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Schriften der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste VERLAGSHAUSSUDETENLAND

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Schriften derSudetendeutschen Akademie

der Wissenschaften und Künste

VERLAGSHAUSSUDETENLAND

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BAND20

Vorträgeund Abhandlungen

ausgeisteswissenschaftlichen

Bereichen

Redaktion

Eduard Hlawitschka

VERLAGSHAUSSUDETENLAND

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JOSEF BUJNocH

Bilder aus der Königsaaler Chronik.Der fingierte Brief der personifizierten Kaiserkrone

an König Heinrich VII.

Als Kaiser Friedrich IL, Sohn Kaiser Heinrichs VI. und seiner GemahlinKonstanze von Apulien und Sizilien, Enkel Kaiser Friedrichs L Barbaros-sa aus dem süddeutschen Geschlecht der Herzöge von Schwaben-Hohenstaufen. einst König von Sizilien, König von Deutschland, Königvon Ierusalem, Kaiser der Römer, im kleinen Caste! Fiorentino nord-östlich von Lucera in Apulien im Habit eines Zisterziensermönchs am13. Dezember 1250 im Alter von 56 Jahren gestorben und im Dom zuPalermo in Sizilien beigesetzt worden war, schien es, als sei die Kaiser-würde im Abendland erloschen.

Aufgewachsen in dem von den Normannen geprägten westlichenSizilien um Palermo, lernte Friedrich in Begegnung mit dem Islam vonJugend an Arabisch, aber auch Griechisch, das sich seit der Antike inUnteritalien auf dem Boden der ehemaligen Magna Graecia - Groß-griechenlands - immer noch erhalten hatte, und er war natürlich auchin formvollendeter Eleganz des Lateinischen mächtig. Zu Toleranzneigend, erteilte er als deutscher König den geistlichen und weltlichenFürsten bzw. Landesherren weitreichende Privilegien, die den Kern zurAusbildung entstehender Eigenstaatlichkeit bildeten und in den spä-teren Jahrhunderten zu den deutschen Kleinstaaten führten. Die Päpsteseines Jahrhunderts, Innozenz I1L,Honorius I1L,Gregor IX., Innozenz 1V.,waren auf Sicherung und Erhaltung der von den Kreuzfahrern begründe-ten christlichen Fürstentümer und Grafschaften wie Edessa, Antiochia,Tripolis und des Königreichs Jerusalem bedacht und rüsteten unterFührung weltlicher Fürsten daher immer noch neue Kreuzzüge aus.Da Kaiser Friedrich hinsichtlich der Verwirklichung seiner zugesagten

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Mitwirkung zögerte, lebte er jahrelang im päpstlich verfügten Kirchen-bann. Auf seinem Kreuzzug nach Zypern 11228)und im folgenden Jahrnach Akkon - Jerusalem war bereits längst in Händen der Muslime -erreichte er durch kluge Verhandlungen mit dem Sultan el-Kamil, derauch der oberste Heerführer der muslimischen Truppen war, trotzdemgesicherten Zugang zur Stadt Jerusalem für sich und seine Begleiter undkünftig auch für die christlichen Pilger zu den heiligen Städten.

Am 17. März 1229, einem Samstag, zog der Kaiser mit seiner Be-gleitung in Jerusalem ein, am nachfolgenden Sonntag nahm er in derGrabeskirche an der Messe teil, umgeben nur von den DeutschenOrdensrittern und einigen englischen Freunden, und setzte sich dieKrone des Königreichs [erusalern selbst auf sein Haupt.

Die folgenden Jahre blieben zwischen Kaiser und Papst trotz Versöh-nung nach seiner Rückkehr aus dem Osten gespannt. Die Lebensweisedes Kaisers und sizilianischen Königs, der ein Förderer der Wissenschaf-ten, Mathematik, Philosophie, aber auch der auf den künftigen Huma-nismus vorausweisenden literarischen Tendenzen war - FrancescoPetrarca trat freilich erst Jahrzehnte später auf (1304-1374) -, dieTierhaltung in zoologischen Gärten, aus der wohl auch sein berühmtgewordenes Buch über die Falkenjagd erwuchs, sowie der vermeintlicheEinfluß muslimischer Gelehrter samt dem muslimischen Dienstperso-nal in seiner Hofhaltung wurden der christlichen Umgebung zum ,Steindes Anstoßes' (Paulus, Römerbrief 9,33). Man schrieb ihm unter ande-rem sogar eine Bemerkung zu, die er gemacht haben soll, "daß nämlichMoses, Christus und Mohammed alle drei Schwindler gewesen seien" 1.

Karl Bosl nannte seine in Apulien errichtete und von Beamten geführteHerrschaft mit seinem neuerbauten Fürstensitz zu Foggia (im südwest-lichen Binnenland zwischen der in die Adria ragenden Gargano-Halb-insel und Bari] "den ersten modernen Staat Europas-A

Als am 28. Juni 1245 in der Kathedrale von Lyon das erste Konzil indieser Stadt zusammentrat, erhob Papst Innozenz IV. in seiner Eröff-nungsrede als Anklage gegen Kaiser Friedrich II. die Punkte: Verfolgungder Kirche, Häresie, Verbindung mit den Ungläubigen. Drei Wochenspäter (17. Juli) wurde Friedrich durch Urteilsspruch des Konzils alsDeutscher König und als Römischer Kaiser abgesetzt.

I ST.RUNCIMAN, Geschichte der Kreuzzüge, München 1983, S. 967.1 K. BOSL, Europa im Mittelalter, Bayreuth 1975, S. 216.

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Bilder aus der Königsaaler Chronik 77

Von dieser Entscheidung an begann die als »Interregnum« charakteri-sierte Generation (28 Jahre) von Königen aus verschiedenen Geschlech-tern und verschiedener Herkunft, die nicht deutsche Reichsfürstenwaren. Erst mit Rudolf von Habsburg (1273-1291) und seinen Nach-folgern Graf Adolf von Nassau und Albrecht, dem Sohn König Rudolfs(1298-1308), kam es wieder zu einer Stärkung der Königsgewalt. Nachder Ermordung König Albrechts wählten die Kurfürsten am 27. Novem-ber 1308 Graf Heinrich von Lützelburg (Luxemburg), verheiratet seit1292 mit Margarete, Tochter Herzogs Iohann von Brabant, mit Unter-stützung seines Bruders Baldewin, Kurfürsten und Erzbischofs von Trier,in Frankfurt am Main zum Deutschen König. Am darauffolgenden Tagdes Festes Epiphanie - Erscheinung des Herrn -, dem 6. Januar 1309,wurde König Heinrich vom Erzbischof Iohannes von Köln, seinem Ver-wandten, im Münster Karls des Großen zu Aachen, zusammen mit sei-ner Gemahlin, Frau Margarete, nach dem Gesetz und in großer Pracht-entfaltung mit dem königlichen Diadem feierlich gekrönt - legaliteret magnifice regali diademate ... cum sua coniuge domina Margarethasollempniter coronatus est".

