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Einleitung Für die Symptomenkontrolle bei onkologischen Pallia- tivpatienten ist neben der Behandlung von Dyspnoe die Schmerztherapie vorrangig. Bei Tumorpatienten ist der überwiegende Teil der Schmerzen direkt tumorbe- dingt (60 90 %), ein geringerer Anteil therapiebedingt (10 25 %), tumorassoziiert (5 20 %) oder selten auch tumorunabhängig (bis 10 %) [1]. Pathophysiologisch wird bei der Schmerzgenerierung zwischen nozizeptiven und neuropathischen Schmer- zen unterschieden. Erstere unterliegen der direkten Er- regung spezifischer Schmerzrezeptoren, letztere der Reizung peripherer Nerven oder Nervenwurzeln. Auch klinisch finden sich differente Schmerzqualitäten in Abhängigkeit von der jeweiligen Reizung. Während nozizeptive Schmerzen von den betroffenen Patienten in der Regel gut lokalisiert werden können, sind neuro- pathische Algesien eher ausstrahlend und werden viel- fach als Missempfindungen mit brennendem Charakter beschrieben. Diese Differenzierung zwischen nozizep- tivem und neuropathischem Schmerz hat insbesondere Bedeutung für die Auswahl und Kombination der pas- senden Analgetika. Darüber hinaus sind Tumorschmerzen von einer Reihe unterschiedlicher Einflussgrößen aus dem psychischen bzw. psychosozialen Bereich abhängig wie Ängste, Ein- samkeit, Hoffnungslosigkeit und Depressivität. Cicely Saunders, die Begründerin der modernen Palliativme- dizin in England, hatte daher gefordert, diese unter- schiedlichen Dimensionen des Schmerzes aus physi- scher, psychischer, sozialer und spiritueller Sicht in ih- rem gesamten Zusammenhang zu betrachten, und hierfür zusammenfassend den Begriff Total Painge- prägt (Abb. 1) [2]. In diesem Beitrag wird ein Leitlinien-orientierter Über- blick über die Tumorschmerztherapie mit Schwerpunkt auf der medikamentösen Behandlung gegeben. Nach der Lektüre kennen die Leser die Prinzipien der Schmerztherapie, die grundlegenden Präparate im kli- nischen Alltag einschließlich der Ko-Medikationen so- wie die typischen klinischen Situationen in der tägli- chen Anwenderpraxis. Prinzipien der Schmerztherapie Die medikamentöse Schmerztherapie muss eingebet- tet werden in die patienteneigene, physische wie auch psychosoziale Situation. Sie ist im Aufbau einfach zu gestalten und sollte neben der Basismedikation auch eine ausreichende Bedarfsanalgesie umfassen. Beides ist entsprechend dem individuellen Schmerzniveau zu titrieren, um eine rasche Schmerzeinstellung bei einem möglichst niedrigen Nebenwirkungsprofil zu erreichen. In der klinischen Praxis ist weiterhin der Grundsatz be- deutsam, dass eine medikamentöse Tumorschmerz- therapie vorrangig durch den Mund, nach der Uhr und auf der Treppeerfolgen sollte. Letzteres bedeutet, dass sich die praktische Umset- zung bei der Schmerzeinstellung weiterhin an dem Stu- fenschema der WHO (Abb. 2) orientieren sollte [3]. Applikationsformen In erster Linie wird bei der Einstellung die orale Darrei- chungsform bevorzugt, soweit Allgemeinzustand, Ko- morbiditätsprofil und Compliance des Patienten dies erlauben, um eine weitere einfache Fortsetzung ambu- lant zu ermöglichen. Schmerztherapie in der Palliativmedizin Pain Management in Palliative Care Martin B. Steins, Corinna Eschbach, Matthias Villalobos, Michael Thomas CME-Fortbildung Die konsequente Schmerztherapie ist ein wichtiger Pfeiler der Symptomkontrolle in der Palliativmedizin. Neben der medikamentösen Therapie sind die psychi- schen und sozialen Umstände der betroffenen Patienten als Faktoren zu berück- sichtigen, die die Schmerzerfahrung mitbeeinflussen. Primäre Ziele sind das Er- reichen einer größtmöglichen Schmerzarmut und damit die Sicherstellung einer ausreichenden Lebensqualität. Steins MB et al. Schmerztherapie in der Z Palliativmed 2018; 19: 4756 47 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Schmerztherapie in der Palliativmedizin Pain Management in ......die Schmerztherapie vorrangig. Bei Tumorpatienten ist der überwiegende Teil der Schmerzen direkt tumorbe-dingt (60–90%),

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  • EinleitungFür die Symptomenkontrolle bei onkologischen Pallia-tivpatienten ist neben der Behandlung von Dyspnoedie Schmerztherapie vorrangig. Bei Tumorpatienten istder überwiegende Teil der Schmerzen direkt tumorbe-dingt (60–90%), ein geringerer Anteil therapiebedingt(10–25%), tumorassoziiert (5–20%) oder selten auchtumorunabhängig (bis 10%) [1].

    Pathophysiologisch wird bei der Schmerzgenerierungzwischen nozizeptiven und neuropathischen Schmer-zen unterschieden. Erstere unterliegen der direkten Er-regung spezifischer Schmerzrezeptoren, letztere derReizung peripherer Nerven oder Nervenwurzeln. Auchklinisch finden sich differente Schmerzqualitäten inAbhängigkeit von der jeweiligen Reizung. Währendnozizeptive Schmerzen von den betroffenen Patientenin der Regel gut lokalisiert werden können, sind neuro-pathische Algesien eher ausstrahlend und werden viel-fach als Missempfindungen mit brennendem Charakterbeschrieben. Diese Differenzierung zwischen nozizep-tivem und neuropathischem Schmerz hat insbesondereBedeutung für die Auswahl und Kombination der pas-senden Analgetika.

