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Schriften des Max-Planck-Instituts für ... · 3.6.2 »Smoking gun« 172 3.6.3 Die Erfindung des Ozonlochs 174 3.7 Der »backlash« 178 3.8 Fazit 182. Kapitel 4 Die Kontroverse der

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Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Grundmann, Reiner:Transnationale Umweltpolitik zum Schutz der Ozonschicht: USAund Deutschland im Vergleich / Reiner Grundmann. [Max-Planck-Institutfür Gesellschaftsforschung]. – Frankfurt/Main; New York:Campus Verlag, 1999

(Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Köln; Bd. 37)ISBN 3-593-36222-8

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertungist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Copyright © 1999 Campus Verlag GmbH, Frankfurt / MainUmschlaggestaltung: Atelier Warminski, BüdingenSatz: Thomas Pott; Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, KölnDruck und Bindung: KM-Druck, Groß-UmstadtGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.Printed in Germany

Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung Köln, Band 37

Inhalt

Tabellen und Abbildungen 9

Vorwort 13

Kapitel 1Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 17

1.1 Das Problem 181.1.1 Diffuse Interessen 211.1.2 Internationale Kooperation 221.1.3 Die Ozonschicht: Ein öffentliches Gut? 231.1.4 Entscheidungen unter Unsicherheit 26

1.2 Theoretischer Ansatz 311.2.1 Selbstverstärkende Prozesse 311.2.2 Eigendynamik 331.2.3 Netzwerke 351.2.4 Netzwerke und systemische Variablen 58

1.3 Methodisches Vorgehen 621.3.1 Fallstudie 621.3.2 Quellen 631.3.3 Zeitraum und Umfang 64

Kapitel 2Anatomie einer Erfolgsgeschichte 66

2.1 Die Ozonschicht 672.1.1 Ozonzerstörende Substanzen und ihre möglichen

Auswirkungen auf die natürliche Umwelt und menschlicheGesundheit 67

2.1.2 Die Molina-Rowland-Hypothese (MRH) 712.1.3 Der Beginn einer politischen Kontroverse 72

2.2 Internationale Maßnahmen 742.2.1 Das Montrealer Protokoll 762.2.2 Innenpolitische Akteurkonstellationen im Wandel 802.2.3 Wissenschaftliche Erkenntnisse 81

2.3 Revisionistische Tendenzen 84

Kapitel 3Die Wissenschaft 87

3.1 Die Organisation der Forschung 893.1.1 Die Entdeckung der Ozonschicht 893.1.2 Wachstum des Feldes 943.1.3 Glanz und Elend der Modellierer, Aufstieg der

Experimentatoren 953.1.4 Interdisziplinarität 993.1.5 Internationalisierung 111

3.2 Eigennutz und Normen in der Wissenschaft 1153.2.1 Weltbilder der Wissenschaftler 1153.2.2 Wann werden Wissenschaftler aktiv? 1193.2.3 Wissenschaftliches Handeln: Norm- oder interessegeleitet? 123

3.3 Wissenschaft und Öffentlichkeit 1313.3.1 Reputation und Prominenz 1333.3.2 Engagement und Objektivität der Wissenschaft 137

3.4 Wissenschaftliche Kontroversen und ihre Schließung 1443.4.1 Hochrangige Urteile 1443.4.2 Standardisierung 1453.4.3 Schließung durch entscheidende Experimente 152

3.5 Skeptizismus und Vertrauen: Inklusion und Exklusion 1563.5.1 Vertrauen in fremde Arbeit 1613.5.2 Vertrauen in die eigene Arbeit 1633.5.3 Implizites Wissen 164

3.6 Symbolische Aufbereitung 1663.6.1 Visualisierungen 1703.6.2 »Smoking gun« 1723.6.3 Die Erfindung des Ozonlochs 174

3.7 Der »backlash« 178

3.8 Fazit 182

Kapitel 4Die Kontroverse der siebziger Jahre 185

4.1 USA 1874.1.1 Das Umfeld der Ausgangshypothese 1874.1.2 Die Ausgangshypothese 1904.1.3 Die Koalitionen, ihre wichtigsten Akteure und Ressourcen 1924.1.4 Erfolg der Unterstützerkoalition 202

4.2 Deutschland 2114.2.1 Das Umfeld der Ausgangshypothese 2114.2.2 Die Rezeption der Ausgangshypothese 2174.2.3 Die Koalitionen, ihre wichtigsten Akteure und Ressourcen 2194.2.4 Informelle Lösung: Erhalt des Status quo 230

Kapitel 5Die Kontroverse der achtziger Jahre 235

5.1 Die internationale Ebene 2365.1.1 UNEP: World Plan of Action 2375.1.2 Die Wiener Konvention 240

5.2 Die USA 2425.2.1 Die Gegenallianz 2425.2.2 Die Unterstützerallianz 2475.2.3 Die Gegenallianz bröckelt 2525.2.4 Die Medien 258

5.3 Die EG 2605.3.1 Die defensive Phase 2615.3.2 Die aktive Phase 263

5.4 Deutschland 2655.4.1 Die Unterstützerallianz 2655.4.2 Vorreiterrolle der Bundesrepublik 2705.4.3 Medien 273

5.5 Weg frei zur Kooperation 2745.5.1 Das Montrealer Protokoll: Ein Vorsorgeabkommen? 2785.5.2 Umfassende Problemlösung 2825.5.3 Die Kontrollmaßnahmen 2835.5.4 Technische Problemlösung 285

5.6 Von Montreal nach London 288

5.7 Von London nach Kopenhagen 292

Kapitel 6Institutionen, Akteure und die Chancen zur Vermeidung globalerUmweltkatastrophen 295

6.1 Theoretische Lehren 2956.1.1 Eigendynamische Entwicklung von Politiknetzwerken und

institutionelle Opportunitätsstrukturen 2956.1.2 Repräsentation diffuser Interessen: Wissenschaftler als

gesellschaftspolitische Akteure 2976.1.3 Wissenschaftliche Kontroversen 2996.1.4 Probleme internationaler Kooperation 301

6.2 Der Netzwerkansatz und rivalisierende Erklärungen 3056.2.1 Dominanz struktureller Randbedingungen? 3056.2.2 Zwei Mythen 311

6.3 Ländervergleich USA-Deutschland 3186.3.1 Die Politik im Vergleich 3216.3.2 Die Industrie im Vergleich 3316.3.3 Die Wissenschaft im Vergleich 3336.3.4 Die Öffentlichkeit im Vergleich 339

6.4 Die Lernfähigkeit moderner Gesellschaften 3426.4.1 Prognosemöglichkeiten katastrophaler Entwicklungen 3436.4.2 Orientierungswissen 3496.4.3 Fünf Thesen 352

Anhang 356A1 Verzeichnis der Unterzeichnerstaaten des Montrealer

Protokolls, 1987 bis 1988 356A2 Verzeichnis chemischer Substanzen 357

Abkürzungen 358

Interviewpartner 360

Literatur 363

Sach- und Personenregister 392

Tabellen und Abbildungen

Tabellen

1-1 Typologie der Interessenorganisierung 21

1-2 Gütertypologie nach Musgrave und Willke 24

1-3 Gütertypologie nach Snidal 25

1-4 Typologie der Risiken 28

1-5 Arten der Konfliktlösung 43

3-1 Nationale Herkunft der Autoren und Gutachter verschiedenerUNEP/WMO-Berichte (Auswahl der wichtigsten Herkunftsländer) 113

3-2 Profile von Wissenschaftlern und ihre Verteilung 1975 116

3-3 Profile von Wissenschaftlern und ihre Verteilung 1986 117

5-1 Die wichtigsten europäischen FCKW-Hersteller und ihreProduktionskapazitäten (absolut und relativ, bezogen auf die EG)um 1980 264

5-2 Pressemeldungen über Forderungen von Wissenschaftlern,Bundesrepublik Deutschland 273

6-1 Sequenzielle Lösung der Blockade 302

6-2 Der Wandel wichtiger Akteurpräferenzen in Bezug aufRegulierungen, 1974 bis 1992 303

6-3 Die Politikstile im Vergleich 306

6-4 Varianz des politischen Kontextes im Zeitverlauf undLändervergleich 318

Abbildungen

1-1 Der Politiknetzwerkansatz 35

1-2 Typologie der Ideen 44

1-3 Das hermeneutische Dreieck: A setzt sich durch 50

1-4 Das hermeneutische Dreieck: A wird widerlegt 51

1-5 Politische Optionen 55

2-1 Minimale Ozonkonzentrationen über der Antarktis, in Dobson Units(DU), 1979 bis 1997 68

2-2 Größe des Ozonlochs in Mio. qkm, 1979 bis 1997 69

2-3 Prognosen über globalen langfristigen Ozonabbau 75

2-4 Ozonverteilung in der südlichen Hemisphäre, in Dobson Units(DU), Oktober 1984, 1989, 1991 und 1993 82

3-1 Entwicklung des Feldes der Ozonforschung, ausgewählteStichworte, Zitierhäufigkeit pro Jahr 94

3-2 Engagement der Wissenschaftler 118

3-3 Durchschnittliche Zitierhäufigkeit von Advokaten und Skeptikern,1974 bis 1984 134

3-4 Durchschnittliche Zitierhäufigkeit von Advokaten und Skeptikern,1986 bis 1993 135

3-5 Zitierkonjunktur von »Chemikern« und »Dynamikern« 136

3-6 Relative Zitierhäufigkeit der führenden und exponiertenWissenschaftler im Vergleich zur Stichprobe 137

3-7 Die Veröffentlichung von Farman et al. 1985. MonatlicheOzonmittelwerte über Halley Bay und Konzentrationsmessungenvon FCKW 11 und 12 in der südlichen Hemisphäre im Oktoberund Februar, 1958 bis 1984 168–169

3-8 Flugzeugbasierte Messung von Ozon und Chlormonoxid von 62Grad südliche Breite bis 72 Grad südliche Breite 173

3-9 Dramatisch reduzierte Ozonkonzentrationen über derAntarktis; 50 Prozent unter Normalwerten, in Dobson Units (DU) 175

3-10 Häufigkeit des Begriffs »ozone hole« in naturwissenschaftlichenZeitschriftenveröffentlichungen, nur Titel 177

4-1 Berichterstattung der New York Times zum Thema FCKW-Ozon 203

4-2 Relativer Anteil dreier US-Printmedien an der Berichterstattung zurFCKW-Ozon-Problematik, 1974 bis 1984 204

4-3 FCKW in Aerosol-Anwendungen 1973 in den USA 207

4-4 Medienaufmerksamkeit für die Ozonschicht in der BundesrepublikDeutschland, 1974 bis 1984 228

4-5 Relativer Anteil verschiedener deutscher Printmedien an derFCKW-Ozon-Berichterstattung, 1974 bis 1984 229

5-1 Produktion von FCKW 11 und 12, USA und EG 241

5-2 Anwendungsbereiche von FCKW, weltweit, 1974 und 1988 243

5-3 Weltweite Produktion von FCKW 11 und 12 245

5-4 Medienaufmerksamkeit in den USA, 1985 bis 1990 259

5-5 Anlaß der US-Medienberichterstattung, 1984 bis 1990 259

5-6 Relativer Anteil dreier US-Printmedien an der Berichterstattung zurFCKW-Ozon-Problematik, 1985 bis 1990 261

5-7 Medienaufmerksamkeit für die Ozonschicht in der BundesrepublikDeutschland, 1985 bis 1990 272

5-8 Anlässe der deutschen Medienberichterstattung, 1984 bis 1990 275

5-9 Relativer Anteil verschiedener deutscher Printmedien an derFCKW-Ozon-Berichterstattung, 1985 bis 1990 276

5-10 Modellrechnungen von WMO/UNEP zur Bestimmung notwendigerVerschärfungen des Montrealer Protokolls 288

5-11 Anzahl der regulierten Substanzen und der Unterzeichnerstaaten desMontrealer Protokolls in Montreal, London und Kopenhagen 293

6-1 Medienaufmerksamkeit zum Thema FCKW-Ozon in den USA undin der Bundesrepublik Deutschland, 1974 bis 1990 340

Vorwort

Diese Arbeit entstand im wesentlichen während meines Aufenthalts amMax-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in den Jahren 1994 bis 1997.Die Grundideen für dieses Projekt entwickelte ich in Berlin, wo ich Anfangder neunziger Jahre als Walther-Rathenau-Stipendiat des Verbunds für Wis-senschaftsgeschichte und als Gast am Wissenschaftszentrum Berlin meinInteresse an neueren Ansätzen aus der Wissenschafts- und Technikforschungvertiefen konnte. Mit einer intellektuellen Vergangenheit auf dem Gebiet derpolitischen Theorie drängte sich mir die Verbindung von wissenschaftlichenund politischen Aspekten, genauer gesagt, die Verbindung zwischen wissen-schaftlichen und politischen Kontroversen, geradezu auf – zumindest stelltsich mir dies im Rückblick so dar. Mir fiel damals auf, daß viele politikwis-senschaftliche und soziologische Ansätze sich der neu entdeckten globalen»Risikoproblematik« auf empirisch schwachen Beinen näherten. Politikwis-senschaftliche Ansätze standen weitgehend unter dem Paradigma der For-schungen im Bereich der internationalen Beziehungen, mit einem starkenHang zu Theorien der rationalen Entscheidung oder zur Spieltheorie. Diewichtigen kognitiven Aspekte wurden weitgehend ausgeblendet. Risikoso-ziologischen Arbeiten ging es weitgehend darum, die Problematik in beste-hende Großtheorien einzubauen (oder eine solche zu entwickeln) und weni-ger um eine Aufarbeitung von konkreten Fällen. Wissenschaftssoziologeninteressierten sich zwar für die Grenzüberschreitungen zwischen Politik undWissenschaft, hatten aber wenig Forschung auf dem Gebiet globaler ökolo-gischer Probleme geleistet und waren nicht vertraut mit politikwissenschaft-lichen Arbeiten, die hilfreiche Instrumente entwickelt hatten. Mein Ziel wardaher von Anfang an eine empirisch fundierte Arbeit über grenzüberschei-tende Umweltprobleme. Grenzüberschreitend im Doppelsinn, zum einen imphysikalischen Sinn, daß sich die Probleme nicht in den Grenzen des Natio-nalstaates eindämmen lassen, zum anderen, daß die Probleme quer liegen zu

mehreren Disziplinen und sich deshalb nicht in eine Fachrichtung einzwän-gen lassen. Die empirische Erhebung, in der es vor allem um die Rekon-struktion wissenschaftlicher Erkenntnisse und politischer Ereignisse geht,sollte durch eine theoretische Fragestellung informiert sein, indem sie anResultate verschiedener sozialwissenschaftlicher Zweige anknüpfte.

Zu Beginn meiner Forschungen auf dem Gebiet waren relativ wenige so-zialwissenschaftliche Arbeiten über das Thema Ozonschicht verfügbar. Diesänderte sich ziemlich rasch just zu dem Zeitpunkt, als ich meine Expertenbe-fragungen durchführte. Nur wenige der zahlreichen Veröffentlichungen grif-fen das Thema in der von mir vorgestellten Weise auf, so daß ich beimSchreiben der ersten Fassungen des Manuskripts der Versuchung nicht wi-derstehen konnte, andere Ansätze in extenso zu besprechen, wobei der kriti-sche Unterton zum ständigen Begleitgeräusch wurde. Für die vorliegendeFassung habe ich versucht, einen reineren Klang zu produzieren, der sich aufdie wesentlichen Tonlagen und Themen der Problematik beschränkt. Mini-mal music ist daraus allerdings nicht entstanden. Dafür taugt das Design derStudie nicht, eine Fallstudie, die einen Ländervergleich einschließt. Dafürtaugt auch der Autor nicht, der eindimensionalen und reduktionistischen Er-klärungen reserviert gegenübersteht.

Die Arbeit hat folgenden Aufbau: Im ersten Kapitel stelle ich das Pro-blem vor und entwickle den theoretischen Bezugsrahmen. Kapitel zwei führtin die wesentlichen Sachverhalte der Problematik ein. Hier findet der Leserin geraffter Form einen Überblick über die wichtigen Fakten, Ereignisse undPersonen. Das dritte Kapitel ist ganz der Wissenschaft gewidmet: wissen-schaftlichen Institutionen, Theorien, Personen und Kontroversen, die mitder Ozonschicht zu tun haben. Dabei werden Bezüge zur alten und neuenWissenschaftssoziologie hergestellt. Kapitel vier und fünf behandeln denLändervergleich USA – Bundesrepublik Deutschland. Das vierte Kapitelanalysiert die Kontroverse der siebziger Jahre, das fünfte die achtziger Jahre(mit dem Schwerpunkt auf den Jahren 1985 bis 1987). Das Schlußkapitelstellt einen Bezug zu den theoretischen Fragestellungen her und versucht ei-nen Ausblick. Dabei geht es auch um die Frage, welche Chancen die Welt-gesellschaft hat, künftige globale Umweltgefährdungen abzuwenden.

Ohne meine Gesprächspartner wäre ich nicht in der Lage gewesen, in re-lativ kurzer Zeit ein grundlegendes Verständnis des Regulierungsprozessesund der involvierten naturwissenschaftlichen Fragen zu erwerben. Ich dankedeshalb Daniel Albritton, James Anderson, Richard Benedick, Rumen D.Bojkov, Holger Brackemann, Guy Brasseur, H. Bräutigam, Laurens Brink-horst, Ralph Cicerone, Paul Crutzen, David Doniger, Dieter Ehhalt, Joseph

Farman, Monika Ganseforth, Wolf-Dieter Garber, Hartmut Graßl, GerhardHahn, Neil Harris, Jim R. Holton, Herwig Hulpke, Heinrich-Wilhelm Kraus,Karin Labitzke, Winfried Lang, James Lovelock, Jerry Mahlmann, WernerMaihofer, Michael McElroy, Mack McFarland, Peter Mencke-Glückert,Alan Miller, Mario Molina, Edda Müller, Michael Müller, Franz Nader,Gerhard Pfleiderer, Michael Prather, Sherwood Rowland, Rolf Sartorius,Ulrich Schmidt, Friedhelm Schmidt-Bleek, Mark Schoeberl, Steve Seidel,Susan Solomon, Richard Stolarski, Clemens Stroetmann, Mostafa Tolba,Ka-Kit Tung, Tony Vogelsburg, Robert Watson, Steven Wofsy, Donald J.Wuebbles und Reinhard Zellner.

Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich Paul Crutzen und SherwoodRowland, die mir Einblick in ihre Unterlagen und Gelegenheiten zu zahlrei-chen Rückfragen gaben. Herrn Garber und Herrn Sartorius danke ich für dieGelegenheit zur Akteneinsicht im Umweltbundesamt.

Meine Kolleginnen und Kollegen am Max-Planck-Institut für Gesell-schaftsforschung sorgten für viele stimulierende Gespräche, Kommentare zuVorläuferfassungen dieses Manuskripts und kritische Auseinandersetzungmit meiner Analyse. Nennen möchte ich insbesondere Philipp Genschel,Hans-Willy Hohn, Philip Manow, Renate Mayntz, Thomas Plümper undVolker Schneider. Hans-Jürgen Aretz war mir bei der Analyse der Printme-dien behilflich, Gunar Barg und Christel Schommertz bei der Bearbeitungvon Graphiken, Ingeborg Güntzel bei der Transkription einiger Tonbandauf-zeichnungen. Susanne Hilbring verwandte viel Mühe für die Recherche imScience Citation Index. Cynthia Lehmann hat die englischsprachigen Inter-views durchgesehen. Thomas Pott brachte das Manuskript in seine Endfas-sung. Paul Crutzen, Adrienne Héritier, Klaus-Peter Japp, Bernward Joerges,Renate Mayntz und Peter Weingart haben das Manuskript oder Vorläufer-fassungen ganz oder teilweise gelesen. Ihre kritischen Kommentare habe ichgerne aufgegriffen. Verbleibende Mängel gehen, wie immer, zu Lasten desAutors.

Diese Arbeit wäre ohne die finanzielle Unterstützung der Max-Planck-Gesellschaft und der Hilfe der Direktoren des Max-Planck-Instituts für Ge-sellschaftsforschung nicht zustandegekommen.

Birmingham, im Juli 1998 Reiner Grundmann

Kapitel 1

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik

Die vorliegende Fallstudie untersucht eine unerwartete Erfolgsgeschichte aufdem Gebiet der internationalen Umweltpolitik, die Gefährdung der Ozon-schicht durch Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) und die Frage, wiedieses Problem politisch bewältigt wurde. Die Arbeit untersucht die Regulie-rungen zum Schutz der Ozonschicht, die auf internationaler Ebene und inden USA und Deutschland erfolgt sind. Damit ist die generelle Frage ange-sprochen, welche Problemlösungskapazitäten die Weltgesellschaft insge-samt, aber auch einzelne Staaten bei der Abwendung globaler Gefährdungender natürlichen Umwelt und der menschlichen Gesundheit besitzen, also obtransnationale governance ohne government (Rosenau/Czempiel 1992) aufdem Umweltsektor möglich ist.1

Globale ökologische Probleme sind ein relativ neues Thema für die Poli-tik und ein neues Forschungsfeld für Sozialwissenschaftler. Zwar gab es

1 Zum Begriff transnationale Beziehungen siehe Kaiser (1969) und Keohane /Nye (1971).Er bezeichnet regelmäßige Interaktionen über Staatengrenzen hinweg, wobei mindestensein nichtstaatlicher Akteur beteiligt sein muß. Im Unterschied dazu handelt es sich bei in-ternationalen Beziehungen um solche zwischen Staaten (Risse-Kappen 1995: 3).

Ein roter Faden verbindet die esoterische Wissen-schaft mit den Niederungen der Politik, den Himmelüber der Antarktis mit irgendeiner Fabrik am Randevon Lyon, die globale Gefahr mit der nächsten Wahloder Aufsichtsratssitzung. Größenordnungen, zeitli-cher Rahmen, Einsätze und Akteure sind nicht ver-gleichbar, und doch sind sie hier in die gleiche Ge-schichte verwickelt.

Bruno Latour

18 Kapitel 1

schon in den sechziger Jahren internationale Abkommen, die Nuklearwaf-fentests in der Atmosphäre verboten, und bereits im 19. Jahrhundert solchezur Bekämpfung von Cholera und Gelbfieber (Cooper 1989). Doch kam dieProblematik globaler Umweltgefährdungen erst zu Beginn der siebziger Jah-re durch die Berichte des Club of Rome und die Einrichtung des Umwelt-programms der Vereinten Nationen (United Nations Environmental Pro-gramme, UNEP) auf die Tagesordnung. Seitdem sind zahlreiche Problemethematisiert worden, sie reichen von der zivilen Anwendung der Atomtech-nik über die Freisetzung von karzinogenen und mutagenen Stoffen bis zurErhöhung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre durch Verbrennungfossiler Energieträger und das Abholzen von Wäldern. Bis heute sind überhundertsiebzig multilaterale, völkerrechtlich gültige Verträge auf dem Um-weltsektor geschlossen worden (UNEP 1993). Dies spiegelt sich in einer ge-stiegenen Aufmerksamkeit in der soziologischen und politikwissenschaftli-chen Literatur wider (Beck 1996; Redclift /Benton 1994; Yearley 1996;Breitmeier 1996; Gehring 1994; Haas et al. 1993; Young/Osherenko 1993).

1.1 Das Problem

Der Schutz der Ozonschicht wird durch nationale und internationale Regu-lierungen angestrebt, die bislang als erfolgreich gelten.2 Die weltweiteFCKW-Produktion ist von 1986 bis 1992 weltweit um über fünfzig Prozentzurückgegangen, was vor allem auf die Wirkung des 1987 unterzeichnetenMontrealer Protokolls zurückzuführen ist (Montzka et al. 1996; Parson/Greene 1995; UNEP 1995). Dieser Erfolg ist erklärungsbedürftig. Es sindvor allem vier Punkte, die diesen Erfolg so unwahrscheinlich machen.

Erstens ist die erfolgreiche Repräsentation diffuser Interessen bemerkens-wert (Wilson 1980). Auf Basis des Theorems der rationalen Entscheidungs-wahl ist die Repräsentation von diffus verteilten Gemeinwohlinteressen ge-genüber einer Industrie, auf die im Regulierungsfall Kosten zukommen, äu-

2 Sachs /Loske /Linz (1998: 208f.) weisen darauf hin, daß der eigentliche Erfolgstest nochbevorsteht. Die Autoren sehen vor allem zwei kritische Punkte: Die widerwillige Haltungder USA gegenüber dem multilateralen Fond zur Unterstützung der Entwicklungsländerbei der Umstellung auf Ersatzstoffe und die Bereitschaft dieser Länder, nach Ablauf einerzehnjährigen Schutzfrist ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen. Nach Auskunft der UNEPbestehen zur Zeit keine Zahlungsrückstände der USA an den Fond (Mani Subramanian,Multilateral Fund Secretariat des UNEP, Mitteilung vom 14. Juli 1998).

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 19

ßerst problematisch. Zweitens müssen im Unterschied zu Regulierungen imRahmen des Nationalstaats, in dem der »Schatten der Hierarchie« günstigereBedingungen abgibt, Regulierungen auf internationaler Ebene im »Schattender Anarchie« erfolgen. Zwar hat die Literatur zur rationalen Entscheidungund zur Spieltheorie, auch auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen,auf kooperationsfördernde Rahmenbedingungen aufmerksam gemacht.3

Doch sie geht entweder von Voraussetzungen aus, die im vorliegenden Fallnicht gegeben waren (er ist kein Gefangenendilemma), oder setzt das zu Er-klärende voraus, indem Kooperation als Ergebnis von internationalen Regi-mes gefaßt wird, wo es doch zuerst darum geht, das Entstehen eines interna-tionalen Regimes zu erklären.

Damit verbunden ist drittens die Problematik der öffentlichen Güter. DieOzonschicht ist ein Gemeinschaftsgut und kein klassisches öffentliches Gut.Die Ozonschicht kann durch die Emissionen eines einzigen Landes bedroht,nicht aber durch die Anstrengungen nur eines Landes geschützt werden. Sieist eine gemeinschaftliche Ressource. Gleichgültig, wo auf dem Erdball dieEmissionsquelle liegt: diese Gase kennen keine Grenzen, sie diffundierendurch die gesamte Atmosphäre. Und die durch den Ozonabbau verursachteErhöhung der UV-Strahlung betrifft tendenziell alle Erdbewohner, also diegrößtmögliche Klasse an potentiellen Kostenträgern. Der Unterschied magsubtil sein, er ist dennoch wichtig, da er weitreichende Konsequenzen hat.Denn ein öffentliches Gut kann im Prinzip durch einen einzelnen Akteur be-reitgestellt werden, ohne daß es durch das Trittbrettfahren anderer gefährdetwird. Im Gegensatz hierzu kann unilaterales Handeln eine Gemeinschafts-ressource nicht bereitstellen oder auch nur bewahren, wohl aber schädigenoder zerstören. Daraus folgt, daß alle potentiellen Schädiger der Ozonschichtin ein internationales Abkommen eingebunden werden müssen (das heißt,daß die k-Gruppe groß ist).4

Noch erstaunlicher wird die erfolgreiche Kooperation, wenn man schließ-lich viertens bedenkt, daß politische Entscheidungen unter Unsicherheit er-folgten. In solchen Situationen rückt zwar Expertenwissen in eine zentralePosition, kann aber keine sichere Bewertung leisten, da typischerweise (min-

3 Vor allem durch den Mechanismus der wiederholten Spiele, die Existenz eines Hegemonsoder durch Policy entrepreneure, vgl. Hardin (1982), Keohane (1984), Krasner (1976),Taylor (1987).

4 Dies würde die Chance erfolgreicher Kooperation unwahrscheinlich machen, selbst dann,wenn es sich um ein Gefangenendilemma handelt, siehe Hardin (1982: 153, 193). Esstimmt, daß die Zahl der Herstellerländer von FCKW zum Zeitpunkt der Unterzeichnungder internationalen Abkommen klein war (siehe Downie 1995). Allerdings mußten allepotentiellen FCKW-Produzenten in ein Abkommen eingeschlossen werden.

20 Kapitel 1

destens) zwei gegensätzliche Experteneinschätzungen aufeinandertreffen(Badura 1980; Hartmann/Hartmann 1982; Jasanoff 1992, 1995).

All diese Gründe sind wichtige Hindernisse für erfolgreiche internationaleKooperation. Der Erfolg ist also durchaus bemerkenswert. In der Literaturgibt es vor allem zwei Erklärungen: eine ökonomische und eine kognitive.5

Die ökonomische Variante behauptet, daß der Einfluß der chemischen Indu-strie entscheidend für das Ergebnis war. Das Argument lautet, der US-ameri-kanische FCKW-Hersteller Du Pont habe einen technologischen Vorsprungauf dem Gebiet der Ersatzstoffproduktion erworben. Diese Aussicht auf Ex-traprofite habe die Firma schließlich internationale Regulierungen befür-worten lassen. Die kognitive Erklärung lautet, daß Expertengemeinschaftenein gemeinsames Verständnis über Kausalzusammenhänge entwickelt hät-ten, das sich schnell in politische Maßnahmen verwandeln ließ. Wie meineAnalyse jedoch zeigt, kann weder die Behauptung eines technologischenVorsprungs von Du Pont noch die These vom wissenschaftlichen Experten-konsens zur Zeit der Vorbereitung und Unterzeichnung des Montrealer Pro-tokolls bestätigt werden.

Die Problematik hat eine nationale und eine internationale Dimension.Mitte der siebziger Jahre fanden Regulierungen auf nationaler Ebene statt,Anfang der achtziger Jahre verlagerte sich der Prozeß auf die internationaleEbene und mündete Mitte/Ende der achtziger Jahre in internationalen Ab-kommen, die über den Ratifizierungsmechanismus dann im jeweiligen Un-terzeichnerland implementiert wurden. Auf nationaler wie internationalerEbene stellten sich Fragen nach Nutzen, Kosten und Dringlichkeit des Ein-griffs. Neben der Beantwortung der Frage, weshalb es zu einer internationa-len Kooperation kam, versucht diese Arbeit deshalb auch die Frage zu be-antworten, warum die Reaktionen in zwei Vergleichsländern (den USA undder Bundesrepublik Deutschland) über lange Zeit unterschiedlich waren.

Dieses Kapitel hat folgenden Aufbau. Zunächst führe ich die erwähntenvier Aspekte aus, die den Erfolg so unwahrscheinlich machten: die Repräsen-tation diffuser Interessen, die Problematik der internationalen Kooperation,die Öffentliche-Gut-Problematik und Entscheidungen unter Unsicherheit.Dann stelle ich den theoretischen Ansatz vor und mache zum Schluß einigeAnmerkungen zur Methode.

5 Siehe Maxwell und Weiner (1993), Oye und Maxwell (1994); Sebenius (1992); Sprinzund Vaahtoranta (1994) für die erste, Haas (1992, 1993) für die zweite Variante.