Erzogen am französischen Hof (wie später auch sein Sohn Johannes,der König von Böhmen wurde, und noch später dessen ältester SohnWenzel/Karl IV.I,verfügte König Heinrich über ein nur armes Land. DieGrafschaft Luxemburg war damals erheblich größer als das heutigeGroßherzogturn. Sie erstreckte sich zwischen Mosel und Maas etwa vonDiedenhofen [Thionville] nach Norden bis in den Raum südlich vonLüttich, umfaßte also größtenteils das heutige wallonische Belgien inseinem Südostteil, reichte aber auch nach Frankreich hinein und nachOsten verschieden weit in die Eifel. Sie war ein fast nur mit dichten Wäl-dern bedecktes Gebiet, das schon Caius Iulius Caesar unter dem NamenArduenna silva - Ardennerwald - kannte und wo sich Bäche und Flüssein tief eingeschnittenen Tälern und oft zwischen schroffen Felsen ihrenWeg bahnen. Wirtschaftlich gesehen war das Land arm, das seinenGrafen in den endlosen Wäldern nur reiche Jagdgründe bieten konnte.Die Gelegenheit, aus dem abgeschlossenen Waldwinkel herauszukom-men, war für König Heinrich ein großer Glücksfall, als nämlich sein14-jähriger Sohn Johannes die böhmische Krone erwerben konnte, wo-

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3 Chronicon Aulae Regiae (Königsaaler Chronik des Peter von Zittau - Kronika Zbras-lavskäl, Buch I, cap 113, Fontes rerum Bohemicarum IV - Prameny dejin öeskych IV, ed.J. EMLER, Prag 1884, S. 188 (al·

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durch die Luxemburger mit einem Male den Königen von Frankreich,Ungarn und Polen ebenbürtig wurden. Der allergrößte Teil der Graf-schaft war von romanischer Bevölkerung bewohnt, und deshalb fühltesich König Iohannes, der Deutsch und Tschechisch wohl niemals erlernthat, nach Sprache und Landschaft nur in französischer Umgebungzuhause.

Den Beginn der Regierungszeit König Heinrichs schildert Peter vonZittau in seiner Königsaaler Chronik bei einem Vergleich mit der Zeitdes Habsburgers Albrecht: »Er ist der König der Gerechtigkeit, der alleGebiete Alemanniens (Deutschlands) in den geruhsamen und bestenFrieden gebracht hat". Iste est itaque rex iusticie, qui omnes partesAlemannie sub optima tranquillitate posuit et pacei. In den Wäldernder Gehölze und den Schlupfwinkeln (in latibulis) der offenen Feld-fluren geschahen unter König Albrecht Mord und Raub, doch Sicherheitund dauerhafter Friede seien erst unter König Heinrich eingetreten.»Dies habe ich selbst des öfteren gehört, wenn ich durch die Landschaf-ten Deutschlands (Germanie) gewandert bin. Der Wohlklang des gutenNamens dieses guten Königs, der von seinen vorzüglichen Eigenschaften(de virtutibus ipsius) sich verbreitete, hat nicht nur zahlreiche Fürstenund Grafen Germaniens, sondern auch sehr viele von Frankreich(de Gallia) an sich gezogen-".

Der große Name des Königs drang sogar, wie Peter von Zittauschreibt, bis zum Papst Clemens V. Der Papst bestätigte alles, was denKönig betreffend nach dem Gesetz geschehen war. Schließlich fügte derPapst hinzu, dem König die besondere Gnade erweisen zu wollen, daß erihn als berufen erkläre für jene Kaiserkrone, die so lange verwaist ge-wesen war. - Pervenit eciam ad dominum Clementem papam quintummagnum nomen regium, qui ratificavit omnia, que facta fuerant, legi-time circa ipsum, adiecit denique papa regi facere hanc gratiam, quodipsum vocaret ad eam, que diu vacaverat imperialem coronam';

Papst Clemens V.stammte aus der Gascogne und war vor seiner Wahlzum Papst Erzbischof von BurdigalalBordeaux und verblieb auch alsPapst in Frankreich. Er verlegte seine aufwendig-luxuriöse Hofhaltungin die südfranzösische Stadt Avignon, wo von da an durch 68 Jahre dasZentrum der Römisch-abendländischen Kirche lag.

4 Ebd. S. 187 f.5 Ebd. S. 188Ia).6 Ebd. S. 188Ia).

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Bilder aus der Königsaaler Chronik 79

Auch aus den Gegenden Italiens und besonders der Lombardei ström-ten zahlreiche Abgesandte zu König Heinrich herbei, die dasselbe ver-langten und den König in ihre stärksten Städte einluden. Der Könignahm ihre Einladung an, verschob sie aber auf später, denn zunächsthatte er sich vorgenommen, alle Reichsstädte Deutschlands zu be-suchen. Inzwischen traf er aber doch auch Vorbereitungen für denAufbruch nach Oberitalien (ad viam versus Galliam?

König Heinrich VII., seit dem Tag seiner Erwählung in Frankfurt über-zeugt, daß alle Herrschermacht und Stärke ursprünglich von Gottausgehe - omnem potestatem et virtutem a Deo originaliter effluere -,richtete seine Gedanken und sein Streben auch darauf, wie er in seinerhohen Stellung Gott dienen könne (in quo in suo officio posset Altis-simo deservire). Im Glauben an ein Eingreifen Gottes fühlte er sichberufen und auserwählt, durch Ausrüstung und Durchführung einesallgemeinen Kreuzzuges das Heilige Land wiederzugewinnen. ImmisitDominus in cor eius visumque est bonum in oculis cogitacionis sue, utinstaurato generali passagio Terram Sanctam ... divinis innixus ptesi-diis recuperaret. Die Schlüsselworte sind: generale passagium - TerraSancta - recuperare. Mit diesen allgemeinen Wunsch vorstellungenwar König Heinrich im Einklang seiner Generation. Der Verlust desletzten Stützpunktes der Kreuzfahrer, der Hafenstadt Akkon (im Nordender weiten Bucht von Haifa im Mittelmeer), machte den schockiertenChristen indes bewußt, daß die Zeit der großen Kreuzzüge überholt sei.Aber nicht alle wollten sich damit abfinden. Allmählich erwachten neueHoffnungen und neue Entwürfe einer Rückgewinnung, die dem Luxem-burger König Heinrich gewiß nicht unbekannt blieben. Nur zweiVerfasser seien hier vermerkt: Bereits der Franziskaner-Mönch Fidenziovon Padua widmete dem Papst Nikolaus IV. (Februar 1288 - April 1292)ein Jahr vor dessen Tod einen ..Liber de recuperatione Terrae sanctae".Der Spanier Raimundus Lullus - Ramön Lull -, nach seiner Herkunftaus dem damals noch großenteils islamischen Spanien vertraut mit demArabischen wie seinerzeit auch Kaiser Friedrich II. in Sizilien undApulien, überreichte dem Papst Bonifaz VIII. (1294-1303) eine Denk-schrift zur Bekämpfung des Islam". Schließlich hat Papst Clemens V.(1305-1314) im Jahre 1308 ein Allgemeines Konzil nach Vienne an der

7 Ebd. S. 188 (a). Gallia steht hier, wie oft im Spätmittelalter, für Oberitalien.8 Zur Geschichte der Zeitumstände um und nach 1300 vgl, ST. RUNCIMAN, Kreuzzüge (wieAnm. 1) S. 1206 H.

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Rhone einberufen und am 16. Oktober 1311 eröffnet. In seinem Pro-gramm behandelte es auch den Punkt »Wiedergewinnung des HeiligenLandes«.

