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Schottische Märchen Herausgegeben von Erich Ackermann Anaconda

Schottische Märchen - leseprobe.buch.de · Wie MacIain Direach denblauenFalkenbekam or langer Zeit lebten einmal ein König und eine Königin, die hatten einen einzigen Sohn. Aber

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SchottischeMärchen

Herausgegeben von Erich Ackermann

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Anaconda

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2017 Anaconda Verlag GmbH, KölnAlle Rechte vorbehalten.

Umschlagmotiv: Ivan Bilibine (1876–1942), »The Bogatyr Volga Transformshimself into a Pike«, illustration for the Russian Fairy Story »The Volga«,

edition published in Saint Petersburg (1903), Bibliothèque des ArtsDécoratifs, Paris / Archives Charmet / Bridgeman Images

Umschlaggestaltung: www.katjaholst.deSatz und Layout: Andreas Paqué, www.paque.de

Printed in Czech Republic 2017ISBN [email protected]

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Wie MacIain Direach den blauen Falken bekam . . . . . 21Binsenröckchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33Der arme und der reiche Bruder . . . . . . . . . . . . . . . . 38Der Brunnen am Ende der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . 41Der rote Ettin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46Die drei weisen Männer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52Die Hexe von Fife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57Die Hand mit dem Messer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63Donald mit der Hucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64Assipattle und Meister Stoorworm . . . . . . . . . . . . . . . 68Der Fuchs und die Wildgans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81Der Herr und sein Dienstknecht . . . . . . . . . . . . . . . . 82Die drei Witwen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84Habitrot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91Die Kiste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97Binnorie oder die zwei Schwestern . . . . . . . . . . . . . . 105Der König, der seine Tochter heiraten wollte . . . . . . . 109Der schwarze Stier von Norwegen . . . . . . . . . . . . . . 113Die Erbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119Der braune Bär vom grünen Glen . . . . . . . . . . . . . . . 122Kate Nussknackerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130Lod der Bauernsohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136MacCrimmon – der berühmteste aller Dudelsackpfeifer 146Molly Whuppie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150Tam o’Shanter und Cutty Sark, die Hexe

mit dem kurzen Hemdchen . . . . . . . . . . . . . . . . 155Vom kleinen Bannockbrot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159Die Frau des Lairds von Balmachie . . . . . . . . . . . . . . 164Ein Blick in die Anderswelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166Der Elfenritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170Der Feenhund Brodum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179Der Schmied und die Feen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

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Der Page und der Silberkelch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185Die Feenflagge von Dunvegan Castle . . . . . . . . . . . . . 190Die Feen von Merlins Klippe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195Tam Lin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201Thomas der Reimer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206Tödliche Feenpfeile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218Kleinere Geschichten von Begegnungen

sterblicher Menschen mit Feen . . . . . . . . . . . . . . 221Der grüne Reiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221Die Gabe der Fee – Saatgut ohne Ende . . . . 223Der geraubte Ochse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224Die geraubte englische Lady . . . . . . . . . . . . 226Die beiden Fiedler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227Die geborgten Haferflocken . . . . . . . . . . . . . 229

Das wilde Kalb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231Der Brownie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232Der Fiedler und der Bogle von Bogandoran . . . . . . . . 236Big Alastair und der Urisk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239Der Reiter und der Kelpie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242Der Nuckelavee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245Dämonisches Julfest mit Trollen . . . . . . . . . . . . . . . . . 249Das Seehundweibchen (Kópakonan) . . . . . . . . . . . . . . 253Der Robbenfänger und der Wassermann . . . . . . . . . . 258Die Seejungfrau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265Nighean Righ Fo Thuinn –

Die Tochter des Königs Untersee . . . . . . . . . . . . . 280Fionns Verzauberung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290Osean, der letzte der Fenier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298MacPhies schwarzer Hund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303Der Schwanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

Editorische Notiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318

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Vorwortchottische Märchen und Sagen sind geprägt und durch-drungen von der Landschaft und der wechselhaften Ge-

schichte dieses Volkes im hohen Norden Großbritanniens,und die fantastischen Geschichten, die sich in dieser grandio-sen Szenerie abspielen, widerspiegeln dieses enge Geflecht.Dieses Lokalkolorit gewährt uns nicht nur räumlichen Ein-blick in die Landschaft zu allen Jahreszeiten sondern ist auchein zeitlicher Rückblick in die Vergangenheit, wobei uralteLebensgewohnheiten, Sitten und Bräuche zum Vorscheinkommen. Aber auch die oft noch archaische Denkart undLebenseinstellung der Vorfahren in einer noch nicht vomchristlichen Weltbild geprägten Kultur mit all ihren Götternund Dämonen schimmern immer wieder durch.