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 21

1.1.1 Diffuse Interessen

Unterscheidet man die Verteilung von Nutzen und Kosten danach, ob sie beiwenigen konzentriert oder breit gestreut sind, erhält man vier mögliche Fälle,denen vier Typen regulativer Politik zugeordnet werden können (nachWilson 1980; vgl. auch Olson 1965). Nur in den ersten beiden Fällen werdenöffentliche Güter produziert (Tabelle 1-1):

1. Sind Nutzen und Kosten breit gestreut, erwartet man eine majoritäre Po-litik, die aber nicht in allen Fällen zur erfolgreichen Regulierung führt.Damit dies geschieht, muß die Frage auf die politische Tagesordnungkommen, und die Legitimität und Effektivität der Maßnahmen dürfennicht umstritten sein.

2. Ist der Nutzen breit verteilt, und sind die Kosten bei einer kleinen Gruppekonzentriert, erwartet man eine Form von politischer Regulierung, dievon den Aktivitäten von public interest groups oder policy entrepreneursabhängt (Berry 1977; Kingdon 1984). Solche Repräsentanten oder Advo-katen sind nötig, da ein starker Anreiz zur Gegenwehr bei den Kostenträ-gern besteht, die zudem wenige und deshalb gut organisierbar sind, hin-gegen kaum ein Anreiz zur aktiven Interessenverfolgung für die Nutznie-ßer einer solchen Regulierung.6

6 Michael Taylor definiert die Rolle von Policy entrepreneurs folgendermaßen: »In what

Tabelle 1-1 Typologie der Interessenorganisierung

Kosten

diffus konzentriert

diffus(1)Mehrheitspolitik

(2)»public interestgroups«

konzentriert(3)Klientelismus

(4)Interessengruppen

Quelle: J.Q. Wilson 1980

Nutzen

22 Kapitel 1

3. Ist der Nutzen konzentriert, und sind die Kosten breit gestreut, führt diessehr wahrscheinlich zum Klientelismus, da wenige kleine, gut organisier-bare Gruppen profitieren und somit einen starken Anreiz zur Organisie-rung und Mobilisierung haben. Die Kosten sind so niedrig und so breitgestreut, daß kaum ein Anreiz für die Mobilisierung einer (diffusen) Op-position besteht.

4. Interessengruppen formieren sich um ihre Spezialinteressen, wenn Nut-zen und Kosten bei wenigen konzentriert sind. In diesem Fall erfolgenSubventionszahlungen oder andere Vorteile an eine kleine Gruppe derGesellschaft auf Kosten einer anderen kleinen Gruppe, wobei die breiteÖffentlichkeit kein direktes Interesse am Ausgang dieses Konflikts hat.

1.1.2 Internationale Kooperation

Unter welchen Umständen ist internationale Kooperation wahrscheinlich?Die Literatur auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen sieht in wie-derholten Spielen (vom Typ des Gefangenendilemmas) zwischen einer be-grenzten Anzahl von Akteuren die Möglichkeit des Entstehens von Koope-ration. Doch der vorliegende Fall kann nicht als Gefangenendilemma konzi-piert werden – er folgt der Logik einer Blockade.7 Die Logik von Blockadenwurde im Rahmen der Literatur auf dem Gebiet der internationalen Bezie-hungen selten untersucht. Downs et al. (1986) nennen in ihrer Untersuchungvon Rüstungswettläufen drei Faktoren, die Blockaden lösen können: die In-

sense do political entrepreneurs or leaders ›solve‹ or remove collective action problems?In general, to solve or remove a collective action problem he or she must of course changeindividual preferences (or more generally attitudes), or change beliefs (including expecta-tions) or inject resources (very probably knowledge, or new technology, like guns) into thegroup so as to make its members’ efforts more productive« (Taylor 1987: 24).

7 Theorien auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen halten Kooperation unter Be-dingungen der internationalen Anarchie für wahrscheinlich, wenn bestimmte Bedingungengegeben sind. Der bekannteste Ansatz argumentiert, daß bei wiederholten Spielen des Ge-fangenendilemmas die Akteure mit einem kooperativen Zug beginnen, der von anderenhonoriert wird. Der lange Schatten der Zukunft sorgt dafür, daß Akteure durch eine ArtVersicherungsmechanismus die Kooperation fortführen (Axelrod 1984; Taylor 1976). DasModell des Gefangenendilemmas ist in vielen Fällen ein ungeeignetes Instrument zurAnalyse internationaler Beziehungen (Wagner 1983; Oye 1986: 6–7). So auch hier: DieStaaten, die FCKW produzierten, legten ihre Präferenzen lange Zeit unilateral fest, dasheißt, in genauer Kenntnis der Schritte der anderen. Die Lösung dieser Blockade wurdedann auch nicht durch einen Versicherungsmechanismus oder bedingte Kooperation er-zielt, sondern durch die Isolation der Bremser und die Hegemonie der Position, die eineumfassende Problemlösung anstrebte.

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 23

tervention dritter Parteien, issue linkage, und ökonomische Kontextverän-derungen. Die Rolle dritter Parteien ist ein wichtiger Punkt, auf den zurück-zukommen sein wird.8

Im Vergleich zu Kooperationsproblemen im Rahmen des Nationalstaatsoder auf lokaler Ebene können in internationalen Verhandlungen die Anzahlder Akteure und ihre Heterogenität zusätzliche Probleme, aber auch zusätz-liche Lösungsmöglichkeiten schaffen. Als begünstigend für Kooperation iminternationalen Maßstab wird eine asymmetrische Verteilung von Hand-lungspotentialen und -präferenzen gesehen (Keohane/Ostrom 1994).9 DieSelbstbindung von Akteuren und das Übernehmen einer Führungsrolle kanndie unübersichtliche Komplexität der Optionen und Orientierungen erheblichvereinfachen.

1.1.3 Die Ozonschicht: Ein öffentliches Gut?

Im Anschluß an Olson (1965) gab es verschiedene Versuche der Klassifika-tion öffentlicher Güter. Damit sollte die Kooperation in Beziehung gebrachtwerden zur Art der Güter, um deren Produktion oder Konsum es geht. Willke(1995: 349) hat darauf hingewiesen, daß die übliche Unterscheidung zwi-schen privaten und öffentlichen Gütern (wie etwa bei Musgrave et al. 1978)zwei Mischkategorien produziert, die schlecht definiert sind (»gemischteGüter«, vgl. auch Malkin/Wildavsky 1991 und Cornes/Sandler 1994) (Ta-belle 1-2).

8 Im Fall der Issue linkage gelingt die Verbindung zu parallel laufenden Verhandlungen, indenen andere Probleme zur Verhandlung anstehen. Issue linkage und Veränderungen desökonomischen Kontexts spielten im vorliegenden Fall erst relativ spät eine Rolle.

9 Keohane und Ostrom (1994) haben den Versuch unternommen, die Literatur auf dem Ge-biet der Gemeinschaftsgüter und der Internationalen Beziehungen (IB) zusammenzuführen.Dabei interessierte sie besonders, ob die Anzahl der Akteure und ihre unterschiedlichenEigenschaften (»Heterogenität«) einen Einfluß auf die Kooperationswahrscheinlichkeithaben. Die Ausgangsbefunde waren in beiden Forschungsgebieten unterschiedlich. In be-zug auf die Anzahl der Akteure betonte die Forschung auf dem Gebiet der IB, daß die Zu-nahme von Akteuren eine Einigung erschwert, eine These, die die Gemeinschaftsgüterfor-schung keinesfalls bestätigte (Ostrom 1990). Letztere beobachtet umgekehrt, daß freiwil-lige Abkommen zwischen sehr vielen (zum Teil Tausenden) Akteuren auf der lokalen oderregionalen Ebene geschlossen werden. In Bezug auf die Akteureigenschaften verkehrtesich das Bild. Hier sahen die IB-Forscher bessere Chancen zur Kooperation bei deutlicherHeterogenität der Akteure, während die Gemeinschaftsgüter-Forschung darin eher einHindernis erblickte.

24 Kapitel 1

Der erste Fall ergibt sich, wenn Akteure um den Güterkonsum konkurrierenund eine Zugangsbeschränkung nicht möglich ist; der zweite, wenn der Gü-terkonsum nicht kompetitiv, wohl aber eine Zugangsbeschränkung möglichist. Eine Einordnung dieser Fälle wurde unter anderen von Snidal (1994)versucht, der eine Typologie andeutet, in der als Variablen ebenfalls der ge-meinsame/nichtgemeinsame und exklusive/nichtexklusive Konsum vonGütern fungieren (Tabelle 1-3).

Diese Typologie unterscheidet zwischen öffentlichen Gütern und gemein-schaftlichen Ressourcen (common-pool resources, CPR). Öffentliche Güterwerden gemeinsam genutzt und es bestehen keine Zugangsbeschränkungen.Gemeinschaftliche Ressourcen sind ebenfalls frei zugänglich, aber über ihreNutzung besteht Rivalität. Daraus folgt eine Tendenz zur Unterproduktiondes Gutes (dies ist das klassische collective action problem). Wurde das Gutbereits produziert (oder existiert es als Naturgabe), liefert der Markt zu we-nig Anreize, es zu erhalten. Die Nicht-Ausschließbarkeit und Nutzungsriva-lität gibt einzelnen Akteuren kurzfristige Vorteile durch Übernutzung desGutes. Dies unterscheidet gemeinschaftliche Ressourcen von öffentlichenGütern: Die Ressourcennutzung durch einen Akteur kann bereits negativeFolgen für alle anderen haben. Alle Bewohner des Erdballs profitieren voneiner intakten Ozonschicht; diese wird nicht beeinträchtigt, wenn sich dieZahl seiner Bewohner (ceteris paribus) erhöht. Sie kann aber bereits geschä-digt werden, wenn ein einziger Akteur große Mengen ozonvernichtenderSubstanzen in die Atmosphäre bringt. Damit ist der Erhalt von gemein-

Tabelle 1-2 Gütertypologie nach Musgrave und Willke

Nutzungsrivalität

nein ja

exklusiv gemischtes Gut privates Gut

nicht exklusiv öffentliches Gut gemischtes Gut

Quelle: Musgrave 1978; Willke 1995

Zugang

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 25

schaftlichen Ressourcen schwieriger als die Produktion eines öffentlichenGutes, das im Prinzip von einem Akteur allein produziert werden könnte.Werden die durch einzelne Akteure verursachten Übernutzungen problemati-siert und in Gemeinschaftsaufgaben transformiert, so verwandelt sich das Pro-blem von einer kompetitiven Nutzung in die gemeinsame Produktion einerintakten Ozonschicht. Der FCKW-Fall veranschaulicht einen solchen Über-gang.10 Wenige FCKW-Hersteller (und die Konsumenten, die ihre Produkteverwendeten) benutzten die Atmosphäre als Müllhalde, wodurch die gemein-schaftliche Ressource Atmosphäre (insbesondere die Ozonschicht der Atmo-sphäre) geschädigt wurde.11 Nachdem der freie Zugang zur Atmosphäre pro-blematisiert wurde, begann sich die Auffassung zu entwickeln, die Ozon-schicht sei eine gemeinschaftliche Ressource, für deren Unversehrtheit dieinternationale Staatengemeinschaft Sorge tragen muß.12

10 Hier ist Malkins und Wildavskys Hinweis auf die soziale Konstruiertheit von öffentlichenGütern berechtigt. Nach Taylor (1987: 7) ist Nutzungsrivalität (anders als die Unteilbar-keit öffentlicher Güter) streng genommen eine Eigenschaft der Individuen (oder ihrer Nut-zenfunktionen), nicht der Güter selbst.

11 Ich verwende das Imperfekt, obwohl es noch immer (legale und illegale) FCKW-Produk-tion gibt, die mengenmäßig allerdings relativ unbedeutend zu sein scheint.

12 Auch Keohane und Ostrom sehen einen zeitlichen Wandel in der Gütereigenschaft derOzonschicht (auch wenn sie irrtümlicherweise annehmen, erst seit der Erfindung vonFCKW sei die Ozonschicht gefährdet): »Before CFCs had been invented, the stratosphericozone layer was a public good; and since it was provided by nature, there was no problem

Tabelle 1-3 Gütertypologie nach Snidal

Nutzungsrivalität

nein ja

exklusiv Klubgüter private Güter

nicht exklusiv öffentliche Gütergemeinschaftliche

Ressource,Allmende

Quelle: Snidal 1994

Zugang

26 Kapitel 1

Sozialwissenschaftliche Analysen beurteilen das Gelingen von gesell-schaftlicher Kooperation, bei der es um die Verfolgung von Gemeinwohlin-teressen geht, eher skeptisch. Die Systemtheorie ist pessimistisch, was dieMöglichkeit intersystemischer oder gesamtgesellschaftlicher Kommunikati-on und Koordination betrifft: diese wird für hoch unwahrscheinlich gehalten.Andere Autoren tendieren im Angesicht globaler ökologischer Probleme zuder Aussage, diese seien allein durch staatliche Zwangsmaßnahmen zu be-wältigen (Ophuls 1973: 219; Hardin 1978; auch der Marxismus verfolgtediese Option, vgl. Grundmann 1991). Dort, wo die Probleme auf einen un-beschränkten Zugang zu natürlichen Ressourcen zurückgeführt werden kön-nen (Allmendestruktur), macht sich eine komplementäre Sichtweise für dieEinrichtung individueller Eigentumsrechte stark (Demsetz 1967; vgl. hierzuOstrom 1989). Diese Ansätze empfehlen also eine Steuerung entweder durchden Staat oder durch den Markt (Siebert 1978).

Die internationale Kooperation zum Schutz der Ozonschicht ist weder aufMarksteuerung noch auf zentrale Kontrolle zurückzuführen, sondern auf ei-ne dritte Steuerungsform zwischen Markt und Staat. In der vorliegenden Ar-beit wird die Hypothese entwickelt, daß die Steuerungsform des Netzwerkesden Erfolg erklären kann.

1.1.4 Entscheidungen unter Unsicherheit

Entscheidungen unter Unsicherheit sind schwieriger als riskante Entschei-dungen (hier und zum Folgenden ausführlich: Grundmann 1999). Risikoent-scheidungen können nach dem klassischen Risikokalkül (Schadensgröße malEintrittswahrscheinlichkeit) berechnet werden (Starr 1993). Bei aller Vor-sicht, die mittlerweile diesem Kalkül gegenüber besteht (Bechmann 1993),liefert es immerhin ein Handlungskriterium.13 Entscheidungen unter Unsi-cherheit können nicht einmal darauf aufbauen, vor allem deshalb nicht, weilkeine verbindliche Situationsdefinition besteht und weil keine genügendgroße Klasse von Vergleichsmöglichkeiten existiert (Elster 1993; Knight1921; Marcus 1988).14 Das heißt, immer dann, wenn »Größe und Dringlich-

of underprovision. Now it is a common-pool resource, subject to human depletion«(Keohane /Ostrom 1994: 417).

13 Im Rahmen dieser Arbeit gehe ich nicht auf Ansätze aus der Entscheidungstheorie ein(vgl. Luce /Raiffa 1957: 284ff.; kritisch dazu Elster 1989: 84f.).

14 Es ist nicht sehr plausibel, Unsicherheit als Oberbegriff und Risiko als Spezialfall aufzu-fassen (Bonß 1996). So weist Bonß zwar auf die Herkunft der Unterscheidung bei Knight

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 27

keit des Problems« nicht bekannt sind, haben wir es mit Entscheidungenunter Unsicherheit zu tun. Spielt man ein Spiel gegen die Natur, scheinen dieNaturwissenschaften berufen, die Unsicherheiten abzubauen. Genau dieseAufgabe aber können sie nicht in dem Maße erfüllen, wie es für eine gemein-same Situationsdefinition nötig wäre. Im Fall des Wandels der Erdatmo-sphäre gibt es keine Klasse von Vergleichsfällen: wir haben nur einen Pla-neten Erde. In solchen einmaligen Situationen bekommen es Atmosphären-wissenschaftler mit ähnlichen Problem zu tun wie Sozialwissenschaftler. Dasie ihre Hypothesen nicht experimentell verifizieren können, müssen sie eineplausible Situationsdefinition aus verfügbaren Daten gewinnen, die teilweisehistorischer Art sind.15 Sie stellen in Modellrechnungen und Szenarien Pro-gnosen über wahrscheinliche künftige Systemzustände auf. Hier könnte einewesentliche Funktion der Unsicherheitsreduktion liegen, denn bleiben diePrognosen stabil, und werden sie von allen wichtigen Modellierern geteilt,besteht eine gemeinsame Situationsdefinition. Anders verhält es sich, wenndie Prognosen von Jahr zu Jahr variieren, weil sich die Modellannahmen än-dern, oder wenn verschiedene Modellierer unterschiedliche Ergebnisse er-rechnen, oder wenn experimentelle Messungen den Modellen widerspre-chen. Dann hat man es nicht mit einem klassischen Risikoproblem, sondernmit Unsicherheit zu tun, und es stellt sich wiederholt und immer schärfer dieFrage, ob die variierenden Prognosen Grund zu Maßnahmen oder Grund

(1921) und den Unterschied hin, daß es sich bei Risiko um meßbare Unsicherheiten, beiUnsicherheit um nichtmeßbare Unsicherheiten handle (Bonß 1996: 168). Er blendet aberKnights zentrale Einsicht aus, wonach Risiko als Fall definiert ist, in dem die »distributionof the outcome of a group of instances is known«, Unsicherheit hingegen als Fall »whereit is impossible to form a group of instances«, weil die Situation in hohem Maße einmaligist (Knight 1921: 233). Nach Knight haben Unternehmer die Funktion, Risiken zu über-nehmen (zum Beispiel, aber nicht nur, Versicherungen). Unsicherheit in wissenschaftli-chem oder technischem Wissen kann nicht durch Unternehmer reduziert werden (Marcus1988). Solche Situationen sind in hohem Maße »einmalig«. Hier scheint der Wissenschaftdie Aufgabe zuzufallen, Unsicherheit zu reduzieren. Die Einmaligkeit ist auch der Grund,warum bestimmte großtechnische Projekte und Anlagen nicht versicherbar sind – ein Um-stand, auf den Beck aufmerksam gemacht hat. Allerdings handelt es sich dabei nicht umRisiken, sondern um Entscheidungen unter Unsicherheit. So gesehen hätte Becks Buch ei-gentlich den Titel »Unsicherheitsgesellschaft« tragen sollen.

15 Es gibt auch nur eine Weltgeschichte. Historiker, die sich um wissenschaftliche Aussagenbemühen, greifen deshalb zu kontrafaktischen Gedankenexperimenten und Theorien»möglicher Welten« (Elster 1978). Auch Atmosphärenwissenschaftler lösen das methodi-sche Problem auf ähnliche Weise. Dies wirft interessante Fragen über das Verhältnis vonNatur- und Sozialwissenschaften auf, die im Rahmen dieser Arbeit nur gestreift werdenkönnen.

28 Kapitel 1

zum Abwarten sind. Die abwartende Position suggeriert meist, daß sichdurch weitere Forschung endgültige Sicherheit schaffen ließe.

Die einschlägige soziologische Forschung hat sich nicht mit der Unter-scheidung Unsicherheit /Risiko, sondern mit der Unterscheidung Risiko/Gefahr befaßt (vgl. unten). Der Risikobegriff wurde vor allem deshalb fürwichtig erachtet, weil er, im Unterschied zum Gefahrenbegriff, Entschei-dungsinstanzen zugerechnet werden kann. Schließt man die Unsicherheits-problematik mit in die Betrachtung ein, verschärft sich das Problem. Oft be-steht ein Teil der Unsicherheit darin, daß man nicht weiß, ob bestimmte Phä-nomene auf Entscheidungen zugerechnet werden können oder natürlicher Artsind und damit von Entscheidungen unabhängig.

Wenn bei Entscheidungen unter Unsicherheit die Wissenschaft eine öf-fentliche und politikberatende Rolle spielt und politische Entscheidungenmit der nötigen Legitimation versorgt, dann ist die Möglichkeit gegeben, daßder Ausgang einer gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung zu einemgroßen Teil vom Verlauf der wissenschaftlichen Kontroverse abhängt. Diesum so mehr, wenn alle Beteiligten sich von den Ergebnissen wissenschaftli-cher Forschung abhängig machen.

Douglas/Wildavsky (1993: 117) haben versucht, (un-)sicheres Wissenund Konsens/Dissens über politische Ziele in einem Vierfelderschema zuverorten. Sie unterscheiden vier Fälle bei riskanten Entscheidungen (Tabelle1-4).

Tabelle 1-4 Typologie der Risiken

Wissen

sicher unsicher

erreicht(1)Problem: technischLösung: Kalkulation

(2)Problem: InformationLösung: Forschung

fraglich

(3)Problem: (Un-)EinigkeitLösung: Zwang oderDiskussion

(4)Problem: Wissenund KonsensLösung: ?

Quelle: Douglas / Wildavsky 1993: 117

Konsensüber Ziele

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 29

Dieses Schema ermöglicht eine grobe Orientierung. Drei Vorbehalte schei-nen allerdings angebracht. Erstens gehen die Autoren nicht auf den Unter-schied zwischen Risiko und Unsicherheit ein. Zweitens scheinen sie ein li-neares Wachstum des Wissens zu implizieren, das bei Erreichen der Grenze»sicher« lediglich in einen Zielkonsens transformiert werden muß. Statt ei-ner Wissenszunahme in Richtung »sicher« muß man wohl realistischerweisedavon ausgehen, daß in Risikokontroversen und bei Entscheidungen unterUnsicherheit genau diese Grenze ständig umkämpft wird und sich im Zeit-verlauf verschiebt. Und drittens geben die Autoren leider keinerlei Beispiele,was von ihrer generalisierenden Annahme herrühren dürfte, alle Problemedieser Art fielen in Feld 4. So schreiben sie:

Das letzte Feld, in dem das Wissen unsicher und der Konsens fraglich ist, gibtgenau wieder, wie eine informierte Person das gegenwärtige Dilemma der Risi-koabschätzung charakterisieren würde. (Douglas /Wildavsky 1993: 118)

Zweifelt man an dieser Annahme und versucht eine differenzierte Klassifi-zierung unterschiedlicher Risikothemen, so würde man konkrete Beispielewie BSE, die Klimadebatte, die Gentechnik und den Photosmog in verschie-denen Feldern anordnen. Dabei ist die zeitliche Dynamik wichtig: Was ge-stern noch in Feld 4 lag, kann heute in Feld 3 sein und morgen in Feld 1(oder wieder in Feld 4 zurückrutschen).16 Zu Recht betonen die Autoren, daßes einen Zusammenhang gibt zwischen kultureller Voreingenommenheit(cultural bias) und Handlungsorientierung: Die möglichen Risiken sind sounüberschaubar, daß eine Selektion stattfinden muß, die nicht auf allge-meingültige Weise stattfinden kann. Insbesondere scheinen Naturbilder da-für verantwortlich zu sein, wie verschiedene Akteure Umwelt- oder Risiko-probleme einstufen (vgl. auch Cotgrove 1982; Thompson 1983). Wird einepräventive Handlungsorientierung gesellschaftsweit dominant, so verschiebtsich die Anforderung an das Wissen; endgültige Beweise werden nicht mehrverlangt, wenn das Vorsorgeprinzip an Einfluß gewinnt.

Dieses Schema läßt außerdem die Zeitdimension außer acht. Bezieht mansie mit ein, so kann man sehen, daß Industrie und Public interest groups un-terschiedliche Strategien zur Überwindung der Unsicherheit verfolgen.Nimmt man der Einfachheit halber an, daß man sich zu Beginn von Risiko-kontroversen (eigentlich: Unsicherheitskontroversen) immer in Feld 4 befin-det, so steuern die Public interest groups Feld 1 an, während die Industrie

16 Dies gilt für den Fall, daß die Kontroverse keinen institutionalisierten Abschluß findet.Findet ein solcher statt, ist das »Zurückrutschen« unwahrscheinlich, da ein wissenschaftli-cher Konsens zusammen mit einer politischen Maßnahme erfolgt.

30 Kapitel 1

solange als möglich in Feld 4 verharren will.17 Sobald Wissenschaftler auf-treten, die der Ansicht sind, es müsse erst weitere Forschung betrieben wer-den, bevor man Lösungsvorschläge machen könne, ergeben sich Möglich-keiten für eine Allianz mit der Industrie. Eine so entstandene Gegenkoalitionsteuert in der Regel Feld 2 an, das zum wissenschaftlich-politischen Schlacht-feld wird. Allerdings darf dieser Mechanismus nicht funktionalistisch inter-pretiert werden. In einer solchen Lesart würden die Wissenschaftler prinzi-piell an einem Strang mit der Industrie ziehen, weil sie Forschungsgelder amleichtesten dann einwerben können, wenn das Problem nicht gelöst wird.Wie im einzelnen zu zeigen sein wird, ist ein Abweichen der Wissenschaft-ler von diesem »funktionalistischen Gleichgewichtspfad« eine krititsche Va-riable.

In vielen Kontroversen dieser Art setzt sich nach einiger Zeit die Auffas-sung durch, daß man keine letztgültige kognitive Sicherheit erwarten kann.Die Wissenschaft muß die Erwartungen, die sie erzeugt (gesichertes Wissenzu liefern, das als Handlungsgrundlage dient), ständig neu wecken und eben-so beständig abweisen. In der klassischen Formulierung von Weinberg:»[T]here are answers to questions which can be asked of science and yetwhich cannot answered by science« (Weinberg 1972: 209). Es dürfte fürPolitiker ein unangenehmer Gedanke sein, über Zusammenhänge entschei-den zu müssen, die aus wissenschaftlicher Sicht unterdeterminiert sind, abervon Wissenschaftlern auf die Tagesordnung gesetzt wurden. Zu lange warman davon überzeugt, man habe es hier mit härterem Wissen zu tun, als bei-spielweise das von den Sozialwissenschaften angebotene (Kuhn 1976: 9f.).

Doch auch die Naturwissenschaftler selbst sind durch solche Aufgaben inder Regel aus zwei Gründen überfordert. Zum einen suchen sie in ihrer täg-lichen experimentellen Praxis einfache Ja/Nein-Antworten auf präzise ge-stellte Fragen und können mit zweideutigen Ergebnissen wenig anfangen.Zum anderen ist ihr Expertenwissen meist auf ein kleines Spezialgebiet be-schränkt, das ihnen nicht erlaubt, andere Ansätze einzubeziehen, die zur Lö-sung eines bestimmten Problems eine wichtige Rolle spielen können. Bei derBewertung von Risiken ist also ein Urteilsvermögen gefragt, das sowohl dieJa/Nein-Routine als auch das enge Spezialwissen übersteigt (Marcus 1988).Wie haben Wissenschaftler auf diese Herausforderungen reagiert? DieseFrage wird in Kapitel 3 eingehend behandelt.

17 Die Industrie wird normalerweise behaupten, daß ihre Produkte sicher seien. Geraten sie je-doch ins Zwielicht, greift die Industrie zur zweitbesten Strategie und betont die kognitiveUnsicherheit, um staatliche Eingriffe abzuwehren.

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 31

1.2 Theoretischer Ansatz

Diese Arbeit ist eine (multiple) Fallstudie, die sich mit der FCKW-Regu-lierung in den USA und der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt. Dar-überhinaus wird ein dritter Fall behandelt, der in gewisser Weise »quer« zudiesem Ländervergleich liegt, nämlich die Frage nach dem Zustandekom-men der internationalen Kooperation zum Schutz der Ozonschicht. DieseFälle lassen sich nicht aufeinander reduzieren oder aufaddieren, denn dieinternationale Kooperation ist mehr als die Summe der nationalen Fälle. Wiesich zeigt, ist sie aber nicht ohne die Analyse auf nationaler Ebene zu ver-stehen. Das Forschungsdesign der Fallstudie verlangt in jedem Fall eine kla-re Spezifikation der Forschungsfragen, der theoretischen Einordnung, derBildung von Hypothesen, der Herstellung von Bezügen zwischen Hypothe-sen und Daten und der Interpretation der Ergebnisse (Yin 1994). Die allge-meine Fragestellung lautet: Wie gelang es, die FCKW-Emissionen weltweitzu senken und welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es zwischenden USA und der Bundesrepublik Deutschland bei der Behandlung dieserProblematik? Im Folgenden widme ich mich der Herstellung theoretischerBezüge und der Hypothesenformulierung. In Kapitel zwei gebe ich eineDarstellung der wesentlichen Ereignisse im Untersuchungszeitraum. In denKapiteln drei bis fünf werden die erhobenen Daten präsentiert und in Bezie-hung zum theoretischen Orientierungsrahmen gesetzt. Kapitel sechs versuchteine Interpretation der Ergebnisse.

1.2.1 Selbstverstärkende Prozesse

Der über zwanzig Jahre dauernde Zeitraum der Studie wirft das allgemeinemethodische Problem auf, die Balance zwischen historischer Präzision undverallgemeinerungsfähigen Resultaten zu halten. Dazu wird ein Ansatz ent-wickelt, der den dynamischen Erfordernissen des Prozesses gewachsen unddennoch hinreichend einfach ist. In Anlehnung an Maruyamas »Zweite Ky-bernetik« (1963) wird der Prozeß zunächst in sehr abstrakter Form konzi-piert und dann weiter präzisiert. Maruyama unterscheidet zwischen abwei-chungsminimierenden und abweichungsverstärkenden Kausalbeziehungen;den ersten Typ bezeichnet er als negativen, den zweiten als positiven Rück-kopplungsprozeß. Der Thermostat ist das Paradigma negativer Rückkopp-lungsprozesse: Bei Überschreiten einer Zielgröße tendiert das System in dieentgegengesetzte Richtung. In den positiven Rückkopplungen der »zweiten

32 Kapitel 1

Kybernetik« verläuft der Prozeß selbstverstärkend immer weiter. Ausgangs-bedingungen und Anfangsimpulse spielen eine wesentliche Rolle für dieweitere Entwicklung eines Systems. Solche Prozesse finden sich sowohl inder Natur als auch in der Gesellschaft. Ein Beispiel aus der Natur mag diesverdeutlichen: Eine Felsspalte dehnt sich durch gefrierendes Wasser aus,zieht in der Folge mehr Wasser in einer größer gewordenen Spalte an undvergrößert dadurch den Spalt weiter. Dasselbe Prinzip kann man bei der Ent-stehung einer Siedlung beobachten, wo sich nach und nach Häuser und Ge-werbe um einen zufälligen Ursprungskern scharen. Die geographische Lagedes Ursprungskerns beeinflußt die spätere Lage der entstehenden Stadt, dieweitere Entwicklung wird aber wesentlich durch positive Rückkopplungs-prozesse gesteuert. Besonders relevant für den hier verfolgten Ansatz ist nundie These, daß es nicht Umweltbedingungen sind, die die unterschiedlicheEntwicklung verursachen. In Abgrenzung zu einer philosophischen Tradi-tion18 entwickelt Maruyama das Theorem, daß gleiche Ausgangsbedingun-gen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können, da es verschiedenenendogenen Prozessen auf verschiedene Weise gelingt, sich durch selbstver-stärkende Prozesse eine eigene Ordnung aufzubauen, ja sogar eine eigeneUmwelt zu schaffen.19 Dies ist in zahlreichen Veröffentlichungen der letztenJahre unter dem Stichwort »Chaos« und »Komplexität« fast Gemeingut ge-worden. Ich beziehe mich allerdings weniger auf bekannte populärwissen-schaftliche Arbeiten, sondern auf soziologische und politikwissenschaftlicheAusarbeitungen. Zunächst greife ich auf eine Arbeit von Mayntz undNedelmann (1987) zurück, die ein Konzept von eigendynamischen sozialenProzessen vorgelegt haben. Dann versuche ich, unter Einbeziehung vonGranovetters Schwellenwertmodell (Granovetter 1978) zu zeigen, daß dieHeterogenität der Akteurpopulation eine wichtige Determinante darstellt.Schließlich versuche ich, aus Netzwerktheorien und Diskursanalysen brauch-bare Instrumente zu übernehmen.