Was hat sich während dieser Jahre in den böhmischen Ländern ereig-net? - Nach dem frühen Tod König Wenzels II. von Böhmen im Juni 1305folgte ihm sein 16-jähriger Sohn Wenzel III. nach. Ein Jahr später erlagdieser auf dem Wege nach Krakau, wo er auch die polnische Königskroneerwerben wollte, in Olmütz am 4. August im Hause des Domdechantseinem niemals aufgeklärten Mordanschlag. Mit ihm erlosch das seit denletzten Karolingern in Böhmen regierende Herrschergeschlecht derPremysliden im Mannesstamm, lebte aber in weiblicher Linie weiter.Woher sollte ein Nachfolger kommen? Es gab zwar aus illegitimen Ver-bindungen König Ottokars II. die pfemyslidischen Herzöge von Troppau,Jägerndorf und Ratibor (bis 1521), doch man mußte sie übergehen, weilPapst Alexander IV. in seinem Schreiben von Oktober 1260 ihnen einNachfolgerecht ausdrücklich vorenthalten hat", So wurde der Habsbur-ger Rudolf, Sohn König Albrechts, König von Böhmen. Mit Hilfe seinesVaters und durch Heirat der Witwe Wenzels II. konnte er sich Böhmensbemächtigen. Er starb jedoch im Jahr darauf am 4. Juli 1307. PriedrichPrinz bemerkt dazu treffend, der erste habsburgische Versuch, dasKönigreich Böhmen zu gewinnen, war durch diesen plötzlichen TodRudolfs vereitelt. »Er sollte ... erst 220 Jahre später, nämlich 1526glücken, dann allerdings auf Dauer und bis zum Ende der HabsburgerMonarchie" IO.

Um für das Königreich Böhmen einen neuen König zu finden, kam eszu einer Wahl der »Barone und Bürger" - der finanzstarken Bürger vonPrag und der reichen Silberbergstadt Kuttenberg - ohne Mitwirkungdes deutschen [habsburgischen] Königs Albrecht. Man wählte HerzogHeinrich von Kärnten, weil Anna, die Schwester König Wenzels I1L,dessen Gemahlin geworden war. Den deutschen Königen Albrecht vonHabsburg und Heinrich VII. von Luxemburg galten das KönigreichBöhmen und die Markgrafschaft Mähren ..als heimgefallene Reichs-lehen, die sich der Herzog von Kärnten zu Unrecht angeeignet habe«!',Seine Regierung brachte Böhmen nur Mißwirtschaft und chaotischeZustände. Besonders die Zisterzienserklöster Sedlec (bei Kuttenberg)und Königsaal (vor Prag) hatten unter Plünderung und Gewalt zu lei-

9 J. K. HOENSCH,Pfcmysl Otakar II. von Böhmen, Graz-Wien-Köln 1989, S. 123.IO F. PRINZ,Böhmen im mittelalterlichen Europa, München 1984, S. 136.II Ebd. S. 140.

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Bilder aus der Königsaaler Chronik 81

denl2• Deshalb verständigten sich einflußreiche Bürger von Prag undKuttenberg unter Mitwirkung des Abtes Konrad von Königsaal mitKönig Heinrich VII. (1309), unter einem erneuerten Königtum dieRechtssicherheit wieder herzustellen. So kam es zu dem Plan einer"dynastischen Verbindung- zwischen Iohannes, dem Sohn König Hein-richs, mit der Premyslidin Elisabeth, einer Tochter König Wenzels 11.13•

Ursprünglich war es die Absicht König Heinrichs VII., seinen BruderWalram mit Böhmen zu belehnen und mit der Pfemyslidin Elisabeth zuverheiraten. In Frankfurt erklärte König Heinrich vor den deutschenFürsten, daß nach Erlöschen des männlichen Stammes der einheimischenKönige das Königreich Böhmen an das Reich zurückgefallen sei, weshalber nach den Gesetzen Böhmen verleihen könne, an wen er wolle. Vor denFürsten sagte der König: "Mein Bruder hat das Alter, mein Sohn Johannesaber ist ein zarter Knabe. Wehe dem Lande, dessen König ein Kind ist«(Ecclesiastes 10, 16). Nach zwei Wochen zäher Verhandlungen stimmteder anwesende Abt Konrad von Königsaal den König um mit den Worten:"daß es gut und nützlich ist, wenn euer Sohn König von Böhmen wird«,Der König antwortete: "Diese knappe Antwort bindet und überzeugtmich, daß ich es tue-!", - So wird für den 1. September 1310 die Hoch-zeit des 14-jährigen Johannes mit der 17-jährigen Elisabeth festgelegtund in Speyer gefeiert. König Heinrich erklärte vor den Reichsfürsten,das Königreich Böhmen »kraft der Vollmacht des Heiligen Reiches aufmeinen Sohn Iohannes zu übertragen«, Darauf leistet der Sohn Johannesden Lehenseid und wird mit allen Titeln und allen zu Böhmen gehören-den Ländern von seinem Vater zum König von Böhmen eingesetzt.

Am Michaelstag 129. September 1310) brach König Heinrich VII. miteinem glänzenden Ritterheer von Colmar im Elsaß nach Italien auf, woer in den Städten Genua und Pisa Verbündete fand, während Mailand,Brescia und Cremona ihm Widerstand leisteten. Bei der Belagerung vonBrescia wurde sein Bruder Walram durch den Pfeilschuß aus einer Arm-brust tödlich verwundet und er selbst in schwere Kämpfe verwickelt.Das Unternehmen stockte. Gegner und Befürworter eines Kaisertumsmeldeten sich jetzt zu Wort. Denkschriften, die teils auf König Robcrtvon Neapel und Sizilien samt seinem Hof, teils auf kuriale Kreise in

12 Vgl. Königsaaler Chronik (wie Anm. 31, Buch I cap. 106 und 107, S. 160 (bl- 165 [a]und165 (bl- 169 (bI.

13 J. K. HOENSCH, Piemysl Otakar II. (wie Anm. 91S. 263.14 Königsaaler Chronik (wie Anm. 31Buch I cap. 97, S. 139 [b].

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Rom zurückgehen, versuchten einerseits klarzumachen, daß das Kaiser-tum als Universalherrschaft keinerlei Berechtigung habe und nur ausAnmaßung der Deutschen entstanden sei, während andererseits auchHoffnungen auf einen Welt- und Friedenskaiser laut wurden, der derfortschreitenden territorialen Zerstückelung Italiens ein Ende setzensollte; ja ein solcher Weltkaiser und Friedensbewahrer wurde vielfachzur Gewährleistung der irdischen Wohlfahrt als dringend notwendig er-achtet. Am bekanntesten unter den Befürwortern Heinrichs VII. undseines Italienunternehmens ist Dante Alighieri mit seiner Schrift "Demonarchia «, Hierher gehört freilich auch noch ein anderes Dokument:

Der fingierte Brief der personifizierten Kaiserkrone an den deutschenKönig Heinrich VII. aus dem Hause der Grafen von Lützelburg!"

Exeellentissimo ae serenissimo principi,Capiti et Domino suo,Domino Heintico,

Divina favente clemencia Romanorum regi dignissimo et semper AugustoCorona sublimis et confirmatoria coronarum in Alma Urbe reconditaVite perhennis gloriam et desiderate felicitatis gaudium triumphale

in throno et solio Maiestatis.

Dem hocherhabenen und durchlauchtigsten Fürsten,Ihrem Haupt und Herrn,

Herrn Heinrich,aus huldvoller Gewogenheit göttlicher Gnade würdigstem König der Römer

und allzeit Mehrer des Reiches,(wünscht)

die hoheitsvolle und alle anderen Kronen stärkend bestätigende,in der lebenspendenden Stadt geborgene Krone

ewiglichen Lebens Herrlichkeit und ersehnten Glückes triumphale Freudeauf dem Thron und dem Sitz der Majestät.