    Darüber hinaus sind Tumorschmerzen von einer Reiheunterschiedlicher Einflussgrößen aus dem psychischenbzw. psychosozialen Bereich abhängig wie Ängste, Ein-samkeit, Hoffnungslosigkeit und Depressivität. CicelySaunders, die Begründerin der modernen Palliativme-dizin in England, hatte daher gefordert, diese unter-schiedlichen Dimensionen des Schmerzes aus physi-scher, psychischer, sozialer und spiritueller Sicht in ih-rem gesamten Zusammenhang zu betrachten, undhierfür zusammenfassend den Begriff „Total Pain“ ge-prägt (▶Abb. 1) [2].

    In diesem Beitrag wird ein Leitlinien-orientierter Über-blick über die Tumorschmerztherapie mit Schwerpunktauf der medikamentösen Behandlung gegeben. Nachder Lektüre kennen die Leser die Prinzipien derSchmerztherapie, die grundlegenden Präparate im kli-nischen Alltag einschließlich der Ko-Medikationen so-wie die typischen klinischen Situationen in der tägli-chen Anwenderpraxis.

    Prinzipien der SchmerztherapieDie medikamentöse Schmerztherapie muss eingebet-tet werden in die patienteneigene, physische wie auchpsychosoziale Situation. Sie ist im Aufbau einfach zugestalten und sollte neben der Basismedikation aucheine ausreichende Bedarfsanalgesie umfassen. Beidesist entsprechend dem individuellen Schmerzniveau zutitrieren, um eine rasche Schmerzeinstellung bei einemmöglichst niedrigen Nebenwirkungsprofil zu erreichen.

    In der klinischen Praxis ist weiterhin der Grundsatz be-deutsam, dass eine medikamentöse Tumorschmerz-therapie vorrangig▪ durch den Mund,▪ nach der Uhr und▪ „auf der Treppe“

    erfolgen sollte.

    Letzteres bedeutet, dass sich die praktische Umset-zung bei der Schmerzeinstellung weiterhin an dem Stu-fenschema der WHO (▶Abb. 2) orientieren sollte [3].

    Applikationsformen

    In erster Linie wird bei der Einstellung die orale Darrei-chungsform bevorzugt, soweit Allgemeinzustand, Ko-morbiditätsprofil und Compliance des Patienten dieserlauben, um eine weitere einfache Fortsetzung ambu-lant zu ermöglichen.

    Schmerztherapie in der PalliativmedizinPain Management in Palliative Care

    Martin B. Steins, Corinna Eschbach, Matthias Villalobos, Michael Thomas

    CME-Fortbildung

    Die konsequente Schmerztherapie ist ein wichtiger Pfeiler der Symptomkontrollein der Palliativmedizin. Neben der medikamentösen Therapie sind die psychi-schen und sozialen Umstände der betroffenen Patienten als Faktoren zu berück-sichtigen, die die Schmerzerfahrung mitbeeinflussen. Primäre Ziele sind das Er-reichen einer größtmöglichen Schmerzarmut und damit die Sicherstellung einerausreichenden Lebensqualität.

    Steins MB et al. Schmerztherapie in der… Z Palliativmed 2018; 19: 47–56 47

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  • Die transdermale Applikation von Analgetika stellt eineAlternative für Patienten mit Schluckstörungen bzw.Problemen bei der oralen Applikation dar. Wichtig beider Anwendung von transdermalen Trägersystemen istdas Erreichen einer stabilen Schmerzeinstellung. Nach-teilig können sich prinzipiell die lange Latenzzeit biszum Erhalt eines ausreichenden Wirkstoffspiegels unddie eingeschränkte Flexibilität bei kurzfristigen Dosis-änderungen auswirken. Diese müssen dann durch die

    adäquate Anwendung von schnell wirksamen Opiatenausgeglichen werden.

    Im Weiteren ist hinsichtlich der Opioid-Basismedika-tion auf das Einhalten eines festen Einnahmezeitplanszu achten, bei den meisten Applikationen in Form eines12-stündigen Intervalls.

    Regelmäßiges Schmerzassessment

    Ein regelmäßiges Schmerzassessment möglichst durcheine patienteneigene Selbsteinschätzung ist zur Über-prüfung der Effektivität unerlässlich. In der praktischenAnwendung ist eine semiquantitative Algesimetrie mit-tels numerischer, verbaler oder visueller Analogskalenweit verbreitet (▶Abb.3) [4, 5].

    Bei nichtorientierten bzw. dementen Patienten sindanalog Schmerzskalen für die Fremdeinschätzung wiedie BESD-Skala (BEurteilung von Schmerzen bei De-menz) verfügbar, in denen durch Beobachtung derBetroffenen innerhalb von 5 Bereichen („Atmung“,„negative Lautäußerungen“, „Gesichtsausdruck“, „Kör-persprache“, „Reaktion auf Trost“) jeweils bis zu 2Punkte pro Bereich und damit zusammengenommenbis zu 10 Punkte für die gesamte Schmerzeinschätzungveranschlagt werden können [5].