Netzwerkansätze auf dem Gebiet der Politikfeldforschung (Heclo 1978;Kenis/Schneider 1991; Mayntz/Marin 1991) haben ähnliche theoretischeFragestellungen bearbeitet wie die wissenschaftssoziologische Akteur-Netz-werk-Theorie (Callon 1987; Latour 1990). Dasselbe läßt sich in Bezug aufdie politikwissenschaftliche »post-positivistische Literatur« (Fischer/Forester

18 »A sacred law of causality in the classical philosophy stated that similar conditions producesimilar effects. Consequently, dissimilar results were attributed to dissimilar conditions.Many scientific researchers were dictated by this philosophy« (Maruyama 1963: 166).

19 Für eine Anwendung auf ökonomische Prozesse siehe Arthur (1988, 1990) und David(1985).

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 33

1993, Haas 1992; 1993; Lau et al. 1991; Majone 1989; Riker 1984; deLeon1991; Sabatier 1993) und die soziologische Diskursanalyse (Dryzek 1997;Gamson/Modigliani 1989; Hajer 1993; Lau 1989b) sagen. Aus der Policy-Netzwerk-Forschung übernehme ich den Gedanken, daß informelle Bezie-hungen zwischen Schlüsselakteuren wichtig sind, um bestimmte politischeZiele anzusteuern und durchzusetzen. Aus der soziologischen Diskursanaly-se und post-positivistischen politologischen Ansätzen, daß die diskursive,öffentliche Auseinandersetzung und die Rolle von Normen und Ideen dabeieine wesentliche Rolle spielen. Aus dem wissenschaftssoziologischen An-satz schließlich kommt die Betonung der Mobilisierung von Ressourcen, dienicht als gegeben angenommen werden. Ich übernehme aber nicht die teil-weise quantitative Ausrichtung des Policy-Netzwerk-Ansatzes und sein Be-mühen, möglichst alle Akteure zu erfassen. Anders als der diskurstheoreti-sche Ansatz beschränke ich mich nicht auf diskursive Formen der Auseinan-dersetzung, und anders als die Akteur-Netzwerk-Theorie nehme ich keineAttribution von Handlungsqualitäten an Artefakte vor.

1.2.2 Eigendynamik

Eigendynamische soziale Prozesse sind dadurch charakterisiert, daß in ihnenProzesse zirkulärer Stimulation auftreten, die insbesondere die den Prozeßtragende Handlungsmotivation betreffen. Solche Prozesse erzeugen typi-scherweise Folgen, die sie wieder zu ihrem eigenen Antrieb verwenden. Siehaben auch die Tendenz, die Sozialsysteme ihrer Umwelt in ihre Eigendy-namik hineinzuziehen:

Aus welchen Gründen auch immer sich Akteure einer anderen und höheren Sy-stemebene in den Ablauf eigendynamischer Prozesse einschalten mögen – sielaufen Gefahr, selbst in die Dynamik verstrickt zu werden.(Mayntz /Nedelmann 1987: 665)

Die zirkuläre Stimulierung der Motivation sozialer Akteure eines eigendy-namischen Prozesses ist ein wesentliches Merkmal des hier untersuchtenFalles. Auch kann man das Phänomen beobachten, daß es keine starre Ab-grenzung zur Umwelt gibt, sondern eine Involvierung von Akteuren (undRessourcen) aus der Umwelt stattfindet. Ich versuche, dieses Modell in dreiPunkten zu spezifizieren. Der erste besteht darin, daß der eigendynamischeProzeß einem klar definierbaren sozialen Träger zugeordnet wird. Dies istder Handlungs- und Kommunikationszusammnenhang eines Netzwerkes.

34 Kapitel 1

Zweitens wird der Erfolg eines eigendynamischen Prozesses als ressourcen-abhängig vorgestellt und drittens wird eine antagonistische Struktur des so-zialen Feldes angenommen, in dem sich der eigendynamische Prozeß ab-spielt. Ich stelle den so konzipierten Netzwerkansatz zuerst in seiner allge-meinen Form vor und diskutiere dann seine Spezifik. Der von Mayntz undNedelmann betonte Aspekt der motivationalen Selbstverstärkung wird dabeibewahrt. Durch die Mobilisierung neuer Verbündeter und Ressourcen wer-den allerdings zusätzliche Motivationsquellen angezapft.20 Die Einschrän-kungen, die ich mache (und in Abschnitt 1.2.3 begründe) sind folgende: Er-stens ist das Politikfeld (die Politikarena, Renn 1992) antagonistisch struktu-riert, zweitens gibt es selbstverstärkende Prozesse in beiden Feldern, die sichdrittens auf die Motivation der Kontrahenten beziehen, weshalb viertens dieGrenze zwischen beiden Feldern aufrechterhalten wird. Fünftens folgt ausder motivationalen Selbstverstärkung, daß es nicht in erster Linie Interessensind, die in solchen Prozessen die Oberhand innehaben, sondern »Leiden-schaften«, bei denen Politikziele und Akteuridentitäten eng verklammertsind. Damit wird die Standardlösung der Verhandlungstheorie, bei der es inder Regel um einen Interessenabgleich geht, erheblich erschwert (Hirsch-mann 1977; Pizzorno 1986).21 Meine Vermutung ist, daß dadurch andereLösungen wahrscheinlich werden, die mindestens ebenso leistungsfähig sind– eine Möglichkeit, die in der Literatur bislang kaum thematisiert wurde undauf die ich im nächsten Abschnitt (»Die Rolle von Ideen und Normen beiEntscheidungen unter Unsicherheit«) zurückkomme.

20 Die bisherige politikwissenschaftliche Diskussion über Politiknetzwerke und die soziolo-gische über Diskurskoalitionen hat den Aspekt der Eigendynamik eher implizit und intui-tiv erwähnt. Benz sieht darin eine Chance, aus Blockaden herauszukommen, die in Mehr-ebenen-Verhandlungssystemen entstehen (Benz 1995: 98). Lau weist auf den offenenAusgang von Diskursen hin, deren relative Autonomie für eine »tendenzielle Eigendyna-mik und die Selbstselektion von Argumenten« sorge (Lau 1989: 389). Diese intuitivenAnnahmen werden durch das hier vorgestellte Modell expliziert.

21 Hier schließt sich ein interessanter Aspekt an, der die Bewertung der Vergangenheit be-trifft. Normalerweise lautet die Botschaft für rationale Akteure, vergangene Kosten zuvergessen und sich auf die Zukunft zu orientieren. In pfadabhängigen Prozessen, in denenantagonistische Konstellationen auftreten, können die Akteure jedoch ihre Investitionen indie Vergangenheit nicht einfach abschreiben – zu viel ist für sie im Spiel (Elster 1989: 98–99; Wolf 1970). Gibt man dieser Logik jedoch einmal nach – und dies ist oft der Fall beiöffentlichen Debatten oder in Fällen, in denen man von dritten Parteien beobachtet wird(Hirschman 1982: 79) – so wird es mit der Zeit immer schwerer, sich aus ihr zu befreien.Man investiert immer mehr in eine Sache, in der Hoffnung, die Früchte doch noch erntenzu können und bemerkt die desaströsen Konsequenzen zu spät.

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 35

1.2.3 Netzwerke

In der hier vorgelegten Fallstudie geht es nicht darum, die Erklärungskrafteinzelner Variablen zu messen. Es soll Plausibilität für eine bestimmte Er-klärung geschaffen werden, die über den Einzelfall hinaus Geltung bean-spruchen kann. Es wird argumentiert, daß der Schlüssel zum Verständnis desGesamtprozesses in der spezifischen institutionellen Form zu suchen ist, diediesem Prozeß ihren Stempel aufgedrückt hat, der Form des Netzwerkes.Anders als in pluralistischen oder neokorporatistischen Ansätzen, in denenPolitikergebnisse entweder durch das Wirken konstitutioneller Akteure odermächtiger Interessengruppen erklärt werden, betrachtet der Politiknetzwerk-ansatz informelle Beziehungen auf mehreren Ebenen. Generell mobilisierenNetzwerke Akteure und Ressourcen, die materieller Art (Geld, Technologie,Laboratorien) oder symbolischer Art sein können (wissenschaftliche Er-kenntnisse, Rhetorik). Ideen fungieren dabei als Kondensationskerne, um dieherum eine Anlagerung von Bündnispartnern erfolgt. Dadurch wird dieStruktur eines Konflikts vorgezeichnet und eine latente Zuordnung potenti-eller Bündnispartner bewirkt, die im Prozeßverlauf manifest wird.

Abbildung 1-1 zeigt in schematischer Form die wesentlichen Bestandteileeines solchen Ansatzes. In diesem Schema bezeichnet die linke Spaltestrukturelle Eigenschaften des Politikfelds, Entscheidungen unter Unsicher-heit und die Problematik der Artikulation diffuser Interessen. Sprecher kön-nen diese beiden Aspekte miteinander verknüpfen und als Repräsentantendiffuser Interessen auftreten. Ihnen stehen Sprecher der organisierten Inter-essen entgegen. Beide repräsentieren Politiknetzwerke, erstere das Pro-Re-gulierungsnetzwerk P, letztere das Anti-Regulierungsnetzwerk A. Konflikteüber Fragen der Umwelt und Gesundheit entzünden sich im wesentlichen

36 Kapitel 1

um Problemdefinitionen und Kausalrelationen, wobei Informationen, wissen-schaftliche Ergebnisse, Deutungen und Argumente als Primärressourcenfungieren (Beck 1993: 550). Daraus folgt ein Kampf um knappe (symboli-sche) Ressourcen. Ihre Verfügbarkeit befördert oder behindert die Wachs-tumschancen eines entsprechenden Politiknetzwerkes. Öffentliche Glaub-würdigkeit ist bei Entscheidungen unter Unsicherheit eine der wertvollstenRessourcen. Institutionelle Opportunitätsstrukturen (politische Verfassung,Politikstil, institutionelles Umfeld, institutionelle Entscheidungsregeln) kön-nen die Wachstumschancen ebenfalls befördern oder behindern. Erlangt einPolitiknetzwerk die Hegemonie, folgen in aller Wahrscheinlichkeit Regulie-rungen oder deren dauerhafte Abwehr.

In den folgenden Abschnitten gehe ich auf die einzelnen Elemente desSchemas ein.

Die Repräsentation diffuser Interessen

Die Repräsentation diffuser Interessen kann auf verschiedene Weise erfol-gen, etwa durch einzelne Akteure, durch Public interest groups (Umweltver-bände, Parteien) oder durch Netzwerke, die Akteure verschiedener Organi-sationen und Institutionen umfassen (Mayntz/Marin 1991). Der Einzel-kämpfer wendet sich in der Regel an die Öffentlichkeit und operiert auf derjuristischen Ebene. In den USA steht der Name Ralph Nader für diesen Typvon Interessenrepräsentation. Organisationen nehmen außerdem Einfluß aufden politischen Entscheidungsprozeß, Umweltgruppen tun dies typischer-weise durch die Mobilisierung von Betroffenen oder durch symbolische Ak-tionen. In diesen drei Dimensionen können auch Netzwerke operieren; ihreErfolgschancen sind höher einzustufen, weil sie neben individuellen Akteu-ren Vertreter verschiedener Organisationen umfassen, die umfangreiche Res-sourcen mobilisieren und eine gesellschaftsweite Koordinationsleistung voll-bringen, die unter Umständen größer ist, als sie durch Markt oder Hierarchiegeschaffen werden könnte. Allerdings droht solchen Arrangements eineUnterminierung, die durch ihr inhärentes Demokratiedefizit hervorgerufenwird (Mayntz 1993).

Politiknetzwerke und ihre Sprecher

Kenis/Schneider (1991) betonen die Nützlichkeit des Netzwerkkonzepteshauptsächlich in jenen Policy-Prozessen, in denen nicht nur formale institu-tionelle Arrangements wichtig sind, sondern vor allem die informelle, oft-

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 37

mals dezentrale Entscheidungsfindung, bei der komplexe Akteurkonstella-tionen und Ressourcenabhängigkeiten eine Rolle spielen:

A policy network is described by its actors, their linkages and its boundaries. Itincludes a relatively stable set of mainly public and private corporate actors. Thelinkages between the actors serve as channels of communication and for the ex-change of information, expertise, trust and other policy resources. The boundaryof a given policy network is not in the first place determined by formal institu-tions but results from a process of mutual recognition of functional relevance andstructural embeddedness. (Kenis /Schneider 1991: 41f.)22

Interaktionsstrukturen bleiben hierbei oft latent, wobei eine Hauptfunktionin Informations- und Kommunikationsprozessen besteht, vor allem bei derVorbereitung von Entscheidungen, auf die solche Netzwerke einen wichti-gen Einfluß ausüben. Die Bindung der Netzwerkakteure erfolgt nicht überformale Mitgliedschaft, sondern über gemeinsame Politikziele, bei derenDefinition und Gewichtung ideelle, »weltanschauliche« Elemente relevantsind.23 Hugh Heclo hat den Begriff des issue network für jene Netzwerkegeprägt, in denen Mitgliederwechsel stattfindet, niemand über die eigentli-che Kontrolle über das Netz verfügt und materielle Interessen oft intellektu-ellem und emotionalem Engagement nachstehen. »Network members rein-force each other’s sense of issues as their interests rather than (as standardpolitical or economic models would have it) interests defining positions onissues« (Heclo 1978: 102).

Paul Sabatier hat die antagonistische Dimension in Politikprozessen her-vorgehoben. Er konzipiert die Änderung von Politiken in einem Interaktions-modell rivalisierender Befürworterkoalitionen innerhalb eines Politikbe-reichs. Koalitionspartner sind Akteure öffentlicher und privater Institutio-nen, die verschiedenen Hierarchieebenen angehören, gemeinsame Werte undÜberzeugungen teilen und sich für deren Verwirklichung einsetzen. Dazuversuchen sie die Regeln, den Etat und die Mitarbeiter von Regierungsbe-hörden zu beeinflussen. Politikveränderung hängt aber auch von Umwelt-faktoren außerhalb des Politikfelds und von stabilen Systemparametern in-

22 Folgende Definition von Diskurskoalition sieht eine eher lose Form der Kopplung: »Dis-kurse sind offene Systeme der Verständigung, die ›hin- und herlaufen‹, abbrechen und an-derswo wieder aufflammen können. In ihnen gibt es keine exklusiven Mitgliedsrechte«(Evers /Nowotny 1989: 361).

23 Repräsentieren Politiknetzwerke diffuse Interessen, so ist zu betonen, daß die Träger dif-fuser Interessen keine Netzwerkmitglieder werden, diffuse Interessen also nicht zu »klassi-schen«, konzentrierten Interessen werden: Die Transaktionskosten wären unendlich hoch,wollte man die gesamte Weltbevölkerung organisieren.

38 Kapitel 1

nerhalb des Politikfelds ab, die Chancen und Hindernisse für die Koalitionendarstellen (Sabatier /Jenkins-Smith 1993: 5).

Regulierungen sind ohne die geschickten Befürworter, die diffuse Inter-essen vor allem durch Warnungen oder Alarmierung mobilisieren, unwahr-scheinlich. Dazu greifen sie die Gegner der umstrittenen Regulierung öf-fentlich an, drängen sie in die Defensive und berufen sich auf allgemein ge-teilte Werte (saubere Luft, Gesundheit, Sicherheit; vgl. Luhmann 1990a).Beide Seiten verfügen über Sprecher, die eine Verknüpfung von wissen-schaftlichen Daten mit Politikzielen herstellen und sich für diese in der Öf-fentlichkeit einsetzen. Dabei versuchen sie, Ressourcen und kontingenteUmweltereignisse als Mittel für ihre Ziele zu mobilisieren. Sobald die Re-präsentation diffuser Interessen durch Sprecher erfolgt, müssen auch die or-ganisierten Interessen durch Sprecher auftreten. Dadurch wird der struktu-relle Ausgangsvorteil organisierter Interessen relativiert. Majone drückt die-sen rhetorischen Aspekt folgendermaßen aus:

Because policy is made out of language, arguments are needed not only to clarifyhis position with respect to an issue, but to bring other people around to his posi-tion. Even when a policy is best explained by the actions of groups seeking self-ish goals, those who seek to justify the policy must appeal to the intellectualmerits of the case. (Majone 1996: 610)

In der öffentlichen Debatte unterliegen Argumente dem Zwang, sich so dar-stellen zu müssen, daß sie allgemein akzeptabel sind.

Beide Allianzen verfolgen in dieser Kontroverse rhetorische Strategien,die politische, wissenschaftliche und öffentlichkeitswirksame Merkmaleaufweisen. Diese Strategien beruhen auf wissenschaftlichen Daten, die ofteinseitig selegiert oder auf übertriebene Weise interpretiert werden. Dieswird durch zwei Umstände ermöglicht. Zum einen durch die unterschiedli-chen zeitlichen Dynamiken, die in der öffentlichen Debatte und in der wis-senschaftlichen Forschung bestehen. Hier eröffnet sich ein Spielraum, Datenins Feld zu führen, über die kein umfassender wissenschaftlicher Konsensbesteht. Bevor dieser sich herausbildet, können beide Allianzen versuchen,die passenden Ergebnisse auszubeuten. Zum anderen durch die Daten, überdie ein weitgehender Konsens der Forscher besteht. Diese sind oft interpre-tationsfähig, das heißt, auch sie bieten einen Spielraum zur Unterstützungder einen oder anderen Seite. Es würde sich an dieser Stelle methodisch ver-bieten, den Prozeß im Rückblick zu glätten und bestimmte wissenschaftlicheRessourcen unter Verweis auf den heutigen Wissensstand nicht gelten zulassen.

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 39

Entwicklungsformen von Politiknetzwerken

Netzwerke im hier verwendeten Sinn ähneln den BefürworterkoalitionenSabatiers und den Expertengemeinschaften Haas’. Sie umfassen Mitglieder,die gemeinsame Weltbilder, Ursache-Wirkungsmodelle und Lösungsvor-schläge teilen. Sie sind insofern Netzwerke von Gleichgesinnten. Anders alsin Netzwerkmodellen, in denen heterogene Akteure innerhalb eines Netz-werkes durch Ressourcentausch zu einer Einigung gelangen (Kenis/Schnei-der 1991; Mayntz 1993; Scharpf/Mohr 1994), ist dieser Weg durch die prin-zipienhafte (kognitive, man könnte fast sagen: ideologische) Ausrichtungder Netzwerke verbaut.24 Hier streiten zwei rivalisierende Netzwerke um dieHegemonie. Besondere Beachtung wird folgenden Mobilisierungsprozessenund ihrer Kopplung geschenkt:

– Mobilisierung nichtmaterieller Ressourcen;– gegenseitige Verstärkung von Verbündeten und Ressourcen;– lineare und nichtlineare Mobilisierung von unentschiedenen Akteuren;– Wachstum eines Netzwerkes auf Kosten des anderen.

Es gibt verschiedene Entwicklungsformen von Politiknetzwerken, die ich imFolgenden vorstelle. Ein Netzwerk (N) kann Ressourcen (R) mobilisierenund dadurch neue Verbündete (V) gewinnen.25

1. N + V → N’Ein Netzwerk gewinnt einen neuen Verbündeten, was zu einer Stärkungdes Netzwerkes (N’) führt;

2. N + R → N’Ein Netzwerk mobilisiert eine neue Ressource, was zu einer Stärkung desNetzwerkes (N’) führt;

3. N + V(R) → N’Ein Netzwerk mobilisiert einen neuen Verbündeten, der eine neue Res-source mitbringt, was zu einer Stärkung des Netzwerkes (N’) führt;

4. N + R → V → N’Ein Netzwerk mobilisiert eine neue Ressource, die zur Rekrutierung eines

24 Der Begriff Ideologie hat für viele Leser vorrangig politische Konnotationen. Um Mißver-ständnisse zu vermeiden, spreche ich daher von kognitiven Orientierungen, im Sinne vonmental maps oder cognitive frames.

25 Ich konzentriere mich im Folgenden auf positive Rückkopplungsprozesse. Die Ausführun-gen gelten mit umgekehrtem Vorzeichen ebenso für negative Rückkopplungsprozesse. Diefolgende formale Schreibweise bezieht sich auf allgemeine Wachstumsmuster. Wollteman die Unterschiede zwischen Regulierungsbefürwortern und Gegnern ausdrücken, sokönnte dies durch die Notierung P + V → P’ bzw. A + V → A’ usw. ausgedrückt werden.

40 Kapitel 1

neuen Verbündeten führt, was zu einer Stärkung des Netzwerkes (N’)führt.

Zu betonen ist, daß Ressourcen in keinem Fall gegeben sind oder einer Seite»zufallen«, sondern von dieser für sich reklamiert und mobilisiert werdenmüssen. Wissenschaftliche Beobachtungen und Interpretationen werden un-ter diesen Umständen von beiden Seiten umkämpft.

Man kann zwischen linearen und nichtlinearen Wachstumsformen unter-scheiden. Ein lineares Wachstum der Netzwerke liegt vor, wenn der Zu-wachs in einem gegebenen Zeitintervall konstant ist. Nichtlineares Wachs-tum liegt vor, wenn der Zuwachs pro Zeitintervall zunimmt. Hier gehe ichauf zwei Mechanismen nichtlinearen Netzwerkwachstums ein. Der erste hatmit der Homogenität der Akteurpopulation zu tun, der zweite mit der Mög-lichkeit der Rekrutierung von Akteuren der Gegenseite.

1. Die Verteilung der Schwellenwerte in der Akteurpopulation ist eine kriti-sche Variable für den Prozeß der Netzwerkentwicklung (Granovetter1978). Wie in Kapitel 3 gezeigt wird, bestimmen sie die Wahrscheinlich-keit, ob und wann ein Akteur sich einer Seite einer Kontroverse an-schließt. Wenn jeder Akteur sich nach dem Motto verhält »Ich gehe,wenn du gehst« (oder: Ich gehe, wenn X eintritt), dann reicht bereits derSchritt eines einzigen Akteurs aus, um eine katalytische Kettenreaktionzu bewirken. Liegen die Schwellenwerte anders, etwa indem die Hand-lungsorientierung spezifiziert wird (»Ich gehe, wenn A geht [oder wennX eintritt]«, wobei A geht, wenn C geht [oder Y eintritt] usw.), dannkommt es nur bei einer hinreichend kleinen Population, die eine hohe In-teraktionsdichte aufweist, zu einer solchen Kettenreaktion, ansonstenbleibt die Aktivierung einzelner Akteure episodisch. Neben diesen beidenExtremfällen gibt es alle denkbaren Abstufungen.

2. In dualistisch strukturierten Politikarenen ist die prinzipielle Möglichkeitgegeben, daß ein Netzwerk durch einen Angriff auf die Gegenseite Ver-bündete und/oder Ressourcen aus dem gegnerischen Netz gewinnt.

Die Mobilisierung dritter Parteien als Bündnispartner ist in öffentlich-diskur-siven Prozessen besonders wichtig. Es kann erwartet werden, daß die Reak-tion der angeklagten Industrie feindlich und die Reaktion der breiten Öffent-lichkeit a priori schwer zu bestimmen ist. Wichtige dritte Parteien sind ein-flußreiche Journalisten, Mitglieder von Parlamentsausschüssen, Verbändenund Umweltgruppen. Die Zahl der »Unentschiedenen« in einer polarisiertenDebatte, die zu Beginn relativ groß ist, nimmt im Zeitverlauf ab. Durch ihreParteinahme erlangt eine Seite die Hegemonialstellung.

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 41

Die Industrie befindet sich angesichts der potentiellen Eigendynamik vonDiskursen in einem Dilemma. Einerseits fürchtet sie diese Eigendynamik, dadie Folgen schwer abschätzbar sind. Es besteht immer das Risiko der»Verschlechterung des Ressourcensaldos«, wenn man sich in der Debattestark engagiert und dadurch unter den Druck der Selbstbindung gerät. Ande-rerseits besteht die

Notwendigkeit, schon so früh wie möglich in die Diskussion einzugreifen, umbestimmte Entwicklungen zu verhindern oder schon die Definition des Problemszu den eigenen Gunsten mitzubestimmen.(Lau 1989: 389f.; vgl. auch Gehring 1996: 219)

Die Rolle von Ideen und Normen bei Entscheidungen unter Unsicherheit

Sozialwissenschaftler sind aus zwei (wenn auch entgegengesetzten) Gründenskeptisch, was die Wirksamkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse auf den Po-litikprozeß angeht. Einmal wird die Macht von Ideen bestritten, das andereMal wird ihre Macht für verhängnisvoll gehalten. Vor allem politikwissen-schaftliche Ansätze sind einem Interessenparadigma verpflichtet, auf dessenBasis Politikprozesse und -ergebnisse durch die Eigennutzorientierung rele-vanter Akteure erklärt werden. Der Einfluß wissenschaftlicher Erkenntnisseauf den Politikprozeß gerät dabei schnell unter »Idealismusverdacht«. Damitzusammenhängen dürfte die Skepsis gegenüber dem technokratischen Poli-tikberatungsmodell, das seine Grenzen längst offenbart hat. Wie verschiedeneArbeiten gezeigt haben, werden wissenschaftliche Ergebnisse in der Regelfür bestehende politische Optionen instrumentalisiert (vgl. das garbage canmodel, Cohen/March/Olsen 1972; Shils 1987), die ihrerseits durch gesell-schaftliche Interessen definiert sind. Auch und gerade bei Entscheidungenunter Unsicherheit, bei denen es grundsätzlich zwei konkurrierende Situati-onsdeutungen und Lösungsvorschläge gibt, ist dieser Prozeß zu beobachten:In zahlreichen gesellschaftspolitischen Kontroversen gruppieren sich be-stimmte Interessengruppen in erwartbarer Weise um (teilweise konträre)wissenschaftliche Hypothesen und Erklärungen. Es überrascht in der Tatwenig, daß die Industrie dabei fast immer auf Seiten derjenigen zu finden ist,die mögliche Schäden bestreiten oder herunterspielen. Doch wird diese Po-sition oft von Akteuren unterstützt, die keinen unmittelbaren Nutzen von derBeibehaltung oder Einführung einer möglicherweise gefährlichen Technikhaben. Und oft beziehen auch Gegner der Technik ihre Position nicht aus ei-gennützigen Motiven (der potentielle Schaden liegt häufig räumlich oder

42 Kapitel 1

zeitlich entfernt). In solchen Kontroversen spielen Normen und Ideen eineentscheidende handlungsmotivierende Rolle.

Gewinnen Ideen gegenüber Interessen an Bedeutung, scheint sich einemögliche Kooperation schwieriger zu gestalten, als es umgekehrt der Fallwäre. Hier liegt der zweite Grund sozialwissenschaftlicher Skepsis. Wenn»Leidenschaften« und Ideologien eine wichtige Rolle spielen (Hirschmann1977; Mayntz/Scharpf 1995: 54ff.; Pizzorno 1986), kann der rationale Inter-essenausgleich in Verhandlungslösungen erheblich erschwert werden. Ideenwerden damit Teil des Problems, statt Teil der Lösung zu sein. Doch in Ver-handlungssystemen, in denen nicht der Interessenausgleich im Vordergrundsteht, sondern die Problemlösung (Benz 1994; March/Simon 1958: 150f.;Mayntz 1993: 47f.), besteht unter bestimmten Umständen ein erhöhtes Po-tential zur Kooperation.

Analysiert man die Handlungsorientierung von Akteuren anhand der bei-den Variablen Partikularinteresse und kognitive Orientierung (Tabelle 1-5),so lassen sich verschiedene Modi von Konfliktbeilegung unterscheiden. Derinteressante Punkt dabei ist folgender: Ist nicht der Interessenausgleich, son-dern die gemeinsame Problemlösung das dominante Ziel, so wächst die Pro-blemlösungsfähigkeit.26 Die Orientierung auf Problemlösung statt Interes-senaushandlung ist dann relativ unproblematisch, wenn Experten über tech-nische Sachfragen verhandeln. Dieser Aspekt wurde in der Literatur bereitsaufgegriffen (Schmidt/Werle 1998). Die Orientierung auf eine umfassendeProblemlösung impliziert allerdings, daß das Partialinteresse hinter der Ge-meinwohlorientierung zurücksteht, gleichzeitig aber mehr als eine rein tech-nische Koordination auf dem Spiel steht. Hier können Ideen ihre Wirksam-keit entfalten. Sie haben einen zwiespältigen Einfluß auf die reale Entwick-lung: sie können zu Blockaden führen, diese aber auch wieder auflösen.

In dieser Typologie erhält man drei Lösungsmöglichkeiten von Blocka-den: Verhandeln, technische Problemlösung und umfassende Problemlö-sung. Die umfassende Problemlösung hat gegenüber den beiden anderen denVorteil, daß man auf ihrer Basis sowohl in den Modus des Verhandelns alsauch in den der technischen Problemlösung wechseln kann, was in der um-gekehrten Richtung sehr viel schwieriger ist.

26 March /Simon (1958) haben darauf hingewiesen, daß neben der Problemlösung »Überre-dung« als zweiter wesentlicher Faktor (im Gegensatz zu bargaining) steht. Siehe auchBenz (1994: 119) und die dort zitierte Literatur.

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 43

In Fragen, die Sicherheit, Gesundheit und die Umwelt betreffen, sind ge-wöhnlich zwei grundsätzliche Positionen anzutreffen, die auf zwei unter-schiedlichen Normen basieren: eine risikofreundliche und eine risikoaversePosition.27 Die erste beruht auf der Norm, daß die Öffentlichkeit vor Gefah-ren geschützt werden sollte, die zweite, daß keine Einmischung in privateInitiative erfolgen sollte. Die erste befürwortet schnelle Regulierungen, auchwenn wissenschaftliche Unsicherheiten fortbestehen, die zweite verlangt zu-erst eine umfassende Klärung aller Fragen. Diese beiden Grundhaltungenberuhen auf prinzipiellen, normativen Orientierungen, die in der Kontroversenicht zur Disposition stehen: dem Vorsorgeprinzip und dem Abwarteprinzip.In Fällen, in denen spezifische Produkte oder Technologien angegriffenwerden, befürwortet die erste vorsorgliches Handeln während die zweite eineabwartende Haltung einnimmt.28 Der Appell an Normen kann ein wirkungs-volles Instrument sein, Akteure von einer bestimmten Politik zu überzeugen(»It may be easier to seduce a Communist or a Christian than to bribe him«,wie Elster [1989: 130] bemerkte). Da normalerweise Firmenvertreter diezweite Option verteidigen, könnte man argumentieren, daß sie Normen reininstrumentell verwenden, um ihre Partikularinteressen hinter einem Allge-

27 Typische, immer wiederkehrende Fragen sind: Bei wem liegt die Beweislast? Was zähltals Schadensnachweis und wer sollte darüber urteilen? Welches Gewicht sollen »Worst-case«-Szenarien, die den schlimmstmöglichen Fall annehmen, gegenüber durchschnittli-chen Szenarien haben? Wie soll man Kosten und Nutzen gegeneinander abwägen? Undwie soll man sie auf verschiedene Regionen der Welt und wie zwischen den Generationenverteilen? Zu diesen Fragen bilden sich institutionelle Entscheidungsregeln heraus.