Die Topografie des Landes ist gekennzeichnet durch dieeher flachen Lowlands im Süden mit ihren fruchtbaren Bödenund den kargen Highlands im Norden und Westen, zu denenauch die Inselgruppen der Hebriden, Orkneys und Shetlands ge-hören. Diese Hochlande sind bestimmt durch das wilde Meer,das unentwegt gegen die Küsten anbrandet und für den Fischereine beständige Gefahr bedeutet, und durch nebelverhangeneBerge mit mal sanften und mal schroffen runden Kuppen, diehier Bens genannt werden. Verfallene Ruinen von Klöstern unduralte Castels erheben sich neben geheimnisvollen, unergründ-lich tiefen Seen, den Lochs, die für Seeungeheuer wie Nessiewie angelegt zu sein scheinen. Einsame dunkle Täler, hier Glensgenannt, und düstere endlose Moore, in denen sich Gespenstergeradezu wohlfühlen müssen, finden sich in dieser Landschaftgenau wie verwitterte Steinkreise, in denen Druiden ihre ge-heimen Treffen abhalten. Das ist das ideale Land für Märchenund Sagen, wie geschaffen für Geister, übernatürliche Erschei-nungen, für schaurige Geschichten am Torffeuer und für histo-rische Helden, die für die Freiheit und Unabhängigkeit ge-kämpft haben. Zu ihnen zählen etwa William Wallace, den derFilm Braveheart (1995) unsterblich gemacht hat, der König Ro-

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Wie MacIain Direachden blauen Falken bekam

or langer Zeit lebten einmal ein König und eine Königin,die hatten einen einzigen Sohn. Aber die Königin starb,

und der König heiratete eine andere Frau. Der Sohn, den derKönig von seiner ersten Frau hatte, trug den Namen MacIanDireach. Er war ein hübscher Bursche und zudem ein großerJäger. Keinen Vogel gab es, der nicht tot auf die Erde fiel,wenn er seinen Pfeil auf ihn richtete. Hirsche und Rehe er-legte er aus weiterer Entfernung. Und es verging kein Tag, andem er mit Pfeil und Bogen aufs Waidwerk ging, da er nichtreich mit Wildbret versehen nach Hause zog.

Eines Tages nun streifte er einmal über einen Hügel, unddas Jagdglück war ihm nicht hold. Nirgends war ein Tier zusehen, das er hätte erlegen können. Doch da erschien auf ein-mal ein blauer Falke und flog über ihn ‒ und schon surrte einPfeil des Königssohnes nach oben. Erlegt hatte er das schöneTier aber nicht, nur eine blaue Feder fiel sachte auf die Erdeherab. Da nahm er die Feder, tat sie in seine Jagdtasche undging heimwärts. Zu Hause zeigte er sie seiner Stiefmutter,welche darauf barsch zu ihm sagte: »Ich lege es dir als Kreuzund Zauber auf und als Elend übers ganze Jahr; du sollst Was-ser in den Schuhen haben, du sollst nass und schmutzig sein,und es soll dich frieren, wenn du mir nicht den Vogel herbei-bringst, von dem diese blaue Feder stammt!« Und rasch gaber sie ihr zurück. »Und ich lege dir auf als Kreuz und Zauberund als Elend über das ganze Jahr, dass du mit dem einen Fußauf dem Turm und mit dem anderen auf dem Schloss stehensollst und dass dein Gesicht dem Sturm zugewandt ist, wel-cher Wind auch blasen mag, bis ich zurückkehre!«

Dann machte sich MacIain Direach, so schnell er konnte, aufden Weg, um den Vogel zu suchen, aus dessen Gefieder dieblaue Feder gefallen war, und seine Stiefmutter stand indes mitdem einen Fuß auf dem Turm, mit dem anderen auf dem

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Schloss, bis er zurückkäme, und ihr Antlitz war dem Sturm aus-gesetzt, solange MacIain Direach auch immer ausbleiben sollte.

Der Königssohn war nun fort und wanderte durch Ein-öden, immer auf der Suche nach dem Falken. Aber der ge-heimnisvolle Vogel war nirgends zu erblicken und noch we-niger natürlich zu fangen. So ging denn der Jüngling so hindurch die Ödnis, und es wurde schon Nacht. Die kleinen Vö-gel flatterten von Zweig zu Zweig aus den Spitzen der Bäu-me herab und suchten Zuflucht zwischen den Wurzeln derDornensträucher. Er tat es jedoch nicht wie sie; er bliebwach, bis die Nacht kam, blind und finster, dann erst krochauch er unter einen Dornenstrauch.

Und da kam ihm kein anderer des Wegs als Gille Mairtean,der rotbraune Fuchs, und der sagte zu ihm: »Du lässt den Kopfhängen und kommst auch noch zu keiner guten Zeit bei mirvorbei. Ich habe selbst nur ein Hammelbein und ein StückSchaffleisch. Damit müssen wir halt beide auskommen.« Dannzündeten sie ein Feuer an, brieten das Fleisch und aßen dieHammelkeule und das Schaffleisch. Am Morgen darauf sagteGille Mairtean zum Königssohn: »Oh, Sohn des Iain Direach,der Falke, den du suchst, ist bei dem Großen Riesen mit denfünf Köpfen und den fünf Buckeln und den fünf Gurgeln, undich werde dir zeigen, wo seine Behausung ist. Mein Rat ist:Gehe hin zu ihm und biete dich ihm als sein Diener an. Seidann bei der Arbeit flink und willig und tu alles, was er von dirverlangt. Vor allem aber sei gut zu seinen Vögeln. Es ist auch gutmöglich, dass er dir seinen Falken anvertraut, den du fütterndarfst. Und wenn du den anvertraut bekommst, dann musst dusehr gut zu dem Falken sein, bis sich dir eine Gelegenheit bie-tet, den Falken mit dir zu nehmen und mit ihm zu fliehen,wenn der Riese mal nicht zu Hause ist. Aber gib acht, dassnichts von ihm, nicht einmal die kleinste Feder, irgendetwasberührt, was im Hause ist, sonst ergeht es dir übel.«

MacIain Direach sagte, er würde schon achtgeben, undmachte sich dann auf zu des Riesen Behausung. Als er dortankam, klopfte er an die Tür.

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