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SPALENTOR VERLAG Johanna Dettwiler-Minder Herbert Blaser Anekdoten und Erinnerungen aus dem berühmten Kleinbasler Lokal Schluuch-Geschichten

Schluuch Geschichten - Herbert Blaser

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Johanna Dettwiler-MinderHerbert Blaser

Anekdoten und Erinnerungen aus dem berühmten Kleinbasler Lokal

Schluuch-Geschichten

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ImpressumSchluuch-Geschichten Anekdoten und Erinnerungen aus dem berühmten Kleinbasler LokalJohanna Dettwiler-Minder, Herbert BlaserISBN: 978-3-908142-49-2

© 2010 by Spalentor Verlag AG, BaselGestaltung, Realisation und Produktion: Spalentor Verlag AG.

Die Autoren und der Verlag danken dem Lotteriefonds für die Unterstützung.

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Johanna Dettwiler-MinderHerbert Blaser

Anekdoten und Erinnerungen aus dem berühmten Kleinbasler Lokal

Schluuch-Geschichten

SPALENTOR VERLAGDER BASLER VERLAG

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Inhalt

Zur Geschichte des ‹Alten Schluuch› 7

Beziehungen:Am Anfang stand die Hochzeit 9

Dieter und Imbi, in memoriam 13

Schicksalsgemeinschaft: Die Beziehung und das Geschäft 17

‹The old pipe› 16Fricker, in memoriam 18

Milieu: Freude und Leid ‹uff dr Gass› 20

Jean - Paul ‹Bebbele› 22Das Abstrakte und das Reale 26Die Tränen der Gasse für Abi, in memoriam 28

Drogen: Die Mutter der Gasse

Im Fegefeuer der Eitelkeiten«Ich sah die besten Köpfe», Albi, in memoriam

Bohème / Kunst und Kultur: Wandel eines Quartiers

Vier Elemente und...Eiskompressen und BremsspurenBlondie, in memoriam

Schicksalswege: Die Stühle

Abschied

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Zur Geschichte des ‹zem alte Schluuch›

«Geschichte im allgemeinen Sinn bezeichnet alles, wasgeschehen ist. Im engeren Sinne bezeichnet Geschichtedie Entwicklung der Menschheit. So wird auch von derMenschheitsgeschichte gesprochen. Dabei wird Ge schich teimmer synonym mit Vergangenheit gebraucht. Da ne benbedeutet Geschichte aber auch die Betrachtung der Ver -gan genheit im Gedenken, im Erzählen und in der Ge -schichts schreibung.»So lautet die Definition des Wortes ‹Geschichte› im Duden,deshalb entstand dieses Buch. Alle Episoden dieses Buchessind der Vergangenheit und dem Vergessen entrissen,zusammen geben sie ein Bild über Menschen und ihre Zeit,ein Mosaikfluss des Lebens und der Vergangenheit, derschlussendlich in unsere Gegenwart und in unsere Iden -tität mündet. Diese Streiflichter aus Kleinbasel sollen dieWorte Dürrenmatts bekräftigen, dass das Grosse undAllgemeingültige im Kleinen und Lokalen entdeckt wer-den muss. Die geschichtlichen Daten zum ‹alte Schluuch› stammenaus dem Staatsarchiv. Sie sollen dieses Buch einleiten:

Greifengasse 6 (aus den Akten des Staatsarchivs)Das Haus ist ab 1417 mit den Namen ‹Blotzheim›, ‹ZumBlotzen› oder ‹Zum Blotzheim› in den Schriftquellenerwähnt; 1417 verkaufte ein Cunrat Tschan zusammenmit seiner Familie das Haus an einen Verwandten namensUlli Schan (Tschan), von Beruf Kübler. Aus der Erwähnung11417 darf abgeleitet werden, dass schon vor diesem Jahrein Gebäude bestand. Der ursprüngliche Besitz, der 1284in den Akten ein erstes Mal auftaucht, umfasst die Par -zellen der heutigen Häuser Greifengasse 4–14 undRheingasse 1–3. Diese Grossparzelle gehörte einem Hein -rich Emerach. 1308 ging ein ‹Haus Emerach bi dem Sode›durch Schenkung in den Besitz des Klosters Klingentalüber. Je ein Sod befand sich bei Greifengasse 4 und 14.1311 schenkte das Kloster das ‹Ortshaus›, d.h. das dama-lige Eckhaus an Bürger und Rat Kleinbasels. Wie gross dieHäuser waren, ist unbekannt.Bis 1858 war das Haus ‹zum Blotzheim› im Besitz vonHandwerkern. Erwähnt sind Schlosser, Schuhmacher, Ho sen -stricker, Zinngiesser, Schneider, Gerber, Uhrmacher, Fer -ger (Schiffs- oder Fuhrleute), auch ein Schneider und einehrenamtlicher Bläser auf dem Martinsturm. 1858 wurdedas Haus vom Wirt Friederich Madöry erworben. Er richte -te im Erdgeschoss eine Gastwirtschaft ein. Im Brand -lagerbuch, das seit 1807 geführt wird, ist das Haus nur