    Medikamentöse SchmerztherapieDie medikamentöse Therapie erfolgt gemäß den natio-nalen, europäischen und US-amerikanischen Leitlinienzur Tumorschmerztherapie [6–8] und basiert auf demEinsatz von Nichtopioidanalgetika der WHO-Stufe I(z. B. Metamizol, Ibuprofen, Diclofenac, Paracetamol,Celecoxib; ▶Tab. 1) sowie bei nicht ausreichendemAnsprechen auf der Kombination mit Opioidanalgetikader WHO-Stufe II (Tramadol, Tilidin, Dihydrocodein)oder III (wie Morphin, Hydromorphon, Oxycodon, Fen-tanyl, Buprenorphin, Levomethadon; ▶Tab. 2) [1, 3,6–9].

    NichtopioideMetamizol

    Neben den nichtsteroidalen Antiphlogistika ist beson-ders Metamizol als Schmerzmittel der WHO-Stufe I inder Tumorschmerztherapie weit verbreitet (▶Tab. 1).

    HinweisAls Nichtopioidanalgetikum lässt sich Metamizol auf-grund der vergleichsweise guten Verträglichkeit so-wohl als Monotherapeutikum einsetzen als auch sehrgut mit Opioiden kombinieren.

    Die Substanz wirkt neben dem analgetischen Effektauch spasmolytisch auf die glatte Muskulatur und istdaher besonders für den Einsatz bei viszeralen Schmer-

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    leichterSchmerz

    mäßigerSchmerz

    starkerSchmerz

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    Schmerz

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    keinSchmerz

    mäßigerSchmerz

    max.vorstellbarer

    Schmerz

    ▶Abb. 3 Schmerzskalen für die Algesimetrie. a Numerische Rating-Skala,NRS; b Verbale Rating-Skala, VRS; c Visuelle Analog-Skala, VAS.

    Einflussgrößen:▪ Ängste und Sorgen▪ Hoffnungslosigkeit▪ Einsamkeit/Isolation▪ Schlaflosigkeit/Unruhe▪ Depression/Traurigkeit▪ soziale Abhängigkeit▪ Aggressionen/Wut

    „Total Pain“ (n.C. Saunders) Dimensionen von Schmerz:▪körperlich▪psychisch▪sozial▪spirituell

    ▶Abb. 1 Modell des „Total Pain” nach Cicely Saunders [2].

    Stufe I

    Stufe II

    schwache Opioide(Tramadol, Tilidin, Dihydrocodein)

    für milde bis mäßige Schmerzen

    Nichtopioide± Koanalgetika

    Nichtopioide± Koanalgetika

    Nichtopioide± Koanalgetika

    Schmerzintensität

    starke Opioide(Morphin, Hydromor-phon, Oxycodon, Levo-methadon, Fentanyl, Buprenorphin)

    für mäßige bis starke Schmerzen

    Stufe III

    ▶Abb. 2 WHO-Stufenschema zur medikamentösen Schmerztherapie.

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  • zen gut geeignet. Hinzu kommt eine starke antipyreti-sche Wirkung, während der antiphlogistische Effektnur gering ausgeprägt ist.

    Die verfügbaren Darreichungsformen sind vielfältigund decken von der oralen und rektalen Gabe bis hinzur intravenösen und subkutanen Applikation die fürdie klinische Praxis notwendigen Anwendungsformenab.

    Die von den nichtsteroidalen Antiphlogistika bekanntegastrointestinale Toxizität und die bei chronischer An-wendung mögliche Nierenfunktionsstörung drohenbei Metamizol in diesem Ausmaß nicht. Allenfalls istein sehr geringes Risiko von

  • MerkeGenerell unterscheiden sich die einzelnen Stufe-III-Opioide zwar nicht in der analgetischen Wirkung,wohl aber in den jeweiligen Darreichungsformen,den Latenzzeiten bis zum Wirkeintritt, ihrer Steuer-barkeit, der Verstoffwechselung, den Therapiekostenund den patienteneigenen Faktoren hinsichtlich Ef-fektivität und Verträglichkeit. Prinzipiell sollten alleOpioide unter Verwendung einer schnell wirksamenBedarfsmedikation langsam titriert werden.

    Morphin, Hydromorphon und Oxycodon

    Für die Erstauswahl der verfügbaren Stufe-III-Opioidelegt sich die S3-Leitlinie Palliativmedizin eindeutig fest[6]: Auf der WHO-Stufe III zählen Morphin, Hydromor-phon und Oxycodon zu den Präparaten der erstenWahl. Morphin ist dabei als typischer Agonist der µ-Opioidrezeptoren das Opiat, für das langjährige Erfah-rungen zu Nutzen und Nebenwirkungen in einem brei-ten Spektrum von Applikationsformen vorliegen.

    Oral verfügbare Retardpräparate

    Mit Abschluss der Einstellphase sollte für die ambulanteund längerfristige Opioidgabe auf oral verfügbare Re-tardpräparate zurückgegriffen werden. Eine Kombina-tion mit Nichtopioiden bedient sich dabei unterschied-licher pharmakologischer Wirkmechanismen der jewei-ligen Substanzen und begünstigt in der Summe das Er-reichen einer optimalen Schmerzeinstellung.

    Transdermale Systeme

    Bei Schluckbeschwerden oder im Fall von anderweiti-gen Problemen mit der oralen Aufnahme stehen dietransdermalen Systeme (TDS, auch Transdermal Deli-very System, oder transdermale therapeutische Syste-me, TTS) mit Fentanyl oder Buprenorphin als Mem-branpflaster-Präparate zur Verfügung.