28 Das gleiche gilt in Fällen, in denen neue, umstrittene Produkte oder Technologien einge-führt werden sollen.

Tabelle 1-5 Arten der Konfliktlösung

Partikularinteressen

stark schwach

starkBlockade /ProblemlösenVerhandeln

UmfassendeProblemlösung /Ausnahmen

schwachVerhandeln /Ausgleichs-zahlungen

TechnischeProblemlösung /Anpassungs-klauseln

KognitiveOrientierung

44 Kapitel 1

meininteresse zu verstecken. Obwohl dies zutreffen kann, sehe ich immernoch zwei Gründe, Normen als real und autonom zu behandeln.29 Der erstebesteht darin, daß neben der Industrie auch andere Akteure das private Un-ternehmertum und das Abwarteprinzip verteidigen. Der zweite ist, daß sichdie Industrie durch ein öffentliches Bekenntnis zu diesem Prinzip selbst bin-det. Es ist für die Industrie verführerisch, sich hinter allgemeinen Normen zuverbergen, weil dadurch die öffentliche Unterstützung wächst, obgleich die-se Strategie sich im Zeitverlauf selbst unterminieren kann.

Man kann Ideen analytisch folgendermaßen aufgliedern (Abbildung 1-2):Sie dienen als symbolische Ressourcen oder leisten als Normen eine Vor-strukturierung. Empirisch können sich beide Funktionen überlagern. Ich un-terscheide zwei Formen von symbolischen Ressourcen: Szenarien und Ka-tastrophenmeldungen. Szenarien sind Prognosen über künftige Zustände, dieaufgrund (mehr oder weniger) bekannter Ausgangsgrößen berechnet werden.

Solche Szenarien können auch als virtuelle Katastrophenmeldungen be-zeichnet werden. Davon zu unterscheiden sind wirkliche Katastrophenmel-dungen, die wegen ihres gesellschaftsweiten Alarmierungseffekts wirksamersind.30 Beide werden im politischen Prozeß als Ressource genutzt und kön-nen blockierte Situationen aufbrechen. Ideen als Normen geben Anstoß zuSituationsdeutungen oder Problemdefintionen, sie führen zu Lösungen, die

29 Normen sind real, weil sie eine unabhängige Motivationskraft besitzen; sie sind autonom,weil sie sich nicht auf Optimierungsregeln reduzieren lassen: »There is no single end –genetic, individual or collective – that all norms serve and that explains why there arenorms. Nor, for any given norm, is there always any end that it serves and that explainswhy it exists« (Elster 1989: 125).

30 Heiner (1986) sieht in der signal-to-noise ratio eine wichtige Variable für die Wahrschein-lichkeit von Präferenzänderungen von Akteuren.

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 45

vorher nicht auf der Tagesordnung standen. Sie zeichnen in ein unstruktu-riertes Feld eine Frontlinie ein.

Verschiedene Autoren haben den Stellenwert von Ideen im Politikprozeßuntersucht (Barker/Peters 1993; Beck/Bonß 1989; Benz 1994; Campbell1985; Fischer/Forester 1993; Goldstein/Keohane 1993; Haas 1992; Jachten-fuchs 1995; Majone 1989; Nullmeier 1993; Weber 1972). In bezug auf denEinfluß von wirtschaftswissenschaftlichem Expertenwissen auf den Politik-prozeß betonte Peter Hall die Bedeutung von »networks of institutionalizedrelations that structure the flow of information, resources and pressure be-tween public and private sectors« (Hall 1989: 380). Auch vorwissenschaftli-che Ideen spielen dabei eine Rolle:

It is ideas, in the form of economic theories and the policies developed fromthem that enable national leaders to chart a course through turbulent economictimes, and ideas about what is efficient, expedient, and just that motivate themovement from one line of policy to another. (Hall 1989: 362)31

Lau et al. bezeichnen die Benutzung von Interpretationen als den häufigstenManipulationsversuch in Policy-Prozessen und definieren sie als Aussagen-bündel über die Konsequenzen von bestimmten politischen Entscheidungen:»The aim of each interpretation is to emphasize a dimension of judgementthat will lead people to prefer one policy proposal over competing, alternati-ve proposals« (Lau et al. 1991: 645). Rücken Ideen so stark in den Vorder-grund, dann kann man Politikfelder nach Diskurskoalitionen durchsuchenund die wesentlichen Akteure mit ihren dominanten Einstellungen (frames,packages, story lines) identifizieren.32

31 Schon Keynes hatte die Macht von Ideen betont: »[T]he ideas of economists and politicalphilosophers, both when they are right and when they are wrong, are more powerful thanis commonly understood. Indeed the world is ruled by little else. Practical men, who be-lieve themselves quite exempt from any intellectual influences, are usually the slaves ofsome defunct economist. Madmen in authority, who hear the voices in the air, are distill-ing their frenzy from some academic scribbler of a few years back. I am sure that the powerof vested interests is vastly exaggerated compared with the gradual encroachment of ideas«(Keynes 1936: 383).

32 Ich verweise hier auf die Literatur zum Thema frame analysis; vgl. Bateson (1983), Goff-man (1980), Heider (1977) und ihre Anwendung im Kontext von sozialen Bewegungen,Massenmedien und Policy-Analyse, vgl. Gamson /Modigliani (1989), Tarrow (1992), Tri-andafyllidou /Fotiou (1998).

46 Kapitel 1

Wissenschaftliche Kontroversen

Wenn Sprecher eine exponierte Stellung einnehmen (Wortführer, vgl. Katz/Lazarsfeld 1955) und ihre Situationsdeutungen relevant sind, verdienen ihreInterpretationen und Rhetorik besondere Aufmerksamkeit. Quantität undQualität der in Frage stehenden Expertenmeinung werden zum Gegenstandder Kontroverse: Welche Wissenschaftler vertreten eine bestimmte Positionund wie glaubwürdig ist diese? Gelingt es, viele Wissenschaftler für eine Po-sition zu mobilisieren, so kann dieser Mengeneffekt als Indikator für Kon-sens gedeutet werden, auch wenn keine wissenschaftlichen Beweise erbrachtwurden. Industriekritisch auftretenden Wissenschaftlern wird in der Regelein Vertrauensvorschuß der Öffentlichkeit gewährt, weil sie im Gegensatzzu industriefreundlichen Wissenschaftlern oft keine finanziellen Vorteile ausihren Forschungen ziehen können. Industriefreundliche Wissenschaftler ihrer-seits haben mit dem Imageproblem zu kämpfen, sie seien hired guns, dieparteiliche Ergebnisse gegen Bezahlung liefern (Bultmann/Schmithals 1994).

Doch gleichgültig, ob industriekritisch oder industriefreundlich: Jede Seitemacht von der Strategie Gebrauch, die Qualität einzelner Expertenaussagenherauszustreichen oder anzuzweifeln. Expertenurteile reklamieren immerwissenschaftliche Daten und Theoreme für sich. Deshalb spielt sich ein Teildes Streits darüber ab, was »gute« Wissenschaft ist (oder was überhaupt alsWissenschaft gelten kann). Latour hat wissenschaftliche Kontroversen mitdem Rüstungswettlauf verglichen. Dieser Vergleich ist nicht abwegig, dennder Rückkopplungsprozeß ist derselbe. Sobald eine Seite harte Fakten ge-schaffen hat, muß die andere Seite nachziehen – oder aufgeben. »The costsof disagreeing will increase« – die Kosten, in einer wissenschaftlichen Kon-troverse eine abweichende Position aufrechtzuerhalten, nehmen enorm zu.

Positive feedback will get under way as soon as one is able to muster a largenumber of mobile, readable, visible resources at one spot to support a point …Once one competitor starts building up harder facts, others have to do the sameor else submit. (Latour 1990: 34f.)

Wie kann die Politik die Qualität von wissenschaftlichen Ergebnissen beur-teilen, wenn die wissenschaftlichen Experten selbst geteilter Meinung sind?Der Gedanke, Politiker würden unter diesen Umständen den Wissenschaft-lern mit der höheren Reputation mehr Glauben schenken, ist zwar verführe-risch, aber ohne Grundlage.33 Drei Gründe sprechen gegen einen besonderen

33 Wohlgemerkt, ich befasse mich hier ausschließlich mit dem Verhältnis Politik / akademi-sche Forschung und lasse das von staatlichen Behörden erzeugte Expertenwissen weit-

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 47

Einfluß von hoch reputierten Wissenschaftlern auf den Politikprozeß. Er-stens spielt Reputation zwar für den innerwissenschaftlichen Diskurs undSelektionsprozeß von Ergebnissen eine entscheidende Rolle (Merton 1973);das Auftreten in der Öffentlichkeit wird hingegen in der Währung der Pro-minenz gemessen (Goodell 1977; H.P. Peters 1994; B. Peters 1996). Andersals (innerwissenschaftliche) Reputation, die sich in der relativen Zitierhäu-figkeit durch Fachkollegen niederschlägt, wird Prominenz durch häufigesAuftreten in der Öffentlichkeit erzielt.34 Zweitens muß in der Politik eineRezeptionsbereitschaft für Themen bestehen, die von wissenschaftlicherSeite als dringend empfunden werden. Nicht jede von der Wissenschaft alsernst eingestufte Frage findet Eingang in die politische Agenda. Dies trifftnoch weniger zu für Lösungsvorschläge von wissenschaftlicher Seite. DieChancen dafür steigen, wenn drittens die Themengestaltung des politischenProzesses unter wesentlicher Teilnahme der Öffentlichkeit erfolgt, vor allemdurch die Massenmedien. Die Häufigkeit, mit der über bestimmte Themen inden Medien berichtet wird, ist nach Mazur (1981) der wichtigste Indikatorfür Politikrelevanz. Die Medien haben zwar nicht die Macht, zu bestimmen,was das Publikum denkt, wohl aber, worüber es denkt – und dies ist ent-scheidend dafür, daß ein Thema für Handlungsdruck in der Politik sorgt.Bloße wissenschaftliche Vermutungen reichen nicht aus, um politischeHandlungen einzuleiten.

Recognition in public arenas, which is the sine qua non of successful socialproblems, cannot be reduced to claims-making activities, but depends on a con-junction of these and audience receptiveness. Claims-making, after all, can fallon deaf ears or meet bad timing. (Ungar 1992: 484)35

Die neuere Wissenschaftssoziologie konzipiert wissenschaftliche Erkennt-nisse als in einem Schließungsprozeß erzeugt, in dem zwei Ressourcen vonüberragender Bedeutung sind: Laboratorien und Interpretationen. Wann im-mer während einer Kontroverse die Aufmerksamkeit auf wissenschaftlicheErkenntnisse fällt, werden Labordaten als Beleg angeführt; und wann immer

gehend außer Betracht, vgl. Fußnote 38.34 Gerhards /Neidhardt (1990: 36) definieren Prominenz als »generalisierte Fähigkeit eines

Akteurs, öffentliche Aufmerksamkeit zu finden«.35 Volker Schneider beobachtete in seiner Studie über das deutsche Chemikaliengesetz, daß

die Thematisierung durch die Wissenschaft »keine hinreichende Bedingung dafür ist, daß[ein Thema] auch auf die Regierungsagenda gelangt … Ein wichtiger zusätzlicher Faktorist öffentliche Nichtakzeptanz einer Situation oder eines Problems«. Es ist möglich, daßdieser Protest von Fraktionen innerhalb des Regierungslagers oder von der internationalenEbene aus gezielt initiiert wird (Schneider 1988: 188).

48 Kapitel 1

die Aufmerksamkeit dafür geschaffen wird, spielen nichtwissenschaftlicheIdeen und Überzeugungen eine entscheidende Rolle. Labordaten sind dasEndprodukt einer Mobilisierung der Natur (Latour 1987: 94ff.), Interpreta-tionen sind das Endprodukt einer Mobilisierung von bias. Selbstverständlichgibt es eine enge Beziehung zwischen beiden Prozessen. In die Produktionvon Labordaten gehen eine Menge an Interpretationen ein und die Mobilisie-rung von Bias findet oft mit Hilfe von Labordaten statt. Das Einfließen vonInterpretationen in Labordaten ist ein Prozeß, der im Endprodukt verschwin-den muß und der unsichtbar gemacht wird, um die Natur als eindeutigeRichterin der Daten erscheinen zu lassen. Bei der Mobilisierung von Biaswerden Labordaten nicht vertuscht, sondern herausgestellt (vorausgesetzt, essind welche vorhanden). In beiden Prozessen traut man Labordaten mehr alsInterpretationen: ihre gesamtgesellschaftliche Reputation ist um ein vielfa-ches höher. Die kollektive Verdrängung der Bedeutung von Interpretationenkann besonders wirkungsvoll durch die Analyse von Prozessen demonstriertwerden, in denen vermeintlich keinerlei Interpretationen eine Rolle gespielthaben. Die Naturwissenschaften eignen sich hierfür besonders gut.

In der Wissenschaftssoziologie haben verschiedene Arbeiten die Politisie-rung der Wissenschaft und die Verwissenschaftlichung der Politik themati-siert (unter anderen: Ezrahi 1990; Gieryn 1995; Jasanoff 1995; Porter 1995;Weingart 1983). Diese Autoren betonen die enge Kopplung der beiden Be-reiche, die auch zur gegenseitigen Verstärkung führen kann. Die Grenzzie-hungen zwischen diesen beiden Bereichen sind ein Prozeß, der sich sowohlauf der Mikro- als auch auf der Makroebene beschreiben läßt. Sie erfolgenzum einen durch Akteurstrategien (boundary work, vgl. Gieryn 1995), zumanderen durch strukturelle Interdependenzen und Differenzierungen.

Für die Analyse von gesellschaftspolitischen Kontroversen, in denen Ex-perten eine besondere Rolle spielen, bieten sich wissenschaftssoziologischeAnsätze an. Die vorliegende Arbeit macht allerdings keinen Gebrauch vonder überwiegend mikrosoziologischen Ausrichtung der sogenannten Labor-studien. Die Fragestellung der Arbeit ist sowohl auf der Mikro- wie auf derMakroebene angesiedelt. Wissenschaftliche Laboratorien besitzen auch fürdie Analyse von gesellschaftsweiten Veränderungen Relevanz. In Anleh-nung an Latour wird hier die These entwickelt, daß die von Laboratorien ge-nerierten Machtpotentiale so groß sein können, daß sie einer scheinbar klei-nen, schwachen Gruppe von Akteuren erlauben, große, mächtige Gruppenzu überflügeln. Es finden Verschiebungsprozesse über mehrere Größenord-nungen statt, in denen Mikroereignisse (und -akteure) zu Makroeffekten füh-ren.

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 49

The scale change form micro to macro and from macro to micro is exactly whatwe should be able to document … The same innovation can lead us from a labo-ratory to a world and from a world to a laboratory. (Latour 1991: 119)

It is this very variation of scale that we want to be able to document, whereby atiny actor becomes stronger than the strong, but without believing in some a pri-ori definition of who or what is strong and who or what is weak.(Latour et al. 1992: 45)

Eine einflußreiche Position (Gadamer 1960) sieht einen grundsätzlichenUnterschied zwischen den Geistes- und Naturwissenschaften. Auf dem Ge-biet der Geisteswissenschaften seien die wesentlichen Entdeckungen schonvor langer Zeit gemacht worden, Forschung in ihrem Bereich beziehe sichweitgehend auf verschiedene Interpretationen derselben Aussagen und Sa-chen. Erkenntnissubjekt und -objekt seien in einem »hermeneutischen Zir-kel« gefangen, aus dem es kein Entrinnen gebe. Anders die Naturwissen-schaften: Aufgrund ihrer Beobachtungen der Welt, die sich ändern, aber ob-jektiv feststellbar sind, sei ein Erkenntnisfortschritt möglich. Diesem Bildwidersprechen die neueren Arbeiten auf dem Gebiet der Soziologie des wis-senschaftlichen Wissens mit der These, daß alle Wissensbereiche sowohldurch interpretative Probleme wie auch durch die Verfügbarkeit von Datengekennzeichnet seien (Holton 1994). Zur Illustration dieser Position könnteman die Gadamersche Metapher des hermeneutischen Zirkels durch die deshermeneutischen Dreiecks ersetzen. Dieses wird durch drei Eckpunkte (A,B, C) bestimmt (Abbildung 1-3): A ist eine Forscherin, die von bestimmtenForschungsresultaten, die sie gemacht hat, überzeugt ist. Sie kann Theoreti-kerin oder Empirikerin sein. Sie betont die Objektivität ihrer Methode unddie Vollständigkeit und Evidenz ihrer Daten. B ist der wohlwollende Kriti-ker, der den Daten und Interpretationen grundsätzlich vertraut, aber einenetwas anderen Zusammenhang sieht. Wahrscheinlich bewertet er den Daten-gehalt geringer als A, aber höher als (der übelwollende Kritiker) C. Und erbewertet die Interpretationsintensität höher als A, aber niedriger als C. Es istauch denkbar, daß der wohlwollende Kritiker die Position von A auf eineWeise stärkt, die A selbst gar nicht gesehen hatte (siehe Position B’ in Ab-bildung 1-3).

C ist der übelwollende Kritiker. Er widerspricht A’s Position, wobei dreiStrategien denkbar sind:

1. Er bestreitet die Güte der Daten.2. Er bestreitet den Zusammenhang zwischen Daten und Interpretation.3. Er bestreitet die Interpretation.

50 Kapitel 1

In allen Fällen beweisen die gefundenen Daten für C nicht das, was A be-hauptet. Er hält A’s Ergebnisse für überinterpretiert, wenn nicht gar für bloßeSpekulation. Stellt man die drei Positionen als jeweils verschiedenen Mixzwischen Datengehalt und Interpretationsintensität dar, so ergibt sich Abbil-dung 1-3 als graphische Repräsentation.

Welches Urteil die Wissenschaftsgemeinschaft über die Ergebnisse von Afällen wird, hängt von der zahlenmäßigen Verteilung zwischen den drei Ty-pen und ihrer Nähe zu A oder C ab. Nimmt man der Einfachheit halber an, Asei eine Einzelforscherin, so gibt es vor allem zwei Möglichkeiten:

1. Dominiert B über C, so kommt es zu einer Unterstützung von A, auchwenn B nicht alle Behauptungen von A teilt. Dies ist wahrscheinlich,wenn B eine Gruppe darstellt, die sich aus vielen individuellen Urteilen(B1, B2,… Bn) zusammensetzt, von denen eine große Fraktion nahe bei Aliegt (einschließlich der Möglichkeit, daß B’ eine »härtere« Variante vonA liefert).

2. Dominiert C über B, so ist die Hypothese von A nicht akzeptiert: sie mußals »widerlegt« gelten (Abbildung 1-4).36 Dies ist wahrscheinlich, wenn

36 Diese soziologische Beschreibung von Erkenntnisprozessen als sozialer Prozeß ist einfachund gilt auch für Bereiche wie den der Mathematik, in denen man von logischen Beweisen

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 51

B eine Gruppe darstellt, die sich aus vielen individuellen Urteilen (B1,B2,… Bn) zusammensetzt, von denen eine große Fraktion nahe bei Cliegt. In diesem Fall befindet sich auch der wohlwollendste Kritiker näherbei C als bei A.

Auf welche Weise kann die Wissenschaft ein Machtpotential in gesell-schaftlichen Kontroversen bereitstellen? Wie kann sie dies mit ihrer Objek-tivität vereinbaren? Wissenschaft wird in einem sozialen Kontext betrieben,in dem viele außerwissenschaftliche Faktoren eine Rolle spielen. Wissen-schaftler besitzen Ergebnisse, die aus Laboratorien stammen, also mit Hilfevon Maschinen und Instrumenten gemacht wurden (Shapin 1984). Die imErgebnis verkörperte Objektivität erhebt ihr Urteil weit über das von Bür-gern, Politikern, Journalisten oder Managern (Porter 1995).

Die Objektivität der wissenschaftlichen Ergebnisse wird durch eine Aus-löschung der Motive, Strategien und Interessen erzeugt. Der Einfluß derWissenschaftler erklärt sich durch die so erlangte Reinheit der Ergebnisse.Kontext und Inhalt der Wissenschaft entstehen in zwei unterschiedlichen,aber simultan ablaufenden Prozessen. Latour nennt sie Hybridisierung undPurifizierung. Ähnlich spricht Luhmann davon, daß außerwissenschaftliche

und Widerlegungen spricht. Bevor ein Beweis als Beweis akzeptiert wird, muß seine Lö-sung von der Mathematikergemeinde akzeptiert sein (MacKenzie 1993).

52 Kapitel 1

»Einwirkungen wie störende Geräusche behandelt und ausgemerzt« würden.Dennoch ist dieses Rauschen, zu dem auch »persönliche Eigenarten und Le-bensumstände [gehören], unentbehrliche Betriebsvoraussetzung der For-schung« (Luhmann 1986: 153).37

Hybridisierung bedeutet, daß bei der Konstruktion von Daten keineGrenzen bestehen, was als Ressource genutzt werden kann. Feldmessungen,Einschätzungen von Wissenschaftlern über die Art und Schwere des Pro-blems, Rechenmodelle, die Interpretation von Daten, das Naturbild, Kausal-annahmen über das Spezialproblem und die Welt werden in ein wissen-schaftliches Ergebnis übersetzt. Purifizierung bedeutet, daß die Arbeit, dieauf diese Mobilisierung und Vermischung der Elemente verwandt wurde,unsichtbar gemacht wird. Dadurch erhält man am Ende wissenschaftlicheErgebnisse, die für sich selbst sprechen: ein Diagramm oder eine Illustration– mächtige Instrumente, die überreden und überzeugen können. Sie sindfreilich das aufbereitete Endergebnis, das die Vorgeschichte seiner Entste-hung vergessen läßt. Unterließ es die klassische Wissenschaftssoziologie,diese aufpolierten Endergebnisse, die black boxes, zu öffnen, so konzentrie-ren sich neuere Ansätze auf die Genese wissenschaftlicher Erkenntnisse, alsoauf den Prozeß, in dem Hypothesen zu Fakten, in dem science fiction zuscience wird.

Solche Fakten kommen nur zustande, wenn wissenschaftliche Ergebnissefür glaubwürdig gehalten werden, von den Kollegen im näheren und fernenUmfeld und von einer sich ausdehnenden Kette von Überzeugten: Shapin(1984) spricht von virtual witnessing. In gesellschaftspolitischen Kontrover-sen, in denen ein Konsens nur teilweise vorhanden oder fragil ist, findet einKampf der interessierten Parteien um die Glaubwürdigkeit von Daten undihre Interpretation statt. Durch diese Formulierung des Problems wird esmöglich, analytische Distanz zum politischen und zum wissenschaftlichenProzeß herzustellen: man ist nicht gezwungen, Aussagen über die wissen-schaftliche (oder gar normative) Richtigkeit von Politikentscheidungen undwissenschaftlichen Ergebnissen zu treffen. Die hier vorgestellte Analyseversucht, sich eines Urteils darüber zu enthalten, welche Seite zu welchemZeitpunkt Recht hatte und wie es sich mit den Vorgängen in der Stratosphärewirklich verhält. Diese Haltung ist angesichts der hier nachgezeichnetenEntwicklung (die tatsächlich zu einem nationalen und internationalen, politi-

37 Siehe auch Jasanoff (1986: 229): »In fact, the experts themselves seem at times painfullyaware that what they are doing is not ›science‹ in any ordinary sense, but a hybrid activitythat combines elements of scientific evidence and reasoning with large doses of social andpolitical judgement.«

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 53

schen und wissenschaftlichen Konsens geführt hat) zwar schwer, aber me-thodisch unerläßlich.

Institutionelle Opportunitätsstrukturen

Politiknetzwerke entwickeln sich nicht im luftleeren Raum. Sie sind einge-bettet in die institutionelle Struktur eines Landes, einer Region oder des in-ternationalen Systems. Ihre Erfolgschancen sind abhängig von institutionel-len Opportunitätsstrukturen und Ressourcen, die beide durch historischeKontingenzen beeinflußt sein können. Es ist bezeichnend, daß viele Akteure(und neue Verbündete) korporative Akteure sind und nicht Privatindividuen.Sie repräsentieren eine Institution und handeln stellvertretend für sie, ohnein jedem einzelnen Schritt durch diese beauftragt oder kontrollierbar zu sein(Coleman 1974; Mayntz/Scharpf 1995, 50f.; Pratt /Zeckhauser 1985). Diesist in der Literatur im Falle von Firmen- oder Behördenvertretern geläufig(so in der principal-agent theory, und in Putnams two-level game), und kannauch (in anderer Form) bei Wissenschaftlern und Medienvertretern beob-achtet werden. Diese »Unschärferelation« ermöglicht die Verwandlung einerStellungnahme eines Akteurs in eine Ressource des gesellschaftlichen Kon-flikts: Es erfolgt die Abschöpfung eines symbolischen Mehrwerts. Wenn einWissenschaftler einer bekannten, prestigereichen Institution eine Aussagezur Kontroverse macht, so wird diese nicht nur seiner Person zugerechnet,sondern auch der Institution, die ihn beschäftigt. Durch diesen Umstandkönnen Aussagen erheblichen Zuwachs an symbolischer Bedeutung erlan-gen. Wissenschaftler renommierter Institutionen (Elite-Universität, NationalAeronautics and Space Administration [NASA]) haben größere Chancen,daß man ihren Messungen glaubt, als Wissenschaftlern einer unbekanntenUniversität oder einer staatlichen Behörde (vgl. Crane 1965; Merton 1985c).38

Ein ähnlicher Mechanismus spielt bei Presseberichten eine Rolle, in denenPartei ergriffen wird. Dies ist in der Regel gleichzeitig eine Parteinahme desBlattes, die um so glaubwürdiger erscheint, wenn es im Durchschnitt fürseine besonnene und sachliche Berichterstattung bekannt ist. Schließlich istauf die relative Autonomie von Repräsentanten korporativer Akteure hinzu-weisen. Diese können im Namen einer Institution handeln, ohne in allen

38 Das in staatlichen Verwaltungen produzierte Expertenwissen (regulatory science, vgl. Ja-sanoff 1990; Irwin et al. 1998) nimmt im Vergleich zu Erkenntnissen großer unabhängigerForschungseinrichtungen in der Regel einen geringeren Rang ein.

54 Kapitel 1

Punkten von oben abgedeckt zu sein. Dies ermöglicht ihnen manchmal, neueFakten zu schaffen, die ex post anerkannt werden (müssen).

Historische Kontingenzen können zu einer pfadabhängigen Entwicklungführen (Arthur et al. 1987), die durch institutionelle Strukturen begünstigtoder behindert wird. Entscheidend ist jedoch das Vorhandensein eines Netz-werkes, das solche Entwicklungen zu nutzen versteht. Diese Überlegung istin dieser Studie für den Ländervergleich wichtig. Auf ihrer Basis kann ge-zeigt werden, daß weder Ideen und Interessen, noch institutionelle Opportu-nitätsstrukturen allein die jeweilige abhängige Variable (Regulierungsdichte)erklären können. Gleichwohl machen sie das unterschiedliche Entstehen, dasWachstum und die Stärke der Politiknetzwerke im Ländervergleich ver-ständlich.

Institutionelle Rahmenbedingungen schaffen unterschiedliche Opportu-nitätsstrukturen für das Entstehen von Politiknetzwerken und für ihr mehroder weniger erfolgreiches Operieren. Ich habe darauf hingewiesen, daß da-für erstens der Typ des Politikfelds eine Rolle spielt, also die Frage, wie Ko-sten- und Nutzenverteilungen durch regulative Maßnahmen beeinflußt wer-den, und zweitens der Typ des Problems, also ob es um Gemeinschaftsgüter,Klubgüter, öffentliche Güter oder Privatgüter geht. Bezieht man die interna-tionale Ebene ein, so wird das Bild komplizierter. Hier ist insbesondere dar-auf hinzuweisen, daß bestimmte Konstellationen in den Handlungsoptionenverschiedener nationaler Regierungen internationale Regulierungen begün-stigen oder erschweren. Internationale Abkommen auf dem Umweltsektorhängen – wie auf anderen Sektoren auch – entscheidend von der innenpoliti-schen Lage in den beteiligten Ländern ab. In verschiedenen Ländern beste-hen unterschiedliche Strukturen, die für die Repräsentation diffuser Interes-sen begünstigend oder hemmend wirken. Die Vermutung liegt nahe, daß inkorporatistischen Ländern vor allem gut organisierte Interessen repräsentiertwerden, diffuse Interessen es hingegen schwer haben, auf die Tagesordnungzu gelangen (Berger 1981; Martell 1994; Schmitter /Streeck 1985). Dies än-dert sich vor allem dann, wenn »grüne« Parteien im Parlament vertreten sind(Vogel 1993).

Regulierung: Internationale Kooperation?

Die Politik ist in jedem Land mit verschiedenen Entscheidungen konfron-tiert. Zum ersten muß sie entscheiden, wie sie gegenwärtige und künftigeKosten und Nutzen gegeneinander abwägen will. Kosten und Nutzen sindabhängig von der Schadenshöhe, die sich bei Nichthandeln ergäbe und von

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 55

den Kosten, die eine Regulierung mit sich brächte. Beide sind meist unsicherund können nur geschätzt werden. Dieses Dilemma nimmt unterschiedlicheGestalt an, je nachdem, ob eine Regierung die Interessen der Industrie ver-tritt oder um (grüne) Wählerstimmen kämpft oder versucht, beides zugleichzu tun (Tsebelis 1990). Steht sie unter dem Druck der (risikoaversen) öffent-lichen Meinung, wird sie auf der oberen Linie von Abbildung 1-5 operieren;versucht sie, ihre Industrie zu schützen, auf der unteren.

Wissenschaftliche Ergebnisse lassen sich dazu benutzen, Regulierungenzu befürworten oder abzulehnen. Sie dienen also auch der Maskierung ande-rer (ökonomischer) Gründe. In obigem Entscheidungsbaum wird deutlich,daß die potentiell endlose Kette, die sich bei der Verfolgung der unteren Li-nie ergibt, zur Bewahrung von Industrieinteressen insofern gut eignet, als sieein Spiel auf Zeit möglich macht. Läßt der (öffentliche) Problemdruck nach,so kann das Thema wieder von der Agenda verschwinden, ohne daß die In-dustrie Regulierungen hinnehmen muß. Sowohl die Maskierung der eigenenInteressen als auch das Spiel mit der Zeit sind für Regierungsgegner attrak-tiv. Sie müssen allerdings damit rechnen, daß Regulierungen früher oderspäter doch noch kommen, und es ist riskant, sich auf immer neue wissen-schaftliche Unsicherheiten zu verlassen, denn es besteht die Möglichkeit,daß später aufgrund öffentlicher Reaktionen viel schärfere Regulierungen er-folgen, als in einer frühen Phase vorgesehen waren (oder wissenschaftlichangeraten erscheinen).