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summarisch charakterisiert, so z.B. 1809: «Wohn be hau sungund Hofstatt samt Höflein dahinter“.Die erste mehr detaillierte Beschreibung von 1830 lautet:«Behausung in Mauern mit 3 Stockwerken und getröm-tem (balkengedecktem) Keller, Angebäude mit Kammer,worunter Waschofen, in Riegel».In einer Neuschatzung von 1858 – dem Jahr, als Madörydas Haus übernahm – wird ein Umbau festgehalten:«Erhöhung um ein Stockwerk, Errichtung von Zimmern,Küchen, Kammern und neuer Treppe». – In der bauge-schichtlichen Untersuchung konnte bestätigt werden,dass Teile der Inneneinrichtung und der Dachstuhl ausjener Zeit stammen.

Die ältesten erhaltenen Baupläne des Hauses stammenvon 1884 und 1888. 1884 erfolgte die Einrichtung einerDrechslerwerkstatt im Hof. Zugleich wurde zugunsten derFläche in der Wirtschaft erstmals eine Mauer im Erd ge -schoss ausgebrochen.Die letzten Planunterlagen des Staatsarchivs belegen denAbort- und Pissoirumbau von 1939, sie zeigen den 1991angetroffenen Zustand dieser Anlagen. 1945 wurde dasHaus durch den Technischen Arbeitsdienst zeichnerischvollständig neu aufgenommen. Die Küche im 1. Stock wur -de erst in jüngerer Zeit, nach dem ersten Weltkrieg ein-gerichtet.

Greifengasse 6 ... aus der Datierung: Für sieben der ent-nommenen Holzproben konnte einheitlich das Jahr 1421als Fälldatum bestimmt werden. Daraus folgt, dass diesesspätgotische Haus 1422 oder im Jahr darauf erstelltwurde – eine längere Lagerung des Bauholzes war nichtüblich. Durch diese Datierung wird auch das Alter deroben beschriebenen Mauer 1 zumindest auf die Zeit vor1422 eingegrenzt.

Im 2. Obergeschoss wird die vordere Decke im 17. oderfrühen 18. Jahrhundert mit einer Rankenbemalung verse-hen. Die schöne Decke, mit schuppenartig abgeordneten,alternierenden grauen und ocker- rosafarbigen Blätternan den Balkenseiten, wurde beim Umbau des vergange-nen Jahrhunderts nicht geschont, so dass heute nur nochetwa ein Viertel der bemalten Deckenbretter vorhandenist.

Der Text entstammt der baugeschichtlichen Unter su chungzur Abklärung über den Status einer Schon- oder Schutz -zone der Denkmalpflege.

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Beziehungen: Am Anfang stand die HochzeitWenn das Wort ‹Geschichte› im engeren Sinn die Ent wick -lung der Menschheit bezeichnet, so wird diese Ent wick lungimmer von Beziehungen geprägt. Zwingend. Die Be zie -hung im Allgemeinen ist in jedem Fall der Angelpunkt füreine veränderte Geschichte – um nicht zu sagen, der Grundfür die Geschichte überhaupt.So auch im ‹alte Schluuch›, aber lassen wir JohannaDettwiler-Minder zu Worte kommen:

