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Schlussbericht der
Administrativuntersuchung
im Departement für Verteidigung,
Bevölkerungsschutz und Sport (VBS)
über die Beziehungen des
Nachrichtendienstes zu Südafrika
von Rainer J. Schweizer
Bern, 16. Dezember 2002
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS .........................................................................................................................................2
ÜBERSICHT....................................................................................................................................................... 4
I. KAPITEL: AUSGANGSLAGE UND AUFTRAG .................................................................................... 8
1. ABSCHNITT: DIE UNTERSUCHUNGEN VON 1997 UND 1999 ....................................................................... 8
2. ABSCHNITT: VORABKLÄRUNGEN DES VBS 2001 UND AUFTRAG ZUR
ADMINISTRATIVUNTERSUCHUNG............................................................................................................. 11
3. ABSCHNITT: RECHTLICHE GRUNDLAGEN DER UNTERSUCHUNG.............................................................. 18
4. ABSCHNITT: VORGEHENSWEISE .............................................................................................................. 20
5. ABSCHNITT: PARALLELE UNTERSUCHUNGEN.......................................................................................... 24
6. ABSCHNITT: ÖFFENTLICHE DISKUSSION DER UNTERSUCHUNGEN ........................................................... 26
II. KAPITEL: DIE NACHRICHTENDIENSTLICHE ZUSAMMENARBEIT DER SCHWEIZ
MIT SÜDAFRIKA ..................................................................................................................................... 29
1. ABSCHNITT: ZUR NACHRICHTENDIENSTLICHEN ZUSAMMENARBEIT MIT DEM AUSLAND......................... 29
2. ABSCHNITT: ÜBERBLICK ÜBER DIE BEZIEHUNGEN ZUM SÜDAFRIKANISCHEN PARTNERDIENST............... 30
3. ABSCHNITT: GAB ES EIN GEHEIMABKOMMEN ZWISCHEN DEN NACHRICHTENDIENSTEN VON
SÜDAFRIKA UND DER SCHWEIZ?.............................................................................................................. 31
4. ABSCHNITT: INFORMATION DER VORGESETZTEN STELLEN ÜBER DIE KONTAKTE MIT DEN
SÜDAFRIKANISCHEN NACHRICHTENDIENSTEN ........................................................................................ 35
5. ABSCHNITT: FACHLICHE UND POLITISCHE AUFFASSUNGEN DES ND ....................................................... 38
6. ABSCHNITT: FACHLICHE ERTRÄGE.......................................................................................................... 46
7. ABSCHNITT: NACHRICHTENDIENSTLICHE ZUSAMMENARBEIT UNGEACHTET DER AUSRICHTUNG
DER LANDESPOLITIK? .............................................................................................................................. 52
8. ABSCHNITT: MAXIMEN UND VERFASSUNGSVORGABEN DER AUSSEN- UND SICHERHEITSPOLITIK .......... 56
9. ABSCHNITT: MAXIMEN UND VERFASSUNGSGRUNDSÄTZE FÜR DEN STRATEGISCHEN
AUSLANDSNACHRICHTENDIENST............................................................................................................. 60
10. ABSCHNITT: KRITISCHE VORKOMMNISSE................................................................................................ 62
11. ABSCHNITT: VERANTWORTLICHKEITEN ?................................................................................................ 68
III. KAPITEL: AKTENFÜHRUNG, ARCHIVIERUNG UND AKTENVERNICHTUNG....................... 69
1. ABSCHNITT: ÜBERBLICK ........................................................................................................................ 69
2. ABSCHNITT: VERHÄLTNISSE VON 1980-2000.......................................................................................... 71
3. ABSCHNITT: RECHTLICHE BEURTEILUNG ................................................................................................ 77
4. ABSCHNITT: EINSCHRÄNKUNGEN DER ALLGEMEINEN GRUNDSÄTZE DER AKTENFÜHRUNG UND
ARCHIVIERUNG FÜR DEN NACHRICHTENDIENST? .................................................................................... 82
2
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
5. ABSCHNITT: REORGANISATION ............................................................................................................... 84
6. ABSCHNITT: VERANTWORTLICHKEITEN? ................................................................................................ 84
IV. KAPITEL: DER PROZESS GEGEN DR. W. BASSON UND DIE HINWEISE AUF
DIVISIONÄR REGLI................................................................................................................................ 86
1. ABSCHNITT: BRIGADEGENERAL DR. WOUTER BASSON UND DAS PROJEKT „COAST“ DER
SÜDAFRIKANISCHEN STREITKRÄFTE ........................................................................................................ 86
2. ABSCHNITT: ERSTE ERMITTLUNGEN IN DER SCHWEIZ............................................................................. 92
3. ABSCHNITT: DIE UNTERSUCHUNGEN DER DELEGATION DER GESCHÄFTSPRÜFUNGSKOMMISSION
1999 UND DIE NOTWENDIGKEIT EINER NEUERLICHEN ÜBERPRÜFUNG..................................................... 93
4. ABSCHNITT: DIE EINSCHLÄGIGEN FESTSTELLUNGEN IM ERSTINSTANZLICHEN URTEIL ........................... 94
5. ABSCHNITT: ZUSAMMENFASSUNG DER RELEVANTEN AUSSAGEN DES URTEILS .................................... 106
6. ABSCHNITT: WIDERSPRÜCHLICHE AUSSAGEN WÄHREND DES PROZESSES ............................................ 107
7. ABSCHNITT: DIE AUFFASSUNG DES STAATSANWALTES NACH DEM URTEIL .......................................... 111
8. ABSCHNITT: ZWISCHENERGEBNIS BEZÜGLICH DES PROZESSES GEGEN DR. W. BASSON ....................... 112
V. KAPITEL: FESTSTELLUNGEN ZU DEN BEZIEHUNGEN VON DIVISIONÄR P. REGLI
ZU DR. W. BASSON, JÜRG JACOMET UND ANDEREN MITBETEILIGTEN PERSONEN..... 114
1. ABSCHNITT: ZUM VORGEHEN ............................................................................................................... 114
2. ABSCHNITT: BEZIEHUNGEN VON DIV REGLI ZU BRIGADEGENERAL DR. BASSON ................................. 115
3. ABSCHNITT: BEZIEHUNGEN ZU JÜRG JACOMET UND ANDEREN BETEILIGTEN PERSONEN....................... 129
4. ABSCHNITT: ZUSAMMENFASSUNG DER FESTSTELLUNGEN .................................................................... 132
VI. KAPITEL: EINZELFRAGEN ................................................................................................................ 137
1. ABSCHNITT: BESCHAFFUNG VON ZWEI SA-18 LENKWAFFEN................................................................ 137
2. ABSCHNITT: GASMASKEN-KAUF DURCH GENERAL NEETHLING UND DR. BASSON IN DER SCHWEIZ .... 138
3. ABSCHNITT: HINWEISE AUF ANDERE GESCHÄFTE?................................................................................ 138
4. ABSCHNITT: KONTAKTE ANDERER MILITÄRISCHER STELLEN MIT SÜDAFRIKA? .................................... 139
VII. KAPITEL: VERFAHRENSRECHTSFRAGEN ................................................................................... 140
1. ABSCHNITT: RECHTLICHE PROBLEME DER ADMINISTRATIVUNTERSUCHUNGEN ................................... 140
2. ABSCHNITT: RECHTLICHE PROBLEME DER KONTROLLE DURCH DIE
GESCHÄFTSPRÜFUNGSDELEGATION....................................................................................................... 142
VIII. KAPITEL: ZUSAMMENFASSUNG UND EMPFEHLUNGEN ........................................................ 144
1. ABSCHNITT: ZUSAMMENFASSUNG......................................................................................................... 144
2. ABSCHNITT: EMPFEHLUNGEN................................................................................................................ 149
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS..................................................................................................................... 152
3
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
ÜBERSICHT
Bundesrat Samuel Schmid, Vorsteher des Eidg. Departementes für Verteidigung,
Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), hat nach departementsinternen Vorabklärungen
vom Herbst 2001 im November 2001 eine Administrativuntersuchung gemäss Art. 25
Bundespersonalgesetz angeordnet, welche schwergewichtig die Beziehungen der
früheren Untergruppe Nachrichten und Abwehr (später Untergruppe Nachrichtendienst
und heute Strategischer Nachrichtendienst) zu Militärstellen in der Republik Südafrika
untersuchen sollte. Beauftragt wurde Prof. Dr. Rainer J. Schweizer, Ordinarius für
öffentliches Recht einschliesslich Europarecht und Völkerrecht an der Universität St.
Gallen und nebenamtlicher Präsident einer Eidg. Rekurskommission. Die Beziehungen
schweizerischer Militärstellen zu südafrikanischen Truppen waren in den 90er-Jahren
schon zweimal nachkontrolliert worden. Doch nachdem in dem 1999-2002 in Südafrika
in erster Instanz laufenden Strafprozess gegen den Ex-Brigadegeneral Dr. med. Wouter
Basson, den Leiter des geheimen B- und C-Waffenprogramms der südafrikanischen
Streitkräfte, punktuell Vorwürfe gegen einzelne Militärpersonen der Schweiz erhoben
wurden, ergab sich die Notwendigkeit einer neuen, unabhängigen und sorgfältigen
Überprüfung. Die am 25. Februar 2002 mit einem detaillierten Auftrag versehene
Administrativuntersuchung kann nach umfangreichen Recherchen mit dem vorliegenden
Bericht wesentliche Ergebnisse vorlegen. Die Administrativuntersuchung erfolgte
getrennt von den neuerlichen Untersuchungen durch die Delegation der
Geschäftsprüfungskommission (GPDel) sowie dem von der Bundesanwaltschaft seit
1999 unternommenen Ermittlungsverfahren; deren Resultate bleiben offen.
Der Nachrichtendienst im EMD hatte 1977 erste Kontakte mit dem militärischen
Nachrichtendienst der südafrikanischen Streitkräfte. Ständige Kontakte setzten 1980 ein
und wurden weitgehend unverändert bis Ende der 90er-Jahre aufrecht erhalten. Das
fachtechnische Interesse an Kontakten mit dem südafrikanischen Partnerdienst war,
solange im südlichen Afrika, vor allem in Angola, Krieg zwischen sowjetisch
unterstützten Aufständischen und den von Südafrika geförderten anderen Gruppen –
also geradezu eine Ost-West-Konfrontation herrschte, verständlich. 1989 gelang es aber
4
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
dank internationalen Anstrengungen, einen Frieden herzustellen. Danach war in
fachtechnischer Sicht von Südafrika aus gesehen namentlich in Rüstungsfragen noch
eine Zusammenarbeit wichtig. Für die Schweiz wurde aber das vorrangige
Fachinteresse deutlich geringer. Aufgrund der politischen Haltung der Bundesbehörden
gegenüber dem südafrikanischen Apartheidregime und aufgrund der
Verfassungsmaximen schweizerischer Aussen- und Sicherheitspolitik war nun aber die
jahrelange, seit Ende der 70er Jahre gepflegte Zusammenarbeit mit den
Südafrikanische Nachrichtendiensten sehr problematisch. Präsident F. W. de Klerk
leitete 1989 zwar den politischen Wandel ein: 1991 wurden mindestens die
Apartheidgesetze aufgehoben, doch erst 1994 fand Südafrika zur Demokratie. Die
jetzige, nochmalige Untersuchung der Fachbeziehungen zeigte, dass eine enge
Kooperation fast unvermeidlich zu gewissen politisch heiklen Situationen und sogar
ausnahmesweise zu gewissen Neutralitätsverletzungen führte.
5
Auftragsgemäss wurde in der Administrativuntersuchung auch die Aktenführung,
Registrierung und Archivierung im Nachrichtendienst des EMD bzw. VBS untersucht.
Diese Amtsaufgaben waren jahrzehntelang dominiert von den besonderen
Geheimhaltungsinteressen des Nachrichtendienstes. Dadurch gab es z.B. keine
systematische Erfassung von allem wichtigen Schriftgut. Immerhin wurde seit Anfang
der 80er-Jahre konsequent eine Mikroverfilmung von grossen Teilen der Ein- und
Ausgänge durchgeführt. Aber namentlich von den Chef-Korrespondenzen gab es
keinerlei Registrierung. Trotz der allgemeinen Archivierungspflichten der
Bundesverwaltung erfolgte auch keine systematische Abgabe von
archivierungswürdigen Akten an das Archiv des EMD bzw. VBS oder an das
Bundesarchiv. Zwischen 1992 und 1997 wurden sogar die meisten Kontaktprotokolle mit
Partnerdiensten, die älter als 5 Jahre waren, aus Platzgründen beseitigt. Ab 1997/98
setzte eine intensive Diskussion des Dienstes mit den zuständigen Bundesstellen in der
Frage der Archivierung ein. Dessen ungeachtet sind sehr wahrscheinlich noch
1999/2000 gewisse Akten vernichtet worden. Heute hat der Nachrichtendienst aber eine
nach modernen Grundsätzen geführte Registratur aufgebaut, und er arbeitet eng mit
dem Bundesarchiv an einer systematischen Archivierung der Aktenbestände, unter
Berücksichtigung des Quellenschutzes.
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Die Administrativuntersuchung hat neben diesen beiden Hauptfragen noch einige
spezielle Fragestellungen geprüft. Da in dem erwähnten Prozess gegen Dr. W. Basson
unter 67 Anklagepunkten auch 2 Punkte Geschäfte des Dr. Basson mit dem Schweizer
Geschäftsmann J. Jacomet betrafen und da bezüglich dieser Geschäfte im Prozess
auch Bezüge zu Divisionär P. Regli, dem Leiter der Untergruppe Nachrichten von 1990-
2000, hergestellt wurden, war es notwendig, sich mit diesem Prozess
auseinanderzusetzen. Im Bericht werden erstmals aus Afrikaans übersetzt Teile der
Urteilstexte sowie Auszüge aus den öffentlichen Verhandlungen publiziert, soweit sie
irgendeinen Bezug zu Div Regli und dem SND haben. Jedenfalls in diesen beiden
Anklagepunkten erscheint das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, sondern in
Revision gezogen werden soll, sehr widersprüchlich. Die von Dr. Basson behauptete
und vom Einzelrichter angenommene Mitwirkung von Div Regli an einem Geschäft des
Dr. Basson ist in keiner Weise glaubhaft. Die Administrativuntersuchung hat daneben
allerdings die Beziehungen von Dr. Basson und J. Jacomet mit Div Regli nochmals
überprüft und diverse Einzelheiten zu Tage gefördert. Danach gab es doch mehrere
direkte oder telefonische Kontakte zwischen ca. 1987 und 1994. Ebenso muss von
gewissen Kenntnissen von Div Regli über die Aktivitäten des Dr. Basson in der Schweiz
spätestens ab 1993 und 1994 ausgegangen werden. Angesichts der schweren Kriegs-
und Menschenrechtsverbrechen, deren Dr. Basson und andere Exponenten des
Apartheidregimes beschuldigt werden, wären mit den ersten vagen Kenntnissen die
Kontakte zu überprüfen gewesen.
Im Weitern spricht der Untersuchungsbericht noch Einzelfragen wie z.B. den Kauf von
zwei SA-18 Rakete an, die heute als erledigt abgelegt werden können.
6
Die Administrativuntersuchung ist durch das neue Bundespersonalgesetz heute ein
gesetzlich begründetes und dem öffentlichen Verfahrensrecht verpflichtetes justizielles
Untersuchungsverfahren. Es hat sich im vorliegenden Fall als taugliches Instrument für
die Dienstaufsicht des Bundesrates erwiesen. Doch aus den Erfahrungen der
Administrativuntersuchung in einem schwierigen Bereich und aus den Konflikten mit der
GPDel ergibt sich, dass die rechtlichen Grundlagen beider Kontrollverfahren im Sinne
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtssicherheit verbessert werden müssen. Dazu
enthält der Bericht einige Vorschläge.
Ein Fazit der vorliegenden Administrativuntersuchung ist, dass jedenfalls innerhalb des
VBS die wesentlichen Fragen ausgeleuchtet und alle noch verfügbaren Dokumente und
Zeugnisse beurteilt worden sind.
Konzept und Richtung der 2001 unternommenen Reformschritte beim Strategischen
Nachrichtendienst werden durch die Administrativuntersuchung bestätigt. Ob allenfalls
und welche persönlichen Verantwortlichkeiten einzelner Personen sich aus früheren
Vorkommnissen ergeben, kann sachgerecht weder in der Administrativuntersuchung
und kaum im Verfahren der parlamentarischen Geschäftsprüfung, sondern nur in den
dafür vorgesehenen Justizverfahren beurteilt werden.
7
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
I. KAPITEL: AUSGANGSLAGE UND AUFTRAG
1. Abschnitt: Die Untersuchungen von 1997 und 1999
1.1 Die Beziehungen des Strategischen Nachrichtendienstes zu Südafrika waren
schon mehrfach Gegenstand von Verwaltungskontrollen:
1.1.1 Die Delegation der Geschäftsprüfungskommissionen der Eidg. Räte (GPDel) ist 1997 Gerüchten über angebliche Kontakte des Schweizer Nachrichtendienstes
mit Südafrika beim Kauf chemischer Waffen durch dieses Land nachgegangen.
Sie hat darüber am 11. November 1997 die Öffentlichkeit dahingehend informiert,
dass „die glaubwürdigen Auskünfte zeigten, dass solche Verdächtigungen
unbegründet sind. Die Delegation sieht daher im gegenwärtigen Zeitpunkt keinen
Handlungsbedarf der parlamentarischen Oberaufsicht“ (Bundesblatt [BBl] 2000,
S. 565).
1.1.2 Anfangs 1999 wurde das Thema wiederum aufgegriffen und zwar aufgrund der
Informationen aus den Verhandlungen der Südafrikanischen Wahrheitsfindungs-
und Versöhnungskommission von 1997/98, aufgrund der Strafuntersuchung
gegen den früheren südafrikanischen Brigadegeneral Dr. Wouter Basson sowie
wegen der Ereignisse um den Schweizer Journalisten Jean-Philippe Ceppi im
März 1999, der bei seinen Recherchen in Südafrika dort zeitweise inhaftiert
worden war (vgl. die Interpellationen Gentil vom 17. März 1999 betr. militärische
Informationen mit Südafrika [99.3097], Ziegler vom 19. März 1999 betr.
Völkermord in Südafrika [99.3130] und Hollenstein betr. Pilotenaustausch mit
Südafrika [99.3176]).
Der Vorsteher des VBS, Bundesrat A. Ogi, hatte am 12. Januar 1999 eine
interne Aufarbeitung der Beziehungen des schweizerischen
Nachrichtendienstes zu Südafrika sowie zu 3 anderen Ländern angeordnet. Am
12. Juni 1999 legte der damalige Chef der Untergruppe Nachrichten (UG ND),
8
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Divisionär Peter Regli, dem Departementschef 3 Teilberichte vor, einen über die
Kontakte des Nachrichtendienstes mit ausländischen Partnern im allgemeinen,
einen über diejenigen mit den Partnerdiensten der South African Defense Forces
sowie einen dritten über die Kontakte, Besuche und Fachgespräche der beiden
Nachrichtendienste (alle verfasst von F. Schreier, Chef Strategischer
Nachrichtendienst).
1.1.3 Namentlich nach den Vorkommnissen um Jean-Philippe Ceppi und seiner
Berichterstattung entschloss sich die GPDel, die Beziehung des schweizerischen
Nachrichtendienstes zu Südafrika einer neuerlichen und näheren
Untersuchung zu unterziehen. Gegenstand dieser Abklärungen von 1999
bildeten die Kontakte der Gruppe für Rüstung einerseits und der Untergruppe
Nachrichten zu den Geheimdiensten der Südafrikanischen Streitkräfte
andererseits. Von Interesse war dabei insbesondere die Frage, ob
schweizerische Militärbehörden am Aufbau eines biologischen und chemischen
Waffenprogramms des Apartheid-Regimes in Südafrika beteiligt gewesen waren.
Mit ihrem Bericht vom 12. November 1999 stellte die GPDel ihre
Untersuchungsergebnisse den Räten, dem Bundesrat und der Öffentlichkeit vor.
Sie hat dabei folgende Würdigung der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit
zwischen der Schweiz und Südafrika vorgenommen:
„1. Die GPDel ist auf Grund von intensiven Abklärungen zur Auffassung
gelangt, dass der schweizerische Nachrichtendienst zur Zeit des Kalten
Krieges mit Recht das beachtliche Informationspotential genutzt hat,
welches sich durch die Kontakte mit den südafrikanischen Diensten an einer
wichtigen weltpolitischen Front angeboten hatte. Hinweise dafür, dass die
Informationsbeschaffung mit illegalen Mitteln erfolgte oder gegen
bestehende Weisungen verstiess, liegen keine vor.
9
Der in den Medien erhobene Vorwurf, der Nachrichtendienst und
insbesondere dessen Chef, Divisionär Peter Regli, habe sich am Aufbau
des geheimen chemisch-biologischen Waffenprojekts von Südafrika
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
beteiligt, hat sich auf Grund der Abklärungen der GPDel als haltlos
erwiesen. Die Unterstellungen, Divisionär Peter Regli sei Mitwisser oder gar
Förderer dieses Waffenprojekts gewesen, entbehren jeglicher Grundlage.
Eben so wenig trifft es zu, dass der Chef der Untergruppe Nachrichtendienst
mit dem Leiter des südafrikanischen Geheimprojekts Kontakte ‚gepflegt’
habe; nachweisbar ist lediglich ein von Jürg Jacomet organisierter Besuch
im Büro von Divisionär Regli im Bundeshaus.
Als unbefriedigend empfindet die GPDel indessen die Tatsache, dass der
Nachrichtendienst in einer gefahrvollen Zeitperiode an einer sensiblen
Informationsfront ohne Direktiven und ohne nennenswerte Führung der
politisch verantwortlichen Behörden tätig sein konnte.
Problematisch erscheint der GPDel auch die Rolle von Jürg Jacomet. Dieser
konnte sich offensichtlich während Jahren ungehindert als Mitarbeiter des
Nachrichtendienstes ausgeben. In diesem Zusammenhang kann dem Chef
der Untergruppe Nachrichtendienst der Vorwurf nicht erspart bleiben, zu
wenig Gewicht auf die Auswahl, Instruktion und Beaufsichtigung des
informellen Mitarbeiters gelegt, allzu leichtgläubig auf ihn vertraut und das
Doppelspiel von Jürg Jacomet nicht durchschaut zu haben.
2. Das AC Laboratorium Spiez hat sich gegenüber den Versuchen
südafrikanischer Kreise, an schweizerische Forschungsergebnisse zu
gelangen, sehr zurückhaltend, ja geradezu vorbildlich verhalten. Von einer
aktiven oder auch nur passiven Beteiligung der international sehr
anerkannten Fachstelle an einem geheimen Waffenprojekt Südafrikas kann
keine Rede sein. Im Gegenteil: Die Bestrebungen des AC Laboratoriums
galten und gelten nachweislich dem Schutz der Bevölkerung vor den
Gefahren derartiger Waffen und nicht deren Förderung.“ (BBl 2000,
S. 582/3).
10
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
2. Abschnitt: Vorabklärungen des VBS 2001 und Auftrag zur Administrativuntersuchung
2.1 Nachdem im Laufe des Strafverfahrens gegen Dr. Wouter Basson, dem Chef des
ehemaligen geheimen südafrikanischen Projekts zur Entwicklung biologischer
und chemischer Waffen der 80er und 90er Jahre, neue Anschuldigungen und
Mutmassungen betreffend eine Beteiligung des Schweizerischen
Nachrichtendienstes und insbesondere von Divisionär Regli persönlich
vorgebracht worden sind, und nachdem diese Anschuldigungen und Vorwürfe
des Dr. W. Basson in den Gerichtsverhandlungen von Sommer und Herbst 2001
in den internationalen und in den schweizerischen Medien ein gewisses Echo
gefunden hatten, hat der Vorsteher des VBS, Bundesrat S. Schmid, eine
neuerliche Überprüfung angeordnet. Dabei galt es auch der Frage
nachzugehen, inwieweit Aktenmaterial des Nachrichtendienstes, namentlich über
die Kontakte zwischen der Schweiz und Südafrika, noch vorhanden ist und
inwieweit in den letzten Jahren zulässiger- oder unzulässigerweise Akten und
Archivmaterial des Nachrichtendienstes allenfalls vernichtet worden ist. In einer
internen Vorabklärung des Generalsekretariates VBS wurden 13 frühere oder
jetzige Chefbeamte schriftlich befragt sowie Kontaktprotokolle, Korrespondenzen
und weiteres Material einer ersten Überprüfung unterzogen. Der schon am 31.
Oktober 2001 dem Departementsvorsteher vorgelegte Bericht des
Generalsekretärs VBS über die Vorabklärung zu den Kontakten des Schweizer
Nachrichtendienstes mit Südafrika und zu den Problemen der Archivierung oder
Vernichtung von Akten dieses Dienstes hat ergeben, dass die internen
Vorabklärungsarbeiten keine Anhaltspunkte finden liessen, welche die im
südafrikanischen Prozess behauptete Mithilfe des Schweizerischen
Nachrichtendienstes oder von dessen ehemaligen Chef, Div P. Regli, beim
Aufbau eines geheimen chemisch-biologischen Waffenprojektes in Südafrika
stützen oder bestätigen würden. Zweifel aber ergaben sich bezüglich der
rechtmässigen Aktenführung im Nachrichtendienst. Namentlich zeigte die
Vorabklärung, dass erstens wichtige Unterlagen des Nachrichtendienstes etwa in
der Zeit von 1992 – 1997 vernichtet worden sind, dass zweitens der
11
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Nachrichtendienst in den 50 Jahren seines Bestehens nur in völlig
unbedeutendem Umfange Akten an die zuständigen Archivstellen des Bundes
(Armeearchiv oder Bundesarchiv) übergeben hatte und dass drittens die
Registrierung und Archivierung im SND und seinen Einheiten dringend einer
grundsätzlichen Neuordnung bedürften. Juan F. Gut, Generalsekretär VBS und Leiter der Vorabklärung, sowie seine Mitarbeiter empfahlen dem
Departementsvorsteher:
„Im Falle vertiefter Abklärung (inklusive Untersuchungen im Ausland) bestimmter Fragestellungen rund um die bereits mehrfach erwähnten Mutmassungen oder im Archivierungsbereich drängt sich die Einleitung einer Administrativuntersuchung auf.“
„Für die Ahndung allfälliger Widerhandlungen gegen Archivierungsvorschriften wären bezüglich bestimmten ehemaligen Verantwortungsträgern im Nachrichtendienst, die heute noch im Bundesdienst stehen, Disziplinarverfahren, nach Zusatzabklärungen eventuell sogar Strafuntersuchungen, zu eröffnen.“
2.2 Bundesrat S. Schmid, Vorsteher VBS, beschloss entsprechend diesen
Empfehlungen im November 2001, eine Administrativuntersuchung
durchzuführen. Er setzte dafür den Unterzeichnenden ein und orientierte Medien
und Öffentlichkeit entsprechend.
2.2.1 In seiner Verfügung vom 25. Februar 2002 hat der Chef VBS (C VBS) dem
Beauftragten folgende Fragestellungen zur Untersuchung vorgegeben:
"A) betreffend „Beziehungen des schweizerischen Nachrichtendienstes zu Südafrika
in den letzten 20 Jahren“
Welche Kontakte/Beziehungen pflegte der schweizerische militärische
Nachrichtendienst zu Südafrika (nicht nur zum nachrichtendienstlichen
Partnerdienst)?
Ergeben diese Recherchen irgendwelche Anhaltspunkte hinsichtlich
12
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
a) der in den Medien in letzter Vergangenheit bekannt gewordenen Vorwürfe
bzw. Mutmassungen
b) ähnlich gelagerter schwerer Anschuldigungen gegenüber dem
schweizerischen militärischen Nachrichtendienst oder dessen ehemaliger oder
aktueller Verantwortungsträger im Nachrichtendienst?
Wie umfassend oder lückenhaft ist diese Beziehung dokumentiert?
Je nach diesbezüglichen Erkenntnissen: was sind die Konsequenzen für die
Kontakt-/Beziehungsdarstellung?
Unterscheidet sich diese noch vorhandene Dokumentation zu Südafrika von
anderen nachrichtendienstlichen Beziehungen des schweizerischen
Nachrichtendienstes zu anderen Ländern?
Zeigen diese nachrichtendienstlichen Beziehungen zu Südafrika, mitunter im
Vergleich zu den nachrichtendienstlichen Beziehungen zu anderen Ländern,
aussergewöhnliche Eigenheiten auf?
Wo sind Unterschiede erkennbar und wie sind diese zu erklären?
Haben ehemalige Verantwortungsträger im schweizerischen militärischen
Nachrichtendienst im Rahmen dieser Auslandbeziehungen Dienst- oder Gesetzesvorschriften übertreten?
Wenn ja: wie gravierend sind die Vorschriftsverletzungen?
Sind aufgrund allfällig erkannter Vorschriftsverstösse besondere weitere Verfahren oder Massnahmen einzuleiten?
Wie war bzw. ist die Aufnahme und Pflege der Kontakte des schweizerischen
Nachrichtendienstes zu ausländischen Stellen geregelt (mit besonderem Bezug
zum Verhältnis Schweiz-Südafrika)?
Sind bei der Untersuchung dieser Auslandbeziehungssache institutionelle Mängel, insb. bei Führung und Kontrolle, zu erkennen? Welches sind allfällige
Verbesserungsvorschläge?
Sind sonstige weitere sachdienliche Anmerkungen zum titelerwähnten Thema
festzuhalten?
13
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
B) betreffend „Aktenführung/Archivierung im schweizerischen Nachrichtendienst in
den letzten 20 Jahren“, unter besonderer Betrachtung des nachrichtendienstlichen
Dossiers „Schweiz-Südafrika“
Welches waren bzw. sind die massgeblichen Vorgaben in der Aktenführung (bis
hin zur Archivierung), wie sie für den schweizerischen Nachrichtendienst Geltung
hatten bzw. haben?
Wurden bzw. werden diese einschlägigen Vorschriften in der Praxis durch die
Nachrichtendienste eingehalten?
Wenn nein: was sind die Gründe für diese Vorgabenverstösse?
Vermögen diese oder andere Gründe das Nichteinhalten der einschlägigen
Vorgaben zu rechtfertigen?
Wie wurde die Vorschriftenumsetzung kontrolliert? Welche Anweisungen
ergingen zu welcher Zeit von vorgesetzter Stelle an welche Stellen/Personen?
Was sind die Konsequenzen allfälliger diesbezüglicher Fehlverhalten?
Wie sind die Verantwortlichkeiten geregelt? Sind allenfalls gegen die fehlbaren
Verantwortlichen weitere Verfahren einzuleiten? Wer ist davon wie betroffen?
Waren bzw. sind die einschlägigen Aktenführungs- und Archivierungsvorschriften
überhaupt geeignet für die Umsetzung im nachrichtendienstlichen Umfeld?
In welchen Bereichen fehlten bzw. fehlen Sondervorschriften zugunsten der
ordnungsgemässen nachrichtendienstlichen Aufgabenerfüllung (Berücksichtigung
allgemeiner Staatsinteressen)?
Wie ist die Aktenführungs-/Archivsituation im nachrichtendienstlichen Bereich zum heutigen Zeitpunkt insgesamt zu beurteilen?
Drängen sich besondere Massnahmen, evtl. sogar Sofortmassnahmen, auf?
Wie können aus Sicht des Untersuchungsbeauftragten allfällig erkannte
Missstände im Aktenführungsbereich künftig verhindert werden?
Welche Rolle, Bedeutung und Grenzen hat der Quellenschutzaspekt im Rahmen
der Aktenführungs-/Archivierungsdiskussion im Nachrichtenbereich?
Sind die heutigen rechtlichen Vorgaben in bezug auf den Quellenschutzaspekt
14
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
ungenügend und/oder lückenhaft?
Welche Verbesserungen sind allenfalls in bezug auf die notwendige
Sicherstellung des Quellenschutzes für die Zukunft vorzusehen?
Welches sind allgemein die Verbesserungsvorschläge des Untersuchungs-
beauftragten im Bereich des Aktenführungs-/Archivierungswesens des
Nachrichtendienstes für die Zukunft?
Sind sonstige weitere sachdienliche Anmerkungen zum titelerwähnten Thema
festzuhalten?
C) betreffend „Waffenbeschaffung SA-18“
Was war der Hintergrund/Zweck für die Beschaffung dieser Lenkwaffen?
Wie war der genaue Beschaffungsablauf?
Wie waren der Nachrichtendienst, die Gruppe Rüstung, der Generalstab bzw.
andere Bundesstellen involviert?
Was hat die Beschaffungssache mit Südafrika zu tun?
Wer entschied letztendlich über die Beschaffung?
Wie wurden diese Lenkwaffen finanziert?
Sind Unregelmässigkeiten in der Finanzierung zu erkennen?
Wurde die Durchführung dieses Beschaffungsgeschäft kontrolliert?
Sind Mängel in der Kontrolltätigkeit festzustellen?
Sind durch irgendwelche Stellen/Personen Kompetenzen überschritten worden?
Wurden in Vergangenheit andere Waffen (nicht Schweizer Ordonnanzwaffen)
durch den Nachrichtendienst beschafft? Wie sind diese Beschaffungen abgelaufen
und für welche Zwecke wurde beschafft?
Sind bei dieser/n Beschaffung/en die massgebenden Vorschriften in irgendeiner
Weise nicht eingehalten worden?
Sind bezüglich dieser Waffenbeschaffung/en sonstige Ungereimtheiten oder
Widersprüchlichkeiten festzustellen?
15
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Was sind die Konsequenzen nachgewiesener Zuwiderhandlungen der
einschlägigen Vorschriften?
Sind im Rahmen der Untersuchungen zu dieser Waffenbeschaffungssache
irgendwelche institutionelle Mängel bekannt geworden?
Sind sonstige weitere sachdienliche Anmerkungen zum titelerwähnten Thema
festzuhalten?
D) betreffend „Geheimabkommen Schweiz-Südafrika“
Wurden in den letzten 20 Jahren im nachrichtendienstlichen, militärischen bzw.
rüstungstechnischen Bereich zwischen der Schweiz und Südafrika geheime Absprachen getroffen?
Wenn ja: zu welchen Zwecken und Themen unter welchen Vertragspartnern?
Ergeben sich aus diesen geheimen Absprachen mögliche Anhaltspunkte in bezug
auf die in letzter Zeit über die Medien bekanntgewordenen oder ähnlich gelagerte
‚Mithilfe’-Mutmassungen/-Anschuldigungen Schweizer Verwaltungsstellen?
Welche Schlüsse/Konsequenzen ergeben sich aus den vorgefundenen
Absprachen?
Durch wen sind allenfalls Kompetenzen überschritten worden?
Sind im Rahmen der Nachforschungen hinsichtlich „Geheimabkommen zwischen
der Schweiz und Südafrika“ irgendwelche institutionelle Mängel bekannt
geworden?
Sind sonstige weitere sachdienliche Anmerkungen zum titelerwähnten Thema
festzuhalten?
E) betreffend „Schutzmaskenlieferungen nach Südafrika“
Sind Schutzmaskenlieferungen nach Südafrika aus der Schweiz von Schweizer
Behörden getätigt / unterstützt worden (in den letzten 20 Jahren)? 16
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Wenn ja:
Wie, wann und in welchem Umfang wurden solche Schutzmaskenlieferungen
abgewickelt?
Wer war an diesem Liefergeschäft beteiligt? Beteiligung von Schweizer Behörden
(ND, AC Lab, GRD, ...)
Zu welchem Zweck wurden Lieferungen vorgenommen?
Wurden massgebliche Vorschriften/Gesetze verletzt oder Kompetenzen
überschritten?
Welche Konsequenzen sind aus allfälligen Schutzmaskenlieferungen zu ziehen?
Sind im Rahmen der Nachforschungen hinsichtlich „Schutzmaskenlieferungen“
irgendwelche institutionelle Mängel bekannt geworden?
Sind sonstige weitere sachdienliche Anmerkungen zum titelerwähnten Thema
festzuhalten?
In der Verfügung wurde zusätzlich bestimmt, dass "die Administrativuntersuchung
in jedem Fall über die ... aufgeführten Fragestellungen Aufschluss zu geben"
habe. "Vorbehalten bleibt die Beantwortung ausserordentlicher Zusatzfragen, die
im Laufe der Untersuchungen und nach vorgängiger Rücksprache mit dem
Untersuchungsbeauftragten, vom C VBS in Auftrag gegeben werden können."
2.2.2 Aufgrund von Zwischenberichten an den Departementsvorsteher, aufgrund von
erheblichem neuem Material, das im Laufe des Sommers aus den Prozessakten
von Pretoria zur Verfügung gestellt wurde (dazu unten IV. Kap.) und in Anbetracht
der beiden anderen laufenden Untersuchungen (dazu nachfolgend Ziff. 5) hat
sich der Abschluss der Administrativuntersuchung verzögert. Diese konzentriert
sich schwergewichtig auf die Fragen A, B und D. Frage C wird kurz behandelt
(VI. Kap.); Frage E untersucht die Delegation der
Geschäftsprüfungskommissionen (GPDel).
17
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
3. Abschnitt: Rechtliche Grundlagen der Untersuchung
3.1 Die früher auf Bundesebene nur durch eine interne Verwaltungsordnung des
Bundesrates, die „Richtlinien über Administrativuntersuchungen“ vom
18. Nov. 1981 (BBl 1981 III S. 1041 ff.), geregelte Administrativuntersuchung hat
im neuen Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000 (BPG; SR 172.220.1) eine
gesetzliche Grundlage in Art. 25 BPG betreffend die „Verletzung
arbeitsrechtlicher Pflichten“ gefunden. Darauf gestützt hat der Bundesrat den
Art. 97 der Bundespersonalverordnung (BPV) vom 3. Juli 2001
(SR 172.220.111.3) erlassen. Diese Vorschrift lautet:
Art. 97 Administrativuntersuchung 1 Soll abgeklärt werden, ob ein Sachverhalt vorliegt, der im öffentlichen Interesse ein Einschreiten von Amtes wegen erfordert, so wird eine Administrativuntersuchung durchgeführt.
2 Die Administrativuntersuchung richtet sich nicht gegen bestimmte Personen.
3 Für die Anordnung der Administrativuntersuchung ist der Bundesrat zuständig, wenn mehrere Departemente betroffen sind. Ist nur ein Departement betroffen, sind die Departemente für die Anordnung zuständig; sie können die Zuständigkeit an eine unterstellte Stelle delegieren. 4 Die Administrativuntersuchung wird durch Untersuchungsorgane geführt, die nicht im betreffenden Aufgabenbereich tätig sind. Sie kann Personen ausserhalb der Bundesverwaltung übertragen werden. 5 Die allgemeinen Verfahrensgrundsätze nach dem Verwaltungsverfahrens-gesetz vom 20. Dezember 1968 finden auf die Administrativuntersuchung Anwendung.
3.2 Neben der Administrativuntersuchung kann es auch noch Disziplinarunter-suchungen und -massnahmen gegen bestimmte Bundesmitarbeiter/Innen
geben (vgl. Art. 25 Abs. 2 und 3 BPG, Art. 98 BPV), mit
Beschwerdemöglichkeiten an die Personalrekurskommission (Art. 34 ff. BPG).
18
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
3.3 Die gesetzliche und verordnungsmässige Fundierung der Administrativ-
untersuchung (AU) stellt jetzt klar, dass diese eine besondere
aufsichtsrechtliche Massnahme des Gesamtbundesrates oder einer
Departementsvorsteherin bzw. eines Departementsvorstehers darstellt (vgl. Art.
187 Abs. 1 Bst. a Bundesverfassung); damit sollen in besonderen Fällen „im
öffentlichen Interesse“ dienstrechtliche „Sachverhalte“ bzw. Vorkommnisse
abgeklärt werden sollen. Die in einem justiziellen Verfahren durchzuführende AU
dient unmittelbar der Meinungsbildung und Entscheidfindung des Bundesrates
oder einer/-s Departementsvorsteherin/-vorstehers.
3.4 Auf Grund des gesetzlichen Zwecks und des anwendbaren Verfahrensrechts sind
das Objekt der Untersuchungsbefugnis weit und die Überprüfungsbefugnis, die
Kognition, umfassend. Es können in einer AU alle relevanten Aspekte des Sachverhaltes untersucht und alle Sachverhalts- und Rechtsfragen (einschliesslich Ermessen) beurteilt werden.
3.5 Was die Beurteilung der Erkenntnisse aus einer AU betrifft, so hat Dr. René
Bacher treffend geschrieben:
„Die Würdigung ist das Kern- und Herzstück des Berichtes. Der Wert und Nutzen einer AU hängt ausschliesslich von der Überzeugungskraft der vorgebrachten Argumentation ab. Insbesondere wenn schuldhaftes Verhalten im Spiele steht, sind Art und Gewicht des Versagens mit Fakten zu belegen, die konkret genug sind, damit der Leser die daraus gewonnenen Schlussfolgerungen nachvollziehen kann.“ Und: „ Auch wenn menschliches Verhalten bei AU meist im Vordergrund steht, so ist der institutionellen Kritik mindestens ebenso starke Beachtung zu schenken. Aufgabe der AU ist es ja nicht, Personen eines strafrechtlichen oder disziplinarischen Vergehens zu überführen, sondern die Ursachen festgestellter Fehler im Verwaltungsablauf aufzudecken … Im Falle einer Kombination von persönlichen Versagen und Mängeln im System hat sich der Beauftragte über die Grösse und die Bedeutung des jeweiligen Anteils zu äussern.“ (Grundsatzfragen der Administrativuntersuchungen: Probleme und Erfahrungen im Bund aus der Sicht des Beauftragen, in: B. Ehrenzeller [Hrsg.] Administrativuntersuchungen in der öffentlichen Verwaltung, 1999, S.10).
19
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Diesen Ausführungen ist abschliessend meinerseits nur anzufügen, dass die
Untersuchung dem Bundesrat absolut verlässliche Feststellungen liefern muss
sowie Beurteilungen vornehmen soll, die taugliche Empfehlungen für die
Verwaltungsführung liefern, einschliesslich wenn nötig disziplinarischer oder
strafrechtlicher Konsequenzen für die Verantwortlichen.
4. Abschnitt: Vorgehensweise
4.1 Für die Ermittlung der verschiedenen Sachverhalte und um Kriterien zur
Beurteilung der fachtechnischen, militärischen, politischen und rechtlichen
Probleme zu gewinnen, wurden mit folgenden Personen Gespräche geführt oder
Anhörungen (zum Teil mehrfach) vorgenommen:
4.1.1 Bundespräsident Kaspar Villiger, Vorsteher EFD, ehemals Vorsteher EMD/VBS,
zusammen mit seinem Generalsekretär, P. Grütter, ehemals persönlicher Referent im
VBS
4.1.2 Aus dem Bereich des EMD/VBS: alt Korpskommandant J. Feldmann, ehemals Kdt Feldarmeekorps 4
alt Korpskommandant Walter Dürig, ehemals Kdt FF Truppen
alt Korpskommandant A. Liener, ehemals Generalstabschef (GSC)
alt Divisionär Carlo Vinzenz
Divisionär Martin von Orelli
alt Divisionär Richard Ochsner, Chef Untergruppe Nachrichten und Abwehr (UNA) 1977-
1981
alt Divisionär Mario Petitpierre, Chef UNA 1981-1988
Divisionär Peter Regli, Chef Untergruppe Nachrichten 1990-1999
Fürsprecher Hans-Ulrich Ernst, ehemals Generalsekretär (GS) EMD
Dr. Jürg Stüssi-Lauterburg, Chef Militärbibliothek
Dr. Philipp H. Fluri, Deputy Director, Geneva Centre for Democratic Control of Armed
Forces (DCAF)
Oberst Heinz Staub, Verteidigungsattaché
Dr. Ueli Huber, Sektionschef Labor Spiez
20
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Siegfried Baur, SND
Frau Dr. Lilo Berger, ehemals SND
Dr. Urs Graf, Stv Direktor SND
Frau lic. iur. Tatijana Gruninger, SND
Hanspeter Gubler, SND
Erwin Halter, SND
Fürsprecher Martin Hügli, ehemals SND, AIOS/GST
Samuel Hunziker, SND
Dr. Peter Kistler, ehemals C NDA
Ernst Mattenberger, ehemals Chef Technische Sektion SND
Alfred Maurer, SND
Richard Monbaron, SND
Jacques Pitteloud, ehemals SND, Nachrichtenkoordinator
Rudolf Rindlisbacher, SND
Albrecht Ringgenberg, Chef Militärprotokoll, ehemals UG ND
Fred Schreier, ehemals Chef SND in der UG ND
Fritz Schüpbach, SND
Dr. Alexander Stucki, Chef LWND
Daniel Tosoni, ehemals SND, heute Generalstab/UG Logistik
Dr. Hans Wegmüller, Direktor SND
Hans von Weissenfluh, ehemals FFND und SND
Paul Ziniker, lic. phil., SND
René Zürcher, LWND
4.1.3 Aus anderen Departementen namentlich: Botschafter Robert Mayor, ehemals Botschafter in SA
Botschafter Jean-Olivier Quinche, ehemaliger Botschafter in SA
Botschafter Blaise Schenk, ehemaliger Botschafter in SA
Botschafter Jacques de Watteville, EDA
Botschafter Rudolf Schaller, z.Zt. Pretoria
Professor Dr. Christoph Graf, Direktor Bundesarchiv
Dr. Hansjürg Stadler, stellvertretender Bundesanwalt, EJPD
Fürsprecher Urs von Däniken, Leiter Dienst für Analyse und Prävention, BAP/EJPD
21
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
4.1.4 Privatpersonen namentlich: Dr. iur. Arthur Baumann, Zürich
Dr. David Chu, Binningen/BL
Ernst Cincera, alt Nationalrat, Zürich
Dr. Christine von Garnier, Journalistin, Lausanne
Ing. H.P. Pfiffner, Zürich
Niklaus Schleifer, Zumikon
lic. iur. Eugen Thomann, Winterthur
4.2 Ausgewertet wurden namentlich folgende Unterlagen: - Sämtliche Akten der Vorabklärungen 2001;
- Sämtliche im SND noch vorhandenen Akten über die Beziehungen des
Nachrichtendienstes mit Südafrika seit Ende der 70er Jahre;
- Akten zu einzelnen Aspekten über die Beziehungen des Nachrichtendienstes zu
verschiedenen Partnerdiensten;
- Alle vom VBS zusammengestellten Akten, die dieses auf die Anfrage der GPDel vom
Frühjahr 2002 zusammengetragen hatte (in Kopie);
- Antworten des EDA an die GPDel vom Frühjahr 2002 (in Kopie);
- Amtshilfeweise Auskünfte des Dienstes für Analyse und Prävention (ehemals
Bundespolizei) im Bundesamt für Polizei, der Schweizerischen Bundesanwaltschaft
und der kantonalen Polizeikommandos von Basel-Stadt und Zürich;
- Einzelne Archivgüter des Bundesarchivs;
- Zusammenstellung aller Rechtserlasse und interner Weisungen über den SND sowie
über die Registrierung und Archivierung im Nachrichtendienst in den letzten 20
Jahren;
- Auszüge aus der Anklageschrift, dem Plädoyer, dem Urteil und Kopien einzelner
Beweismittel aus dem Prozess des südafrikanischen Staates gegen Dr. W. Basson
von 1999 – 2002 (in Kopie);
- Medienbeobachtungen in der Schweiz, seit den 90er Jahren, und im Ausland in den
Jahren 2001/2002;
- Fachliteratur.