Die vier Typen regulativer Politik (siehe oben) wurden am Beispiel vonRegulierungen auf nationaler Ebene gewonnen. Auf nationaler Ebene ist dieIdentifikation von Interessengruppen und politischer Entscheidungsinstanzeinfach. Wie ist dies im internationalen Rahmen? Ein naheliegender Kandi-dat für die Rolle des Repräsentanten von globalen diffusen Interessen ist dieUnited Nations Organization (UNO) oder eine ihrer Spezialorganisationen,wie das UNEP.

Fragt man, welche politischen Akteure und welche politischen Entschei-dungsinstanzen international relevant sind, wird der Unterschied zur Regu-lierung auf nationaler Ebene deutlich. Hier gibt es eine staatliche Autorität,

56 Kapitel 1

die die Spielregeln festlegen kann und durch ihre Vorgaben ein für alle ver-bindliches Ergebnis produzieren kann. Im internationalen Rahmen ist diesanders: Dort müssen sich alle Akteure gemeinsam auf Ziele einigen undauch auf Regeln zu ihrer Realisierung. Dabei verfügt keiner der beteiligtenAkteure über Zwangsmöglichkeiten, auch die UNO nicht. Doch kann sie dieRolle des neutralen Maklers spielen, der für Rahmenvorgaben sorgt, indemer organisiert, technisches und wissenschaftliches Expertenwissen mobili-siert und die divergierenden Interessen zu koordinieren versucht. Dies ge-lingt umso besser, je mehr diese sich in den Prozeß einlassen und sich demneutralen Makler anvertrauen. Durch diesen Selbstbindungsmechanismussteigen die Exit-Kosten, und die Akteure versuchen, ihre Voice-Optionen zuerhalten (Hirschmann 1974).

Das Argument der globalen Dimension ist nicht an sich schon Garant da-für, daß eine globale Problemlösung wirklich angestrebt wird. Je nach Kon-text kann das Argument für oder gegen internationale Regulierung einste-hen. Es kann für die Mobilisierung entsprechender Aktivitäten verwendetwerden, wenn die Industrie eines Landes schon Regulierungen hat hinneh-men müssen und aufgrund erlittener Wettbewerbsnachteile diese Regulie-rungen auf die anderen Länder ausgedehnt wissen möchte. Das Argumentder internationalen Dimension eignet sich aber auch zur Legitimation der ei-genen Untätigkeit für Länder, die noch nicht reguliert haben. Dies kann dazuführen, daß internationale Verhandlungen beginnen, bei denen nur eine Seiteein wirkliches Interesse an einem Ergebnis hat. Doch auch eine Industrie,die auf nationaler Ebene schon reguliert wurde, kann sich gegen internatio-nale Regulierungen aussprechen, wenn diese weitere Verschärfungen bräch-ten oder Tochterfirmen in anderen Ländern betroffen würden, in die man dieProduktion ausgelagert hat. Diese Überlegungen zeigen, daß es unmöglichist, aufgrund von Ex-ante-Nutzenbestimmungen oder Präferenzbildungenstrukturelle Aussagen abzuleiten.

Es ist relativ schwierig, die Präferenz von Unternehmen, die möglichenRegulierungen gegenüberstehen, abstrakt zu bestimmen. Einmal ist es denk-bar, daß jede Industrie eines jeden Landes Regulierungen im anderen Landbefürwortet, da sie dadurch einen Wettbewerbsvorteil erhält, das heißt ihrenExport steigern kann. Genausogut könnte die Industrie jedoch die Solidaritäthöher bewerten und sich weltweit gegen Regulierungen aussprechen, weildiese zum Beispiel einen Präzedenzfall schaffen würden, den man vermei-den will.39

39 »Precedent seems to exercise an influence that greatly exceeds its logical importance or

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 57

Die Frage der internationalen Kooperation stellt sich außerdem unter-schiedlich, je nachdem, ob die Regierung ihre »angeklagte« Industrie schütztoder nicht, ob sie sich von den Interessen der Industrie abkoppelt und vor-rangig um »grüne« Wählerstimmen kämpft oder nicht (Schneider 1988;Tsebelis 1990). Die Entscheidung darüber hat einen Einfluß auf die Wahr-scheinlichkeit von internationaler Kooperation. Hier lassen sich vier Fälleunterscheiden:

1. Eine Regierung schützt die eigene Industrie, die schon reguliert wurde,auf dem Weltmarkt.

2. Eine Regierung schützt die eigene Industrie vor künftigen Regulierungen.3. Eine Regierung schützt die eigene Industrie, die schon reguliert wurde,

auf dem Weltmarkt nicht.4. Eine Regierung schützt die eigene Industrie nicht vor künftigen Regulie-

rungen.

Dominiert die Schutzfunktion (Fälle 1 und 2), so kann

a. ein Land, das auf nationaler Ebene im Gegensatz zu anderen Ländern be-reits reguliert hat, darauf drängen, den dadurch entstandenen Wettbe-werbsnachteil wieder aufzuholen, indem durch die Verabschiedung inter-nationaler Abkommen auch die anderen zur Regulierung gezwungenwerden;

b. ein Land, das nicht reguliert hat und die Offensive aus (a) erwartet, solange wie möglich versuchen, den ökonomischen Vorteil seiner Industrieaufrechtzuerhalten.

Ist die Schutzfunktion gering oder gleich Null (Fälle 3 und 4), so geht

c. von der Regierung, die schon reguliert hat, nicht notwendigerweise einImpuls zu internationaler Kooperation aus, weil sich die Politikoptionenin der Zwischenzeit verändert haben können (durch Regierungswechsel,anstehende Neuwahlen) und die bereits erfolgte eigene Regulierungrückblickend als Fehler eingeschätzt wird, der sich international nichtwiederholen sollte.40

legal force. A strike settlement or an international debt settlement often sets a ›pattern‹that is followed almost by default in subsequent negotiations.« Dies ist besonders dann derFall, wenn der Präzedenzfall besonders sichtbar ist (Schelling 1960: 67f.).

40 Im Gegensatz zum Fall des sauren Regens, wo die Bundesrepublik Deutschland ihre Groß-feuerungsanlagenverordnung exportierte (Héritier 1996), unternahm sie nichts, um ihrvergleichbar restriktives Gentechnikgesetz in andere Länder zu exportieren (siehe Frank-furter Rundschau, 15.11.1995: 1).

58 Kapitel 1

d. Ist die Schutzfunktion angesichts einer ausländischen Regulierungsinitia-tive gering, so sind die Chancen relativ groß, daß sich diese Initiativedurchsetzt, vorausgesetzt, die jeweiligen Adressaten der ausländischenInitiative haben keine zusätzlichen Gründe, sich zu wehren.

Die Chancen zur internationalen Regulierung sind am geringsten, wenn (a)und (b) sich gegenüberstehen, also wenn sich Regierung und Industrie einesLandes gemeinsam für eine Option entschieden haben und auf Länder tref-fen, in denen die andere Option gewählt wurde. Ein angelaufener Koopera-tionsprozeß kann durch (d) erlahmen (unilateraler Rückzug aufgrund geän-derter Politikoptionen), oder durch Kombination mit (b) abgebrochen wer-den (Regierung bewertet die eigene Ökonomie höher als Umweltschutz).

Heterogene Akteureigenschaften sind relevant bei der Lösung von Koope-rationsproblemen. Untersucht man die Bereitschaft zur Initiative (in Formder Selbstbindung oder Vorreiterrolle), die in der Population der Verhand-lungsparteien ungleich verteilt ist, so kann man drei Möglichkeiten unter-scheiden:

1. Ein Akteur spielt den Vorreiter, bleibt aber allein.2. Ein Akteur spielt den Vorreiter und löst einen Dominoeffekt aus.3. Ein Akteur spielt den Vorreiter, trifft aber auf Antagonisten, wodurch die

Situation blockiert wird.

Die Frage nach den Bedingungen erfolgreicher Kooperation verwandelt sichdamit in die Frage: Unter welchen Bedingungen ergreift ein Akteur die Ini-tiative und unter welchen Bedingungen sind die anderen bereit, ihm zu fol-gen?

1.2.4 Netzwerke und systemische Variablen

Es soll in dieser Arbeit nicht geklärt werden, ob das Modell der funktionalenDifferenzierung moderner Gesellschaften für die Beschreibung der sozialenRealität des ausgehenden 20. Jahrhunderts angemessen ist oder nicht. Dersoziologische mainstream scheint jedenfalls auf Basis dieses Modells zuoperieren (Alexander 1985; Alexander/Colomy 1990; Collins 1986). Da-nach lassen sich verschiedene gesellschaftliche Bereiche voneinander ab-grenzen, wie Politik, Wissenschaft, Wirtschaft / Industrie und Öffentlichkeit.Die Systemtheorie spitzt diese These durch Verwendung von autopoieti-schen Modellen zu, in denen neben das Prinzip der funktionalen Differenzie-

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 59

rung das der »operativen Geschlossenheit« tritt (Luhmann 1984; Stichweh1987; Willke 1992). Gesellschaftliche Teilsysteme sind in dieser Konzeptionoperativ geschlossen, sie können sich gegenseitig nicht mit Input versorgen.Der Vorteil dieses Konzepts ist eine analytische Klarheit, die allerdings umden Preis erkauft sein könnte, bestimmte Segmente der Realität nicht fassenzu können. Grauzonen der Vermischung entgehen diesem Ansatz, sollten sieempirisch vorfindbar sein. Neuere Arbeiten aus der Wissenschaftsforschungbehaupten beispielsweise, daß die Wissenschaft seit einiger Zeit einen Struk-turwandel durchläuft, bei dem die traditionellen disziplinären Grenzen, aberauch die Grenzen zwischen Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft aufgeho-ben oder neu gezogen werden (Gibbons et al. 1994; vgl. auch van den Daele,Krohn und Weingart 1979; Jasanoff 1995; Weingart 1981). Gibbons et al.unterscheiden zwischen zwei Arten der Wissensproduktion, die sie Modus 1und 2 nennen. Sie konstatieren ein relatives Zurückdrängen des (mono-)dis-ziplinär erzeugten Wissens, das im Rahmen einer weitgehend hierarchischenArbeitsteilung erzeugt wurde (Modus 1). Gleichzeitig nimmt die transdis-ziplinäre, über mehrere Wissensgebiete verlaufende Wissensproduktion zu.Wissen entsteht mehr und mehr in Anwendungskontexten, wobei die außer-wissenschaftliche Problemorientierung und die organisatorische Flexibilitäteine große Rolle spielen (Modus 2). Der Einfluß wissenschaftlicher Ergeb-nisse auf den Politikprozeß ist ebenso bemerkenswert wie umgekehrt derEinfluß gesellschaftlicher Erwartungen auf den Forschungsprozeß. Nicht-wissenschaftliche Akteure bestimmen darüber mit, was Gegenstand der For-schung sein soll, wo und wie geforscht wird. Die entscheidende Ebene derAnalyse ist daher nicht die systemische Ebene, sondern die Akteurebene, aufder bestimmte Konstellationen bestimmte Ergebnisse bewirken (Braun 1993;Krohn/Küppers 1987; Teubner 1992; Weyer 1993). Besonders interessantist dabei, welchen Zusammenhang es zwischen Veränderungen in Akteur-konstellationen und politischen Ergebnissen gibt.

Konzipiert man die Arenen der Auseinandersetzung in allgemeiner Form,so spielen neben der Wissenschaft die Bereiche Öffentlichkeit, Industrie undPolitik die entscheidende Rolle. Verfolgt man den Prozeß durch die Brilledieser Makroperspektiven, so läßt sich fragen, welches Gewicht oder welcheMacht diesen verschiedenen Bereichen zukommt und welche Konsequenzendies für das Ergebnis hat. Es lassen sich vier wesentliche Konstellationenausmachen, in denen jeweils ein anderes System die Kontrolle oder Do-minanz des Prozesses innehat: die Wissenschaft, die Ökonomie (Industrie),die Politik oder die Medien. Von Industrie, Medien und Politik können spe-zifische Leistungen eingefordert werden (von der Industrie Produktionsstop,

60 Kapitel 1

von den Medien Thematisierung und von der Politik Regulierung). Von derWissenschaft kann nur das gefordert werden, was sie ohnehin tut, nämlichsicheres Wissen zu erarbeiten. Dieses Privileg sagt aber noch nichts über diepolitische Durchschlagskraft aus, die an mehrere Voraussetzungen geknüpftist. Es weist nur darauf hin, daß sie in solchen Situationen sehr förderungs-würdig ist. Sie muß ihr Wissen knapp halten und die Definitionsmacht überden gesamten Zeitraum aufrechterhalten können, um eine Transformationvon wissenschaftlichen Ergebnissen in politische Praxis betreiben zu kön-nen. Der Politik böte dies den Vorteil der wissenschaftlichen Legitimation.Ungeklärt bleibt dabei die Akzeptanz durch die Öffentlichkeit – man denkenur an die Differenz zwischen wissenschaftlichen und alltagsweltlichen Risi-koabschätzungen (Kahnemann et al. 1982; Jungermann/Slovic 1993) unddas drohende Demokratiedefizit – weshalb eine rein wissenschaftliche Legi-timation unter Umständen nicht ausreicht für eine erfolgreiche politischeRegulierung, wie Shils betont hat:

Laymen do turn to scientists for advice that they think is both objective and de-finitive, but it is often the case that the existing stock of valid knowledge is notsufficient to justify an unambiguous assertion regarding the costs and benefits ofa particular policy … Objectivity is a very crucial element in the giving of scien-tific advice. Advisors are too frequently chosen not so much because the legisla-tors and officials want advice as because they want apparently authoritative sup-port for the policies they propose to follow. It is obvious that in complying withthese desires, the legislators and the officials are in collusion with the scientiststo exploit the prestige that scientists have aquired for objectivity and disinterest-edness. (Shils 1987: 201)

Aufgrund der Überlegungen zu den vier Typen regulativer Politik (Tabelle1-1) ist zu erwarten, daß die Industrie in den Fällen dominiert, in denen Ko-sten und Nutzen so verteilt sind, daß sie im (kontrafaktischen) Regulierungs-fall allein die Kosten tragen würde, die breite Öffentlichkeit den Nutzenhätte, aber keine öffentlichen Sprecher sich des Themas annehmen. Kompli-zierter wird es, wenn solche Sprecher auftreten; in diesem Fall kann mannicht mehr a priori annehmen, daß sich die Industrie durchsetzen wird.

Eine politische Dominanz ist denkbar, wenn die Problemstruktur der»Mehrheitspolitik« vorliegt, also Nutzen und Kosten diffus verteilt sind, undes an der Politik liegt, eine Mehrheit für die Regulierung zu bekommen.Dies gelingt in der Regel, wenn politische Unternehmer (Kingdon 1984) dieLösung des Problems in einer bestimmten Richtung ansteuern. Dadurch wirddie Erwartungsunsicherheit abgebaut, setzt aber voraus, daß sowohl wissen-

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 61

schaftliche Ergebnisse als auch die Öffentlichkeit in diese Richtung gehen –was unwahrscheinlich sein dürfte.41

Bleibt die Dominanz der Öffentlichkeit, die in der Tat ein großes Potentialan Einflußmöglichkeiten besitzt, wie verschiedene Arbeiten gezeigt haben(de Haan 1995; Keplinger 1988; Schulz 1976). Die Medien bestimmen nicht,was die Leute über Probleme denken, sondern worüber sie denken (Iyengar1987). Wie Mazur (1981) gezeigt hat, führt gesteigerte Medienaufmerksam-keit über wissenschaftliche und technische Kontroversen dazu, daß das Pu-blikum eher risikoavers reagiert, unabhängig davon, wie die Stoßrichtungder Berichterstattung aussieht. Laien nehmen die bloße Medienaufmerksam-keit für Kontroversen als ein Indiz dafür, daß Risiken sehr wahrscheinlichsind – nebenbei bemerkt ist dies eine Haltung, der man eine gewisse Ratio-nalität nicht absprechen kann.42

Als Ergebnis dieser kurzen Überlegungen zum Dominanzpotential läßtsich festhalten, daß dieses nur unter sehr unwahrscheinlichen Bedingungenbei einem System allein lokalisiert werden kann. Dennoch mangelt es nichtan Versuchen zu reduktionistischen Erklärungen. Wie ich in Kapitel 6 zei-gen werde, gibt es vor allem ökonomische und kognitivistische monokausaleAnsätze zur Erklärung der Regulierungen im FCKW-Fall. Die Variablen Öf-fentlichkeit und Politik wurden interessanterweise weniger berücksichtigt.

Demgegenüber versuche ich, solche Kombinationen zu ergründen, die eine»konzertierte« Dominanz von Akteuren verschiedener Teilsysteme ermögli-chen. Die erfolgversprechendste Kombination scheint die zu sein, in derAkteure aus verschiedenen Teilsystemen und Organisationen zusammenfin-den und einen bestimmten Kurs einschlagen. Sobald dies gelungen ist undselbstverstärkende Mechanismen eingesetzt haben (vor allem staatliche For-schungsförderung und Medienaufmerksamkeit) ist es wahrscheinlich, daßdieser Politikbereich durch eigendynamische Prozesse beherrscht wird. Dieselassen sich mit akteurzentrierten Instrumenten präziser analysieren als durchVariablen der systemischen Makroebene. Dabei sind Motivationen von Ak-teuren und Mobilisierungsstrategien von Netzwerken besonders interessant.

Die auffallendsten Merkmale dieser Netze sind ihre Größenveränderungim Zeitverlauf. Sie gewinnen und verlieren Verbündete, ihre Ressourcenwachsen und schrumpfen, Akteure und Ressourcen wechseln gar die Seiten.Eine Prognose über das Ergebnis (Schließung der gesellschaftspolitischen

41 Mehr als die Hälfte aller Briten lehnte das im Dezember 1997 eingeführte Verbot des Ver-kaufs von beef on the bone ab.

42 Für eine stringente Formulierung dieses Gedankens siehe Føllesdal (1979) und Elster(1993).

62 Kapitel 1

Kontroverse möglich? Wenn ja, wann und wie?) ist a priori nicht möglich,da jederzeit unerwartete Ressourcen oder Akteure eine Rolle spielen können.Der Ansatz taugt aber insofern zur Generierung von Hypothesen, als dieunterschiedliche öffentliche Glaubwürdigkeit wahrscheinlich eine Vorent-scheidung der Kontroverse bringt.43

1.3 Methodisches Vorgehen

1.3.1 Fallstudie

Die Methode der Fallstudie wird generell dann angewandt, wenn mehr Va-riablen als Datenpunkte vorhanden sind (hier und zum Folgenden: Yin1994). Erklärungen im strikten Sinne sind deshalb kaum zu erwarten, daselten Kausalbeziehungen gemessen werden können. Der Stil der Präsentationist meist narrativ und erreicht nicht die Präzision von quantitativen Daten-analysen. Theoretische Erklärungen sind dennoch möglich, wenn ein theo-retischer Bezugsrahmen entwickelt und die Daten in Form einer Zeitreiheaufgearbeitet wurden. Da Ursache und Wirkung in der Zeit nicht reversibelsind, bietet dies die Möglichkeit, Kausalbeziehungen zumindest zu plausibi-lisieren. Die Erklärungskraft wächst zusätzlich, wenn damit rivalisierendeTheorien widerlegt werden können. Ich versuche zu zeigen, daß die Regulie-rungen auf nationaler wie internationaler Ebene mit dem hier entwickeltenNetzwerkansatz erklärt werden können und zwar besser als mit anderenTheorien.

Ein Problem besteht darin, falsche Generalisierungen zu vermeiden, diesich aufgrund des Fallstudiencharakters der Untersuchung ergeben. Genera-lisierungen in Fallstudien sind jedoch nicht generell unmöglich. Yin (1994)unterscheidet zwischen »statistischer« und »analytischer« Generalisierung.Letztere ist möglich, wenn die Daten der Fallstudie eine Theorie stützen.Stützen zwei oder mehr Fälle dieselbe Theorie, so spricht er von Replikation.

43 Krisenhafte Zuspitzungen können eine Lösung oder Beendigung der Kontroverse hervor-rufen und Kooperation befördern (Heiner 1986; Tsebelis 1990). In solchen Situationen istder Handlungsdruck auf die Politik und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit am größ-ten. Auch innerhalb der Wissenschaft dürfte sich ein Einfluß der Krise bemerkbar machenund zu einer Parteinahme wichtiger Akteure führen. Auf der Akteurebene setzt dies vor-aus, daß Schwellenwerte überschritten werden, die bei verschiedenen Akteuren unter-schiedlich hoch sein können.

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 63

Dieses Vorgehen darf allerdings nicht verwechselt werden mit der Vergrö-ßerung der Stichprobe in statistischen Verfahren (weshalb es sich hier umkeine statistische Generalisierung handelt). Das Durchführen mehrerer Fall-studien ist eher vergleichbar mit der Replikation eines Experiments.

Obwohl es eine gewisse Ähnlichkeit zwischen historischen Analysen undFallstudien gibt, sollte darauf verwiesen werden, daß die Stärke der Fallstu-die darin besteht, daß sie eine Fülle von Datenquellen verwendet: Beobach-tungen, Dokumente und Interviews. Eine Fallstudie unterscheidet sich vonhistorischer Rekonstruktion darin, daß sie zwei Mittel einsetzen kann, diedem Historiker nicht zur Verfügung stehen, vor allem die direkte Beobach-tung zeitgenössischer Ereignisse und systematische Interviews.

1.3.2 Quellen

Als Quellen verwende ich:

– relevante naturwissenschaftliche Publikationen aus dem Bereich der At-mosphärenwissenschaften;

– offizielle Berichte der Regierungen und Parlamente beider Länder (odersolche, die in deren Auftrag erstellt wurden, wie die durch NASA undEnquetekommission herausgegebenen);

– Veröffentlichungen von internationalen Organisationen (World Meteoro-logical Organization [WMO], UNEP);

– Presseberichte;– einschlägige sozialwissenschaftliche Sekundärliteratur;– Archive;– vom Autor durchgeführte Interviews mit Experten.

Die Interviews fanden zwischen September 1994 und Juni 1995 statt. DieAuswahl der Experten (N = 52) erfolgte zu Beginn meiner Forschungen aufBasis der Durchsicht der Sekundärliteratur und wurde nach dem Schneeball-verfahren erweitert. Die Gespräche dauerten zwischen dreißig Minuten unddreieinhalb Stunden, mit einigen Experten sprach ich mehrmals, teilweisestanden sie mir zu vielfachen Rückfragen zur Verfügung. Die Experten glie-dern sich in Atmosphärenwissenschaftler, Vertreter der chemischen Indu-strie oder ihrer Interessenorganisationen, Umweltorganisationen sowie akti-ve und ehemalige Mitarbeiter staatlicher Verwaltungen. Zur Durchführungwurde ein strukturierter und teilstandardisierter Fragebogen verwendet. Diegrößte Befragtengruppe kommt aus der Wissenschaft (N = 27), wovon der

64 Kapitel 1

größte Teil in den USA arbeitende Wissenschaftler (N = 16) sind.44 Die an-deren Experten kommen aus der Industrie (N = 5), aus Politik, Diplomatieund staatlicher Verwaltung (N = 20). Diese Klassifizierung erfolgte auf-grund der ausgeübten Funktion im Untersuchungszeitraum, die teilweisenicht identisch ist mit der heutigen Tätigkeit. Die Auswertung der Interviewserfolgte auf Basis der Transkription und der Verwendung des Softwarepro-gramms ISYS. Die Daten wurden anonymisiert. Das Anonymitätsprinzipließ sich allerdings nicht vollständig durchhalten, da viele der Befragten so-wohl in der Fachliteratur als auch in den Medien namentlich erwähnt werden(und auch mir gegenüber nicht auf Wahrung der Anonymität bestanden).Drei der befragten Wissenschaftler erhielten 1995 den Nobelpreis für Che-mie. Das sture Festhalten am Anonymitätsprinzip hätte bei informierten Le-sern einen bizzaren Eindruck hinterlassen, weshalb ich es für gerechtfertigthalte, zentrale Akteure namentlich zu nennen, wobei als Beleg, wenn mög-lich, nicht meine Befragung, sondern eine zugängliche Quelle dient. Die Ar-chive des Umweltbundesamtes (UBA), von Paul Crutzen und F. SherwoodRowland lieferten zahlreiche Zusatzinformationen. Paul Crutzen las das ge-samte Manuskript und gab wichtige Hinweise.

Hans-Jürgen Aretz führte eine Begleituntersuchung zur Berichterstattungder Qualitätsprintmedien im Untersuchungszeitraum 1974 bis 1990 für beideLänder durch. Seine Ergebnisse wurden für die entsprechenden Abschnittein den Kapiteln 4 und 5 ausgewertet.

1.3.3 Zeitraum und Umfang

Die Zeitspanne, die in dieser Arbeit abgedeckt wird, reicht von der Veröf-fentlichung der FCKW-Ozon-Hypothese im Jahr 1974 bis zu den internatio-nalen Vereinbarungen von Montreal (1987), London (1990) und Kopenha-gen (1992), mit einigen Ausblicken in die Zeit danach. Dies ist zwar einüberschaubarer, etwa zwanzigjähriger Zeitraum, der sich naturgemäß anbie-tet, aber an die Grenze dessen geht, was ein einzelner Forscher in einer sinn-vollen Zeitspanne leisten kann, sofern er eine hinreichende historische Tie-fenschärfe anstrebt. Im Gegensatz zu zahlreichen sozialwissenschaftlichenVeröffentlichungen zum Thema, die in jüngerer Zeit erschienen sind, be-schränke ich mich nicht auf das internationale Regime zum Schutz der

44 Im Untersuchungszeitraum wechselten zwei Wissenschaftler aus den USA nach Europa,während einer von Europa in die USA ging.

Ein überraschender Erfolg der Umweltpolitik 65

Ozonschicht, sondern analysiere die erste Phase der Regulierungsversucheauf nationaler Ebene ebenso wie den Vergleich zweier Länder. Dadurch ver-suche ich zwei wichtige Dimensionen zu gewinnen, die das Endergebnis aufeine breitere Grundlage stellen sollen. Die eine Dimension führt zur Frage-stellung nach den Brüchen und Kontinuitäten zwischen den beiden Phasen,die zweite zur Frage nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten in beidenLändern. Diese Fragestellungen bieten sich auch deshalb an, da sich in bei-den Ländern zentrale Akteure befinden.

Kapitel 2

Anatomie einer Erfolgsgeschichte

Jedes Jahr im Herbst melden die Nachrichten Neues vom Ozonloch über derAntarktis. Die Berichterstattung hat fast etwas Ritualhaftes, da das Skriptimmer das gleiche zu sein scheint: Im Vergleich zum Vorjahr vergrößertsich das Ozonloch oder die Ozonwerte erreichen neue Tiefstwerte (Abbil-dungen 2-1 und 2-2). Offenbar werden auf diesem Gebiet nur Negativrekordeaufgestellt. Beim Laienpublikum entsteht der Eindruck, daß angesichts dieserkatastrophalen Entwicklung zu wenig getan werde. Tatsächlich hat sich dieinternationale Staatengemeinschaft bereits auf Maßnahmen verständigt, diedas Problem lösen können. Nach Ansicht der Experten wird es jedoch nocheinige Jahrzehnte dauern, bis das saisonal auftretende Ozonloch über demSüdpol verschwinden wird (WMO 1994). Dies liegt vor allem an der Lang-lebigkeit der ozonzerstörenden Substanzen, die trotz ihres teilweisen Pro-duktionsverbots noch lange in der Atmosphäre verbleiben. So weit ist der –zunächst paradox anmutende – Sachverhalt einfach: Obwohl sich der Zu-stand der Ozonschicht erst einmal verschlechtert, ist von einem langfristigenErfolg der Maßnahmen auszugehen. Komplizierter wird es hingegen, wennman verstehen will, wie es überhaupt zu einem verbindlichen Maßnahmen-katalog kommen konnte. Dieses Kapitel versucht, eine Einführung in dieProblematik zu geben. Der erste Abschnitt zeigt, welche ozonzerstörendenStoffe es gibt, welche Auswirkungen eine dünnere Ozonschicht hat und aufwelche Weise das Problem auf die politische Tagesordnung kam. Der zweiteAbschnitt verweist auf die internationalen Maßnahmen zum Schutz derOzonschicht und ihr Zustandekommen. Im letzten Abschnitt geht es um re-visionistische Tendenzen, die diese Maßnahmen bekämpfen.

Anatomie einer Erfolgsgeschichte 67

2.1 Die Ozonschicht

Die Ozonschicht befindet sich etwa zwischen 10 und 50 Kilometern überdem Meeresspiegel und schützt vor bestimmten schädlichen Wellenlängenultravioletten (UV) Sonnenlichts, vor allem vor UV-B. Deshalb führt jedenennenswerte Reduktion der Ozonsäule zu einer Zunahme von UV-B- Strah-lung auf der Erde. Bevor man auf Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) alsmögliche Schädiger der Ozonschicht aufmerksam wurde, waren vor allemNuklearexplosionen und Flugzeugabgase in der Diskussion. Letztere warenEnde der sechziger Jahre in einem Technikfolgenabschätzungsprojekt derUS-Regierung untersucht worden, wo man mögliche Effekte durch eine ge-plante Flotte von Überschallflugzeugen erforschte (zum Beispiel vom TypConcorde). Es wurde befürchtet, daß der Betrieb von fünfhundert Über-schallflugzeugen die Ozonschicht um 22 Prozent abbauen könne (Johnston1971). Eine spätere Studie entdramatisierte die Risiken erheblich (CIAP1973). Etwa zur selben Zeit vermuteten Wissenschaftler, daß Chlor aus denAbgasen der geplanten space shuttles eine viel stärkere Wirkung auf dieOzonschicht haben könnte (Stolarski /Cicerone 1974). Damit wurde manzum ersten Mal auf die Möglichkeit aufmerksam, daß Chlor eine potentielleGefahr für die Ozonschicht ist. Im selben Jahr wurden Fluorchlorkohlen-wasserstoffe als mögliche Ozonzerstörer thematisiert.