«Mein Mann Ernst Dettwiler hat das kleine Restaurantan der Greifengasse 1947 übernommen. Das waren fünfJahre vor dem Datum, als wir geheiratet haben. Zu dieserZeit kannte er mich noch nicht. Er lebte als Junggeselle,als ich ihn zum ersten Mal getroffen habe.Für die Gäste des ‹alte Schluuch› war unsere Beziehunggeheimnisvoll. Die Gerüchteküche brodelte sofort. Grund -sätzlich gab es zwei Meinungen zu meiner Person: Dieeinen sagten, ich sei eine Pfarrerstochter; für die anderenwar ich eine junge Prostituierte aus Bern. Man muss ver-stehen, dass unser Kleinbasel wie ein Dorf funktionierte.Schon damals hiess es: «Jawohl, der Aschi übernimmt dieBaiz», oder «Jawohl, der tut dies und das.» Alle redetenüber jeden. Kein grosser Unterschied zu heute, trotzdemwar die Beachtung des Einzelnen noch ausgeprägter, nochintensiver, speziell wenn er mit ‹g’schäften› anfing.»In Tat und Wahrheit stammt Johanna Minder aus einergutbürgerlichen Kaufmannsfamilie aus Gsteigwiler bei In -ter laken. Ihr Vater handelte mit Textilien und besass zwei,drei Liegenschaften, vor allem aber auch das Hotel ‹Schön -fels› in Gsteigwiler. Gleich vis à vis steht heute noch dasprächtige Haus ‹Sunnegg› der Familie Minder. Das Hotelwurde inzwischen zu einem Internat umgebaut.Der zweiteWeltkrieg brachte allen Menschen harte Zeiten. Wegen demKrieg kam die Textilindustrie ganz zum Erliegen. Das trafauch die Familie Minder. Selbst das Hotel konnte nicht vonder Anwesenheit des Militärs im Reduit in den SchweizerBergen profitieren, die Holzbrücke in Gsteig war zu schmalund zu schwach für die schweren Militärfahrzeuge. Sowurde der Gürtel enger geschnallt, trotzdem blieb für dieFamilie der bürgerliche Status erhalten. Der Mann derSchwe ster war seines Zeichens Arzt in Oberdorf in Basel -land. So möge man sich vorstellen: die Tochter eines Kauf -man nes und die Schwägerin eines Arztes sollte von einemKleinbasler Kneipenwirt geehelicht werden. Von einemKneipenwirt, dessen Gäste die junge Frau im horizontalenGewerbe vermuteten. Oder nahe bei Gott – auf jeden Fallwar die Geschichte viel versprechend.

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.»Ich erinnere mich genau an die erste Begegnung mit Ernst.Wir waren mit meinem Schwager Hans Minder-Minder imHotel ‹Drei Könige› nachtessen, als dieser eröffnete, einCou sin von ihm hätte in Kleinbasel eine Baiz, wir solltenihn besuchen. Wir überquerten die Mittlere Brücke undgleich nach der Kreuzung war der Eingang zum Re stau -rant. Bis auf einen Gast war das Restaurant leer, da stan-den aber schwere, schöne Eichentische. Der Wirt empfinguns, er war eine robuste Erscheinung mit kräftigen Hosen -trägern. Hätte mir zu diesem Zeitpunkt jemand gesagt, ichwürde seine Frau und die Wirtin in diesem Haus, ich wärein Ohnmacht gefallen.» Nicht so der Wirt und Junggeselle Ernst Dettwiler. Ermachte sich auf und in Zukunft sah man ihn öfters als Gastim Hotel ‹Schönfels› in Gsteigwiler. Als die Häufigkeit derBesuche auffiel, dachten die Eltern von Johanna, Ernstwürde wegen der jungen Serviertochter Bruni die langeFahrt auf sich nehmen. Aber weit gefehlt: «Er hat michzum Nachtessen eingeladen, er war sehr charmant, er brach -te mir Blumen und er war ein sehr interessanter Mann. Ich

Die Eltern von Johanna Minder vor deren Hotel, 1949

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habe mich verliebt», so Johanna Dettwiler-Minder. «So kam,was kommen musste – wir heirateten 1952, obwohl meinMann 22 Jahre älter war als ich selber. Hätte mein Schwa -ger meinen Eltern nicht zugesprochen, diese Hochzeitwäre nie zustande gekommen. Er tat es aber, die Elternhaben ja gesagt, wir haben geheiratet. Aber zuerst musstemich Ernst auch der Brauerei vorstellen. Was heute wie ein schlechter Witz tönt, war damalsPächterpflicht. Der Wirt musste im Wirtshaus wohnen, wenner heiratete, durfte das nicht ohne Genehmigung der Lie -gen schaftsverwaltung geschehen. Wenn der Partner nichtüberzeugend war, dann konnte je nachdem gekündigt wer-den. Gott und der Verwalter mussten die neue Verbindungsegnen. Im Fall ‹alte Schluuch› war die Liegen schafts ver -waltung eine Actienbrauerei im Gundeli.Wir erhielten die Einladung zu einem Nachtessen im ‹gol-dige Stärne› in der Aeschenvorstadt. Herr Hauser, der Lie -gen schaftsverwalter, kam mit seiner Frau. Wir verbrach-ten einen angeregten und angenehmen Abend. Am Schlusssagte mir Herr Hauser: «Fräulein Minder, sie passen über-haupt nicht in den ‹Schluuch›. Aber wenn ich Euch sehe,dann bin ich überzeugt, dass Ihr es schaffen werdet. DieZukunft sollte zeigen, dass er Recht behielt. Aber ich hattebestimmt keine Ahnung, was da auf mich zukam.»Die Gesetze waren hart, in jenen Tagen. Ein Pachtbetriebdurfte keine Betriebsferien machen, die Öffnungszeitendes Restaurants wurden zudem streng überprüft. Zu spätöffnen hiess, eine zünftige Rüge einfangen. Das warenkeine idealen Voraussetzungen für ein frisch vermähltesPaar. Dementsprechend haben die Freunde von Johannader neuen Verbindung nicht mehr als ein Jahr Dauer ein-geräumt, die Freunde von Ernst sagten gar, diese Ehe seider Blödsinn seines Lebens. Aber die beiden haben imSommer 1952 trotzdem geheiratet. Johanna beendete nochdie Saison im ‹Schönfels›, erst dann kam sie nach Basel.Damals war sie bereits schwanger. Das ist übrigens derGrund, dass Johanna Dettwiler heute, nach 53 Jahren, voneiner Frau angesprochen wurde, weil diese dachte, dererstgeborene Sohn von Ernst und Johanna sei nicht eingemeinsames Kind gewesen. So ist das halt, im engenGerede einer dorfähnlichen Kleinstadt.Dementsprechend prägnant ist die Erinnerung Johannasan den Moment, wo sie als verheiratete Frau Dettwiler-Minder zum ersten Mal den Leuten in der Gaststube vor-gestellt worden war: «Die Baiz war gerammelt voll. Hinten sassen die Pro sti tu -ier ten. Damals verkehrte das horizontale Gewerbe in denRestaurants. Die Strasse war für Frauen auf dem ‹Waggel›verboten, wurden sie aufgegriffen, drohte die Sitte mit Ar -