4.3 Für die vorliegende Untersuchung war besonders hilfreich die Amts- und
Rechtshilfe, die ich vom Chefankläger im Prozess gegen Dr. W. Basson, dem
22
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Director of Public Prosecution, Mr. Anton R. Ackermann Q.C., erhalten habe. Er
hat namentlich während zwei Besuchen mir in allen Einzelheiten die
Prozessakten erläutert, soweit sie einen Bezug zur Schweiz hatten.
4.4 Der unterzeichnende Untersuchungsbeauftragte wurde in verdankenswerter Weise vielfältig unterstützt, namentlich durch: - Staatssekretär Franz von Däniken, EDA
- Direktor Jean-Luc Vez, BAP/EJPD sowie verschiedene Mitarbeiter des DAP [im Rahmen der Amtshilfe durch das BAP]
- Dr. Hansjörg Stadler, Stv. Bundesanwalt, EJPD [im Rahmen des Rechtshilfeverfahrens]
- Generalsekretär Juan F. Gut, VBS
- Fürsprecher Peter Stuber, persönlicher Referent Chef VBS
- Dr. Jürg Stüssi-Lauterburg, Militärbibliothek sowie lic.rer.pol. Jean Pierre Witschard und lic.phil.hist. André Odermatt, Forschungsdienst der Eidg. Militärbibliothek
- Dr. Oswald Sigg, Informationschef VBS
- Fürsprecher D. Löhrer, Rechtsabteilung Generalsekretariat VBS
- Divisionär Josef Schärli
- Direktor Dr. Hans Wegmüller, Chef SND
- Stellvertretender Direktor Dr. Urs Graf, SND
- Siegfried Baur, CIO, SND
- Frau lic. iur. Tatijana Gruninger, SND
- Richard Monbaron, Chef Liaison, SND
- Alfred Maurer, Leiter Finanzen, SND
- Frau Jacqueline Strössler, GS VBS
- Willy Salzmann, Chef Management Support GST
- Fürsprecher Martin H. Sterchi, Bern, [für die Protokollführung]
- Frau Maria Hefti, St. Gallen
4.5 Auf Wunsch des Unterzeichnenden hat Botschafter Philippe Welti, Chef
Sicherheits- und Verteidigungspolitik im VBS, von Liv Minder und Michael
Brunner eine Studie erstellen lassen über: „Die zeitgenössische Rezeption der
südafrikanischen Bestrebungen zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen
in den Jahren 1980-1995 in Fachkreisen“.
23
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
5. Abschnitt: Parallele Untersuchungen
5.1 Neben der vom Vorsteher des VBS im November 2001/Februar 2002
angeordneten Administrativuntersuchung führt die Schweizerische
Bundesanwaltschaft schon seit einiger Zeit verschiedene Vorermittlungen und
Ermittlungsverfahren durch, bei denen namentlich abgeklärt werden soll, ob es zu
einem illegalen Transfer strategischer Güter durch die Schweiz bzw. zu einer
Verletzung der Kriegsmaterialgesetzgebung gekommen ist. Das Bundesgericht hat durch Urteil vom 4. September 2002 bewilligt, dass an mich als
Untersuchungsbeauftragten aus dem Verfahren der Bundesanwaltschaft
rechtshilfeweise bestimmte Auskünfte erteilt werden können, die mir Mitte
Oktober gewährt wurden.
5.2 Seit Spätherbst 2001 hat auch die Delegation der Geschäftsprüfungs-kommissionen (GPDel) ihre Untersuchungen wieder aufgenommen.
Gegenwärtig leitet Nationalrat A. Tschäppät die GPDel. Diese wird (wiederum)
unterstützt von Kantonsrichter Dr. N. Oberholzer sowie dem Sekretariat der
GPDel unter Philippe Schwab.
Die GPDel klärt nach verschiedenen Richtungen die Beziehungen des
Schweizerischen Militärs zu Südafrika ab, auch bezüglich der Kontakte der
Schweizer Militärärzte mit ihren Funktionskollegen in Südafrika, bezüglich
allfälliger Tätigkeiten der Rüstungsdienste, dem Kauf der Lenkwaffen SA-18
sowie der Lieferung von Schutzmasken von einer Firma in der Schweiz nach
Südafrika.
5.3 Während anfänglich, im Dezember 2001 und im Januar 2002, die Leiter der drei
Untersuchungsverfahren versuchten, unter Wahrung der jeweils anwendbaren
Verfahrensvorschriften eine gewisse Koordination ihrer
Untersuchungshandlungen vorzunehmen, hat die GPDel danach Wert darauf
gelegt, ihre Abklärungen unabhängig von den anderen Verfahren durchzuführen.
24
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Aus diesem Grunde hat sie mir nicht amtshilfeweise Auskunft aus den bzw.
Einsicht in die Akten der Verfahren der GPDel von 1997 und 1999 geschweige
des jetzt laufenden Verfahrens gewährt, woraus sich für die AU gewisse
Erschwernisse ergeben. Die GPDel hat auch gewünscht, dass ich die
Administrativuntersuchung auf Fragen der Aktenführung und Archivierung
beschränken sollte. Diesem Wunsch konnte allerdings nicht entsprochen werden,
nicht zuletzt weil bei einer sorgfältigen Sichtung aller noch vorhandenen Akten
des SND notwendigerweise auch materielle Überlegungen zu machen waren.
Bundesrat S. Schmid schrieb deshalb am 22. Mai 2002 an den Präsidenten der
GPDel namentlich Folgendes:
„In Bestätigung meiner bisherigen Aussagen gegenüber der GP Del, wie namentlich auch wiederholt gegenüber den Medien, soll und wird das VBS seine Untersuchungen „ergänzend“ zu denjenigen der GP Del führen. Das VBS ist, wie vermutungsweise auch alle anderen in dieser Sache tätigen Untersuchungsbehörden, weiterhin gefordert und bestrebt, nun endlich Klarheit in die vergangenen Beziehungen des Schweizer Nachrichtendienstes zu Südafrika zu bringen. Mit der Aussage der „ergänzenden Untersuchung durch das VBS“ war jedoch nie eine eigentliche Verfahrenseinstellung durch das VBS gemeint. Aufgrund all dieser Anmerkungen, diverser Aussprachen in der Vergangenheit und vor allem in Respektierung der Aufsichtsfunktion des Parlamentes und seiner Kommissionen gegenüber der Verwaltung verstehe ich – bis auf weiteres – die sog. „ergänzende Untersuchung des VBS“ dahingehend, dass
• das VBS das Schwergewicht der Administrativuntersuchung auf die Ziffer A (allg. nachrichtendienstliches Beziehungsverhältnis ‚Schweiz-Südafrika‘) und B (Aktenführung/Archivierung) des Administrativuntersuchungsauftrages VBS vom 25.2.02 ausrichtet;
• das VBS die Auftragsbereiche C – E („SA-18-Geschäft“,
„Geheimabkommen“, „Schutzmasken“) gerade aufgrund dieser Diskussionen somit bewusst nur sekundär resp. verfahrensergänzend, d.h. sofern diese für das Gesamtverständnis im Rahmen der Administrativ-untersuchung von Bedeutung sind, in die Untersuchung einbezieht;
• der GP Del vorgängig von Anhörungen verwaltungsexterner Personen
(inkl. ehemalige Beamte/Beamtinnen) im Rahmen der VBS-Untersuchung
25
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
durch den Untersuchungsbeauftragten des VBS entsprechende Mitteilungen zugestellt werden;
• der GP Del bedeutende Untersuchungserkenntnisse aus dem
Verfahren des VBS zur Kenntnis gebracht werden.
5.4 Die vorliegende AU hat eine Reihe von Rechtsproblemen sowohl eines solchen
Untersuchungsverfahrens wie auch der parlamentarischen Kontrolle des
Nachrichtendienstes sichtbar gemacht. Diese werden im letzten (VII.) Kapitel
separat angesprochen.
5.5 Der vorliegende Bericht über die Administrativuntersuchung im VBS erfolgt somit
ohne Kenntnisse von den Resultaten der Untersuchung der GPDel sowie nur auf
Grund weniger punktueller Auskünfte aus dem Strafverfahren der
Bundesanwaltschaft. Das erachte ich nicht unbedingt als nachteilig, weil dadurch
die rechtliche, politische und öffentliche Beurteilung der drei (auch
verfassungsrechtlich getrennten) Verfahren auf jeden Fall selbständig möglich
bleibt.
6. Abschnitt: Öffentliche Diskussion der Untersuchungen
6.1 Die Untersuchungen der GPDel und die vorliegende Administrativuntersuchung
waren und sind immer wieder Gegenstand von Interesse der Medien. Dies ist
weder ungewöhnlich noch auffällig.
6.2 Die Untersuchung hat aber auch das Interesse verschiedener politischer und privater Kreise gefunden. Zu erwähnen ist hier ein Kontakt mit alt Nationalrat Ernst Cincera, Zürich, der im Februar 2002 privat eine Analyse- und
Lagebeurteilung zum "Fall Regli" erstellt hatte. Er und weitere interessierte
Personen haben einen Juristen zu Abklärungen nach Südafrika geschickt. Nach
alt Nationalrat Cincera hatte der Jurist „den Auftrag, möglichst viele 'Akteure'
aufzusuchen und die in den Schweizer Medien und Kampagnen-Organisationen
dargestellten Sachverhalte zu überprüfen.“
26
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Da ich am Anfang meiner Untersuchung dachte, dass im Zusammenhang mit
nachrichtendienstlichen Tätigkeiten alt Nationalrat Cincera allenfalls interessante
Auskünfte geben könnte, nahm ich mit ihm Kontakt auf. Er informierte mich dann
über die Bemühungen von ihm und seinen Freunden, zur Klärung des Falles
beizutragen. Im Juni 2002 sandte er mir einige (mir durchwegs schon bekannte)
Dokumente sowie eine längere politische Beurteilung seinerseits, die bei den
Akten liegt. Weitere ursprünglich in Aussicht gestellte Unterlagen erhielt ich nicht
mehr.
Die von der Gruppe um alt Nationalrat E. Cincera, aber auch von einigen
ehemaligen Amts- und Dienstkollegen von Div P. Regli vertretene Auffassung
geht (vereinfacht gesagt) dahin, dass die Schweiz – vor allem auf Grund von
Aktivitäten südafrikanischer und schweizerischer Apartheidkritiker/-innen –
einerseits durch Sammelklagen von (mutmasslichen) Apartheidopfern gegen
Banken und Industrien sowie andererseits durch Aktivitäten gegen das
schweizerische Militär („Fall Regli“) angegriffen werde. Der gegenwärtige
Schweizerische Botschafter, Dr. R. Schaller, in Pretoria betonte mir gegenüber
aber (am 7. Nov. 2002), dass aus südafrikanischer Sicht weder von Behörden
Seite noch von den Medien wie behauptet „eine Verschwörung“ oder ein
„inszenierter resp. konstruierter Skandal“ gegenüber der Schweiz auszumachen
sei.
27
6.3 Zahlreiche politische Vorstösse der letzten Jahre beschäftigen sich ebenfalls mit
der Aufarbeitung der Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika. Als
Beispiel seien etwa die Bemühungen von Nationalrätin Pia Hollenstein,
Kopräsidentin der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Südafrika, erwähnt, die
nicht nur eine Erforschung der Amtsakten des Bundes, sondern auch privater
Firmenarchive fordert (so z.B. St. Galler Tagblatt vom 2. Okt. 2002). Angemerkt
sei, dass Personen und Organisationen, die sich für die Opfer der Apartheidzeit
einsetzen, nach meiner Einschätzung ihrerseits kaum von „Verschwörungen“ in
der Schweiz ausgehen können.
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
6.4 Diese Hinweise zeigen, dass in der innerschweizerischen Politik seit längerem
erhebliche Meinungsunterschiede bezüglich der Politik der Schweiz gegenüber
Südafrika in den Jahren der Apartheid bestehen. Darüber soll jetzt das vom
Bundesrat am 3. Mai 2000 initiierte Nationale Forschungsprogramm Nr. 42+
näheren Aufschluss geben. Dessen Arbeiten sind erst angelaufen und konnten
für diese Administrativuntersuchung noch nicht genutzt werden.
6.5 Selbstverständlich ist es ein Hauptziel einer Administrativuntersuchung, nicht nur
dem Bundesrat, sondern auch der Öffentlichkeit verlässliche Auskünfte über die
Amtstätigkeiten und die Vorkommnisse in den nachrichtendienstlichen
Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika zu vermitteln. Damit können
hoffentlich öffentliche Fehlurteile (z.B. über glaubwürdige oder unglaubwürdige
„Zeugen“) beseitigt und Meinungsdifferenzen (z.B. die politischen
Verantwortlichkeiten) reduziert werden. Gleichzeitig müssen aber auch frühere Bewertungen überprüft und für die Verantwortlichen in Politik, Armee und
Verwaltung entweder bisherige Leitlinien bestätigt oder zur Revision empfohlen werden.
28
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
II. KAPITEL: DIE NACHRICHTENDIENSTLICHE ZUSAMMENARBEIT DER SCHWEIZ MIT SÜDAFRIKA
1. Abschnitt: Zur nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit dem Ausland
Kontakte mit Partnerdiensten stellen neben der Nutzung anderer
Informationsquellen einen Hauptteil der Arbeit des Strategischen Nachrichtendienstes (SND) bzw. seiner Vorgänger, der Untergruppe
Nachrichten und Abwehr (UNA) in der Gruppe für Generalstabsdienste (bis 1993)
und der Untergruppe Nachrichten (UG ND, bestehend bis 31. Dez. 2000) dar. In
den „Ständigen Weisungen für die Kontakte mit benachbarten Diensten bzw. mit
deren Vertretern in der Schweiz“ des Unterstabschefs Nachrichtendienst und
Abwehr vom 1. März 1984 heisst es: „Kontakte ist der Sammelbegriff für den
gesamten Verkehr im In- und Ausland der UNA und den benachbarten Diensten“.
Grundsätzlich hatte und hat der SND noch heute einige wenige Staaten als
Hauptpartner, sodann eine ganze Anzahl weiterer regelmässiger Partner in
anderen Staaten und schliesslich zu bestimmten Diensten nur punktuelle
Kontakte. Wie angedeutet werden einerseits Chefbesuche durchgeführt, bei
denen es hauptsächlich um Beziehungspflege und politische und strategische
Perspektiven geht, andererseits gibt es die Fachgespräche, z.B. über
Waffentechnik, Taktik bestimmter Truppenteile, Kriegserfahrungen etc. Informiert
wird über die gegenseitigen sicherheitspolitischen Lagen und Sicherheitsmittel
sowie über Kenntnisse über Drittstaaten, letzteres allerdings grundsätzlich ohne
Quellenbekanntgabe. Neben dem mündlichen Informationsaustausch findet vor
allem auch ein häufig recht breiter Dokumentenaustausch statt, der dann
besonders den nachträglichen Auswertungen dient. Leitgedanken bei den
Kontakten sind namentlich die jeweiligen Nachrichten- und
Erkenntnisbedürfnisse, die gegenseitige Aufdatierung über Lage- und
Entwicklungsmöglichkeiten, die Erfassung von Trends und neueren
Entwicklungen bezüglich der Sicherheitslage sowie – im Hinblick auf einen
29
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Ausgleich von Geben und Nehmen – Erkenntnisse über die angewandten
nachrichtendienstlichen Mittel und Methoden.
Grundsätzliche Überlegungen zur Arbeit des schweizerischen SND finden sich
in einem am 16. Juli 1990 von Generalstabschef KKdt H. Häsler dem Vorsteher
des EMD, Bundesrat K. Villiger, vorgelegten (vertraulichen) „Grundlagenpapier
über die Zusammenarbeit der UNA mit ausländischen Nachrichtendiensten“
(Verfasser F. Schreier) sowie in der oben (I. Kap. Ziff. 1.1.2) erwähnten (als
GEHEIM klassifizierten) Studie desselben Autors über die nachrichtendienstliche
Zusammenarbeit mit anderen Staaten, die im Juni 1999 auftragsgemäss
Bundesrat A. Ogi abgeliefert wurde.
2. Abschnitt: Überblick über die Beziehungen zum südafrikanischen Partnerdienst
Im publizierten Bericht der Delegation der Geschäftsprüfungskommissionen
vom 12. November 1999 über die Beziehung zu Südafrika wird über den Beginn
dieser Kontakte und über wesentliche Aspekte derselben schon öffentlich
berichtet (vgl. BBl 2000, S. 570 ff). Für die vorliegende Administrativuntersuchung
kann überblicksweise festgehalten werden, dass die ersten Kontakte 1977/78 von
Vertretern des Militärischen Nachrichtendienstes der Republik Südafrika in Bern
hergestellt wurden. Die offiziellen, regelmässigen Kontakte setzten spätestens im
April 1980 mit einem Besuch des Chief of Staff Intelligence beim damaligen
Unterstabschef Nachrichten, Oberstdivisionär Richard Ochsner (Chef UNA
vom 1. Juli 1977 bis 31. März 1981) ein. Danach gab es regelmässige Kontakte
auf Chefebene im Rhythmus von ein bis eineinhalb Jahren sowie jährlich eine
ganze Reihe von Fachgesprächen verschiedener Stufen im einen oder anderen
Land. Der erste schweizerische Chefbesuch durch Divisionär Mario Petitpierre (Leiter UNA vom 1. April 1981 bis 31. Dez. 1988) fand im März 1982 statt. Ab
1984 hat der damals von Major, später Oberstleutnant Peter Regli geleitete
Nachrichtendienst des Kommandos der Flieger- und Fliegerabwehrtruppen
(FFND) ebenfalls regelmässige Kontakte mit den homologen Diensten der
30
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
südafrikanischen Luftwaffe gepflegt. Nach dem Ende des Angolakrieges 1988,
dem Fall der Berliner Mauer 1989 und dem Zusammenbruch des Sowjet-
Imperiums wurden unter Div Hans Schluep (Chef UNA vom 1. Jan. 1989 bis 31.
Mai 1990) und Div P. Regli (ab 1. Juni 1990) die gegenseitigen Besuche und
Fachgespräche etwa in gleicher Dichte wie früher bis ins Jahr 1997 fortgeführt.
Seit 1998 gibt es nur noch sporadische Fachgespräche. Grund für die
Beendigung der regelmässigen Kontakte war schweizerischerseits wohl die
gemäss den Akten nachweisliche Einschätzung, dass die von der neuen
Regierung veranlassten personellen Veränderungen in den Südafrikanischen
Nachrichtendiensten dort zu Unsicherheiten geführt hätten.
Aufgrund einlässlicher Recherchen vom Mai bis Oktober 2002 konnte nach
meinen Vorgaben eine (GEHEIM klassifizierte) Liste aller noch ermittelbarer
Kontakte zwischen 1977 und 2001 erstellt werden. Danach waren es in den
Jahren ab 1983 bis 1997 jährlich +/- 8 Kontakte zwischen verschiedenen
Vertretern der beiden Dienste entweder in der Schweiz oder in Südafrika, etwa
soviel wie mit wichtigeren europäischen Partnern.
3. Abschnitt: Gab es ein Geheimabkommen zwischen den Nachrichtendiensten von Südafrika und der Schweiz?
3.1 Immer wieder ist in der Öffentlichkeit der Verdacht aufgetaucht, dass der
Schweizerische Nachrichtendienst mit dem südafrikanischen Partnerdienst einen
"Geheimvertrag" abgeschlossen habe. Dazu beigetragen hat etwa auch eine im
Herbst 2001 im „Magazin“ des „Tages-Anzeigers“ rapportierte Äusserung des
südafrikanischen Generals Chris Thirion (Chief Director Military Intelligence von
1991-1997). Die Medien haben sich gefragt, ob mit dem „Geheimabkommen“ die
von General Thirion erwähnte Vereinbarung von 1986 über die Zusammenarbeit
im Bereich der B- und C-Waffen gemeint war oder aber ein besonderes
Geheimschutzabkommen (vgl. „Tages-Anzeiger“ vom 24. Mai 2002).
31
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
3.2 Die Frage über die Regelung der Zusammenarbeit mit ausländischen
Nachrichtendiensten wurde schon von der Parlamentarischen
Untersuchungskommission PUK EMD im Juni 1990 aufgeworfen. Der damalige
Chef des EMD, Bundesrat K. Villiger, beauftragte daraufhin am 4. Juli 1990 den
Generalstabschef, KKdt H. Häsler, ein Grundlagenpapier über die
Zusammenarbeit der Untergruppe Nachrichten und Abwehr (UNA) mit
ausländischen Diensten zu erstellen, worin u.a. auch auf die Frage eingegangen
werden sollte, welche schriftlichen und mündlichen Vereinbarungen und
Absprachen mit welchen ausländischen Diensten bestehen.
Aus dem erwähnten (vertraulichen) "Grundlagenpapier über die Zusammenarbeit
der UNA mit ausländischen Nachrichtendiensten" ergibt sich, dass grundsätzlich nur mündliche Vereinbarungen über den Informations-, Nachrichten- und
Erkenntnisaustausch in den gemeinsamen Aufklärungsgebieten bestehen.
Schriftliche Vereinbarungen gab und gibt es nur zum Schutz des gegenseitigen
Geheimnisaustausches (sog. Geheimschutzabkommen).
3.3 Mit einer Einfachen Anfrage vom 2. März 2002 hat Nationalrat Jean-Nils de Dardel folgendes wissen wollen:
„1. Ist das Geheimabkommen zum Vorschein gekommen, das der
schweizerische Nachrichtendienst und der Geheimdienst des
Apartheidregimes 1986 getroffen haben sollen, um auf dem Gebiet der
chemischen und biologischen Kriegführung zusammenzuarbeiten?
2. Wenn nicht, hat der Bundesrat in dieser Frage mit der südafrikanischen
Botschaft in Bern Kontakt aufgenommen?
3. Oder hat er sich über die Schweizer Botschaft in Südafrika mit der
südafrikanischen Regierung in Verbindung gesetzt?
4. Wurde ein anderer Weg gewählt?
5. Welche Ergebnisse hat der Bundesrat mit seinem Vorgehen erzielt?“
32
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Der Bundesrat hat zu den konkreten Fragen am 22. Mai 2002 wie folgt Stellung
genommen:
„1. Er hat keine Kenntnis von einem Geheimabkommen aus den
Achtzigerjahren zwischen Behördenstellen der Schweiz und Südafrika über die
Zusammenarbeit im Bereich der chemischen und biologischen Waffen. Dem
Bundesrat ist hingegen ein so genanntes Informationsschutzabkommen
zwischen der Schweiz und Südafrika aus dem Jahre 1983 bekannt, welches
als 'geheim' klassifiziert ist. Dieses Abkommen regelt lediglich den Umgang mit
Informationen zwischen Dienststellen der Vertragsländer. Solche Abkommen
werden regelmässig auch mit anderen Ländern abgeschlossen.
2.-5. Im jetzigen Zeitpunkt ist es die Aufgabe der laufenden
Untersuchungsverfahren, Klärung hinsichtlich der Existenz bzw. Nichtexistenz
des vom Fragesteller erwähnten Geheimabkommens zu bringen. Dabei
entscheiden die verfahrensveranwortlichen Stellen selbständig und
eigenverantwortlich über die notwendigen Untersuchungshandlungen.
Es kann deshalb nicht Aufgabe des Bundesrates sein, konkurrenzierend und
überlagernd zu den laufenden förmlichen Untersuchungsverfahren zu wirken.
Der Bundesrat verfolgt die verschiedenen Verfahren jedoch mit grösster
Aufmerksamkeit.“
33
3.4 Die vorliegende Administrativuntersuchung hat die seit langem bestehenden
Kenntnisse sowie die Aussagen von 1990 (vgl. den Bericht der PUK EMD vom
17. Nov. 1990, S. 52 ff.) und von 2001 bestätigt. Am 31. März 1983 hat der Chef
der Sektion Geheimhaltung des Generalstabes, die damals noch eine Sektion in
der Untergruppe Nachrichten und Abwehr (UNA) war, mit dem Stabschef
Nachrichtendienst der südafrikanischen Streitkräfte, LtGen P.W. van der
Westhuizen, ein sog. "Informationsschutzabkommen" abgeschlossen. Dieses
sonst VERTRAULICH, hier ausnahmsweise GEHEIM klassifizierte Abkommen,
das heute noch in Geltung ist, regelt ausschliesslich formelle Aspekte der
Wahrung der Geheimhaltung beim nachrichtendienstlichen
Informationsaustausch. Hauptpunkte dieses nach einem ständigen Muster
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
verfassten Verwaltungsabkommens sind die Verpflichtungen zum
gegenseitigen Geheimnisschutz, besonders von klassifizierten Akten, dann die
Pflicht zur Beachtung der jeweiligen Sicherheitsstandards bei
Aktenübermittlungen, bei Besuchen, bei Aufträgen an Dritte (z.B. beim Kauf von
Rüstungsgütern) sowie die gegenseitige Information über die vom Dienst
getroffenen Sicherheitsmassnahmen.
3.5 Das Abkommen enthält somit keinerlei materielle Abmachungen, schon gar nicht
über Informationspflichten bezüglich B- und C-Waffen. Es erscheint auch recht
unwahrscheinlich, dass ein Abkommen über bestimmte gemeinsame Aufgaben
geschlossen wurde. So lehnte es der ND in den 90er Jahren z.B. ab, ein
„Memorandum of Understanding“ mit dem südafrikanischen Partnerdienst über
die Fortführung der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit abzufassen. 1999
ersuchte das südafrikanische Verteidigungsministerium um Revision des
Abkommens und legte einen Entwurf dafür vor, doch das VBS verzichtete darauf.
Zusammenfassend liessen sich keine Hinweise auf ein „Geheimabkommen“ mit
Südafrika finden. Es gab nach meiner Auffassung nur das vorerwähnte
„Informationsschutzabkommen“.
34
Anzumerken ist allerdings, dass „internationale Übereinkünfte“ auch ohne
Schriftform, nur mündlich abgeschlossen werden können (vgl. Art. 3 Wiener
Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (SR 0.111) und
dass bei schriftlichen Übereinkommen es im vereinfachten Verfahren nicht einmal
eine förmliche Unterzeichnung braucht (Ignaz Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht,
9. Aufl., 1997, S. 51 und 64¸ Georges Perrin, Droit international public, 1999,
S. 90 ff.). Was bezüglich solcher „Informationsschutzabkommen“ früher zu
beanstanden war, ist, dass sie vom ND in eigener Kompetenz abgeschlossen
wurden. Schon nach alter Bundesverfassung und ebenso nach der neuen BV
liegt die Vertragsabschlusskompetenz für solche völkerrechtlichen Abkommen
von beschränkter Tragweite beim Bundesrat (vgl. Art. 162 Abs. 2 und Art. 184
Abs. 1 BV, Art. 47bis b Geschäftsverkehrsgesetz), es sei denn, es liege eine
gesetzliche Delegation oder eine Ermächtigung im Einzelfall an das Departement
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
oder Amt vor. Die neuere Praxis trägt diesen Verfassungsanforderungen
Rechnung.
4. Abschnitt: Information der vorgesetzten Stellen über die Kontakte mit den Südafrikanischen Nachrichtendiensten
4.1 Nach Aussagen von Divisionär Regli vor der Delegation der
Geschäftsprüfungskommissionen 1999 soll die regelmässige Kontaktaufnahme Ende der 70er / anfangs der 80er Jahre vom Bundesrat abgesegnet worden sein
(BBl 2000, S. 571/72). Ob und wie weit die Kontaktpflege mit südafrikanischen
Nachrichtendiensten 1979/80 von der politischen Behörde gebilligt worden war,
konnte von mir nicht ermittelt werden, vor allem weil über die damaligen Kontakte
praktisch keine Akten mehr vorhanden sind. Fest steht nämlich, dass jedenfalls danach keine regelmässige Information der vorgesetzten Stellen mehr
stattgefunden hat. In den oben (Ziff. II.1) erwähnten „Ständigen Weisungen für
die Kontakte mit benachbarten Diensten bzw. mit deren Vertretern in der
Schweiz“ vom 1. März 1984 ist die Sektion Beschaffung zuständig für eine
Kontaktaufnahme, und jede beabsichtigte Erweiterung der Zusammenarbeit mit
einem benachbarten Dienst ist dem USC NA auf dem Dienstweg zu beantragen
(Ziff. 3.3.3 der Weisungen). Eine Orientierung oder gar das Einholen der
Zustimmung des Generalstabschefs oder des Departementsvorstehers war nicht vorgesehen.
4.2 Vor der GPDel sagte Divisionär Regli, dass erst seit 1993 die Auslandkontakte
jeweils Ende Jahr politisch beurteilt und abgesegnet worden seien (BBl 2000,
S. 572). In den von mir vorgenommenen Anhörungen vom Sommer 2002 machte
Divisionär Regli geltend, dass er ab 1990 von Anfang seiner Leitungsaufgabe an
über die Kontaktplanungen jeweils den Departementsvorsteher informiert habe.
Nach meinen Abklärungen im VBS und bei Bundespräsident K. Villiger ergibt sich
allerdings, dass erst nach Vorschlägen von Bundesrat K. Villiger an die
Geschäftsprüfungsdelegation am 21. Januar 1994 und im Gefolge der
35
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Empfehlungen der GPDel vom 21. Januar 1994 und 31. Oktober 1994, eine
systematische, mehrstufige, jährliche Planung der Auslandstätigkeiten des
Nachrichtendienstes den vorgesetzten Stellen vorgelegt wurde. Die
entsprechenden (GEHEIM klassifizierten) Planungsunterlagen, die als
„Nachrichtendienstliche Bearbeitungsbereiche SND“ bezeichnet wurden, führten
den Grundauftrag näher aus und enthielten auch Prioritätenfestlegungen, sie
lassen sich erstmals für 1994 belegen. Anfänglich erfolgte die Orientierung über
die Jahresplanung über den Generalstabschef zuhanden des
Departementsvorstehers, dann zeitweise direkt zu Handen des
Departementvorstehers, später wiederum wurde sie (nach Div M. von Orelli)
vorher dem Generalstabschef vorgelegt. Vor 1994 war, jedenfalls auch nach den
Ständigen Weisungen der UNA für die Kontakte (vom 1. März 1984), für die
Planungen ausschliesslich der Unterstabschef zuständig.
Ungeachtet der Frage, ob die Kontaktaufnahme mit Südafrika vor rund 20 Jahren
überhaupt mit Wissen und Zustimmung des zuständigen Bundesrates erfolgte
oder nicht, ist festzustellen, dass bis Mitte der 90er Jahre die Leiter des SND
offensichtlich die Auffassung hatten, sie müssten ihre Aufgabe weitestgehend in Eigenverantwortung wahrnehmen. Divisionär P. Regli bezeichnete in einer
Befragung die Rolle des Chefs der Untergruppe Nachrichten als die eines
„Aussenministers“ für Militärische- und Sicherheitsfragen. Als solcher sei er
eigentlich nicht fachtechnisch dem Chef des Generalstabes unterstellt gewesen,
sondern er sei ein primär dem Bundesrat verantwortlicher Chef gewesen. Dass
Div P. Regli diese Überzeugung hatte, bestätigte auch alt Korpskommandant und
Generalstabschef A. Liener. Diese Vorstellung von der Eigenverantwortlichkeit
des Chefs des SND und des Dienstes selbst teilen auch heute noch die
Vorgänger, namentlich aDiv R. Ochsner und aDiv M. Petitpierre.
36
4.3 Eine Konsequenz dieser im ND geltenden Auffassung war z.B., dass die Kontakte
ausländischer Nachrichtendienste mit dem Schweizerischen Nachrichtendienst
nicht über das Militärprotokoll abgewickelt wurden, sondern direkt
aufgenommen wurden. Dies bestätigt auch die „Verordnung des EMD über den
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Vertreter in militärischen Angelegenheiten mit ausländischen Personen und
Instanzen“ vom 17. Februar 1992, welche festhält, dass in militärischen
Angelegenheiten mit ausländischen Stellen die Abteilung Nachrichtendienst im
Generalstab keine Bewilligung benötigt (SR 510.215; Art. 4 Bst.a), offensichtlich
damit die Kontakte nach den selbstbestimmten Bedürfnissen und geheim erfolgen
können.
4.4 Entsprechend erfolgten und erfolgen die Besuche des Chefs oder von weiteren
Vertretern des ND in einem ausländischen Staat ohne Kenntnisgabe an das oder
Absprache mit dem Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) und die
schweizerische Vertretung im betreffenden Staat. Gerade im Fall von Südafrika
gab es deswegen in den 80er Jahren nach alt Botschafter Quinche auch einen
kleineren Zwischenfall, als ein Botschaftsangehöriger bei einem Besuch einer
Goldmine am 30. Okt. 1987 erfuhr, dass tags zuvor ein schweizerischer General
(Div M. Petitpierre) in offizieller Visite in Südafrika die selbe Mine besucht hatte.
Die intensiven Kontakte und Besuche des Schweizerischen Nachrichtendienstes
erfolgten usanzgemäss ohne Wissen und ohne Rücksichtnahme auf die
Verantwortung der schweizerischen Vertretung in Pretoria und Johannesburg.
4.5 Ohne Zweifel war, nach meinen Feststellungen, auch die in der Regel nur
mündliche Orientierung des Generalstabschefs und des Bundesrates über
laufende nachrichtendienstliche Kontakte bis Mitte der 90er Jahre nur punktuell und marginal. Jedenfalls sind keine spezifischen Rapporte auffindbar.
37
4.6 Ebenso war bis zu diesem Zeitpunkt für den SND Budgetierung, Rechnungs-
ablage und Finanzkontrolle auf ganz wenige spezielle Augen konzentriert (vgl.
z.B. die „Verordnung des EMD über die Ausgabenkompetenzen im Bereich des
Nachrichtendienstes“ vom 12. August 1992). Vorrangig massgeblich für dieses
Vorgehen waren Geheimhaltungsüberlegungen und das erwähnte spezifische
Dienstverständnis. Immerhin hat eine detaillierte Kontrolle der
Spesenberechnungen von 1985 bis 2001 die Liste der Kontakte in der Schweiz
und in Südafrika weitgehend bestätigt.
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
4.7 Diese Kompetenz-, Verfahrens- und Informationsprobleme des SND wurden in
den letzten Jahren schrittweise abgebaut. Die Verordnung des Bundesrates vom 4. Dez. 1995 über den Nachrichtendienst (VND) sah erstmals in Art. 6 Abs. 3 vor:
„Die Aufnahme regelmässiger Kontakte zum Ausland bedarf der Zustimmung des Chefs des Eidgenössischen Militärdepartementes.“
Die Neufassung der VND, die Verordnung über den Nachrichtendienst für
Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (Nachrichtendienstverordnung,
VND) vom 4. Dez. 2000 (SR 510.291), enthält in Art. 6 Abs. 1 dieselbe
Kompetenzbestimmung wie der alte Art. 6 Abs. 3. Bedeutsam ist aber der neue
Art. 10 betr. Berichterstattung:
„Der Chef VBS orientiert den Bundesrat regelmässig über die Tätigkeit der
Nachrichtendienste“ [nämlich jetzt des Strategischen, des Militärischen und des Luftwaffendienstes].
Damit dürfte z.B. eine gewisse Basisinformation nicht nur der
Departementsleitung, sondern auch des EDA sowie des EJPD und seiner
Polizeidienste gewährleistet sein.
4.8 Diese Feststellungen zum Verfahren allein gestatten aber noch keine Beurteilung
der Kontakte. Nötig ist auch eine fachtechnische sowie eine politische
Beurteilung, soweit solche allerdings im Rahmen dieser
Administrativuntersuchung vorgenommen werden können.
5. Abschnitt: Fachliche und politische Auffassungen des ND
Die Kompetenzfragen über die Entscheidung und Durchführung von
nachrichtendienstlichen Kontakten sind das Eine; wichtiger ist sicher die fachliche
und politische Beurteilung der Durchführung und des Ertrags solcher
nachrichtendienstlicher Tätigkeiten. Es ist selbstverständlich mir als
Nichtfachmann in dem beschränkten Rahmen einer Administrativuntersuchung
38
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
nur möglich, einige punktuelle Hinweise und Überlegungen dazu
anzubringen.
5.1 Interessant ist als erstes die Eigenbeurteilung der beteiligten Akteure.
5.1.1 Divisionär R. Ochsner, Chef der Untergruppe Nachrichten von 1977 bis 1981,
hat an einem (öffentlichen) Vortrag im November 1984 über „Die strategische
Bedeutung Südafrikas“ referiert. Damit lässt sich mittelbar etwas darüber
aussagen, wie die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit Südafrika, die
Divisionär Ochsner aufgebaut hatte, zu Anfang der 80er Jahre vom Dienst
beurteilt wurde. In dem Referat wird zuerst die jahrhundertealte Bedeutung der
Schifffahrtsroute um das Kap der Guten Hoffnung betont, dann Südafrika als
Rohstofflieferant und als beachtliche militärische Regionalmacht gewürdigt. Daran
schliesst sich unter dem Stichwort „Bündnispartner“ folgende Überlegung an:
„Bezüglich des Verhältnisses zwischen Südafrika und dem Rest der Welt besteht der merkwürdige Zustand, dass nach der Aechtung dieses Staates durch die UNO nur mehr weniger als ein Drittel aller Staaten des Erdballs normale diplomatische Beziehungen zu dieser ausgestossenen Regional-grossmacht unterhalten, die für zahlreiche Länder immerhin noch ein bedeutender Handelspartner ist. Infolge innenpolitischer Rücksichten sind die an den Rohstoffen und der freien Schifffahrt um das Kap in erster Linie interessierten europäischen Staaten und auch die USA nicht in der Lage, die Wächteraufgabe am Kap in offener Zusammenarbeit zu erfüllen. Ueber das von 1956 bis tief in die Siebzigerjahre hineinreichende letzte Abkommen mit dem früheren sogenannten Mutterland Grossbritannien profitierten praktisch alle Westmächte von Simonstown (Kriegsstützpunkt bei Kapstadt). Die Regierung Wilson hat die Rechte Grossbritanniens auf diesen gut ausgebauten, 60–70 Kriegsschiffen und einer beträchtlichen Unterstützungsflotte Rückhalt bietenden Stützpunkt aufgegeben und machte damit auch den Benützungsmöglichkeiten der übrigen Hafen- und Flugplätze ein Ende. Teils fehlten die Mittel, zum anderen Teil der Wille ... Es blieb die Zusammenarbeit mit den USA, deren aussenpolitische Handlungsfreiheit indessen nur soweit reicht, als es die innenpolitischen Rücksichten zulassen.“
Anschliessend geht Divisionär Ochsner auf die Seestreitkräfte der Supermächte
und die strategische Lage im Indischen Ozean und im Südatlantik ein, um
nachher von den sowjetischen Möglichkeiten in Afrika zu sprechen. Dabei weist
er namentlich darauf hin, dass Südafrika die sowjetischen Expansionsversuche in
39
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Moçambique und Angola eindämmen konnte. Die wahre strategische Bedeutung
Südafrikas würde, worauf abschliessend hingewiesen wird, aber für den Westen
erst sichtbar werden, wenn es zu einem Ausfall der Rohstofflieferungen aus
Südafrika oder zu einer Blockierung der Kap-Route käme, wobei der Referent
einräumt, dass entsprechende sowjetische Interventionen wenig wahrscheinlich
sind.
5.1.2 Im Hinblick auf ein Führungsgespräch des Chefs EMD mit der
Geschäftsprüfungsdelegation vom 2. September 1994 erstellte Divisionär P. Regli als USC ND zuhanden des Departementsvorstehers am 19. August 1994
eine Notiz über Kontakte des ND mit Südafrika. Darin schreibt er u.a. zur
Bedeutung von Südafrika (eckige Klammern sind Erläuterungen):
"Bekanntlich ist der Schweizer ND auf dem afrikanischen Kontinent südlich des
Maghreb nicht vertreten. Wir werden jedoch oft durch Fragen und mit Themen den schwarzafrikanischen Kontinent betreffend konfrontiert. ..... Der Schweizer ND hat seit 1978 regelmässige Kontakte mit dem militärischen Nachrichten-dienst der Kap-Republik. Diese Kontakte werden stets GEHEIM klassifiziert. Dieser Dienst stellt für uns die wichtigste Quelle des Raumes dar. Wir konnten ihn im Gegenzug über die Entwicklung der Lage in Europa (Schwergewicht WAPA [= Warschauer Pakt]) orientieren. Der Dienst hat uns auch hinsichtlich "Material Ost" äusserst wertvolle Hinweise gemacht (und auch Hardware kostenlos abgegeben). Es ist demnach für unseren Dienst von grösster Bedeutung, mit dem südafrikanischen Dienst (dem besten südlich der Sahara) auch weiterhin Kontakte pflegen zu können. ..... Wir haben die Absicht, diese (wichtigen) Kontakte auch weiterhin - im gleichen Umfang - weiter zu pflegen.
Schliesslich wird bezüglich der Entwicklungstendenzen gesagt: "Je nachdem wie wichtig der schwarzafrikanisiche Kontinent für unser Land
und für unsere (Regierungs-)politik werden wird, werden wir entsprechende Schwergewichte setzen müssen. Diese Entwicklung wird auch die Intensität und die Art unserer Kontakte steuern. Solange wir in diesem strategisch wichtigen Raum (südlich des Magreb) jedoch keine eigenen Vertreter haben (= Attaché/Residenten), sind wir voll auf einen (den kompetenten) Partnerdienst angewiesen."
Abschliessend heisst es zur Bedeutung des Partnerdienstes:
"Der militärische Nachrichtendienst Südafrikas hat sich bis heute durch sehr
hohe Qualität, Zuverlässigkeit, Professionalität und Disziplin ausgezeichnet. Es
40
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
ist im Interesse unseres Landes, weiterhin an dieser Nabelschnur hängen zu können (sofern auch wir weiterhin für den Dienst von Interesse bleiben können!)."
5.1.3 In dem oben (I. Kap. Ziff. 1.1.2) erwähnten internen Bericht „Von den
nachrichtendienstlichen Beziehungen zu Südafrika“ vom Juni 1999 an den
damaligen Vorsteher VBS, Bundesrat Ogi, hält der Autor, F. Schreier, Folgendes
fest:
„Mit der kubanischen Intervention in Angola hat der Sowjetblock seine Politik fortgesetzt, an jenseitigen, sogenannten peripheren Gebieten die Konfrontationspolitik mit dem Westen zu forcieren. Im afrikanischen Raum hatte Angola für die sowjetische Interventionspolitik eine vorrangige Bedeutung, namentlich aus seiner geopolitischen Lage und wegen der Möglichkeit, von dort aus andere Staaten wie Namibia, Zimbabwe, Sambia und Südafrika zu destabilisieren.“
Strategisches Zwischenziel im afrikanischen Raum für die Sowjets war nach
Ansicht des SND, durch Interventionen die wirtschaftliche Basis des westlichen
Sicherheitssystems zu schwächen. Für den Schweizerischen Nachrichtendienst
war die sowjetische Politik im südlichen Teil Afrikas von besonderem Interesse,
nicht nur weil dort sogenannte Stellvertreter- und Guerillakriege geführt wurden,
sondern vor allem, weil man bei diesen militärischen Auseinandersetzungen die
Wirksamkeit westlicher Waffensysteme und insbesondere die Möglichkeiten,
Arten und Mittel zu Abwehr- und Gegenmassnahmen gegen sowjetische
Militärtechnik in Erfahrung bringen konnte. Die Aufnahme eines regelmässigen
Nachrichtenaustausches mit Südafrika versprach also dem SND:
„.... zumindest erstens einen besseren Informationszugang zu den Ereignissen in schwarzafrikanischen Krisen- und Kriegsgebieten und zweitens aus dem Bereich Militärtechnik ein Erkenntnisaufkommen, das man zur Verbesserung der Abwehranstrengung unserer Armee für den Fall eines damals für möglich gehaltenen, zumindest nicht ausschliessbaren Angriffes des Warschauer-Paktes hoffte nutzen zu können.“
Gegen eine Kooperation sprachen nach dem Bericht letztlich nur der
Mehraufwand und die höheren Kostenfolgen. Die Apartheidpolitik wurde vom
41
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Berichtsverfasser wohl als wichtiger Faktor in die Liste von möglichen
Erschwernissen in den Beziehungen aufgenommen, aber aus verschiedenen
Gründen, unter anderem weil auch die US-Nachrichtendienste und die Britischen
Nachrichtendienste seit langem mit Südafrika kooperierten, nicht als eigentliches
Hindernis angesehen. Im Folgenden weist der Verfasser unter anderem noch
darauf hin, dass die Zusammenarbeit mit den Südafrikanischen
Nachrichtendiensten schwergewichtig dem MID – Military Intelligence Division
(Militärischer Nachrichtendienst) – galt und dass sie nur punktuell den NIS –
National Intelligence Service (In- und Ausland Nachrichtendienst) – und den SAP
– Security Branch South African Police (Sicherheitsdienst der Polizei) – betraf.
Dann wird von den Entwicklungen der Nachrichtendienste in den 90er Jahren und
insbesondere von der völligen Umgestaltung dieser Dienste Ende 1994 unter
Präsident Mandela berichtet, als das neue Parlament im November 1994 ein
Gesetzespaket von neuen Rechtsgrundlagen für die Nachrichtendienste
verabschiedete.
Wieweit diese Würdigung der Zustände Ende der 90er Jahre zutreffend war, mag
dahingestellt bleiben. Beigefügt sei aber noch, dass der Verfasser erwähnt, dass
eine Kontaktaufnahme und Anbahnung von Gesprächen mit dem Departement of
Intelligence und Security dem Geheimdienst des ANC [African National
Congress, der wichtigsten Organisation der schwarzen Südafrikaner] in Genf,
versucht worden seien.
„Hier zu erwähnen bleibt noch ein Kontaktaufnahme- und Anbahnungsversuch der Gegenseite 1983 in Genf. Dies durch einen angeblichen Vertreter des Departement of Intelligence and Security (DIS) – also des ANC-Geheimdienstes – bei einem Mitarbeiter der damaligen Abteilung Nachrichtendienst. Weil sich dieser Mann nach drei Kontakten schon als ein in der DDR nachrichtendienstlich ausgebildeter ANC-Vertreter offenbarte, verblieb auch dieser Versuch ohne weitere Folgen“.
5.1.4 Schliesslich hat sich Divisionär P. Regli im selben Jahr 1999 im Rahmen der Untersuchungen der Delegation der Geschäftsprüfungskommissionen über
die Rolle des Schweizer Nachrichtendienstes in den Beziehungen zu Südafrika
42
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
über die Bedeutung der Kontakte zum Südafrikanischen Nachrichtendienst
geäussert. Im Bericht der GPDel vom 12. November 1999 heisst es:
„Zur Bedeutung der Kontakte mit Südafrika machte Divisionär P. Regli ...
geltend, dass ein Nachrichtendienst Informationen aus verschiedenen Quellen
(also auch von Partnerdiensten) benötige, um der eigenen politischen und
militärischen Führung zuverlässige und bestätigte Beurteilungen vorlegen zu
können. In der Zeit des ‚Kalten Krieges’ hätten die Sowjetunion und der
Warschauer-Pakt für die Schweiz die Hauptbedrohung dargestellt. Alle
Nachrichten zu diesem Thema seien von grosser Relevanz gewesen.