2.1.1 Ozonzerstörende Substanzen und ihre möglichenAuswirkungen auf die natürliche Umwelt undmenschliche Gesundheit

FCKW wurden 1928 von Thomas Midgley, einem Ingenieur bei GeneralMotors, erfunden. Er entdeckte, daß Dichlordifluormethan (CF2Cl2) günstigeEigenschaften für den Einsatz in der Kältetechnik hatte: Es war nicht brenn-bar, nicht giftig und kühlte beim Verdampfen in Kühlaggregaten stark ab.Du Pont patentierte die Stoffe und begann, sie unter dem Markennamen Fre-on herzustellen. Die Ausbreitung erfolgte schnell. Schon 1945 waren diemeisten Kühlschränke in den USA, die zuvor mit einer Ammoniak- oderSchwefeldioxidtechnik betrieben worden waren, durch FCKW-Technik er-setzt. Im Zweiten Weltkrieg benutzte die US-Firma Dow Chemical FCKWzur Herstellung von Styropor, später kamen neue Anwendungsbereiche hin-zu: Die Substanzen wurden als Treibgase in Sprühdosen eingesetzt, zunächst

68 Kapitel 2

für Insektizide, später vor allem in Körperpflegemitteln. Fast schien es, alsfände jede Dekade ein neues großes Anwendungsgebiet dieser Wunderche-mikalien (Litfin 1994: 58f.). Die Wachstumsraten stiegen steil an. 1954wurden etwa 75.000 Tonnen von FCKW 11 und 12 produziert, 1974 warenes über 800.000 (Enquetekommission 1990: 31). Hier eine Übersicht überdie wichtigsten ozonzerstörenden Stoffe:

Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW): Dies sind Derivate einfacher Koh-lenwasserstoffe (wie Methan oder Propan), in denen alle Wasserstoffatomedurch Chlor- und Fluoratome ersetzt wurden. Man bezeichnet sie deshalb alshalogenierte Kohlenwassersoffe.1 Im Gegensatz zu einfachen Kohlenwasser-

1 Die Angaben stützen sich auf Parson /Greene (1995), siehe auch den Anhang, Verzeichnischemischer Substanzen, S. 357.

Anatomie einer Erfolgsgeschichte 69

stoffen reagieren diese Stoffe nicht mit anderen Substanzen in der unterenAtmosphäre. Die gebräuchlichsten FCKW sind/waren2 FCKW 11 (CFCl3)und FCKW 12 (CF2Cl2).3

Halone sind wie FCKW, denen sie ähneln, vollkommen synthetische Stoffe,die Brom enthalten. Sie wurden vor allem in Feuerlöschern eingesetzt und

2 Ich verwende das Imperfekt, um anzuzeigen, daß diese Stoffe nicht mehr in großem Um-fang produziert werden.

3 Die technische Nomenklatur dieser Stoffe wurde von Du Pont entwickelt. Dabei repräsen-tiert die Zahl ganz rechts die Anzahl der Fluoratome, die zweite Zahl von rechts die An-zahl der Wasserstoffatome plus eins, und die dritte Zahl von rechts die Anzahl der Koh-lenstoffatome minus eins. Chlor wird nicht gezählt. CFCl3, das ein Fluoratom, kein Was-serstoffatom und ein Kohlenstoffatom enthält, heißt demnach FCKW 011 oder einfachFCKW 11.

70 Kapitel 2

haben im Vergleich zu FCKW ein vielfaches Ozonzerstörungspotential. Diegebräuchlichsten waren die Halone 1211 (CF2BrCl) und 1301 (CF3Br).

Methylchloroform (CH3CCl3) ist ein synthetisches industrielles Lösungs-mittel, das zur Reinigung von Metalloberflächen und bei der chemischenTrockenreinigung verwendet wurde. Da es Wasserstoffatome enthält, zerfälltes in der unteren Atmosphäre und steigt deshalb nicht in die Stratosphäreauf. Sein Ozonzerstörungspotential ist deshalb vergleichsweise niedrig.

Tetrachlorkohlenstoff (CCl4) ist eine synthetisch hergestellte Substanz,die hauptsächlich als Ausgangsbasis für andere Stoffe verwendet wurde, vorallem für FCKW 11 und 12.

Methylbromid (CH3Br) wird synthetisch produziert, kommt aber auch inder Natur vor. Es wird vor allem in der Landwirtschaft eingesetzt und ent-steht beim Verbrennen von Biomasse und verbleitem Benzin. Seine Lebens-dauer ist relativ kurz.

Teilhalogenierte Fluorchlorkohlenwasserstoffe (H-FCKW) wurden alsErsatzstoffe für FCKW entwickelt, von denen sie sich darin unterscheiden,daß sie Wasserstoffatome enthalten. Dadurch ist ihre Wirkung auf das stra-tosphärische Ozon geringer.

Auch Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW) wurden als Ersatz für FCKWentwickelt. Da sie kein Chlor oder Brom enthalten, zerstören sie auch keinOzon, aber sie sind ein wirkungsvolles Treibhausgas. Der wichtigste Ersatz-stoff ist HFKW 134a, der als Kühlmittel in Klimaanlagen und Kühlschrän-ken an Stelle von FCKW 12 eingesetzt wird.

All diese Stoffe haben eine unterschiedlich starke Ozonwirksamkeit(ozone depletion potential, ODP), die bei ihrer Regulierung in Betracht ge-zogen wurde. Vollhalogenierte Verbindungen wie FCKW 11, 12, 113, 114,115 und CCl4 haben hohe ODP-Werte. Teilhalogenierte Substanzen wie H-FCKW 22, CH3CCl3, CH3Cl und CH3Br werden in der Troposphäre teilwei-se umgewandelt, weshalb sie eine kürzere Lebenszeit (und ein vergleichs-weise niedriges ODP) haben. Der Beitrag einer Substanz zur globalen Ozon-zerstörung kann berechnet werden durch das Produkt der produzierten Men-ge eines Stoffes und seinem ODP.

Nimmt die Ozonkonzentration in der Stratosphäre ab, erreicht mehr UV-B-Licht die Erdoberfläche. 1 Prozent weniger Ozon entsprechen etwa 2 Pro-zent mehr UV-B. Eine höhere UV-B-Strahlung führt zu vermehrter Häufig-keit von Hautkrebs und grauem Star, außerdem zur Bedrohung von Getreide-ernten, Algen, Plankton usw. Im Effekt führt eine 1prozentige Abnahme derOzonschicht zu einer Steigerung der non-melanomen Hautkrebsfälle um 3Prozent (hier und zum Folgenden: Enquetekommission 1990: Kap. 4; Litfin

Anatomie einer Erfolgsgeschichte 71

1994). Nach einer Schätzung der amerikanischen Umweltbehörde Environ-mental Protection Agency (EPA, 1987) hätte ein ungebremstes Wachstumvon FCKW-Emissionen Ende nächsten Jahrhunderts zu 180 Millionen Fäl-len von Hautkrebs geführt, wovon 3,5 Millionen tödlich gewesen wären. Bisheute ist der Anteil der durch FCKW verursachten Hautkrebsfälle nicht eta-bliert – was unter anderem daran liegt, daß die hauptsächliche Forschung aufdem Gebiet der Chemie und Physik stattfand und nicht auf dem der Biolo-gie.4 Außerdem ereigneten sich Änderungen des Lebensstils (vor allem Son-nenbaden) historisch parallel zur Ausdünnung der Ozonschicht, weshalb esschwierig ist, den Anteil dieser Stoffe am Anstieg der Hautkrebsrate heraus-zufiltern. Bei anderen Auswirkungen mag dies einfacher sein. Die EPA-Studie schätzte, daß 2,8 Millionen Amerikaner bis 2075 an grauem Star er-kranken würden und daß 1 Prozent Abnahme der Ozonschicht zu einerweltweiten Zunahme von Blindheit bei 100.000 Personen führen werde.Vermehrte UV-B-Strahlung kann auch das menschliche Immunsystem be-einträchtigen und damit die Körperabwehr gegen Infektionskrankheiten her-absetzen und die Effektivität von Schutzimpfungen reduzieren. Laborexpe-rimente haben zudem gezeigt, daß eine höhere UV-B-Dosis das Pflanzen-wachstum verlangsamt und Meereslebewesen zerstört.

2.1.2 Die Molina-Rowland-Hypothese (MRH)

Sherwood Rowland und Mario Molina, zwei Chemiker an der Universitätvon Kalifornien in Irvine, veröffentlichten im Juni 1974 einen Artikel inNature, der folgenreich sein sollte. Darin stellten sie die Hypothese auf, daßFCKW eine starke Abnahme der Ozonkonzentration in der Stratosphäre be-wirken können (Molina/Rowland 1974). Diese Hypothese bedeutete einegrundlegende Neubewertung einer der »Wunderchemikalien« der Nach-kriegszeit. FCKW waren billig, chemisch inert, nicht brennbar, nicht korro-siv und nicht toxisch. In ihrer Publikation stellten Molina und Rowland fol-gende Kausalkette auf: FCKW haben eine lange Lebensdauer (von 40 bis150 Jahren), es existieren keine bodennahen Senken, in denen sie aus derAtmosphäre entfernt werden. FCKW erreichen die Stratosphäre unbescha-det, wo sie von UV-Licht zerlegt werden; dabei entstehen Chlorradikale, die

4 Ein Mitarbeiter der EPA nannte folgende Zahlen: Während allein die USA pro Jahr 200Mio. US-Dollar für Atmosphärenforschung ausgeben, liegt der Betrag für die Folgenfor-schung weltweit unter 1 Mio. US-Dollar (zit. bei Litfin 1994: 56).

72 Kapitel 2

die Ozonmoleküle in einer katalytischen Kettenreaktion im oberen Teil derStratosphäre, in etwa 35 bis 45 Kilometern Höhe, zerstören. Die voraus-sichtliche Ozonabnahme wurde auf 7 bis 14 Prozent in 100 Jahren geschätzt(Molina/Rowland 1974).

Die Molina-Rowland-Hypothese löste nach ihrer Veröffentlichung einedauerhafte öffentliche Kontroverse aus, in der die beiden Autoren der Hypo-these als öffentliche Warner auftraten und ein schnelles Eingreifen forderten,um FCKW-Emissionen zu senken. Sie wurden darin durch wenige andereWissenschaftler unterstützt. Ihnen gegenüber standen, wenig überraschend,Chemiefirmen und -verbände, wobei sich der weltgrößte FCKW-ProduzentDu Pont am meisten exponierte. In den siebziger Jahren wurde die Firmaauch von renommierten Atmosphärenwissenschaftlern unterstützt, die dieRolle von »Entlastungszeugen« spielten. Sie traten, wie die FCKW-Kritiker,bei öffentlichen Anhörungen und in den Medien in Erscheinung und bezwei-felten den von den kritischen Wissenschaftlern behaupteten Handlungs-druck. Ähnlich wie die chemische Industrie hielten sie weitere Forschungfür nötig, bevor Maßnahmen zulässig seien. Die chemische Industrie betei-ligte sich an der wissenschaftlichen Forschung direkt oder unterstützte siefinanziell. Zweifelsohne erwartete sie durch diese Forschungsförderung eineWiderlegung der Molina-Rowland-Hypothese oder ein Verschwinden desProblems von der politischen Agenda. Das Argument, erst weitere For-schungsergebnisse abzuwarten, diente ihr als Legitimation für ein Spiel aufZeit.

2.1.3 Der Beginn einer politischen Kontroverse

Die Industrie untersuchte die von Molina und Rowland aufgestellte Hypo-these nach Schwachstellen und versuchte, sie empirisch zu widerlegen.Gründe zum Zweifel an der Hypothese würden sich ergeben, wenn bei-spielsweise große natürliche Quellen von aktivem Chlor existieren, die zah-lenmäßig wichtiger sind als anthropogene Quellen wie FCKW. Eine kurzeLebenszeit von FCKW würde das Problem ebenso entschärfen wie der feh-lende Nachweis eines Ozonverlusts. Falls doch eine Ozonabnahme feststell-bar wäre, könnte das Problem immer noch dadurch entschärft werden, indemder Zusammenhang zwischen Ozonabnahme und möglichen Auswirkungen(Krebshäufigkeit, Pflanzenwachstum, Augenkrankheiten usw.) angezweifeltwird.

Anatomie einer Erfolgsgeschichte 73

In ihrer Attacke auf die Molina-Rowland-Hypothese machte die Industrievon allen Strategien Gebrauch. Sie steht in einem antagonistischen Verhält-nis zu den FCKW-Kritikern. Beide befinden sich in einem Nullsummenspielum wissenschaftliche Erkenntnisse: Jeder Gewinn für eine Seite ist ein Ver-lust für die andere.

Du Pont ging bis 1982 von einer sehr kurzen Lebensdauer der FCKWaus. Das 1978 begonnene Atmospheric Lifetime Experiment brachte 1983das Ergebnis, daß die Lebenszeit von FCKW wie folgt anzusetzen war: fürFCKW 11 circa 75 Jahre; für FCKW 12 110 Jahre, für Tetrachlorkohlenstoff50 Jahre und für Methylchloroform 6,5 Jahre. Bis dahin versuchte die Indu-strie immer wieder, die angeblich kurze Lebensdauer der Stoffe als Entla-stungsargument zu benutzen. Auch wurde die Frage nach dem Zusammen-hang zwischen abnehmender Ozonschicht, vermehrter UV-Strahlung undvermehrtem Auftreten von Hautkrebs frühzeitig aufgegriffen und ein Dauer-brenner der Kontroverse.

Die durch die Warner der ersten Stunde entfachte politische Debatte, inder sie sich für eine Emissionsminderung dieser Stoffe einsetzten, führteschließlich dazu, daß die politischen Entscheidungsträger von einer vorsorg-lichen Politik überzeugt wurden, so daß es 1977 in den USA zu einem ge-setzlichen Verbot von FCKW als Treibgas in Spraydosen kam. Zwei Jahrenach Veröffentlichung der MRH empfahl eine von der US-Regierung einge-setzte task force unter Berufung auf eine Studie der National Academy ofSciences (NAS), die Anwendung von FCKW 11 und FCKW 12 in nicht-essentiellen Anwendungen (Sprühdosen) zu verbieten. Der Gesetzgeber kamdieser Empfehlung nach; ab Dezember 1978 waren die entsprechenden An-wendungen verboten.

Mit dieser Maßnahme wurde die Welt-FCKW-Produktion um etwa einViertel vermindert. Dieses Verbot erfolgte nicht aufgrund des wissenschaft-lichen Nachweises der Kausalhypothese, sondern aufgrund ihrer Glaubwür-digkeit in der Öffentlichkeit und bei Politikern. Die Industrie wurde nichtmüde, die FCKW-Ozon-Hypothese als »Theorie«, das heißt reine Spekulationabzutun, konnte das Aerosolverbot aber nicht verhindern (mittlerweile wurdeden beiden Autoren der Hypothese zusammen mit Paul Crutzen der Nobel-preis für ihre Arbeiten zur Ozonschicht zuerkannt).

Wissenschaftliche Daten haben in der Kontroverse eine große Rolle ge-spielt. Da die wissenschaftlichen Ergebnisse jedoch kontrovers waren, führtedies zeitweise zur Blockierung des Entscheidungsprozesses – ein Umstand,der den Status quo bewahrte. Du Pont faßte die zugrundeliegende Logik1975 in einer ganzseitigen Anzeige in der New York Times so zusammen:

74 Kapitel 2

»Should reputable evidence show that some fluorocarbons cause a healthhazard through depletion of the ozone layer, we are prepared to stop pro-duction of the offending compounds.« In den folgenden Jahren unternahmDu Pont alles, um das Fehlen einer solchen wissenschaftlichen Evidenz her-auszustreichen. Sie skizzierte in dieser Anzeige die politische Linie der Fir-ma für die kommenden Jahre: »Claim meets counterclaim. Assumptions arechallenged on both sides. And nothing is settled.« In dieser Aussage warfreilich eine Selbstbindung enthalten, die dazu führte, daß man die wissen-schaftliche Forschung als Schlachtfeld akzeptierte und sich von den Ergeb-nissen der Forschung abhängig machte.

2.2 Internationale Maßnahmen

Obwohl die USA versuchten, das 1977 erlassene Aerosolverbot in anderegroße Erzeugerländer von FCKW (vor allem in die EG) zu exportieren,zeigten sich diese unbeeindruckt von deren Vorreiterrolle; lediglich Länderohne eigene FCKW-Produktion vollzogen denselben Schritt (Kanada, Nor-wegen und Schweden). Die europäischen Hersteller hatten Mitte der achtzi-ger Jahre einen Wettbewerbsvorteil auf Kosten der USA erreicht, den sienicht kampflos aufgeben wollten. Zur Legitimation der ablehnenden Haltungwurden erwartungsgemäß wissenschaftliche Erkenntnisse angeführt, die dieLage entdramatisierten, wodurch politische Eingriffe als nicht geboten er-schienen.

Die EG reduzierte 1980 den Einsatz von FCKW im Aerosolbereich umnur 30 Prozent und war lange Zeit lediglich bereit, über eine künftige Pro-duktionsbeschränkung zu sprechen. Die bevorzugte Formel lautete, die Pro-duktionskapazitäten (die nicht augelastet waren) zu kontrollieren. Nach1985 geriet diese abwieglerische Linie durch zwei Faktoren unter Druck: ei-nerseits durch die Entdeckung des antarktischen Ozonlochs, andererseits gabes innerhalb der EG immer schärfere Differenzen über eine gemeinsame Li-nie. Die Bundesrepublik zeigte sich aufgeschlossen gegenüber den weitge-henden amerikanischen Reduktionsvorschlägen; Großbritannien, Frankreich,Italien und Spanien hingegen nicht. Aufgrund des damals geltenden Ein-stimmigkeitserfordernisses auf dem Sektor der EG-Umweltpolitik definier-ten die Bremser die Linie der EG.

Zu Beginn der achtziger Jahre gab es zwei gegenläufige Entwicklungen:Zum einen initiierte die Umweltorganisation der Vereinten Nationen (UNEP)

Anatomie einer Erfolgsgeschichte 75

einen internationalen Verhandlungsprozeß, der die Kontrolle von FCKW-Emissionen zum Ziel hatte. Zum anderen verschwand das Thema fast voll-ständig von der politischen Tagesordnung, weil die FCKW-Emissionen vor-übergehend zurückgegangen waren und die Atmosphärenmodelle nur einegeringe langfristige Ozonabnahme voraussagten (Abbildung 2-3).

Im März 1977 fand ein von der UNEP einberufenes Treffen in Washing-ton DC statt, auf dem ein (nicht bindender) »World Plan of Action« zumSchutz der Ozonschicht verabschiedet wurde.5 1982 begannen die interna-tionalen Verhandlungen zum Schutz der Ozonschicht. Im März 1985 unter-zeichneten 20 Staaten und die Europäische Gemeinschaft die Wiener Kon-vention. Diese enthielt außer der Verpflichtung der Vertragsstaaten, sich ander Forschung zu beteiligen und das Problem zu beobachten, keinen Maß-nahmenkatalog zur Emissionsreduktion. Es wurden nicht einmal die Sub-stanzen erwähnt, die die Ozonschicht beeinträchtigen könnten. FCKW wer-

5 Die folgende Darstellung basiert auf Parson /Greene (1995) und UNEP (http: / /www.unep.ch /ozone / treaties.htm).

76 Kapitel 2

den lediglich im Anhang des Vertrags als Stoffe erwähnt, die beobachtetwerden sollten. Der wichtigste Punkt der Konvention bestand darin, For-schung zu betreiben und die Kooperation und den Informationsaustauschzwischen den Ländern zu fördern. Dennoch stellt sie insofern einen Präze-denzfall dar, als die Parteien darin übereinstimmten, ein globales Umwelt-problem anzugehen, bevor seine Auswirkungen sichtbar oder wissenschaft-lich nachgewiesen waren.

2.2.1 Das Montrealer Protokoll

Im September 1987 unterzeichneten 24 Staaten das Montrealer Protokoll, indem sich die industrialisierten Länder dazu verpflichteten, die Produktionund den Verbrauch von FCKW bis 1999 zu halbieren, sowie die Produktionund den Verbrauch von Halonen bis 1992 einzufrieren. Entwicklungsländernwurde eine zehnjährige Schonfrist eingeräumt. Eine Besonderheit des Proto-kolls besteht darin, daß es verschärft werden kann, wenn wissenschaftlicheErkenntnisse dies erfordern, ohne daß das gesamte Protokoll neu verhandeltwerden muß. Sein Ziel besteht in der Eliminierung der ozonzerstörenden Sub-stanzen (ozone depleting substances, ODS). Das Protokoll trat am 1. Januar1989 in Kraft, nachdem 29 Länder und die EG es ratifiziert hatten. DieseLänder verbrauchten etwa 82 Prozent der FCKW-Weltproduktion. Mittler-weile haben 165 Länder die Konvention und das Protokoll ratifiziert.

Die Vertragsparteien kamen auf ihrer ersten turnusmäßigen Sitzung 1989in Helsinki überein, im Jahr darauf strengere Maßnahmen zu erlassen. Auchsollte ein finanzieller Mechanismus geschaffen werden, der die Entwick-lungsländer bei ihren Anstrengungen zur Emissionsreduktion unterstützt. ImJuni 1990 wurden in London Ergänzungen zum Protokoll angenommen. Sowurde der Ausstieg aus FCKW und Halonen zur Jahrhundertwende be-schlossen; weitere Substanzen wurden in die Liste aufgenommen (Methyl-chloroform, Tetrachlorkohlenstoff und einige ursprünglich nicht kontrol-lierte FCKW) und es wurde ein multilateraler Fond eingerichtet, der denAusstieg in Entwicklungsländern fördern sollte (»Länder nach Artikel 5«,die weniger als 0,3 kg pro Kopf verbrauchen). Diese behielten jedoch diezehnjährige Schonfrist. In den Fond sollten 160 bis 240 Mio. US-Dollar fürdrei Jahre eingezahlt werden.

Auf der vierten Konferenz der Vertragsstaaten im November 1992 in Ko-penhagen wurde die Ausstiegsfrist für Halone auf 1994 (nur für industriali-sierte Länder) und für FCKW, Methylchloroform und Tetrachlorkohlenstoff

Anatomie einer Erfolgsgeschichte 77

auf 1996 vorgezogen. H-FCKW wurden zum ersten Mal in die Liste derkontrollierten Substanzen aufgenommen (Ausstieg im Jahr 2030). Die Pro-duktion von Methylbromid wurde – beginnend mit dem Jahr 1995 – auf demNiveau von 1991 eingefroren. Diese Regelung betraf nicht die Entwick-lungsländer, die außerdem die Schonfrist für andere Substanzen behielten.Außerdem wurde der Multilaterale Fond auf permanente Basis gestellt undauf dem fünften Treffen der Vertragsparteien im November 1993 in Bang-kok auf 510 Mio. US-Dollar aufgestockt.

Zwar brachte erst dieser Ausweitungs- und Verschärfungsprozeß einenendgültigen Ausstieg aus den wichtigsten ozonzerstörenden Substanzen.Dieser Prozeß konnte aber nur einsetzen, nachdem völkerrechtlich bindendeMaßnahmen verabschiedet worden waren, die ein deutliches Signal in bezugauf die Wachstumschancen dieser Stoffe setzten; ab 1989 waren denn auchalle großen FCKW-Produzenten für einen »geordneten Rückzug« aus diesenProdukten. Deshalb wird die Analyse in dieser Arbeit weitgehend auf dasZustandekommen dieses Protokolls beschränkt.

Neben den Kontrollmaßnahmen setzte das Montrealer Protokoll ein insti-tutionelles Regelwerk in Kraft, das die Implementation des Regulierungs-prozesses steuern soll. Das höchste Gremium ist die Konferenz der Ver-tragsstaaten, die einmal jährlich zusammentritt und die das Protokoll erwei-tern oder verändern kann. Alle zwei bis drei Jahre überprüft sie die einge-gangenen Verpflichtungen. Dieser Körperschaft sind folgende Beratungs-gremien zugeordnet: Expertengremien zur Datenberichterstattung; wissen-schaftliche, technische und ökonomische panels; eine open-ended workinggroup, die die Treffen der Vertragsstaaten vorbereitet; das Exekutivkom-mittee des Multilateralen Fonds und das Implementationskommittee. Außer-dem existiert das Ozon-Sekretariat der UNEP in Nairobi, ausgestattet mit ei-nem Jahresbudget von 3 Mio. US-Dollar und 9 Mitarbeitern. Es bereitet diejährlichen Vertragsstaatenkonferenzen vor, leitet die Implementierung derEntscheidungen ein, beobachtet die Implementierung; berichtet an die Ver-tragsstaaten, repräsentiert die Konvention und das Protokoll in den relevan-ten internationalen Gremien und macht Informationen zugänglich.

Im internationalen Verhandlungsprozeß kristallisierten sich, wie auch aufnationaler Ebene, zwei Hauptgruppen heraus. Einer vorwärtstreibenden Ak-teurgruppe stand eine andere gegenüber, die entweder keine oder wesentlichmildere Maßnahmen wollte. Die progressive Akteurgruppe unterhielt einNetzwerk bestehend aus hohen oder höchsten Repräsentanten von EPA,NASA, WMO, State Department, UNEP, unterstützt durch einige nordischeLänder. Auch spielte die Verhandlungsleitung (der österreichische Diplomat

78 Kapitel 2

Lang und der UNEP-Direktor Tolba) eine konstruktive Rolle.6 Dieses Netz-werk arbeitete an einer verbindlichen internationalen Vereinbarung, die dieGefahr für die Ozonschicht auf ein Minimum reduzieren sollte. Es nutzte alswesentliche Ressource die wissenschaftlichen Daten, die im Auftrag vonWMO/UNEP durch eine Vielzahl von Wissenschaftlern vorgelegt wurden.

Obwohl die FCKW-Hersteller durch neue Anwendungen ihre Ende dersiebziger Jahre im Aerosolbereich erlittenen Marktverluste überkompensie-ren konnten und die Emissionen nach 1982 wieder deutlich anstiegen, hiel-ten die meisten Atmosphärenmodelle damals keine dramatische Entwicklungfür möglich – einige prophezeiten sogar eine leichte Ozonzunahme. Um sogrößer war die Überraschung, als ein Forscherteam der British AntarcticSurvey (BAS) Messungen über unerwartet niedrige Ozonwerte über der Ant-arktis veröffentlichte (Farman et al. 1985). Eine Neuauswertung von Satelli-tendaten der NASA, die das Ozonloch »verpaßt« hatte, verifizierte die BASDaten. Die NASA-Wissenschaftler publizierten diese Ergebnisse am 28. Au-gust 1986 in Nature (Stolarski et al. 1986). Diese offizielle Bestätigung einerunvorhergesehenen, von Menschen gemachten Umweltkatastrophe hat beieinem Teil der Verursacherindustrie zum Überdenken der Position geführt.

Im Vergleich zu diesen beiden wichtigen Publikationen war das interna-tionale Berichtswesen der WMO naturgemäß wesentlich schwerfälliger. ImJuli 1986 publizierte die WMO einen von der NASA koordinierten dreibän-digen Bericht zum Stand der Ozonschicht (WMO 1986). An seiner Entste-hung waren etwa 150 Wissenschaftler aus 11 Ländern beteiligt. Sein Zweckbestand darin, »to provide governments around the world with the best sci-entific information currently available on whether human activities representa substantial threat to the ozone layer« (WMO 1986: 4). Auf Basis von ein-und zweidimensionalen Modellrechnungen,7 die mit Daten zur Welt-FCKW-Produktion von 1980 operierten, prognostizierten die Wissenschaftler einenOzonabbau zwischen 5 und 9, an den Polen von 14 Prozent. Die großen ant-arktischen Ozonverluste wurden nur am Rande erwähnt; man wurde beimAbfassen des Berichts dadurch offenbar überrascht. Es ist lediglich die Rededavon, daß es eine beträchtliche Ozonabnahme im antarktischen Frühlinggebe, die weiter erforscht werden müsse (WMO 1986: 20).

6 Ihr Engagement im internationalen Umweltbereich ist gut dokumentiert; siehe Lang (1988,1989), Tolba (1989, 1998).

7 1-D-Modelle benutzen die Höhe über dem Erdboden als einzige Dimension, »2-D-Modellefügen die geographische Breite, 3-D-Modelle zusätzlich die geographische Länge als neueDimension hinzu. In 1-D-Modellen wird die Chemie der Atmosphäre betont, in 3-D-Mo-dellen die Dynamik. 2-D-Modelle stellen einen Kompromiß dar« (Enquetekommission1990: 282).

Anatomie einer Erfolgsgeschichte 79

Die Schätzung der künftigen FCKW-Emissionen und das antarktischePhänomen waren zwei Knackpunkte für den internationalen Verhandlungs-prozeß (Litfin 1994). Nach Abschluß der Wiener Konvention fanden zweiArbeitstreffen über ökonomische Fragen statt. Das erste, das im Mai 1986 inRom stattfand, befaßte sich mit Wachtstumsprognosen für FCKW. Hierkonnten sich die Parteien nicht einmal auf aktuelle Produktionsdaten eini-gen, geschweige denn auf künftige Entwicklungen. Das zweite Treffen fandim September 1986 in Leesburg, Virginia, statt und sah wesentlich mehrKooperationsbereitschaft zwischen den Parteien. Vor allem die konstruktiveHaltung Du Ponts könnte teilweise durch die oben erwähnten Publikationenerklärt werden (Farman et al. 1985; Stolarski et al. 1986). Außerdem wurdeklar, daß die (niedrigen) Produktionsziffern von 1980 rezessionsbedingt wa-ren und mittlerweile schon wieder stark gestiegen waren. Neben den Pro-duktionsdaten und -prognosen wurden auch die Möglichkeiten von FCKW-Substituten erörtert. Du Pont kündigte an, daß solche Stoffe in etwa fünfJahren verfügbar seien.

Die durch das antarktische Ozonloch bewirkte Dramatisierung sorgte fürDruck im Verhandlungsprozeß, der nach Abschluß der Wiener Konventioneinsetzte und zum Montrealer Protokoll führen sollte. Schwankten bis datodie Prognosen über langfristige Ozonabnahmen von 0 bis 20 Prozent (undgingen sie um 1984 auf 0 Prozent zurück), so hatte man nunmehr einen ak-tuellen Ozonschwund von 50 Prozent. Der Schock des Ozonlochs bewirktebei den Ländern, die als Bremser aufgetreten waren, eine Verunsicherungund Schwächung ihrer Position, die zu ihrer Neutralisierung führte, vor al-lem deshalb, weil sie sich auf wissenschaftliche Gründe für ihre blockieren-de Haltung festgelegt hatten.

Zwei Aspekte werden im Folgenden besonders erwähnt. Der erste hat mitder Akteurkontellation auf internationaler Ebene zu tun. Hier zeigt sich, daßverschiedene Länder zu verschiedenen Zeiten verschiedene Positionen zurFrage von FCKW-Regulierungen einnahmen. Der zweite hat mit Wissens-aspekten zu tun. Hier zeigt sich, daß wissenschaftliche Erkenntisse und dasEngagement von Wissenschaftlern für das Zustandekommen internationalerRegelungen entscheidend waren. Erkenntnisse lagen aber erst spät (wennüberhaupt) in der Form von Beweisen vor. Verfügbar war eine gewisse Evi-denz, die von Verhandlungsführern, Wissenschaftlern und Medien geschicktgenutzt wurde, als sich ein wichtiges Gelegenheitsfenster eröffnet hatte, un-verbindliche Absichtserklärungen in verbindliche Handlungsziele umzuset-zen. Diese beiden Aspekte werden in den folgenden Abschnitten ausgeführt.