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beits- und Erziehungshaft in Hindelbank. So dienten dieGasthäuser als Ruheräume, Kontaktstellen oder Ver pfle -gungs möglichkeit. Entsprechend bunt und laut war die‹Gastig› im ‹Schluuch›. Als ich den Raum betrat, drehten sich alle um und ver-stummten. Es war still. Es war dermassen still, ich dachte,diese Leute werden mich nie akzeptieren. Ein Gast sagtemir später: «Du warst wie eine Ausserirdische. So einenMoment habe ich nie mehr erlebt. Diese Stille. Ich habemich gefreut, ich habe das sehr genossen.» Wie dem auch sei, wir haben wenige Jahre später dieLiegenschaft ‹zem alte Schluuch› gekauft und alsWirtepaar geführt. Aber am Anfang dieser Geschichtestand die Beziehung zu meinem Mann Ernst und unsereHochzeit.»

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Dieter und Imbi – in memoriam

Orpheus und Euridike, Antonius und Kleopatra, Romeound Julia; in der Literatur begegnet uns die tragischeLiebe als eine Kraft, welche über die Gesetze des Lebenshinaus ihre Flügel spannt, mit gewaltigem und endgülti-gem Drang die körperliche Existenz hinter sich lässt. Siespottet die Grenzen des Todes Lüge und erlangt damiteine Aura des Übernatürlichen. Sie wirkt gestelzt und kit-schig – und dennoch pflanzt sie Tränen in die Augen derLebenden und kaum jemand kann sich dem Wunsch nachewiger Liebe entziehen. Sie ist das menschliche Ver spre -chen, welches wohl am meisten gebrochen wird. Trotz -dem geben es die Menschen immer wieder ab, wohl inder Hoffnung, dass im jeweiligen Fall die emotionaleBindung des Paares stärker sei als Streit, Missgunst, Ent -täuschung, Gewohnheit und Auseinanderleben. Wenndann ein solches Wunder passiert, wenn eine Liebe dasLeben überlebt, dann hinterlässt diese Verbindung einStrahlen, das etwas Mystisches nach sich zieht. EtwasGrösseres, als es der normal Sterbliche begreifen kann.Das dürfte der Punkt sein, wo gemäss griechischer My -tho logie zwei neue Sterne am Nachthimmel sichtbar wer-den. Wie Castor und Pollux. Dieter und Imbi haben dieseLiebe gelebt.«Komm, schenk da noch etwas ein. Dieses Glas ist fastleer.» Der schwarzbärtige Mann lallte mich unfreundlichan. Sein langes Haar war zu einem losen Zopf gebunden.Ich hatte ihm schon über die erlaubte Menge Whisky ein-geschenkt und sollte mich doch an die verlangten vierZentiliter halten. Es war fast Mitternacht, der unbeque-me Hüne trank seit Stunden. «Hör doch, ich habe schon über das Mass eingeschenkt.Ich muss mich an...» «Du musst gar nichts. Wenn ich Dir sage schenk nach,dann schenk nach!»«Nein. Ich darf nicht und ich will nicht!»«Schenk ein, sag ich Dir.»Gut, ich liebte meinen Nebenjob als Barmann, trotzdemwar ich nicht immer die geeignete Person, um mit denMarotten der Gäste umzugehen. Das hier war so ein Fall.Sein Befehlston und sein Auftreten brachten mein Em -men talerblut in Wallung. Bestimmt spielte da auch dasmännliche Platzhirschgebaren eine unterbewusste Rolle.«Spinnst Du eigentlich?» Ich provozierte übergangslosden Streit.«Du benimmst Dich wie ein Arschloch und ich soll Dichnoch bedienen?»«Was heisst hier Arschloch...ich...»