Südafrika sei zu jener Zeit in Angola gegen kommunistische Kräfte mit
sowjetischem Material in einem Krieg engagiert gewesen. Die Erkenntnisse
aus diesem Krieg seien für den Schweizerischen Nachrichtendienst von vitaler
Bedeutung gewesen. Kein Nachbarland in Europa habe eine ähnliche
Erfahrung aufweisen können. Ebenso seien die kommunistischen
Geheimdienste auf dem afrikanischen Kontinent sehr aktiv gewesen. Auch aus
diesem Grund sei der Schweizerische Nachrichtendienst an Kontakten zu den
Geheimdiensten Südafrikas sehr interessiert gewesen. Festzuhalten sei aber,
dass der Schweizerische Nachrichtendienst von Südafrika entscheidend mehr
Nutzen gezogen habe als umgekehrt.“ (BBl 2000, S.572).
5.2 Die vorgenannten fachlichen Begründungen für die intensiven Kontakte des
Schweizer Nachrichtendienstes mit den südafrikanischen Diensten blenden die politischen und verfassungs- und völkerrechtlichen Fragen einer fachlichen
Zusammenarbeit mit den Sicherheitsdiensten des Apartheid-Regimes
weitgehend aus (dazu unten Ziff.8). Sie stellen vor allem in den Vordergrund,
dass von südafrikanischen Partner in den 80er Jahren vielfältige militärische,
insbesondere waffentechnische Erkenntnisse aus der Konfrontation mit
sowjetisch gesteuerten und ausgerüsteten Freiheitsbewegungen und Regimes
vermittelt wurden. Doch mit dem Ende des Angola-Krieges 1988, mit dem
förmlichen Vertrag zwischen Südafrika, Kuba und Angola vom Dezember 1988
über die Unabhängigkeit für Namibia, den Abzug der Kubaner aus Angola und
43
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
der Einstellung der südafrikanischen Militärhilfe für die UNITA-Rebellen in Angola
sowie vor allem mit dem Kurswechsel, den Präsident Frederik Willem de Klerk nach der Amtsübernahme von Pieter Botha eingeleitet hatte, war Südafrika nicht mehr massgeblich in kriegerische Handlungen verwickelt. Und nach dem
Zusammenbruch des Warschauer-Paktes war das Land nicht mehr, auch nicht
virtuell, irgendwie bedroht (zu diesen Umbruchsjahren in Südafrika vgl. z.B.
James Barber, South Africa in the Twentieth Century, Oxford 1999, bes. S. 223ff).
Spätestens 1989/1990, nachdem auch noch die letzten Erkenntnisse von im
Angolakrieg erbeuteten Waffen ausgewertet worden waren, war meines
Erachtens die nachrichtendienstliche Beziehung zu Südafrika für ein
europäisches Land nicht mehr vom selben fachtechnischen Wert wie noch in den
80er Jahren. Dazu kommt, dass für die Schweiz, etwa nach Auffassung von
aKKdt A. Liener, im europäischen Raum ohne Zweifel die Maghreb-Staaten und
andere Teile von Nordafrika politisch und strategisch wichtiger waren und sind.
5.2.1 Zweifel über die Notwendigkeit des Kontaktes mit den Partnern in Südafrika sind
auch im Nachrichtendienst aufgetaucht. Im Herbst 1991 schreibt Div Regli bezüglich der Verschiebungen der Sicherheitslage in Südafrika, dass die äussere
Bedrohung praktisch nicht mehr existiere. Dagegen habe die „innere Bedrohung“
durch „Mekontwo we sizwe / den militärischen Arm des ANC“, und andere
Gruppen zugenommen. Im Rahmen des Demokratisierungsprozesses werde die
politische Instabilität durch die extremistischen Bewegungen gefördert. Die
Zusammenarbeit zwischen den Defense Forces und der Polizei (SAP) sei daher
sehr eng und eingespielt. Jeder Infanterist habe z.B. eine „counterinsurgency-
Ausbildung“ genossen und könne in solchen Einsätzen verwendet werden.
Aufschlussreich ist namentlich eine interne Studie des Chefs Nachrichten, F. Schreier, vom 1. Oktober 1991, in dem zuerst erwähnt wird, dass der ND
(1990) „aufgrund des durch die PUK EMD geweckten Interesses an unseren
Verbindungen zum Ausland einerseits, der durch die Apartheidpolitik gegebenen
Sensitivität dieser Beziehungen andererseits, besondere Massnahmen zum
Schutz dieser Partnerbeziehungen befolgt“, namentlich eine Reduktion der
44
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Kontakte zum südafrikanischen Residenten in Bern und der Fachgespräche mit
dem Partnerdienst anstrebt. Danach werden allgemein die Beziehungen zu den
Partnern in Südafrika beurteilt. Es bestehe eine „neue Lage“:
„Gegeben durch innenpolitische Neuorientierung in SA [Südafrika] und allmählicher Wegfall der Frontstaatenstellung einerseits, Neuausrichtung sowjetischer Aussenpolitik, Auflösung WAPA und dessen Engagement im südlichen Afrika sowie durch Redimensionierung der Unterstützung der Proxis andererseits.
Folgen:
- Wir haben Interesse an innenpolitischer Stabilisierung in SA, schon weil SA halb Afrika mit Landwirtschaftsprodukten etc. versorgt (CH auch wachsend wichtiger Absatzmarkt für Diamanten, ferner könnte SA wichtiger Markt für CH-Produkte, Know-How, allenfalls auch Dienstleistungen werden, etc).
- Wir sind an der innenpolitischen Entwicklung in den andern Ländern des südlichen Afrikas, an der Verfolgung aktueller und potentieller zwischenstaatlicher Auseinandersetzungen sowie an Einflussnahme (auch wirtschaftlicher) ausserafrikanischer Mächte in diesen Staaten interessiert (z.B. Volksrepublik China). [SA-Dienst] ist wesentlich verlässlicherer Monitor als alle denkbaren Alternativen. - Stellenwert [des SA-Dienstes] für uns sinkt damit im Bereich Waffen, Munition, Kampfstoffe und auch Streitkräfte, steigt im Bereich Politik, Wirtschaft, indirekte Einwirkung, Terrorismus, Migrationen, Waffenhandel, Drogen, etc.
Dies macht [den südafrikanischen Dienst] dennoch allgemein weniger wichtig und auch weniger kritisch für uns. Diese Tatsache kann und soll jedoch auch nicht Anlass für eine Änderung der Partnerbeziehungen sein. [Der Dienst] hat sich bisher als hilfreicher und verlässlicher Partner erwiesen. Dies ist zu honorieren. Vor Änderung oder Festlegung unserer Haltung ist zumindest auch die nachrichtendienstliche Weiterentwicklung von [SA] abzuwarten. Langfristig könnten sich weitere Investitionen unsererseits durchaus einmal gut auszahlen. Vieles bedarf erst noch der Klärung.“ [Eckige Klammern enthalten Erläuterungen für den vorliegenden Bericht].
Angefügt werden dann noch Überlegungen über allfällige Neuausrichtungen in
Südafrika bezüglich thematischer Interessen, Schwergewichtsräume der
Nachrichtenbeschaffung und weiterer Prioritäten im Nachrichtendienst. Da diese
Fragen der Neuausrichtungen noch abzuklären sind, wird keine Empfehlung auf
Änderung der Kontakte abgegeben.
45
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
5.2.2 Dieses offenbar für die Mitglieder der Leitung des Dienstes bestimmte Papier hat
jedenfalls, wie auch die Erkenntnis, dass es uns mehr um innerstaatliche
Auseinandersetzungen ging, keine wesentlichen Änderungen in den
Beziehungen zu den südafrikanischen Partnern bewirkt. Gegenteils lässt sich
feststellen, dass bis 1997 die Kontakte auf den verschiedenen Stufen in der
Schweiz und in Südafrika praktisch in der selben Dichte weitergeführt wurden
wie es in der zweiten Hälfte der 80er Jahre der Fall war. Aus den
Kontaktprotokollen gewinnt man den Eindruck, dass schweizerischerseits nicht
nur die Fachkompetenz des südafrikanischen Militärs geschätzt wurde, sondern
dass jedenfalls auch persönliche Freundschaften sowie Reiseerlebnisse bei den
Besuchen in Südafrika, wo die Schweizer Delegationen jeweils recht verwöhnt
wurden, Gefallen fanden.
6. Abschnitt: Fachliche Erträge
Die Bedeutung einer intensiven, regulären und regelmässigen nachrichten-
dienstlichen Zusammenarbeit muss auch aus den fachlichen Erträgen dieser
Kontakte erschlossen werden können.
6.1 Nun ist wiederum weder das Administrativverfahren geeignet noch der
Unterzeichnende entsprechend fachkompetent, um den Umfang und die
Tragweite der fachlichen Erträge aus den Beziehungen zu einem solchen
Partnerstaat voll beurteilen zu können. Dazu bräuchte es besondere methodische
Untersuchungen. Immerhin möchte ich einige Hinweise auf bestimmte Eindrücke machen. Am Beispiel der von mir näher studierten Beziehungen zum
Partnerdienst in Südafrika zeigte sich, dass die Assessments, denen man sich
gegenseitig unterzog, seriös vorbereitet wurden. Wie mit anderen Partnern war
auch mit Südafrika der Kontakt im fachlichen Bereich, ob er in der Schweiz oder
im Partnerland stattfand, jeweils sorgfältig organisiert, und das Arbeitsprogramm
war gut strukturiert. Lücken der Nutzung zeigten sich mir bei der Erfassung der
ausgetauschten bzw. erhaltenen Dokumente und deren Nutzung in den
verschiedenen Sektionen des SND. Insgesamt wird aber der innerdienstliche
46
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Ertrag, etwa in Frage der Waffentechnik (z.B. der Flugabwehrmittel) recht
beachtlich gewesen sein.
6.2 Etwas anderes gilt meines Erachtens für die Vermittlung der Resultate an die vorgesetzten Stellen (Generalstabschef, Armeeführung, Bundesrat). In dem
(allerdings erst) am 3. September 1993 formulierten „Grundauftrag für den Nachrichtendienst“ des Generalstabschefs heisst es u.a. „Der USC NC stellt im
Bereich SND sicher: ... die Verfolgung und Beurteilung der strategischen und
militärischen Lageentwicklung im Ausland. Daraus abgeleitet die Bereitstellung
von Entscheidgrundlagen zu Handen der politischen und militärischen Führung“.
Ähnlich lautete dann Art. 2 der „Verordnung über den Nachrichtendienst (VND)“, die der Bundesrat am 4. Dezember 1995 gestützt auf Art. 99 Abs. 3 des
neuen Militärgesetzes erlassen hatte:
„Art. 2 Strategischer Nachrichtendienst Der Strategische Nachrichtendienst stellt die ständige Auslandaufklärung
sicher. Er beschafft zuhanden der politischen und militärischen Führung und in enger Zusammenarbeit mit anderen Bundesstellen Informationen, die für die Sicherheit der Eidgenossenschaft bedeutsam sind, wertet diese aus und verbreitet sie.“ [Hervorhebung nur hier].
Die am 4. Dez. 2000 neu gefasste Nachrichtendienstverordnung (VND) (SR
510.291) umschreibt den Auftrag des SND praktisch gleich; nur der 1. Satz von
Art. 2 VND wurde modifiziert:
„Der SND stellt den ständigen Auslandnachrichtendienst sicher. Er beschafft.....“
Nach den noch vorhandenen Unterlagen und nach verschiedenen Aussagen in
Anhörungen (z.B. der KKdt Feldmann und Liener, Div Vinzenz und von Orelli
oder alt Generalsekretär H.-U. Ernst) sind spezifische Erkenntnisse aus den
Südafrika-Kontakten der höheren vorgesetzten Ebene nur spärlich und punktuell
übermittelt worden. Dass etwa jeder Chefbesuch auch zu einer kurzen
Information des Departementsvorstehers oder des Generalstabschefs geführt
hätte, kann füglich nicht behauptet werden.
47
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
6.3 In den regelmässigen (vertraulichen) allgemeinen Lageberichten des ND, die
auf Bundesebene wöchentlich einem festen Adressatenkreis zugeleitet wurden,
kommen Abschnitte über Südafrika und das südliche Afrika überhaupt hin und
wieder vor (vgl. z.B. Lagebericht Nr. 26 vom 11.7.1988: Ziff. 4.2. Südafrika:
Innenpolitische Lage; Nr. 27 vom 18.7.1988: Ziff. 4.2. die Lage in und um Angola;
Nr. 40 vom 17.10.1988: Ziff. 4.2. zur Lage im südlichen Afrika; oder Nr. 8 vom
25.2.1991: Ziff. 4.1, und Nr. 23 vom 24.6.1991: Ziff. 4.1 zur Lage in Südafrika
nach der Abschaffung der Apartheidgesetze; Nr. 35 vom 16.9.1991: Ziff. 4.1 zur
Lage in Angola nach Beginn des Friedensprozesses; Nr. 48 vom 16.12.1991: Ziff.
4.1 zur Lage in Südafrika vor Beginn der Verfassungsverhandlungen; Nr. 18 vom
5.5.1993: Ziff. 4.1. zur Lage in Südafrika; Nr. 29 vom 21.7.1993: Ziff. 4.2. zur
Lage in Südafrika; Nr. 34 vom 25.8.1993: Ziff. 3.2. zur Lage in Angola).
6.3.1 Diese Lageberichte wurden allerdings nicht so sehr durch die Berichte und
Dokumente aus den Partner-Kontakten, sondern durch vielfältige andere, auch
allgemein zugängliche Quellen gespeist. Dadurch können aus den Lageberichten nur begrenzte Schlussfolgerungen über den fachlichen Wert der Partner-Kontakte gezogen werden.
6.3.1.1 Interessant sind die Lageberichte dennoch, z.B. dass im für Südafrika wichtigen
Jahr 1988 die öffentliche Kritik und „Desinformation“ bestimmter z.B. kirchlicher
Kreise in der Schweiz an den harten Sicherheitsmassnahmen und
Gerichtsurteilen gegen „schwarze Unruhestifter“ abgelehnt wird; jedenfalls
diesbezüglich sei die Kritik am Apartheidstaat unberechtigt. Bezüglich der
innenpolitischen Entwicklung wird zum einen vor dem ANC gewarnt: „Der ANC,
eine von der illegalen kommunistischen Partei gesteuerte, gut durchorganisierte
Terrorbewegung, die den kommunistischen Umsturz zum Ziel hat“. Dieser habe
durch die südafrikanischen Sicherheitskräfte starke Verluste erlitten. Immerhin sei
der ANC jetzt, auch weil Moskau und Pretoria neustens auf einander zuzugehen
versuchten, zu Verhandlungen bereit. Der zweite wichtige Faktor seien die
Reformbestrebungen von Präsident Botha, die allerdings wegen der
unüberbrückbaren Rassengegensätze zum Scheitern verurteilt seien. „Das heisst
48
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
im Klartext: langfristig sieht Südafrikas Zukunft weiterhin düster aus.“
(Lagebericht Nr. 26, S. 14/5)
6.3.1.2 Im Oktober 1988, nachdem Präsident Botha eine diplomatische Offensive bei
den Führern der schwarzafrikanischen Staaten unternommen und Angola,
Südafrika, Kuba und die USA über einen Frieden und den Abzug der Kubaner
aus Angola zu verhandeln begonnen hatten, heisst es im Lagebericht Nr. 40 vom
17. Okt. recht vorsichtig:
„Zur Lage im südlichen Afrika ist zur Zeit dreierlei festzustellen: (1) hat sich das Geschehen praktisch ausschliesslich auf den Angola-Namibia Konflikt zugespitzt, (2) haben sich die Aktivitäten weitgehend vom militärischen auf das politisch-diplomatische Terrain verlagert, und (3) stehen alle beteiligten Parteien mitten in einer Entwicklungsphase, in der noch vieles in der Schwebe liegt, nichts entschieden ist und Voraussagen in irgendeiner Richtung die Gefahr von Fehleinschätzungen in sich zu schliessen.“
6.3.1.3 Im Juni 1991 enthielt der Lagebericht Nr. 23 aber eine differenzierte Schilderung
der politischen Lage, die zusammengefasst lautet:
„Mit der offiziellen Aufhebung der Apartheid-Gesetze in Südafrika kann der seit mehr als einem Jahr begonnene Reformprozess der Regierung Präsident de Klerks, gefestigt nun auch durch die gesetzlichen Grundlagen, weitergeführt werden und sollte in den kommenden Monaten zu den geplanten Verhandlungen für eine neue Verfassung überleiten. Durch die Abschaffung der Apartheidsgesetze dürfte die internationale Isolierung Südafrikas verringert und die Sanktionen schrittweise aufgehoben werden, was für einen wirtschaftlichen Aufschwung und die Schaffung neuer Infrastrukturen für die schwarze Bevölkerung von vitaler Bedeutung ist. Gefährdet könnte der Reformprozess weiterhin von radikalisierten Schwarzengruppen oder ultrakonservativen Weissen werden. Mittelfristig ist jedoch davon auszugehen, dass die entscheidenden Parteien und Organisationen, die an den Verfassungsverhandlungen beteiligt sein werden, sich der Tatsache bewusst sind, dass der Reformprozess in Südafrika unumkehrbar ist und nur ein pluralistisches Regierungssystem Südafrika eine Zukunft garantieren kann.“
6.3.1.4 Angemerkt sei, dass im Angola-Namibia-Konflikt der UNITA-Führer Jonas Savimbi, der mit dem Vertreter des FFND und des SND zwischen 1984 und
1991 einzelne Kontakte hatte (dazu unten Ziff. 10) in einem Lagebericht von 1988
als „zentrale Figur“ angesehen wird, „an der vorbei niemand zu einer dauerhaften
49
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
friedlichen Regelung wird gelangen können“ (Bericht Nr. 40 vom 17.10., S. 15/6).
Dies sollte sich dann allerdings nicht bewahrheiten. Nach dem Abzug der
Kubaner gelang es im Mai 1991, in Angola nach 16 Jahren Krieg Frieden zu
schaffen (vgl. Bericht Nr. 35 vom 16.9.91) sowie Namibia in die Unabhängigkeit
zu entlassen. In den Wahlen vom September 1992 verloren die UNITA mit
Savimbi gegen MPLA, die Partei des Präsidenten Dos Santos, worauf die
UNITA zu Ende 1992 die Kämpfe wieder aufnahm. Im Lagebericht Nr. 34 vom
25. Aug. 1993 wird die neuerliche, schreckliche Kriegsentwicklung geschildert;
Friedenshoffnungen bestehen trotz internationaler Bemühungen kaum. Als Fazit
steht:
„Ein befriedetes Angola war 1992 die grosse Hoffnung für die gesamte südafrikanische Region: man erhoffte sich nach dem Demokratisierungs-prozess in Angola positive Einflüsse auf die Friedenssuche in Moçambique sowie auch auf die künftige Demokratisierung Südafrikas. … Die Wahlen waren relativ frei verlaufen und die Weigerung, das Resultat anzuerkennen, hat die UNITA völlig von ihren Verbündeten isoliert und der ehemaligen MPLA in Luanda, die sich allmählich von ihren marxistischen Traditionen zu lösen versucht, beinahe unverdiente Legitimation eingetragen.“
6.3.1.5 Fünf Jahre nach den politisch noch stark im bipolaren Denken verhafteten
Schilderungen von 1988, wird für Südafrika im Frühjahr 1993, als die am 20. Dez.
1991 begonnenen, aber dann bald unterbrochenen Verhandlungen über die
Verfassungsordnung wieder aufgenommen wurden, im Mai 1993 ein kritisches
Bild der Lage und Entwicklungen in Südafrika gezeichnet (Lagebericht Nr. 18
vom 5. Mai 93, S. 8 ff). Anerkannt wird namentlich das „Krisenmanagement“ der
Regierung de Klerk und der ANC-Führung unter Nelson Mandela nach der
Ermordung des ANC-Führers Chris Hani; kritisch wird die weiterhin bestehende
„Kultur der Gewalt“ beider Seiten sowie die schlechte Wirtschaftslage beurteilt. Zu
Lagebericht Nr. 29 vom 21. Juli 1993 wird im Anschluss an die öffentliche
Bekanntgabe des Wahltermins (April 1994) die Übergangsordnung vorgestellt.
Erstmals wird deutlich dargelegt, dass „die Stabilität des Landes … nicht nur
durch die Unruhen zwischen Schwarzenorganisationen und der desolaten
Wirtschaftslage bedroht, sondern vermehrt auch von Seiten weisser ultrarechter
Organisationen und Gruppierungen“. Das konservative Lager der Buren habe im
50
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Frühjahr 1993 eine erhebliche Verstärkung durch die „Conservative Party“ unter
ihrer „neuen Führung des Hardliners Hartzenberg“ (N.B. des Bruders des
Richters im späteren Basson-Prozess, vgl. Kap. IV). Die rechten und
konservativen Kreise hätten im April 1993 die „Afrikaaner Volksfront“ gebildet, die
ein autonomes weisses Staatsgebilde in Südafrika fordert und die Bildung einer
„Alternativregierung“ erwägt. Mit dieser Bewegung sind auch Teile der Armee
verbunden: „Wenn auch die Führung der SADF heute die Unvermeidlichkeit des
Reformprozesses anerkennen dürfte, ist denkbar, das vor allem eine mittlere
Schicht der Ränge innerhalb der Streitkräfte mit der weissen Rechten
sympathisiert“ (S. 9). Dennoch setzt der Lagebericht Hoffnungen auf den weitern
Verfassungsprozess, meint aber, dass „Südafrika vorläufig in einer krisenhaften
Lage verharren wird, was die Stabilität des Landes kurz- bis mittelfristig tangieren
dürfte“ (S. 10).
6.3.1.6 Selbstverständlich erlauben solche wenigen, ausgewählten Beispiele keine
allgemeinen, wissenschaftlichen Folgerungen über die Beurteilung der Politik im
südlichen Afrika durch den ND. Dass die Lageberichte in der Bundesverwaltung
periodisch kritisch diskutiert wurden, ist mir nicht bekannt. In den Chef- und
Fachkontakten mit den Nachrichtendiensten von SA wird aber, soviel lässt sich
nachträglich aus den Kontakt-Protokollen feststellen, die Komplexität der und das
Differenzierungsbedürfnis gegenüber der innenpolitischen Lage des
Partnerlandes selbst Mitte der 90er Jahre kaum sichtbar. Meistens rapportieren
die Berichte einfach die politischen Standpunkte der Gesprächspartner. Das
belegt umgekehrt, dass die Lageberichte kaum darauf abstellten.
6.4 Über besondere Informationen, die an andere Stellen ausserhalb des
Departements, etwa an das EDA, weitergegeben worden sind, habe ich keine
Belege finden können. Eine Antwort des EDA vom 12. April 2002 an die
Geschäftsprüfungsdelegation über die Abwicklung der Beziehungen der Schweiz
zu Südafrika zwischen 1980 und 1998 zeigt, dass Kontakte zwischen den beiden
Departementen eher zufällig waren und nicht zu einem strukturierten Meinungs-
51
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
und Informationsaustausch führten. Die Koordination der strategischen
Nachrichtenarbeit setzte erst mit der Reorganisation 1999/2000 ein.
6.5 Diese begrenzte Informationsvermittlung entsprach wohl den gängigen
Vorstellungen des Auftrags des ND in den 80er und 90er Jahren. Nachdem in
den letzten drei Jahren im Rahmen der Neuorganisation der
sicherheitspolitischen Führung des Bundesrates (vgl. die entsprechenden
Weisungen des Bundesrates vom 3. Nov. 1999, BBl 2000, S. 228 ff.) der SND auf
Bundesebene eine Neuausrichtung und eine neue Positionierung im VBS
gefunden hat, bei der er per Ende 2000 aus dem Generalstab herausgelöst
wurde, haben solche Feststellungen vermutlich nur noch einen historischen Wert.
7. Abschnitt: Nachrichtendienstliche Zusammenarbeit ungeachtet der Ausrichtung der Landespolitik?
7.1 Eine zentrale Frage bleibt aber bestehen: War es richtig, dass der Schweizer
Nachrichtendienst während der Zeit des Apartheid-Regimes ab 1978/80 bis 1994
nicht nur nach besonderen, konkreten Bedürfnissen in Einzelfällen mit den
südafrikanischen Diensten zusammengearbeitet, sondern eine regelmässige Zusammenarbeit eingerichtet und gepflegt hat? Niemand konnte damals
übersehen, dass die Republik Südafrika seit Ende der 60er Jahre eine von der
Völkergemeinschaft und insbesondere auch von der Generalversammlung und
dem Sicherheitsrat der UNO zunehmend kritisierte und abgelehnte Staats-,
Regierungs- und Rechtsordnung hatte. Die Schweiz teilte die internationale
moralische Verurteilung der Apartheid-Politik. Sie schloss sich auch dem bis
1994 geltenden, verbindlichen Kriegsmaterial-Embargo nach der Resolution
418 des UNO-Sicherheitsrates vom 4. Nov. 1977 an (zu den UN-Embargo-
Resolutionen von 1963 bis 1984 siehe Signe Landgreen, Embargo
Disimplemented: South Africas Military Industry, SIPRI, 1989, S. 248-252).
Zudem führte die Schweiz später in denjenigen Bereichen, in denen sowohl die
EU-Staaten wie auch die USA Sanktionen gegen Südafrika ergriffen hatten
(nämlich dem Verbot der Einfuhr von Krügerrand-Goldmünzen und gewissen
52
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Eisen- und Stahlprodukten, dem Verbot der Ausfuhr von Erdöl, der Ausfuhr von
Computern für die südafrikanische Polizei und Armee sowie von Nukleargütern)
1986 ein System der statistischen Überwachung der Handelsflüsse ein. (Dazu:
Interdepartementale Arbeitsgruppe Schweiz-Südafrika, Die Beziehungen
zwischen der Schweiz und Südafrika, 1999, S. 6 ff.) Niemand konnte übersehen,
dass der Bundesrat zwar die diplomatischen Beziehungen mit Südafrika aufrecht
erhielt, allerdings auf einer ganz reduzierten Flamme. In all den Jahren gab es
praktisch keine Visiten von Chefbeamten, schon gar nicht einen Besuch eines
Mitgliedes der Landesregierung in Südafrika. Dementsprechend hat z.B.
Generalstabschef KKdt H. Häsler am 30. April 1992 eine von Div Regli
übermittelte Anfrage der südafrikanischen Armeeführung, ob der Unterstabschef
Planung, Div P. Müller, die Südafrikaner über die laufende Armeereform (Armee
95) orientieren könnte, umgehend abgelehnt. Ebenso hielt sich der Bund bei der
Unterstützung wirtschaftlicher oder kultureller Zusammenarbeitsformen enorm
zurück und unterstützte gegenteils zwischen 1986 und 1994 (oppositionelle)
Nichtregierungsorganisationen (vgl. Bericht der Interdepartementalen
Arbeitsgruppe über die Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika, vom
Juli 1999, S. 7). Aufschlussreich ist hier namentlich eine Antwort des
Bundesrates vom 13. Dezember 1976 auf eine Einfache Anfrage Carobbio vom 23. September 1976 zur Lage in Südafrika. Darin heisst es unter anderem:
"Au sujet de la politique d’apartheid de l’Afrique du Sud, le Conseil fédéral a
déclaré à plusieurs reprises que la position officielle de la Suisse continuait
d’être celle que l’Ambassadeur Lindt eut l’occasion de développer en 1968
comme chef de la délégation suisse à une conférence internationale sur les
droits de l’homme, à savoir qu’une organisation de la société fondée sur
l’apartheid est en contradiction avec les traditions démocratiques et humanitai-
res de notre pays. Les autorités suisses ne peuvent dès lors que condamner
moralement un tel système.
Un embargo général sur les exportations suisses de matériel de guerre vers la
République sud-africaine est en vigueur depuis le 6 décembre 1963."
53
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Die vom Bundesrat verfolgte Politik der entschiedenen Ablehnung des
Apartheidregimes und der Unterstützung der Kräfte des Wandels führte ihn
später etwa dazu, zusammen mit nordischen Staaten den ersten inner-
afrikanischen Dialog zwischen schwarzen und weissen Politikern im Juli 1987 in
Dakar zu unterstützen oder sich für die Freilassung Nelson Mandelas
einzusetzen, der danach auf seiner ersten Europareise am 9. Juni 1990 auch
Bundesrat Felber offiziell besuchte.
7.2 Dass angesichts der allgemein bekannten, − heute vielleicht als eher vorsichtig
beurteilten −, aber doch unmissverständlichen Haltung der Schweizerischen
Regierung eine Bundesstelle aus spezifischen fachtechnischen Interessen und
aus dem eigenen Selbstverständnis ihres Auftrages heraus – entgegen den
allgemeinen politischen Vorgaben des Bundesrates – eine ganz andere Politik
betrieb, ist meines Erachtens kaum zu rechtfertigen. Dies ist nicht nur eine
Frage der Kohärenz und Konsistenz schweizerischer Aussenpolitik, sondern auch
eine Frage der Beachtung wesentlicher Verfassungsgrundsätze der Aussenpolitik
sowie eine Frage einer abgestimmten inner- und interdepartementalen
Verwaltungsführung.
7.3 Aus der Untersuchung der Beziehungen zu Südafrika ergibt sich aber, dass der
Nachrichtendienst zwar aufgrund der sicherheitspolitischen Interessen des
Landes ungeachtet der Unterschiede der politischen Systeme im Prinzip mit den
verschiedensten Staaten und Organisationen zusammenarbeiten soll und muss,
dass es aber jedenfalls in besonderen Fällen, wie heute z.B. im Fall des Irak, im
Interesse der Beachtung der obersten Grundsätze des Völkerrechts sowie der
Maximen und Verfassungsgrundsätze der schweizerischen Aussenpolitik, meines
Erachtens nicht angeht, dauerhaft regelmässige Kontakte zu pflegen, wie das
mit Südafrika ab 1979/80 bis zum Wandel von 1994 geschah.
7.3.1 Dass der SND unter seinen früheren Chefs, Div R. Ochsner und Div M.
Petitpierre, ungeachtet aller politischen und rechtlichen Probleme ständige relativ
enge Kontakte mit den südafrikanischen Partnerdiensten aufnahm und dann
unter den Nachfolgern Div H. Schluep und Div P Regli praktisch unverändert
54
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
weiter pflegte, mag schon daher rühren, dass früher in der Departementsführung
die Auffassung herrschte (wie z.B. aGS Fürsprecher H.-U. Ernst in einer
Anhörung erklärte), dass diese besser nicht zuviel von den „Geheimdiensten“
wissen sollte (was schon die PUK EMD in ihrem Bericht vom 17. Nov. 1990, S.
63/4, kritisierte).
Zudem war diese Beziehungspflege sicher auch dadurch erklärbar, dass ein
relativ kleiner Nachrichtendienst wie der SND mit seinen beschränkten Mitteln froh war um den von ihm als ertragreich angesehenen Informationsaustausch mit
diesem Partner.
7.3.2 Man kann bei der Beurteilung der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit
Schweiz – Südafrika auch argumentieren, dass andere (westliche) Staaten noch
viel intensiver – trotz Ablehnung der Apartheidpolitik – mit Südafrika
nachrichten- und geheimdienstlich zusammengearbeitet haben. So erstellte z.B.
die amerikanische National Security Agency (NSA) zusammen mit dem
amerikanischen Marine-Nachrichtendienst ein Untersee-Nachrichtennetz entlang
der südafrikanischen Küste (vgl. Jacques Baud, Encyclopédie du renseignement
et des services secrets, Paris 1998, S. 18). Ab 1975 griff der amerikanische CIA
auch in den angolanischen Bürgerkrieg ein (Gregory F. Treverton, Top Secret!
Geheime Operationen und ihre politischen Auswirkungen, Stuttgart 1988, S. 212
ff.). Das britische Government Communications Headquarter sicherte z.B. für SA
die elektronische Aufklärung in Angola und Moçambique und unterstützte den
Betrieb der südafrikanischen Abhöranlagen in Simonstown (Baud, a.a.O., S. 18).
Eine sehr enge Zusammenarbeit bestand vor allem zwischen Israel und Südafrika
(davon James Adams, The unnatural alliance. Israel and South Africa, London
1984, S. 85 ff.; Peter Körner, Südafrika zwischen Isolation und Kooperation.
Ökonomische, politische und militärische Zusammenarbeit des Apartheidstaates
mit Submetropolen [Brasilien, Argentinien, Iran, Israel, Taiwan, Südkorea],
Hamburg 1981, S. 101 ff.). Alle diese Beispiele reichen weit über das hinaus, was
der SND mit den südafrikanischen Partnerdiensten in den Fachgesprächen
55
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
betrieb; doch die Schweiz hat sich selber strengere Verpflichtungen auferlegt als
die erwähnten Staaten.
7.3.3 Dennoch können selbst die Sicherheits- oder Nachrichtendienste in
völkerrechtlich kritischen Situationen nicht uneingeschränkt „normale“
Beziehungen mit dem Partnerdienst pflegen, ohne dass sie – und das zeigt auch
der vorliegende Fall – früher oder später in schwer haltbare Situationen geraten. Nötig ist mindestens für einen Sicherheits- oder Nachrichtendienst, dass
er bei solchen umstrittenen Beziehungen die regelmässige politische Beurteilung
und Zustimmung der Staatsleitung sucht. In Bezug auf die regelmässigen
Kontakte des SND zu Südafrika hat die politische Diskussion durch Bundesrat und Parlament erst 1994, am Ende der Apartheid-Zeit, eingesetzt.
8. Abschnitt: Maximen und Verfassungsvorgaben der Aussen- und
Sicherheitspolitik
8.1 Die Nachrichtendienstverordnung (VND) vom 4. Dez. 2000 bestimmt wie gesagt
in Art. 2 Abs. 1:
"Der SND .... beschafft zuhanden der politischen und militärischen Führung und in enger Zusammenarbeit mit anderen Bundesstellen Informationen, die für die Sicherheit der Eidgenossenschaft bedeutsam sind, wertet diese aus und verbreitet sie."
Dieser so 1995 formulierte Auftrag des SND weist über die militärischen
Nachrichtenbedürfnisse deutlich hinaus, entspricht aber dennoch weitgehend
auch den Vorstellungen vom Auftrag der UNA bzw. UG ND in früheren Jahren
(vgl. die Geschäftsordnung des Stabes der Gruppe für Generalstabsdienste vom
23. Mai 1977, Art. 25-30; vom 1. Spt. 1980, Art 27-35 und vom 15. Mai 1987, Art.
40-46). Der Auslandnachrichtendienst soll wie eh und je die strategische Führung
der Schweiz durch den Bundesrat im Bereich der äusseren und inneren
Sicherheit unterstützen (vgl. Bericht des Bundesrates über die Sicherheitspolitik
der Schweiz vom 7. Juni 1999, SIPOL B 2000, BBl 1999, S. 7718 ff.) Als
wesentliches Element der Sicherheitspolitik des Bundes ist er auch Teil der
56
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Aussenpolitik der Schweiz, allerdings nicht nur der Aussenpolitik, sondern auch
der Innenpolitik, da besonders im Bereich der inneren und äusseren Sicherheit
die Unterscheidung von Innen- und Aussenpolitik zunehmend „künstlich“
geworden ist (SIPOL B 2000, BBl 1999, S. 7719).
Niemand bezweifelt, dass die Tätigkeiten der Sicherheitsdienste, insbesondere
der Nachrichtendienste, die auf dem Gebiete der Schweiz stattfinden, an die
Verfassung gebunden sind (vgl. z.B. die Botschaft des Bundesrates vom 7. März
1994 zum Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit
[BWIS], BBl 1994 II 1127 ff., sowie namentlich Art. 1 BWIS: "Dieses Gesetz dient
der Sicherung der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundlagen der
Schweiz sowie dem Schutz der Freiheitsrechte ihrer Bevölkerung.").
Demgegenüber sind die Bindung der Aussenpolitik einschliesslich der
Sicherheitspolitik nach aussen keineswegs selbstverständlich. Das wird im
Rahmen dieser Administrativuntersuchung namentlich deutlich, wenn es um die
unter Ziff. 7.3 angesprochene Frage geht, wieweit ein kontinuierlicher
Informationsaustausch mit einem ausländischen Nachrichtendienst gepflegt
werden kann, der Sicherheitsinteressen eines Staates vertritt, der etwa
systematisch Grund- und Menschenrechte verletzt. Hier stellte sich – und stellt
sich weiterhin – die Frage, ob solche Kontakte mit den Maximen und
Verfassungsvorgaben der schweizerischen Aussen- und Sicherheitspolitik
vereinbar sind.
57
8.2 In der Staats- und Völkerrechtslehre der Schweiz wurde immer wieder diskutiert,
ob das Land in seinen Aussenbeziehungen ausschliesslich eine
interessengerichtete Politik verfolgen kann zur Wahrung seiner Souveränität,
Unabhängigkeit und Neutralität, oder aber ob die Schweiz auch in der
Aussenpolitik alle die Werte und Grundnormen vertreten müsse, zu der sie sich in
der innerstaatlichen Verfassungsordnung bekennt (vgl. Nachweise bei Walter
Kälin, Verfassungsgrundsätze der schweizerischen Aussenpolitik, ZSR 1986, Bd.
II, S. 269 ff., 278 ff.). Die erste Ansicht verkennt, dass die Aussenpolitik unter der
von der UNO-Charta bestimmten Völkerrechtsordnung seit dem 2. Weltkrieg
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
zunehmend grundlegenden Werten verpflichtet und verrechtlicht worden ist. Die
zweite Ansicht übertreibt die Ausrichtung auf die innerstaatliche Werteordnung
bei der Beurteilung der anderen Staaten und der Völkergemeinschaft. Die neuere schweizerische Aussenpolitik bringt die beiden Positionen insofern miteinander
in Einklang, als sie Interessenpolitik mit einem Engagement für Grund- und
Menschenrechte sowie für Frieden, Solidarität und Nachhaltigkeit zu verbinden
sucht (vgl. Aussenpolitischer Bericht 2000 - Präsenz und Kooperation:
Interessenwahrung in einer zusammenwachsenden Welt, vom 15. Nov. 2000, BBl
2001, 263; Bericht des Bundesrates über die Menschenrechtspolitik der Schweiz,
vom 16. Februar 2000, BBl 2000, S. 2586 ff.). Namentlich die Menschenrechtspolitik ist für die Schweiz gleichsam auch eine
Interessenpolitik, da sie als Kleinstaat besonders daran interessiert ist, dass die
zentralen Normen des Völkerrechts beachtet werden (Aussenpolitischer Bericht
2000, BBl 2001, S. 268). Für die Schweiz stellt die Förderung der
Menschenrechte ein wichtiges Ziel der Aussenpolitik dar, dem sich aus
Kohärenzgründen alle staatlichen Organe, auch die für die innere oder die
äussere Sicherheit zuständigen Nachrichtendienste, anzuschliessen haben. Dies
ergibt sich auch aus dem völkerrechtlichen Estoppel-Grundsatz, dem Verbot
widersprüchlichen staatlichen Handelns. Für die heutige schweizerische
Aussenpolitik jedenfalls gilt, dass sie in Fortführung der verfassungsrechtlich
bestimmten Innenpolitik die Wertebezogenheit sichtbar machen soll
(Aussenpolitischer Bericht 2000, S. 325).
58
8.3 Die neue Bundesverfassung hat nicht nur in der Aussenpolitik deutlichere
Zielvorgaben gemacht (vgl. neben der Präambel namentlich in Art. 2 und Art. 54
BV), sondern sie hat auch die "Sicherheitsverfassung" der Schweiz ausgebaut
(zum Begriff der Sicherheitsverfassung vgl. Rainer J. Schweizer, Staats- und
völkerrechtliche Aspekte des schweizerischen Engagements in der auswärtigen
Sicherheitspolitik, in: Festschrift Martin Lendi, 1998, S. 480 ff.; ders.,
Vorbemerkungen zur Sicherheitsverfassung, in: (St. Galler) Kommentar zur
Bundesverfassung, Zürich 2002, Rz. 6 ff.). Dabei geht die neue BV in Art. 57 von
einem weiten, ja umfassenden Begriff der Sicherheit aus, nach welchem
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Sicherheit des Landes letztlich nur im Rahmen einer "friedlichen und gerechten
internationalen Ordnung" (Art. 2 Abs. 4 BV) gewährleistet werden kann (ebenso
Alexander Ruch, Äussere und innere Sicherheit, in: Daniel Thürer u.a. [Hrsg.],
Verfassungsrecht der Schweiz, 2001, S. 892 ff.). Das macht einmal mehr
deutlich, dass die Sicherheitspolitik des Landes nach aussen Teil der
Aussenpolitik ist.
59
8.4 Dieses heutige verfassungsrechtliche Verständnis der auswärtigen
Sicherheitspolitik darf aber nicht unhistorisch auf die 80er und frühen 90er Jahre übertragen werden. Damals war noch nicht in diesem Ausmass wie heute
von einer Verfassungs- und Völkerrechtsbindung der Aussen- und
Sicherheitspolitik die Rede. Die damals vorherrschende Meinung war, dass die
Aussenpolitik (einschliesslich der äusseren Sicherheitspolitik) nicht durch
bindende Verfassungsvorgaben, hingegen durch bewährte, traditionelle Maximen bestimmt würde. Zu diesen zählten bekanntermassen (im Lichte von
Art. 2 Abs. 1 aBV) die Unabhängigkeit, die Neutralität, die Solidarität, die
Universalität und die Disponibilität der Schweiz (vgl. z.B. Jean Monnier, Les
principes et les règles constitutionnelles de la politique étrangère suisse, ZSR
1986, Bd. II, S. 121 ff.; Walter Kälin, a.a.O., ZSR 1986, Bd. II, S. 289 ff., 329 ff.;
Astrid Epiney, Beziehungen zum Ausland, in: Daniel Thürer u.a. [Hrsg.],
Verfassungsrecht der Schweiz, Zürich 2001, S. 873 ff.). Alois Riklin hat 1975
betont, dass in der Schweiz letztlich eine eindimensionale, auf die
Unabhängigkeit der Schweiz gerichtete Aussenpolitik vorherrschend sei (Alois
Riklin, Ziele Mittel und Strategien der schweizerischen Aussenpolitik, in:
Riklin/Haug/Binswanger [Hrsg.], Handbuch der schweizerischen Aussenpolitik,
1975, S. 30). Und noch 1992 meinen Walter Kälin und Alois Riklin, dass die
Schweiz immer noch eine eindimensionale, auf die Wahrung der Unabhängigkeit
und der eigenen Wohlfahrt ausgerichtete Aussenpolitik verfolge, welche sich
dafür den Maximen der Neutralität, Solidarität, Universalität und Disponibilität
bediene (Walter Kälin/Alois Riklin, Ziele, Mittel und Strategien der
schweizerischen Aussenpolitik, in: Riklin/Haug/Probst [Hrsg.], Handbuch der
schweizerischen Aussenpolitik, 1992, S. 177 ff.). Demgegenüber wird heute doch
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
neben einer solchen interessenorientierten Aussenpolitik eine „Verantwortung“
des Landes gegenüber der Staatenwelt gestellt, welche eine vermehrt an
ethischen Grundsätzen orientierte Aussen- und Sicherheitspolitik ermöglichen soll
und eine nur interessenorientierte Politik kaum mehr zulässt (so
Aussenpolitischer Bericht 2000, BBl 2001, S. 263).
9. Abschnitt: Maximen und Verfassungsgrundsätze für den strategischen Auslandsnachrichtendienst
9.1 Dass auch der Nachrichtendienst sich grundsätzlich an den klassischen Maximen
der schweizerischen Aussen- und Sicherheitspolitik orientiert hat, wird im
(erwähnten) "Grundlagenpapier über die Zusammenarbeit der UNA mit
ausländischen Nachrichtendiensten" vom 16. Juli 1990 deutlich. Darin heisst es:
"Allen ausländischen Nachrichtendiensten ....... ist Folgendes bekannt: - Die Einschränkungen in der Zusammenarbeit, die sich daraus ergeben,
dass die UNA sich immer strikt an die Prinzipien halten wird, die ihr als Nachrichtendienst eines neutralen Kleinstaates obliegen (z.B. keine gemeinsamen Aufklärungsoperationen, etc.).
- Generell die Obliegenheiten und Zuständigkeiten sowie die sich daraus
ergebende Aufgabenteilung zwischen Nachrichtendienst der UNA (Auslandaufklärung) und der Bundesanwaltschaft/Bundespolizei EJPD (Staatsschutz, Spionageabwehr, Terrorismusabwehr, organisiertes Verbrechen, Drogenfahndung etc).
- Das nachrichtendienstliche Interessenspektrum der UNA und der Abteilung
ND. - Dass die Abteilung ND auf ausländische Nachrichtenbedürfnisse nur eintritt,
dann allenfalls auch eigene Nachrichtenbeschaffung im Ausland betreibt, wenn diese Bedürfnisse ebenfalls im Interessenspektrum unserer nationalen Sicherheit liegen oder der Vorwarnung dienen.
- Dass wir die Nutzung von Schweizern oder von in der Schweiz ansässigen
Ausländern durch ausländische Nachrichtendienste prinzipiell nicht dulden, keine diese Personen betreffenden Fragen beantworten und auch keine Hinweise irgendwelcher Art über deren Aktivitäten und Zugänge im Ausland geben.
60
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
- Dass internationale Organisationen mit humanitärer Ausrichtung, wie z.B. das CICR [Internationales Komitee vom Roten Kreuz] und andere, als Mittel zur Auslandaufklärung für uns tabu sind und wir Kenntnisse über deren Nutzung durch ausländische Nachrichtendienste sofort an die zuständigen eidgenössischen Behörden weiterleiten werden.
- Dass wir im Falle von Verstössen von Schweizer Firmen gegen die
Bestimmungen des nuklearen Nonproliferationsvertrages oder in Fällen von Proliferation im Bereich chemische Kampfstoffe und diesbezüglicher Einsatzmittel, auch im Falle von Umgehungen von COCOM-Bestimmungen [dual use-Bestimmungen] sofort die zuständigen Behörden informieren, die die nötigen Abklärungen treffen und auch selber darüber entscheiden, in welcher Form und wie weit die ausländischen Nachrichtendienste über derartige Verstösse von Schweizern oder Schweizer Firmen informiert werden.
......... Ausländischen Nachrichtendiensten sind auch die Implikationen klar, die sich durch die Tatsache ergeben, dass wir ein Nachrichtendienst eines neutralen Staates sind. Hier klar hervorzuheben gilt, dass die ausländischen Dienste, mit denen die UNA mündliche Vereinbarungen über den Nachrichtenaustausch getroffen hat, unsere Neutralität vorbehaltlos respektieren. Uns ist sei 1977 kein Fall bekannt, der als bewusster Versuch eines ausländischen Nachrichtendienstes qualifiziert werden könnte, uns zur Nichtrespektierung oder Umgehung neutralitätspolitischer Obliegenheiten zu veranlassen."
Heutzutage muss der Strategische Nachrichtendienst ohne Zweifel eine stärker
am Recht orientierte Auslandstätigkeit entfalten. Doch das Grundlagenpapier von
1990 zeigt, dass damals neben der Neutralitätspolitik mindestens z.B.
internationale Abrüstungsverpflichtungen und Ächtungen besonders gefährlicher
Waffen beachtet wurden. Es wäre empfehlenswert, die 1990 formulierten
„Grundlagen“ im Lichte der Grundsätze der heutigen Aussen- und
Sicherheitspolitik und der Verpflichtungen und Abrüstungs-, Rüstungskontroll-,
Nonproliferations- und Sicherheitskooperationsvereinbarungen vertieft zu
diskutieren, zu überarbeiten und weiter zu entwickeln.