15 Epistola, in qua per figuram ptosopopeie corona imperialis invitat Heinricum impera-torem ad ipsam suscipiendam, in: Cronicon Aulae Regiae (Königsaaler Chronik], Buch Icap. 120 (wie Anm. 3) S. 211 [bl » 214 [a], Zur Textgestaltung vgl. Zbraslavskä Kronika.Text pfelozil FR. HEl\MANSKY, verse R. MERTLIK, 2. verbesserte Aufl. Prag 1976. Der Bibelentlehnte Stellen sind unterstrichen. Dabei ist zugrundegelegt die Biblia sacra iuxtavulgatam versionem.

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Bilder aus der Königsaaler Chronik 83

Dive The Sanctissime Serenitatis adventum,quem ante secula necessarium orbi terre previdit

ALTISSIMUSptecoticeptum,

Celum et terra et omnia. que in eis sunt.laudent et benedicant nomen Patris (Psalm 68,35)

qui ut angelum suum eminentissimum dono nobis sperate gracietantum mundi contulit possessorem.Cuius clemens et graciosa benignitas,

strenua et doctissima ptobitas,ordinatissimi modus et actus superexcellentes,

sensus et habitus magnanimi et intitulabilis cordis stabilitaset generosi ex antiquo nobilitas,

adeo alcius super omnes omnibus creaturas patenter insurgant,quo lacius et uberosius quam tempora retro acta promiserunt,

hominum superexcrescente maIicia et vendicante sibi regnum nequiciagrandiorem istis oportunam temporibus prenoverat medicinam, nimirum

TEINCLITUMcelo et celorum curia transmittendum nec tardandum consilium

postulante superno reddebant.

Deiner erhabenen, ehrwürdigsten Durchlaucht Erscheinen,das vor den Weltenzeiten als notwendig für den Erdkreis

im vorhinein vorausgesehen hatder ALLERHÖCHSTE,weil wohlbedacht,

mögen loben Himmel und Erde und alles was darinnen ist (Psalm 68,35),und sollen preisen den Namen des Vaters,

der gleichwie seinen weithin strahlenden Engeluns zum Geschenk der erhofften Gnade

einen so großen Weltenherrscher eingesetzt hat.Seine barmherzige und gnadenvolle Güte,tatkräftige und umsichtige Redlichkeit,

seine so geordneten Beweggründe und so überragenden Taten,die großmütigen Gesinnungen und Haltungen und

die mit einem Ehrentitel überhaupt nicht zu benennende Herzensbeständigkeitund auch der eines von altersher Edelmannes ererbter Adel

mögen umso höher über alle Kreaturen und für alle offenkundig sich erheben,je breiter und reicher als zurückliegende Zeiten verheißen haben.

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84 JOSEF BUJNOCH

Während die Bosheit der Menschen über alle Maßen emporsprießtund nichtswürdige Unfähigkeit die Herrschaft - das regnum - beansprucht,wußte ER im vorhinein das für solche Zeiten geeignete stärkere Heilmittel:

Du nämlich, der Ruhmreiche,seist vom Himmel und dem Hofstaat der Himmel hinzuschicken,

und man dürfe den Ratschluß nicht verzögern,weil der von Oben es verlange - so berichtete man.

Teplanetarum, stellarum et elementorum concordia impetrabat,Te legum ambigua et indissolubiles questiones et dubia infinita querebant,Te viduitas, Te virginitas, Te pupilli orphani, variarum genciumoppressa qualitas et depressa,Te iuventus, amenitas, civitatum tranquillitas carcerumque potte quam plureset destructi parietes implorant,Te montes tigidi et meatus obscuri. ombrose planicies. senum canicies,libertas atque fiducia.populorum securitas et invicta fortitudo castrorumet marium ae stagnorum desiderata quies et transitus inconcussi(Anspielung zu Psalm 8,9),oracionibus assiduis postulabant a Patre.Te ~ Te ~ et cetera reptilia sensibilia et insensibiliapro sua et Universi pulchritudine affectabant (Psalm 8,9: volucres caeli etpisces maris, qui perambulant semitas maris).

Dich erwirkte der Planeten, Sterne und Elemente Harmonie-Einklang.Nach Dir verlangten das spitzfindig Doppeldeutige der Gesetze,unlösbare Streitfragen und endlose unentschiedene bedenkliche Lagen,nach Dir Witwen, nach Dir die Jungfrauen, nach Dir die unmündigen Waisen-kinder und der unterdrückte und niedergehaltene Zustandder verschiedenen Menschengruppen,Dich flehen an die Jugend, die Anmut, die Stille der Städteund der Gefängnisse Pforten, die so zahlreich sind,und abgebrochene Mauerwände.Starre Gebirge und dunkel verschlungene Pfade, umschattete Talsohlen,der Greise Silbergrau, die Freiheit und das Vertrauen,der Völker Sicherheit und die unbesiegbare Stärke der Burgen,auch der Meere und Seen ersehnte Ruhe sowie ihre ungestörte Überquerunghaben (immer wieder) Dich in unablässigen Gebeten vom Vater verlangt.Nach Dir lechzten Vögel und ~ (Psalm 8,9)

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Bilder aus der Königsaaler Chronik 85

und alles übrige kriechende Getier,das mit Gefühl begabte wie auch fühllose Gewürmzu ihrer eigenen Schönheit und der des Universums.

Ego siquidem iam longo tempore viduata et exspectacionis diutine fatigatalabore tot Te donis gracie predotatum nocturnis vigiliis et diurnis clamoribuscontinue querere non cessabam, ut tam gloriossissimos crines Tuos et tamsinceri capitis attingere possem ornaturam, que tot principum Romanorumhactenus culmina decoravi.

Ich freilich, schon über lange Zeit hin verwitwet und von der Beschwernisendlosen Wartens überdrüssig, hörte nicht auf, Dich, der Du im voraus mitsoviel Gaben der Gnade bedacht bist, in nächtlichem Wachen und täglichemRufen unablässig zu suchen, um Dein so prachtvolles Haar und eines 80 un-befleckt lauteren Hauptes Zier berühren zu können, ich, die ich bis jetzt dieScheitel so vieler römischer Fürsten geschmückt habe.

Et eccel Subito insurrexit aurora Teque germen speciosissimum tetendit inpatulum, cui montes et colles, nives et pluvie, grandines et fluminum impetusae fluctus marium remos prebent et faciunt difficillima plana et asperaplaniora, cuius et tanta pteclatttas, ut in Tui aspectu corda lesa mutantur inplacitum et munda constancius in desiderium obsequendi,adventui cuius porte patent, claves assutgunt, muri eciam fortissimi et in-expugnabiles inclinantur, et Tui magnificentissimi nominis solo sono colliga.ciones et rebellium federa dissolvuntur, ut omnis potens et gloriosa congeries,quod et eius qui misit illum, supereminenciam representatet intueantur et credant, quod hec est Dei manilesta voluntas,Sub (lua curvantur. aui portant orbem. et cui resistere nemo votest (Hiob 9,13),cum apud eum sit swiencia et fortitudo [Hiob 12,13).[gse consilium et intelligenciam si destruxerit. nemo est (lui edificet. et siincluserit hominem. nemo est aui averiat (Hiob 12, 14).Si continuerit aauas. omnia siccabuntur. si emiserit eas. subvertent terram.aui decWientem. et aui decwitur novit (Hioh 12, 15 und 16).