    Opioidgabe bei Nierenfunktionsstörungen

    Besonders bei Nierenfunktionsstörungen mit einer glo-merulären Filtrationsrate < 30ml/min sind Opioide mitVorsicht einzusetzen, hier ist im Vergleich zu Nierenge-

    sunden vorzugsweise mit niedrigeren Anfangsdosie-rungen zu beginnen. Der pathophysiologische Grundliegt im Abbauprozess des Morphins, bei dem der bio-logisch aktive Metabolit Morphin-6-Glucuronid anfällt.Dieser wird renal eliminiert und würde daher bei einge-schränkter Nierenfunktion kumulieren.

    Als Opioid der 1.Wahl wird bei renalen Funktionsstörun-gen nach der S3-Leitlinie Palliativmedizin Fentanyl oderBuprenorphin empfohlen [6]. Auch Hydromorphonwirddurchaus bei Niereninsuffizienz befürwortet, da beimAbbau kein 6-Glucuronid gebildet wird. Zudem kommtes bei Hydromorphon aufgrund seiner im Vergleich zuherkömmlichem Morphin geringeren Plasmaprotein-bindung zu weniger Arzneimittelinteraktionen, aller-dings beruhen diese Empfehlungen in erster Linie aufpharmakodynamischen Erkenntnissen und resultierennicht aus den Erfahrungen mit klinischen Studien.

    Subkutane oder intravenöse Opioidgabe

    Für Situationen, in denen sich weder eine orale nochtransdermale Applikation von Opioiden anbietet, wirdleitliniengemäß die subkutane Darreichung von Opioi-den empfohlen [6, 15]. Hier ergaben sich hinsichtlichEffektivität und Nebenwirkungen keine signifikantenUnterschiede zwischen den jeweiligen Applikationsfor-men [16].

    Eine kontinuierliche Gabe ist prinzipiell über eine Sub-kutannadel möglich, die z. B. subklavikulär, an der vor-deren Thoraxwand oder im Abdominalbereich appli-ziert wird. Allerdings besteht für Patienten mit Öde-men, schlechten peripheren Durchblutungsverhältnis-sen, Blutungsneigungen bzw. der Notwendigkeit einerschnellen Schmerzkontrolle oder der Gabe hoher Volu-mina die Empfehlung zur intravenösen Verabreichung.

    MerkeIn der klinischen Praxis wird im Rahmen einer Thera-pie am Lebensende in der Regel die subkutane oderintravenöse Applikationsform von Morphin ange-wandt.

    ▶Tab. 2 WHO-Stufe III – Optionen für die Opioidtherapie.

    Medikament Indikation Anwendung Wirkdauer

    Morphin starke Schmerzen p. o., i. v., s. c. retardiert 8–12h, unretardiert bis 4 h

    Hydromorphon p. o. (Palladon, Jurnista), i. v. (Palladon injekt) Palladon retard bis 12h, Jurnista bis 24 h

    Oxycodon p. o. (Oxygesic, Targin), i. v. (Oxygesic injekt) 8–12h

    Levomethadon p. o. (L-Polamidon) 8–12h

    Fentanyl transdermal (Durogesic), bukkal (Effentora), sub-lingual (Abstral), nasal (Instanyl, PecFent)

    transdermal bis 72 h, transmukosal bis 1 h

    Buprenorphin transdermal (Transtec), sublingual (Temgesic) transdermal bis 96 h, transmukosal bis 1 h

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  • Beide Zugangswege – sowohl der subkutane wie auchder intravenöse – können auch in einem ambulantenSetting genutzt werden, bei intravenöser Gabe dannam ehesten mittels eines liegenden Kathetersystems.Für eine patientenkontrollierte Analgesie sind Schmerz-pumpensysteme sicher und bewährt, da sich der Patienthiermit bei Bedarf selbst Boli geben kann.

    Rektale Opioidgabe

    Alternative Applikationsformen wie die rektale Mor-phinanwendung werden angesichts einer unregel-mäßigen Resorption, schwierigerer Steuerbarkeit undeingeschränkter Akzeptanz seitens der Patienten dem-gegenüber nur nachrangig empfohlen [6].

    Einsatz von Tapentadol

    Als letzte Neuentwicklung unter den Opioiden ist Ende2010 Tapentadol auf den Markt gekommen, das nebender analgetischen Wirkung am μ-Opioidrezeptor eineNoradrenalinwiederaufnahmehemmung bewirkt, wo-durch die in die Peripherie absteigenden Nervenbah-nen gehemmt werden. Entsprechend des Zulassungs-textes ist diese Substanz vorgesehen zur Behandlungvon Patienten mit starken chronischen Schmerzen, dienur mit Opioidanalgetika angemessen gelindert wer-den können; die Datenlage bei Tumorpatienten ist füreine abschließende Bewertung der Substanz allerdingsnoch unzureichend [17].

    Opioidrotation

    Ein Opioidwechsel auf der 3. WHO-Stufe ist immerdann indiziert, wenn trotz Dosisanpassung und -erhö-hung keine adäquate Schmerzeinstellung erreicht wirdund/oder das Nebenwirkungsprofil der gewählten Sub-stanzen für den Patienten nicht mehr tolerabel undkontrollierbar erscheint. Die Erfolgsrate wird bei einerOpioidrotation auf 40–80% beziffert [6].