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Ohne das Eingreifen der Wirtin wäre der Streit eskaliert.Sie nahm mich ins Gebet und schickte ihn nach Hause.Zwei Tage später sass er wieder im ‹alte Schluuch›.Ich ent-schuldigte mich verhalten für mein Benehmen.Er brumm-te: «Ach was, Schnee von Gestern. War ja auch meineSchuld. Ich bin Dieter.»So lernte ich Dieter kennen. Er war gebürtiger Deutscher,Weltenbummler und seit langen Jahren mit seinerLebensgefährtin aus Basel unterwegs. Ihr Übername warImbi, sie besassen ein Anwesen in der französischenHaute Saone und schienen füreinander geschaffen. Sieführten ein Leben am Rand – und doch mittendrin. Siereisten sehr viel und ihre kinderlose Beziehung war fürbeide das Richtige. Unabhängig, alternativ; aber miteiner Konstante, die dem Leben etwas abforderte undden Mitmenschen viel zurückgab.Ein halbes Jahr später half mir Dieter beim Einrichten desTheaters am Nadelberg, das ich mit dem Einakter ‹Diedunklen Tiefen der Liebe› bespielte. Auf den Fahrten er -zählte er mir von Alaska, von seinen Jahren als Hoch see -fischer. Ich wurde sehr still. Sein Fundus an Erlebtem warenorm und ich schämte mich, wenn ich an den Streit mitihm zurückdachte.Zur ungefähr gleichen Zeit fing Imbi mit dem Kochen im‹Schluuch› an. Die gemeinsamen Frühschichten sind mirbis jetzt unvergessen geblieben. In den drei bis vier fastgästefreien Morgenstunden bereitete sie das Tagesmenüund die Küche vor, ich richtete die Bar und die Gaststube.Wir philosophierten über Gott und die Welt und ich ent-deckte einen wunderbaren Menschen. Auch sie erzählteviel. Von ihren Reisen, von Dieter, von Hoffnungen, ge -platz ten Träumen und stillen Freuden. Wir arbeitetenfast drei Jahre zusammen, als Imbi hin und wieder zu kla-gen anfing. Sie sagte, sie würden eine Veränderung brau-chen. Sie und Dieter.Der Alltagstrott hatte die beiden erreicht und der Al ko -hol war ein schlechter Ersatz für Reisen und Abenteuer.Imbi schien plötzlich von Sorgen beladen.Zu meinem 31.Geburtstag schenkte sie mir das Buch ‹Ahasver› von Ste -fan Heym. Einige Tage später sagte mir Imbi, dass Dieterund sie verreisen müssten, wenn ihre Beziehung nocheine Chance haben sollte. Noch einmal verreisen. Nocheinmal die weite Welt spüren. Noch einmal ganz sich sel-ber sein. Ich war über zehn Jahre jünger als das Paar und konntenicht beurteilen, ob dies lediglich ein momentanes Miss -gefühl war, oder ob Imbi mit ihrer Beurteilung der per-sönlichen Situation tatsächlich richtig lag. Zudem flog dieZeit an mir vorbei, ich steckte über den Kopf in den

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Anforderungen von Theaterproduktionen, Kind, Be zie -hung und Nebenjob. Der Blick in die eigene Tasse trübtoffensichtlich die Wahrnehmung für die Umgebung. Soschien mir. Aus meiner eigenen Erfahrung konnte ich le -dig lich bestätigen, wie schwierig es war, Beziehung undAlltag unter einen Hut zu bringen.Einzig den gesteigerten Alkoholkonsum der beidenkonn te auch ich feststellen. Und gehässige Worte. Dochwo gab es die nicht?Dann kündigte Imbi. Sie hatte ihren Kopf durchgesetztund organisierte eine neue Weltreise für sich und ihrenLebenspartner. Sie lachte viel, in den Tagen vor der Ab -fahrt. Sie war gelöst.Die Beiden reisten ab – und hin und wieder kamen Nach -rich ten oder Karten aus Übersee. Wochenlang. Mo na te -lang.Dann ging plötzlich eine Mitteilung durch die Medien,dass in Afrika ein Busunglück das Leben von Touristengefordert hätte. Zwei Schweizer wären auch dabei gewe-sen. Zwei Schweizer – ein Paar.Niemand wollte annehmen dass… die schweizerischeBotschaft bestätigte dann die unangenehme Vermutung.Dieter und Imbi waren tot. Mitten im Leben – und dochvorbei. Sie sind tot. Sie sind jetzt zusammen.Der Nachthimmel hat zwei leuchtende Sterne mehr.