80 Kapitel 2

2.2.2 Innenpolitische Akteurkonstellationen im Wandel

Von 1974 bis 1980 gab es in beiden Vergleichsländern unilaterale Regulie-rungen von FCKW, die völlig unterschiedlich waren. Bereits in den siebzi-ger Jahren fand in den USA eine breite Kontroverse über die Notwendigkeitvon FCKW-Regulierungen statt, in der Wissenschaftler eine Schlüsselstel-lung bezogen. Die Kontroverse zwischen Industrie und kritischen Wissen-schaftlern hielt sich bis in die zweite Hälfte der achtziger Jahre. In den USAerfolgte 1978 eine relativ strikte Regulierung von FCKW, die sämtliche»nicht-essentiellen« Anwendungen in Spraydosen verbot. Im Gegensatz zuden USA, und fast zeitgleich, gab es in der Bundesrepublik Deutschlandkeine formale Regelung, sondern eine relativ lasche Selbstverpflichtung derIndustrie. Der Unterschied in der jeweiligen nationalen Regulierung kannebenso wie der spätere Erfolg strenger Maßnahmen auf internationaler Ebeneauf das unterschiedliche Kräfteverhältnis zwischen Regulierungsbefürwor-tern und -gegnern zurückgeführt werden. Es gab in Deutschland bis weit indie achtziger Jahre hinein keine wissenschaftlichen Sprecher, die für drasti-sche Maßnahmen eingetreten wären und öffentliche Resonanz erzeugt hät-ten. In den siebziger Jahren verlief der politische Entscheidungsprozeß inDeutschland, anders als in den Vereinigten Staaten, weder öffentlich, nochtraten Wissenschaftler öffentlich als Sprecher von Betroffeneninteressen auf.Dadurch kam es erwartungsgemäß zu einer Dominanz der Industrie, die sichbis Mitte der achtziger Jahre fortsetzte. Kamen die Aerosol-Hersteller 1976noch mit einer freiwilligen Verpflichtung davon, den Einsatz von FCKW um30 Prozent zu reduzieren, so wandte sich die Bundesregierung schließlichvon den FCKW-Herstellern ab. Dadurch verloren die Verteidiger von FCKW,allen voran die internationale Allianz der FCKW-Industrie, einen wertvollenSprecher. Umgekehrt gewann die Sache der Regulierungsbefürworter starkan Glaubwürdigkeit. Mitte der achtziger Jahre griffen interessierte Politikeraus CDU und SPD die Problematik durch Gründung der Enquetekommission»Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre« auf, die zu umfassenden Regu-lierungen riet und deren Linie weitgehend in der deutschen »Umweltaußen-politik« sichtbar wurde. Die Arbeit dieser Kommission hatte Einfluß auf an-dere europäische Länder, vor allem auf Großbritannien. Dort gab es zusätz-lich eine Verschiebung im öffentlichen Engagement der englischen Wissen-schaftler: Taten sich in den siebziger Jahren noch Wissenschaftler als Spre-cher für die Industrie hervor, indem sie die Gefahren für die Ozonschichtherunterspielten (zum Beispiel James Lovelock), so trat nunmehr der Ent-decker des Ozonlochs (ein Mitarbeiter des British Antarctic Survey) öffent-

Anatomie einer Erfolgsgeschichte 81

lich als Warner auf. Bis dahin waren Vertreter der britischen Wissenschaft,der Industrie und der Regierung der Überzeugung, mit Regulierungen solange abwarten zu können, bis wissenschaftliche Beweise verfügbar seien.1988 schließt sich Großbritannien der fortschrittlichen deutschen Linie in-nerhalb der EG an. Frankreich, Italien und Spanien folgen, nachdem Groß-britannien seinen Widerstand aufgegeben hatte.

In zwei Schüben gelingt es den Regulierungsbefürwortern, die Glaubwür-digkeit ihres Projekts enorm zu steigern. 1986 änderte der weltgrößte FCKW-Hersteller DuPont seine Linie und beginnt, globale FCKW-Kontrollen zu be-fürworten. Die Bundesrepublik schließt sich der amerikanischen Linie nachstrengen Maßnahmen an. 1988 gibt Großbritannien seinen Widerstand gegenstrenge Maßnahmen auf. Beide Positionsänderungen führten zu einem Do-minoeffekt, da in allen Fällen Sprecher von Industrieinteressen »umfielen«,an denen sich viele andere Akteure orientierten.

War beim Zustandekommen des Montrealer Protokolls politischer Druckentscheidend, so entfaltete die erfolgreiche Suche nach Substituten und Pro-duktionsverfahren in den folgenden Jahren eine ökonomische Sogwirkung,die bis auf wenige Ausnahmen alle ehemaligen FCKW-Produzenten erfaßthat. Ein kritischer Punkt ist allerdings in der Zukunft zu bewältigen: die Be-reitschaft der Entwicklungsländer, nach Ablauf der Schutzfrist ernsthafteMaßnahmen zu ergreifen.

2.2.3 Wissenschaftliche Erkenntnisse

Zur Zeit des Vertragsabschlusses in Montreal (Mitte September 1987) warendie Ursachen der globalen Ozonverluste noch nicht erfaßt. Es gab verschie-dene Theorien, aber keinen Konsens unter den Forschern. Noch 1987 exi-stierten viele Theorien, die den Ozonabbau über der Antarktis zu erklärenversuchten, zwei davon gingen von rein natürlichen Ursachen aus (Nance1991; Shell 1987; Cagin/Dray 1993; Roan 1989). 1988 kam es zur Heraus-bildung einer dominanten Erklärung. Das Ozone Trends Panel (OTP) eta-blierte globale Ozonverluste als wissenschaftliche Tatsache, ohne jedoch dieUrsachen anzugeben (WMO 1988). Damals konnten nur die dramatischenOzonverluste über der Antarktis einigermaßen erklärt werden – wohlge-merkt ein ganzes Jahr nach dem Protokoll, das in Montreal unterzeichnetworden war.

Die machtvollste Ressource zur Unterstützung der Regulierungsbefür-worter war zweifelsohne das Ozonloch und sein symbolischer Gebrauch.

82 Kapitel 2

Ohne dieses Alarmsignal wäre es sehr unwahrscheinlich gewesen, die Blok-kade zwischen Regulierungsbefürwortern und Regulierungsgegnern in derinternationalen Arena zu überwinden. Vor allem verfehlte der sehr suggestiveBegriff »Ozonloch«, der sofort von wichtigen Massenmedien aufgegriffenwurde, seine Wirkung auf die Weltöffentlichkeit und die internationalenVerhandlungen nicht. Der Begriff ist eine geschickt gewählte Metapher. DerOzonabbau im antarktischen Frühling ist nicht vollständig (»nur« 50 Prozentder Ozonsäule wird zerstört, was in der Höhe zwischen 12 und 22 Kilome-tern geschieht; darüber und darunter finden keine drastischen Änderungenstatt). Nachdem diese Metapher gängig war, ersetzte sie die frühere Meta-pher einer Ozonverdünnung. Dieser Metaphernwechsel führte zu einer Än-derung der Wahrnehmung des Problems. Während die Metapher der »Aus-dünnung« das Bild eines fadenscheinigen Gewebes evoziert, beschwört dieMetapher vom »Ozonloch« das Bild eines irreparablen Schadens, so wie einLoch einen Ballon zum Platzen bringen kann. Dennoch hielten Regulie-rungsgegner an ihrer Linie fest, wonach es zu wenig gesichertes Wissen gä-be, das drastische Maßnahmen rechtfertige. Ein NASA-Wissenschaftler fer-tigte aus den Zeitreihen der NASA-Satellitenaufnahmen einen Trickfarbfilman, der das Wachsen des Ozonlochs in den achtziger Jahren deutlich zeigte.Er wurde durch viele Fernsehsendungen populär und auch während zahlrei-cher Anhörungen gezeigt (Abbildung 2-4).

Anatomie einer Erfolgsgeschichte 83

Doch im Verhandlungsprozeß vor Montreal gab es wenige gesicherte Er-kenntnisse. Durch flugzeugbasierte Messungen wußte man, daß die Chlor-konzentrationen über der Antarktis hoch waren. Diese Information konsti-tuierte noch keinen wissenschaftlichen Beweis. Sie verschob allerdings dieBalance zwischen den Positionen für und gegen Regulierung. Viel wichtigerals etablierte wissenschaftliche Beweise war das Verhandlungsgeschick derBefürworter strenger Regulierungen. Ihnen gelang es, die vorliegenden Infor-mationen in den Prozeß des Vertragsdesigns einfließen zu lassen, wobei siees vermieden, angesichts unsicheren Wissens eine Art von Gleichrangigkeitdes Vorsorge- und Abwarteprinzips zuzulassen. Von Anfang an steuerten sieein Abkommen an, das – zumindest in seiner offiziellen Rhetorik – ein Vor-sorgeabkommen war (in Kapitel 5 setze ich mich kritisch mit dieser Theseauseinander).

Es wäre verfehlt, würde man glauben, daß sich wissenschaftliche Erkennt-nis in politische Entscheidungen transformiert, mithin ein Sieg der (ökologi-schen) Vernunft über (ökonomische) Interessen stattgefunden habe. DieVernunft muß das Nadelöhr ökonomischer Kalküle und politischer Machtpassieren, wenn sie Einfluß gewinnen will. Erstaunlicherweise gelingt ihrdies manchmal, ohne daß eine komplette Beweisführung vorliegt, sondernerhebliche wissenschaftliche Unsicherheiten fortbestehen. Bei der Vertrags-unterzeichnung in Montreal gab es keinen wissenschaftlichen Konsens überwesentliche wissenschaftliche Fragen. Entscheidend für eine Beförderungder Pro-Regulierungsposition war ihre Glaubwürdigkeit.

Es ist eine offene Frage, wie man die Effektivität von internationalen Re-gimen im Allgemeinen (vgl. Levy et al. 1995: 291f.) und den Erfolg von in-ternationalen Umweltinstitutionen im Besonderen messen kann.8 In bezugauf die zweite Fragestellung, die hier allein diskutiert wird, haben Wettestadund Andresen (1991) drei Bewertungskriterien entwickelt:

1. das Ausmaß, in dem die Vertragsparteien das gesetzte institutionelle Zielerreicht haben;

2. der Grad der Übereinstimmung zwischen Expertenmeinung und getroffe-ner Entscheidung;

3. der Grad der Auswirkung auf die Umwelt (verglichen mit dem Zustand,der ohne die entsprechenden Regulierungen zu erwarten wäre).

8 Krasner definiert internationale Regimes als »implicit or explicit principles, norms, rulesand decision-making procedures around which actors’ expectations converge in a givenarea of international relations« (Krasner 1983a: 2). Siehe Haggard /Simmons (1987) undRittberger (1993) für einen Überblick.

84 Kapitel 2

In allen drei Dimensionen schneidet das Montrealer Protokoll sehr gut ab(Montzka et al. 1996 und Parson/Greene 1995). Es gibt zwar einzelne Ver-tragsbrüche von Unterzeichnerstaaten und illegalen Handel mit FCKW, wasfür das institutionelle Gefüge neue Fragen aufwirft, mengenmäßig bislangallerdings nicht sehr ins Gewicht fällt (Brack 1996). Allein von 1986 bis1992 hat sich die Weltproduktion mehr als halbiert (UNEP 1995).

2.3 Revisionistische Tendenzen

Zu Beginn der neunziger Jahre formiert sich vor allem in den USA eine re-visionistische Gegenströmung, die den etablierten wissenschaftlichen Kon-sens attackiert. Gemeinsamer Nenner des Revisionismus (im Englischenbacklash) ist erstens die Auffassung, daß Regulierungen erfolgt seien, ohnedaß ein Schaden eingetreten wäre. Der US-Delegationsleiter bei den Mont-realer Verhandlungen, Richard Benedick, wird zitiert, wonach das Montrea-ler Protokoll ein Vorsorgeabkommen sei, das unterzeichnet wurde, ohne daßein Schaden sichtbar gewesen sei (Benedick 1991). Dies ist für den Backlashein Skandal. Er bekämpft den Vorsorgegedanken, weil er einen Präzedenz-fall für andere Fälle zu setzen droht. Zweitens bezichtigt die revisionistischeGegenströmung die für das Zustandekommen des Montrealer Protokollszentralen Akteure und Institutionen der Verschwörung.

Der Backlash umfaßt Akteure wie den früheren Gouverneur des StaatesWashington und Vorsitzende der Atomic Energy Commission, Dixie LeeRay, den früheren Chef-Wissenschaftler des Verkehrsministeriums FredSinger, den Atmosphärenwissenschaftler Hugh Elsaesser, den Fernsehtalk-master Rush Limbaugh und Buchautoren wie Rogelio Maduro und RalfSchauerhammer.9 Zweifellos gehört die Gegenströmung der politischenRechten an. Fred Singer veröffentlicht in der Washington Times, einer kon-servativen Zeitung, die dem Chef der Mun-Sekte gehört.10 Maduro/Schauer-hammers Buch wurde im Verlag 21st Century Science & Technology veröf-fentlicht, der eine Zeitschrift gleichen Namens herausgibt. Dieser Verlag ge-hört zu einer extremistischen politischen Gruppierung um Lyndon LaRou-che, die auch in Deutschland aktiv ist. Die »Ozone Truth Squad«, eine ande-

9 Von allen liegen Publikationen zum Thema vor: Ray /Guzzo (1990); Elsaesser (1978,1994); Singer (1989); Limbaugh (1992); Maduro /Schauerhammer (1992).

10 Mun veranstaltet mitunter öffentliche Diskussionen, zu denen große Namen der »offiziel-len« Position eingeladen werden – was von diesen nicht immer abgelehnt wird.

Anatomie einer Erfolgsgeschichte 85

re Sekte, die für ungehemmtes Wachstum eintritt, führte eine Kampagne, inder behauptet wurde, aufgrund von FCKW-Verboten würden Probleme derNahrungsmittelverknappung entstehen:

If you enjoy eating … Americans will soon find out that some of their favoritefoods are not at the supermarket any more, or available only at exorbitant prices.Not the result of a natural disaster, but of a man-made disaster; the ban onchlorofluorocarbons (freon), essential in modern refrigerators …

Er gewann den republikanischen Abgeordneten Danneymeyer, eine Resolu-tion im Repräsentantenhaus einzubringen, um die wissenschaftliche Basisder Regulierungsmaßnahmen zu überprüfen. Neben Dixie Lee Ray, Singerund Elsaesser unterzeichneten weitere zwanzig Wissenschaftler, unter ande-ren Haroun Tazieff, französischer Vulkanologe, der das Vorwort zu Maduro/Schauerhammers Buch schrieb.

Bemerkenswert ist, daß die Bedeutung dieser Gegenströmung anfänglichunterschätzt wurde. Als ich meine Expertengespräche durchführte, sagte mirein Gesprächspartner auf eine entsprechende Frage:

Schauerhammer – der Name ist Programm für uns. Wir haben uns internationaldarauf verständigt, daß wir dieser Art von Publikationen im pseudowissenschaft-lichen Mantel von UNEP aus keinerlei Bedeutung beimessen, indem wir das etwaauf die Tagesordnung setzen. Das wird als Rankenwerk mitgeschnitten, hat aberbei UNEP wegen der offensichtlichen Irrelevanz keinerlei Bedeutung. Das sindpathologische Einflüsse. (Interview 9)

Doch auch in der Bundesrepublik, wenngleich schwächer als in den USA,haben sich Gegentendenzen formiert. Der Herausgeber der Wirtschaftswoche,Wolfram Engels, präsentierte einschlägige Argumente in einem Kommen-tar.11 Ende 1992 gab es eine Initiative von (hauptsächlich) europäischenWissenschaftlern gegen das Montrealer Protokoll, die von Tazieff lanciertwurde. In diesem Appell an eine UNEP-Konferenz werden zentrale Grund-lagen der internationalen Regulierungen geleugnet:

– es gebe keinen langfristig abnehmenden Ozontrend;– Ozonlöcher habe es vor der Verwendung von FCKW gegeben;– es existierten Senken für FCKW in der Atmosphäre;– die Gefahr durch erhöhte UV-Strahlung sei überschätzt worden;

11 »Killergas. Wolfram Engels über das Ungeheuer von Loch Ozon« (Wirtschaftswoche, 21.2.1992).

86 Kapitel 2

– das Montrealer Protokoll bedeute unnötig hohe ökonomische Kosten fürden Westen und Todesopfer in Entwicklungsländern, da sie aufgrundmangelnder Kühlung Probleme bei der Nahrungsversorgung bekämen.

Die FCKW-Ozonkontroverse ist in wissenschaftlicher Hinsicht abgeschlos-sen. Eine revisionistische Gegenströmung bekommt in den letzten Jahren öf-fentliche Aufmerksamkeit, zum Teil mit Argumenten, die von Wissen-schaftlern in den siebziger Jahren vorgebracht wurden, die das Forschungs-feld aber hinter sich gelassen hat. Wissenschaftler, die sich in dieser Weiseengagieren, können auf keine originäre Forschung verweisen. Stattdessenbeschränken sie sich auf die Kommentierung der vorliegenden Literatur, wieteilweise selbst eingestanden wird (vgl. Brown 1996: fn 27). Sie betonen,daß die Wissenschaftsgeschichte immer wieder zeige, daß die Wahrheit oftdurch Außenseiter vertreten werde – eine ironische Wendung, die an daskurze Gedächtnis der Öffentlichkeit appelliert, wenn man bedenkt, daß we-sentliche Innovationen auf dem Gebiet der Ozonfoschung tatsächlich durchAußenseiter bewirkt wurden, die sich gegen Wissenschaftler durchgesetzthaben, die eigentlich kein Problem sahen. Jene haben die Schlacht bereits inden siebziger Jahren verloren – so verständlich es ist, daß sie das Rad derKontroverse zurückdrehen wollen, so unwahrscheinlich ist es, daß es ihnengelingt.

Kapitel 3

Die Wissenschaft

In diesem Kapitel untersuche ich sowohl die Rolle, die die Stratosphärenfor-schung bei der Reduktion von Unsicherheit gespielt hat, als auch die Rollevon Wissenschaftlern, die als Sprecher umweltpolitischer Prinzipien, alsAutoren von Alarmmeldungen, Situationsdeutungen und Lösungsvorschlä-gen aufgetreten sind. Ist die erste Frage auf der institutionellen Ebene ange-siedelt, so liegt die zweite auf der Ebene der Akteure, ihrer Überzeugungenund Motivationen. Obwohl viele fallspezifische Besonderheiten auftreten,beschränkt sich die Gültigkeit einiger zentraler Aussagen nicht ausschließ-lich auf diesen Fall oder den Bereich der Umweltwissenschaften, sondernläßt sich in zweierlei Weise generalisieren. Zum einen auf wissenschaftlichePraxis an der Forschungsfront im allgemeinen. Dort beobachtet man dasPhänomen, daß bei der Schaffung neuer Erkenntnisse die alten Schulweis-heiten, die in Lehrbüchern zusammengestellt und von Generation zu Gene-ration weitergetragen werden, meist versagen. Nach wie vor gibt es jedochLehrbuchwissen und Formen von routinierter wissenschaftlicher Praxis.Deshalb dürfen die Aussagen nicht so weit generalisiert werden, als ob sieAussagen über die Wissenschaft schlechthin wären. Durch die Konzentrationauf die Innovationsaspekte wird allerdings ein besonders wichtiger Aspektder modernen Wissenschaft getroffen. Zum anderen lassen sich Generalisie-rungen vornehmen in bezug auf das Potential, das die Wissenschaft bei derErzeugung neuer Quellen von Macht oder der Verschiebung etablierterMachtgleichgewichte besitzt. Dabei sind vor allem Laboratorien und die inihnen geschaffenen Tatsachen bedeutsam, die Interpretation dieser Datenund die gesellschaftspolitische Rolle, die Wissenschaftler bei ihrer öffentli-chen Darstellung wahrnehmen. Meine Überlegungen orientieren sich damitam Diskussionsstand auf dem Gebiet der neueren Wissenschaftssoziologie(siehe, für viele, Jasanoff et al. 1995; Felt et al. 1995). In dieser Literaturwird die These vertreten, daß es kein wissenschaftliches Wissen gibt, das

88 Kapitel 3

»außerhalb« eines sozialen Kontextes entsteht, also außerhalb von Interes-sen, Motiven oder Strategien von gesellschaftlichen Akteuren. Wissenschaft-liches Wissen wird immer in einem sozialen Kontext produziert und rezi-piert. Eine wissenschaftliche Hypothese wird erst dann zur Tatsache, wennsie von (vielen) anderen relevanten Wissenschaftlern anerkannt wird. Er-kenntnisprozeß und Forschungsprozeß können in einer soziologischen Sicht-weise unmöglich nach dem philosophischen Modell des Erkenntnissubjektsentworfen werden. Die Pionierarbeiten von Ludwik Fleck (1935) und Tho-mas Kuhn (1962) haben entsprechende Weichenstellungen vorgenommenund eine Soziologisierung der Wissenschaft eingeleitet, die der Mannheim-schen Wissenssoziologie noch fremd war (Mannheim 1929; vgl. Stehr/Meja1982). Flecks und Kuhns Ansätze wurden von der neueren Wissenschaftsso-ziologie weitergeführt, die seit den späten siebziger Jahren zahlreiche wich-tige Arbeiten hervorgebracht hat.

Dieses Kapitel gliedert sich in acht Teile. In Abschnitt 3.1 widme ichmich zunächst der Frage, wie die Ozonschicht in das Blickfeld der Atmo-sphärenforschung kam, wie die Forschung organisiert ist, und welche Be-deutung dies für die Wissensentwicklung hatte. Im zweiten Abschnitt wirdder Frage nachgegangen, inwiefern sich Wissenschaftler, wie andere Akteureauch, bei der wissenschaftlichen Tätigkeit an ihrem Eigennutz orientierenoder Normen befolgen. Ich analysiere die Weltbilder und die wissenschaftli-che Reputation der von mir befragten Atmosphärenwissenschaftler und frage,ob es einen Zusammenhang zwischen umweltbewußten Wertorientierungenund dem Engagement für Regulierungen auf der einen Seite und ihrer Re-putation auf der anderen Seite gibt. Außerdem werden Profilierungsbestre-bungen, Prioritätskonflikte und das »Publikationsdilemma« untersucht. Ab-schnitt 3.3 analysiert die Grauzone, in der sich Wissenschaftler befinden, diemit einem globalen Umweltproblem konfrontiert sind und sich zum Teil öf-fentlich engagieren. Abschnitt 3.4 geht auf einige wissenschaftliche Kontro-versen ein, die im Feld anzutreffen waren, und untersucht, auf welche Weisediese Kontroversen beendet wurden. In Abschnitt 3.5 argumentiere ich, daßSkeptizismus und Vertrauen zwei Grundmechanismen sozialen Handelnssind, die auch in der Wissenschaft unabdingbar sind und frage, unter wel-chen Umständen sie zum Tragen kommen und welche Konsequenzen sie ha-ben. Abschnitt 3.6 stellt die Wichtigkeit symbolischer Repräsentationen vonwissenschaftlichen Ergebnissen heraus. Abschnitt 3.7 geht auf die revisioni-stische Strömung des Backlash ein, und Abschnitt 3.8 bringt ein Fazit.

Die Wissenschaft 89

3.1 Die Organisation der Forschung

3.1.1 Die Entdeckung der Ozonschicht

Um die Jahrhundertwende entdeckten französische Forscher durch Messun-gen mit Ballonaufstiegen die Stratosphäre, jene Region über der Troposphä-re, in der die Temperatur bei zunehmender Höhe nicht mehr abfällt, sondernzunimmt.1 Diese Temperaturzunahme beginnt etwa bei 12 Kilometern undsteigt an, bis sie in der Höhe von 50 Kilometern etwa Werte erreicht, wie sieauf der Erdoberfläche herrschen. Troposphäre und Stratosphäre haben auf-grund ihrer verschiedenen Temperaturregimes völlig verschiedene Eigen-schaften, vor allem was atmosphärische Verunreinigungen angeht. In derTroposphäre findet eine vertikale Mischung der Luftmassen statt, da dichtekalte Luft ständig absinkt und warme, leichte Luft aufsteigt. Verunreinigun-gen werden nach unten transportiert und in der Troposphäre ausgewaschen.In der Stratosphäre lagert umgekehrt warme Luft auf kalter. Bei dieser In-version findet eine sehr viel langsamere vertikale Mischung statt mit demResultat, daß Verunreinigungen dort viel länger verweilen und sich eine ho-rizontale Mischung vollzieht, die globale Dimensionen annehmen kann.

Dieser Unterschied ist auf den Bildungs- und Zerstörungsprozeß vonOzon in der Stratosphäre zurückzuführen, bei dem Wärme freigesetzt wird.Ironischerweise scheint die Ozonschicht damit selbst die Bedingungen zuschaffen, die eine lange Verweildauer von Stoffen in der Stratosphäre be-dingen, die ihrerseits Ozon zerstören. In diesen Mechanismen liegen die po-sitiven und negativen Rückkopplungen verborgen, die ein Gleichgewichtzwischen Ozonbildung und Ozonzerstörung gewährleisten. Um dies zu er-klären, schlug Sidney Chapman, der Gründungsvater der Aeronomie, um1930 zwei Reaktionen als Hauptmechanismus vor. In der ersten wird einSauerstoffmolekül (O2) durch UV-Licht in zwei O-Atome gespalten. In derzweiten verbindet sich ein O-Atom mit einem Sauerstoffmolekül und bildetOzon (O3).

Für die Ozonproduktion braucht man also nur zwei Bestandteile, UV-Lichtund einen Vorrat an Sauerstoff. Je höher man in der Atmosphäre aufsteigt,desto mehr nimmt die UV-Strahlung zu, desto mehr nimmt aber auch die

1 Diese Darstellung folgt im wesentlichen Dotto /Schiff (1978: 33ff.) und Enquetekommis-sion (1990: 120 ff.).

(UV) + O2 → 2 O (1)O + O2 → O3 (2)

90 Kapitel 3

Sauerstoffkonzentration ab. Es gibt demnach einen Punkt, an dem die Ozon-produktion ihr Maximum erreicht.

Wäre dies alles, so würde der gesamte dort vorhandene Sauerstoff inOzon verwandelt werden – ein positiver Rückkopplungsprozeß, der nurdurch das Versiegen der Inputs zum Stillstand käme. Chapman identifiziertejedoch einen negativen Rückkopplungsprozeß auf komplementäre Weise.Dabei zerstören die freien Sauerstoffatome ein Ozonmolekül, indem sie es inzwei Sauerstoffmoleküle zurückverwandeln.

Da die Geschwindigkeit des Ozonvernichtungsprozesses direkt proportionalzum vorhandenen Ozon ist, wird Ozon um so schneller vernichtet, je mehrOzon vorhanden ist. Chapman nahm an, daß die Bedingungen in der Strato-sphäre zu einem Gleichgewicht von Ozonbildung und -zerstörung führenwürden. Wie Beobachtungen und Messungen zeigten, waren die Ozonwertejedoch sehr viel niedriger, als sie es aufgrund von Chapmans Theorie hättensein sollen. Dies lag daran, daß die Vernichtungsrate von Ozon nach Chap-man nur 20 Prozent der Bildungsrate beträgt. Es mußten also noch andere,bisher unbekannte Abbaumechanismen existieren. Doch welche Stoffekonnten hierfür in Frage kommen? Die Hauptbestandteile der Luft, Sauer-stoff, Stickstoff, Kohlendioxid und Wasserdampf schieden aus, weil sienicht mit Ozon reagieren.2 Es blieb damit nur die abstrakte Möglichkeit, daßSpurengase für die fehlende Ozonzerstörung verantwortlich sind. Wie solltedies aber möglich sein, wenn die Spurengase in noch viel geringeren Kon-zentrationen vorkommen als Ozon? Die Antwort fand man in katalytischenKettenreaktionen, in denen eine Substanz eine andere zerstört, ohne selbstzerstört zu werden. Dies war die erste wesentliche theoretische Innovation inder Atmosphärenchemie nach Chapman. In Laborexperimenten fand manheraus, daß bestimmte Stickoxide (NOx) und Wasserstoffoxide (HOx) wirk-same Katalysatoren waren. In den fünfziger Jahren konnten verschiedeneForscher (unter anderen Marcel Nicolet aus Belgien) auch angeben, wie eszur Bildung dieser Substanzen in der Stratosphäre kommen konnte. Es ge-lang ihnen allerdings nicht, den »fehlenden« Ozonzerstörungsprozeß zu kon-zipieren. Dies geschah erst mit den Arbeiten von Hampson und Hunt3 für

2 Die relativen Volumenanteile dieser Gase sind wie folgt: Stickstoff 78,11%, Sauerstoff20,95%, Argon 0,934%, Kohlendioxid 0,035%. Die Konzentration von Wasserdampfschwankt stark. Zum Vergleich: Ozon: circa 0,000001% bis 0,000003%, FCKW0,0000003%, natürliche Chlorkonzentration: 0,00000006% (Graedel /Crutzen 1994: 8).

3 Ihre Arbeiten fanden im Rahmen eines Forschungsprojekts statt, das die Wirkungen des

O + O3 → 2 O2 (3)

Die Wissenschaft 91

HOx und von Crutzen für NOx (Crutzen 1970). 1974 stellten Molina undRowland die Hypothese auf, Chlor sei ein noch viel effektiverer Katalysatorals die beiden genannten Substanzen. Folgende Gleichungen zeigen den ka-talytischen Prozeß der Zerstörung von Ozon. Dabei wird der Katalysator mitM bezeichnet (vgl. Graedel /Crutzen 1994: 151ff.; BMFT 1993: 34ff.).

Wie man sieht, erfolgt ein Nettoverlust von Ozon: die katalytische Reak-tionskette verwandelt ein Sauerstoffatom und ein Ozonmolekül in zwei Sauer-stoffmoleküle.

Die Chemie der Stratosphäre führte jahrzehntelang einen Dornröschen-schlaf. Das Feld der Ozonchemie war im wesentlichen durch die Pionierar-beiten von Chapman um 1930 etabliert und durch seine Modelle beherrschtworden. Um 1970 war eigentlich kein Problem zu lösen, wie es ein Ge-sprächspartner formulierte. Man dachte, man verstünde die Ozonchemie; esgab zwar Andeutungen, daß Anomalien existierten, hat diese jedoch ver-drängt.

