, beruflichen & sozialen

Integration.

Institutionen der Regelstruktu-

ren sind informiert, beraten und

begleitet beim Abbau von Integ-

rationshemmnissen, bei Pro-

zessen der transkulturellen Öff-

nung & bei der Bereitstellung

von zielgruppenspezifischen

Massnahmen.

Bevölkerung ist über Situation

von Ausländern und Prinzipien

der Integrationspolitik informiert.

Migranten und Institutionen der

Regelstrukturen, Gemeinden

und weitere Akteure erhalten

Informationen und Beratungen

sowie Begleitung bei den Fra-

gestellungen der Integration.

Erarbeiten einer Strategie zur

Information und Beratung von

Migranten, Fachstellen, Behör-

den sowie Vertretern der Ar-

beitswelt.

Umsetzung von Informations-

und Beratungsangeboten.

16

In der Tabelle wird der zur Vereinfachung der Lesbarkeit nur die männliche Form verwendet, gemeint sind jedoch beide Geschlechter.

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Bildung &

Arbeit

Frühe Förderung Migranten haben chancenge-

rechten Zugang zu Angeboten

der frühen Förderung.

Migranteneltern und deren Kin-

der haben Zugang zu familien-

ergänzenden und familienunter-

stützenden Angeboten und an-

deren Angeboten der frühen

Förderung

Pilotprojekte, welche an beste-

henden Strukturen anknüpfen

und neue Zugänge und Infor-

mationskanäle zu bildungsfer-

nen, sozioökonomisch schlecht

gestellten Migranteneltern er-

schliessen.

Im Rahmen der Elternbildung

Massnahmen entwickeln, um

Erziehungskompetenzen zu

stärken.

Bildung &

Arbeit

Bildung & Arbeitsmarkt-

fähigkeit

Förderangebot zur Verbesse-

rung der Arbeitsmarktfähigkeit

für Migranten, welche den Zu-

gang zu den Angeboten der

Regelstrukturen nicht finden.

Migranten sind über Bildungs-

system und Anforderungen der

Arbeitswelt informiert.

Informationsangebote ziel-

gruppenspezifisch weiterentwi-

ckeln und neue Zugänge und

Informationskanäle erschlies-

sen.

Bestehendes Informationsma-

terial anpassen und überset-

zen, Aktualisierung gewährleis-

ten.

Verständigung

und gesell-

schaftliche

Integration

Interkulturelles Über-

setzen

Migranten und Mitarbeitende

von Regelstrukturen verfügen in

besonderen Gesprächssituatio-

nen (komplexe Sachverhalte,

persönliche Themen) über ein

Vermittlungsangebot für qualita-

tiv hochwertige Dienstleistun-

gen im Bereich des interkultu-

rellen Übersetzens.

--* --*

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Verständigung

und gesell-

schaftliche

Integration

Soziale Integration Migranten nehmen am gesell-

schaftlichen Leben in der Nach-

barschaft, in der Gemeinde, im

Quartier, sowie in zivilgesell-

schaftlichen Organisationen teil.

** Es bestehen niederschwellige

Angebote für Begegnung und

Austausch zwischen einheimi-

scher und ausländischer Bevöl-

kerung in den Gemeinden, so-

wie Angebote zur Unterstützung

der aktiven Teilhabe am Ge-

meindeleben.

Die verschiedenen Angebote in

der Gemeinde/Region werden

von Migranten genutzt.

Initiativen und Projekte zur

Förderung der sozialen Integ-

ration und gesellschaftlichen

Partizipation fachlich und fi-

nanziell unterstützen.

Gemeinden unterstützen beim

Einsatz von Schlüsselperso-

nen, um den Zugang zu

schwer erreichbaren Migranten

zu verbessern.

* Im Förderbereich Interkulturelles Übersetzen werden Schlüsselpersonen nicht eingesetzt. Jedoch gilt es hier klare Abgrenzungen zu formulieren,

wie die beiden im gleichen Pfeiler erwähnten Akteure, voneinander unterschieden werden können und daher ist dieser Förderbereich auch in der

Tabelle aufgelistet.

** Schlüsselpersonen werden in diesem Förderbereich im zweiten Teilziel explizit benannt. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die Projekte oft

beide Teilziele, nämlich die Förderung von Austausch, Begegnung und Teilhabe am Gemeindeleben sowie der Zugang zu schwer erreichbaren

Migranten, verfolgen.

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Anhang 6: Erklärung eigenständige Erarbeitung der Master-Thesis

Persönliche Erklärung Einzelarbeit

Erklärung der Studierenden zur Master-Thesis-Arbeit

Studierende: Livia Knecht

Master-Thesis-Arbeit: Der Schlüssel zur Integration?

Schlüsselpersonen in der kommunalen Integrationspolitik

Abgabe: 10. Januar 2014

Fachbegleitung: Prof. Dr. Olaf Maass

Ich, obengenannte Studierende, habe die obengenannte Master-Thesis-Arbeit selbständig ver-

fasst.

Wo ich in der Master-Thesis-Arbeit aus Literatur oder Dokumenten zitiere, habe ich dies als

Zitat kenntlich gemacht. Wo ich von anderen Autoren oder Autorinnen verfassten Text referiere,

habe ich dies regelkonform angegeben.

Ort, Datum: Unterschrift:

Döttingen, 08. Januar 2014