61
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
10. Abschnitt: Kritische Vorkommnisse
Im Lichte der in den 80er und anfangs der 90er Jahre geltenden Maximen und
Verfassungsgrundsätze schweizerischer Aussen- und Sicherheitspolitik sind im
Rahmen dieser Administrativuntersuchung einige kritische Vorkommnisse zu
besprechen.
10.1 Die Durchsicht der noch vorhandenen Dokumente aus den Kontakten ab 1980
zeigt, dass sich die allermeisten Vertreter des Nachrichtendienstes in Kontakten
mit Personen der südafrikanischen Nachrichten- und Sicherheitsdienste auf die
fachtechnischen Fragen konzentrierten. Einzelne Personen bezeugen heute in
den Anhörungen, dass sie bei ihrem Besuch in Südafrika von bestimmten
Situationen und Eindrücken doch sehr betroffen waren. Einzelne wenige Vertreter
des Nachrichtendienstes aber pflegten mit den Offizieren und Politikern aus und
in Südafrika einen betont verständnisvollen politischen Meinungsaustausch, und
sie äusserten sich selbst schriftlich in einer Art und Weise, die eine erstaunlich geringe politische Sensibilität zeigte. Wenn man bedenkt, dass gerade die
Sicherheitsdienste bis zum Amtsantritt von Präsident Mandela 1994 stark mit
Anhängern des bisherigen Regimes oder mindestens mit Anhängern eines
überzeugten Kampfes gegen den Kommunismus besetzt waren, so ist es umso
erstaunlicher, dass – ob als Höflichkeit gegenüber den Partnern, aus
freundschaftlichen Gefühlen oder aus eigener Überzeugung – auch
schweizerischerseits, von einzelnen Personen, in Kontaktprotokollen oder Briefen
Meinungen geäussert wurden, die keineswegs den klaren, offiziellen
Standpunkten des Bundesrates und jener der überwiegenden Mehrheit des
Parlamentes entsprachen, welche das Apartheid-Regime ablehnten und seit den
80er Jahren dessen Überwindung möglichst unterstützen wollten.
10.2 Die fachlichen Kontakte mit dem südafrikanischen Nachrichtendienste haben
aber nicht nur das Problem der politischen Zurückhaltung von schweizerischen
Vertretern berührt sondern waren auch grundsätzlich gemäss den Maximen der
damaligen Aussenpolitik kritisch. Sicherlich ist heute, wo Sicherheitspolitik ganz
62
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
erheblich durch Kooperation verwirklicht wird, der Anwendungsbereich des
Neutralitätsgebots enger als noch im Kalten Krieg und selbst zu Beginn der 90er
Jahre (vgl. den Bericht des Bundesrates zur Neutralität, Anhang zum Bericht über
die Aussenpolitik der Schweiz in den 90er Jahren vom 29. Nov. 1993 [BBl 1994 I,
S. 206 ff.] und dazu jetzt: Neutralitätspraxis der Schweiz – aktuelle Aspekte,
Bericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe vom 30. Aug. 2000, bes.
S. 20 ff.). Ein Kern der Neutralitätspolitik, nämlich das völkerrechtliche Neutralitätsrecht, das im V. und im XII. Abkommen der Zweiten Haager
Friedenskonferenz vom 18. Oktober 1907 betreffend die Rechte und Pflichten der
neutralen Mächte und Personen im Falle eines Landkriegs resp. im Falle eines
Seekriegs formuliert wurde (SR 0.515.21 und 0.515.22) und das vom neutralen
Staat die (militärische) Nichtteilnahme an bewaffneten Auseinandersetzungen
zwischen anderen Staaten verlangt, war und ist unbestritten.
Hätten nicht schon ab 1977/80 die Vertreter des ND und später auch die des
FFND die Frage näher prüfen müssen, inwieweit eine dauernde informationelle
Zusammenarbeit mit südafrikanischen Militärstellen mit den neutralitätspolitischen
und gar allenfalls den neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz
vereinbar ist? Dass in Südafrika und den angrenzenden Gebieten von
Südwestafrika (heute Namibia), Angola und Moçambique seit Jahren eine
besondere Art von „Kriegsführung“ gegen nichtstaatliche Widerstands- und
Kampforganisationen stattfand, war allen Beteiligten einsichtig. Der Chef FFND,
Oberstlt P. Regli, schrieb nach seiner Reise vom 20.4. bis 2.5.1984 ins südliche
Afrika am 10. Mai 1984 treffend:
„Die Bedrohung der RSA unterscheidet sich von derjenigen in Europa dadurch, dass dort die verdeckte Kriegsführung (der Terrorismus als Spezialform) heute die Hauptsorge ist. Die eigenen militärischen Machtmittel werden dazu verwendet, die Terroristennester (SWAPO, ANC) im ganzen Lande und in den angrenzenden Staaten (Angola, Mozambique) zu bekämpfen. Die Mittel der Luftwaffe werden daher primär für Aufklärung und Erdkampf eingesetzt. Dass diese Art Bedrohung sehr bewusst ist, kann überall bemerkt und gesehen werden. Die Sicherheitsvorkehrungen sind denjenigen Israels sehr ähnlich und für uns z.T. Vorbilder (Flugplätze z.B.).“
63
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Wie oben Ziff. 5.2.1 erwähnt, hat derselbe Verfasser dann 1991 nach dem
Wandel von 1989 festgestellt, dass in Südafrika die äussere Bedrohung praktisch
nicht mehr existiere, dafür aber die „innere Bedrohung“ etwa durch den
militärischen Arm des ANC zugenommen habe.
Nun ist nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit anderen Staaten
schwergewichtig nicht so sehr ein Informationsaustausch über die eigenen
Probleme, sondern über die Lage andernorts. Dennoch waren die Kriegs- und
Kampferfahrungen in SA für den ND sehr interessant und beschaffungswürdig.
An den Fronten in den Nachbarstaaten führte die südafrikanische Armee bis 1989
Krieg; im bis 1990 besetzten Südwestafrika (Namibia) und im Land selber bis in
die 90er Jahre, standen die Armee und die Polizeikräfte mit zum Teil
extremistischen Oppositionsgruppen mindestens phasenweise in einem harten
Bürgerkrieg.
Allerdings: was von mir mit Sicherheit gesagt werden kann, ist, dass –
abgesehen wohl von einigen wenigen Fällen (nachfolgend Ziff 10.3 und 10.4) – in
der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit schweizerischerseits an Südafrika
keinerlei direkten Beitrag durch Informationsunterstützung an militärische Aktionen geleistet wurde.
64
10.3 Major P. Regli besuchte anlässlich der ersten Dienstreise eines Chefs des
Flieger-Flab-Nachrichtendienstes nach Südafrika vom 20. April - 3. Mai 1984
(offenbar allein) am 1. und 2. Mai auch das damalig südafrikanisch besetzte
Südwestafrika (heute Namibia) sowie die von Südafrika unterstützte
angolanische Befreiungsbewegung UNITA und deren Führer Dr. Jonas Savimbi. Ein neuerlicher Besuch, zusammen mit zwei Kollegen und einem
pensionierten Berufsoffizier, bei den UNITA-Truppen in Jamba (Angola) fand vom
10.-19.3.1988 statt, wo erbeutetes Kriegsmaterial studiert wurde, und einen
weiteren Kontakt mit Vertretern der UNITA hatte Regli Ende März 1988. Dieser
Abstecher bezweckte, die Handhabung und den technischen Aufbau der
neuesten östlichen Infrarot-Flablenkwaffensysteme an Ort und Stelle zu
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
analysieren. Vom 5. bis zum 22. 5.1988 weilten zwei andere Mitarbeiter des
FFND bei der UNITA. Schliesslich besuchten drei UNITA-Vertreter vom 12.-
18.6.1988 den Chef FFND in der Schweiz. In einem Kurzbericht vom 20. Juni
1988 heisst es, dass erstmals in der Schweiz eine Delegation des ND der UNITA
willkommen geheissen werden konnte und dass die Schweiz das erste Land sei,
welches den Chef ND von Dr. Savimbi zu einem Besuch eingeladen habe. Die
Gäste hätten auf allen Gebieten einen Bedarf nach Unterstützung. Als
Gegenleistung würden sie unserem Land jederzeit Zugang zu modernem
sowjetischen Kriegsmaterial und Dokumenten verschaffen. Es sei hier gelungen,
eine richtige Investition in die Zukunft zu machen. Auch der damalige Chef FF
Truppen, KKdt Walter Dürig, war damals von den fachtechnischen Erkenntnissen
aus diesen Kontakten beeindruckt.
Schliesslich ist belegt, dass der Chef der UNITA, Dr. Jonas Savimbi, mit zwei
Mitarbeitern und dem Vertreter der UNITA in der Schweiz vom 10.-14. April 1991
dem damaligen Unterstabschef Nachrichten P. Regli in Bern und privat zu Hause
einen verdeckten Besuch abstatteten.
Diese Kontakte zur UNITA galten einer unmittelbar kriegführenden Partei im
südlichen Afrika. Es ist offensichtlich, dass diese Kontakte den politischen
Verpflichtungen des Nachrichtendienstes nicht entsprachen.
10.4 Nach der Aktenlage ergaben sich einige wenige Neutralitätsverletzungen, die
zeigen, wie heikel die Kontakte waren.
10.4.1 Am 13.8.1987 liess Major P. Regli dem Verteidigungsattaché von Südafrika,
Oberst Coetzee, in einem klassifizierten Schreiben fünf Aufnahmen des
Flughafen von Luanda vom Mai 1987 zukommen.
10.4.2 Im Weiteren wurde am 19. Oktober 1988 der südafrikanischen Luftwaffe auf
Anfrage mitgeteilt, dass eine Squadron (10-12 Flugzeuge) Jagdbomber SU-22
65
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
FITTER F von der Sowjetunion an die angolanische Luftstreitkraft geliefert
worden war.
10.4.3 Schliesslich hat der damalige Chef FFND, Oberstlt Regli, nach Orientierung des
KKdt FF-Truppen. dem Verteidigungsattachée von SA, Oberst Coetzee, am
9. Juni 1988 mitgeteilt, dass er dem Fliegeroberst Mossie Basson (nicht verwandt
mit Dr. Wouter Basson) „30 Patronen ALN-593-6916“ der schweizerischen
Luftwaffe liefern wolle. Dabei handelt es sich um IR-Flare-Patronen. Das sind
Täuschkörper, die von Flugzeugen und Helikoptern ausgestossen werden, um
gegnerische IR-Lenkwaffen (Flab und Luft-Luft-Lenkwaffen) auf sich zu ziehen
und so vom eigentlichen Ziel (Flugzeug, Helikopter) abzulenken. Die
versprochene IR-Flare-Patrone 80 wurde für den Hunter beschafft. Heute wird sie
noch zu Übungszwecken vom Mirage, Tiger und Cougar verwendet (Auskunft Dr.
A. Stucki, Chef LWND). Auch wenn es sich hier um reine Verteidigungsmittel der
Luftwaffe und um einen geringfügigen Fall handelte, so lag meines Erachtens
doch bei dieser Lieferung ein Verstoss gegen das UNO-Waffen-Embargo gegenüber Südafrika vor.
Die Resolution 418 (1977) des UNO-Sicherheitsrates war so zu verstehen, dass
sie ein „full scope embargo“ vorsah, d.h. dass ihr Anwendungsbereich umfassend
war (zur Interpretation von Embargo-Beschlüssen vgl. heute z.B. EC
Interpretation of scope of EC and UN arms embargoes:
66
http://projects.sippri.se/expcon/euframe/eucommonlist.htm). Das Waffenembargo
wurde von verschiedenen Staaten, wie z.B. Frankreich, Belgien,
Westdeutschland, Grossbritannien, Italien oder der USA mehrfach krass verletzt
(vgl. Richard Knight, Constitutive Engagement and the Arms Embargo, Hearings
on the Arms Embargo by the Special Committee Against Apartheid, United
Nations, 3. April 1984). Das ist aber kein Entschuldigungsgrund für ein
unbedachtes Amtshandeln. Jedenfalls die Neutralitätsrechtsverletzung war
schweizerischerseits klar (vgl. den Bericht der Expertenkommission an den
Bundesrat über die schweizerische Kriegsmaterialausfuhr [Motion Renschler]
vom 13. Nov. 1969, BBl 1971 I, S. 1602 ff., 1607 ff.).
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
10.5 Neutralitätspolitik, Neutralitätsrecht und völkerrechtliche Embargo-Verpflichtungen
dienten aber auch dazu, auf die Menschenrechtsverletzungen durch das
repressive Apartheid-Regime hinzuweisen. Nirgends in den Akten findet sich ein
Dokument eines der vier Chefs oder eines leitenden Mitarbeiters des ND,
welches das grundsätzliche Problem einer Kooperation mit den südafrikanischen
Militärstellen in der Apatheidzeit diskutiert und Überlegungen anstellt, ob man den
Partnerdiensten nicht dazu kritische Fragen stellen müsste. Jedenfalls heute ist dieses Wegsehen unverständlich. Anders gesagt: wenn die südafrikanischen Partner in den 80er und frühen 90er Jahren in den Briefings von Operationen der
Streitkräfte und der Sicherheitskräfte in Angola und Moçambique sowie von der
Unterdrückung von Aufständischen, von psychologischer Kriegsführung oder
konterrevolutionären Strategien im Land selbst berichteten, so war die Frage
nicht zu umgehen, ob hier nicht zum Teil Verhaltensweisen beschrieben wurden,
die in der Schweiz nach Gesetz und Völkerrecht strafbar wären und nach Art. 32
Abs. 3 Militärgesetz vom 3. Febr. 1995 (SR 510.10) von Armeeangehörigen nicht
ausgeführt werden dürften.
67
10.6 Das Hauptproblem der heutigen Nachforschungen über die Beziehungen des
Nachrichtendienstes und von Divisionär P. Regli stellen die Verbindungen zum
südafrikanischen Brigadegeneral und Leiter des südafrikanischen B- und C-Waffenprogramms, Dr. med. Wouter Basson, dar. Diese Kontakte haben, in
zum Teil verzerrter Darstellung, Eingang in den Prozess gefunden, der gegen Dr.
Basson in erster Instanz in Südafrika zwischen 1999 und 2001 durchgeführt
wurde. Die Beziehung zu einem Mann wie Dr. W. Basson war von Anfang an
aber keineswegs unproblematisch. Das macht schon der Umstand deutlich, dass
sowohl die Schweiz wie auch Südafrika damals die geltenden Verträge des
humanitären Völkerrechts über das Verbot von chemischen Waffen wie das
Haager Gasverbots-Abkommen vom 29. Juli 1899 (SR 0.515.102) oder das
Genfer Abkommen über das Verbot der Verwendung von erstickenden giftigen
und ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Methoden vom 17. Juni 1925
(SR 0.515.105) oder über das Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung,
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von
Toxiwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen vom 10. April 1972
(SR 0.515.07) ratifiziert hatten. In den nachfolgenden IV. und V. Kapiteln werden
diese Kontakte näher untersucht.
11. Abschnitt: Verantwortlichkeiten ?
11.1 Sofern eine dienstliche Zusammenarbeit zu Völkerrechtsverletzungen seitens
eines Staates führt, so ist unter Umständen eine völkerrechtliche
Verantwortlichkeit zu prüfen. Diese wäre allenfalls wegen des Verstosses gegen
die Embargoverpflichtungen denkbar, doch handelte es sich um eine
(militärische) Bagatelle, die auch schon vierzehn Jahre zurück liegt.
Eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit könnte sodann erwogen werden, wenn
ein Staat eine Beihilfe oder Unterstützung zur Verletzung von Menschenrechten,
wie sie der Apartheidstaat praktizierte, geleistet hat. Das Völkerstrafrecht kennt
hier die Strafbarkeit einer Teilnahme (vgl. z.B. Art. 25 Abs. 3 des Römer Statuts
des Internationalen Strafgerichtshofes, vom 17. Juli 1998 [SR 0.312.1]). Zudem
wird heute diskutiert, ob Menschenrechtsverträge den einzelnen Vertragsstaaten
nicht auch extraterritoriale Verpflichtungen auferlegen, die Verantwortlichkeiten
auslösen können (vgl. etwa Theodor Mason, Extrateritoriality of Human Rights
Treaties, in: The American Journal of International Law, Vol. 89, 1995, S. 78ff).
Wie oben Ziff. 10.2 dargelegt, konnte aber keinerlei informationelle Teilnahme an
Menschenrechtsverletzungen entdeckt werden.
11.2 Die Administrativuntersuchung nach Art. 25 BPG ist grundsätzlich auf allgemeine
dienstliche Aspekte der Verwaltungstätigkeiten gerichtet. Sie kann auch
persönliches Fehlverhalten aufdecken. Die Beurteilung von persönlichen
Verantwortlichkeiten einzelner Akteure wäre aber in einem Disziplinarverfahren
nach Art. 25 Abs. 2 und 3 BPG und Art. 99 BPV oder in einem Strafverfahren
durchzuführen, wozu heute keine Sachverhalte mehr bestehen.
68
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
III. KAPITEL: AKTENFÜHRUNG, ARCHIVIERUNG UND AKTENVERNICHTUNG
1. Abschnitt: Überblick
1.1 Schon die Vorabklärung des Generalsekretariats VBS hat nach dem Bericht vom
31. Oktober 2001 ergeben, dass die Aktenführung im Nachrichtendienst,
insbesondere auch bezüglich der Beziehungen und Kontakte zu Südafrika,
ungenügend war, dass vom Nachrichtendienst, mit Ausnahme des Flieger- und
Flabnachrichtendienstes, bis 1999 praktisch keine Akten der Archivierung
zugeführt worden waren und dass schliesslich in der 80er und 90er Jahren
mehrfach Akten, die unzweifelhaft archivierungswürdig gewesen wären,
vernichtet worden waren. Diese Erkenntnisse waren mitursächlich für den Auftrag
an den Untersuchungsbeauftragten (vgl. vorne I. Kap. Ziff. 2.1 B). Die
Administrativuntersuchung hat – dies sei vorweg schon gesagt – die Ergebnisse
der Vorabklärung bestätigt.
1.2 Im Sinne eines Überblicks sollen die Arten von Akten der Untergruppe Nachrichten kurz beschrieben werden. Diese Untergruppe war seit 1977 eine
Haupteinheit der Gruppe für Generalstabsdienste (GGST) des Generalstabschefs
(GSC), neben den UG Front, Logistik und Planung. Die UNA setzte sich in den
80er Jahren zusammen aus der Amtsleitung, einer Stabsstelle, der Abteilung
Nachrichtendienst (mit der Sektion Beschaffung, der Sektion Auswertung und
einer Sektion Spezialdienst), dann der technischen Sektion, der Sektion
Geheimhaltung, dem Militärprotokoll und der Abteilung Abwehr (mit dem
Sicherheitsdienst der Armee und Heerespolizei). Später wurden im Zuge der
Reorganisation von 1993 die Sektion Geheimhaltung und die Abteilung Abwehr
ausgegliedert, dafür wurde die Abteilung Nachrichtendienst zum SND und dort
ein spezieller Armeenachrichtendienst eingerichtet. Es ist offensichtlich, dass
diese vielgestaltige Verwaltungseinheit eine Fülle von Akten zu verwalten hat.
Neben den administrativen Vorgängen betreffend Personal, Finanzen,
Organisation oder Material geht es vor allem um die bereichspezifischen
69
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Tätigkeiten in den einzelnen Sektionen. Dabei sind einerseits umfangreiche
Dokumentationen des Auslandnachrichtendienstes über andere Staaten und
Organisationen zu führen (so Sachinformationen über Geografie und Geschichte,
Politik, Wirtschaft, Kriegsmaterial, Verteidigungsorganisation, Kräftevergleich,
neue Risiken und Gefahren, Konfliktherde etc.). Andererseits gibt es Akten aus
den eigenen Tätigkeiten, etwa Korrespondenzen mit Partnerdiensten, Berichte
über Kontakte und sonstige Beziehungen, Akten von Beschaffungsvorgängen,
Übermittlungsbelege etc. sowie last but not least die eigenen Produkte des
Dienstes, wie Assessments, Nachrichtenbulletins, Lageberichte. Da die Aufgaben
des Nachrichtendienstes per se die einer qualifizierten und speziellen Informationsbeschaffung, -verwertung und -verbreitung sind, kommt der
Aktenverwaltung selbstverständlich eine zentrale Stellung zu.
1.3 Die Aktenführung und erst recht das Archivierungswesen waren beim
Nachrichtendienst von zwei Leitvorstellungen geprägt:
Einerseits war und ist dem ND verständlicherweise die Geheimhaltung ein
zentrales Anliegen. Diese führt namentlich zu zahlreichen Abschottungen
innerhalb des Dienstes, nach dem Prinzip „need to know“ (Kenntnis nur soweit
nötig). Zudem wird die Verpflichtung zur strikten Geheimhaltung zum einen
verschärft durch besondere Arbeitsmethoden in der Informationsgewinnung und
zum anderen durch die Beachtung des Quellenschutzes, also des Schutzes von
Informationen von resp. über Partnerdienste, Beziehungen, Informanten etc., was
grundsätzlich keine Bekanntgabe an Dritte ohne Zustimmung der die
Informationen liefernden Stelle oder Person zulässt.
70
Andererseits hat sich der ND aufgrund seiner „Mission“ als eine von der übrigen
Verwaltung der Armee und des Departements weitgehend abgetrennte, eigenständige Einheit verstanden und sich z.B. auch im eigenen
Sprachgebrauch als „Firma“ bezeichnet. Als solche fühlte man sich in vielen
administrativen Belangen frei von manchen „Reglementierungen“ der übrigen
Bundesverwaltung und des Departementes, und man gab sich jedenfalls in der
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Dienst- und Amtsorganisation weitgehend selbständig. Das macht die
nachfolgende Darstellung der Verhältnisse zwischen 1980 und 2000 deutlich.
2. Abschnitt: Verhältnisse von 1980-2000
2.1 Bezüglich der Registratur und Aktenverwaltung lassen sich für den untersuchten
Zeitraum folgende Feststellungen treffen:
Grundsätzlich wurde dem Nachrichtendienst seit jeher eine eigenständige
Registratur und Dokumentation zugestanden (vgl. die Verfügung des EMD über
die Koordination der Dokumentationsdienste im EMD vom 11. Februar 1970, und
weitere Beschlüsse). Immerhin liefen die administrativen Vorgänge bezüglich
Personal, Finanzen und Teile des Beschaffungswesens über die Registratur der
Gruppe für Generalstabsdienste (GGST). Für die nachrichtendienstlichen Informationen und Unterlagen bestand und besteht im Kommunikationszentrum
des ND eine zentrale Registratur. Dort wurden, etwa seit 1980, täglich die
eingehenden und die ausgehenden Schriftgüter mit Datum fichiert und
mikroverfilmt, jährlich etwa 10-12000 Seiten. Allerdings hing der Eingang bei
dieser zentralen Registrierungsstelle stark von der Disziplin der einzelnen
Mitarbeiter ab. Diese haben keineswegs alle Dokumente und Informationen aus
Kontakten, Beziehungen oder aus sonstigen Quellenherkommen umgehend an
die Registratur geleitet. Zudem konnten die administrativen Dienste die geheim
klassifizierte nachrichtendienstliche Korrespondenz nicht öffnen und hatten über
deren Behandlung im Dienst nicht den Überblick (in einer Weisung des GSC vom
21. Juni 1991 über die vereinfachte Behandlung klassifizierter Informationen in
den Bereichen des ND sowie der elektronischen Aufklärung auf Stufe Armee
wurde bestätigt, dass der ND auf eine zentrale Registrierung und Kontrolle
klassifizierter Informationen verzichten könne). Schliesslich war der
Unterstabschef mit seiner Kanzlei organisatorisch abgetrennt.
Ein direkter Zugriff auf die zentrale Registratur ist bis 1984 zurück möglich, jedoch
ohne Inhaltserschliessung. Bestände von Mikrofichen werden ab 1993 im
71
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Amtsarchiv aufbewahrt. Hier ist auch eine Inhaltserschliessung der Dokumente
möglich. Nach Feststellungen der seit 2001 verantwortlichen Personen ist aber
der ältere Bestand lückenhaft. Zudem ist nur ein Zugriff über das Datum des Ein-
oder Ausgangs möglich. In einzelnen Bereichen braucht es noch ergänzende
Zugriffskriterien (etwa bei den personenbezogenen Quellen die Kenn-Nummern).
2.2 Neben dieser zentralen nachrichtendienstlichen Registrierung gibt es eine ganze
Reihe von speziellen, isolierten Registraturen in einzelnen Sektionen. Diese
sind z.T. wohlgeordnet und gut erschlossen, aber auch nicht unbedingt
umfassend. Beispiele für solche Spezialregistraturen sind im Büro Liaison, in der
Sektion Beschaffung (etwa über Vorgänge der Quellen), in der Sektion
Geheimhaltung oder der für das Militärprotokoll zu finden. Eine separate
Registratur führte der in all den Jahren dem ND weitgehend nur zugewiesene
FFND (später LWND).
2.3 Die Archivierung der Unterlagen des ND lag in den untersuchten zwei
Jahrzehnten, und schon vorher, im Argen. Dokumente, Korrespondenzen etc.
wurden von den einzelnen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern nach ihren
Bedürfnissen aufbewahrt. Daneben hatten die Sektionen bestimmte
Dokumentationen und Handbibliotheken. Vielerlei Unterlagen wurden in Kellern
oder in den Kriegsanlagen deponiert. Eine eigentliche Ablieferung zur
Archivierung durch das Armeearchiv oder das Bundesarchiv erfolgte nur von
seiten des (kleinen) LWND, und dies im Frühjahr 1995 für Akten der Jahre 1914-
1989, mit Nachlieferungen 2001. Vom ND selbst gibt es im Bundesarchiv, wie
schon die Vorabklärung festgestellt hatte, aus der Nachkriegszeit lediglich 20 cm
Unterlagen, die Div Regli Ende 1999 dem Armeearchiv zu Handen des
Bundesarchivs abgegeben hatte und die einzelne Vorgänge aus den 70er und zu
Beginn der 80er Jahre betreffen. Soweit nicht Unterlagen bei den einzelnen
verantwortlichen Personen oder in den einzelnen Sektionen aufbewahrt wurden
oder soweit man sie nicht mindestens in Kellern und Anlagen noch aufbewahren
wollte, wurde alles vernichtet.
72
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
2.4 Im Nachrichtendienst wurden in den letzten 20 Jahren, wie in den vorangegangen
Jahrzehnten, immer wieder bei den Sachbearbeiterinnen, in den Sektionen und
im gesamten Dienst routinemässig, gezielt Akten vernichtet. In der
Administrativuntersuchung konnten, schon aus zeitlichen Gründen, dazu nur
einige Beispiele genauer untersucht werden.
2.4.1 Im Bereich Liaison wurden zwischen Juli 1992 und September 1998 periodisch
alle Kontaktprotokolle, die älter als 5 Jahre waren, vernichtet. Dieser Massnahme
voraus gingen im Juni 1991 Gespräche mit Div P. Regli, damals USC ND, mit
dem damaligen Chef ND F. Schreier und dem damaligen Chef Beschaffung Dr.
H. Wegmüller. In diesen Gesprächen wurde, schriftlich bestätigt von Div Regli am
20.7.92, die Vernichtung von Kontaktprotokollen nach 5 Jahren beschlossen
(ohne eine Mikroverfilmung vorzunehmen). Div Regli und F. Schreier machen
geltend, dass diese Vernichtung aus datenschutzrechtlichen Gründen erfolgt sei,
weil ein dauerndes Aufbewahren von personenbezogenen Daten nach dem
neuen Datenschutzrecht nicht mehr zulässig war. Vor der GPDel machte Div
Regli zudem geltend, die Partnerdienste seien die „Herren“ der in den Kontakten
erhaltenen Informationen und diese müssten schon deshalb vernichtet werden
(BBl 2000, S. 571). Der Chef Liaison, gab seinerseits (meines Erachtens
glaubhaft) an, dass vor allem Platzgründe in seinem Verantwortungsbereich für
die Vernichtung der älteren Kontaktprotokolle massgeblich gewesen seien. Ob es
– auch im Verkehr mit den Partnerdiensten – Sinn machte, die Informationen aus
den fachdienstlichen Kontakten nach fünf Jahren zu vernichten, mag dahin
gestellt bleiben. Erst als im August 1998 eine intensive Diskussion zwischen Dr.
J. Stüssi, Leiter Militärbibliothek und des Archivdienstes VBS und Armee, und Div
Regli um die Archivierungspflichten des SND einsetzte, verfügte dieser am 17.
Sept. 1998 den Stop jeglicher Vernichtung.
73
2.4.2 Ein weiteres, nicht restlos abgeklärtes Beispiel von Aktenverlust ist das Folgende:
Wie im II. Kap. erwähnt, hat der Chef ND, F. Schreier, im Juni 1999 eine
detaillierte Liste der ihm bekannten und für ihn noch ermittelbaren Kontakte mit
Südafrika aufgestellt. Diese Liste enthält sehr detaillierte Angaben über die
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Kontakte, wobei aber für die Zeit zwischen 1977 und 1988 fast keine Belege mehr
auffindbar sind. F. Schreier sagte in der Administrativuntersuchung, dass er diese
Liste aufgrund relativ mühsamer Recherchen bei früheren oder noch im Amte
stehenden Mitarbeitern sowie aufgrund von einzelnen Belegen und eigenen
Notizen erstellt habe. Bei seinem Ausscheiden aus dem Amt seien allerdings
auch diese Unterlagen vernichtet worden. Die Liste von F. Schreier vom Juni
1999 ist, wie meine Nachprüfungen ergeben haben, nicht vollständig gewesen.
Dass sie aber über eine Zeit, aus der die Kontaktprotokolle an sich schon
vernichtet worden waren, noch so detaillierte Angaben enthält, ist doch
erstaunlich.
2.4.3 Eine Durchsicht der von Div Regli seinem Nachfolger übergebenen Akten zeigt, dass er wohl die Protokolle und Berichte über seine Kontakte zu den
Partnerdiensten aus den 90er Jahren aufbewahrt hat. Die begleitende
Chefkorrespondenz mit den ausländischen Diensten, die ausgetauschten
Dokumente oder eigene Produkte sind aber, nicht nur im Fall des Partnerdienstes
Südafrika, sondern auch bei den anderen Diensten, nur noch in wenigen
Bruchstücken vorhanden. Die Akten über die Chefkontakte sowie über die
fachdienstlichen Tätigkeiten des USC von 1990 bis 1999 wurden offensichtlich
aussortiert. Vollständig erhalten sind nur die administrativen Akten des
Sekretariats. Die Amtstätigkeit von Div Regli, der sein Chefbüro und sein
Sekretariat im Bundeshaus-Ost hatte, kann innerhalb des SND im Wesentlichen
nur noch anhand der Kontaktprotokolle sowie der Unterlagen über besondere
Vorkommnisse, etwa über die Aussprachen mit der GPDel, belegt werden.
74
2.4.4 In dem politisch seit Jahren kritisch beleuchteten Feld der Beziehungen zu Südafrika ergibt sich, dass beim FFND bzw. LWND noch relativ viele Unterlagen
vorhanden sind, auch aus den 80er Jahren, in denen u.a. von 1982 bis 1988 P.
Regli Chef dieses Dienstes war. Das hängt mit der im LWND gepflegten
Archivierungspraxis zusammen. Im SND selbst gibt es, abgesehen von den
vernichteten älteren Kontaktprotokollen, noch diverse Unterlagen. In der
Chefkorrespondenz von Div Regli zeigen sich mit Südafrika einzelne klar
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
belegbare Lücken, etwa dass in Briefen der einen oder anderen Seite auf ein
vorangehendes oder ein nachfolgendes Schreiben verwiesen wird, das fehlt. Ein
Beispiel ist namentlich das im ND fehlende Schreiben, das Div P. Regli am
12. April 1994 an den Surgeon General Knobel gerichtet hatte, indem er von
weiteren Nachforschungen der Südafrikaner wegen deren
Geheimhaltungsinteressen abriet, und das im Basson-Prozess wieder auftauchte
(V. Kap. Ziff. 2.11.7). Lückenhaft sind aber auch die Akten anderer
verantwortlicher Personen. Bundesrat A. Ogi stellte für die am 12. Januar 1999
angeordnete Untersuchung der Beziehungen des ND zu Südafrika auch die
Frage: „Sind die Akten vollständig? Auf welche Rechtsgrundlage stützen sich
allenfalls vorgekommene Aktenvernichtungen?“ Dieser Teil des Auftrags an den
SND von 1999 wurde damals nicht beantwortet.
2.4.5 Im Rahmen der fachdienstlichen Kontakte werden, wie im II. Kap. erwähnt, immer
auch vielerlei Dokumente ausgetauscht. Von den vom südafrikanischen Dienst
erhaltenen Unterlagen sind einzelne in der Sektion Auswertung noch vorhanden.
Dazu gehören etwa von den Südafrikanern erstellte technische Reglemente über
sowjetisches Kriegsmaterial oder frühe Studien über den Angola Krieg. Es lassen
sich aber weder im Fall der Beziehungen zu Südafrika noch zu anderen Diensten
die ausgetauschten Dokumentationen, die zwar in aller Regel in den
Kontaktprotokollen aufgezählt werden, noch vollständig auffinden.
2.4.6 Im ND sind einige weitere Vernichtungen belegt. Gemäss vorhandener
Vernichtungsprotokolle wurden mit Zustimmung des Chefs ND folgende
Informationen vernichtet:
• Am 15.11.94: Mikrorollfilme mit nachrichtendienstlichen Informationen von 1961-1994 (dabei handelte es sich um die Verfilmung der laufenden Dokumentation der verschiedenen Auswertebereiche und um die Verfilmung von VA-Berichten, ebenfalls wurden die Verfilmungen von Lageberichten und Nachrichtenbulletins der Jahre 84-91 vernichtet). Diese Dokumentationen bestanden aus einem Gemisch an klassifizierten und unklassifizierten nachrichtendienstlichen Informationen gemäss nachrichtendienstlichem Ordnungssystem
75
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
• Am 15.11.94 Com Fichen des Systems EUDONA [ein altes Auswertesystem über fremde Streitkräfte].
• Am 02.04.97 Mikrofichen nachrichtendienstlicher Dokumentationen der
Jahre 1982 bis 1989 gemäss nachrichtendienstlichem Ordnungssystem. • Am 02.04.97 Mikrofichen Eingänge (1977-1992) und Ausgänge (1986 bis
1992) (informatikmässig sind die Registratureinträge bis 1984 noch vorhanden).
• Zu verschiedenen Zeitpunkten HardDisk, Disketten mit verschiedenen
administrativen Dokumenten (es fand kein Check des Inhalts der Datenträger statt).
2.4.7 Vor der rechtlichen Beurteilung (dazu unten Ziff. 3) ist festzuhalten, dass von vorgesetzter Stelle keinerlei Anweisungen zur Vernichtung ergangen sind.
Die Generalstabschefs H. Häsler, A. Liener und U. Scherrer haben bestritten,
entsprechende Anordnungen gegeben zu haben. Solche liegen erst recht nicht
vor von den Bundesräten Villiger und Ogi und deren persönlichen Referenten. Im
Zusammenhang mit der PUK EMD von 1990 verfügte Bundesrat Villiger mit
Schreiben vom 7. Mai 1990, dass bis auf Widerruf, selbst in Abweichung anderer
Vorschriften, keine Akten über nachrichtendienstliche Tätigkeiten und Akten mit
Personendaten vernichtet werden dürften. Die PUK EMD hatte den mangelnden
Datenschutz und die überlange Aufbewahrung von Daten aus
Personensicherheitsüberprüfungen oder von militärisch verdächtigten Personen
beanstandet und diesbezüglich eine Vernichtung nach fünf Jahren gefordert,
nicht aber bezüglich der Informationen aus den Partnerkontakten des ND (vgl.
Bericht vom 17. Nov. 1990, S. 120 ff.). Es mag gut sein, dass man im ND 1990/91
nach der Erfahrung mit der PUK EMD sensibel war für das Aufbewahren von
personenbezogenen Daten, insbesondere wenn diese nicht mehr von aktuellem
Nutzen waren und man deshalb Vernichtungen anordnete. Offensichtlich
vergessen gingen dabei aber die Archivierungsinteressen.
2.4.8 Bezüglich der ungenügenden Archivierung und der mehrfachen Vernichtung aus
Eigeninitiative ist noch anzumerken, dass im fraglichen Zeitraum vom ND auch
keine Angebote an das Militärarchiv oder an das Bundesarchiv gemacht wurden.
76
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Ebenso wurde nie die Zustimmung dieser archivverantwortlichen Stellen für eine
Vernichtung eingeholt. Umgekehrt sind allerdings auch bis 1997 offenbar keine Kontrollen von Seiten des Armeearchivs oder des Bundesarchivs angekündigt
oder durchgeführt worden (vgl. Art. 6 Bst. a Reglement Bundesarchiv; Art. 5 Abs.
2 Archivierungsgesetz). Vorher hat das EMD im Zuge der Armeereform 95
immerhin am 11. Okt. 1995 Weisungen für den Umgang mit Archiv und
Dokumentationsgut aufgehobener und aufzuhebender Amtsstellen erlassen.
2.4.9 Der Verlust an Unterlagen, insbesondere an Archivgut beim Nachrichtendienst ist
sehr bedeutend. Denn der SND war und ist für die Armee, das
Verteidigungsdepartement und die schweizerische Aussen- und Sicherheitspolitik
eine zentrale Amtsstelle. Seine Akten bilden einen hochbedeutenden Fundus für historische Forschungen, etwa bezüglich der Wahrnehmung des Auslandes
seitens der Schweiz und der sicherheitspolitischen Sicht von der Schweiz aufs
Ausland (Freund- oder Feind-Denken, Kooperationsanliegen, Risiken- und
Gefahrenanalysen für das Land etc.). Wenn es dann, wie im vorliegenden Fall,
um eine Aufarbeitung politischer Verantwortungen der jüngeren Zeitgeschichte
geht, wird die Lückenhaftigkeit von Registrierung und Archivierung besonders
bedauerlich.
3. Abschnitt: Rechtliche Beurteilung
3.1 Der Nachrichtendienst hatte zwar bis zum Erlass des Militärgesetzes vom
3. Februar 1995 nur eine schwache rechtliche Fundierung in Art. 168 der
Militärorganisation (MO, in der Fassung vom 5. Oktober 1967; AS 1968, S. 77)
sowie in Art. 24 der Dienstordnung des Bundesrates vom 31. Januar 1968 (AS
1968, S. 230). Es bestand aber nie der geringste rechtliche Zweifel, dass der ND
eine Verwaltungseinheit des Militärdepartementes bzw. des VBS war. Er wird
zwar in Art. 58 des früheren Verwaltungsorganisationsgesetzes (VwOG) vom
19. September 1978 (AS 1979, S. 127 ff.) nicht als selbständiges Bundesamt im
entsprechenden Gesetzeskatalog genannt. Er ist aber eine der vier
Haupteinheiten im Stab der Gruppe für Generalstabsdienste (Stab GGST)
77
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
gewesen, die in der Verordnung über die Zuweisung der Ämter an die
Departemente und der Dienste an die Bundeskanzlei vom 9. Mai 1979 (AS 1979,
S. 681) angegeben wird. In der Verordnung vom 9. Mai 1979 über die Aufgaben
der Departemente, Gruppen und Ämter (AS 1979, S. 684 f.) wird in Art. 10 Abs. 2
unter den Aufgaben der Direktion der Eidgenössischen Militärverwaltung und der
Gruppen des Eidgenössischen Militärdepartementes bezüglich der Aufgaben der
GGST gesagt, dass diese die „Leitung der Vorbereitung für die operative,
materielle, organisatorische und bauliche Kriegsbereitschaft der Armee unter
Einfluss der Führungs- und Frontbelange, des Nachrichtendienstes und der
Abwehr sowie der Logistik“ umfasse (AS 1979, S. 689). Organisationsrechtlich
nennt heute die Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung (RVOV)
vom 25. Nov. 1998 (SR 172.010.1) (mindestens) den Militärischen
Nachrichtendienst als eine „Verwaltungseinheit der Bundesverwaltung“ (nicht
aber seltsamerweise explizit den SND im GS VBS, vgl. Anhang zum RVOV).
Somit gelten unzweifelhaft alle allgemeinen Vorschriften der
Bundesverwaltung für Organisation und Verfahren des Amtsverkehrs sowie für
die Archivierung seit je auch für den Nachrichtendienst. Dass Art. 99 des
Militärgesetzes vom 3. Februar 1995 und die Verordnung über den
Nachrichtendienst vom 4. Dez. 1995 (neu gefasst am 4. Dezember 2000)
Aufgaben und Stellung des ND jetzt präzis erfassen, hat die allgemeine rechtliche
Ausgangslage für die Aktenführung und Archivierung nicht verändert. Entsprechend bestimmt Art. 22 RVOV von 1998 Allgemeingültiges: „Die
Verwaltungseinheiten führen den Nachweis über die eigene Geschäftstätigkeit
auf Grund einer systematischen Aktenführung.“
78
3.2 Mangels genauerer Festlegungen auf Gesetzesstufe, die erst mit dem Erlass des
Bundesgesetzes über die Archivierung (Archivierungsgesetz, BGA) vom 26. Juni 1998 (SR 152.1) erfolgte, waren Aktenführung und Archivierung im Bund
weitestgehend durch Verordnungsrecht und Verwaltungsrichtlinien bestimmt. Für die Belange der Aktenführung und Archivierung werden in den
Geschäftsordnungen Stab GGST die entsprechenden Verantwortlichkeiten
festgelegt. So bestimmte etwa die Geschäftsordnung Stab GGST vom 1. Sept.
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
1980 in Art. 28 Bst. d, dass der Vizedirektor der UG Nachrichten und Abwehr (der
Stellvertreter des Unterstabschefs), u.a.
„die allgemeinen Personal-, Ausbildungs- und Verwaltungsangelegenheiten gemäss den besonderen Weisungen des Unterstabschefs Nachrichtendienst und Abwehr“ leitet.
In der Stabsabteilung des Stabes GGST hat nach Art. 9 Bst. d der Chef der
Sektion Personaldienst und Rechnungswesen die Aufgabe,
„die Tätigkeit der zentralen Registratur, inklusive Verwaltung des Armeearchivs, der Verwaltung der Geheimakten, der Führung der Reglementssammlung, des internen und externen Kurierdienstes“ zu leiten und „die Evakuation von Akten und das Archivieren“ vorzubereiten.
In der Neufassung der Geschäftsordnung des Stab GGST vom 15. Mai 1987 sind
die entsprechenden Pflichten des Vizedirektors der UG in Art. 41 Bst. b Ziff. 1 und
die des Chefs der Sektion Personaldienst und Rechnungswesen in der
Stabsabteilung in Art. 17 Bst. e niedergelegt. Mit der Armee 95 wurde die
Geschäftsordnung für den Generalstab grundlegend überarbeitet (vgl. z.B.
Fassung vom 22. Dez. 1995), und es ergingen für die einzelnen Untergruppen besondere Geschäftsordnungen, so diejenige vom 30. November 1995 oder
die revidierte vom 1. Januar 1989 für die UG ND. Danach war namentlich der neu
geschaffene Stabschef der Untergruppe für deren Geschäftsabläufe
(„Prozessmanagement, Controlling“) sowie für die Ressourcenverwaltung
verantwortlich. Für Aktenführung und Archivierung waren somit seit jeher in der Untergruppe wie im Stab GGST Verantwortlichkeiten festgelegt, aus denen
auch Rechtspflichten flossen, die dann in den einzelnen Pflichtenheften (z.B. des
Chefs Betrieb) auch konkretisiert wurden. Entsprechend diesen
Geschäftsordnungen hat z.B. der Stellvertreter des Generalstabschefs (GSC) die
Weisungen vom 7. Juli 1997 über die Geschäftskoordination und –verwaltung im
Generalstab erlassen.
79
3.3 Einen besonderen Aspekt der Aktenführung bieten die Pflichten zur Vorbereitung
von Krisen- und Kriegszeiten. Gemäss Art. 5 der Verordnung des Eidg. Departements des Innern (EDI) über die Sicherstellung und
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
ausserordentliche Vernichtung von Akten der Bundesverwaltung vom 8. Nov. 1983 müssen die Amtsstellen die für das Überleben des Landes
wichtigen Akten sicherstellen sowie nach Art. 11 die Vernichtung von Akten, die
nicht in Feindeshand gelangen dürfen, vorbereiten. Zuständig für die
Sicherstellung und ausserordentliche Vernichtung der unersetzlichen, schwer
rekonstruierbaren Akten ist nach Art. 4 das Bundesarchiv. Einen vergleichbaren
Gedanken enthält im Übrigen auch Art. 36 Abs. 4 Datenschutzgesetz (DSG) vom
19. Juni 1992 (SR 235.1).
3.4 Archivierung und Vernichtung von nicht mehr aktiv bearbeiteten Akten einer
Amtsstelle sind aufeinander bezogen und gehören zusammen beurteilt.
Grundsätzlich durfte und darf nur vernichtet werden, was nicht
archivierungswürdig ist. Für die gesamte Bundesverwaltung galt vorbehaltlos das
Reglement [die Bundesratsverordnung] für das Bundesarchiv vom 15. Juli 1966
(AS 1966, S. 916 f.; mit Änderung vom 24. Oktober 1973, AS 1973, S. 1591 f.).
Diese Verordnung stipulierte in Art. 2 Abs. 2 eine allgemeine Pflicht zur
Ablieferung offizieller Akten an das Bundesarchiv. Die Bestimmung galt vom
1. Januar 1966 bis zum in Kraft treten des Archivierungsgesetzes am 30. Sept.
1999. Details über die Aktenabgabe regelten die Ziff. 2 und 3 der Weisung des
EDI vom 30. Juni 1970 über die Abgabe von Schriftgut an das Bundesarchiv, und
diese Weisung bestimmte in Ziff. 4.1, dass es grundsätzlich verboten sei, Akten
ohne Zustimmung des Bundesarchivs zu vernichten. Das neue, seit dem 1. Okt.
1999 geltende Archivierungsgesetz hat diese Grundsätze bestätigt: Nach Art. 6
sind alle Dienststellen des Bundes verpflichtet, dem Bundesarchiv die nicht mehr
ständig benötigten Unterlagen anzubieten, und nach Art. 8 dürfen Unterlagen, die
unter die Anbietepflicht fallen, nicht ohne Zustimmung des Bundesarchivs
vernichtet werden. Gemäss Art. 4 der Archivierungsverordnung (VBGA) vom 8.
Sept. 1999 (SR 152.11) müssen die Bundesstellen die Akten spätestens 10 Jahre
nach dem letzten Aktenzugang zur Archivierung anbieten. Nach den Weisungen
des Generalstabs (GST) vom 7. Juli 1997 hat die Abgabe in der Regel schon
nach fünf Jahren zu erfolgen.
80
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
3.5 Den allgemeinen Archivierungspflichten steht auch, was oft missverstanden wird,
das Datenschutzrecht des Bundes nicht entgegen. Aus Gründen des
Persönlichkeitsschutzes ist es geboten, Personendaten, die nicht mehr benötigt
werden, zu anonymisieren oder zu vernichten. Art. 21 Datenschutzgesetz (DSG) macht aber gegenüber dieser Pflicht den Vorbehalt, dass die Daten „a.