    Bei der Umsetzung sollte man sich zwar an den Um-rechnungsfaktoren für die äquianalgetischen Äquiva-lenzdosen (▶Tab. 3) orientieren, für die Einstiegsdosisdes zweiten Opioids wird allerdings eine bis zu 50%niedrigere Anfangsdosierung mit anschließender Titra-tion nach klinischem Ansprechen empfohlen [3].

    Der häufigste Wechsel wird nach der S3-Leitlinie Pallia-tivmedizin zu Levomethadon angeführt, wohl auch auf-grund seiner Wiederaufnahmehemmung von Seroto-nin. Allerdings gibt es hierfür kein festgeschriebenesVorgehen, und Levomethadon sollte aufgrund seinerkomplexen Pharmakokinetik und seiner langen, unvor-hersehbaren Halbwertszeit von 8–80 Stunden nur vonerfahrenen Ärzten verordnet werden.

    Durchbruchschmerzen

    CaveBei Auftreten von Schmerzexazerbationen ist auf dieausreichende Bereitstellung eines nichtretardiertenund damit schnell wirksamen Opioids als Bedarfsme-dikation zusätzlich zur Basistherapie zu achten.

    Dies kann oral mit Morphin, Hydromorphon oder Oxy-codon mit rasch freisetzender Galenik wie auch subku-tan oder intravenös mit Morphinapplikationen erfol-gen. In einigen Situationen kann transmukosal (bukkal,sublingual oder nasal) angewandtes Fentanyl zu einemschnelleren Wirkeintritt bei dann allerdings kürzererWirkdauer führen, sodass sich dieses Vorgehen eherbei sehr rasch auftretenden Schmerzattacken von kur-zer Dauer anbieten könnte.

    Im ambulanten Bereich ist hier vorab im Besonderenauf die Patientenaufklärung und -führung zu achten,da hierdurch auch unkontrolliert eine Fentanylakkumu-lation mit Schwindelsymptomatik, sedierenden Be-gleiteffekten und Arzneimittelmissbrauch entstehenkann. Übergeordnetes Ziel der analgetischen Notfall-oder Rescue-Therapie bei Durchbruchschmerzen bleibtes aber, die Basisanalgesie so zu titrieren, dass eineüberlappende, ausreichend schmerzreduzierende Wir-kung möglichst ohne Auftreten von intermittierendenSchmerzattacken erreicht wird.

    Koanalgetika

    Koanalgetika haben in Ergänzung zur Schmerztherapieeinen therapeutischen Stellenwert in Abhängigkeit vonder jeweiligen Schmerzart, besonders bei neuropathi-schen Schmerzen. Supportiv analgetische Wirkungenhaben Kortikosteroide wie Dexamethason, Antidepres-siva wie Amitriptylin oder Doxepin sowie Antikonvulsi-va wie Pregabalin, Gabapentin oder Carbamazepin.

    ▶Tab. 3 Umrechnung der äquianalgetischen Opioiddosierungen.

    Wechsel von → nach Äquivalenzverhältnis

    Tramadol p. o.→Morphin p. o. 10 : 1

    Tilidin p. o.→Morphin p. o. 10 : 1

    Morphin p. o.→Morphin s. c./i. v. 2 : 1 bis 3 : 1

    Morphin p. o.→ Hydromorphon p. o. 5 : 1 bis 7,5 : 1

    Morphin p. o.→ Oxycodon p. o. 2 : 1

    Oxycodon p. o.→ Hydromorphon p. o. 4 : 1

    Morphin p. o.→ Levomethadon p. o. 4 : 1 bis 20 : 1

    Morphin p. o.→ Fentanyl TTS 100 : 1

    Morphin p. o.→ Buprenorphin TTS 50 : 1

    TTS: transdermale therapeutische SystemeBeispiel: Morphin 60mg/Tag p. o. → Oxycodon 2×15mg/Tag p. o. oder FentanylTTS 0,6mg/Tag bzw. 25µg/h

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  • Eine prospektive, placebokontrollierte Studie mit einerMorphin-Rescue-Medikation zeigte kürzlich positivetherapeutische Einflüsse auf neuropathische Tumor-schmerzen für Amitriptylin, Gabapentin und besondersPregabalin, jeweils gegenüber der Placebogruppe [18].

    Die S3-Leitlinie Palliativmedizin empfiehlt bei nichtausreichendem Ansprechen von Opioiden auf neuropa-thische Schmerzen den zusätzlichen Einsatz von Ami-triptylin, Gabapentin oder Pregabalin zu erwägen [6].Allerdings sollte zur Minimierung von ZNS-Nebenwir-kungen wie Schwindel oder Somnolenz die Medikationund Titration der jeweiligen Substanzen vorsichtig er-folgen.

    Der Gebrauch weiterer Koanalgetika ergibt sich aus derklinischen Situation. Liegen beispielsweise ossäre Me-tastasen vor, so kommt den Bisphosphonaten nebender Osteoklastenhemmung auch eine koanalgetischeKomponente zu.

    Adjuvanzien

    Das Nebenwirkungsprofil aller Opioide ist gekennzeich-net durch gastrointestinale Symptome, allen voran derobstipierende Begleiteffekt auf die Darmtätigkeit. Inder Einstellphase können zusätzlich Übelkeit und Erbre-chen auftreten.

    MerkePersistierende Obstipation und initiale Nausea sindtypische Begleitreaktionen einer Opioidtherapie,denen bereits bei Behandlungsbeginn mit einer Be-gleitmedikation begegnet werden sollte.