Und siehe! - Unerwartet hat Morgenröte erhoben sich und Dich, den schönstenSproß, entfaltet in die Weite, Dich, dem Berge und Hügel, Schnee und Regen,Hagel und reißende Flüsse wie auch die Wogen der Meere Ruder herbeischaffen,Schwierigstes abflachen und das Ungangbare ebnen ein;dem auch eine solche Berühmtheit eigen ist, daß im Anblick auf Dich wunde

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86 JOSEF BUJNOCH

Herzen sich wandeln in wohlgefällige Zustimmung und reine Herzen ohneWanken und Schwanken zum Verlangen treuen Gehorsams gelangen;für dessen Ankunft Tore offenstehen, Riegel sich erheben, auch stärkste unduneinnehmbare Mauern wanken und schon allein beim Ausrufen Deines groß-mächtigsten Namens Ansammlungen und der Rebellen Bündnisse sich auflösen,so daß jede machtvolle und glanzvolle Zusammenkunft, weil sie nämlich auchdessen überragende Hoheit, der ihn geschickt hat, repräsentiert, und (ihre Men-schen) sehen und glauben, daß dies offenkundiger Wille Gottes ist,Unter dem sich beugen. die den Erdkreis tragen. und dem niemand widerstehenkann (Hiob 9,13),weil bei Ihm Weisheit ist und Stärke [ebenda 12,13).Wenn Rat und Einsicht ER in Trümmer legt. baut niemand wieder auf. und wennER jemanden gefangen setzt. der kommt nicht frei [ebenda 12,14 nach: Bibel inheutigem Deutsch, Stuttgart 1982).Wenn ERdie Wasserströme hält zurück. wird alles ganz vertrocknen. wenn ihnenER den freien Lauf läßt. werden sie das Erdreich unterwühlen [ebenda 12, 15),ER. der den kennt. der täuscht. und den. der sich täuschen läßt (ebenda 12, 16).

Contra Te non expedit armate milicie bellum indicere iussiones nec tesisten-tibus quibuscumque ab urbane vie tramite deviare, cum non ignoraverit, quiTemittit, quod in hoc cogitaciones hominum vane erant (Psalm 93,11).Audisti nempe, quod Tui predecessores iam diu nati extiterant et velutiabottivi lucem intueri supini materialibus oculis nequiverunt, ad quamintuendam pariter et habendam una dies Tibi dedit introitum.

Es ist einer bewaffneten Ritterschaft nicht von Nutzen, gegen Dich auf Krieghinzielende Befehle zu erteilen, und auch nicht irgendwelchen Widersachern,die vom pfad des rechten Weges abirren, weil, wer Dich schickt, nicht außerAcht gelassen hat, daß in dieser Hinsicht die Gedanken der Menschen nichts alsein Hauch sind (Ps 94,11 Einheitsübersetzung).Du hast sicherlich gehört, daß Deine Vorgänger schon längst geboren waren und,gleich wie zu früh Geborene auf dem Rücken liegend, das Licht mit ihren natür-lichen Augen nicht schauen konnten. Um zu diesem aufzuschauen und gleich-zeitig es zu besitzen, hat Dir der eine einzige Tag den Zugang gegeben.

Ceterum leteris immense, cum sis, quem Dominus preelegit.Tu, quem mundus speravit,Tu inter ceteros sicut lilium inter svinas (Hoheslied 2,2),Tu pius et misericors rex et Dominancium Dominus (Deuteronomion 10, 17),

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Th fons ortorum et puteus aquarum yivencium (Hoheslied 4,15),quibus irrigata omnis terra uberes et Deo amabilesnon desperat producere fructus,Tu benivolencie consors et fidei orthodoxe zelatot,pacis amator, iusticie cultor, rebellium atque crudelium vindicatoret omnis innocencie reverentissimus conservator.Tu pius et tigidus, ut utrumque requirit.Th prudencia dirigenda disponis et indirecta reformas,Tu sapiencia graderis et caute1a progrederis,Tu eciam ewangelice honestatis tytulo insignitusinaudite moralitatis ornatus ornamine.

Übrigens sollst Du Dich freuen unermeßlich, dennDu bist der, den im voraus der Herr auserwählt hat,Du, auf den die Welt hoffte, Du unter allen anderen wie eine Lilie unterDornengestrÜpp (Hoheslied 2,2),Du, der mildgütige und barmherzige König und der Herr über den Herren[Deuteronomion 10,17),Du. ein Springquell in Gärten und ein Brunnen der Wasser des Lebens(Hoheslied 4,15),von denen getränkt, die gesamte Erde die Hoffnung nicht aufgibt, reiche undGott liebliche Früchte hervorzubringen,Du, der Gefährte der Gutwilligkeit und des rechten Glaubens Eiferer,des Friedens Freund, der Gerechtigkeit Hüter,der Widerspenstigen und der Bösewichte Rächerund jeglicher Unschuld würdigster Bewahrer.Du bist gütig und streng, wie jedes von beiden es erfordert.Du bestimmst in Klugheit, was man geradlinig ausrichten soll,Du erneuerst, was ungerade verläuft,Du schreitest in Weisheit einher und in Behutsamkeit vorwärts,Du, auch mit dem Ehrentitel evangelischer Würde gezeichnet,Du, mit dem Schmuck niemals vernommener Sittlichkeit geschmückt.

Quid igitur abstines, cum Te cuncta bona sectentur!Cur me facis affeccione tanta perplexam et desiderio Te videndi!Surge aquilo et veni auster et perfla ortum meum et fluent aromata illius peruniversas mundi partes (Hoheslied 4, 16).Cinge caput tuum circulo meo et splendeant in facie tua colligatorum lapidumvirtutes et fulgor.

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Tolle de consuetudine mea vires et gloriam palmamque victorie triumphalis.Tolle universalem potentiam, tolle nomen imperii legumque sublimissimampotestatem.Veni ut patet, veni ut sponsus et amplexeris candiditatem et celsitudinemmeam!Antiqua sum etenim, sed formosa et in lectulo meo per noctes quesivi Te diu(Hoheslied 3,1), quia favus destillans labia tua mel et lac sub lingua tua. -osculeris me osculo oris tui (nach Hoheslied 1,1).Et trahe me post Te.curremus in odore unguentorum tuorum (Hoheslied 1,3).Mediteris desideria cordis mei et quam duro pernoctabit affectu, donec ex am-plexu tuo quasi cedrus exaltata in Libano (Sirach 24,17) et quasi plantacio rosein Tericho- (ebenda 24,18)Et precepit et dixit michi creator omnium et qui creavit me:Requiescet in tabernaculo tuo et sonitus nominis eius per omnem terramexibunt et in fines orbis terre potencia eius. Regnabit iustus, peribit impius.sedebunt in pace humiles et sternentur cornua superborum.