Beweis- oder Sicherungszwecken dienen“ oder „b. dem Bundesarchiv abzuliefern
sind“ (vgl. Hans Bättig, Kommentar DSG, 1995, Art. 33 N. 33 ff.). Entsprechendes
galt schon nach den (ersten) Richtlinien des Bundesrates für die Bearbeitung von
Personendaten in der Bundesverwaltung vom 16. März 1981 (BBl 1981 I 1298
ff.).
81
3.6 Für den ND waren selbstverständlich alle Vorschriften und dienstlichen
Weisungen über den Umgang mit klassifizierten Akten besonders relevant. In
der Verfügung des EMD über klassifizierte militärische Akten vom 24. Dez. 1970
(SMA 1988, S. 1299 f.) wurde in Art. 35 festgehalten, dass nicht mehr benötigte
klassifizierte Akten dem Bundesarchiv abzuliefern seien. Bei geheimen Akten
hatte der Ersteller für deren Vernichtung zu sorgen, sobald sie überholt oder
ungültig geworden waren, mit Ausnahme der ablieferungspflichtigen
Archivexemplare (Art. 33 Abs. 1); die Vernichtung war nach Art. 34 zu
protokollieren. Diese Grundvorschrift, die durch weitere
Verwaltungsverordnungen ergänzt worden war, galt bis zum 31. Dez. 1990. In der
Folge bestimmte Art. 15 der Verordnung des EMD vom 1. Mai 1990 über den
Schutz militärischer Informationen (Informationsschutzverordnung; SR 510.411),
dass nicht mehr ständig benötigte klassifizierte Informationen dem Bundesarchiv
angeboten werden müssen. Die (parallele) Verordnung des Bundesrates über die
Klassifizierung und Behandlung von Informationen im zivilen Verwaltungsbetrieb
vom 10. Dez. 1990 (SR 172.015), die ebenfalls seit dem 1. Januar 1991 gilt,
bestimmt in Art. 19 seit 1990: „Nicht mehr benötigte Informationen sind zu
vernichten, soweit sie nicht ans Bundesarchiv abgeliefert werden müssen“ und
Art. 20 enthält die Anbietepflicht für nicht mehr ständig benötigte klassifizierte
Informationen. Die Vernichtung geheimer Informationen ist zu protokollieren (vgl.
Anhang Ziff. 15). An dieser Grundregelung – Anbieten zur Archivierung vor
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
einer Vernichtung – haben auch die Weisungen des Generalstabschefs vom
4. Juli 1990 über die Behandlung GEHEIM klassifizierter Informationen (MA 1990,
S. 245 f.) sowie über die Behandlung VERTRAULICH klassifizierter Informationen
(MA 1990, S. 239 f.) nichts geändert. Die heute geltenden Weisungen des GSC
vom 20. Juli 2001 über die Klassifizierung und Entklassifizierung militärischer
Informationen stipulieren ebenfalls in Art. 10 Abs. 1 die vorrangige
Ablieferungspflicht. Allerdings machen sie in Art. 10 Abs. 5 bezüglich
Informationen, die aufgrund bilateraler oder multilateraler Verträge mit
ausländischen Staaten oder mit internationalen Organisationen klassifiziert
wurden, den Vorbehalt, dass für diese vor einer Übergabe ans Bundesarchiv,
eine Entklassifizierung sowie das Einholen einer ausdrücklichen schriftlichen
Einwilligung des Vertragspartners notwendig ist. Damit wird auf das Problem des
Quellenschutzes in den internationalen Beziehungen hingewiesen.
4. Abschnitt: Einschränkungen der allgemeinen Grundsätze der Aktenführung und Archivierung für den Nachrichtendienst?
4.1 In einer Stellungnahme vom 4. Dezember 2001 zuhanden des Generalsekretärs
VBS hat F. Schreier, der ehemalige Chef ND, die spezielle Registrierungs-,
Archivierungs- und Vernichtungspraxis des Dienstes mit besonderen Standards
und zwischenstaatlichen Verpflichtungen begründet. Seiner Auffassung nach
verlangen diese Standards und Verpflichtungen den Quellenschutz und die
Einhaltung der Regeln, dass Informationen, Nachrichten und Erkenntnisse aus
nachrichtendienstlichen Beziehungen nicht an andere Nachrichtendienste und
Drittstaaten weitergegeben werden dürfen, dass ausgetauschte Informationen
nicht in Originalform innerhalb der staatlichen Organisation zirkulieren dürfen,
dass die Geheimhaltungsmassnahmen jeweils entsprechend den vom
Informationslieferanten vorgegebenen Schutz- und Geheimhaltungskriterien und
Auflagen getroffen werden müssen, sowie dass eine Archivierung ausserhalb des
Sicherheitsbereichs des Nachrichtendienstes oder eine Deklassifizierung nur mit
ausdrücklicher Ermächtigung durch die Regierung des Lieferstaates erfolgen
dürfe. Nach dieser Auffassung besteht somit für einen Nachrichtendienst eine
82
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
strikte Verpflichtung auf den Quellenschutz und eine Bindung an die Geheimhaltungsvorgaben des Staates, aus dem die Informationen stammen. Dazu ist Folgendes zu bemerken:
4.2 Die Einhaltung des Quellenschutzes hat die Bedeutung, dass die Vertraulichkeit
der Informationsbeziehungen gesichert bleibt und vor allem dass
Informationsquellen nicht unter Risiken für eine Person oder ein Stelle gegenüber
Dritten aufgedeckt werden. Der Quellenschutz und weitere Auflagen der
Informationsbearbeitung können im Einzelfall durch bilaterale oder multilaterale
Verpflichtungen begründet sein (vgl. II. Kap. Ziff. 3). F. Schreier vertritt auch die
Auffassung, dass der Quellenschutz eine völkergewohnheitsrechtliche Grundlage
hat. Dazu gibt es aber keine gesicherte Rechtsauffassung: eine lange, generelle
und einheitliche Staatenpraxis ist nicht nachgewiesen.
Im innerstaatlichen Recht ist in Art. 17 Abs. 7 des Bundesgesetzes vom 21. März
1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS; SR 120)
unlängst verankert worden:
"Im Verkehr mit dem Ausland muss der Quellenschutz in jedem Fall gewährleistet
werden."
In der vom Parlament am 4. Oktober 2002 beschlossenen Änderung des
Militärgesetzes (Referendumsvorlage) heisst es neu in Art. 99 Abs. 4:
"Der Quellenschutz muss in jedem Fall gewährleistet werden."
83
Diese absolute Formulierung („in jedem Fall“) scheint mir verfassungs- und
völkerrechtlich nicht haltbar. Es kann keinen absoluten Quellenschutz geben,
der etwa selbst Vorrang vor der Aufklärung von Verbrechen hätte. Entsprechend
ist z.B. auch in Art. 27bis Strafgesetzbuch (StGB; SR 311.0) vorbehalten worden,
dass Medienschaffende in Fällen von Tötungsdelikten und anderen ähnlich
schweren Verbrechen zum Zeugnis über die Quelle richterlich verpflichtet werden
können. Dasselbe gilt auf internationaler Ebene: ein völkerrechtliches Agreement
oder eine Verwaltungsvereinbarung über einen Informationsaustausch zwischen
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Sicherheitsbehörden können sicher nicht z.B. völkerstrafrechtlichen oder
menschenrechtlichen Verpflichtungen vorgehen (vgl. BGE 122 II 485 ff. mit
Bemerkungen von A.R. Ziegler, in: AJP 1997, S. 755 ff.). Schliesslich ist auch
unstreitig, dass es gerade in Bereichen der inneren und äusseren Sicherheit
notwendig ist, dass die vorgesetzten Stellen bis zur Regierung und zu
parlamentarischen Kontrollinstanzen bei Bedarf einen Informationszugang haben
und dass die Regierung aus besonderem Landesinteresse, im Sinne eines acte
de gouvernement, auch Geheimhaltungspflichten aufheben können muss. Klar ist
auf jeden Fall, dass weder Quellenschutz noch die ihn sichernden internationalen
Informationsvereinbarungen die Vernichtung der Akten verlangen, sondern
gegenteils deren gesicherte Aufbewahrung, und dass der Quellenschutz somit
einer gegebenenfalls besonderen Archivierung keineswegs entgegensteht.
5. Abschnitt: Reorganisation Der SND hat seit 2001 eine umfassende Reorganisation der Dokumenten- und
Aktenverwaltung mit einem besonderen Projektplan "Aktenführung SND"
unternommen. Dazu gehört auch, dass der Dienst die vorhandenen Altakten
erhebt und dem Bundesarchiv bis spätestens 30. Juni 2003 eine detaillierte
Angebotsliste unterbreitet. Damit wird eine einheitliche und das ganze Amt
umfassende Verwaltung des Schrift- und Dokumentengutes eingerichtet, und es
werden auch endlich die bundesrechtlichen Archivierungspflichten voll
wahrgenommen.
6. Abschnitt: Verantwortlichkeiten? Namentlich die gezielte Aktenvernichtung wirft die Frage nach
Verantwortlichkeiten auf. Das alte und das neue Archivrecht kennen keine
spezifischen Sanktionen für vorsätzliches Vernichten von archivierungswürdigen
Unterlagen. Aus dem allgemeinen Strafrecht könnte immerhin der Tatbestand
von Art. 254 StGB betreffend die Unterdrückung von Urkunden relevant sein.
Allerdings ist namentlich Voraussetzung, dass es sich bei einem vernichteten
84
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Aktenstück überhaupt um eine „Urkunde“ im Sinne des StGB handelt, die
„bestimmt und geeignet“ ist, „eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu
beweisen“, und dass eine Schädigungs- oder Vorteilsabsicht vorliegt. Ob diese
Voraussetzungen selbst in besonderen Fällen erfüllt waren, ist recht fraglich.
Möglicherweise muss auch eine materielle Schädigung des Bundes bedacht
werden, wenn wertvolles Schriftgut vorsätzlich beseitigt wird. Das wäre dann eine
Frage, die nach Verantwortlichkeitsrecht zu prüfen ist: Art. 8 des
Bundesgesetzes vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes und
seiner Behördenmitglieder und Beamten (SR 170.32) sieht eine Haftung des
Beamten für den Schaden vor, den er dem Bund durch vorsätzliche oder
grobfahrlässige Verletzung seiner Dienstpflicht unmittelbar zugefügt hat. Die
Vernichtung von Amtsdokumenten kann einen Sachschaden darstellen (zum
Begriff des Sachschadens vgl. BGE 119 II 179). Solche Verantwortlichkeitsfragen
sind aber in besonderen Verfahren ausserhalb der Administrativuntersuchung zu
prüfen.
85
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
IV. KAPITEL: DER PROZESS GEGEN DR. W. BASSON UND DIE HINWEISE AUF DIVISIONÄR REGLI
1. Abschnitt: Brigadegeneral Dr. Wouter Basson und das Projekt „Coast“ der südafrikanischen Streitkräfte
Der Prozess in Pretoria gegen den Arzt und Brigadegeneral Dr. Wouter Basson
(geb. 6. Juli 1950) begann in erster Instanz am 26. März 1999 und dauerte bis
zum 12. April 2002, als der Angeklagte vom Einzelrichter in den zugelassenen
Anklagepunkten freigesprochen wurde. Gegenwärtig läuft vor dem Supreme
Court in Südafrika ein Strafverfahren zur Einleitung einer Revision dieses
ersten, noch nicht rechtskräftigen Urteils. Gleichzeitig sind Verfahren gegen Dr.
Basson in Namibia eingeleitet, und gegen 6 Personen wird wegen
Falschaussagen im erstinstanzlichen Prozess ein Strafverfahren durchgeführt.
1.1 Worum ging es im Prozess gegen Dr. W. Basson? 1981/82 starteten die South
African National Defense Forces (SANDF) ein geheimes Projekt zur Entwicklung
defensiver und beschränkt offensiver chemischer und biologischer
Waffenkapazitäten. Dieses Projekt unter dem Namen „COAST“ („KÜSTE“) (ab
1993 JOTA) stand unter der Aufsicht einer Koordinations- und
Kontrollkommission, die vom Oberbefehlshaber der südafrikanischen
Streitkräfte (so von 1990-1993 Lt General Andreas Jakobus Liebenberg)
geleitet wurde und der von Amtes wegen der Nachrichtendienstchef (zuletzt von
Dez. 1991 bis Ende 1993 Lt General Christoffel Pierre van der Westhuizen),
der Finanzchef der Armee (zuletzt Admiral Murray) und der Generalstabsarzt
(zuerst ein Surgeon General Nieuwoudt, ab 1988 Surgeon General D. P. Knobel) angehörten und in der noch weitere Militärs, wie Gen Magnus A. Malan (Verteidigungsminister von 1980-1981) zeitweise mitwirkten. Der Brigadier der SANDF Dr. med. Wouter Basson wurde 1982 zum Projektleiter ernannt, und
er hatte die effektive Kontrolle über die Durchführung des Projekts bis zum
Frühjahr 1993. Dann wurde Oberst C.B. Steyn Projektleiter. Das Projekt selber
wurde im Lauf des Jahres 1994 abgeschlossen und liquidiert. Das Projekt
basierte auf einem geheimen Spezialkonto der Armee. Von 1982 bis zur
Einstellung des Projekts 1994 wurde ungefähr ein Betrag von 380 Mio. Rand für 86
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
dieses Projekt ausgegeben. Von diesem Betrag wurden etwa 100 Mio. Rand ins
Ausland transferiert, vorwiegend für den Kauf von Einrichtungen, die Bezahlung
von Forschungen und Dienstleistungen und die Beschaffung von Material wie z.B.
Drogen. Das Projekt wurde in seiner Buchführung durch einen privaten
Buchführungsexperten, Pierre Theron, kontrolliert. Aber aufgrund der
geheimen Natur des Projekts waren zahlreiche wesentliche Kontrolldokumente,
die man normalerweise für solche Ausgaben fordert, schlicht nicht vorhanden. In
zahlreichen Fällen musste der Auditor einfach den Zusicherungen des
Projektoffiziers glauben.
Zu Forschungs- und Fabrikationszwecken wurden zwei Frontgesellschaften
errichtet, nämlich die Delta G Scientific (Pty) Ltd. und die Roodeplaat Laboratories (Pty) Ltd., die erste für chemische Waffen, die zweite für
Tätigkeiten mit biologischem Material. 1990/91 akzeptierten der
Verteidigungsminister General M.A. Malan und der Finanzminister B.J. du Plessis, dass die beiden Firmen privatisiert wurden bzw. in den Besitz von Dr.
Basson gingen.
Erst später wurde bekannt, dass der Projektoffizier, Dr. W. Basson, an einer
Gruppe von Gesellschaften beteiligt war, die unter dem Namen „The Wisdom-Group“ („Weisheitsgruppe“) figurierte. Diese Wisdom-Group verfolgte
Liegenschafts-, Finanz-, Farm-, Flugcharter-, Reise- und Tourismus-Interessen.
Diese Interessen wurden hauptsächlich mit ausländischen Geldern betrieben. Die
Gelder wurden vorrangig von einer Gruppe von Offshore-Gesellschaften, als
WPW bekannt, in den USA und auf Cayman-Islands verwaltet. Über seine
Beteiligung an der Wisdom-Group konnte sich Dr. Basson verschiedene
Vermögensvorteile verschaffen, von Villen über Flugzeuge bis zu Golfplätzen,
wobei er nicht zuletzt Gelder des Coast - Projektes mitverwendete.
1.1.1 Nach seiner Verhaftung im Oktober 1997 wurde Dr. Basson Betrug und andere Vermögensdelike im Betrag von mindestens 30 Mio. Rand zu Lasten des
Staates vorgeworfen. Ein Teil der ins Ausland transferierten Gelder von „Project
Coast“ überwies Dr. Basson zu verschiedenen Zwecken auch auf Konten in der
87
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Schweiz, u.a. eine Zahlung von 2,4 Mio. $ im Oktober 1990 und eine weitere von
2,46 Mio. $ im April 1992. Schliesslich wurde im November 1992 ein Betrag von
2,3 Mio. $ über die Schweiz nach Kroatien transferiert (darauf ist noch
zurückzukommen). Für verschiedene Geschäfte aus der und über die Schweiz
arbeitete Dr. Basson seit ca. 1984 mit dem Waffenhändler Jürg A. Jacomet (geb.
17. Aug. 1946, gest. 8. Okt. 1998) zusammen sowie mit der von ihm 1988
gegründeten und 1997 aufgelösten Firma, der Medchem Forschungs AG in
Basel.
1.1.2 Neben solchen Betrugsvorwürfen wurden in dem Prozess gegen Dr. Basson vor
allem Anklagen wegen vorsätzlichen Tötungen und Mord in mindestens 27
Fällen mit zum Teil mehreren Toten pro Fall erhoben. Dabei gehen die Vorwürfe
u.a. dahin, dass ein von Dr. Basson geführtes Forscherteam auf seine Anweisung
hin Seuchenerreger züchtete, namentlich um Teile der schwarzen Bevölkerung
zu sterilisieren oder auszurotten. Eines seiner Forschungsziele war, Erreger zu
entwickeln und einzusetzen, die nur schwarze, nicht auch weisse Menschen
infizierten. Basson experimentierte auch mit Aids-Viren, und für Aids-infizierte
schwangere Frauen besorgte er in Europa z.B. Abtreibungsmittel. Da Dr. Basson
vielfältige Beziehungen zu den USA, zu europäischen Firmen und
Geheimdiensten, aber auch zum Irak, zu Lybien oder dem Iran pflegte, konnte er
sich offenbar viele gefährliche Erreger für Cholera, Botulismus (eine
Lebensmittelvergiftung) und Milzbrand sowie chemische Gifte beschaffen (so
Federation of American Scientist, South Africa Special Weapons Guide: Chemical
and Biological Weapon, www.fas.org/guide/vsa/cbw/index.html). Die Anklage
beschuldigte Dr. Basson, ab 1983 letale Substanzen für die Liquidierung
politischer Gefangener, u.a. der SWAPO, der Widerstandsgruppe in Angola, und
der RENAMO in Moçambique, verteilt und selber Todesspritzen gegeben zu
haben (Anklagepunkte Nr. 32 ff.). Die Morde geschahen häufig auch durch
Verabreichen vergifteter Lebensmittel (z.B. vergifteter Bierdosen oder
Schokoladestengel). An den Morden und Mordversuchen waren neben
Firmenmitarbeitern auch einzelne Vertreter von Spezialtruppen und höchste Offiziere beteiligt, etwa konspirativ Gen C.J.I. Kriel [Anklagepunkte Nr. 31, 47-
88
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
50], Gen A.J. Liebenberg [Anklagepunkt Nr. 46] oder Gen J.A. Nieuwoudt
[Anklagepunkt Nr. 58]. Sodann wird Dr. Basson beschuldigt, in grossen Mengen
Drogen wie Ecstasy und Kokain beschafft, damit gehandelt und solche in
schwarzen Bevölkerungskreisen verteilt zu haben. Ein weiteres Vorhaben von
Dr. Basson war schliesslich, dass man gegen aufständische Schwarze, z.B. in
den Townships, nicht mehr allein mit polizeilicher Brachialgewalt und Tränengas
vorgehen, sondern „Mandrax-Granaten“ als angebliche „non letal weapon“
einsetzen sollte. Mandrax oder Quaalude sind die Handelsnamen für
Methaqualon, das Dr. Basson in grossen Mengen einkaufte. Dieses Chinazolin-
Derivat ist eine illegale Droge, die auch ein Betäubungsmittel ist. Sie bewirkt nach
chronischer Anwendung polyneuritische Symptome (Parästhesien) und kann zu
psychischer und physischer Abhängigkeit führen. Die Symptomatik einer akuten
Methaqualon-Vergiftung ist: Bewusstlosigkeit oder Erregungszustände mit
Hyperreflexie, Erbrechen mit Gefahr der Aspiration sowie Hypermotorik mit
Krämpfen (aus: W. Forth [Hrsg.], Allgemeine und spezielle Pharmakologie und
Toxikologie, 7. Aufl. 1996, S. 260). Im Rahmen der Beendigung von Project Coast
wurden, auch im Hinblick auf einen Beitritt zum Chemiewaffenabkommen vom 13.
Jan. 1993 (SR 0.515.08), Ende Januar 1993 u.a. 1000 kg Methaqualon, 912 kg
Substanz BX (?), 1 kg „Substance P“ (ein Übertragungsstoff, der in biologische
Regelkreise eingreift, z.B. in die Schmerzübertragung), 37 kg Kokain und 980 kg
BZ (Chinuclidinbenzilat, ein militärisch bekannter Psychokampfstoff), alles damals
im Wert von 22 Mio. Rand, vernichtet (Beweis Nr. 19.38 im Basson-Prozess).
1.2 Schon vor dem Prozess hat sich in Südafrika die von Erzbischof S. Tutu geleitete
Truth and Reconciliation Commission („Wahrheits- und
Versöhnungskommission“) mit einzelnen Aspekten der Verbrechen von „Project
Coast“ und Dr. Basson beschäftigt und gab dazu auch einige Erkenntnisse
bekannt. Nicht zuletzt aus Zeitgründen musste sie aber in ihrem Schlussbericht vom 29. Okt. 1998 für weitere Abklärungen auf nachfolgende Verfahren
verweisen (vgl. Volume TWO Chapter SIX: Special Investigation into Project
Coast, siehe: www.polity.org.za).
89
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1.3 Der zweieinhalbjährige Prozess, der weitgehend in Afrikaans abgewickelt
wurde und damit vorwiegend über die „Trial reports“ publik wurde (dazu Ziff. 1.4),
produzierte mehr als 30'000 Seiten Prozessschriften und Protokolle.
Von den 67 Anklagepunkten gegen Dr. W. Basson hat der Richter nur 46
zugelassen. Davon betrafen 8 schwergewichtig Geschäfte und Aktivitäten, die
sich über die Schweiz abspielten. 6 betrafen die von Dr. W. Basson mit Hilfe von
Dr. D. Chu gegründete Medchem Forschungs AG in Basel; bei 2 ging es um
Transaktionen, bei denen auch der Name von Divisionär P. Regli ins Spiel kam.
Am 12. April 2002 wurde der Angeklagte vom Einzelrichter W.-J. Hatzenberg (wie erwähnt) in allen Punkten der Anklage, soweit sie überhaupt zugelassen
worden waren, freigesprochen, hauptsächlich mit der Begründung, dass es sich
um militärische Aktivitäten während den Kriegszeiten gehandelt hatte. Wegen der
angestrebten Revision und weiterer Verfahren in Südafrika und Namibia werden
die Dr. Basson vorgeworfenen Verbrechen sicher noch längere Zeit Gegenstand
öffentlicher Prozesse sein.
1.4 Über Dr. W. Basson, das südafrikanische ‚Project Coast’ und den Prozess gegen
Basson wurde weltweit vielfach berichtet. Von Prozessbeginn weg erschien
eine Berichterstattung im Internet über das Verfahren und die Hintergründe des
südafrikanischen B- und C-Waffenprojektes, wobei diese Berichterstattung von
der Norwegischen Regierung finanziert wurde (Google-Suchbegriff ‚wouter
basson trial reports’ sowie www.geocities.com/project coast/). Der
Staatsschutzbericht der Schweizerischen Bundespolizei bzw. des heutigen
Dienstes für Analyse und Prävention für das Jahr 1999 erwähnte den Prozess ab
Seite 91 ff. In den schweizerischen und ausländischen Medien erschienen immer
wieder Meldungen und Berichterstattungen. Z.B. berichtete Jean-Philippe Ceppi
im Tagesanzeiger-Magazin vom 27. Okt. 2001 unter dem Titel „Geheimsache
Südafrika“ viele Einzelheiten des Falles. Einen grösseren Artikel verfasste auch
Bartholomeus Grill unter dem Titel „Der Giftmischer der Apartheid“ in der
Wochenzeitung DIE ZEIT Nr. 03/2002. Sodann erschienen verschiedene Bücher
und Studien, etwa von Andreas von Bülow: Im Namen des Staats; CIA, BND und
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Administrativuntersuchung 2002 im VBS
die kriminellen Machenschaften der Geheimdienste (München 1998, S. 123 ff.);
The Henry L. Stimson Center, South Africa’s Apartheid-Era Germ Warfare
Programm Investigatet, CBW Chronicle, Volume II, Issue 5 January 1999; Robert
Lederer: Precedents for AIDS? Chemical-Biological Warfare, Medical Experience
and Population B Control, in: CAIB 28, S. 38 ff.; Tristan Mendès – France: Dr. La
Mort, enquète sur un bioterrorisme d’Etat en Afrique de Sud, Lausanne 2002;
sowie als gründlichste Darstellung: Marlene Burger und Chandré Gould: Secrets
and Lies, Wouter Basson and South Africa’s Chemical and Biological Warfare
Program, Cape Town, Zebrapress 2002 (eine Publikation des Center for Conflict
Resolution).
1.5 Die Beziehungen der Schweiz zu Südafrika während des Apartheidregimes
interessieren auch immer wieder die internationalen resp. ausländischen Medien.
Eine für die Administrativuntersuchung veranlasste Medienbeobachtung vom
1. April bis Ende November 2002 untersuchte rund 250 Artikel von 12
amerikanischen, 13 britischen, 11 deutschen, 5 französischen, 3 italienischen, 8
südafrikanischen Zeitungen sowie je einer Zeitung von Namibia und Zimbabwe.
Bis Mitte Juni haben die Geschichte und der Gegenstand des Prozesses gegen
Dr. Basson, das Leben dieser rätselhaften Person und der vielerorts als
„unverständlich“ bezeichnete Freispruch alle Zeitungen beschäftigt, namentlich
weil es um die Aufdeckung eines Projekts zur massiven Vernichtung der
schwarzen Bevölkerung durch chemische und biologische Waffen ging. Vielerorts
wurden die Vorkommnisse wie ein Kriminalroman beschrieben. Die allfällige
Implikation des Schweizerischen Nachrichtendienstes und seines langjährigen
Chefs Div Regli sind in einer deutschen, einer englischen sowie sehr explizit im
„New African Magazine“ vom 11.5.2002 besonders angesprochen worden.
Hauptsächlich werden aber verschiedene private Firmen aus der Schweiz
erwähnt, mit denen Dr. Basson Geschäfte betrieb.
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Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Von Mitte Juni 2002 an sind es die Aktionen von Mr. Fagan, über die alle
Zeitungen weltweit reportieren, sowie die Forderungen einer Gruppe von
Apartheidopfern, hinter denen sich auch „Jubilee South Africa“ befindet.
Selbstverständlich sorgen sich die deutschen Zeitungen um die Forderungen
gegen deutsche Banken und Industrien, was sich mit den schweizerischen
Überlegungen trifft.
Interessant aus der Medienbeobachtung ist aber noch ein dritter Aspekt: die
amerikanischen Zeitungen haben sich vor allem auf den chemischen und
biologischen Krieg konzentriert (vgl. z.B. Word Net Daily USA vom 15.5.2002),
was angesichts der Terrorismus- und der Irak-Diskussionen wohl verständlich ist.
Besorgt ist man auch, dass Dr. Basson Millionen Tabletten Mandrax und
Hunderte von Kilo Ecstasy habe, deren Zerstörung ungewiss ist und die
möglicherweise in mafiose Netze auch in der USA geflossen sind.
2. Abschnitt: Erste Ermittlungen in der Schweiz
2.1. Im Sommer 1993 versuchte Brigadegeneral Dr. W. Basson mit seinem Partner in
der Schweiz, Jürg A. Jacomet, und einer dritten Person, gefälschte Bank-
Obligationen, angeblich vom Vatikan stammende Banco di Napoli-Bonds, die sie
die sie durch Vermittlung eines Dänen namens Henrik Thomsen in Kroatien
erworben hatten, bei einer Bank in der Schweiz einzulösen. Das löste eine Straf-
untersuchung, die Ausschreibung zur Fahndung sowie eine Verhaftung von Dr.
Basson, als er am 28. Nov. 1993 in die Schweiz einreiste sowie seine
Inhaftierung vom 29. Nov. bis zum 10. Dez. 1993 in Zürich aus. Das Verfahren
der Bezirksanwaltschaft Zürich gegen Dr. Basson und Konsorten wegen
Betrugsversuch wurde am 21. Sept. 1994 mangels Beweisen eingestellt.
2.2 Ab 1993 nahm das Südafrikanische Justizministerium Untersuchungen gegen
Dr. Basson auf, insbesondere durch das KEEM, das „Kantoor vir Erniste
Ekonomise Misdryve“ bzw. das OSEO, das „Office for Serious Economic
Offences“ [Amt für schwerwiegende Wirtschaftsvergehen]. Ein erstes
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Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Rechtshilfegesuch an die Schweiz wurde am 28. Okt. 1996 gestellt, ein zweites Zusatzgesuch am 20. Juni 1997. Mit Verfügung vom 3. Februar 1997
hat das Bundesamt für Polizeiwesen den Kanton Zürich als Leitkanton in dieser
Rechtshilfeangelegenheit eingesetzt. Die Bezirksanwaltschaft IV für den Kanton Zürich hat mittels Eintretensverfügung vom 22. Mai 1997 die Rechtshilfe
gutgeheissen und dann entsprechende Abklärungen zugunsten der
südafrikanischen Justiz unternommen.
3. Abschnitt: Die Untersuchungen der Delegation der Geschäftsprüfungs-kommission 1999 und die Notwendigkeit einer neuerlichen Überprüfung
3.1 Im Rahmen ihrer Abklärungen über die Auslandskontakte des
Nachrichtendienstes mit Südafrika im Besonderen hat die GPDel detailliert die
Rolle von Jürg Jacomet, des Dienstkameraden von Div P. Regli, als Mittelsmann
in privatwirtschaftlichen Geschäften zwischen der Schweiz und Südafrika und als
„freier Mitarbeiter“ bzw. freiwilliger Nachrichtenlieferant an den Nachrichtendienst
der Flieger- und Flabtruppen bzw. später auch an den SND untersucht (Ziff. 33
des Berichts vom 12. Nov. 1999, BBl 2000, S. 573/4). Ebenso hat die GPDel die
Kontakte von Div P. Regli zum südafrikanischen General Dr. W. Basson und zum
südafrikanischen Surgeon General Knobel untersucht. Dabei hat sie den sog.
Höflichkeitsbesuch der Generäle Neethling und Basson zusammen mit Jürg
Jacomet (irgendwann) zwischen Sommer 1990 und Herbst 1991 im Büro von Div
Regli und ein von diesem abgebrochenes Telefongespräch mit Dr. Basson im
Dez. 1994 festgestellt und als einmalige Vorgänge ohne weitere Relevanz
bezeichnet (Ziff. 34, BBl 2000. S. 574/5). Sodann hat sich die GPDel mit dem
Kontakt von Gen Neethling und Gen Basson mit dem AC-Laboratorium Spiez
vom Januar 1988 beschäftigt, einem Kontakt, über den Div Regli nichts weiteres
aussagen konnte und wo es auch nur um eine Fachauskunft ging (Bericht, Ziff.41,
S. 576 ff.). Schliesslich wird auch noch über den (angeblichen) Waffenhandel von
Jürg Jacomet und Dr. Basson mit Kroatien 1992 berichtet, bei dem Südafrika
Geld verlor, sowie über den Versuch von Dr. Basson und Jacomet, aus Kroatien
erhaltene Bank-Obligationen (vgl. die erwähnten Banco di Napoli-‚Bonds’) bei
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Administrativuntersuchung 2002 im VBS
einer Zürcher Bank einzulösen, was zu einer Strafuntersuchung gegen die beiden
wegen Betrugsversuches führte (Ziff. 52, BBl 2000, S. 579 ff.) Festgehalten wird
abschliessend (wie oben erwähnt), dass es „Unterstellungen“ seien, dass Div P.
Regli „Mitwisser oder gar Förderer“ des Coast-Projektes gewesen sei, die
„jeglicher Grundlage entbehren“.
3.2 Nachdem nun 2001/2002 im Prozess gegen Dr. W. Basson verschiedene neue Aspekte über dessen Beziehungen zur und dessen Tätigkeiten in der Schweiz
publik wurden, mussten notwendigerweise die 1999 gemachten Feststellungen
der GPDel von dieser selbst wie ebenso vom Departement überprüft werden,
denn im Prozess wurde behauptet, dass Div P. Regli doch in gewisse Geschäfte
involviert war. Namentlich ist heute nachzuprüfen:
- ob Div Regli – wie er 1999 erklärte – nur eine kurze Begegnung anfangs der
90er Jahre mit Dr. Basson hatte (abgesehen von einem abgebrochenen
Telefongespräch Ende 1993);
- ob er „anlässlich eines Arbeitstreffens von März 1994 in Südafrika von General
Lien Knobel erstmals darauf angesprochen“ wurde, „dass Wouter Basson
allenfalls zusammen mit Jürg Jacomet in der Schweiz Geld in der
Grössenordnung von mehreren Millionen veruntreut haben soll“
- und ob er „anlässlich seines nächsten Besuches im Oktober 1997 …. dann
durch General Lien Knobel erstmals von einem biologischen und chemischen
Waffenprojekt Südafrikas erfahren“ habe, „an welchen Wouter Basson und
allenfalls Jürg Jacomet beteiligt gewesen sein sollen.“ (Bericht Ziff. 34, BBl
2000, S. 575).
Zur Abklärung dieser und weiterer Fragen habe ich es als notwendig erachtet, die
Prozessakten zu prüfen und über diese Bericht zu erstatten.
4. Abschnitt: Die einschlägigen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil
Für die vorliegenden Administrativuntersuchungen ist es angezeigt, zuerst die
einschlägigen Feststellungen aus dem umfangreichen Urteil wiederzugeben.
Im Vordergrund dieses Teils des Prozesses steht der im Herbst 1992
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Administrativuntersuchung 2002 im VBS
durchgeführte Geldtransfer von 2,3 Mio. $ über die Schweiz nach Kroatien auf ein
Konto von Jürg Jacomet. Damit wollte Dr. Basson in Kroatien angeblich 500 kg
der Droge Methaqualon kaufen, deren Qualität er vorgängig untersucht hatte. Er
behauptete im Prozess, dass dieses Geschäft mit einem Kauf auch via Kroatien
von Nuklearmaterial aus Russland durch den Schweizerischen Nachrichtendienst
in einem Kooperationsvertrag verknüpft war und dass Div Regli und er für diesen
Deal eine „verbundene“ und zugleich teilbare Bankgarantie in der Schweiz
erhalten hätten. Sehr wahrscheinlich kam es dann gar nicht zum Kauf der
Drogen. Ein Teil des Geldes, ca. 900’000.-- $, wurden gemäss Anweisungen von
Dr. Basson nach Südafrika zurücktransferiert, um Veruntreuungen vom April 1992
zu verschleiern, und ein Teil der Gelder, ca. 1,4 Mio. $, wurden von Jacomet oder
von Basson für andere Geschäfte, z.B. im illegalen Waffenhandel eingesetzt oder
veruntreut. Nicht zuletzt um diesen Verlust abzudecken, erwarb Dr. Basson mit J.
Jacomet 20 gefälschte Bank-Obligationen (Banco di Napoli-Bonds) im
Nominalwert von 5 Mio. $ in Kroatien, die sie in der Schweiz einzulösen
versuchten, was dann zu deren Verhaftung und der oben (Ziff. 2.1) erwähnten
Strafuntersuchung von 1993/94 in der Schweiz führte. Leserinnen und Leser
dieses Berichts, die die nachfolgenden Auszüge aus dem Urteil überschlagen wollen, finden eine Zusammenfassung in Ziff. 5.
Das Urteil vom 12. April 2002 enthält – nach der beeidigten Übersetzung (die
sprachliche Mängel aufweist) – wörtlich u.a. folgende Feststellungen, die der
Verständlichkeit wegen in eckigen Klammern zum Teil erläutert werden.
4.1 Vom Zeugen Surgeon General D. P. Knobel, dem letzten stellvertretenden Chef
der Koordinations- und Kontrollkommission von „Project Coast“, heisst es über
das Kroatien-Geschäft im Urteil:
„(Ziff. 78) Massnahmen wurden getroffen, dass Gelder auf ein Schweizer Konto eingezahlt werden, in Genf, und diese Gelder als teilbare Garantien angewendet werden können.
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Zahlung war erst nach der Lieferung [des Stoffs] fällig und zwar durch die Vermittlung von einem Agenten, Jacomet, der mit dem Schweizer Nachrichtendienst verbunden war. Für diesen Zweck wurde die Summe von $
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2,3 Mio. auf sein Konto mit der Zagrebacka Banka in Zagreb überwiesen. Das Geld kam von dem Konto von D. John Truter [einem Verbindungsmann von Dr. W. Basson] in Zürich. (Ziff. 79) Der Zeuge kann nicht bestätigen, ob der Stoff in einem Schweizer Labor analysiert wurde. Der Angeklagte [Dr. Basson] stand unter keiner Einschränkung bezüglich der Länder wohin er reisen konnte. .... Zum Zeitpunkt der KEEM-Ermittlung [Ermittlung des Amtes für schwerwiegende Wirtschaftsvergehen des südafrikanischen Justizministeriums, ab 1993] hat der Zeuge versucht mit Hilfe der Schweizer Sicherheitsmächte Informationen zu bekommen. Dieses wurde durch die Vermittlung des südafrikanischen Militärattachés bewerkstelligt. Er hat General Regli vom Schweizer Nachrichtendienst getroffen. Regli hat ihm angeraten, die Angelegenheit fallen zu lassen, da dies in der Schweiz eine sensible Angelegenheit ist. Er hätte gerne dokumentarische Bestätigung von einer Schweizer Bank gehabt. (Ziff. 85) Er ist sich nicht sicher, ob er die Erklärung von Jacomet [ein Affidavit von 1994] als Resultat der Schweizer Ermittlungen oder der KEEM Ermittlung erhalten hat. (Ziff. 111) Er bestreitet nicht, dass es in der Schweiz ein kriminelles Vergehen ist, ein Banksystem zur Waffenbeschaffung zu gebrauchen. (Ziff. 146) Er sagt, dass er nicht wusste, dass die teilbare Garantie in seiner Grundform eigentlich ein Koopertivvertrag zwischen dem Angeklagte, Regli und Jacomet war. Es wird ihm gesagt, dass der Angeklagte am Anfang nicht wusste, dass die Schweizer Atommaterial kaufen wollten. Er gibt zu, dass Jacomet nicht nur ein einfacher Zwischengänger war. (Ziff. 153) Er bestätigt auch, dass es die Wahl des Angeklagten war, [1994] in die Schweiz zurück zu reisen, weil dort er sein Wort gab, dass er kommen wird. (Ziff. 156) Er war zufrieden, dass Regli [1994] die Geschichte vom Angeklagten über die Kooperation mit Jacomet bestätigt hatte.“
4.2 Über den Zeugen Bruwer (den Buchführungsfachmann der Anklage) heisst es
im Urteil:
„(Ziff. 240) Es wird ihm [Bruwer] gesagt und behauptet, dass die Gelder, die er prüfte, eine Zahlung für BZ [ein Psychokampfstoff] war. Das Geld für die teilbare Garantie waren andere Gelder. Das Geld für die teilbare Garantie ist von Regli auf ein Schweizer Konto eingezahlt worden. Er wurde darauf hingewiesen, dass Regli involviert war und dass er [Regli] nach Südafrika kam und um die Beendigung der Untersuchung bat. Er [Bruwer] wird auf die
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Vernichtungsbescheinigung hingewiesen und gebeten zu bestätigen, dass 980 Kilo von Produkt BZ vernichtet [1993] worden sind. Es wird ihm gesagt und behauptet, dass in der Schweiz eine Ermittlung wegen Reglis Auftreten läuft.“
„(Ziff. 241) Bezüglich der Klage 19 wird er [Bruwer] darauf hingewiesen, dass Jacomet die Gelder veruntreut hat und nur $ 900'000.-- an das Projekt zurückflossen. Er gibt zu, dass es nicht ein Vorschlag des Angeklagten war, die Produkte zu vernichten. Er wird darauf hingewiesen, dass, wenn der Angeklagte die $ 2,4 Mio. stehlen wollte, es einfacher gewesen wäre, die Gelder auf ein Konto zu transferieren. Durch die Zahlung der Gelder auf das Konto von Jacomet in Zagreb (Kroatien) hat er [W.B.] die Aufmerksamkeit auf die Gelder gezogen. Er [Bruwer] wird gebeten zu sagen, welche Vorschläge an das Kontrollkomitee gemacht wurden. Er weiss nicht, was geschah und kann nicht sagen, welche Vorschläge gemacht worden sind. Er gibt auch zu, dass es keine Beweise gibt, dass Gelder beim Angeklagten gelandet sind.“
4.3 Über den Lieutenant General Dirk Reindert Verbeek (Vizechef der
Gegenspionage und von 1994-1998 Chef des ND) heisst es in Ziff. 528:
„Er hat Regli in der Schweiz kennen gelernt. Es gab Tauschverträge. Regli war einige Male in Südafrika, und er [Verbeek] war ein Mal in der Schweiz. Ihm wurde nie mitgeteilt, dass Regli in Geschäften betroffen war. Er hat auch nichts von Jacomet und vom Kauf von Substanzen in Kroatien gewusst. Später hat er davon zu hören bekommen.
(Ziff. 592) Trotz den Gesprächen mit Regli wusste er nichts von dem Ankauf der Substanzen in Kroatien. Er weiss nicht, wer Jacomet oder Zimmer [ein Vertrauter von Dr. Basson] war.“
4.4 Über den Zeugen General Rudolf (Witkop) Badenhorst (ehemals Stabschef
des Militärischen Nachrichtendienstes) heisst es in Ziff. 597:
„Er hat General Regli kennen gelernt, weil der den gleichen Posten hatte. Regli hat ihm nicht gesagt, er habe mit dem Angeklagten zu tun gehabt. Der Name Jacomet klingt aus irgend einem Grund bekannt. Es war also dem General Regli unmöglich, ihm Informationen über Angelegenheiten, die erst 1992 stattfanden, zu geben.“
4.5 Über den Angeklagten Dr. Wouter Basson heisst es:
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„(Ziff. 1283) Was die Zahlung von Produkt M [Methaqualon] betrifft, erklärt er [W.B.], dass es sich um ein gemeinschaftliches südafrikanisches und Schweizer Geschäft handelte. Die Schweizer hatten mit sehr grossen Geschäften zu tun, er vermutet, sie hatten mit Atomwaffen zu tun. Coast musste die Summe bereit stellen und unter der Obhut vom Schweizer Militär
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lassen. Es wird Garantien geben und Zahlungen an die Personen durch Vorlage einer Bestätigung. Dieses ist nicht ein Fall, wo normale Kreditbriefe gegeben werden, das Geld musste auf einem Konto liegen. In Kroatien herrschte [1992 kriegsbedingt] Chaos. Es gab [dort] Meinungsverschiedenheiten zwischen der Armee, der Grenzwache und den Sicherheitskräften. Danach teilte Jacomet dem Angeklagten mit, dass die Parteien in Kroatien Zahlung wünschten. Anwesend bei einer Versammlung waren Vertreter der Armee, der Grenzwache und der Spezialkräfte sowie der Energieminister. Sie wollten Bargeld in Zagreb. Er [W.B.] hat Jacomet vertraut, da er ihn seit den frühen 80er Jahre kannte. Jacomet war auch an der Überführung der Gas-Masken-Technologie nach Südafrika beteiligt. Er erzählt, dass er und General Neethling des öfteren in der Schweiz am Flughafen von Jacomet abgeholt wurden, ohne dass sie durch den Zoll mussten. Er hat auch General Regli durch Jacomet kennen gelernt. Zu einem Zeitpunkt musste die RSA mit dem Schweizer Beschaffungsamt wegen dem Kauf von Waffen, die es in der Schweiz gab, reden. Später konnte er durch Regli Verbindung zur Schweizer CBO-Forschung [amtlichen chemischen und biologischen Forschung] aufnehmen. Soweit es ihn betraf, war Regli der Senior Verbindungsmann.
(Ziff. 1284) Er stiess auf diesen möglichen Kauf, weil er von Jacomet in Erfahrung brachte, dass Jacomet mit den Russen verhandelte, und Regli zu ihm sagte, sie müssten das Geschäft gemeinsam machen. Seine Regelungen diesbezüglich hat er mit General Knobel und General Liebenberg bestätigt. Er weiss nicht genau, mit wem von den Beiden. Zahlung sollte durch Jacomet geschehen. Die Geldüberweisung war auf normale Art und Weise, von Blackdale [d.h einem Firmenkonto bei der Bank IndoSuez in Genf] zu D. J. Truter [einem Verbindungsmann von Dr. Basson] zu Jacomet in Zürich. Als er mit der Qualität der Ware [Methaqualon] zufrieden war, beauftragte er Jacomet mit der Zahlung und Freigabe der Garantien. Er hat Zimmer [einem seiner Geschäftspartner] gesagt, er könne $ 2 Mio. erwarten. Er beauftragte Jacomet, das Geld zurück in die Republik [SA] zu schicken. Der Auftrag von Zimmer lautete, dass die Herkunft des Geldes nicht verraten werden und die Rückzahlung nicht feststellbar sein darf. Als er [W.B.] in der Republik ankam, sah es so aus, dass das Geld noch nicht wieder empfangen worden ist. Er suchte Jacomet und sprach mit Regli. Zu guter Letzt hatte er eine Telephonnummer von Jacomet in die Hände bekommen. Und zwar war Jacomet im Schwarzwald in Deutschland in einem ‚sicheren Haus’. Der Zeuge [W.B.] glaubt, die 42 Mio. Rand kamen aus der Garantie. Gegen Ende Dezember waren nur $ 900'000.-- zurück in der Republik. Über das Geschehen hat er Bericht an das KB [die Kontroll-Kommission] erstattet. Er war noch offiziell im Dienst bis zum 31. März [1993]. Zuerst beschäftigte er sich mit dem Auflösen der Labors. Er ist dann zurück in die Schweiz, weil er Jacomet sehen wollte. Jacomet erklärte ihm, die Regierung in Kroatien habe das Geld beschlagnahmt, würde aber die Angelegenheit untersuchen und die Gelder später zurück lassen. Er hat das akzeptiert.
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General Knobel hat auch darüber gesprochen, nämlich über einen Besuch von General Regli, und es scheint, dass zu einem Zeitpunkt Regli [1994] General Knobel ersuchte, die Ermittlungen einzustellen, weil das die Schweizer in die Verlegenheit bringen könnte. Er [W.B.] sagt, es gab einen Prozess der Verkleinerung, aber er wollte die $ 1,5 Mio. zurück haben.
(Ziff. 1285) Er sagt, General Regli habe seine Wiedergabe des Geschehens an General Knobel bestätigt und Anzeichen davon sind im Dokument 1.68 zu finden. Der Grund, warum Regli [im März 1994] nach Südafrika kam, war, weil er, der Zeuge [W.B.], Regli gedroht hatte, dass er das Geschäft bekannt machen wird. Regli hat darauf hin unternommen zu helfen, dass die Amerikaner und Engländer ihn [anlässlich der Untersuchungshaft in Zürich] nicht vernehmen, aber er würde nach Südafrika kommen und dieses bestätigen. .....