    Diese umfasst eine kontinuierliche Obstipationspro-phylaxe mit osmotisch wirksamen Substanzen (z. B.Macrogol) sowie bei aufkommender Obstipation einebedarfsangepasste Laxanzienbehandlung.

    Laxanzientherapie

    Zu Art und Weise der Abführmaßnahmen gibt es keineEvidenz zwischen primär osmotisch oder stimulierendwirksamen Präparaten, nach der bestimmte Laxanziengegenüber anderen zu bevorzugen wären [6]. Bei The-rapieresistenz kann auch eine Kombination mit unter-schiedlichen Wirkmechanismen angewandt werden.Falls konventionelle Laxanzien nicht ausreichen, bietetsich auch der Opioidantagonist Methylnaltrexon zursubkutanen Applikation an [19], was in der klinischenPraxis allerdings eher selten notwendig ist.

    Obstipationsprophylaxe

    Prophylaktisch wird mit Naloxon ein vergleichbaresOpiatantidot in Kombination mit Oxycodon im Präpa-rat Targin als orale Darreichungsform angeboten. Da-bei soll das zugesetzte Naloxon nach der oralen Einnah-me über die Besetzung von Opioidrezeptoren an der

    Darmschleimhaut den initial obstipierenden Begleitef-fekt des Oxycodons mindern. Durch den nachfolgen-den hepatischen First-Pass-Effekt wird Naloxon nachder Resorption inaktiviert, sodass aus dieser Kombina-tion pharmakologisch lediglich der lokale Effekt an derDarmschleimhaut, aber keine systemisch wirksameOpioidblockade resultiert [20]. Trotz dieses Antidotzu-satzes in Targin für die Darmschleimhaut zeigt die klini-sche Praxis bei den betroffenen Patienten allerdingshäufig, dass auf eine herkömmliche Obstipationspro-phylaxe und -therapie nicht komplett verzichtet wer-den kann.

    Antiemetische Medikation

    Der unter Opiattherapie zuweilen mit Beginn aufkom-menden Übelkeit kann gut mit einer antiemetischenBegleitmedikation vorrangig in Form von antidopami-nergen und prokinetischen Wirkstoffen wie Haloperi-dol [21] oder Metoclopramid [22] begegnet werden.

    Seltenere Nebenwirkungen, wie vermehrte Schweiß-neigung und Juckreiz, können mit Anticholinergikaoder Antihistaminika therapiert werden.

    Zentralnervöse Nebenwirkungen

    Die häufiger in der Einstellphase bis zum Erreicheneines stabilen Niveaus auftretenden zentralnervösenNebenwirkungen wie Müdigkeit, Benommenheit oderkognitive und psychomotorische Symptome könnennach der aktuellen S3-Leitlinie Palliativmedizin mit Me-thylphenidat behandelt werden, dies wird allerdingswegen der engen therapeutischen Breite der Substanznur mit einem geringen Empfehlungsgrad bewertet[6]. Von praktischer Relevanz erscheint hier eher eineadäquate, Überdosierung vermeidende Anpassung derDosis, ggf. mit Reduktion oder Wechsel der Opioid-gabe.

    Die sedierende und unkoordiniert erscheinende Wirk-komponente findet sich vor allem bei Verwendung vonFentanylpräparaten.

    CaveBei Anwendung transdermaler Trägersysteme ist dieraschere Resorption des Wirkstoffs bei Feuchtigkeit(Schwitzen!) und Wärme zu beachten. Andererseitskann es bei den Membranpflastersystemen beson-ders bei Feuchtigkeit zu einem Ablösen des Pflastersund damit zu einem Ausbleiben der Wirkstoffresorp-tion kommen.

    Das Akkumulationsrisiko führt dazu, dass schnell wirk-same Fentanylpräparate für die Anwendung bei Opioid-naiven Patienten kontraindiziert sind, also im Falle einerBedarfsmedikation mit Fentanyl bereits eine Opioid-Basismedikation bestehen muss.

    CME-Fortbildung

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  • NichtmedikamentöseSchmerztherapieUnter den nichtmedikamentösen Formen der Schmerz-therapie hat vor allem im Fall von lokalisierbarenSchmerzen die Strahlentherapie von Knochen- oderWeichteilmetastasen einen gewichtigen Stellenwert[23]. Dieses Verfahren erweist sich als nebenwirkungs-arm, kosteneffizient und effektiv für das Schmerzma-nagement, vor allem dann, wenn medikamentös be-reits höhere analgetische Dosierungen mit nur be-grenztem Therapieerfolg angewandt werden [24].

    Pathophysiologisch können hier neben der rein de-struktiven Wirkung auf infiltrierende Tumorzellen auchmodulierende Effekte auf die Schmerzwahrnehmungdurch Freisetzung von Mediatoren, Hemmung der No-zizeptoraktivierung oder Inhibition reflektorischer Sti-muli postuliert werden [23].

    In der Regel reichen hypofraktionierte Bestrahlungenmit z. B. einmalig 8Gy aus, um bereits eine rascheSchmerzlinderung über auch längere Zeiträume zu er-reichen [25].

    FazitBei der medikamentösen Schmerztherapie gilt es,Schmerz als „Total Pain“ zu verstehen, um die vielfälti-gen physischen und psychischen Dimensionen seinerEntstehung erfassen zu können. Aus Patientensichtsollte die Medikamententherapie einfach gestaltetsein und aus einer regelmäßigen Basis- sowie einer an-passbaren Bedarfsmedikation bestehen. In der Einstell-phase muss die passende Dosis austitriert werden mitdem Ziel, die bestmögliche Wirkung zu erreichen.

