Schreiadler und Windkraft

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Der Ausbau der Windenergienutzung soll nach den Konzepten der Bundesregierung und vieler Bundesländer mit einem signifikanten Anteil zur Erreichung der Ausbauziele im Bereich der Erneuerbaren Energien beitragen.

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Schreiadler und Windkraft -

8. Internationales Symposium

Populationskologie von

Greifvogel- und Eulenarten

vom 10. bis 12. Oktober 2014

in HalberstadtPosterMeyburg, B.-U.; Meyburg, C., Matthes, J., Matthes, H.:

Schreiadler und WindkraftZusammenfassungDer Ausbau der Windenergienutzung soll nach den Konzepten der Bundesregierung und vieler Bundeslnder mit einem signifikanten Anteil zur Erreichung der Ausbauziele im Bereich der Erneuerbaren Energien beitragen.

Mit einer inzwischen technisch machbaren Anlagenhhe von bis zu 200 m ist die Errichtung von Windenergieanlagen (WEA) auch ber Waldflchen heute grundstzlich mglich. Sie wird in jngerer Zeit zunehmend vorangetrieben. Wlder erbringen viele lebenswichtige Dienstleistungen, deren Bereitstellung vielfach mit ihrer standorttypisch ausgeprgten Biodiversitt im Zusammenhang steht. Da der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien ein erklrtes Ziel der Bundesregierung ist, werden neue Standorte fr Windkraftanlagen (WKA) u.a. auch in Wldern erschlossen. Es besteht noch sehr erheblicher Forschungsbedarf bezglich der Gefhrdungen fr verschiedene Arten bei der Errichtung von WKA. Der Nutzungsdruck nimmt berall deutlich zu. Angesichts der hochgesteckten Ausbauziele fr Erneuerbare Energien ist ein grundstzlicher Ausschluss der Windkraftnutzung ber Wald einerseits nicht denkbar. Andererseits sind Wlder komplexe kosysteme und Lebensraum fr verschiedene, auch bedrohte Arten.Der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Form von WKA birgt durch Anlage und Betrieb ein erhebliches Gefhrdungspotenzial fr zahlreiche bedrohte und nach dem BNatSchG besonders streng geschtzte Fledermaus- und Vogelarten. Besonders beim Schreiadler bestehen die grten Kenntnislcken zur Raum- Zeit-Nutzung im Zusammenhang mit Windkraftanlagen und er ist die am strksten bedrohte Greifvogelart Deutschlands, die im Wald brtet. Zugleich steht der Schreiadler stellvertretend fr Vogelarten mit hnlichen Habitat- und Raumansprchen.

Den ersten Schreiadler, der nachweislich Opfer einer Windkraftanlage wurde, fand M. Gttsche am 12.9.2008 in Brandenburg. Das Tier war acht Jahre davor als Nestling in Mecklenburg-Vorpommern beringt worden. Der Fundort im Nordosten des Landkreises Uckermark lag 32 km vom Beringungsort und ca. 3 km von einem langjhrig Brutplatz entfernt. Die Kollision mit dem Rotor der Windkraftanlage hatte zur Fraktur des Schdels, zweier Halswirbel und diverser anderer Knochen gefhrt. Inzwischen wurden weitere tote Schreiadler unter derartigen Anlagen gefunden. Am 4. August 2013 fand H. Matthes das bisher letzte bekannte Windkraft-Opfer in Mecklenburg-Vorpommer. Das nchste bekannte Brutvorkommen befindet sich 6-8 km vom betreffenden Windpark entfernt und blieb nach erfolgreichem Brutbeginn in dem Jahr ohne Bruterfolg. Auch hier handelte es sich wieder um ein Mnnchen, dem Hauptversorger einer Schreiadlerfamilie.

Es fehlen Grundlagen, um die Gefhrdung genau beurteilen zu knnen. Im Rahmen eines Projekts der Weltarbeitsgruppe Greifvgel (WAG), welches teilweise vom Bundesamt fr Naturschutz (BfN) finanziert wird, werden daher mittels modernster Telemetrie-Technik an ad. Schreiadlern Funktionsraumanalysen von uns durchgefhrt. Eingesetzt werden 25g schwere GSM/GPS-Sender mit Solarbetrieb, die Datenbertragung erfolgt durch das GPRS data protocol. GSM steht fr Global System for Mobile Communications, ein Standard fr volldigitale Mobilfunknetze, der hauptschlich fr Telefonie, aber auch fr leitungsvermittelte und paketvermittelte Datenbertragung sowie Kurzmitteilungen (Short Messages) genutzt wird. Es ist der weltweit am meisten verbreitete Mobilfunk-Standard. GPRS steht fr general packet radio service (deutsch: Allgemeiner paketorientierter Funkdienst). Die einzelnen Daten werden dabei im Sender in Pakete zusammengefasst, als solche bertragen und beim Empfnger wieder in die einzelnen Ortungspositionen umgewandelt. Wenn GPRS aktiviert ist, besteht nur virtuell eine dauerhafte Verbindung zur Gegenstelle (sog. Always-on-Betrieb). Erst wenn wirklich Daten bertragen werden, wird der Funkraum besetzt, ansonsten ist er fr andere Benutzer frei. Deshalb braucht kein Funkkanal dauerhaft fr einen Benutzer reserviert zu werden. Unter gnstigen Bedingungen (gengende Aufladung des Akkus ber die Solarzellen) erfolgt eine GPS-Ortung alle 2-3 Minuten. Dazu bermittelt werden auch Flughhe, -richtung und geschwindigkeit, sodass sich das Verhalten der Adler genau analysieren lsst. Spter soll die bertragung der Erkenntnisse auch auf andere Greifvogelarten mit entsprechenden Abstandsempfehlungen geprft und vorgenommen werden. Bei der Erarbeitung der Raum-Zeit-Muster der Aktivitt ber mehrere Jahre zur Ermittlung saisonaler Varianzen werden GPS-Ortungen in extrem hoher Anzahl (mehrere zehntausend in einem Jahr) ermittelt. Sie liefern Hinweise fr einzuhaltende Mindestabstnde bei der Errichtung von WKA zu Schreiadlerbrutpltzen bzw. dienen der Verifizierung bereits bestehender Abstandsempfehlungen. In Einzelfllen liegen Ortungen in groer Zahl innerhalb geplanter Windfelder vor. Beim derzeitigen Auswertungsstand der Untersuchung muss ein Tabubereich von mindestens 6 km bei Windenergieplanungen gefordert werden. Angesichts der Seltenheit und Gefhrdung sowie der Habitatansprche ist der Schreiadler die einzige Vogelart, fr die auch die Lnderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten einen Tabubereich von 6 km bei Windenergieplanungen (LAG VSW 2007) verlangt.