Was sträubst Du Dich also, da Dir doch alles zum Besten erfolgt?Warum machst Du durch so große Unruhe und die Sehnsucht, Dich zu sehen,mich verwirrt?Erhebe Dich, Nordwind, und komm. reg' Dich Südwind. durchwehe meinenGarten. und seine durchdringenden Düfte werden strÖmen über alle Winkel derWill (Hoheslied 4, 16)!Umwinde Dein Haupt mit meinem Reif, und in Deinem Antlitz mögen er-strahlen der angereihten Edelsteine Wunderwirkungen und deren Glanz!Nimm an Dich aus gewohnt-vertrautem Umgang mit mir Stärke und Ruhm unddie Palme triumphierenden Sieges!Nimm auf Dich die allumfassende Macht,nimm an Dich des Reiches Namenund der Gesetze allerhöchste Geltungsgewalt!Komm wie ein Vater, komm wie ein Bräutigam und umfange mein glitzerndgleißendes Weiß und meine erhabene Hoheit.Ich bin freilich ehrwürdigen Alters, doch schön von Gestalt, und in meinemBett habe ich Nächte hindurch Dich lange gesucht (Hoheslied 3,1), weil D.ciru!LiIlPcn träufelnde Honigwabe sind. Honig und Milch unter Deiner Zunge(Hoheslied 1,1).Küss mich mit dem Kuß Deines Mundes. und ziehe mich mit Dir. eilen werdenwir im Duft Deiner Salben [ebenda 1,3).

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Sinne nach über die Sehnsüchte meines Herzens, und in wie drückender Stim-mung es die Nacht verbringen wird, bis ich aus Deiner Umarmung heraus ~bin wie eine Zeder auf dem Libanon und wie ein Rosenstrauch von Iericho(Sirach 24,17 fI.Und es befahl und sprach zu mir der Schöpfer aller Wesen und Dinge, und derauch mich erschaffen hat:..Er wird ausruhen in Deinem Gezelt, und sein klangvoller Name wird sichhinaus verbreiten über die gesamte Erde und seine Macht bis an des ErdkreisesEnden. Der Gerechte wird herrschen als König, der Frevler vergehen, es werdensitzen in Frieden die Demütigen, und der Hoffärtigen Hörner wird man stürzenzu Boden".

Nec teneant coronarum blandicie receptarum, quia splendere in meis conspec-tibus non audent, non Lombardorum munera, non Tuscotum, non camporumcontratietas vel silvarum asperitas, non armatorum quorumcumque rebelliovel protervitas tyrannorum. Nosti enim, quod omnia plano aspera et quodimpero, iure nullus resistit et iure carens Dei auxilio non iuvatur. Et sicutimperio fuisti ex superno ptepositus, sic ex alto in ipsius imperii obtinendis,recuperandis pariter et augendis iuribus et iutisdiccionibus et honoribus Tibiest attributa potestas, quam, sicut decet, Tuam excellenciam cognoscere muni-ficam et excelsam, ut eciam Tue vigilie apponantur, ne aliquo ingenio seu modopossint iura iurisdicciones et honores huiusmodi minui, deprimi aut ledi, sed.ineorum latitudinem extendendam, ampliandam modis omnibus et augendamconatus et mentem dirigere, ut de die in diem afferant Tibi munera reges etprincipes intuentes, quod neminem ex eisdem reddis exemptum, nemini pactaptebes, nemini ob diffidenciam virtutis Dei et imperialis fortitudinis impetialiaiura submittis.Et tibi hoc expedit, cum sis, de quo ante Tuam originem legebatur: »Venietstella virens ex septentrionali plaga benigna et bone causacionis, sub cuiusimperio infima superioribus equabuntur et mundus in gloria erit et inmundusin petia, tunc omnes assurgent manibus adorantes sui nominis et felicitatiscoronam et regnabit hec in Europa tota et Affrica maioremque partem Asiesubiugabit, sub qua lex tollitur paganorum et omnis impietas et ypocrisis enet-vatur nec vivitur amplius ex [iguta«,

Und es sollen Dich nicht zurückhalten die Verlockungen der bereits übernom-menen Kronen, denn sie wagen nicht auch nur zu schimmern im Angesicht mei-ner Erscheinung, nicht die Bestechungsgeschenke der Lombarden und auchnicht die der Toskaner, nicht soll abhalten der offenen Gefilde Widrigkeit oder

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die Unwegsamkeit der Wälder noch eine Rebellion irgendwelcher Bewaffneteroder die Vermessenheit von Tyrannen. Du weißt ja, daß ich alles Schroffe auszu-gleichen suche, und was ich befehle, dem leistet rechtmäßig keiner Widerstand,und ein solcher erfährt, weil ohne Rechtsgrundlage, keine Hilfe von Gott. Undso, wie Du von Gott dem Reich an die Spitze gesetzt worden bist, ebenso ist Dirvon oben im Erhalten, im Wiedergewinnen und zugleich auch im Erweitern derRechte, Gerichtshoheiten und Amtsstellungen (Lehen) eben dieses Reiches zu-erteilt worden die Herrschergewalt, um, wie es sein soll, Deine Exzellenz alsmenschenfreundlich (freigebig) und erhaben erkennen zu lassen, damit auch alIdie Maßnahmen Deiner Wachsamkeit zugerechnet werden, die dazu dienen,daß nicht durch irgendeine Anstiftung oder andere Weise die Rechte, Gerichts-hoheiten und Ämter (Lehen) auf diese Weise gemindert, unterdrückt oderverletzt werden können, sondern Anstrengungen und Absicht sich darauf aus-richten, deren Breitengeltung auszudehnen, zu erweitern auf alle Weise und zuvermehren, auf daß Dir von Tag zu Tag Könige und Fürsten ihre ,Ehrengeschenke'abliefern, wenn sie sehen, daß Du keinem von diesen Freistellung gewährst,keinem Bündnisabsprachen zugestehst, keinem aus Mißtrauen in die KraftGottes und in die kaiserliche Stärke Kaiserrechte unterordnest.

Und Dir kommt dies zu statten, weil Du der bist, über den man vor DeinemEintritt in die Welt schon lesen konnte: ..Es wird ein neuerglänzender Stern amnördlichen Himmel aufgehen, der Günstiges verheißt und von guter Vorbedeu-tung ist, unter dessen Herrschaft das Unterste dem Oberen sich angleichen wird,und der Reine in Ehren und der Unreine in qualvoller Pein sein wird. Dann werdenalle sich erheben, wobei sie mit den Händen seines Namens und seines GlückesKrone verehren werden, und dieser (Stern) wird herrschen in ganz Europa undAfrika, und er wird einen großen Teil von Asien unterjochen. Unter seinem Regi-ment wird das Gesetz der Heiden aufgehoben, alle Gottlosigkeit und Heucheleiwird gelähmt, und man lebt künftig auch nicht mehr aus einem Trugbild «,

Non me velis ulterius exspectare, constantissime principum! Veni ad locum.unde Thum speciale nomen sumpsit originem. Resuscita filiam Tuam. hanc ur-bem antiquissimam. caput omnium. et Tu caput ipsius. cum sis. de quo legitur:»Mire magnitudinis homo ille. qui depressam resistenciam exaltabis et sub-iugabis animalia duta, et erit fortitudo Tha in tota, et rota dabit partes suasinfirmos quasi pates«.Festina. festina in adiutorium meum, spes mea et consolacio mea.libera queso,et pone me iuxta Te et cuiusvis manus pugnet contra zne, victricia signa cadanta facie terre. Qui querunt Tibi mala. fiant sicut nebula. quam in cineremventus spargit.

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Wolle weiterhin mich nicht warten lassen, Du Unverzagtester der Fürsten!Komm an den Ort, von wo dein besonderer Name seinen Ursprung genommen hat.Erwecke wieder Deine Tochter, diese uralte Stadt, die Hauptstadt aller, und Duihr Haupt, da Du der bist, über welchen man liest: ..Von erstaunlich wunderbarerGröße ist jener Mensch, Du, der Du den ohnmächtigen Widerstand aufrichtenund die wilden Tiere unterjochen wirst. Und Deine Stärke wird sich zeigen imRad (der Fortuna), und dieses Rad wird seine untersten Teile gleichwie nach obenbringen auf gleiche Höhe «.