    Schlüsselwörter

    Tumorschmerz, Schmerztherapie, Symptomkontrolle,Opioide, Nichtopioide

    Interessenkonflikt

    Die Autoren erklären, dass bei der Erstellung dieses CME-Beitrags keine Interessenkonflikte bestanden.

    Autorinnen/Autoren

    Priv.-Doz. Dr. med. Martin B. Steins, Jahr-gang 1964. 1984–1991 Studium der Hu-manmedizin an der WWU Münster. 1991–1998 Facharztausbildung Innere Medizin.1998 Facharzt für Innere Medizin. 2004Habilitation. 2005 Hämatologie/Onkologie.2006 Hämostaseologie. 2008 Palliativmedi-zin. Seit 2005 Oberarzt in der Abtlg. Internis-

    tische Onkologie der Thoraxtumoren, Thoraxklinik am Univ.-Klinikum Heidelberg. Schwerpunkte: Systemtherapie desLungenkarzinoms, Palliativmedizin, Medizinethik.

    Corinna Eschbach, Jahrgang 1962. 1982–1989 Studium der Humanmedizin an der Uni-versität Hamburg. 1989–1998 Facharztaus-bildung Innere Medizin. 1998 Fachärztin In-nere Medizin. 2000 Fachärztin für Pneumo-logie. 2003 Fachärztin für Allergologie. 2007Zusatzbezeichnung Palliativmedizin. 2001–

    2012 Oberärztin Thoraxzentrum Hamburg. Seit 2013 Funk-tionsoberärztin an der Thoraxklinik Universität Heidelberg.Schwerpunkt: Palliativmedizin.

    Matthias Villalobos, Jahrgang 1974. 1993–2000 Studium der Humanmedizin an derUniversität Würzburg. 2000–2009 Facharzt-ausbildung Innere Medizin mit SchwerpunktHämatologie/Onkologie, Uniklinik Heidel-berg. 2010 Facharzt für Innere Medizin.2012 Schwerpunkt Hämatologie/Onkologie.

    2012 Zusatzbezeichnung Palliativmedizin. Seit 2013 Oberarztder Abteilung Internistische Onkologie der Thoraxklinik amUniversitätsklinikum Heidelberg.

    Univ.-Prof. Dr. med. Michael Thomas, Jahr-gang 1960. 1979–1985 Studium und Pro-motion. 1986–1995 Ausbildung Innere Me-dizin/Schwerpunkt Hämatologie/Internisti-sche Onkologie wie auch Pneumologie.1996–2004 Oberarzt am UniversitätsklinikumMünster. 1997 Habilitation. 2004 C3-Profes-

    sur Innere Medizin/Schwerpunkt Pneumologie. Seit 2005W3-Professur für Internistische Onkologie der Thoraxtumo-ren, Universität Heidelberg und Chefarzt dieser Abteilung ander Thoraxklinik – Zusatzbezeichnung Palliativmedizin undLeitung dieses Bereiches an der Thoraxklinik.

    KERNAUSSAGEN

    ▪ Medikamentöse Grundlage der palliativen Schmerztherapieist nach der WHO-Richtlinie die opioidbasierte Schmerzein-stellung in Kombination mit Nichtopioiden. Prinzipiell solltediese vorzugsweise oral, möglichst einfach, nach festem Ein-nahmeschema und an den individuellen Bedarf angepasstdurchgeführt werden.

    ▪ Durchbruchschmerzen sind mit schnell wirksamen nicht-retardierten Analgetika zu therapieren.

    ▪ Dem opioidtypischen Nebenwirkungsprofil mit Obstipationund initialer Übelkeit ist bereits prophylaktisch mit einerBegleitmedikation durch die Gabe von Adjuvanzien zu be-gegnen.

    ▪ Koanalgetika wie Antikonvulsiva oder Kortikosteroidekönnen den analgetischen Effekt unterstützen und kommenvor allem bei neuropathischen Schmerzen zum Einsatz.

    ▪ Neben der medikamentösen Therapie sind die psychischenund sozialen Umstände der betroffenen Patienten als Fakto-ren zu berücksichtigen, die die Schmerzerfahrung beein-flussen.

    Steins MB et al. Schmerztherapie in der… Z Palliativmed 2018; 19: 47–56 53

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  • Korrespondenzadresse

    Priv.-Doz. Dr. med. Martin B. SteinsThoraxklinik am Universitätsklinikum HeidelbergInternistische Onkologie der ThoraxtumorenRöntgenstraße 169126 HeidelbergE-Mail: [email protected]

    Wissenschaftlich verantwortlich gemäßZertifizierungsbestimmungen

    Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungs-bestimmungen für diesen Beitrag ist Priv.-Doz. Dr. med.Martin B. Steins, Heidelberg

    Literatur

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    Bibliografie

    DOI https://doi.org/10.1055/s-0043-122667Z Palliativmed 2018; 19: 47–56© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New YorkISSN 1615-2921

    CME-Fortbildung

    54 Steins MB et al. Schmerztherapie in der… Z Palliativmed 2018; 19: 47–56

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    Diese Fortbildungseinheit ist 12 Monate online für die Teilnahme verfügbar.Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, finden Sie unter http://cme.thieme.de\hilfeeine ausführliche Anleitung. Wir wünschen viel Erfolg beim Beantwortender Fragen!