(Ziff. 1296) Im Jahr 1993 wurde er sich bewusst, dass das Projekt [Coast] bekannt ist. Bei seiner ersten [von W.B. behaupteten] Verhaftung im Juni/Juli 1993, als er im Büro von Jacomet [in Rümlang ZH] war, fing er an zu glauben, dass Jacomet mit der Schweizer Polizei zusammen spielte. Er [W.B.] war in der Polizeistation in Rümlang. Später hat er kombiniert, dass dieses nur eine Scheinverhaftung war und dass sie ihm nur Angst machen wollten. Drei Polizisten haben ihn zur Polizeistation geführt.
So um den 29. November 1993 ist er wieder verhaftet worden. Er war an dem Wochenende in Basel und wurde mit dem Gefängniszug nach Zürich gebracht. Dort hat ein Untersuchungsrichter ihn vernommen. Es drehte sich um die Banco di Napoli – Obligationen. Er hat [in den Vernehmungen in Zürich] Coast nicht bekannt gemacht. Er kann sich an die Scheingeschichte nicht erinnern – hat sicherlich gesagt, er wäre ein Brigadier.
(Ziff. 1297) Er wird über [die neuerliche] Vernehmung am 22. März 1994 gefragt. Zu dem Zeitpunkt war sein Rechtsvertreter [Dr.] Battegay. Er wurde von Mijburgh und Marlow [zwei Geschäftspartner von W.B.] begleitet. Briefe wurden an den General der Sanität [L. Knobel] geschrieben. Die 4. Angelegenheit war damals noch nicht bekannt. Der Beschluss war, dass D. John Truter und er sich lieber in die Schweiz begeben, als zu einer Vernehmung vor ein südafrikanisches Amtsgericht, weil das nicht im Geheimen hätte stattfinden können. Erst wurde er für vier Tage vernommen, und er ist wieder zu einer vollständigen Vernehmung gegangen. Es wird behauptet, dass er bei vorigen Vernehmungen, vor seiner Rückkehr im Jahr 1994, Dokumente lesen wollte. Er sagt, er weiss nicht, ob er das getan hat oder nicht. Es wird behauptet, es wäre lächerlich, wenn er es nicht getan hätte. Im Zusammenhang mit Truter sagt er, dass ihm eine Liste mit Fragen geschickt wurde, und dass er sie sicherlich beantwortet hat. Für ihn war Projekt Coast noch operativ im Gange. Fragen an Truter über chemische
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Waffen wäre ein Sicherheitsbruch gewesen. Sollte er [in der Vernehmung in Zürich] gesagt haben, die Schweizer Nachrichtendienst–Beamte sind beteiligt –, er sagt nein. Er wird gefragt, ob Jacomet auch vernommen wurde, und er sagt, er hat etwas gehört, dass er auch vernommen worden sei.
Es wird [von der Anklage] behauptet, dass er und Jacomet überein gekommen sind, welche Geschichte sie dem Richter erzählen werden. Er sagt, dass es eine frühere Scheingeschichte gewesen sein könnte, aber das Übereinkommen gab es nicht. Jacomet gab seine Zeugenaussage schon früh in der Vernehmung. Er [W.B.] weiss nicht, was den Richter zufrieden stellte. Er weiss nicht, wie seine Beschreibung vom Werdegang war. Papiere mit Datum 1. Dezember 1993, 8. Dezember 1993 und 22. März 1994 werden ihm vorgelegt. Er sagt, dass soweit er sich entsinnen kann, die Vernehmungen in Deutsch stattfanden. Da war auch ein Dolmetscher, der mit ihm Englisch sprach und ins Deutsche übersetzte. Er sagt, der Richter konnte gut Englisch sprechen, aber wegen des Übersetzers war es eine langwierige Prozedur. Er hat nichts vom Rauschgift gesagt, und er hat auch nichts von Regli gesagt. Er hat jedoch gebeten, sich mit Regli in Verbindung zu setzen. Er sagt, das war das letzte Mal, dass er einem Richter Lügen erzählt hat.
(Ziff. 1457) ..... Er sagt, der Name Regli sei im Mai 1993 zum ersten Mal [den Vorgesetzten] bekannt gemacht worden. Das Dokument, das als Beilage vom Brief von Theron beigefügt war, trägt das Datum März 1993. Zu dem Zeitpunkt war der Standpunkt der Armee [von SA], nicht den Namen von Regli bekannt zu machen. Es wird ihm nahegelegt, dass er in diesem auffallenden Schreiben gesagt hat, das Dokument wäre sichergestellt, aber er zeigt darauf hin, dass der Brief deutlich sagt, sichergestellt bei dem Schweizer Nachrichtendienst. Es wird [aber] behauptet, dass General Knobel nichts von einem gemeinsamen Geschäft mit den Kroaten zwischen ihm und dem Schweizer Nachrichtendienst wusste.
(Ziff. 1458) Er sagt, es gab eine Vollmacht, die er Jacomet gab, um Zahlungen oder Streichungen auf dem Garantiekonto machen zu können. Es wird behauptet, dass er das Dokument bei Regli hätte bekommen müssen, und er hätte Theron [den Treuhänder von Project Coast] zufrieden gestellt. Sein Argument ist, dass er ihn nicht gebeten hatte, aber Regli hat General Knobel zufrieden gestellt. Er bezieht sich auf Beweis 23.38 und weist darauf hin, dass Theron zu guter Letzt akzeptiert hat, dass das Geld, das in Kroatien verloren ging, ein Verlust im Projekt war und er es als ein ‚hiccup’ (Schluckauf) bezeichnete. Es wird [von Seiten der Anklage] behauptet, dass Theron ihm immer noch nicht glaubt. Er wird über die genauen Einzelheiten gefragt, wie die Zahlungen von dem Garantiekonto hätten stattfinden sollen, und er sagt, er kann sich an die Einzelheiten nicht erinnern, aber die Zahlung wäre an die Partei [des Kroatien-Deals] gegen Unterschrift erfolgt. Die Unterschrift des Lieferanten und seine Unterschrift, – aber er hat Jacomet die Vollmacht gegeben, um in seinem Namen zu unterschreiben. Er wird über den Verlauf
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des Geschäftes befragt, und er sagt, er ist dahinter gekommen, dass die Schweizer sich mit den Russen beteiligen, dass er zusammen mit Jacomet 1991 in Russland war, und er bestätigt, das war im Februar 1991. Er war auf der Suche nach der Substanz M. [Methaqualon]. Am Ende haben die Russen sie nach Kroatien verwiesen. Soweit es die Schweizer betrifft, ist er sich nicht sicher, ob ihr Geschäft offiziell oder nicht offiziell war. Er wird gefragt, wann die Gelder auf das Schweizer Konto transferiert wurden, und er sagt, er denkt, es war gegen Ende von 1991 oder Anfang 1992 – es kann 1992 gewesen sein. Er glaubt, das Schweizer Geschäft war ein geheimes Geschäft und nicht offiziell. Er bleibt dabei, dass er zusammen mit den Schweizern verhandelt hat. Er sagt, er und Jacomet haben verhandelt und da waren Kroaten. Er wurde als Käufer und Schmuggler betrachtet. Sie [die Kroaten] wollten ihm auch Waffen verkaufen. Er wird über den Transport der Güter [des Stoffes] von Kroatien in die Schweiz befragt, und er sagt, er musste dreimal in Deckung gehen und einmal ist sogar auf ihn geschossen worden. Er sagt, sein Geschäft war ein winziger Teil gemessen am Geschäft der Schweizer. Es wird ihm nahegelegt, dass das Koppeln der beiden Geschäfte eine Blossstellung war. Er sagt, so war es geschehen und er war dankbar dafür. ..... Er sagt, Jacomet war Mitglied der Schweizer Luftwaffe, der sich ein Auge in einem Schiessunglück verletzte und dann zum Schweizer Geheimdienst überging.
Er [der Angeklagte] hat getan, als ob er ein Geschäftsmann wäre, und das erste Mal, als er sich mit Regli traf, merkte er, dass Regli Jacomet Kapitän (Hauptmann) nennt. Jacomet war es möglich, Hubschrauber für ihren Transport zu regeln, und jedes Mal, wenn sie [W.B. und seine Partner] beim Flughafen abgeholt werden sollten, holte Jacomet sie ab, ohne durch den Zoll zu gehen, weil Jacomet einen besonderen Ausweis hatte. Soweit es ihn betrifft, ist dieses ein deutlicher Beweis, dass Jacomet ein Nachrichtenbeamter war. Es wird [von Seiten der Anklage] behauptet, Jacomet wäre eigentlich ein Schurke, ein ‚Wheeler-Dealer’ [Schacherer] gewesen, und er wird weiterhin darauf hingewiesen, dass Jacomet für das Huber & Suhner Geschäft [Schutzmasken nach SA] eine Kommission bekommen hat. Er sagt, er kannte nicht die Einzelheiten im Vertrag, aber General Knobel kannte sie, da er die Verträge gesehen hatte. Er sagt, Jacomet war auch an Verhandlungen in Beirut wegen der Freilassung von Schweizern, die dort verhaftet waren, beteiligt. Er gibt zu, dass Jacomet bei den ‚Napoli Bonds’ [Banco di Napoli-Obligationen] beteiligt war. Er wird auf Beweis 19.13 hingewiesen [Kostenvoranschlag von Jacomet für den Kauf des Produktes M.] und sagt, er habe den Namen der Firma [der Hierholzer und Partner AG, eine zweite Firma von Jacomet], die den Kostenvoranschlag machte, noch nie gesehen. Er wird darauf hingewiesen, dass Jacomet ihm ein Fax ..... geschickt hat, er bestätigt das und sagt, es geschah, weil er darum bat. Er musste es haben, um die ganze Angelegenheit ins Rollen zu bringen. Zuletzt war es ein Segen, dass er es getan hatte, denn damit konnte er Regli überzeugen, nach Südafrika zu kommen und zu erklären, was geschehen war. Dem Ende zu hat er gemerkt, dass Jacomet betrogen hat. Bezüglich 19.29A [Schreiben von Jacomet bzw.
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Inter Magnum AG an General Knobel vom 12. Mai 1993 zur Erklärung des Kroatien-Handels] sagt er, er habe Jacomet um ein Dokument gebeten, und er dachte, das war korrekt.
Er ist später erst dahinter gekommen, dass die Information nicht korrekt war. Den Brief, den er von Jacomet erhielt, gab er weiter an General Knobel und hat Jacomet überzeugt, ihn anzurufen. Zu dem Zeitpunkt hatte er [dem General Knobel] schon längst das Geschäft erklärt. Er wird auf Beweis 19.29B hingewiesen [Erklärung, Affidavit, von Jacomet vom 13. August 1994 zum Kroatienhandel]. Er sagt, Advokat Swanepoel von KEEM hatte ihn angerufen und gesagt, er möchte eine Zeugenaussage von Jacomet haben. Sie hatten sich im Ausland treffen wollen, doch Jacomet erschien nicht. Danach hat Jacomet gesagt, er würde eine Aussage in der Botschaft in München [richtig: Bonn] machen. Das ist die Aussage, die gemacht wurde. Der Angeklagte sagt, er habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht begriffen, dass Jacomet in der eidesstattlichen Erklärung über den Ort, wo das Geld bezahlt wurde, gelogen hat. Weiterhin hat er auch gelogen, da er tat, als wüsste er nicht, worüber das Geschäft ging. So wie er jetzt die Aussage liest, hat Jacomet sich soweit wie möglich von Produkt M. distanziert. Der Inhalt der Aussage ist im wesentlichen, was geschehen ist. Er verneint, er habe mit Jacomet zusammen die Armee hinters Licht führen wollen.
(Ziff. 1459) Bezüglich den ‚Napoli Bonds’ sagt er, wurde ein unterstelltes Konto bei Jacomets ‚Inter Magnum’ eröffnet, und er [W.B.] hatte die Unterschriftsvollmacht. Auf das Konto sollte die Summe von $ 1,5 Mio. oder 1,6 Mio. eingezahlt werden, im Falle die Bank eine Anleihe Jacomet auf die 5 Mio. [$] ‚Bonds’ gewährt. Sobald das Geld auf dem Konto gewesen wäre, hätte er das Geld in die Republik transferiert, und für ihn wäre es auch das Ende der Geschichte gewesen. ..... er hat nicht den ganzen Monat nur in Kroatien gesessen, er hatte Gespräche an verschiedenen Orten, nicht notwendigerweise in Kroatien, sondern ist auch nach England gereist. Er sagt, die Aussage hat einen Fehler, wenn gesagt wird, dass er vom 26. bis 28. Juni in Zagreb war, weil er am 27. Juni von Zagreb nach Zürich reiste. .....
(Ziff. 1460) Er sagt, er hat die ‚Bonds’ von Jacomet und dem Dänen [Thomsen] bekommen. Er wollte nur die $ 1,5 [Mio.] oder $ 1,6 [Mio.] haben, um die SAW zu vergüten. .....
..... Er wiederholt erneut, dass er nicht am Kauf von Fancourt [einem Golfplatz] beteiligt war. Er bestreitet, dass die Banco di Napoli-‚Bonds’ ihm auf dem Flughafen überreicht wurden, und sagt, sie wurden ihm in Zürich überreicht. Er bestreitet, dass Thomsen am teilbaren Kredit beteiligt war. Er war während den Verhandlungen beteiligt. Er war unter dem Eindruck, dass er [Thomsen] vom Dänischen Nachrichtendienst war. Er gibt zu, er hat ihn einen schlappen Dänen und Schurken genannt. Dieses war sein persönlicher Eindruck. Er hat jedoch mit Jacomet zusammen gearbeitet. Was Jacomet betrifft, den hat er
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Administrativuntersuchung 2002 im VBS
damals nicht als Schurken angesehen, aber jetzt betrachtet er ihn als einen Betrüger. Es ist so, dass Thomsen den ukrainischen Teil vom Schweizer Geschäft gehandhabt hatte. Er [Thomsen] hatte Familie oder Verbindungen in der Ukraine gehabt. Er [W.B] sagt, er wusste nicht, ob die Kroaten betrügerisch oder ehrlich sind. Er denkt, Thomsen hat die Napoli Dokumente bei den Kroaten gestohlen, und hat ihm gesagt, Sie müssen das Geld erpressen. Er sagt, er war im Stande dieses zu tun. Er wollte nur die Projektgelder zurück und frei haben.
Der Kroate, der mit dabei war, war ein Mitglied der Spezialtruppe der Kroaten. Er wird gefragt, warum er nicht einfach hinging und die Dokumente zur Diskontierung anbot; er sagt, er wollte nicht persönlich die Verantwortung für die Dokumente haben und es war ihm recht, dass dieses über Jacomets Konto ging und Jacomet dafür verantwortlich war. Er sagt, er selber hatte nie die Dokumente [über die Napoli-Bonds]. Die waren im Besitz von Thomsen. Er hat ein Vollmachtsschreiben erhalten, um mit den Dokumenten zu handeln, hat jedoch keinen Gebrauch davon gemacht. Er hat später ein Schreiben erhalten, das zeigt, dass es Jacomets Dokumente waren, und dieser Brief ist der, mit dem er zur Bank ging und dieses ist auch der Brief, den er gebrauchte, als er verhaftet wurde, um zu zeigen, dass die Dokumente nicht seine sind. Er gibt zu, dass das Golf Zweigkonto am 19. Mai [1993] bereits eröffnet gewesen sein könnte und er fünf oder sechs Wochen später bei der Bank erschien. Er sagt, er hatte Gewissensbisse wegen des Geschäfts. Jacomet hätte in jedem Fall den Betrag zurück zahlen müssen, falls der Vatikan es verlangt. Er sagt, die Golfgeschichte war eine alte Scheingeschichte, und die wurde gebraucht. Es war nicht sein Golfplatz, er hat nur Golfplätze konstruiert. ...... Es wird [von der Anklage] behauptet, er war nie im Juni 1993 verhaftet worden, und er bestätigt, er wurde in den Zellen der Polizeistation Rümlang inhaftiert. Er wurde freigelassen, als er zeigte, dass es Jacomets Dokumente waren. Er war unter dem Eindruck, dass er wegen den gestohlenen ‚Bonds’-Wertpapieren verhaftet wurde. Er sagt, zu dem Zeitpunkt war er sehr müde und frustriert und dann erteilte er Jacomet den Auftrag, das Geld den Kroaten zu zahlen. Er hat sich vom Geld getrennt. Es wird [in der Anklage] behauptet, dass er im Juli Zimmer beauftragte, die $ 1,68 Mio. zu überweisen. Er sagt, er hat den Eindruck, dass es früher war, dass er auf alle Fälle das Projekt verkleinern wollte und er Zimmer gesagt hat, alles durch zu sehen und zu regeln. Dieses war der Beginn der Auflösung. Es wird behauptet, er hätte die ‚Bonds’ [Obligationen] nicht umsonst bekommen, und er antwortet, ja, umsonst. Er wird gefragt, als er im November 1993 verhaftet wurde, ob er darauf hingewiesen habe, dass er bereits im Juni verhaftet war und warum er nun wieder verhaftet wird, und er sagt, er habe das getan. Ein Argument entsteht über die Frage, ob er das Protokoll der Vernehmung im Dezember [1993] verfügbar hatte für die Vorbereitung [der Verhandlung in Zürich] im April [1994], und der Angeklagte sagt, er weiss nicht, ob er das Protokoll hatte, ausser dass er unter dem Eindruck war, er habe es im April, als er endgültig freigelassen wurde, bekommen. Er sagt, er weiss, dass seine Tarnung durch
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Administrativuntersuchung 2002 im VBS
KEEM zunichte gemacht wurde, denn als er bei der Vernehmung eintrat, wurde er mit ‚good morning brigadier’ (guten Morgen Brigadier) begrüsst. Er bestreitet, dass er gesagt hat, er sei der Eigentümer der Medchem Forschung, was er aber gesagt hat, ist, dass er Chu kennt und dass er bei Medchem beteiligt ist, dass er Zimmer kennt und dass seine Geschäftspartner Mijburgh und Swanepoel sind. Dieses ist Teil der alten Tarngeschichte.
Er sagt, die Handlungen wurden so konstruiert, dass man sie nicht leicht zurückführbar machen konnte. Was das Geld von Jacomet betrifft, hätte Zimmer gewusst, dass es von ihm [W.B.] stammt, aber er hätte ihm [Zimmer] nicht gesagt, dass es sich auf Rauschgift bezieht. .....
(Ziff. 1462) Er sagt, er wurde lange in der Schweiz vernommen. Er sagt, er wurde am Samstag [29.11.1993] in Basel verhaftet und am Montag mit dem Zug nach Zürich gebracht. Ab Dienstag wurde er jeden Tag vernommen. Dokumente, die in den Stahlkoffern gefunden wurden und die sich auf die Vernehmung beziehen, werden dem Gericht als WB39 eingereicht. Es wird behauptet, er habe sich nur schützen wollen, aber er sagt, er blieb bei seiner Tarngeschichte. Aber ihm wurde auch klar, dass durch KEEM den Schweizern bekannt war, dass er mit der Armee verbunden war, und aus dem Grunde musste er seine Geschichte neu formulieren. Er sagt, er habe die Armee so wenig wie möglich kompromittiert und den Schweizern von Truter, Chu und von Zimmer erzählt, was aber wichtig war, um die Substanz, die gekauft wurde, nicht bekannt zu machen. Das Schweizer Geschäft durfte auch nicht bekannt gemacht werden. Er sagt, das Resultat war, er hat gesagt, dass Modelle gesucht wurden, weil er nicht sagen konnte, sie [W.B., Jacomet u.a.] haben Waffen gekauft.
(Ziff. 1962) Die Bezahlung [im Kroatien-Handel] war eine gemeinsame südafrikanische und Schweizer Transaktion. Garantien sollten auf einem Konto in der Schweiz erstellt werden, und die Zahlung sollte gegen eine Bescheinigung, in der bestätigt wird, dass Gelder gezahlt werden dürfen, stattfinden. Coast musste die Gelder zur Verfügung stellen und unter der Obhut der Schweizer lassen. Danach hat Jacomet dem Angeklagten mitgeteilt, dass die verschiedenen Parteien des Lieferanten in der Schweiz bezahlt werden wollen. ...... Er vertraute dem Jacomet. Er bekam die Erlaubnis von General Liebenberg und General Knobel, um weitere Übertragungen nach Zagreb zu machen. Die Gelder wurden an Blackdale überwiesen und von dort an Truter, der das Geld dann weiter auf ein Konto von Jacomet in Zagreb transferierte. Als er mit der Qualität der Mittel [Methaqualon] zufrieden war, hat er Jacomet den Auftrag zur Zahlung gegeben und ihm weiterhin eine Vollmacht erteilt, um die Garantiegelder bei Freigabe zu repatriieren. Ende Dezember waren nur $ 900.000.-- in der Republik zurück. Er hat an KBK [die Koordination- und Kontrollkommission] Bericht erstattet. Jacomet hat ihn betrogen (um den Busch geführt). Er glaubte, dass die [von Jacomet nach SA zurücküberwiesenen] $ 900'000.-- aus dem Garantiekonto [in der Schweiz] kommen. Erst nach der Ermittlung durch Bruwer ist er dahinter gekommen,
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Administrativuntersuchung 2002 im VBS
dass die Gelder aus dem Konto in Zagreb gekommen sind. Er wurde nach Europa zurück geschickt, um die $ 1,5 Mio. zu suchen. Durch Thompson geriet er in den Besitz der Vatikan Trägerpapiere [Banco di Napoli-‚Bonds’], die er als Hebel gebrauchen wollte, um die $ 1,5 Mio. zurück zu bekommen. Der Vorwand für die Zahlung war der Golfplatz in Belgien. Jacomet hat ihn zur Bank geschickt, und bei seiner Rückkehr ins Büro von Jacomet wurde er verhaftet. Er ist später freigelassen worden, hat aber eingewilligt, dass die Garantiesumme gebraucht wird, um die letzten Lieferanten zu zahlen. Er wusste nicht, dass die Banco di Napoli-‚Bonds’ gefälscht waren. Nach seiner Inhaftierung [vom Juni 93] ist er nach Südafrika zurückgekehrt. Er ist jedoch wieder nach Europa [gereist]. Zum Jahresende wurde er in der Schweiz inhaftiert. Nach ungefähr 14 Tagen wurden CHF 100'000.-- Kaution von der SAW gezahlt. Truter wurde in der Schweiz vernommen. Er selber wurde weiterhin vernommen, und am Ende wurde die Klage gegen ihn zurück gezogen. Regli kam auf sein Ersuchen nach Südafrika. Zur Anklage wegen Betrugs und Diebstahls: (Ziff. 2064) Als der Angeklagte in der Schweiz verhaftet wurde, hat man Marlow geschickt, um ihm zu helfen. Die SAW hat seine Kaution bezahlt, und Marlow wurde für seine Ausgaben entschädigt.
(Ziff. 2065) Die Substanz, das Material, wurde vernichtet. Es gab noch einige Sachen, die erledigt werden mussten. Wegen des Steyn-Berichtes, der in der Zwischenzeit erschien, wurde der Angeklagte entlassen, aber von der SAW erneut als Offizier der Reserve angestellt. Nach der Regierungsänderung im Jahr 1994, wurden die Amerikaner und Engländer über die CBO-Mittel der SAW informiert. In dem Werdegang sprachen sie mit dem Angeklagten. Sie empfahlen dem Präsidenten Mandela, dass er wieder in der SAW angestellt werde, weil das Wissen, das er hat, möglicherweise in fremde Hände fallen könnte. Mit Schwierigkeiten wurde er wieder angestellt. (Ziff. 2077) Einer der anderen grossen Streitpunkte geht um das Geld, das nach Kroatien ging, und wovon Jacomet $ 1,5 Mio veruntreut hat. Die Parteien akzeptieren, dass das Geld, welches nach Kroatien ging, für den Ankauf von Methaqualon war, dass diese Gelder bewilligt waren und sich im Ausland befanden. Der Angeklagte sagt, er musste das Geld an die Schweizer überweisen, mit denen er zusammen die Transaktion gemacht hat, und dass sie das Geld auf das Garantiekonto eingezahlt haben. Das Geld war die Garantie für die Zahlung des Methaqualon. Es gab vier verschiedene Parteien, die sich den Gewinn teilen sollten. Jedes Mal musste der Bank eine Genehmigung von ihm und der betreffenden Partei gegeben werden für die Zahlung aus der Garantiesumme. Danach deutete Jacomet an, dass sie [die präsumtiven Geschäftspartner] Zahlung in Kroatien erwünschten. Sie [W.B. und Jacomet] standen unter Zeitdruck und KBK gab die Erlaubnis, dass das Geld dorthin überwiesen werden darf. ..... Jacomet hat ihm mitgeteilt, dass zwei der Parteien in Kroatien bezahlt sind, aber der Rest vom Konto sei
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Administrativuntersuchung 2002 im VBS
beschlagnahmt worden. Er bevollmächtigte Jacomet und ersuchte ihn, das in Frage stehende Geld frei geben zu lassen.
Der Zweck war, die Gelder ..... zu überweisen zur Zurückführung in die RSA [Republic of South Africa]. Die beiden Summen von $ 440'000.-- und $ 384'000.-- kamen via Zimmer ins Land, und er akzeptierte, dass das Geld von der Geldgarantie kam. Skepsis brach aus, als festgestellt wurde, dass der zweite Betrag nicht im Land zurück war. Dieses ist die Hauptursache, warum er 1993 wieder zurück nach Europa musste. Die Staatsanwaltschaft hat mit dieser Erklärung ein Problem, nämlich dass die $ 2,46 Mio., die ursprünglich zum Kauf von dem Methaqualon überwiesen wurden, in der WPW Gruppe verschwunden sind und das Methaqualon nicht damit gezahlt wurde und dass es auch nicht damit gezahlt werden konnte. Weiterhin sind die $ 900'000.--, die zurück ..... sind, nicht aus der Schweiz, sondern aus Zagreb gekommen. Die Erklärung des Angeklagten ist, dass er unter dem Eindruck war, dass der Betrag von $ 2,46 Mio., der vom Staat unter die Lupe genommen wurde und der das Geld für das Methaqualon war, in Wirklichkeit aber das Geld für die Substanz BZ war. Er sagt, er hat das erst begriffen, nachdem er im Bericht von Bruwer gelesen hatte, dass die $ 900'000.-- nicht aus der Schweiz kamen, aber aus Zagreb und dass Jacomet ihn erneut betrogen hatte. (Ziff. 2079) Die Sachlage war weiterhin so, dass General Regli vom Schweizer Nachrichtendienst nach Südafrika kam und das Problem von den vermissten $ 1,5 Mio. mit General Knobel besprach. Er erbat ihn, die Untersuchung zu beenden, da dieses eine heikle Angelegenheit sei, und er bestätigte damit die Erklärung des Angeklagten. Auch Pierre Theron hat zu guter Letzt die Erklärung vom Angeklagten akzeptiert.
5. Abschnitt: Zusammenfassung der relevanten Aussagen des Urteils
Zusammenfassend ergibt sich aus dem Urteil des südafrikanischen Richters W.-
J. Hatzenberg vom 12. April 2002, dass dieser befunden hat:
- dass der Geschäftsmann Jürg Jacomet, der verschiedene Geschäfte für Dr. W.
Basson und/oder seine Gesellschaften besorgte, gleichzeitig in jenen Jahren
auch Agent des Schweizerischen Nachrichtendienstes gewesen sei und die
Verbindung zu Divisionär Regli herstellte;
- dass Div P. Regli in den Kroatien-Handel involviert gewesen sei, namentlich
dass eine kombinierte Transaktion von Project Coast (zur Beschaffung von
Methaqualon) und von Div Regli über Kroatien (zur Beschaffung von
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Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Nuklearmaterial aus Russland) beabsichtigt gewesen sei, wofür eine
gemeinsame Bankgarantie begründet worden sei (bes. Ziff. 1457/8 und 2077);
- dass der Angeklagte in Kroatien 500 kg Methaqualon für das Projekt gekauft,
es in die Schweiz transportiert und mit seinem Jetstar nach Südafrika geflogen
habe (Ziff. 2131);
- dass Dr. Basson bei seiner Verhaftung im Dez. 1993 in der Schweiz (wegen
der gefälschten Obligationen) um Hilfe von Div Regli gebeten hatte (Ziff. 1297);
- dass Div Regli über die südafrikanischen Untersuchungen 1993/94 betreffend
den Verbleib der Gelder informiert war und 1994 deswegen von Seiten des
südafrikanischen Militärs kontaktiert wurde (Ziff. 1284/5, 2079).
Das Urteil des Richters Hartzenberg, das zu einem Freispruch von Dr. W.
Basson in erster Instanz führte, erscheint, auf jeden Fall in den hier
interessierenden Bezügen zur Schweiz, in verschiedener Beziehung fragwürdig. Im vorliegenden Administrativuntersuchungs-Verfahren kann
allerdings keine ausreichende Würdigung dieses Urteils erfolgen. Immerhin sei
auf nachfolgende Aussagen und Zeugnisse im Prozess verwiesen, die zum
Teil zum Urteil in Widerspruch stehen (provisorische Übersetzungen für das
Administrativverfahren).
6. Abschnitt: Widersprüchliche Aussagen während des Prozesses
Aus den umfangreichen Verhandlungen seien – nur auszugsweise – einige
Aussagen zitiert, die die Komplexität und Widersprüchlichkeiten in der
Urteilsfindung belegen.
6.1 General Dirk R. Verbeek, Chef des südafrikanischen ND von 1994 bis 1998, bezeugte eidesstattlich im Prozess:
„1987 habe ich das erste Mal von der Existenz von Project Coast erfahren, welches einen chemischen und biologischen offensiven und defensiven Krieg ermöglichen wollte. Der General Knobel war Chef des Projekts und Dr. Basson der Projektoffizier. Ich habe erfahren, dass das Projekt verschiedene vorgeschobene Gesellschaften benutzte, darunter Delta G und Roodeplaat laboratory. Ich war nicht auf dem Laufenden über die Aktivitäten des Projekts noch über die Personen, die dort eine massgebliche Rolle spielten. 1991 habe
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Administrativuntersuchung 2002 im VBS
ich festgestellt, dass bestimmte finanzielle Irregularitäten bei Project Coast vorkamen. Mein Departement war nicht in der Lage, darüber Abklärungen durchzuführen. Verschiedene Gesellschaften und Personen waren in diese Affäre verwickelt und wir hatten nicht die notwendigen finanztechnischen Kompetenzen. Ich habe diesen Umstand dem Generalanwalt und dem Büro für schwerwiegende Wirtschaftskriminalität mitgeteilt. Diese Instanzen haben die Angelegenheit seriös untersucht. Die Untersuchung führte zur Strafverfolgung gegen Dr. W. Basson. Ich kenne General Regli und hatte offiziellen Kontakt mit ihm. Das Südafrikanische Departement für militärische Nachrichtendienste hatte Kontakt mit einer Vielzahl von westlichen Staaten, und die Chefs der Nachrichtendienste besuchten Südafrika, wie auch wir diese verschiedenen Länder besuchten. Regli hat Südafrika mehrere Male besucht, und ich war auch ein Mal in der Schweiz. Zu keinem Moment haben Dr. Basson oder General Regli mir gesagt, dass General Regli mit dem Project Coast in der einen und anderen Form zu tun gehabt hätte oder an anderen militärischen Transaktionen beteiligt gewesen sei. Wenn der General Regli in diese Affäre verwickelt gewesen wäre, hätte man mich sicher auf dem Laufenden gehalten. Der General Regli selber hat mir nie gesagt, dass die Südafrikanische Armee oder Project Coast irgendwie in eine Transaktion in der Schweiz verwickelt gewesen sei. ......“
6.2 Der Surgeon General Knobel bezeugte im Kreuzverhör im Prozess gegenüber
Staatsanwalt A.R. Ackermann Folgendes:
„Frage von Staatsanwalt Ackermann: Gestern war eine Zeugenaussage – die von ihrer Verteidigung vorgebracht wurde -, dass eine zweigeteilte Garantie bei einer Schweizer Bank von Regli geschaffen wurde, von diesem Regli vom Schweizerischen Nachrichtendienst, und es wurde von Ihnen auch vorgebracht, dass der Schweizerische Nachrichtendienst in die Angelegenheit mit der doppelten Garantie involviert war. Können Sie sich daran erinnern? Knobel: Ja, das ist korrekt. Ackermann: Waren Sie sich dieser Tatsachen bewusst? Knobel: Ich war mir dieser Tatsachen nicht bewusst. Früher. Ackermann: Wann erlangten Sie zum ersten Mal Kenntnisse von diesen Fakten? Knobel: Ich denke, die Sache wurde mir zum ersten Mal bewusst hier im Gericht. Früher habe ich aber schon Zeugnis darüber abgelegt, dass ich eine persönliche Diskussion mit General Regli hatte, als er [1994] den Chef des Südafrikanischen Nachrichtendienstes besuchte. Ackermann: Ja? Knobel: Es ergab sich so die Gelegenheit für mich zu dieser Diskussion mit ihm. Ich sprach lang und breit mit ihm über die Verhaftung von Jacomet und Dr. Basson. Ich war von dem, was er sagte befriedigt, namentlich dass die Verhaftung von Jacomet nichts zu tun hatte mit Südafrika, weil Jacomet verhaftet worden war, weil er angeklagt wurde, mit Nuklearmaterial und Waffen Schmuggel getrieben zu haben. Zu diesem Zeitpunkt war das für mich einerseits beruhigend und andererseits bestätigt dies die Version, die ich von
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Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Projektoffizier [Basson] erhalten hatte. Regli liess auch wissen, - und ich habe darüber schon Zeugnis abgelegt vor dem Gericht, -, dass er es vorzieht, wenn wir die Untersuchungen oder Gespräche in dieser Angelegenheit einstellen; er habe es nicht gern, wenn man darüber spreche. Ackermann: Hat Regli Sie nie über diese doppelte Garantie informiert? Knobel: Nein, ich habe keine Information von ihm darüber erhalten (vgl. Protokoll Seite 1773 ff.).“
Andernorts im Prozess bezeugte Gen Knobel zu den von ihm veranlassten
Untersuchungen der Finanztransaktionen von Project Coast:
„Frage von Staatsanwalt Ackermann: Hat dann die damalige Untersuchung gezeigt, dass der leitende Offizier des Projekts [W.B.] nicht finanziell oder wirtschaftlich in einer dieser Gruppen Wisdom oder WPW beteiligt war? Ist das wahr? Knobel: Ja, das ist wahr; Sie können auch schauen, was ich auf einen Brief antworten musste, den ich vom Chef des Stabes der Finanzen erhalten hatte. ... Ackermann: Der Angeklagte, dieser Mann, er wurde vollkommen „weissgewaschen“ und Sie waren froh darüber? Knobel: Ja, aber Ihre Frage war, ob dies eine solide Untersuchung war? Meine Antwort ist ...: ja, es war eine solide Untersuchung und ich bestätige dies jetzt.“
6.3 Während des Gerichtsverfahrens sagte Dr. W. Basson auf Frage des Richters
aus:
Basson: „Ich bin mit General Regli nicht durch Jacomet in Kontakt gekommen. Jacomet, ich und der General Neethling haben es in den 80er Jahren (ich kann mich nicht mehr genau erinnern, in welchem Jahr) für notwendig erachtet, mit der schweizerischen Armee [in Afrikaans: Switserse Krygkor] Kontakt aufzunehmen; ich glaube, sie nannten dies GRD oder GDR [wohl Gruppe für Rüstungsdienste], aber es war mit dieser Art von Organisation, mit der wir über bestimmte Waffen sprechen wollten, die die Polizei brauchte und was die Armee [von SA] entschieden hatte. Zu jenem Zeitpunkt hat Jacomet, durch Vermittlung seines Chefs, des General Regli, den Besuch bei schweizerischen Militärkorps arrangiert, und später [im Januar 1988] denjenigen bei der schweizerischen Militäreinheit für chemische und biologische Waffen.“
6.4 Sodann enthalten die Verhandlungsprotokolle zahlreiche Aussagen von Dr. Basson in kritischen Kreuzverhören mit dem Staatsanwalt A. Ackermann zum angeblichen gemeinsamen Handel von Div Regli, Jacomet und
Basson mit und über Kroatien 1991/92, wobei nach Dr. Basson die Initiative für
die gemeinsame Transaktion von Div Regli ausgegangen war. Regli und Jacomet
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Administrativuntersuchung 2002 im VBS
seien in ihrer Eigenschaft als Vertreter des Schweizer Nachrichtendienstes
aufgetreten, und es sei auch ein Major der für Finanzen und Administration
verantwortlichen Sektion des ND an den Besprechungen im Frühling 1992 dabei
gewesen (S. 15752)! Allerdings konnte Dr. Basson nicht sagen, ob die
kombinierte Transaktion eine private oder eine amtliche Aktion von Div Regli war
(S. 15759/ 60), und der Staatsanwalt hatte deutliche Zweifel an der Darstellung
des Angeklagten. Als der (mindestens) von Dr. Basson und Jacomet angestrebte
„Deal“ in Kroatien teilweise scheiterte – einiges von den Transaktionen in Zagreb
ist noch nicht restlos aufgeklärt –, suchte Dr. Basson Jacomet wegen der
fehlenden 1.5 Mio. $ nach Jacomet. Auf Frage des Staatsanwaltes sagte Dr.
Basson:
„Ich habe mit Regli ein oder zwei Mal gesprochen … weil ich Jacomet suchte, ich ihn aber nicht fand. Schliesslich gelang es mir, die Telefonnummer von Jacomet durch Regli zu bekommen. Jeweils in einem Haus im Schwarzwald. Also rief ich an, eine Frau antwortete mir und dann rief mich Jacomet zurück.“
Als sich im Laufe des Jahres 1993 für Dr. Basson Schwierigkeiten mit der
Rückzahlung der Gelder vom „Project Coast“ und wegen des Betrugsverdachtes
ergaben, sollte Basson bestimmte Dokumente betreffend die Vollmachten an
Jacomet von den Transaktionen besorgen. Zu diesem Zusammenhang sagte er
im Kreuzverhör u.a.:
„… Später habe ich dem General Regli gedroht. 1993, während meiner Verhaftung in der Schweiz habe ich ihm gesagt: „General, ich habe ihren Namen in dieser Untersuchung genannt und ich erwarte ihre Hilfe. Sie müssen mir in dieser Angelegenheit helfen. Ich kann diese nötigen Dokumente nicht besorgen, und ich weiss nicht, wo Jacomet ist; deshalb ist es an Dir, mir zu helfen.“ Deshalb hat er akzeptiert, zu General Knobel zu gehen und diesem die Erklärungen zu geben.“
Und auf Nachfrage des Staatsanwaltes sagte Dr. Basson, dass Div Regli die
fraglichen Dokumente Gen Knobel hätte geben können, aber dies nicht wollte.
110
Als dann die vergeblichen südafrikanischen Aufklärungsbemühungen von
1993/94 der Transaktionen von 1992/93 zur Sprache kamen, fragte Staatsanwalt
Ackermann: „Stimmt es, dass diese Transaktion eine gemeinsame Transaktion
mit den Schweizern war?“, was Basson bejahte, aber der Staatsanwalt damals
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
nicht glaubte (und auch heute nicht glaubt). „Und Sie haben dies [Ihrem
Vorgesetzten] General Knobel gesagt?“ Darauf antwortete Dr. Basson wiederum:
„Ich habe ihn [Gen Knobel] über die Transaktionen ins Bild gesetzt; deshalb gab es ein Gespräch zwischen Regli und General Knobel. Warum hätte Regli ihn informieren sollen, wenn er nicht mitbetroffen gewesen wäre? Warum wäre Gen Knobel schon gekommen [Ende März 1994], wenn er mit ihm nichts zu regeln gehabt hätte? Der Gen Knobel hat tatsächlich mit Regli gesprochen, der ihn über die Transaktion informierte, aber ich versichere Ihnen, dass er [Gen Knobel] nicht erfasst hat, dass eine geteilte Garantie mit den schweizerischen Nachrichtendiensten erstellt wurde.“
Und etwas später fügte Basson im selben Verhör noch auf die Frage nach
Rückzahlung an Gen Knobel aus der Transaktion hinzu:
„Ja, es war so, wie im [Beweis] 1.68 [belegt], wo mehr Details stehen, von denen die ich festhalten konnte: „Ich [Knobel] gebe keine Kommentare über seine Mitarbeiter und deren Identität.“ Wie Sie wissen, gab es im persönlichen Gespräch mit General Regli in Gegenwart von Gen Nieuwoudt und obwohl sie wegen der Sensibilität der Angelegenheit für beide Parteien nicht völlig offen sprechen konnten, gab es genügend Hinweise damit er [Knobel] sich der Problematik der Sache bewusst wurde; er erhielt gewisse Informationen die bestätigen, was in diesem Prozess ausgesagt wurde. Und dies ist die Erklärung für die Kreditbriefe und Garantien. Soweit ich mich erinnere, habe ich das dem Koordinationskomitee erklärt, und das erklärt auch, wie Regli in den Vorgang verwickelt war.“ (vgl. Näheres Protokoll S. 15736 –15764).
7. Abschnitt: Die Auffassung des Staatsanwaltes nach dem Urteil
Nach Auffassung des Staatsanwaltes A.R. Ackermann ergibt sich bezüglich
dieses sogenannten Kroatien-Deals, dass der Project Auditor (der Buchprüfer des
Project Coast) P. Theron, der seit 1984 die Bücher von Project Coast
kontrollierte, nur von den Transaktionen über Banken in der Schweiz und
Kroatien Kenntnis hatte (Beweise Nr. 19.4 ff., 19.12, 19.14). Doch die Geschichte,
Div Regli und J. Jacomet hätten vor April 1992 mit den Russen verhandelt und
danach sei die kombinierte Transaktion mit Methaqualon und nuklearem Material
beschlossen worden (Protokoll S. 15750, 15752, 15759/60), hatte Theron nur von
Dr. Basson gehört, dafür aber keinerlei Belege (wie z.B. für Transportkosten)
gefunden. W. Basson gab im Laufe der Zeit ab 1993 verschiedene Versionen über die Garantie in der Schweiz für den Kroatienhandel. Am wahrscheinlichsten
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ist, dass er mit der Transaktion vom Nov. 1992 den früheren Geldtransfer von 2,5
Mio. $ in die Schweiz vom April 1992 verschleiern wollte, weil er sich dieses Geld
angeeignet hatte. Interessant ist nach Staatsanwalt A.R. Ackermann auch, dass
Jürg Jacomet in seinen schriftlichen Erklärungen gegenüber General Knobel vom
Sommer 1993 (Beweis Nr. 29 A) und Sommer 1994 (Beweis Nr. 29 B)
verschiedene Gründe für das Verschwinden von $ 1,5 Mio. angab, aber nie von
einer Beteiligung des Schweizerischen Nachrichtendienstes oder von Divisionär
Regli sprach. Dass von Seiten von Jacomet nicht von einer kombinierten
Transaktion unter Beihilfe des Schweizerischen Nachrichtendienstes gesprochen
wurde, erklärt sich nach Staatsanwalt Ackermann schlicht daraus, dass seitens
von Project Coast bzw. Dr. Basson wohl gar kein Kauf der Droge Methaqualon
über Kroatien stattgefunden hat (Basson allerdings behauptete im Prozess, er
habe Div Regli die Fakturen von Mandrax-Kauf gezeigt, Beweis Nr. 19.13).
Entweder hat, nach Auffassung des Staatsanwaltes, Dr. Basson einen Teil der $
2,3 Mio., die im November 1992 über die Schweiz nach Kroatien geschickt
wurden, wiederum, wie im April 1992 bei der ersten Überweisung, für persönliche
Zwecke abzweigen wollen, oder Dr. Basson und Jürg Jacomet haben einen
anderen Deal (z.B. einen Waffendeal mit Kroatien) geplant, oder Jürg Jacomet
hat einen Teil der Gelder für eigene Zwecke in Kroatien abgezweigt. Im Ürigen
hat nach Staatsanwalt Ackermann auch Dr. Basson bei den Befragungen in der
Schweiz im November 1993 und im März 1994 weder von der kombinierten
Transaktion mit Kroatien gesprochen, noch von einer Verwicklung der Schweiz
bzw. des Schweizerischen Nachrichtendienstes oder von Divisionär Regli in einen
Handel mit Nuklearmaterial. Allerdings gab Dr. Basson im letzten Prozess 2001
an, er habe eben 1993 in Zürich mit einer Geschichte bewusst die tatsächlichen
Vorkommnisse und die Verbindungen zu den Nachrichtendiensten verschleiert.
8. Abschnitt: Zwischenergebnis bezüglich des Prozesses gegen Dr. W.
Basson
8.1 Es ergibt sich somit, dass es nach den Feststellungen der Südafrikanischen
Staatsanwaltschaft im Winter 1992/1993 von Seiten Dr. W. Basson und Jürg
Jacomet in Kroatien wohl nicht zu einem Handel mit einer Droge kam. Jedenfalls
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stellt die Kombination dieses Handels mit einem Nuklear-Handel seitens des
Schweizerischen Nachrichtendienstes oder von Divisionär Regli höchst
wahrscheinlich nur eine später erfundene Behauptung des Dr. W. Basson in
seinem Prozess dar. Nach Aussagen von Fachleuten im VBS (mir gegenüber),
die sich ehemals in diesem Departement mit Problemen der Nuklearwaffen
beschäftigt haben, ist von Seiten des Schweizerischen Militärs nie auch nur
diskutiert worden, spaltbares Material zu beschaffen, geschweige dass eine
solche Anschaffung im Jahre 1992 durch den Nachrichtendienst in irgend einer
Weise einen Sinn gemacht hätte. Etwas anderes ist, dass sich der
Nachrichtendienst in den Umbruchsjahren ab 1989 für den illegalen Handel mit
Nuklearmaterial aus den ehemaligen Warschau-Pakt-Staaten interessierte und
aus sicherheitspolitischen Gründen darüber Informationen sammelte.
8.2 Dennoch stellen sich gewisse Fragen bezüglich der Beziehungen von Divisionär Regli zu seinem Dienstkameraden Jürg Jacomet und zu dessen
südafrikanischen Auftraggeber, Brigadier W. Basson, sowie zu weiteren
involvierten Personen. Ebenfalls stellen sich Fragen, was für Informationen über
die Aktivitäten des Dr. W. Basson, von J. Jacomet und anderen Beteiligten von
Project Coast die südafrikanischen Militärs wie General Knobel mit Divisionär
Regli ausgetauscht hatten und welche Zwecke diese Informationen und Kontakte
hatten. Das wird im folgenden V. Kapitel untersucht.
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V. KAPITEL: FESTSTELLUNGEN ZU DEN BEZIEHUNGEN VON DIVISIONÄR P. REGLI ZU DR. W. BASSON, JÜRG JACOMET UND ANDEREN MITBETEILIGTEN PERSONEN
1. Abschnitt: Zum Vorgehen
1.1 Die Administrativuntersuchung musste, nicht zuletzt nachdem der Prozess gegen
Dr. W. Basson Verschiedenes, zum Teil sehr Unwahrscheinliches über dessen
Beziehungen zu Div P. Regli aufgebracht hatte, die allfälligen Vorkommnisse
auftragsgemäss sorgfältig untersuchen (vgl. I Kap., Ziff. 2.2.1).
Die Untersuchung konnte nun die Beziehungen von Div P. Regli zu Dr. Basson,
Jürg Jacomet und anderen mitbeteiligten Personen nicht vollständig aufklären. Dennoch liessen sich verschiedene bisher unbekannte Punkte klar feststellen, für andere liegen gewisse Hinweise (Indizien) vor.