Eile, ja eile herbei mir zur Hilfe, Du, meine Hoffnung und mein Trost, befreiemich, so bitte ich, und leg' mich neben Dich! Und mag wessen Hand auchimmer kämpfen gegen mich, Sieg verheißende Feldzeichen mögen fallen vomAntlitz der Erde. Die Böses suchen gegen Dich, sollen werden wie Nebel, den einWind weht in Asche.

Attrahat Te, alliciat Te speciositas mea et odor vestimentorum meorum reficiatmentem Tuam. - Oculi velut stelle, coma mea ex aurea puritate crispata, fronsmea ex miraldis ordine mirando contexta et flagrancia oris mei sonitum vocisegredientis clariiicat, gula mea ex perlis et auro, collum et renes saphiris in se-rico diversisque floribus renitescunt. Thopazyon fimbrie vestimenti superbiunt,carbunculi radiatu, in cacumine humerorum pendent lamine hinc et inde,qualem altera solem vivum, reliqua vero lunam ex illius radiis lucem dantempresentant. Manus mee sicut cristallus ungulas congerentes eburneas, cinctummeum iacinctis et iaspide ac eternis et incorruptibilibus speculis fabricatum;bursa mea plena thesauro et eius pendicula cynamomum; genua mea candida,sed cooperta et interior omnis composicio inconprehensibilis ad nitorem, quodnon est datum homini colligere posse, nisi cum veneris et introduxeris me incubiculum regum, et tunc sint omnia nuda tibi; pedes mei amabiles et delecta-biles intuenti: Caro eorum sicut nix et calciamenta mea ex diversis et variismargaritis. Flores mei fructus honorjs et honestatjs. Si tangis me. adhuc esurjes.si loqueris mecum. adhuc sicies (Ecclesiasticus/Sirach 24,23; vgl. Sirach 24,29).

Es ziehe herbei Dich, es locke heran Dich meine zierliche Gestalt, und der Duftmeiner Gewänder erfrische Dein Gemüt. Die Augen sind wie Sterne, meinHaar gelockt aus reinem Gold, meine Stirn in bewundernswerter Reihung mitSmaragden besetzt, und die Glut meines Mundes macht hell den Laut der her-austönenden Stimme. Meine Kehle ist von Perlen und Gold, Hals und Lendenerglänzen von Saphiren auf Seide und bunten Blumen. Von Topas prangen dieFransen der Umkleidung, Rubine funkeln, von der Schultern Höhe hängen herabbeiderseits Metallblättchen, von denen das eine die feurige Sonne, hingegen das

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andere den von ihren Strahlen Licht spendenden Mond darstellen. Wie Bergkristallsind meine Hände, die Nägel von Elfenbein haben, mein Gürtel ist gearbeitet ausHyacinthsteinchen und Jaspis und aus dauerhaften und unzerbrechlichen Spiegeln.Meine Burse ist angefüllt mit einem Schatz, und ihr Anhängsel ist Zimtgewürz.Meine Knie sind weiß, doch bedeckt, und die gesamte innere Gestaltung unfaß-bar in ihrem Gleißen, daß es einem Menschen nicht gegeben ist, es sich vor-stellen zu können, es sei denn, wenn Du kommst und mich in das Schlafgemachder Könige hineinführst, und dann ist Dir alles enthüllt, meine lieblichen undfür den, der sie anschaut, reizenden Füße. Ihre Haut ist wie Schnee und meineSchuhe von verschiedenen und mannigfachen Perlen. Meine Blumen sind dieFrüchte von Ehre und Ehrsamkeit. Wenn Du mich berührst. wirst du nochHunger haben. wenn Du mit mir sprichst. wird Durst dich noch Quälen.(Sirach 24,23; Vulgata nach Sirach 24,29 nachgebildet. Einheitsübersetzung 24,21).

Lectus meus ex aromatibus mirre et thuris et sicut nQvelle olivarum folia venti-latur in gyro {Psalm 127,3);camera mea luminis gloriosi omnis obscuritatis ettenebrarum inimica. Veniunt fontes Tygris in illam, irrigat eam ros placidus etrosarum vires exornant. Phenix ibi et avium multitudo, nec canunt in tedio,cum vocantur, assutgunt, aromatizans balsamum circumsistens (Sirach 24,20),una dactilus et poma varietate invitant. Locum tam amenissimum nullusintrat et nemo ausus est aperire nisi fuerit de tribu altissima et de quo dixitDominus: Th es ille.

Non dubitet Augusta felicissima impeiatrix, que margarite gaudet vocabulotanquam per antonomasyam preposita lapidum speciebus, quia oscula measunt invisibilia singulis atque munda. Filiam hanc, que eo nomine nuncupatur,quam suo consorcio sociabo, et erimus omnes in sedibus nostris, nec erit invi-dia in minori necque superbia in maiore. Sollicitet igitur Te, sollicitet, inducatet moneat, quia tempus est acceptabile, tempus gratum, ut intueamur maie-statem Tuam, quam ipse Deus omnipotens prosperari dignetur et conservaredignetur, qui facit mirabilia magna solus et fecit sui similitudine Te potentemper infinita secula seculorum.

Explicit littera invitacionis serenissimi principis Heinrici Septimi, Dei gtaciaRomanorum imperatoris et semper Augusti, ad recipiendam coronam.

Mein Bett wird aus Wohlgerüchen von Myrrhe und Weihrauch wie junge ÖI-~ (Psalm 127,3) von Blättern im Umkreis umfächelt. Meine Kammer vonherrlich strahlendem Licht ist jeglicher Finsternis und dem Dunkel feind. Es

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kommen die Quellen des Tigris hinein, sanfter Tau benetzt sie, und üppigeBlüten von Rosenzweigen schmücken sie aus. Dort ist der Phoenix und einegroße Anzahl von Vögeln, und sie singen nicht aus Überdruß. Wenn man sie ruft,fliegen sie auf. Ringsum nach Gewürz duftender Balsam (Sirach 24,20), eineDattel und mannigfache Äpfel laden Dich ein. Keiner betritt den so lieblichenOrt, und niemand hat es gewagt zu öffnen, außer er ist von höchstem Adel(von der höchsten Tribus) gewesen, und von welchem der Herr gesprochen hat:..Du bist jener Auserwälte ..16•

Die hehre, so glückliche Kaiserin, die sich des Namens ..Margarita .. - ..Perle .. -erfreut und deshalb gleichsam schon in der Namensnennung den einzelnenEdelsteinarten vorangestellt ist, sei nicht im Zweifel, daß meine Küsse für dieeinzelnen Menschen unsichtbar bleiben und rein. Sie also, die man bei diesemNamen ruft, werde ich wegen ihrer Teilhaberschaft als Tochter und als Mit-gefährtin nehmen, und wir werden alle auf unseren Thronen sitzen, und es wirdkeine Mißgunst sein bei dem im Rang Geringeren und keine Überheblichkeitbeim Ranghöheren. Sie also sporne Dich an, führe Dich heran und mahne Dich,weil die Zeit günstig ist, eine willkommene Zeit, auf daß wir Deine Majestätschauen. Gott, der Allmächtige, geruhe selbst Gedeihen zu schenken und Ergeruhe sie zu erhalten, Er, der allein große Wunder vollbringt und Dich nach sei-nem Ebenbild mächtig gemacht hat über der Weltzeiten endlose Weltzeiten hin.