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Deutsche Handwerksgesellen ‹auf der Walz im Schluuch›

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Schicksalsgemeinschaft

Die Beziehung und das Geschäft, eine Geschichte fürs LebenDie Beziehung und das Geschäft gingen bei Ernst undJohanna Dettwiler-Minder Hand in Hand. Dabei zeigenbeide Entwicklungen erstaunliche Parallelen. Es war nichtLiebe auf den ersten Blick. Weder zum Ehepartner, nochzum Betrieb. Es war vielmehr Faszination, es war Um wer -ben, es war Zusammenwachsen, es war Zusammenhalten– es war eine Geschichte für das ganze Leben. Zuletzt bil-deten das jung verheiratete Paar und der ‹alte Schluuch›eine Symbiose, oder eine Gleichung, die ohne ihre Faktorennicht denkbar oder machbar gewesen wäre: Beziehung undArbeit gleich Arbeit und Beziehung. Sowohl die Liebe wiedas Geschäft waren somit alles, nur nicht eine kurzeLiaison der oberflächlichen Begegnung.Johanna Dettwiler erzählt: «Der Ernst konnte ein Geschäftaufbauen, es in Gang bringen. Dafür war er bekannt. 1945–1947 war er auf dem Restaurant Morgarten. Späterhatte er mir einmal gesagt, dass nach dem ersten Ar beits -tag Fr. 9.80 Umsatz in der Kasse lagen.Das Geschäft war am Boden. Bereits nach zwei Jahren liefes so gut, dass die Brauerei selber auf Ernst zukam undihn anfragte, ob er das heruntergewirtschaftete Re stau -rant an der Greifengasse übernehmen würde. Damals hat -te es noch eine alte Witwe geführt. Sie besass wohl nichtmehr die Kraft, die ein solcher Betrieb abverlangte. Ernsthatte zugesagt, und so übernahm er den ‹alte Schluuch›. Erreüssierte schnell.Seine Gäste waren Hafenarbeiter, Leute aus dem Bau ge -wer be, Prostituierte, Gewerbler, Clochards, Je ni sche; kurz,fast ganz Kleinbasel verkehrte im ‹Schluuch›. Ernst ver-kaufte das Bier für 85 Rappen, daneben gab es kalteKüche. Klöpfer, Wurstsalat, Käse, Käsesalat – das warendie Renner damals. Tagsüber kamen viele Arbeiter zumZnüni, zum Zmittag, zum Zvieri. Lustig war, dass ausge-rechnet die Gewerkschaft die Parole erliess, dass die Ar bei -ter den ‹alte Schluuch› meiden sollten, weil der Ernst in derFDP Parteimitglied war. Sie forderten dies an einer Ge -werks chaftsversammlung im Volkshaus. Nicht sehr erfolg-reich, wie man unschwer erkennen konnte.»Diese Erinnerung entlockt Johanna ein Schmunzeln, ichfür meinen Teil möchte dazu eine Strophe aus HeinrichHeines Gedicht ‹Die Wanderratten› beifügen:Im hungrigen Magen Eingang findenNur Suppenlogik mit KnödelgründenNur Argumente von RinderbratenBegleitet mit göttlichen Wurst-Zitaten