1.2 Bei den Feststellungen aus der Administrativuntersuchung sind nachfolgende
Umstände massgeblich gewesen:
a) Beim Schweizerischen Nachrichtendienst sind über die Beziehungen zu
Südafrika nur noch Teile der Akten vorhanden (vgl. Kapitel III).
b) Auch in Südafrika fehlen Dokumente, nicht zuletzt weil die früheren Mitglieder
der Koordinations- und Kontrollkommission von „Project Coast“, die Generäle
Nieuwoudt (bis 1986) und Magnus Malan (bis 1989) erwiesenermassen schon
gewisse Unterlagen vernichten liessen (wie dies Gen D.P. Knobel in einem als
streng geheim bezeichneten Schreiben an das KEEM/OSEO [Amt für
schwerwiegende Wirtschaftsvergehen] vom Mai 1994, Beweis Nr. 1.68 des
Prozesses Republik SA vs. Dr. Basson, schreibt).
c) Ein Hauptakteur, der Geschäftsmann, Miliz-Nachrichtenoffizier und Bekannte
von Div Regli, Jürg Jacomet, ist seit 1998 tot. Über seine Person und seine
Aktivitäten soll und darf auch nicht mehr, des Persönlichkeitsschutzes wegen,
geurteilt werden.
114
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
d) Die Administrativuntersuchung hat sich nicht um private Geschäfte, etwa von
Jürg Jacomet in der Schweiz oder in Namibia, oder der Medchem Forschungs
AG oder anderer Personen und Firmen in der Schweiz zu kümmern, ausser
wenn bei diesen Geschäften ein Bezug zu Personen im SND sichtbar wird.
e) Auf Aussagen des, in Südafrika und Namibia schwerster Verbrechen
beschuldigten Ex-Brigadegenerals Dr. W. Basson kann meines Erachtens in
einem fairen Verfahren in der Schweiz kaum abgestellt werden. In seinen
verschiedenen Versionen, die er zwischen 1993 und 2001 von den
Geschehnissen mit Partnern in der Schweiz geboten hat, sind manche Splitter
von beweisbaren Fakten mit erfundenen Geschichten vermischt. Als
„Kronzeuge“ kann Dr. Basson aber sicher nie angesehen werden.
f) Ebenso zeigt sich, dass verschiedene der leitenden Personen von „Project
Coast“ oder auch der südafrikanischen Nachrichtendienste, wie z.B. Gen Chris
Thirion, bezüglich der Ereignisse in den 80er- und frühen 90er-Jahren heute
nicht mehr viel oder nur noch Teile wissen oder wissen wollen.
Aus allen diesen Gründen sind in dieser Administrativuntersuchung
unvermeidlicherweise nur beschränkte Erkenntnisse darüber möglich, welches
Wissen über die Pläne und Aktionen der Südafrikaner mit chemischen und
biologischen Waffen bei schweizerischen Militärpersonen damals vorhanden war
oder was insbesondere Div Regli mit den Aktivitäten von Jürg Jacomet und
Dr. Basson in der Schweiz oder in Kroatien zu tun hatte.
2. Abschnitt: Beziehungen von Div Regli zu Brigadegeneral Dr. Basson
Es lässt sich nach meinen heutigen Erkenntnissen immerhin das Folgende aus
den Jahren 1987 bis 1997 über Kontakte von Div Regli zum Brigadegeneral Dr.
Basson und über Kontakte von Div Regli zu Südafrika wegen der Aktivitäten des
Dr. Basson sagen:
2.1 In einer von ihm am 5. Nov. 1996 verfassten kurzen „Autobiographie“ schreibt
Jürg A. Jacomet (in Stichworten):
115
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
„Millionenauftrag von Südafrika: Auseinandersetzung mit der rigorosen Apartheidpolitik der südafrikanischen Regierung und der zu umgehenden Embargo-Politik der UNO; Freundschaften mit einem gewissen Generalleutnant der SAP (South African Police [Gen Neetling]) und einem brillanten Brigadegeneral der SASF (South African Special Forces [Brig Basson]); afrikanische Eindrücke und Einflüsse.“
Ob und wann der damalige Chef des Flieger- und Flabnachrichtendienstes, Major
bzw. ab 1988 Oberstlt P. Regli, von J. Jacomet über dessen, seit 1986
bestehenden Kontakt mit der südafrikanischen Polizei und mit Brigadier Basson
Informationen erhielt, ist nicht mehr feststellbar.
2.2. Über ein Treffen von Herrn Regli mit Dr. Basson vor 1988, wie es von diesem
behauptet wird, hat die vorliegende Untersuchung einen Hinweis gefunden. Der
ehemalige südafrikanische Polizeigeneral Lothar Paul Neethling teilt in
einem Schreiben vom 28. März 2002 an den Stellvertretenden Staatsanwalt des
Bundes mit, dass er anhand seiner noch vorhandenen, persönlichen Notizen über
seine Reisen nach Übersee sagen könne, dass er zwischen dem 22. und 26. November 1987 in Begleitung von Dr. Basson eine Reise nach Deutschland und
in die Schweiz gemacht habe, bei deren Anlass das erste Treffen mit Herrn Regli
wohl stattfand. Sehr wahrscheinlich anlässlich dieses Besuches hat J. Jacomet
den Unternehmer Niklaus Schleifer von der Louis Schleifer Produktions AG,
Hombrechtikon, die für die Armee das erfolgreiche Kampfstoff-Nachweisgerät
(KANAG) produzierte, gebeten, mit Gen Neethling und Dr. Basson
zusammenzukommen. N. Schleifer verwies die südafrikanischen Militärs für ihre
Fragen zu den Folgen von C-Waffen-Einsätzen in Angola an die Gruppe für
Rüstungsdienste (nachfolgend Ziff. 2.3). Er seinerseits hat diverse erhaltene
Blutproben aus Angola am 26. Nov. 1988 zur Information an das AC-Labor Spiez
geschickt, das die Proben offenbar nicht mehr untersuchen konnte.
2.3 Feststeht sodann (wie schon 1999), dass es am 25. Januar 1988 auf Vermittlung
des Unternehmers N. Schleifer zu einem Informationsgespräch von „Br Az“ (Brigade-Arzt) Dr. Basson und dem „Pol Chef“ (Polizeichef) General Neethling mit Vertretern der GRD kam über unbekannte Krankheitsbilder von
116
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
C-Kampfstoff-Vergiftungen. Dieses Gespräch wurde aus Vorsichtsgründen in
Bern und nicht im AC-Labor in Spiez organisiert.
2.3.1 Dieser für das EMD überraschende Besuch löste in den Tagen vorher eine
hektische Umfrage bei verschiedenen Stellen aus, wobei auch Oberst Regli
erwähnt wird mit dem Satz: „Weiss dass Besucher kommen, aber weiss nicht,
wer eingeladen hat“ (Aktenblatt vom 22.1.88, Bundesarchiv Bestand E 5560 [D]).
2.3.2 Warum Dr. Basson und Lt Gen Neethling mit der Schweiz wegen Fragen des AC-
Schutzes Kontakt aufnahmen, dafür liefert Oberst Louis Philip Coetzee, von
August 1987 bis September 1990 südafrikanischer Verteidigungsattaché in
Bern, einen Hinweis. In einer Befragung durch Staatsanwalt A. Ackermann am
8. Sept. 2002 erklärt er unter Eid u.a.:
„Über Gespräche, die stattgefunden hatten über Chemische-Biologische Kriegsführung, habe ich keine Kenntnis, jedoch mit Ausnahme, dass im Jahre 1987 Dr. Wouter Basson mich anrief. Ich hatte gewisse Informationen über defensive Ausrüstung [von der Schweiz] an mein Hauptquartier geschickt, weil die SA Wehrmacht von Angriffen mit chemischen Waffen bedroht wurde.“
2.3.3 Nach Dr. sc. techn. ETH Ueli Huber, Sektionschef im AC-Labor Spiez, waren an
dem Gespräch am 25.1.1988 vormittags in Bern neben Gen Neethling, Dr.
Basson und J. Jacomet von Seiten des EMD die Herren Dr. Huber, Dr. Portmann,
Hp. Nadig und F. Schneider dabei. Die südafrikanischen Besucher lieferten
Informationen über neuartige Bedrohungsformen durch C-Kampfstoffe in SA.
Allerdings wurden auffallenderweise nur Krankheitssymptome an Schwarzen
vorgestellt. Über das Fachgespräch liegt eine handschriftliche Protokollnotiz vom 26.1.1988 (beim GS VBS) vor, die belegt, dass es nur um einen
Informationsaustausch, keineswegs um eine allfällige Zusammenarbeit ging. Lt
Gen Neethling wird in der Protokollnotiz als Chef der südafrikanischen Polizei,
Chemiker und „verantwortlich für die Terror-Bekämpfung im Inland“, Brigadier
Basson als Arzt und „Verantwortlicher für die Terror-Bekämpfung im Ausland
(Aktionen in Angola und Namibia)“ bezeichnet.
117
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
2.3.4 Nach Dr. Hubers Aussage vom 14. Nov. 2001 hat das Kommando der Flieger-
und Flabtruppen auf Vermittlung von Hr. Regli den Helikopterflug von Dübendorf
nach Belp organisiert. Darüber sind bei der Luftwaffe keine Dokumente mehr
vorhanden, weil die Fluganmeldungen nur während eines Jahres und die
Flugrapporte nur während 5 Jahren aufbewahrt werden. Danach werden diese
Akten routinemässig vernichtet.
Nach der Besprechung mit den AC-Fachleuten kam es am Mittag zu einem
Treffen mit P. Regli. Laut einer Notiz von Dr. Huber vom 19.1.1988 über ein
Telefongespräch mit N. Schleifer zur Vorbereitung des Besuchs war, wohl durch
J. Jacomet vermittelt, „am Nachmittag [ein] grosses Hearing über neue LL-
Abwehrwaffen [Luft-Luft] in Bern [vorgesehen].“ Nach einem Telefongespräch am
20.1.1988 mit Oberstlt Regli notierte Dr. Huber:
„Herr Regli habe ..... nichts zu tun mit Programm vom Vormittag. Übernahme
der Gäste 11.30 h in Belp. Trsp [Transport] durch KFLF [Kommando der Luftwaffe] organisiert. Hat kein Verständnis für Bedenken des ACLS [AC-Labors Spiez]. Wir sollen selber für Konferenzräume [in Bern] besorgt sein. .....“
2.4 General Lothar Paul Neethling wurde in Pretoria am 27. März 2002 als Zeuge
u.a. bezüglich seiner Beziehungen zu Div Regli befragt. Dabei erklärte er unter
anderem, dass er sich noch an ein interessantes Fachgespräch (im Frühjahr
1988) erinnere, das er mit Dr. Basson, Oberst Regli und einigen weiteren
Militärpersonen auf einer Militärbasis geführt habe und dass anschliessend ein
Helikopterflug in einer Alouette organisiert worden sei. Das letzte Treffen mit
Oberst Regli habe jedenfalls 1989/90 in Südafrika stattgefunden. Der
Sanitätsgeneral Nieuwoudt hätte angefragt, ob er für Herrn Regli und dessen
Familie Plätze im Blue Train von Pretoria nach Kapstadt organisieren könne. Er
habe dies getan und Regli und seine Familie dann am Bahnhof in Pretoria
begrüsst und ihnen gute Reise gewünscht. Explizit erklärte Gen Neethling
sodann, dass er sicher nicht 1990 oder 1991 nochmals in der Schweiz gewesen
sei, denn Ende November 1988 hatte er eine Herzoperation und in der Folge ein
Flugverbot ins Ausland bis Ende 1991. Das Resultat dieser Zeugenbefragung ist,
118
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
dass General L.P. Neethling das Treffen mit dem Helikopterflug, von dem auch
Dr. Basson berichtet (vgl. Prozess-Protokoll S. 15764), bestätigt. Es kann nach
seinen Reiseangaben der Anlass vom Nov. 1987 oder der vom Jan. 1988
gemeint sein.
2.5 Div Regli informierte 1999 die GPDel über den von Jürg Jacomet kurzfristig
inszenierten „Höflichkeitsbesuch“ von Brigadier Basson und General Neethling bei ihm im Bundeshaus „zwischen Sommer 1990 und Herbst 1991“.
Diesen Besuch bezeichnete die GPDel „als einmaligen Vorgang ohne weitere
Relevanz“ (oben IV. Kap., Ziff. 3.1). Über diesen Besuch liessen sich keinerlei
Hinweise in Akten finden. Da J. Jacomet 1990 noch in Namibia weilte, ist der
Besuch wohl auf 1991 anzusetzen. Gen Neethling allerdings hat, wie in Ziff. 2.4
erwähnt, explizit bestritten, 1990/91 im Bundeshaus Div Regli besucht zu haben.
Mitarbeiter des SND waren an dem Treffen offenbar nicht dabei. Wann einzelne
Mitarbeiter des SND von diesem Besuch erfuhren, ist strittig.
2.6 Ob Div Regli in den frühen 90er-Jahren überhaupt noch weitere Kontakte mit
Dr. Basson hatte, ist unbekannt. Erwiesen ist nur, dass Dr. Basson in den Jahren
1990 bis 1992 sehr häufig, manchmal jeden Monat einmal bei seinen
Geschäftspartnern in Basel oder im Kanton Zürich war. Besondere Anlässe für
Kontakte mit schweizerischen Militärstellen ergaben sich nach den Aussagen der
Schweizer Geschäftspartner oder den Erkenntnissen aus dem Basson-Prozess
bis Anfang 1992 nicht.
119
Dass Div Regli dann 1992 Kenntnisse vom Handel von Dr. Basson und
J. Jacomet zum Kauf von Methaqualon gehabt hätte oder daran gar mit einer
„geteilten“ Garantie beteiligt gewesen wäre, wird nur, wie im IV. Kapitel gezeigt,
von Dr. Basson in seinem Prozess behauptet (z.B. im Kreuzverhör am 27. Juli
2001). Belegt ist nur ein Treffen mit J. Jacomet am 9. April 1992 in Dübendorf.
Möglicherweise lief auch der Kroatienhandel von Dr. Basson und J. Jacomet
anders ab, als der Prozess ergab. Nach der Autobiographie-Skizze von J.
Jacomet (vom 5. Nov. 1996) war ein „Regierungsauftrag von Kroatien“ (für einen
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Waffenhandel im Jugoslawienkrieg) der Anlass für die Geschäfte im Winter
1992/93.
Die von mir zusammen getragenen Akten und Informationen aus den Jahren
1992 und 1994 enthalten jedenfalls keine Hinweise auf ein Beteiligung von Div
Regli oder des SND an Geschäften via Kroatien.
2.7 Ebenso ist nur von Dr. Basson behauptet worden, dass er Mitte 1993, als er auf
der Suche nach den verlorenen 1,5 Mio. $ in die Schweiz kam, von Div Regli die
Adresse bzw. Telefonnummer von Jacomet im Schwarzwald erhielt. J. Jacomet
und Div Regli hatten bis zum Oktober 1993 noch ungetrübte Beziehungen. Dass
J. Jacomet sich damals längere Zeit im Schwarzwald aufgehalten hatte, wird
auch von Drittseite (von Dr. iur. Arthur Baumann) bezeugt. Ob und wie Dr.
Basson und J. Jacomet Mitte 1993 Kontakte hatten, bleibt aber unbeantwortbar
und ist kaum relevant.
2.8 Nach einer Notiz von Div Regli hat ihn Dr. Basson am 24. Nov. 1993 aus Brüssel
angerufen (kurz vor seiner Einreise in die Schweiz). Dr. Basson behauptete im
Prozess, er habe Div Regli angerufen, damit dieser ihm bei der Suche nach
Belegen über die gescheiterte Finanztransaktion von Ende 92 helfe. Div Regli
vermerkte zu diesem Telefongespräch nur: „negativo“, und er erklärt heute, er
habe ihm den Hörer aufgehängt.
120
2.9 Dass während der Verhaftung von Dr. Basson anfangs Dez. 1993 vom Gefängnis
in Zürich aus ein Anruf wegen Dr. Basson kam, bestätigte Div Regli in der
Administrativuntersuchung. Div Regli betonte, im Gegensatz zu den
Prozessaussagen von Dr. Basson, dass er „vom Gefängnis in Zürich durch die
Bezirksanwaltschaft (nicht etwa durch Dr. Basson)“ einen Anruf erhalten hatte. In
den Verfahrensakten der Bezirksanwaltschaft IV für den Kanton Zürich liegt eine
entsprechende Notiz von Bezirksanwalt Nick über ein Telefongespräch mit Div
Regli vom 29.11.1993; dort heisst es auch: „Regli wünscht ab sofort keinen
Kontakt mehr mit Basson, da er niemandem mehr aus dem Umfeld von Jacomet
begegnen wolle.“ Einige Wochen vorher war die erwähnte Entsorgung von 10 kg
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
schwach radioaktivem Uran bei der Autobahnraststätte Kempthal durch J.
Jacomet, die Div Regli mitorganisiert hatte, erfolgt und publik geworden, worauf
Div Regli die Beziehungen zu J. Jacomet abbrach.
In der Einvernahme von Dr. Basson durch die Züricher Bezirksanwaltschaft am
29.11.1993 erklärte dieser, er „hätte Divisionär Regli treffen sollen. Basson ist
einverstanden, dass Regli mitgeteilt wird, dass er wegen des „Jacomet-Vorfalles“
verhaftet worden sei.“ Damit muss Dr. Basson den Geldverlust im
Kroatiengeschäft gemeint haben. Dr. Basson wurde dann, nachdem das
südafrikanische Militär eine Kaution von Fr. 100'000.- bezahlt hatte, nach
vierzehn Tagen freigelassen.
2.10 Nach seiner Freilassung hat Dr. Basson, nach Aussage von Div Regli von 1999,
diesen angerufen. Div Regli sagte, „er habe ihm aber das Telefon aufgehängt,
weil ihm Jürg Jacomet damals schon genügend Probleme bereitet habe“ (Bericht
GPDel von 1999, BBl 2000, S.575). Wahrscheinlich ist hier das erwähnte
Gespräch vom 24. Nov. gemeint (Ziff. 2.8).
2.11 Nach der Absetzung von Brigadier Dr. Basson im Frühjahr 1993 nahmen die
Koordinations- und Kontrollkommission von Project Coast sowie offenbar auch
bald das Office for Serious Economic Offenses (OSEO; KEEM) Abklärungen
vor, u.a. betreffend dem in Kroatien oder in der Schweiz verschwundenen Geld.
In diesem Zusammenhang sind die Kontakte des südafrikanischen Militärs mit Div Regli besonders gut belegt.
2.11.1 Mit Datum vom 2. März 1994 ergeht ein Schreiben des Militär-Attaché von SA, Oberst O.A. Schür, an Div P. Regli als Antwort auf seine Anfrage vom 1. März
bezüglich seiner geplanten Chefvisite in SA. Darin heisst es unter Ziff. 2:
„The programme for your visit to South Africa. In this regard the following
points will also be of interest to you:
121
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
a. Surgeon General (General Knobel) would like to make an appointment with you in order to discuss the Basson event of last year. General Nieuwoudt will also be involved.“
Also: „Das Programm für ihre Visite in Südafrika. Diesbezüglich sind die folgenden Punkte von Interesse für Sie:
a. Der Surgeon General (General Knobel) wünscht ein Treffen mit Ihnen um den Basson Vorfall vom letzten Jahr zu diskutieren General Nieuwoudt wird ebenfalls beteiligt sein.“
etc.„
(Beigefügt wurde per Fax das Programm für den Besuch vom 27.3 bis 6.4.1994, worin es heisst:
„Tuesday 29 march 1994 .... 12:00 - Working lunch at Orion House, South afri-can Military Intelligence College. Lt Gen van der Westhuizen, Lt Gen. Knobel (Surgeon General), Maj Gen Nieuwoudt (Chief Director Counter Intelligence) 14:15 – Meeting with national Intelligence. Accompanied by Maj Gen Eras-mus.“ Also: „Dienstag 29. März 1994 ... 12:00 – Arbeitsessen im Orion-Haus, Südafrikanisches College für militärischen Nachrichtendienst. Lt Gen van der Westhuizen, Lt Gen. Knobel (Surgeon General), Maj Gen Nieuwoudt (Chef Direktor der Gegenspionage) – 14:15 nächstes Meeting mit dem nationalen Nachrichtendienst. Begleitet von Maj Gen Erasmus.“
Am Tag darauf, am 3. März 1994, sendet der SA-Attaché nochmals einen Brief
an Div Regli betr. Treffen in Südafrika. Dazu heisst es:
„1. Surgeon General (Luitenant General Knobel) has asked if it would be pos-sible for him to discuss the Basson incident with you during your visit. Mr. Swanepoel [Rechtsanwalt] will also attend the meeting, should you indicate that you would be preparend to discuss the matter.“
Also: „1. Der Oberfeldarzt (Luitenant General Knobel) hat gefragt, ob es möglich wäre, mit Ihnen während Ihres Besuchs den Basson Vorfall [wörtlich: the Basson incident] zu diskutieren. Hr. Swanepoel [Rechtsanwalt] wird auch am Treffen teilnehmen, was Ihnen zu erkennen gibt, dass Sie vorbereitet sein sollten, um die Sache zu diskutieren.“
Diese Reisevorbereitungen durch den Verteidigungsattaché wurden von Gen
Knobel veranlasst (vgl. die Zusammenfassung der Aussagen desselben im Urteil
i.S. Basson, Ziff. 79) und zeigen, dass bei Div Regli ein gewisses Vorwissen
erwartet wurde.
122
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
2.11.2 Am 29. März 1994 kam es zum Gespräch mit Surgeon General Daniel Pieter
(genannt Lien) Knobel. Nach dem erwähnten Programm, nach Berichten von
Gen Knobel vom Frühjahr 1994 und nach dessen Aussagen im Basson-Prozess
und später waren auch Gen Nieuwoudt und Gen van der Westhuizen dabei.
Zweck des Gesprächs war für Gen Knobel, die Behauptungen von Dr. Basson
über den Ablauf des Kroatioenhandels zu überprüfen.
2.11.3 General Knobel berichtete im Mai 1994 an den Direktor des OSEO in Africaans
[Beweis Nr. 1.68 des Basson-Prozesses] über dieses Treffen vom 29. März:
„Wie Sie schon wissen hatten wir ein persönliches Gespräch mit General Regli in Gegenwart von Gen Nieuwoudt und obwohl man nicht ein detailliertes Gespräch führen konnte wegen der Sensibilität der Angelegenheit für beide Parteien, gab es genügend Hinweise, dass er sich der Problematik bewusst war und wir erhielten bestimmte Informationen, die den oben beschriebenen Vorgang [den Kroatienhandel von Basson und Jacomet] bestätigten.“ (prov. Übersetzung).
Gen Knobel sagte noch Näheres zu diesem Gespräch im Kreuzverhör im
Basson-Prozess (oben IV. Kap., Ziff. 6.2). Am 25. März 2002 gab er gegenüber
dem Stv. Staatsanwalt des Bundes an, dass er damals von P. Regli wissen
wollte, was dieser über das Kroatiengeschäft und die Beschaffung von
Methaqualon für die chemische Forschung in Südafrika wusste. Zudem
bestätigte er dieses Jahr auch, dass Gen Regli ihm erklärte, wer „Capt.“ [Hptm]
Jacomet war, sodann dass Gen Regli von der Zusammenarbeit von Jacomet und
Dr. Basson Kenntnis hatte, dass er wusste, dass diese viel Geld in Kroatien
verloren hatten, und dass er sich um Abklärungen bemühen wolle. Gen Knobel
betonte auch, dass aber keine Rede war von einer Mitwirkung schweizerischer
Stellen am Kroatienhandel, noch von einer kombinierten Transaktion oder einem
gemeinsamen Bankkonto mit Gen Regli.
2.11.4 Div Regli äusserte sich in der Administrativuntersuchung zur Einladung und zum
Gespräch mit Gen Knobel vom 29. März 1994 (gemäss den von ihm gelesen und
als „sinngemäss korrekt“ unterschriebenen Protokollen) folgendermassen:
123
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
„Es ist richtig, dass die Anfrage vorgängig unterbreitet wurde. Als ich dann in
SA war, wurde sie wiederholt und ich habe in der Folge Knobel getroffen. Meines Erinnerns fand das Gespräch mit ihm unter vier Augen statt. Ob auf der SA-Seite noch jemand anderes dabei war, weiss ich nicht mehr. Schweizerischer Seits war ich jedenfalls allein. Ich wusste im Voraus nicht, worum es General Knobel ging. Er hoffte, dass ich ihm bei dem dort erwähnten Problem helfen könnte. Mit anderen ND wäre das ein normaler Vorgang gewesen. Nur in der Schweiz ist das etwas anderes wegen der bei uns geltenden Gewaltentrennung. „Bassons-incident“ sagte mir im Voraus nichts. Ich ging davon aus, dass er mir das dann im Gespräch erklären würde. Ich dachte mir nichts Spezielles, da ich über die Tätigkeit Bassons nichts wusste. Das Gespräch mit Knobel fand im Anschluss an den Lunch statt. Das Thema waren Gelder, die Basson angeblich in der Schweiz veruntreut hatte. Er bat mich um Assistenz, um verschwundenes Geld in der Schweiz wieder aufzutreiben. Ich erwiderte, das liege nicht in meiner Kompetenz, dass ich im Inland keine Nachrichten beschaffen dürfe und dass dafür die Bundesanwaltschaft zuständig sei. Ich bat ihn, mir die Fragen aufzuschreiben.“ (Protokoll vom 18.9.2002)
und: „Herr Knobel ..... sprach mich ..... auf die Finanztransaktion Bassons in der
Schweiz an, weil er meinte, in der Schweiz habe der Chef Nachrichtendienst die Kompetenz, in dieser Sache Nachforschungen zu machen, damit es eben diskret ablaufen würde. Der Fall Basson war in unseren bilateralen Gesprächen sonst kein Thema. Dieses Thema war auf ihrer Seite als streng geheim klassifiziert und darüber wurde nicht gesprochen. Erst als es in den Medien publik geworden war, wurde gelegentlich darüber gesprochen, aber es war nicht Gegenstand nachrichtendienstlichen Informationsaustausches. Knobel erwähnte meines Erinnerns, dass Basson Gelder der Südafrikanischen Regierung im Ausland angelegt und verbraucht (habe), unter anderem in der Schweiz, und er wollte, dass wir ihm helfen würden, etwas Näheres herauszufinden. Um was für Geschäfte es sich handelte, hat er mir nicht gesagt oder ich erinnere mich nicht, ..... Auch über Jacomet habe ich sicher mit Knobel gesprochen, dass er mit Basson geschäftete. Aber vom geheimen Chemiewaffenprojekt Bassons war dabei mit Sicherheit nicht die Rede. Das wurde uns erst nachträglich aus den Berichten über den Prozess bekannt. Vorher war das streng geheim.
2.11.5 Nach Aussage von Div Regli gab ihm Gen Knobel tags darauf einen
Fragebogen für die Schweizer Behörden. Diesen will Div Regli nach seiner
Rückkehr in Kopie an den Chef der Bundespolizei (heute: Dienst für Analyse und
Prävention, DAP), Fürsprecher Urs von Däniken geschickt haben, der ihm
geraten habe, den Südafrikanern zu sagen, dass sie den Rechtshilfeweg
124
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
einschlagen sollten. Der Fragebogen ist nicht mehr auffindbar. Auch der DAP
besitzt ihn nicht.
In den Akten des SND befindet sich ein zweieinhalbseitiges, nicht datiertes, nicht
adressiertes und nicht registriertes Gesuch des „Office for Serious Economic
Offences“, betitelt: „REQUEST FOR ASSISTANCE IN RESPECT OF AN
INQUIRY BY THE SOUTH AFRICAN OFFICE FOR ECONOMIC OFFENCES
(OSEO)“. Dies ist nach Auffassung von Fürsprecher von Däniken nicht der
erwähnte Fragebogen. Im Papier des OSEO werden gewisse Zahlungsabläufe im Kroatienhandel beschrieben, allerdings so, wie sie – nach Staatsanwalt
Ackermann – Dr. Basson 1994 dem OSEO geschildert hatte. Zu diesem
Zeitpunkt war das OSEO noch nicht im Besitz der Belege der Schweizer und der
kroatischen Banken; erst 1997 erfuhr die Südafrikanische Staatsanwaltschaft via
die Rechtshilfe der Schweiz, wie die Zahlungen tatsächlich flossen.
2.11.6 Aus den Akten der südafrikanischen „Truth and Reconciliation Commission“ von 1997/98 sind zwei als „streng geheim“ klassifizierte Protokolle
(in Afrikaans) der Koordinations- und Kontrollkommission von Projekt Coast
(neu: Jota) von zwei Sitzungen aufgetaucht, eines vom 24. Jan. und ein anderes
vom 29. März 1994. In der für das vorliegende Verfahren erstellten (prov.)
Übersetzung heisst es im Protokoll vom 29.3.94:
„7. Paragr. 16 Geld im Ausland. GG [= Lt. Gen. Knobel] berichtet, dass er mit Gen. Regli vom Schweizerischen Nachrichtendienst gesprochen habe und dass dieser einen grossen Teil der Erklärungen von Brig. Basson bestätigt habe. Er hat auch bei der Wiederbeschaffung dieser Dokumentation geholfen. Gen. Knobel ist dessen ungeachtet überzeugt, dass das Geld verloren ist. Die Angelegenheit gegen Brig. Basson muss am 22. April 1994 beendet sein, doch der Termin ist schon verlängert worden, also sollte das garantierte Geld in Kürze zurückerstattet werden.“
Bei diesem Protokoll-Vermerk vom Tag des Treffens Regli-Knobel ist sicher
interessant, dass Div Regli die Darstellung von Brig Basson weitgehend bestätigt
haben soll und dass er bei der Wiederbeschaffung von Dokumenten behilflich
gewesen sein soll.
125
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Zu dieser Feststellung hielt Div Regli am 7.11.2002 fest:
„dass er mit Ausnahme des in die Schweiz zurückgebrachten Fragebogens bei keinerlei Wiederbeschaffung von Dokumenten im Fall Basson behilflich war, sondern die Südafrikaner auf den Weg der Rechtshilfe verwiesen habe.“
2.11.7 Im Basson-Prozess ist sodann ein Brief von Div Regli an General Knobel auf
Amtspapier mit SECRET klassifiziert, mit Datum vom 12. April 1994 aufgetaucht
(Beweis Nr. 1.66). Darin schreibt Div Regli zum Betreffnis „verlangte
Informationen“:
„Dear General Knobel! My first inquiries here have given that you should proba-bly forget the issue and not continue the investigation!
Questions from your side would require „offical“ proceedings by our Department of Justice and could therefore not kept classified. At the end it could come to an open court case. This is certainly not in your interest.
Thank you once again for the interesting discussion. I’m looking forward to your information and shall then give you a definite answer.“
Also: „Lieber General Knobel! Meine ersten Abklärungen hier haben ergeben,
dass Sie den Streitpunkt (wörtlich: issue) vermutlich vergessen und mit der Untersuchung nicht mehr weiterfahren sollten! Fragen von Ihrer Seite würden bei unserem Justizdepartement ein Amtsverfahren erfordern und könnten daher nicht mehr geheim gehalten (kept classified) werden. Schlussendlich könnte es zu einem öffentlichen Gerichtsfall kommen. Das ist sicherlich nicht in Ihrem Interesse.
Ich danke Ihnen noch einmal für die interessante Diskussion. Ich erwarte Ihre Information und werde Ihnen dann eine definitive Antwort geben.“
In seiner Befragung am 25. März 2002 sagte Gen Knobel, dass er über diesen
Brief enttäuscht gewesen sei und ihn an General van der Westhuizen
weitergegeben habe mit der Bemerkung, dass er ihm nichts nütze. Für Gen
Knobel war nicht klar, was Herr Regli mit der Aussage „forget the issue and not
continue the investigation“ meinte.
In der Administrativuntersuchung befragt zu diesem Brief, gab Div Regli an, er
hätte die südafrikanischen Partner darauf aufmerksam gemacht, dass nach der
(bestätigten) Auskunft von Fürsprecher von Däniken von der Bundespolizei die
südafrikanischen Abklärungen über den Weg der Rechtshilfe gehen müssten und
126
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
dass ein öffentliches Justizverfahren nach einer Rechtshilfe der Schweiz nicht im
Interesse der Geheimhaltungsanliegen der SA-Spezialdienste gewesen wäre.
Diese Erklärung beantwortet meines Erachtens nicht alle Fragen, die sich
bezüglich dieses Schreibens stellen (siehe Ziff. 4.5). Demgegenüber betonte Div
Regli am 7. Nov. 2002 nochmals, dass „er in der Angelegenheit dieses
Fragebogens nur Überbringer war.“
2.11.8 Am Samstag, den 23. April 1994, kommt auf einer Europareise Maj General I. P.B. Erasmus, Chief Director Military Intelligence, begleitet vom Ersten
Auswertungsoffizier Oberst C.S. Steijn, zu einem „Kurzbesuch“ privat zu Div
Regli und seiner Gattin nach Boll für einen politischen Meinungsaustausch. In
dem von Div Regli am 18. Mai 1994 verfassten Bericht heisst es:
„Fall Jacomet/Surgeon General Ich habe Erasmus gebeten, dem Surgeon General zu empfehlen, die Akte „Jacomet/Basson“ zu schliessen. Es sei nach meinen Abklärungen – in ihrem Interesse (nicht zuletzt wegen der Diskretion)“.
2.12 Wie erwähnt bemühte sich die oberste Leitung von Project Coast, aber auch das
Justizministerium bzw. das OSEO, nicht zuletzt auf Druck des Finanz- und des
Verteidigungsministeriums ab 1993, die im Kroatien-Handel verschwundenen 1,4
Mio. $ wieder zu beschaffen, weshalb u.a. auch Dr. Basson im Frühjahr/Sommer
1993 nach Europa reiste. Er veranlasste wohl, dass J. Jacomet am 12. Mai 1993
einen Brief der Inter Magnum Ltd. an Gen Knobel verfasste (Beweis Nr. 19.29 A
des Basson-Prozesses sowie Urteil Ziff. 1458), in dem Jacomet von den
Schwierigkeiten mit den kroatischen Behörden im Winter 1992/93 berichtete. Am
13. Aug. 1994 gab dieser dann auf der südafrikanischen Botschaft in Bonn eine
Erklärung, ein „Affidavit“, ab, worin er den Handel genau schilderte (Beweis Nr.
19.29B des Basson-Prozesses).
Gen Knobel vermutete, dass J. Jacomet dank den Bemühungen des Schweizer
Partnerdienstes zu dieser Erklärung bereit war (vgl. Ziff. 85 des Urteils i.S.
Basson sowie seine Zeugenaussage vom 25. März 2002).
127
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
2.13 Schon zu den Nachspielen um die Bewältigung der Verbrechen des Dr. Basson
gehörte ein Informationsaustausch, den Div Regli anlässlich seines folgenden
Chefbesuches vom 6.-10. Oktober 1997 in Südafrika hatte. Danach berichtete
er intern:
„Fall Jacomet/Basson Nachdem ich den Gastgebern vor meinem Besuch den Artikel der
SonntagsZeitung zugestellt hatte, kam der Surgeon General, Gen Lt Knobel, ins ORION und beantwortete meine Fragen zum Fall.
Dazu folgende wichtige Erkenntnisse:
- Dr. Wouter Basson wurde in den 80er Jahren vom Surgeon General zum Projektleiter für ein nationales (geheimes) Abwehrprogramm für B/C-Waffen ernannt; dazu hatte er grosse Vollmachten und auch viel Geld zur Verfügung;
- um die Abwehr führen zu können, musste man auch die Agenzien kennen. Hier wurde Jürg Jacomet als Agent eingesetzt. Er hatte die Aufgabe, über seine Kanäle im Osten B/C-Kampfstoffe zu beschaffen. In diesem Zusammenhang kam es in einem Geschäft mit dem kroatischen Geheimdienst zu unlauteren Handlungen mit grösseren Geldsummen. Basson wurde der Veruntreuung angeklagt. Man meint, das Geld sei auf Schweizer Banken und leitete deswegen ein Rechtshilfegesuch an die Schweiz ein.
Zur Zeit seien Vertreter des „Office for serious economic offences“ in Zürich und würden Nachforschungen betreiben;
- Basson hätte auch Kontakte mit Huber und Suhner gehabt und dort auch Material beschafft;
- Das ganze B/C-Programm wurde dann (90er Jahre) eingestellt, das Material vernichtet und Basson aus der Verantwortung entlassen;
- auf Druck von CIA und Ml6 hätte man [1994] ihn aber wieder als „Experten“ eingestellt, um über ihn die Spuren zu den Lieferanten im Osten aufnehmen zu können;
- Basson soll auch in die Herstellung von grösseren Mengen Extasy-Pillen verwickelt gewesen sein.
Über Lothar Neethling weiss Knobel angeblich nichts. Er sei General der Polizei und Chef des Forensischen Institutes gewesen. Eine Beziehung zu Basson sei ihm nicht bekannt. Knobel händigt mir zwei Schreiben von Jacomet aus (vom 12. Mai 1993), in welchem er seine Lage im Geschäft mit Basson und Kroatien erklärt.
128
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Knobel sagt mir, Vertreter des „Office for serious economic offences“ möchten auch mit mir sprechen. Ich teile ihm mit, dass ich dem nur zustimmen könnte, wenn über das EJPD eine offizielle Anfrage erfolgen würde.“
Die beiden erwähnten Dokumente, der Brief der Inter Magnum Ltd. vom 12. Mai
1993 und das „Affidavit“, das J. Jacomet in Bonn am 13. August 1994 zum
„Kroatien-Deal“ abgab, befinden sich bei den Akten des SND (ohne
Registraturvermerk). Weshalb Div Regli 1997 so ausführlich zu Handen seines
Dienstes rapportierte, muss dahingestellt bleiben.
Am 7. Nov. 2002 betonte Div Regli:
„ ..... es liege ihm daran, nochmals festzuhalten, dass er bezüglich eines Artikels in der Sonntagszeitung von General Knobel wissen wollte, was zwischen Basson und Jacomet alles gelaufen sei. Dies aus dem einfachen Grund, weil er (Regli) das Projekt nicht kannte, mit diesem Zeitungsartikel aber schwer beschuldigt worden sei und diese Anschuldigungen nicht habe einordnen können. Die in seinem (Reglis) Kontaktprotokoll des Besuches vom 6.-10. Oktober 1997 erwähnten Erkenntnisse stellen die Zusammenfassung der von General Knobel gelieferten Erklärungen dar. Dazu gehören auch die zwei ... aufgeführten Dokumente, welche für Regli neu waren und mit denen er nichts zu tun gehabt habe. Erst durch diese Erklärungen hätten Regli und der Schweizer Nachrichten-Dienst Konkretes über dieses geheime Abwehrprogramm, die Rolle von Jacomet und der Schweiz erfahren.“
3. Abschnitt: Beziehungen zu Jürg Jacomet und anderen beteiligten Personen
3.1. Wie vorne (Ziff. 1.2) dargelegt, soll heute über Jürg Jacomet nicht mehr geurteilt
werden. Von verschiedenen Personen werden unterschiedliche Schilderungen
von seiner Person und seinen Tätigkeiten gemacht. Relevant ist im vorliegenden
Fall, dass generell bestätigt wird, dass J. Jacomet ein engagierter und
pflichtbewusster Miliz-Nachrichtenoffizier war. Ebenfalls wird mehrfach bezeugt,
dass er seinen Dienstkameraden gerne über seine Erlebnisse und
Geschäftsreisen berichtete. Er war jedenfalls nicht verschlossen und
schweigsam.
3.1.1. Div Regli sagte, befragt nach seinen Kontakten zu J. Jacomet und der
Zusammenarbeit mit diesem:
129
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
„Fachlich hatte ich mit ihm nichts zu tun, sodass ich seine militärische Arbeit
nicht beurteilen kann. Er war ein sehr engagierter NachrichtenOf .... Er war .... für uns nur ein absolut „freier“ Mitarbeiter ohne jeden Auftrag. Er trug mir Informationen stets von sich aus zu. Für mich war er ein Informant unter vielen, sodass ich nicht gespeichert habe, was er mir mitteilte.
Von seinen Reisen erzählte er mir hie und da. Ich wusste, dass er mit
Gewehren handelte. Es handelte sich aber um allgemeine Informationen. Anfangs der 90er-Jahre begann er dann über Geschäfte zu reden, die ich rückblickend mit seinen Kontakten mit der organisierten Kriminalität erkläre. An einen Kontakt, den er uns einmal mit einem Ukrainer verschafft hatte, kann ich mich erinnern. Ich stand im Zusammenhang mit unserem Interesse, mehr über Nuklearwaffen [-transfers] in Erfahrung zu bringen. Das hatte mit SA nichts zu tun. Er erzählte dann auch über seine Kontakte in Namibia.
.... In all den Jahren vor 1990 fiel mir an ihm nichts Negatives auf. Erst als er
begann, von russischem Uran, Cäsium und solchen Dingen zu sprechen, erhielt ich den Eindruck, dass er in eine schlechte Richtung abdriftete. ....
Wenn Jacomet uns mit Informationen belieferte, geschah dies wahrscheinlich,
weil er ein motivierter NachrichtenOf war und er dachte, damit unserem Land einen Dienst zu erweisen. Für ihn war es dienlich, sagen zu können, dass er mich kannte, weil er sich offenbar damit brüstete. Das war aber nicht wegen mir als Person. Er hätte mit demselben Beweggrund auch den Kontakt zu einem anderen USC ND und Div gesucht.
Es ist richtig, dass er mich als Miliz-Informant gelegentlich aufsuchte. Mit
Ausnahme des Kontakts zum erwähnten Ukrainer (bzw. diesen zu bringen) gaben wir ihm aber nie einen konkreten Auftrag. Das ist auch das Charakteristikum unserer Zusammenarbeit mit Milizlern, weil wir vermeiden wollten, .... sie im Falle eines Zwischenfalles .... in Schwierigkeiten zu bringen und sie .... zu gefährden.“ (Protokoll vom 18.9.2002, dessen Wortlaut Div Regli als „sinngemäss korrekt“ bezeichnete und das er genehmigte).
3.1.2 Über die Rolle von J. Jacomet als Informant und Mittelsmann hat die GPDel
einlässlich berichtet (BBl 2000, S. 573/4). Wie oft es zu Kontakten zwischen Div
Regli und J. Jacomet kam und was der Inhalt der Gespräche war, ist heute nicht
mehr feststellbar. Nach Aussagen von Personen aus dem persönlichen Umfeld
von J. Jacomet hatte dieser phasenweise, in der zweiten Hälfte der 80er Jahre
und nach seiner Rückkehr aus Namibia 1991, sehr häufige Kontakte mit Div
Regli, aber auch mit verschiedenen Repräsentanten des EDA. Er hätte Div Regli
130
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
etwa über seine Reisen nach Österreich, Tschechien, Russland und Kroatien
immer informiert. Der frühere Chef der Abteilung SND, F. Schreier, erklärte:
„Richtig ist ...., dass verschiedene Personen im SND von den Beziehungen von Herrn Div Regli zu Herrn Jacomet Kenntnis hatten. Ich selber wusste davon seit der Zeit, als Herr Div Regli noch Chef FF ND (heute LWND) war .... Mir ist nicht namentlich erinnerlich, wer genau damals sonst noch darüber im Bild war. Die Tatsache selber war jedoch kein Geheimnis .... Persönlich habe ich Herrn Jacomet ein einziges Mal im Büro von Herrn Div Regli getroffen“ (Schreiben vom 14.11.02).
Im Sinne einer Zusammenfassung sei der frühere Mitarbeiter des SND, Dr.
Jacques Pitteloud zitiert, der am 4.9.2002 aussagte:
„Jacomet war .... nie Mitarbeiter des SND, weder in der Beschaffung [selbst]
noch wurde er von der Beschaffung je als Quelle geführt. Für Regli war Jacomet gleichzeitig ein Freund, eine Privatquelle und ein Facilitator (Beschaffer von Kontakten). Erst als die Uran-Affäre aufflog [im Oktober 1993], merkte Regli, dass er missbraucht worden war und beklagte sich, Jacomet habe sein Vertrauen missbraucht. Von F. Schreier weiss ich, dass er ganz am Anfang (ca. 1990) Regli ausdrücklich, aber umsonst vor Jacomet gewarnt hatte („du sollst nicht selber Quellen führen“)“.
3.2. Die vorherige Erwähnung eines „Ukrainers“ (in Ziff. 3.1.1) betrifft folgenden
Sachverhalt: 1992 lernte der USC ND, Div Regli, durch J. Jacomet den Dänen
Henrik Thomsen kennen, der sich vielfältiger Beziehungen zur Ukraine rühmte.
Mit diesem Staat hatte die Schweiz damals noch keine nachrichtendienstliche
Kontakte. An zwei Treffen in seinem Büro erinnert sich Div Regli. Am 5. März
1993 seien Jacomet und Thomsen in Anwesenheit des Chefs SND bei ihm
gewesen; ein anderes Mal habe er einen Spezialisten des SND für Osteuropa
beigezogen, um die Kenntnisse von H. Thomsen zu testen. Dieser war
offensichtlich mehr Waffenhändler als Nachrichtenspezialist, erklärt heute dieser
(frühere) Mitarbeiter des SND. H. Thomsen bekam aber doch von Div Regli einen
Auftrag zur Abklärung im Bereiche der Nuklearwaffen in der Ukraine. Über J.
Jacomet, der für H. Thomsen als Verbindungsmann zu Div Regli figurierte, soll er
von seinen mehrmonatigen Aufenthalten in der Ukraine mindestens fünf Berichte
geliefert haben. Über Jacomet soll auch die Frage der Entschädigung
131
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
angesprochen worden sein. H. Thomsen, der sich von sich aus mit einem
Schreiben vom 12. Nov. 2002 bei mir gemeldet hatte, äusserte sich dahin, dass
er via Jacomet für einen Teilbetrag einen Schuldschein erhalten habe, dass er
aber noch vier Fünftel der Entschädigung zugute habe. Als J. Jacomet anfangs
1994 verschwunden sei und er Herrn Regli angerufen habe, habe dieser erklärt,
dass er mit Personen aus dem Umfeld von Herrn Jacomet nichts (mehr) zu tun
habe. H. Thomsen ist offensichtlich bei seinen Recherchen in der Ukraine
ungeschickt vorgegangen, weshalb er dieses Land verlassen musste. Anfangs
August 1994 versuchte er, über den Verteidigungsattaché der Schweizerischen
Botschaft in Stockholm mit Div Regli Kontakt aufzunehmen und ihm gewisse
Anfragen und neue Informationen zuzuleiten. Doch Div Regli liess ausrichten,
dass er auf weitere Kontakte zu Thomsen verzichte (vgl. die vertraulichen Notizen
des schweizerischen Verteidigungsattachés in Stockholm über die Begegnung
mit Henrik Thomsen, vom 10. Aug. 1994).
3.3 Die beiden genannten Personen, J. Jacomet und H. Thomsen, hatten nur Beziehungen zu Div Regli, nicht zum SND. Der persönliche Kontakt des Chefs des SND zu „Quellen“ war nach den Standards von Nachrichtendiensten riskant und nicht unproblematisch. Wie die GPDel 1999 feststellte, kann „sich das
Verhalten „freier Mitarbeiter“ gegebenenfalls äusserst kompromittierend für den
Nachrichtendienst als Ganzes auswirken“ (BBl 2000, S. 574). Das ist auch heute
allseits unbestritten.