Es endet der Brief der Einladung an den erlauchtigsten Fürsten Heinrich VlL, vonGottes Gnaden Kaiser der Römer und allzeit Mehrer (des Reiches) zur Annahmeder Reichskrone.

Nachwort

König Heinrich VIL, gestärkt durch den Beistand von Pisa und Genua,die nämlich Gold und Silber fast ohne Begrenzung dem König anboten,ließ - nachdem die Situation in Ober- und Mittelitalien sich nicht ent-spannte und auch noch seine Frau Margarete im Dezember 1311 nacheiner schweren Erkrankung verstorben war - zahlreiche Schiffe heran-schaffen und bereitstellen, auf denen das Ritterheer bis vor Romgebracht wurde und wo man an Land ging und vor die Stadt Rom kam.

16 Zu Phönix: mythischer Vogel in Indien, vgl. Physiologus, hrsg. u. übersetzt vonU. TREUE, Hanau 1981, S. 18 fiS. 134.

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Die Römer stellten sich an die Seite König Roberts von Apulien undNeapel, den sie gegen König Heinrich gerufen hatten. Deshalb verbliebHeinrich mit seinem Heer vor dem Lateran jenseits des Tibers. Diegegenüberliegende Seite mit der Peterskirche bildete damals die eigent-liche Stadt.

Für König Heinrich VII. schwanden damit die Voraussetzungen, dieKaiserkrone im Rahmen der überlieferten feierlichen Weihezeremoniein der geschichtsumrankten, seit Kaiser Konstantin erbauten undeinschließlich der gut 500 Jahre nach der Krönung Karls des Großenfast tausendjährigen altehrwürdigen Petersbasilika zu erhalten 17. Ermußte in die Laterankirche ausweichen. Dort haben dann am Fest-tag der Apostelfürsten Petrus und Paulus, dem 29. Juni 1312, die Kar-dinalbischöfe von Alba und Ostia auf Weisung des in Avignon resi-dierenden Papstes Clemens den Krönungsakt vollzogen. Es waren92 Jahre vergangen seit der letzten Kaiserkrönung des damals jungenHohenstaufenkaisers Friedrich II. durch Papst Honorius III. am 22. No-vember 1220.

Kaiser Heinrich hatte das ursprünglich angestrebte Ziel erreicht, ander Spitze der christlichen Fürsten Europas einen Kreuzzug zur Wieder-gewinnung des Heiligen Landes anführen zu können. Das fast gleich-zeitige Konzil von Vienne unter Papst Clemens V. behandelte zwardiesen Punkt, es zeigte sich aber, daß ein neues Unternehmen nichtmehr zustande kommen werde. Der Kaiser begab sich nach Pisa, wo ersich mehrere Monate aufhielt, wo er auch noch drei Gesetze herausgab:zum Glaubensbekenntnis, zum Primat der Römischen Kirche über alleanderen Kirchen und ihre Bischöfe sowie disziplinäre Bestimmungengegenüber Häretikern'",

Im heißen Spätsommer des Jahres 1313 starb der Kaiser unerwartet,wahrscheinlich an der Malaria. Den Menschen des Mittelalters wareine solche Todesursache wenig bekannt. Man vermutete darum einenMordanschlag durch Vergiftung, und Peter von Zittau war davon über-zeugt. Nach seinem Bericht hielt sich der Kaiser im Zeltlager vor Sienaauf und besuchte am Festtag Mariä Himmelfahrt die Messe. Der zele-brierende Dominikaner-Bruder, ..ein Bösewicht", habe in den Wein des

17 Ihren stolzen Bau dürfte Heinrich VII. erst nach seiner Kaiserkrönung ungefähr sogesehen und erlebt haben, wie ihn der kolorierte Frühdruck in der Schedelschen Welt-chronik zeigt; vgl. H. PLETICHA, Des Reiches Glanz. Reichskleinodien und Kaiser-krönungen im Spiegel der deutschen Geschichte, Freiburg-Basel-Wien 1989, S. 45.

18 Königsaaler Chronik (wie Anm. 3), Buch I cap. 117, S. 204(a) - 205(b).

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liturgischen Kelches Gift hineingemengt .••Von jener Stunde an, da derKaiser die hochheilige Hostie empfangen hatte, erlahmte er täglich inseinen Körperkräften, und nach sechs Tagen nahm er Abschied von dergegenwärtigen Welt und wanderte glückselig zum Herrn im Jahre desHerrn 1313 am zehnten Tag vor den Kalenden des September .. 123.Au-gust; sein Todestag war der 24. August]!".

Die Bürger von Pisa nahmen den Leichnam des verstorbenen Kaisersauf und haben diesen in einem prunkvollen Mausoleum, eingehüllt inwohlduftende Salben, in der Großen Kirche zu Pisa nach Verrichtung derfeierlichen Exsequien beigesetzt.

Der als Kapitel120 in die Königsaaler Chronik inserierte fingierte Briefder personifizierten Kaiserkrone an König Heinrich VII. ist nicht vonPeter von Zittau verfaßt, sondern stammt von dem italienischen Lite-raten Francesco da Barberino aus den Jahrzehnten vor dem in Italienaufkommenden und mit dem Namen Francesco Petrarca verbundenenFrühhumanismus.

Zur Person des Schriftstellers Barberino: Geboren im Umland vonFlorenz 1264, studierte er Rechtswissenschaft [Iurisprudenz] in Bologna,kam nach Aufenthalt in Venedig zur Universität Padua, wo er sein Jura-studium vollendete. 1313 kehrte er nach Florenz zurück, erwarb 1318die Würde eines ..Doctor utriusque iuris-?", Die literarischen Werkeschuf Francesco da Barberino in italienischer Sprache und in Latein wieder fast gleichaltrige Dante Alighieri. - Von seinem Gesamtwerk werdengenannt die Documenti d'Amore - Liber documentorum amoris - unddie Flores novellarum. Um 1348 ist er gestorben".

Es bleibt zum Schluß die Frage offen, wie, wo und durch wen AbtPeter von Zittau an diesen Text kam. Ein denkbarer und möglicher Wegkönnte folgender gewesen sein: Die Zisterzienseräbte waren zur Teil-nahme an dem jährlichen Generalkapitel in Citeaux verpflichtet. DiesesZusammentreffen der Äbte aus den deutschen und böhmischen Ländernmit Äbten Frankreichs und wohl auch Oberitaliens gab Gelegenheit,

19 Ebd. Buch I cap. IIS, S. 197Ia·b).20 Dazu sei an eine Parallele der böhmischen Länder erinnert: Jeder promovierte Jurist derDeutschen Universität Prag führte seinen Doktortitel in der Form ..IUDoktor. - Ab--kürzung für Iuris Utriusque Doctor - d,h. Doktor beider Rechte, des Kanonischen undRömischen Rechts,

21 Vgl. Storia della civiltä letteraria Italiana dalle origini al Trecento, ed, F. BRUNIeU. Dorn, Torino 1990, S. 823.

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über neue Handschriften und neue Werke anderer Länder zu sprechenund vielleicht auch Texte abzuschreiben, wie Kapite19 des II. Buches derKönigsaaler Chronik (über den Aussatz und den Umgang mit Aussätzi-gen) erkennen läßt.

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