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Das Gedicht spricht aus, was überall auf der WeltGültigkeit hat: Die Moral geht durch den Magen. Auch inKleinbasel. So war der Betrieb ‹zum alte Schluuch› läng-stens etabliert und umsatzstark genug, als Ernst seineJohanna ehelichte. Der Gewinn konnte die Familie guternähren. Nicht nur ernähren, das Wirtepaar konnte dieLiegenschaft nach wenigen Jahren kaufen.Nach ihrer Hochzeit lebte Johanna Dettwiler-Minder ander Greifengasse 6. Unten war die Baiz, im ersten Stockdie Küche, im zweiten Stock war das Wohn- und Ess zimmer,im dritten Stock das Schlafzimmer und die Kinderzimmer,der vierte Stock bot Platz für zwei Mansarden.Johanna erinnert sich: «Unser Sohn Hansueli kam imApril 1953 zur Welt. Das zweite Kind, Christine, bereits 16Monate später. Im August 1954. Während dieser Zeit hatteich nicht viel mit dem Restaurant zu tun. Ich war Haus -frau, Mutter, machte Stickereien und Gobelins, bezog un -se re Stühle, besuchte den Ernst bestenfalls nach Feier -abend im Restaurant. Ich musste mich sehr an meine neueUmgebung gewöhnen. Ich litt unter dem Klima, derschlech ten Luft und dem Lärm. Das Berner Oberland warhalt schon sehr anders. Aber 1955 kam das, was mir mein früherer Arbeitgeber,der Arzt Dr. Schmid aus Thun, auf den Kopf zugesagthatte: ich wollte im Betrieb mitarbeiten. Die Rolle alsHausfrau hat mich nicht genügend ausgefüllt. Wir nahmenein Kindermädchen und so fing ich an, jeweils am Morgenim ‹Schluuch› zu bedienen. Daneben habe ich das Büro, dieAbrechnungen und die Kasse gemacht. Da hat mir Ernstvertraut. Blind. Von Anfang an.»

Die glückliche Familie in den Ferien; Johanna ist schwanger

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So begann neben der Familiengeschichte, die erfolgreicheGeschäftssymbiose des Ehepaars Dettwiler-Minder. Jo -han na brachte eine straffe Hand und einige Ideen: «Ichhabe später erfahren, dass ich den Ruf eines Drachen hat -te. Aber Ernst war zu grosszügig, zu gutmütig. Personal,Pöstler, Lieferanten – alle haben im ‹alte Schluuch› gratiskonsumiert. Zwischendurch ging sicher auch etwas in dieTasche eines Angestellten, das ist in der Gastronomie kaumzu vermeiden. Aber man kann dagegen angehen. Trotzmeiner Kontrolle begann der ‹Schluuch› noch besser zulau fen. Oder vielleicht gerade deswegen. Ein wichtiger Grund für mehr Umsatz war selbstverständ-lich auch die warme Küche, die wir ab 1955 anboten.Gekocht hat Ernst im ersten Stock. Es gab eine PortionLäberli für Fr. 2.10, das Bier für einen Franken und derabsolute Renner waren die Spaghetti an Tomatensauce fürFr. 1.80.-. Das Geschäft florierte.Vis à vis vom ‹alte Schluuch› stand das Odeon mit seinemDancing, dem Grill und dem Restaurant. In diesen Jahrenhat mich Ernst jeweils zu einem Wurstsalat im Odeon ein-geladen, von dort konnten wir das Geschehen im ‹Schluuch›beobachten und rechtzeitig eingreifen, sollte es zu einerSchlä gerei oder zu anderen Unannehmlichkeiten kom-men.»Das war dann die Kehrseite des Erfolgs. Je mehr Gäste,umso grösser die Probleme, welche diese mitgebracht ha -ben. Da flogen schon mal die Fäuste. Aber nicht nur dieSchlägereien, sondern auch die Arbeitszeiten steigertensich mehr und mehr. Der ‹alte Schluuch› war während 365Tagen vom Morgen um sieben Uhr früh bis Mitternachtgeöffnet. Er verlangte unerbittlich die Anwesenheit seinerBetreiber.Johanna erzählt, dass sie während der Fasnacht quasi dreiTage am Stück gearbeitet haben. Der ‹alte Schluuch› warlängstens zu einem festen Bestandteil des Gastrono mie -lebens in Kleinbasel und der so genannten ‹Gasse› gewor-den. «Uf d Gass goo» hiess damals, dass sich eine CliqueMänner aus Klein- oder Grossbasel versammelte undzusammen um die Häuser zog, wie das auf gut Deutschheisst. Da gab es dann eine Art traditioneller Route, diewie ein ungeschriebenes Gesetz eingehalten wurde.Angefangen hat man so einen Ausgang im ‹Schwal ben -nest›, dem heutigen Läckerlihuus, dann ging es über die‹Brauerzunft› zum ‹Schwarzen Bären›, von dort zum‹Schaf eck› und in die ‹Barrikade›, zuletzt stand der ‹alteSchluuch› auf dem Programm. Das war eine Tournée.Zwischendurch gab es vielleicht noch einen Besuch imKino Union, der so genannten ‹Revolverküche›. Das Kinoerhielt diesen Namen, weil dort zwei Westernfilme für fünf

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Franken Eintrittsgeld gesehen werden konnten. DieVergnügungsmeile war geboren. Nicht jedermanns Sache,aber sie war da.Fest steht, dass sich das Wirte Ehepaar Dettwiler-Mindereinen unumstösslichen Platz in der Kleinbasler Unter neh -mer landschaft erarbeitet hatte. Entsprechend bekanntwar Ernst Dettwiler. Johanna berichtet, wie sie die Mitt -lere Brücke mit ihrem Mann zusammen nicht überquerenkonnte, ohne von den verschiedensten Leuten aufgehaltenund angesprochen worden zu sein. Der wirtschaftlicheErfolg des ‹alte Schluuch› wurde somit augenfällig, diegesteigerte Arbeitsbelastung auch.