4. Abschnitt: Zusammenfassung der Feststellungen
4.1 Div Regli hatte zwischen 1987/88 und 1993/94 mehrere Kontakte mit dem
damaligen Brigadegeneral Dr. Wouter Basson und zwischen 1987/88 und 1990
mit dem Polizeigeneral L.P. Neethling. Die ersten Beziehungen zu Dr. Basson
und Gen Neetling datieren aus der Zeit, als P. Regli noch Chef des
Nachrichtendienstes der Flieger- und Flababwehrtruppen war, die letzten
Kontakte zu Basson, als dieser Probleme mit seinen Kroatiengeschäften hatte.
132
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
4.2 Div Regli hatte 1994 und 1997 Kontakte mit dem Surgeon General D. P. Knobel.
Der Beginn der Beziehung zu Gen Knobel betrifft die Zeit, als die Koordinations-
und Kontrollkommission des Coast- bzw. Jotaprojects dessen Tätigkeiten
innerhalb des Militärs möglichst im Geheimen beenden und liquidieren wollte,
indem sie z.B. Giftstoffe, Drogen und Material in grossen Mengen vernichtete und
Recherchen nach den verschwundenen Geldern unternahmen.
4.3 Eine aktive Mitwirkung von Div Regli am Kroatienhandel 1992/93 von Dr. Basson
und seinem Geschäftspartner J. Jacomet, als diese (angeblich) beabsichtigten,
Methaqualon über Kroatien und die Schweiz einzukaufen oder dies eventuell
auch machten, wurde (wie gesagt) zwar von Dr. Basson in seinem Strafprozess
mehrfach behauptet und von Richter Hartzenberg angenommen, lässt sich aber
überhaupt nicht belegen und erscheint auch als unwahrscheinlich.
4.4 Div Regli hatte aber – nach meiner Auffassung – nicht erst 1997, sondern schon
1993 und spätestens im März 1994 persönlich Kenntnisse von diesem
Kroatienhandel und dem anschliessenden Handel mit gefälschten Obligationen
von Dr. Basson und dessen Partner erlangt. Das führt zur allgemeinen Frage,
welche Kenntnisse Div Regli überhaupt von den Aktivitäten des Dr. Basson
hatte.
4.4.1 Dass Div Regli damals allgemein die politischen Verhältnisse in Südafrika sehr
gut kannte, belegt z.B. ein persönlich gehaltener Brief an ihn („Dear Peter“) von
Lt Gen van der Westhuizen, Chief of Staff Intelligence, vom 5. Jan. 1994, worin
es u.a. heisst:
„Your constant friendship, understanding and moral support over the years is heartening and highly valued. As you closely follow the events in the RSA, I am including some recently published articles for your further interest and atten-tion.“
133
Also: „Deine beständige Freundschaft, Dein Verständnis und Deine moralische Unterstützung über die Jahre ist ermutigend und sehr wertvoll. Da Du die Ereignisse in der Republik Südafrika so nahe verfolgst, lege ich einige kürzlich erschienene Artikel bei für Dein Interesse und Deine Aufmerksamkeit.“ [Diese Artikel sind nicht mehr bei den Akten].
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
4.4.2 Dass Südafrika sich mit Problemen des C-Krieges, insbesondere mit dem Schutz
vor sowjetischen C-Kampfstoffen beschäftigte, war im SND seit 1984 und bei
anderen Bundesstellen namentlich durch die Anfragen ans AC-Labor und durch
den Einkauf von Gasmasken seitens der südafrikanischen Streitkräfte in der
Schweiz bekannt. Das heisst selbstverständlich noch nicht, dass in der Schweiz
spezielle Kenntnisse über das geheime südafrikanische B- und C-Waffen-
Programm vorhanden waren.
Immerhin: Über den Einsatz von sowjetischen C-Kampfstoffen (Nervengase)
gegen die UNITA wurde in der Fachwelt vielfach diskutiert und berichtet, z.B. in
Jane’s Defense Weekly vom 26. März 1988, S. 560, oder von Rolf Halberbach
unter dem Titel „Der heimtückische Krieg mit chemischen Waffen“, in:
Europäische Wehrkunde 5/1988, S. 271 ff., und unter dem Titel: „Angola als
Versuchslabor für chemische Kampfstoffe“, in: Europäische Wehrkunde 7/1989,
S. 433 ff. Der belgische Professor A. Heyndrickx rapportierte zwischen 1986 und
1989 mehrfach über seine Untersuchungen an Opfern des C-Krieges an den
Generalsekretär der UNO. Der Bericht von seiner Untersuchungsmission vom
Februar 1988 wurde anfangs Mai 1988 Oberstlt Regli, Chef FFND, belegbar
übermittelt, der im Übrigen im März 1988 anlässlich seiner Besuche bei UNITA-
Truppen gemäss dem Reisebericht von diesem C-Krieg Kenntnisse erlangt hatte.
Was die südafrikanischen Streitkräfte unternahmen, war demgegenüber
weitgehend geheim. J. Jacomet schrieb 1996 in seiner Skizze einer
Autobiographie: „Einsatz im heissen Angola auf Seiten Südafrikas und der UNITA
von Dr. Jonas Savimbi im geheimen chemischen Krieg gegen die FAPLA [die
Truppen der SWAPO] und deren Verbündete UdSSR, DDR und Kuba.“ Gen
Neethling und Gen Dr. Basson berichteten 1988 von ihren Aufgaben der
Terrorbekämpfung im Chemiewaffenkrieg (vorne Ziff. 2.3.3).
Die Publikationen wissenschaftlicher Institutionen machten damals deutlich, wie
schwierig es war, den Wahrheitsgehalt von Gerüchten über die Herstellung und
134
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
den Einsatz von B- und C-Waffen durch Südafrika zu ermitteln. Immerhin
enthielten etwa die Jahrbücher des Stockholm International Peace Research
Institute (SIPRI) von 1982 und 1985 Berichte über Giftgaseinsatz in Angola und
Namibia. 1984 wies SIPRI auf brisante – allerdings unbewiesene –
Anschuldigungen gegen Südafrika hin, wonach dessen Streitkräfte die
Möglichkeit einer biologischen „race weapon“ erforschen würden, auf welche
Schwarze weitaus empfindlicher reagieren würden als Weisse. Eine
Zusammenfassung der Vorwürfe brachte Signe Landgren, in: Embargo
Disimplemented: South Africa’s Military Industry, ed. SIPRI, Stockholm
International Peace Research Institute, New York 1989, S. 149 f. Leserinnen und
Leser von Welt- und Fachpresse hatten wohl von 1988 an Kenntnis von Berichten
(z.B. der Washington Post vom 18. Jan. 1988) über ein südafrikanisches C-
Waffen-Programm. Dessen Wahrscheinlichkeit war seit dem 18. Mai 1989 als
ausserordentlich hoch einzuschätzen, als der CIA-Direktor William Webster dem Kongress gegenüber ziemlich unverhohlen davon sprach. Die Washington
Post zählte am 15. März 1991 SA zu den Staaten, die über „an offensive
chemical-warfare capability“ verfügten. Unter anderem mit der Sorge vor dem
Einsatz von biologischen Waffen begründet wurden die amerikanischen
Raketentechnologie-Sanktionen gegen Südafrika durch Präsident George Bush
(den 41. Präsidenten der USA) im September 1992, sodass spätestens von
diesem Zeitpunkt an auch das südafrikanische B-Waffen-Programm von einer
interessierten Öffentlichkeit als wahrscheinlich betrachtet werden musste. Es ist
jedoch darauf hinzuweisen, dass sowohl (seit 1988) das C-, als auch vor allem
(seit 1992) das B-Waffen-Programm nur für aufmerksame Leserinnen und Leser
erkennbar wurden (im Gegensatz zur breiten Diskussion der A-Waffen-
Kapazitäten von SA und der A-Waffen-Kooperation von SA mit Israel seit 1979).
4.4.3 Genaue Kenntnisse der verschlungenen, illegalen Tätigkeiten von Dr. Basson
konnte man aber in der Schweiz sicher nicht haben, allein schon deshalb nicht,
weil selbst die Kontroll- und Koordinationskommission und die südafrikanische
Justiz erst nachträglich vieles erfahren haben. Allerdings was den Teilaspekt der
Kroatiengeschäfte betrifft, so hatte Div Regli persönlich wie gezeigt (vorne Ziff.
135
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
2.8 f.) ab 1993/94 nähere Kenntnisse. Zudem begannen auch die
südafrikanischen Medien (nach Auskunft von A. Ackermann) im Laufe des Jahres
1994 ihr Augenmerk auf W. Basson, Project Coast und deren Firmen zu richten.
4.5 Warum die Südafrikaner 1994 Div Regli um Unterstützung bei der
Wiederbeschaffung des im Kroatienhandel verlorenen Geldes baten und vorallem
warum er ihnen im April 1994 riet, die Nachforschungen in der Schweiz
aufzugeben, ist meiner Ansicht nach nicht restlos klar. Das damalige Interesse
des südafrikanischen Militärs, die unzulässigen Aktivitäten von Project Coast und
Dr. Basson geheimzuhalten und selber zu klären, war sicher nicht Sache des
SND. Eine gerichtliche Aufklärung der Vorgänge in der Schweiz wäre nur zu
begrüssen gewesen.
4.6 Div Regli hat seinen ehemaligen Dienstkameraden und guten Bekannten Jürg
Jacomet, wie schon 1999 festgestellt wurde, „gelegentlich“, wenn nicht sogar
relativ häufig als private nachrichtendienstliche „Quelle“ im südlichen Afrika und
später in Osteuropa eingesetzt, bis die Aktion von J. Jacomet zur Entsorgung von
10 kg schwach radioaktivem Material im Oktober 1993 publik wurde und Div Regli
sich wegen seiner Hilfe für Jacomet öffentlich rechtfertigen musste. Nach dem
Tod von J. Jacomet sind weitere Abklärungen hinfällig.
4.7 Div Regli hat einen Bekannten und zeitweisen Geschäftspartner von J. Jacomet,
Henrik Thomsen, zwischen 1992 und 1994 ebenfalls als privaten Informanten
genutzt. Wenn dieser heute noch ausstehende Entschädigungen geltend macht,
so müsste er dafür Beweise beibringen, was er aber nicht tut.
4.8 Weitere Belege für solche Informationstätigkeiten sind in der
Administrativuntersuchung nicht aufgetaucht.
4.9 Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Div Regli wie schon bezüglich der
Kriegsereignisse in Angola auch gegenüber Dr. Basson und dessen Umfeld
136
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
jedenfalls wenig kritische politische Distanz und eine grosse Neigung zu riskanten
Fronterfahrungen, etwa über persönliche Informanten zeigte.
4.10 Was meines Erachtens am schwersten zu verstehen ist, ist, warum Div Regli in
seiner hohen Stellung und Verantwortung nicht schon längst alle Fakten über
diese für die Schweiz kritischen Beziehungen, soweit es ihm möglich war,
vollständig offengelegt hat. Er hat damit wohl auch dazu beigetragen, dass sich
die Abklärungen über die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit Südafrika
seit
1997 immer weiter fortsetzten.
VI. KAPITEL: EINZELFRAGEN
1. Abschnitt: Beschaffung von zwei SA-18 Lenkwaffen
1.1 Auf einen Vorschlag des damaligen Chefs LWND hin von 1992 und auf Antrag
des USC ND, der 1993 um das schriftliche Einverständnis des Generalstabschefs
und des Rüstungschefs ersuchte, wurden über die Gruppe für Rüstung (GR) am
17.5.1994 bei einem europäischen Partnerdienst zwei russische Einmann-
Flablenkwaffen SA-18 „GROUSE“ (incl. Gripstock und technischer
Dokumentation) eingekauft. Der Kaufpreis betrug Fr. 304'500.--. Diese heute
noch moderne Flablenkwaffe interessierte den ND in technischer Hinsicht, auch
bezüglich ihrer Wirksamkeit gegenüber dem Schutzsystem von Helikoptern und
Flugzeugen unserer Luftwaffe. Das Interesse rührte nicht zuletzt daher, dass
diese Rakete verschiedenenorts auch von Terroristen eingesetzt wurde. Der Kauf
erfolgte über eine Tarnfirma des Partnerdienstes, und die beiden Lenkwaffen
wurden am 15. Juli 1994 geliefert. Der Kaufzweck war, die Waffen zu analysieren
und zu testen. Der Test sollte die Wärmeabstrahlung des Abschusses aufzeigen,
damit diese Daten dann in das Computerprogramm der Abwehrmassnahmen
aufgenommen werden können. Diese Untersuchungen geschahen allerdings erst
2002
137
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
1.2 Unerfreulich war 1994, dass der Chef LWND die beiden Lenkwaffen in
Überschreitung seiner Kompetenzen schon bestellt hatte, weshalb damals strittig
war, ob die Schweiz nicht gar zum Kauf der Waffen verpflichtet war. Dieses
Problem wurde 1994 disziplinarisch noch überprüft.
1.3 Meines Erachtens sind zwar bei der Beschaffung bestimmte interne
Ungereimtheiten aufgetreten, die aber nicht mehr von Interesse sind. Eine
Anschaffung spezieller ausländischer Waffen zur technischen Auswertung kann
unter Umständen selbstverständlich eine sinnvolle Massnahme eines
Nachrichten- oder eines Rüstungsdienstes sein. Hier bleibt nur anzumerken, dass
der Kauf der beiden SA-18 überhaupt nichts mit Südafrika zu tun hatte.
2. Abschnitt: Gasmasken-Kauf durch General Neethling und Dr. Basson in der Schweiz
Dieses Thema wurde und wird offenbar neuerlich von der GPDel untersucht. Aus
der Sicht der Administrativuntersuchung ist nur anzumerken, dass es
schweizerischerseits ein privates Geschäft war und dass die Verkäuferfirma
Huber & Suhner AG, Pfäffikon/ZH, am 1. Sept. 1992 vom (damaligen) Bundesamt
für Aussenwirtschaft (BAWI; heute Seco) eine Ausfuhrbewilligung (Statement of
End-Use) erhalten hatte. Neutralitäts- oder Embargo-Bedenken bestanden
bezüglich –des Verkaufs von Gasmasken nicht.
3. Abschnitt: Hinweise auf andere Geschäfte?
In der Voruntersuchung hat der Direktor des SND, Dr. H. Wegmüller, dem
Generalsekretär VBS am 21.9.2001 auch die Frage beantwortet, ob beim SND
noch sonstige Hinweise auf politisch oder problematisch rechtliche
Geschäftsbeziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika auffindbar sind.
3.1 Ein Hinweis konnte gegeben werden auf ein Dokument vom 15. September 1983
(Austauschnummer 83597 des SND), worin zwei Mischgeräte ME 643 erwähnt
138
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
werden. Das Dokument ist als Rechnung ausgewiesen, auf dem die
nachfolgenden Teile in Rechnung gestellt werden:
2 Stück Mischer ME 643 zu Fr. 17'630.00
2 Operator Manual
1 General System Documentation,
Alles zusammen Fr. 35'260.00.
3.2 Als weiteren Hinweis nennt Direktor H. Wegmüller ein Schreiben des früheren
Chefs der Bundespolizei, A. Amstein, vom 21. Mai 1979, nach welchen der
damalige Militärattaché Südafrikas, Oberst Eduard E. van Ravensteyn (wohnhaft
in Wien mit Akkreditierung in der Schweiz) sein Interesse an Kriegsmaterial
bekundet hatte. So war er interessiert an einem Lasergerät der Typs CG-1300. Er
wünschte überdies, dass die Liefermöglichkeiten von Schnellfeuerwaffen für
Helikopter, von Nachtsichtgeräten und von Feuerleitsystemen überprüft würden.
Zwischen zwei Vertretern der Schweizer Wirtschaft und dem südafrikanischen
Militärattaché fand in Bern ein Gespräch statt. Schweizerischerseits wurde
damals der Verdacht geäussert, Oberst von Ravensteyn habe beabsichtigt, diese
militärischen Waffen und Geräte für Rhodesien zu erwerben. Deshalb wurde die
Bundesanwaltschaft über diese illegalen Absichten eines südafrikanischen
Offiziers zur Umgehung der UN-Embargovorschriften informiert.
4. Abschnitt: Kontakte anderer militärischer Stellen mit Südafrika?
Auch dieser Frage geht die GPDel nach, etwa betreffend einige sporadische
Kontakte der Sanitätsärzte mit südafrikanischen Militärärzten oder eines Kontakts
im Bereich der Logistik. Das alles liegt (ebenfalls) ausserhalb des Auftrags der
Administrativuntersuchung.
139
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
VII. KAPITEL: VERFAHRENSRECHTSFRAGEN
1. Abschnitt: Rechtliche Probleme der Administrativuntersuchungen
Die vorliegende Administrativuntersuchung hat sich als alles andere als einfach
erwiesen. Die Unterstützung durch die leitenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
des SND und durch das Generalsekretariat des VBS war vorzüglich. Das VBS
hat auch die Unabhängigkeit meiner Untersuchung respektiert. Doch Probleme
ergaben sich in der Zusammenarbeit mit anderen Dienststellen, mit
Justizorganen, mit der Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments und mit
einzelnen Privatpersonen. Hier wurde deutlich, dass die
Administrativuntersuchung (AU), die gemäss Art. 29 Abs. 5 BPV nach den
Regeln des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVG; SR 172.021) durchzuführen
ist, und insoweit auch ein öffentlichrechtliches („justizielles“) Prozessverfahren ist,
unbedingt gesetzlich genauer geregelt werden muss, damit sie weiterhin vom
Bundesrat für besondere Massnahmen seiner Dienstaufsicht eingesetzt werden
kann.
So wäre es wichtig, explizit festzuhalten, dass befragte Personen oder
Amtsstellen, im Sinne von Art. 13 VwVG verpflichtet sind, an der
Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken (ebenso schon Rz. 36 der Richtlinien des
Bundesrates über Administrativuntersuchungen vom 18. Nov. 1981 [BBl 1981 II
1014 ff.]). Einbezogen werden können neben den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern der untersuchten Amtsstelle auch aussenstehende Personen, erst
recht, wenn sie Auskünfte anbieten. Unklar ist allerdings bezüglich der Mittel
einer AU, wieweit Personen nicht nur als Auskunftspersonen, sondern auch als
Zeugen einvernommen werden dürfen. Eine Zeugenbefragung könnte bei einer
falschen Zeugenaussage dann nach Art. 309 StGB sanktioniert werden. Die
Unklarheit rührt daher, dass die gesetzlichen Grundlagen der AU nicht sagen,
wer in einer AU als (beteiligte) Partei anzusehen ist und wem eine Parteistellung
zukommt (vgl. allgemein BGE 119 V 208). Schon aus diesem Grund wurde im
140
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
vorliegenden Verfahren auf förmliche Zeugenbefragungen verzichtet. Zu den
Grundsätzen des Verwaltungsverfahrengesetzes gehört letztlich auch, dass
säumigen oder renitenten Personen notfalls Sanktionen angedroht und auferlegt
werden können (vgl. Art. 19 in Verbindung mit Art. 60 VwVG).
Wichtig bei einer AU ist sodann die Unterstützung durch Auskünfte und
Akteneditionen von anderen Amts- und Justizstellen als der untersuchten
Dienststelle (was auch gesetzlich festzuhalten wäre). Hier gelten an sich die
allgemeinen Grundsätze nach Bundesverfassungsrecht und bundesgerichtlicher
Rechtsprechung über die Amts- bzw. Rechtshilfe (vgl. Art. 44 Abs. 2, 2. Satz
BV; Art. 352 ff. StGB), namentlich dass die angefragte Behörde grundsätzlich zur
Zusammenarbeit verpflichtet ist, diese aber unter Beachtung ihrer gesetzlichen
Kompetenzen und besonderen öffentlichen oder privaten Schutzinteressen
wahrnehmen soll. Zu beachten hat eine angefragte Stelle auf jeden Fall, dass die
AU vorrangig und unmittelbar dem Bundesrat dient bzw. seine
verfassungsrechtliche Aufsicht – stellvertretend – ausführen soll.
Dementsprechend sind kaum Gründe für eine Auskunftsverweigerung erkennbar,
ausser den besonderen aktuellen Interessen einer laufenden Ermittlung oder
eines laufenden Strafverfahrens und ausser besonderen Anliegen des
Persönlichkeitsschutzes.
141
Die Administrativuntersuchung geht vorrangig allgemeinen Fragen und
Vorwürfen in einem bestimmten Verwaltungsbereich nach. Sie führt aber oft auch zum Ergebnis, dass bestimmte Amtspersonen fehlerhaft oder unrichtig gehandelt
haben. Dann erweist sich der Bericht über die Untersuchung beinahe wie eine
Feststellungsverfügung (im Sinne von Art. 25 VwVG) für die betroffenen
Personen. Bei der AU ist selbstverständlich das rechtliche Gehör (Art. 26 ff.
VwVG) sowie das Recht auf Beizug eines Anwaltes voll gewährleistet. Ebenso
muss es einer betroffenen Person möglich sein, eine Gegendarstellung zu einer
bestimmten Tatsachenfeststellung im Bericht anzubringen. Unklar aber ist,
welchen Rechtsschutz diese Personen insbesondere gegenüber in ihren Augen
ungerechtfertigten Feststellungen und deren Veröffentlichung geniessen (vgl.
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Daniel Vischer, Rechtsstellung der von einer Untersuchung Betroffenen, in: B.
Ehrenzeller [Hrsg.], Administrativuntersuchungen in der öffentlichen Verwaltung,
1999, S. 61 ff.). Es ist denkbar, hier ein Rechtsmittel, etwa eine
Willkürbeschwerde, an die Personalrekurskommission (Art. 34 ff. BPG) oder
sonst an den Bundesrat vorzusehen, doch muss dies gesetzlich geklärt und
bestätigt werden.
Schliesslich braucht eine AU, jedenfalls eine komplexere wie die vorliegende, ein
eigenes und unabhängiges juristisches und administratives Sekretariat, damit sie
unangefochten durchgeführt werden kann.
2. Abschnitt: Rechtliche Probleme der Kontrolle durch die Geschäftsprüfungsdelegation
Im Laufe der vorliegenden Administrativuntersuchung zeigten sich auch
verschiedene Probleme der parlamentarischen Oberaufsicht über die
Nachrichtendienste durch die GPDel. Dieses Kontrollinstrument, vor rund 10
Jahren zur Aufsicht in Bereichen mit besonderer Geheimhaltung, nämlich der
Nachrichtendienste und des Staatsschutzes, eingesetzt (Art. 47quinquies GVG), hat
Kontrollmittel ähnlich einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK).
Das gilt auch nach dem neuen Parlamentsgesetz vom 13. Dezember 2002 (vgl.
Art. 150, Art. 153-158 und Art. 166-171). Entsprechend heikel ist die Aufgabe der
GPDel (vgl. Leitbild der Geschäftsprüfungsdelegation vom 12. Aug. 1992, BBl
1993 II 301). Gerade aus den seit 1993 bis heute über die Beziehungen der
Schweiz zu SA durchgeführten Kontrollen ergibt sich meines Erachtens, dass
namentlich der Bereich der Kontrollen überprüft werden müsste (z.B. die Arbeit
der Rüstungsdienste fällt nicht unter die Kontrolle der GPDel, sondern der
Geschäftsprüfungskommissionen allgemein). Sodann wären die
Sicherheitsvorkehrungen zu verbessern (z.B. die von der GPDel eingesetzten, sie
unterstützenden Personen sind auch einer Personensicherheitsüberprüfung nach
BWIS zu unterziehen). Schliesslich ist das gesetzliche „Instrumentarium“ der
Kontrollmittel zu präzisieren (vgl. Peter Zimmermann, Recht und Rechtsschutz in
142
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Verfahren parlamentarischen Untersuchungskommissionen des Bundes, 1992,
S. 75 ff.; Regula Kiener, Die Informationsrechte der parlamentarischen
Kommissionen, 1994, S. 255 ff.). So geben z.B. weder das noch geltende
Geschäftsverkehrsgesetz und der nach Art. 58 GVG teilweise anwendbare
Zivilprozess noch das neue Parlamentsgesetz das Recht zur
Aktenbeschlagnahme oder zum Öffnen von Sicherheitsbehältnissen in
Amtsräumen. Klar ist, dass auch die GPDel wie andere parlamentarische
Geschäftsprüfungen nicht in andere, hängige Untersuchungs- oder
Justizverfahren eingreifen darf (vgl. Philippe Mastronardi, Kriterien der
demokratischen Verwaltungskontrolle, 1991, S. 134 ff., 156). Neben diesen
rechtlichen Präzisierungen von Aufgabenbereich, Mitteln und Schranken muss,
was die Rechtswissenschaft schon lange einfordert (z.B. Peter Zimmermann,
a.a.O., S. 135 ff.) und was jetzt auch die BV in Art. 29a (in der Fassung der
Justizreform vom 12. März 2000) verlangt, für allenfalls betroffene Personen,
über die Gehörsrechte von Art. 168 Parlamentsgesetz hinaus, ein Rechtsweg
vorgesehen und gewährleistet werden, mindestens im Sinne von Art. 13 EMRK,
z.B. mit der Möglichkeit einer Revision durch eine andere Parlamentskommission.
143
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
VIII. KAPITEL: ZUSAMMENFASSUNG UND EMPFEHLUNGEN
1. Abschnitt: Zusammenfassung
1.1 Die nach einer departementsinternen Vorabklärung im November 2001 von
Bundesrat S. Schmid, Vorsteher VBS, angeordnete Administrativuntersuchung
durch Prof. Dr. Rainer J. Schweizer war wesentlich durch neue Medienberichte
über die Beziehungen des früheren Chefs der Untergruppe Nachrichten,
Divisionär P. Regli, zu den südafrikanischen Streitkräften während der
Apartheidzeit, insbesondere zu dem schwer beschuldigten Ex-Brigadegeneral Dr.
W. Basson ausgelöst worden. Der Auftrag war, nochmals die Beziehungen des
Schweizerischen Auslandsnachrichtendienstes zu den Diensten Südafrikas zu
durchleuchten, und dabei u.a. auch abzuklären, ob ein Geheimabkommen
zwischen den Diensten bestanden hatte. Sodann galt es, die bisherige Führung,
Archivierung und Vernichtung von Akten im SND kritisch zu überprüfen sowie
schliesslich einigen Spezialfragen nachzugehen.
1.2 Die Administrativuntersuchung, die jetzt neu auf einer gesetzlichen Grundlage
beruht und durch das Verwaltungsverfahrensrecht geprägt ist, hat im VBS alle
noch irgendwie verfügbaren Informationen über die Beziehungen zu Südafrika
seit 1977 bis etwa 1999 zusammengetragen. Es wurden zahlreiche Personen in
und ausserhalb der Bundesverwaltung befragt, und eine ganze Reihe von
privaten Personen haben von sich aus dem Untersuchungsbeauftragten
Informationen zukommen lassen. Ebenso wurden intensiv die Akten aus dem
erstinstanzlichen Prozess gegen Dr. W. Basson von 1999 bis 2002 in Pretoria,
soweit sie einen Bezug zur Schweiz aufwiesen, mit der tatkräftigen Unterstützung
des leitenden südafrikanischen Staatsanwalts Anton R. Ackermann, ausgewertet.
Das Administrativverfahren konnte zudem auf dem Wege der Amts- oder der
Rechtshilfe von kantonalen und eidgenössischen Justiz- und Verwaltungsstellen
Einzelauskünfte erhalten. Die Administrativuntersuchung wurde parallel zur
Geschäftskontrolle durch die Geschäftsprüfungsdelegation und zur seit 1999
laufenden Strafuntersuchung der Bundesanwaltschaft durchgeführt. Während
144
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
sich mit der Strafuntersuchungsbehörde ein rechtshilfeweiser
Informationsaustausch ergab, wünschte die Leitung der GPDel keine
Zusammenarbeit. Der Bericht über die Administrativuntersuchung wird somit
unabhängig von den Ergebnissen der anderen Verfahren veröffentlicht.
145
1.3 Der Schweizerische Nachrichtendienst hat sei 1977 und regelmässig seit 1980
Kontakte mit den Nachrichtendiensten der Republik Südafrika, im Durchschnitt +/-
8 Begegnungen pro Jahr auf verschiedenen Stufen in der Schweiz oder in der
Republik Südafrika. Solange zwischen Südafrika und den von ihm unterstützten
Bewegungen in den „Frontstaaten“ wie Angola, Sambia und Moçambique
einerseits und den von sowjetischer, kubanischer und ostdeutscher Seite
unterstützten und aufgerüsteten Regierungen und Organisationen andererseits im
südlichen Afrika Krieg herrschte, war dieser „Stellvertreter-Krieg“ zwischen Ost
und West auch für den schweizerischen Auslandsnachrichtendienst von
erheblichem militärischen Interesse. Dennoch stellte sich von Anfang an und
nach dem weitgehenden Kriegsende 1989 ohnehin die Frage, ob regelmässige,
enge Fachkontakte zu den Militär- und Sicherheitskräften des Apartheidregimes
in Südafrika mit den Maximen und Verfassungsgrundsätzen der schweizerischen
Aussen- und Sicherheitspolitik vereinbar waren. Es kam wohl
unvermeidlicherweise etwa in Angola vereinzelt zu neutralitätspolitisch, ja sogar
neutralitätsrechtlich fragwürdigen Aktionen. Das Wegsehen von den
menschenrechtlichen Problemen der gewaltsamen Unterdrückung der
Bevölkerungsmehrheit war erst recht unverständlich. Dass sich die Kontakte mit
den südafrikanischen Nachrichtendiensten ab 1980 so entfalten konnten, hatte
sicher auch damit zu tun, dass bis 1994 die Aufnahme und Pflege von Kontakten
zu Partnerdiensten in der alleinigen Verantwortung der Untergruppe Nachrichten
lag und nicht vom Departementsvorsteher oder wie seit 2001 vom Bundesrat
genehmigt wurden. Zudem spielte auch eine Rolle, dass die Informationserträge
weitgehend dienstintern genutzt wurden und nur punktuell der Armeeführung, der
Departementsleitung und dem Bundesrat zur Kenntnis gebracht wurden. Auch
diesbezüglich hat die 1999/2000 beschlossene Reorganisation eine neue
Ausrichtung gebracht.
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
1.4 Zwischen den südafrikanischen Nachrichtendiensten und dem schweizerischen
ND gab es kein geheimes Abkommen über die Zusammenarbeit. Es wurde nur
1983 mit den anderen Partnerdiensten ein Informationsschutzabkommen
geschlossen, das nach einem Standard verschiedene formelle
Geheimhaltungsverpflichtungen festschreibt und das übrigens heute noch gilt.
146
1.5 Die Aktenführung und Aktenregistrierung in der Untergruppe Nachrichten und
Abwehr (UNA) bzw. später Untergruppe Nachrichten (UG ND) war seit Anbeginn
sehr speziell. Sie war bestimmt von strikten Geheimhaltungsüberlegungen,
insbesondere zugunsten des Schutzes von nachrichtendienstlichen Quellen
(Partnerdiensten, Informanten, elektronische Aufklärung etc.). Dessen ungeachtet
ist selbstverständlich auch in solchen Bereichen staatlicher Tätigkeit eine
systematische Registrierung und umfassende Kontrolle aller Aktenflüsse möglich
und nötig. Seit den 80er Jahren hat die UNA immerhin alle wichtigen Ein- und
Ausgänge fortlaufend auf Mikrofichen erfasst, die allerdings nur beschränkt
erschliessbar sind. Dennoch blieben bestimmte Dienstteile, wie namentlich die
des Chefs der Untergruppe offenbar von der zentralen Registratur
ausgeklammert. Das eingegangene und das selbsterzeugte Schriftgut wurde
nicht systematisch abgelegt, sondern nur dienstintern an verschiedenen
Standorten aufbewahrt. Zahlreiche Unterlagen wurden sodann, entgegen den
geltenden Archivierungsvorschriften, routinemässig oder gezielt vernichtet. So
wurden etwa Mikroroll- und Mikrofichen über nachrichtendienstliche Informationen
aus der Zeit von 1969 bis 1994 beseitigt. Zwischen 1992 und 1997 wurden, ob
aus angenommenen Datenschutz-, Geheimhaltungs- oder nur aus Platzgründen,
die so wichtigen Protokolle über die Kontakte mit anderen Diensten, soweit diese
mehr als 5 Jahre zurücklagen, vernichtet. Ebenso wurde, trotz gegenteiliger
Anordnungen von 1998, archivierungswürdiges Material, wie z.B. Chef-Akten,
offenbar 1999 oder 2000 vernichtet. Von ganz wenigen Ausnahmen, etwa von
Unterlagen des Luftwaffen-Nachrichtendienstes abgesehen, wurden aus den
letzten Jahrzehnten der Tätigkeit des Nachrichtendienstes praktisch keine Akten
im Armeearchiv oder im Bundesarchiv abgelegt. Seit 2001 ist nun aber eine
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
grundlegende Form der Registratur im Gange, und seither wurde auch das noch
vorhandene Material auf seine Archivierungswürdigkeit hin untersucht und
dessen systematische Archivierung eingeleitet.
1.6 Vom März 1999 bis zum April 2001 wurde in Pretoria in erster Instanz der
Strafprozess gegen den Ex-Brigadegeneral Dr. med. Wouter Basson, der von
1982 bis 1993 Leiter des geheimen südafrikanischen Programms für biologische
und chemische Waffen war, durchgeführt. Dr. Basson werden zahlreiche schwere
Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen vorgeworfen. Der vorliegende Bericht
referiert über die Punkte im Prozess, in denen ein Bezug zur Schweiz, zum
Nachrichtendienst und insbesondere zu Div P. Regli gemacht wurde. Die
Vorwürfe von Dr. Basson an Div Regli, die zwar dem Richter glaubhaft schienen,
aber schon im Prozess mehr als zweifelhaft waren, lassen sich nicht restlos
klären. Da es im Interesse der Schweiz liegt, allfällige Vorwürfe gegen einen
Dienst und bestimmte Amtspersonen vorbehaltlos zu klären, hat die
Adminitstrativuntersuchung auch die Kontakte von Div Regli mit Dr. W. Basson
sowie weiteren beteiligten Personen untersucht. Entgegen den Aussagen vor der
GPDel von 1999 hat Div P. Regli nicht nur einen Besuch von Dr. Basson erhalten,
sondern seit 1987 bis 1993 einige Begegnungen (nach Auffassung von Div Regli
zwei) und einige telefonische Kontakte mit Dr. Basson gehabt. Wesentlich dafür
war sicherlich die Bekanntschaft von Div Regli mit dem Geschäftsmann und
Dienstkameraden J. Jacomet bzw. seine gelegentliche Zusammenarbeit mit
diesem als einem privaten Informanten.
147
Div P. Regli und dem Schweizerischen Nachrichtendienst kann meines Erachtens
keine aktive Beteiligung an Geschäften des Dr. W. Basson vorgeworfen werden.
Div Regli hat aber mit anderen Fachleuten im ND oder im AC-Labor Spiez seit
der zweiten Hälfte der 80er Jahre von Chemiewaffeneinsätzen im Krieg in Angola
und von südafrikanischen Bemühungen auf diesem Gebiet Ahnungen gehabt. Er
persönlich hat im Weiteren mindestens seit 1993/94 von bestimmten Geschäften
von Dr. Basson und Jacomet in der Schweiz und in Kroatien gewisse Kenntnisse
gehabt, und er hat den südafrikanischen Partnern 1994 nach einer Anfrage bei
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
der Bundespolizei von der Aufklärung durch die schweizerische Justiz abgeraten,
weil auf diesem Wege die südafrikanischen Geheimhaltungsinteressen nicht
eingehalten werden könnten.
1.7 Die Administrativuntersuchung hat noch einige untergeordnete Punkte, wie etwa
den Kauf von 2 Flab-Lenkwaffen SA-18, eine Anschaffung, die nichts mit
Südafrika zu tun hatte, abgeklärt.
1.8 Die Administrativuntersuchung hat schliesslich verschiedene Rechtsfragen dieser
besonderen, der Dienstaufsicht des Bundesrates dienenden Untersuchung
deutlich gemacht, und sie musste sich auch mit den Verfahrensrechtsproblemen
der Kontrolle durch die Geschäftsprüfungsdelegation auseinandersetzen. Auf
diese Verfahrensrechtsprobleme hat die Rechtswissenschaft schon seit einiger
Zeit hingewiesen. Bundesrat und Bundesversammlung sollten unbedingt die
gesetzlichen Lücken der Administrativuntersuchung und der Kontrolle durch die
GPDel, insbesondere im Bereich des Rechtsschutzes, beheben.
1.9 Zusammenfassend lässt sich auf Grund der vorliegenden
Administrativuntersuchung sagen, dass die Kontakte des Schweizerischen
Nachrichtendienstes mit den Nachrichtendiensten in Südafrika zu keiner aktiven
Mitwirkung an Menschenrechtsverbrechen geführt hat. Dennoch macht die
fehlende Sensibilität vieler Mitarbeiter des Dienstes und gar der Eifer einzelner
Verantwortlicher in der Zusammenarbeit mit den südafrikanischen Diensten,
schwer betroffen. Es stimmt, wie sich im Fall der Kontakte mit Südafrika zeigte,
sicher nicht, dass sich die Sicherheitsinteressen der Schweiz von den ethischen
und rechtlichen Verpflichtungen der Behörden und der Staatsbediensteten
trennen lassen. Es entsprach im Übrigen auch diesem eigenständigen
Interessendenken des ND, dass die Akten dieses politisch so wichtigen Dienstes
entgegen den allgemeinen Vorschriften nicht systematisch erfasst und nicht in
wichtigen Teilen angemessen archiviert wurden. Eine historische Aufarbeitung
der Beziehungen des Nachrichtendienstes mit dem südlichen Afrika, die über
148
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
diesen Untersuchungsbericht hinaus noch erbracht werden sollte, wird mit der
Lückenhaftigkeit des Archivgutes noch zu kämpfen haben.
2. Abschnitt: Empfehlungen
Aufgrund der Ergebnisse der Administrativuntersuchung möchte ich folgende
Empfehlungen abgeben:
2.1 Die Zusammenarbeit des Strategischen Nachrichtendienstes (und ebenso des
heute verselbständigten Militärischen Nachrichtendienstes und des ND der
Luftwaffe) mit ausländischen Nachrichtendiensten sollte sich nicht nur nach den
Sicherheitsinteressen der Eidgenossenschaft oder allfälligen besonderen
gesetzlichen oder staatsvertraglichen Vorgaben richten (vgl. Art. 6 Abs. 1 der
Verordnung vom 4. Dez. 2000 über den Nachrichtendienst [VND]), sondern
insgesamt im Rahmen der Sicherheits- und der Aussenpolitik der Schweiz
gesehen werden und sich nach deren verfassungsrechtlichen und
völkerrechtlichen Rahmenbedingungen richten. Das wird seit 2001 durch eine
periodische, genaue Information des Bundesrates und auch der GPDel
sichergestellt. Was dies aber konkret für die tägliche Arbeit der
Nachrichtendienste bedeutet, wäre wohl noch zu erarbeiten.
2.2 Die Arbeitsweise der Nachrichtendienste und insbesondere die Gewinnung,
Nutzung und Verbreitung von Informationen von ausländischen
Nachrichtendiensten werden seit jeher vor allem amtsintern und im
Erfahrungsaustausch mit Partnerdiensten festgelegt. Doch sollte die Arbeitsweise
periodisch im Dialog auch mit Aussenstehenden, etwa aus den Wissenschaften
und von internationalen Fachgremien, evaluiert und fortentwickelt werden, unter
Berücksichtigung der Bedürfnisse der Staatsleitung und der wechselnden
internationalen Anforderungen an nachrichtendienstliche Tätigkeiten.
2.3 Die Reorganisation der Registratur und einer systematischen Archivierung ist im
SND, schon wegen des erheblichen zeitgeschichtlichen Wertes dieser
149
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
Auslandbeziehungen der Schweiz, konsequent weiter zu führen. Dabei sollte
noch nach verstreuten Dokumenten, z.B. in der Auswertung und bei ehemaligen
Mitarbeitern geforscht werden. Notwendig ist im Weitern, dass Grundlagen,
Grundsätze und Schranken des Quellenschutzes der Sicherheitsdienste
(Strategischer Nachrichtendienste und weitere ND im VBS sowie Dienst für
Analyse und Prävention im BAP) genauer geprüft werden. Dabei ist eine
differenzierte Handhabung des Quellenschutzes sowohl in der praktischen Arbeit
wie bei politischen Kontrollen und auch bei der Aktenführung, der Archivierung
und der Vernichtung von Unterlagen anzustreben. Schliesslich braucht es eine
Rechtsbereinigung der Verordnungen und Weisungen über die Aktenführung,
Klassifizierung und Archivierung im VBS. Ob überhaupt eine persönliche
Verantwortung einzelner Personen für den Schaden aus den Aktenvernichtungen
besteht, müsste allenfalls separat geprüft werden.
2.4 Angesichts der grossen politischen Verantwortung der Leitung eines
Nachrichtendienstes wäre zu prüfen, ob für solche Stellen nicht, wie für die hohen
Kommandostellen der Armee, die Chefs nur auf eine beschränkte Zeit berufen
werden sollten.
2.5 Da die Administrativuntersuchung in Fällen von besonderem öffentlichen
Interesse ein wichtiges Instrument der verfassungsrechtlichen Dienstaufsicht des
Bundesrates ist, müssen ihre Funktion und ihre verfahrensrechtlichen Mittel
besser abgestützt werden. Dort wo die Administrativuntersuchung die Rechte und
Interessen einer einzelnen Person betrifft, ist der Rechtsschutz zu klären.
Bundesrat und Bundesversammlung sollten aber auch die Ziele, die
Untersuchungsmethoden und die rechtlichen Rahmenbedingungen der Kontrolle
der Nachrichtendienste durch die GPDel evaluieren und gesetzlich genauer
festlegen. Bei der GPDel wie beim Recht der Parlamentarischen
Untersuchungskommission (PUK) wäre ebenfalls der Rechtsschutz für betroffene
Personen zu ordnen.
150
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
2.6 Die Beziehungen des Strategischen Nachrichtendienstes zu Südafrika von 1977
bis 1995 sind mit der vorliegenden Administrativuntersuchung weitestgehend im
Hinblick auf die politischen und rechtlichen Aspekte ausgeleuchtet worden. Sie
harren aber noch einer historischen Beurteilung, die sich etwa mit den
Verständnissen schweizerischer Behörden von den Verhältnissen in Südafrika
und der dort vorrangig befürchteten Gefahr eines kommunistischen Umsturzes
auseinandersetzen sollte. Es wäre begrüssenswert, wenn es noch zu einer
geschichtswissenschaftlichen Behandlung des Themas käme, z.B. im Rahmen
des Nationalen Forschungsprogramms 42+.
151
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abs. Absatz
ANC African National Congress
AJP Aktuelle Juristische Praxis
Art. Artikel
AS Amtliche Sammlung des Bundesrechts
AU Administrativuntersuchung
BAP Bundesamt für Polizei
BBl Bundesblatt
BGA Bundesgesetz über die Archivierung (Archivierungsgesetz) vom 26. Juni 1998 (SR
152.1)
BGE Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts (Amtliche Sammlung)
BND (deutscher) Bundesnachrichtendienst
BPG Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000 (SR 172.220.1)
BPV Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 2001 (SR 172.220.111.3)
Br Az Brigade-Arzt
Bst. Buchstabe
BV (Schweizerische) Bundesverfassung
BWIS Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrnehmung der inneren Sicherheit vom
21. März 1997 (SR 120)
BZ Chimchidinbenzilat, ein Psychokampfstoff
C NDA Chef Nachrichtendienst Auswertung
C VBS Chef Eidg. Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport
CBW Chemical and Biological Warfare
CIA Central Intelligence Agency (USA)
DAP Dienst für Analyse und Prävention (im BAP)
DCAF Democratic Control of Armed Forces
DIS Department of Intelligence Security
Div Divisionär
DSG Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG) vom 19. Juni 1992 (SR 235.1)
EDA Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten
EDI Eidg. Departement des Innern
EFD Eidg. Finanzdepartement
EJPD Eidg. Justiz- und Polizeidepartement
EMD Eidg. Militärdepartement (heute VBS)
EMRK Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten (SR 0.101)
152
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
etc. et cetera
FF Flieger und Flab
FFND Flieger- und Flabnachrichtendienst
Gen General
GGST Gruppe für Generalstabsdienste
GPDel Delegation der Geschäftsprüfungskommission
GRD Gruppe für Rüstungsdienste
GS Generalsekretär
GS VBS Generalsekretär VBS
GSC Generalstabschef
GST Generalstab
Hrsg. Herausgeber
Kap. Kapitel
KEEM Kantoor vir Erniste Ekonomise Misdryve, siehe OSEO
KKdt Korpskommandant
LtGen Lieutnant General
LWND Luftwaffen Nachrichtendienst
M Methaqualon (Droge)
MA Militäramtsblatt
Maj Major
MG Bundesgesetz vom 3. Februar 1995 über die Armee und die Militärverwaltung
(Militärgesetz; SR 510.10)
MID Military Intelligence Division
MO Bundesgesetz über die Militärorganisation vom 5. Oktober 1967 (AS 1968, S. 74
ff.)
MPLA Partei des Präsidenten Dos Santos in Angola
NIS National Intelligence Division
NSA National Security Agency
Oberstlt Oberstleutnant
OSEO Office for Serious Economic Offences (des südafrikanischen Justizministeriums),
vgl. KEEM
PUK Parlamentarische Untersuchungskommission
RENAMO Widerstandsgruppe in Moçambique
RSA Republic of South Africa
RVOV Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. Nov. 1998 (SR
172.010.1)
S. Seite
SA Südafrika
153
Administrativuntersuchung 2002 im VBS
SANDF South African National Defence Forces
SAP Security Branch South African Police
SASF South African Special Forces
SAW Südafrikanische Wehrmacht
SIPOL Bericht des Bundesrates über die Sicherheitspolitik der Schweiz vom 7. Juni 1999
(BBl. 1999, S. 7718 ff.)
SMA / MA Schweizerisches Militäramtsblatt / Militäramtsblatt
SND Strategischer Nachrichtendienst
SR Systematische Sammlung des Bundesrechts
StGB Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0)
SWAPO Südwestafrikanische Volksorganisation
UG Untergruppe
UG ND Untergruppe Nachrichtendienst (bis Ende 2000)
UN Untergruppe Nachrichten
UNA Untergruppe Nachrichten und Abwehr (bis 1993)
UNITA Nationale Vereinigung für die totale Unabhängigkeit Angolas
UNO United Nations Organisation
USC Unterstabschef
USC NA Unterstabschef Nachrichten
USC ND Unterstabschef Nachrichtendienst
VBGA Verordnung zum Bundesgesetz über die Archivierung (Archivierungsverordnung)
vom 8. September 1999 (SR 152.11)
VBS Eidg. Departement für Verkehr, Bevölkerungsschutz und Sport
VND Verordnung vom 4. Dezember 2000 über den Nachrichtendienst im
Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport
(Nachrichtendienstverordnung; SR 510.291)
VwOG Verwaltungsorganisationsgesetz vom 19. September 1978 (AS 1979, S. 127 ff.)
W.B. Dr. Wouter Basson
WAPA Warschauer Pakt
z.B. zum Beispiel
Ziff. Ziffer
ZSR Zeitschrift für Schweizerisches Recht
z.T. zum Teil
154