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    Frage 1

    Nach welchem Grundsatz sollte eine Tumorschmerztherapieausgerichtet sein?

    A oral, regelmäßig lt. Medikamentenplan, am WHO-Stufen-schema orientiert

    B Wirkstoffkombinationen vermeidenC täglich neue FestlegungD möglichst mit SchmerzpumpeE WHO-Stufe-III-Medikamente möglichst vermeiden

    Frage 2

    Welche Aussage trifft nicht zu? Schmerzen können verstärktwerden durch ...

    A Aggressionen.B Entspannung.C Depressionen.D Ängste und Sorgen.E soziale Vereinsamung.

    Frage 3

    Eine der folgenden Aussagen zu Metamizol ist nicht korrekt.Welche?

    A Bei rascher i. v. Applikation besteht das Risiko von Blut-druckabfall.

    B Das Risiko einer Agranulozytose unter Metamizol-Medika-tion ist stark erhöht.

    C Das Risiko von Nierenfunktionsstörungen bei langfristigerEinnahme ist im Vergleich zu anderen WHO-Stufe-I-Medi-kamenten eher gering.

    D Die gastrointestinale Toxizität ist vergleichsweise gering.E Die vielfältige Galenik, in der Metamizol vorliegt, erlaubt

    die Abdeckung der in der klinischen Praxis notwendigenAnwendungsformen.

    Frage 4

    Wodurch ist die Schmerzmessung in der Palliativmedizingekennzeichnet?

    A Fremdeinschätzung ist der Selbsteinschätzung vorzu-ziehen.

    B Eine Objektivierung der Schmerzstärke ist mit den ver-fügbaren Instrumenten leicht zu erreichen.

    C Das WHO-Stufenschema enthält ein valides Schmerzer-fassungsmodul.

    D Zur Selbsteinschätzung durch den Patienten werden z. B.die visuelle Analogskala (VAS) und die numerische Rating-Skala (NRS) eingesetzt.

    E Bewusstseinsgestörte Patienten können nicht beurteiltwerden.

    Frage 5

    Zu den Analgetika der Stufe I des WHO-Stufenschemas gehört:

    A TilidinB FentanylC TramadolD MetamizolE Morphinsulfat

    Frage 6

    Zu den Analgetika der Stufe III des WHO-Stufenschemas gehörtnicht

    A HydromorphonB DihydrocodeinC BuprenorphinD OxycodonE Fentanyl

    Frage 7

    Eine der folgenden Aussagen zu Medikamenten der WHO-StufeIII ist nicht korrekt. Welche?

    A Alle Opioide sollten unter Verwendung einer schnell wirk-samen Bedarfsmedikation langsam titriert werden.

    B Bei ungenügendem Ansprechen auf Stufe-I-Substanzenkann unter Umgehung von Stufe II sofort auf Stufe-III-Wirkstoffe zurückgegriffen werden.

    C Die Applikationsformen reichen von oral über i. v., s. c.,transdermal, bukkal, nasal bis hin zu transmukosal.

    D Es bestehen große Unterschiede in der analgetischenWirkung.

    E Es stehen retardiert und nicht retardiert wirkende Wirk-stoffe zur Verfügung.

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  • CME-Fragen bei CME.thieme.de

    Fortsetzung ...

    Frage 8

    Eine Opioidrotation ist angezeigt, wenn trotz Dosisanpassungauf WHO-Stufe III keine ausreichende Schmerzeinstellung er-reicht wird und/oder das Nebenwirkungsprofil nicht mehr tole-riert werden kann. Mit welcher Erfolgsquote kann bei einerOpioidrotation gerechnet werden?

    A bei < 5% der PatientenB bei allen PatientenC bei gut 10% der PatientenD bei knapp der Hälfte bis zwei Drittel der PatientenE bei maximal einem Viertel der Patienten

    Frage 9

    Welche Aussage zur medikamentösen Schmerztherapie istrichtig?

    A Im Fall einer inadäquaten Therapie mit Nichtopioiden solltezunächst eine Analgetikarotation innerhalb der WHO-StufeI erfolgen.

    B Opioid-naiven Patienten kann im Falle von Schmerzexazer-bationen schnell wirksames Fentanyl angeboten werden.

    C Als alternative Galenik sollte bei Morphinen anstelle deroralen Medikation auf eine rektale Applikation gewechseltwerden.

    D Bei opioidinduzierter Obstipation bietet sich die Gabe vonintravenösem Naloxon an.

    E Eine opioidassoziierte Übelkeit lässt sich mit Haloperidoloder Metoclopramid behandeln.

    Frage 10

    Welche Aussage zu nichtmedikamentösen Schmerztherapienist richtig?

    A Lokale Strahlentherapien sind vor allem bei ossären Metas-tasen indiziert, da sie eine rasche Schmerzreduktion be-wirken können.

    B Physiotherapeutische Anwendungen sollten bei Schmerz-patienten zurückgestellt werden, um zusätzliche Belas-tungsschmerzen zu vermeiden.

    C Psychologische Interventionen sind bei Vorliegen vonmedikamentenpflichtigen Schmerzzuständen unwirksam.

    D Ernährungsmedizinische Beratungen sind bei Anwendungvon fentanylhaltigen Analgetika sinnvoll, um die gastroin-testinale Resorption zu verbessern.

    E Systemische Chemotherapien sind bei Schmerzpatientenaufgrund des Chemotherapie-eigenen Nebenwirkungs-profils kontraindiziert.

    CME-Fortbildung | CME-Fragebogen

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