«Ernst beschloss im Jahr 1958 den ‹alte Schluuch› zu ver-pachten, um ein ruhigeres Restaurant neben dem FriedhofHörnli zu übernehmen. Ich hätte das nicht gemacht, aberer hatte genug von den Schlägereien und den Ar beits zeit -en. So kam es, dass wir das ‹Café Dettwiler› beim Hörnli inBetrieb nahmen, das spätere ‹Café Favorita›.

Die Umgebung war jetzt ruhiger, der Arbeitsaufwand bliebaber der Gleiche. Im Gegenteil, wir mussten sogar nochmehr arbeiten. Auch hier war uns grosser Erfolg beschert,aber wir wollten zurück. Ich wurde noch einmal schwangerund gebar 1962 die Sabine. 1963 zogen wir an den unterenRheinweg. Damit wohnten wir jetzt in einer gesunden undschönen Umgebung. Den ‹alte Schluuch› liess Ernst zu die-ser Zeit von einem Geranten führen.»

So kam das Wirtepaar zurück ins Kleinbasel, zurück zuihrem Geschäft, das so sehr ihre Beziehung symbolisierensollte.

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‹The old pipe›

In einem Artikel über den renommierten Ga stro no mie -unternehmer Martin Candrian sind zwei Bemerkungensehr aufschlussreich: Auf die Frage nach Veränderungen bei der Übernahmeeines Traditionslokals sagt er, dass er von ebendieseneinen grössten Respekt habe und dass selbst das Ersetzeneines beliebten Bildes sehr heikel sein könne. Im Zu -sammenhang mit dem Pachtantritt seines Grossvaters im‹au premier› des Bahnhofs Zürich gibt er zu Protokoll:«Erstaunlich, dass er damals als Katholik und als St. Gallermit einer Basler Ehefrau den Zuschlag bekommen hat.»

Die zwei Aussagen beleuchten auf ihre Art eine scheinba-re Binsenwahrheit, die aber im Erfolgsstress der kurzlebi-gen Konzeptgastronomie gerne übersehen wird:Für langjähriges Prosperieren eines Restaurants garan-tiert nicht in erster Linie das Ausschanksystem oder dieVertreterbeziehung, für langjährigen Erfolg braucht esdie kulturelle und politische Verankerung im Zu sam men hang mit der persönlichen Identifikationsmöglichkeit derStammgäste. Mit anderen Worten: ausserhalb der schnel-len Verpflegungsmöglichkeit will der Gast sich wiedererkennen, er will ein gutes Stück ‹zu Hause› sein.Die Dynamik dieses Prozesses hat der ‹alte Schluuch› nachseiner Renovation hautnah miterlebt, als zur bisherigenStammkundschaft eine völlig neue dazu stiess. Das gabReibungen, trotzdem war es eindrücklich zu erleben, wiedieses spezielle ‹sich zu Hause fühlen› zustande kommenkann.Wie aus heiterem Himmel sassen eines Tages vier Britenan der Theke. Das Englisch von uns Mitarbeitern war gutgenug, dass wir uns bequem unterhalten konnten. DieBriten erzählten von ihrer Arbeit am Flughafen, von denspeziellen Anstellungsbedingungen bei ‹Jet aviation› undvon ihren Familien auf der grossen Insel. Beim Abschiedfiel die Frage, ob sie nicht einen Sonntagsbrunch auf‹good old english fashion› bei uns reservieren könnten. Inihren Worten hiess das, ein ‹decent meal›, eine anständi-ge Mahlzeit. Würstchen, Toast, schwarze Bohnen, gebra-tene Tomaten, Blutwurst und Eier. Viele Eier.Warum nicht? Der ‹alte Schluuch› hat das geboten – daswar der Anfang einer langjährigen Beziehung mit Briten,die als temporäre Arbeiter in den Werkstätten von ‹Jetaviation› in Frankreich arbeiteten, grösstenteils inKleinbasel untergebracht waren und wohl deshalb einbisschen ‹Heimat› suchten. Der ‹alte Schluuch› wurde ihrallabendlicher Treffpunkt zum ersten Bier, das unbeding-

Inhalt Schluuch durchlaufen:Inhalt 27.05.10 10:24 Seite 21