Um zu beweisen, daß kein Problem besteht, hat man einfach solche kinetischenDaten von Laborsimulationen genommen, die mit der alten Theorie überein-stimmten, und die einfach falsch waren. Man war zufrieden, nach dem Motto:Wir haben das Problem gelöst, wir machen was Anderes. (Interview 25)

Dies änderte sich vor allem durch die Diskussion in den USA über die Aus-wirkungen einer projektierten Flotte von Überschallflugzeugen. In dieserDebatte wurde die Wirkung von Stickoxiden auf den Ozongehalt der Atmo-sphäre thematisiert.4 Ein paar Jahre später folgte die Thematisierung vonChlor, zuerst auf einer wissenschaftlichen Tagung in Kyoto/Japan durch Ri-chard Stolarski. Der Hintergrund seiner gemeinsam mit Ralph Ciceronedurchgeführten Arbeiten war die von der NASA geplante Raumfähre (spaceshuttle), von deren Trägerrakete man annahm, daß sie große Mengen anSalzsäure (HCl) ausstoßen würde, was entsprechende Mengen an Chlor frei-setzen würde. Die geschätzten Mengen waren abhängig von der Anzahl derjährlichen Flüge. Man schätzte die Emissionen bei 50 Flügen im Jahr auf5.500 Tonnen HCl. Stolarski erwähnte das Space-shuttle-Projekt auf dieser

Wiedereintritts von Interkontinentalraketen in die Atmosphäre untersuchte.4 Neben der erwähnten Arbeit von Crutzen waren die Forschungen von Harold Johnston

(1971) wichtig.

M + O3 → MO + O2 (4)O + MO → M + O2 (5)Netto: O + O3 → 2O2 (6)

92 Kapitel 3

Tagung mit keinem Wort.5 Als potentielle Quelle für Chlor in der Strato-sphäre wurden Vulkanausbrüche diskutiert.

Nach der Publikation der Molina-Rowland-Hypothese wurde bald klar,daß mit den FCKW eine industrielle Quelle bestand, die sehr viel größereMengen aktiven Chlors in die Stratosphäre bringen konnte als Vulkane oderRaumfähren. Die wesentlichen wissenschaftlichen Forschungen jener Zeitstanden unter dem Erkenntnisinteresse, eventuelle Maßnahmen zur Beschrän-kung des FCKW-Einsatzes zu begründen oder abzulehnen. Dafür wurdenModellrechnungen durchgeführt, wozu als Input-Daten im wesentlichen nurjährliche Produktionsmengen von FCKW, die durchschnittliche Lebenszeitdieser Stoffe und die vermuteten chemischen Reaktionen in der Atmosphäreeingingen. Die Modelle waren eindimensional (siehe nächster Abschnitt)und verwendeten nur Reaktionen, die in der Gasphase stattfinden. Wie inKapitel 4 ausführlich gezeigt wird, drehten sich alle Kontroversen der erstenDekade (1974 bis 1984) um die Prognose künftigen Ozonabbaus, der auf-grund dieser Variablen ermittelt wurde.

Die wichtigsten Erkenntnisfortschritte wurden nach der Entdeckung desantarktischen Ozonlochs (1985) gemacht. Die Erklärung dieses Phänomensrevolutionierte das Verständnis der Atmosphäre nochmals. Die frühen Mo-delle postulierten den hauptsächlichen Ozonverlust in der oberen Stratosphäre(circa 35 Kilometer) und basierten auf homogenen chemischen Reaktionen,wie sie oben skizziert wurden (vgl. Gleichungen [4]–[6]). Die Erklärung desantarktischen Phänomens gelang damit nicht, da in der Polarnacht kein Lichtund zu wenig Sauerstoff vorhanden sind. Der massive Ozonverlust mußtealso anders erklärt werden. Die gegenwärtig dominante Erklärung sieht inGrundzügen wie folgt aus: Durch die enorm tiefen Temperaturen bilden sichEispartikel aus gefrorener Salpetersäure und Wasser, auf deren Oberflächebei Aufkommen der ersten Sonnenstrahlen im antarktischen Frühling (Sep-tember) heterogene Reaktionen stattfinden – also Reaktionen zwischen Sub-stanzen in verschiedenen Aggregatzuständen –, bei denen besonders ClO-NO2 und HCl beteiligt sind. Letztere beiden Substanzen werden als Reser-voirgase bezeichnet, da in ihnen Chlor gebunden ist, das beim ersten Auf-tauchen der Sonne freigesetzt wird.6 Dieser Prozeß wird – ohne die kom-plexen chemischen Reaktionen hier im einzelnen aufzuführen – durch diekatalytische Reaktion von zwei Chlormonoxid-Radikalen mit sich selbst ab-

5 Zu den möglichen Gründen siehe Dotto /Schiff (1978: 123ff.). Cicerone und Stolarski ver-öffentlichten ihre Ergebnisse 1974 im Canadian Journal of Chemistry.

6 Das Reservoir Chlornitrat (ClONO2) bildet sich aus zwei Gasen, die Ozonfresser sind: ausClO und NO2.

Die Wissenschaft 93

geschlosssen (vgl. BMFT 1993: 34–37).7 So überzeugend dieser Mechanis-mus das antarktische Phänomen erklären kann, so ungelöst ist die Frage, ober auch in mittleren Breiten wirksam ist.

The difficulty is that at low altitudes in mid-latitudes it’s not just chemistry thatcontrols ozone but motions, and unless you have good simulations on that motionon a year-to-year basis, you’re not quite sure what the cause is. That’s still a hotinteresting scientific topic of current research. (Interview 30)

Durch die Auswertung und Anwendung der Erkenntnisse der polaren Ozon-chemie fand man heraus, daß auch in mittleren Breiten der hauptsächlicheOzonabbau in der Höhe von 12 bis 22 Kilometern stattfindet und nicht ober-halb von 35 Kilometern.

Mid-latitude ozone loss isn’t as clearly understood as polar ozone loss. This is abig signal, a big process, a big change, and it’s localized … Mid-latitude-chemistry is much subtler. What’s going on here is a subtle balance shift, not abig change. You get 100 percent ozone loss in the Antarctic, that’s not hard tomiss. In mid-latitudes we are talking about 5 percent, 10 percent, small things.(Interview 17)

Es ist nicht klar, ob die Ozonzerstörung in mittleren Breiten lokal erfolgtoder durch Transport von stark chlorhaltiger oder ozonarmer Luft aus demPolarwirbel heraus. Bei der Erklärung, die auf lokale Prozesse setzt, werdenverschiedene Thesen gehandelt. Es gibt die These, wonach Aerosol-Partikel(Schwefel, Ruß, wie zum Beispiel durch den Vulkan Pinatubo emittiert) eineähnliche Reaktionsoberfläche bieten wie die Eispartikel in der Antarktis. Eineandere vermutet neben Chlor und Brom auch Jod als Katalysator.

One thing that is not explained is: Why do we have so much ozone depletion inthe mid-latitudes in the Northern hemisphere? All over the 10 years we had 5 or6 percent depletion, and the models cannot simulate that. So is it because thereare leaks from the vortex in the Arctic? Some people say yes, some say no. Or isit a local depletion? If so, why? Some people claim that aerosols played a bigrole. Maybe. There is a new idea that not only chlorine and bromine but also io-dine plays a role. If so, how does it get there? It has lifetime of only 3 to 5 days,so it doesn’t have time to get into the stratosphere except if there is a strong con-vection process, like thunderstorms. (Interview 41)

7 Ohne diese katalytische Verstärkung würde der Prozeß nicht so schnell ablaufen wie erabläuft. Dieses Element in der Erklärung (der sogenannte »ClO-dimer«, Molina /Molina1986) wird deshalb als entscheidende Innovation bei der Erklärung des antarktischen Phä-nomens betrachtet.

94 Kapitel 3

Dies ist der Wissensstand von 1994/1995 (Zeitpunkt meiner Befragung).Man kann auf dieser Basis nicht behaupten, die Wissenschaft habe zum Pro-blem des Ozonabbaus in der Stratosphäre einen erschöpfenden Konsensentwickelt (Haas 1992), aber auch nicht, die Frage sei wissenschaftlich un-entschieden (McInnis 1992). Konsens besteht über die Erklärung des ant-arktischen Ozonlochs (obgleich auch hier noch nicht alle Fragen geklärtsind) und über die Beobachtung, daß eine globale Abnahme der Ozonschichtstattgefunden hat. Auf beide Punkte komme ich ausführlich zurück.

3.1.2 Wachstum des Feldes

Sieht man sich die Entwicklung des Feldes anhand ausgewählter Stichworteim Science Citation Index an (Abbildung 3-1), so fällt auf, daß nach 1989eine wahre Explosion stattfindet. Als Stichworte wurden einschlägige Be-griffe wie stratospheric ozone, ozone depletion und atmospheric chemistrygewählt. Gleichgültig welche Begriffe man als Indikatoren wählt, man erhältnur eine ungefähre Annäherung an die Entwicklung des Feldes, da dieStichworte, unter denen die Publikationen im SCI erscheinen, teilweise von

Die Wissenschaft 95

den Wissenschaftlern selbst, teilweise von den Redaktionen der Fachzeit-schriften ausgewählt werden.8 Dadurch ergeben sich zwei Probleme: Erstensdecken sich beide nicht und zweitens kann es (vor allem im ersten Fall) zuselbstverstärkenden Konjunkturen kommen. Weist das Forschungsfeld einehohe kommunikative Dichte auf, so dürfte es wahrscheinlich sein, daß For-scher ihre Ergebnisse unter derselben Rubrik plazieren wie ihre Kollegenund Konkurrenten. Die Volatilität der Stichworte verhindert damit eine zah-lenmäßig adäquate Nachzeichnung der Entwicklung des Feldes, da immerneue Spezialbegriffe als Stichworte auftauchen. Dadurch ergibt sich zumBeispiel in Abbildung 3-1 ein Indikator für das Feld, der bis Ende der acht-ziger Jahre niedriger liegt als die Zitierhäufigkeit eines einzigen führendenWissenschaftlers. Worauf es hier allein ankommt, ist die Tatsache, daß alleStichworte denselben steilen Aufwärtstrend nach 1989 zeigen.

3.1.3 Glanz und Elend der Modellierer, Aufstieg derExperimentatoren

In den Atmosphärenwissenschaften gibt es zwei verschiedene Praxisfelder:Modellierer und Experimentatoren, wobei die Experimentatoren entwederim Labor oder im Feld arbeiten. Im Labor werden Reaktionsgeschwindig-keiten bestimmt, in der Atmosphäre wird das Vorhandensein von chemi-schen Spezies gemessen (In-situ-Messungen), und auf Bodenstationen wer-den Beobachtungen durchgeführt. Die Reputation dieser Gruppen verschiebtsich im Lauf der Zeit. Dieser Prozeß war teilweise konfliktreich, führte aberzur Herausbildung von Kooperation.

Ein großes Problem liegt auf dem Gebiet der mathematischen Modelleder Atmosphäre. Es gibt nulldimensionale, eindimensionale, zweidimensio-nale und dreidimensionale Modelle. 0-D-Modelle auf der einen Seite beste-hen aus reinen chemischen Reaktionsgleichungen ohne jeden Transportme-chanismus, 3-D-Modelle auf der anderen Seite haben viele Gitterpunkte undTransportmechanismen, aber eine stark vereinfachte Chemie.

The more complicated a model becomes, 0-D, 1-D, 2-D, 3-D, the more uncer-tainties you have, you are creating more sources of errors. My own experience,having all these models, and asking: Which is the most appropriate model? Theanswer is: It depends on which problem you are treating.(Interview 41)

8 Pers. Mitteilung Eugene Garfield.

96 Kapitel 3

Gute Modellierer zeichnen sich dadurch aus, daß sie je nach Fragestellungeinen guten Kompromiß zwischen den verschiedenen Vor- und Nachteilender Modelle finden. Während simplere Modelle schon durch ihre Beschrän-kungen keinen Anspruch erheben können, die Atmosphäre zu repräsentieren,so führt die Steigerung der Dimensionen zur Zunahme der möglichen Feh-lerquellen. Es wäre also abwegig, in einer Zunahme der Dimensionen auto-matisch einen Fortschritt im Verständnis der Probleme zu sehen.

Models are always a simplification of reality and in fact, what we say, is: junk in– junk out. Whatever you put as hypothesis in your model will be reflected in theresults of your model. (Interview 41)

Zu Beginn der achtziger Jahre sagten die Modelle eine ganz geringe Ozon-abnahme voraus, einige sahen sogar eine Ozonzunahme kommen. Dies lagdaran, daß die Modelle nur die Nettoveränderung des Ozongehalts kalku-lierten, nicht jedoch die Veränderungen, die sich durch eine Änderung desTemperaturprofils ergeben. In der Tat kann die Nettoänderung Null betra-gen, wenn in der oberen Stratosphäre Ozon abgebaut, in der unteren dafürmehr Ozon gebildet wird. Dies aus folgenden Gründen

– Erstens: Die Konzentration nimmt mit der Höhe ab; weiter unten, wo einegrößere Dichte an Sauerstoffmolekülen herrscht, ist die Wahrscheinlich-keit größer, daß die UV-Strahlung mehr Ozon bilden kann (da sie aufmehr Sauerstoffmoleküle trifft).

– Zweitens: Aufgrund der Ozonausdünnung in der oberen Stratosphäretrifft mehr UV-Licht auf diese tiefer liegenden Sauerstoffmoleküle.

Dieser negative Rückkopplungsprozeß wurde in den siebziger Jahren voneinigen Wissenschaftlern als Selbstheilungsmechanismus der Natur gedeu-tet. Außer Acht blieb dabei, daß unbekannte klimatische Änderungen auf-treten können, weil die obere Stratosphäre durch die Ozonausdünnung ab-kühlt.

Momentan gehen die fortgeschrittensten Modellierer von 2-D- zu 3-D-Modellen über, die komplexe Chemie beinhalten. Diese Modelle sind sehrteuer und beanspruchen enorm viel Rechnerzeit. Der Aufwand lohnt sich nurin ausgesuchten, klar definierten Fällen.

3-D models are very expensive. And they are mostly focussing on transport withas much chemistry you can afford. My 3-D model has 150,000 points. So youhave to solve your chemistry 150,000 times at each time step. While in the 0-Dmodel only once. If you compare the 2-D and 3-D models in the ozone case, andyou have in the 2-D model too little ozone at 40 kilometers, the shape not being

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perfect, maybe too much ozone in the lower stratosphere, then you will have thesame problem in the 3-D model. You haven’t solved anything. (Interview 41)9

Die Kooperation zwischen Modellierern und Experimentatoren bietet sichfunktional an, ergibt sich aber nicht von selbst. Insbesondere die folgendenGesichtspunkte lassen Kooperation als geboten erscheinen. Modellierer undExperimentatoren scheitern beide in Isolation voneinander, wenn sie eineSynthese des Forschungsfeldes versuchen. Aus der Sicht der Modelliererversuchen sich die Experimentatoren, die immer nur ein Einzeldetail unter-suchen, auf das Gebiet der Erklärung vorzuwagen, wozu ihre Kompetenznicht ausreicht. Die Modellierer widmen sich dem Zusammenfügen des Puz-zles, das aus vielen experimentellen Einzelergebnissen zusammengesetztwerden muß. Dies führt zu dem Ergebnis, daß die Theoretiker die Experi-mentatoren von ihren Ergebnissen »enteignen«. Neid und Spannungen sinddie Folge. In einigen Fällen sucht man die Lösung des Konflikts in Form derKo-Autorenschaft von Artikeln. Es gibt Experimentatoren, die sich ohne dieUnterstützung von Kollegen auf eigene Faust an Erklärungen heranwagenund blamieren (»But you also have some cases where the experimentaliststry to make their own explanations and they are really bizarre«, Interview17), aber auch Wissenschaftler, die einen glänzenden Überblick über dasGesamtfeld besitzen:

Sherry Rowland is not a modeller, he is someone who understands fundamentalmechanisms and can separate the rate-limiting step for a whole lot of chemicalgarbage and so the fact that this photochemical system could produce chlorinemonoxide (which was the rate-limiting catalytic agent) was the key question. (Interview 8)

Die Modellierer haben im Urteil der Atmosphärenwissenschaftler insgesamtsowohl eine positive wie eine negative Rolle gespielt. Positiv ist ihre Rolleim Hinblick darauf, daß sie aufgrund ihrer Modelle das Vorhandensein vonSubstanzen und Reaktionen in der Stratosphäre postuliert haben, die (noch)nicht gemessen worden waren. Dies bezeugen sowohl Modellierer als auchExperimentatoren (Interviews 13, 15, 27).

Die Modelle ergaben aber nicht die richtigen Ergebnisse. Der Fortschritt kamdurch Labormessungen, aber auch durch die Modellierer, die Substanzen wieChlornitrat postuliert haben aufgrund von theoretischen Überlegungen, obwohles niemand gemessen hatte. (Interview 35)

9 Man sollte nicht vergessen, daß nach wie vor auch Berechnungen ganz ohne Computerangestellt werden (»back-of-the-envelope«), ähnlich dem Künstler, der ein Motiv zuerstskizziert, bevor er es als Gemälde oder Skulptur ausführt.

98 Kapitel 3

Negativ bewertet wurde ihre Rolle insofern, als ihren eindimensionalen Mo-dellen unrealistische Annahmen zugrunde lagen, ihnen dennoch manchmalmehr Glauben geschenkt wurde als Beobachtungen. In dramatischer Weisewurde das Ozonloch auf diese Weise »verpaßt«; die NASA-Satelliten warenaufgrund von Modellberechnungen so programmiert worden, daß sie beson-ders niedrige Werte ignorierten.

Look at how the ozone hole was found! That was an old brass and wooden in-strument looking at the sky. When you think what NASA spent, it must have beenbillions on that TOMS [Total Ozone Mapping Spectrometer] satellite and theyactually programmed it to ignore the hole. Because it didn’t fit the model. That’sbad science. It’s the wrong approach. Nowadays they think it’s far better to sit infront of a computer and model the atmosphere than it is to measure it. … Thenumber of scientists actually going to the field and doing measurements or mak-ing equipment is very small compared with the number who sit and calculate …(Interview 42)

Man könnte dies damit erklären, daß die Theoretiker, wie in anderen Diszi-plinen auch, in den Atmosphärenwissenschaften an der Spitze der Prestige-skala rangieren.10 Ihre Modelle sind es, die die vielen Einzeldaten zu einemGesamtbild zusammenfügen. Die Modelle wurden aber auch für Politikent-scheidungen herangezogen, obwohl sie so unzureichend waren, daß sie bei-spielsweise das Auftreten des Ozonlochs nicht vorhersagen und seine Exi-stenz in den ersten beiden Jahren nach seiner Entdeckung nicht erklärenkonnten. Experimentatoren sind skeptisch, was den Erklärungswert der Mo-delle angeht, sie vertrauen ihnen erst, wenn die wichtigsten Daten, mit denendie Modellierer arbeiten, experimentell verifiziert wurden. Lange Zeit sah esso aus, daß einige zentrale Modellvorhersagen nicht mit den experimentellenDaten übereinstimmten.

In fact we were involved in a lot of controversy essentially pointing out that a lotof the models by which we used to predict ozone loss-rates were in direct conflictwith observations. … And we went through National Academy Report after Na-tional Academy Report where the models were not calculating those rate-limitingsteps in a proper way, so they couldn’t possibly represent the natural system …But that didn’t stop the predictions from being published year in, year out.(Interview 8)

10 Vgl. Stinchcombe (1984) für eine gleichlautende Einschätzung der Soziologie. Nach seinerAuffassung errichten die Theoretiker einen Schutzwall, um sich vor der Flut »schmutzigerDaten« zu sichern, die das Feld zu überschwemmen drohen.

Die Wissenschaft 99

Modelle spielten auch eine wichtige Rolle beim Test der Hypothesen übervermutete chemische und dynamische Prozesse in der Stratosphäre. Mit an-deren Worten: Was als gesicherte Erkenntnis gelten darf, wurde auch mitHilfe von Modellrechnungen ermittelt. Die Input-Daten bestehen aus denAusgangsgrößen und den postulierten und bekannten chemischen Reaktio-nen und Diffusionsparametern. Ergibt die Modellsimulation Ergebnisse, diemit den gemessenen Werten übereinstimmen, so gilt die Erklärung als plau-sibel. Eine solche Überprüfung von Modellen an der Realität hat jedoch erstin den letzten Jahren begonnen. Noch 1987 schrieben die führenden Model-lierer in einem für die UNEP angefertigten Szenarienpapier: »No model hasyet been adequately validated against the real atmosphere (e.g. current ozonedistribution) and their reliability for predicting future states of the atmosphe-re is still uncertain« (UNEP 1987: 3).

3.1.4 Interdisziplinarität

Im Laufe der Zeit setzte ein Lernprozeß ein, der dazu führte, daß Modelliererund Experimentatoren voneinander zu profitieren versuchten. Es scheint dieseiner der Ausnahmefälle zu sein, von denen Kaufmann spricht, wenn er sagt:

Interdisziplinäre Problemstellungen drängen sich für Wissenschaftler, die voll ineiner bestimmten Disziplin verankert sind, nur ausnahmsweise auf. Ihre indivi-duelle Bearbeitung setzt in der Regel nicht nur die Verarbeitung der spezialisier-ten Wissensbestände einer anderen Disziplin zu einem bestimmten Thema vor-aus, sondern auch eine gewisse Vertrautheit mit deren Methoden und Grundan-nahmen, wenn eine angemessene Einordnung und kontrollierte Feststellung vonvergleichbaren Erkenntnissen möglich sein soll. (Kaufmann 1987: 77)

Wodurch wurde die interdisziplinäre Orientierung im vorliegenden Fall be-günstigt? So weit ich sehe, kommen vor allem zwei Faktoren in Frage: dieExistenz lokaler Forschergruppen und die Fähigkeiten der dort arbeitendenForscher. Ich behandle den letzten Punkt zuerst.

Wissenschaftler mit vielfältigen Fähigkeiten

Beurteilt man das Gelingen interdisziplinärer Forschung im Allgemeinenund auf dem Umweltsektor im Besonderen, so haben verschiedene Autoreneine skeptische Sicht entwickelt. Meist gelangen interdisziplinäre Initiativennicht über die »Aggregierung einzeldisziplinärer Leistungen und Kompeten-

100 Kapitel 3

zen« hinaus: »Entweder wird bereits vorhandenes Wissen … angewendetoder die kumulative Theorieentwicklung vollzieht sich weiter innerhalb dereinzeldisziplinären Bezugsrahmen« (Weingart 1974: 24). Es besteht die Not-wendigkeit einer gemeinsamen Sprache, die nicht identisch mit der diszipli-nären Terminologie einer engen Spezialisierung sein kann. Meist erfolgt diesüber den Umweg der Alltagssprache, was viel Zeit in Anspruch nimmt(Blaschke 1976; Kaufmann 1987; Timm 1989) und für die Wissenschaftlereine riskante Investition darstellt, die nur bei Vorhandensein bestimmter An-reize erfolgt (Weingart 1987).

In der Literatur scheint der Gedanke wenig entwickelt zu sein, wonachInterdisziplinarität begünstigt werden kann, wenn Wissenschaftler mit viel-fältigen Fähigkeiten eine Schlüsselrolle übernehmen. Im hier behandeltenFall waren einige der Hauptprotagonisten der frühen wissenschaftlichenDiskussion Außenseiter auf dem Gebiet der Atmosphärenforschung. Siespielten als individuelle Forscher mit großem Überblick und Kompetenzer-werb auf fremden Spezialgebieten eine wichtige Rolle bei der Entstehungvon Interdisziplinarität.11 Cicerone und Stolarski waren wie Rowland undMolina von Hause aus keine Stratosphärenchemiker. Die ersten beiden wa-ren nicht einmal Chemiker. Cicerone hatte einen Abschluß als Elektroinge-nieur, Stolarski als Physiker. Beider Forschungsinteresse lag auf dem Gebietder Ionosphäre, der Region oberhalb der Stratosphäre. Die Atmosphäre derErde war zu jener Zeit durch institutionelle Zuständigkeiten in verschiedene»Stockwerke« aufgeteilt, für die je eine Subdisziplin zuständig war, die dieKontrolle über ihrem Bereich entschieden verteidigten. Bis in die sechzigerJahre erfuhr die Stratosphäre kaum Beachtung (siehe Dotto/Schiff 1978:121f.).12 Scherzhaft wurde sie auch als »Ignorosphäre« bezeichnet (Crutzen1996).

11 Vgl. Ben-Davids (1960) Konzept der »role-hybrids«.12 Ein weiterer Grund mag in einer Weiterführung bereits erfolgter praktischer Erfahrungen

mit interdisziplinärer Arbeit liegen. Wie Untersuchungen zeigen, haben es interdisziplinäreProjekte schwerer als »normale« Projekte, gefördert zu werden. Insbesondere auf seitender Gutachter besteht eine Voreingenommenheit gegen Antragsteller aus einer »fremden«Disziplin (Porter /Rossini 1985). Umgekehrt ist es wahrscheinlich, daß Wissenschaftler,die interdisziplinärer Forschung gegenüber aufgeschlossen sind und selbst als Gutachterfungieren, diesen Bias nun umkehren und bevorzugt Projekte befürworten, die ebenfallsinterdisziplinär sind, vielleicht sogar zur Kooperation mit den eigenen Projekten geeignetsind. Meine Befragungen bestätigen, daß die Forscher die interdisziplinäre Öffnung, diesich auf dem Gebiet der Atmosphärenwissenschaft entwickelt hat, als sehr positiv bewer-ten.

Die Wissenschaft 101

Die herausragenden Kontrahenten der frühen Kontroverse waren zumüberwiegenden Teil Experimentatoren, die eine ungewöhnliche Übersichtüber das Forschungsfeld und vielfältige Fähigkeiten besaßen. Vieles deutetdarauf hin, daß die Interdisziplinarität im vorliegenden Fall von unten ge-wachsen ist, das heißt, durch eine interdisziplinäre Orientierung, die bei ver-schiedenen Einzelforschern vorhanden war.

As a whole, our community of relatively young scientists at that time had de-cided we were not going to follow in the footsteps of our predecessors (as docu-mented in the Schiff and Dotto book) with all of the petty disagreements andbackbiting. We were determined that science could be done in a more friendlyand cooperative way. We still follow through with this – some of my best friends… are also some of my chief competitors. (Interview 47)

Folgende Beispiele verdeutlichen, wie breit die Fähigkeiten und Interessender frühen Protagonisten gefächert sind. Lovelock baute den electron captu-re detector, führte Feld- und Labormessungen durch und entwickelte dieGaia-Philosophie (Lovelock 1982, 1993). Er gehört zu einem Typus vonWissenschaftlern, die innovativ und »unternehmerisch« arbeiten, was oft zuKonflikten mit dem Establishment der offiziellen Disziplin führte.13 Er zogdaraus die Konsequenz, sich aus den akademischen Institutionen weitgehendzurückzuziehen. Er lieferte einen wichtigen Anstoß zur Untersuchung derRolle von FCKW, als er Ende der sechziger Jahre die Ursachen des Smogsüber Westirland untersuchte und die Ursachen im fernen Festlandseuropavermutete. Lovelock benutzte FCKW als Markierungsstoffe (tracer), umLuftbewegungen nachvollziehen zu können. Tatsächlich fand er seine Ver-mutung bestätigt, die er in zwei Artikeln publizierte. Er schrieb in der FolgeProjektanträge, um ähnliche Messungen auf einer Schiffsexpedition in dieAntarktis durchzuführen. Diese Anträge wurden abgelehnt. Einer der Gut-achter führte aus, jedes Schulkind wisse, daß man kaum Konzentrationenvon einem Millionstel in der Luft messen könne.14 Der Antragsteller be-haupte jedoch, Konzentrationen von einem Billionstel messen zu können,

13 Daten von Chubin und Hacket (1990: 66) zeigen, daß eine sehr große Anzahl von Wissen-schaftlern (60 Prozent) der Ansicht sind, das Gutachterverfahren blockiere innovative(»unorthodox or high risk«) Ansätze.

14 Die Konzentration wird durch den Anteil der Moleküle an einer Luftprobe bestimmt. DieEinheiten werden in der englisch- und deutschsprachigen Literatur gleich abgekürzt, aberteilweise verschieden bezeichnet: ppm (millionstel Anteile, parts per million, 10–6), ppb(milliardstel Anteile, parts per billion, 10–9) und ppt (billionstel Anteile, parts per trillion,10–12). Da es sich hierbei um Volumenanteile handelt, werden sie auch als ppmv, ppbvund pptv abgekürzt.

102 Kapitel 3

was klar mache, daß es sich um einen unseriösen Antrag handle, mit dem dieKommission nicht ihre Zeit vergeuden sollte. Die Angestellten der Förder-behörde sorgten immerhin dafür, daß Lovelock zumindest freie Kost undLogis auf einem Schiff bekam, um sein Projekt durchzuführen.

So I built the apparatus myself and they gave me free board and lodging on theship. It must have been the most inexpensive research project ever.15

Lovelocks außergewöhnliche Fähigkeiten auf dem Gebiet des Instrumenten-baus werden von seinen Kollegen hervorgehoben. Seine Gaia-Philosophie,die unmittelbaren Bezug zur Ozonkontroverse nimmt – ein verschlungenesSystem von negativen und positiven Rückkopplungen, das der Natur ihreRobustheit verleiht – wird dagegen gemischt bewertet. Einige Wissen-schaftler halten sie für religiöse Spekulation, andere für interessanten Dis-kussionsstoff. Seine frühe Äußerung, die von ihm gemessenen FCKW stell-ten keine Gefahr für die Umwelt dar (»no conceivable environmental ha-zard«, Lovelock et al. 1973: 194), hat ihn anfangs zur Pro-Industrieallianzgebracht. Heute hält er diese Aussage für seinen größten Fehler.

Rowland, von Hause aus Radiochemiker, kam um 1973 zur Atmosphä-renchemie. Er führte Labor- und Feldmessungen durch und berechnete zu-sammen mit seinem damaligen Assistenten Molina die vermuteteten Ozon-abbauraten mit einem 1-D-Modell. Dabei spielte die Lebensdauer vonFCKW eine entscheidende Rolle:

The calculation of the average lifetime of a molecule – the early stage of ourwork in late 1973 – involved a simple 1-D vertical model of the atmosphere: theCFC compounds were subject to two effects, the motion up and down throughthe atmosphere (put in with an »eddy diffusion« constant at each altitude), and arate of photolysis at each altitude, causing it to disappear. We used all of theeddy diffusion profiles worked out by the other scientists who had developedcomputer models in connection with the work on the SST problem, and showedthat all of them gave about the same result, e.g. 40–80 year lifetime for CCl3F [F11].16

Rowland unternahm auch Aktivitäten auf dem Gebiet der Feldbeobachtung.Zu Beginn der achtziger Jahre hegten die FCKW-Kritiker den Verdacht, daßdie weltweite FCKW-Produktion, entgegen den Angaben der Hersteller,wieder anstieg. Rowland veröffentlichte 1982 Resultate, die zeigten, daßmehr FCKW 12 in der Atmosphäre war, als offiziellen Angaben gemäß pro-

15 Pers. Mitteilung Lovelock.16 Pers. Mitteilung Rowland.

Die Wissenschaft 103

duziert worden war. Die Industrie reagierte abwieglerisch, stellte sich dannaber doch den Daten. Da man schlecht sich selbst oder andere Unternehmender Unkorrektheit in der Angabe von Produktionsziffern bezichtigen konnte,behauptetete man, daß Leckagen aus Produktionsanlagen für die erhöhtenWerte verantwortlich seien. Rowland führte persönlich Konzentrationsmes-sungen im Abwind einer großen FCKW-Produktionsanlage durch und fandkeine Bestätigung dieser Erklärung.

We then tried to verify this 1.5 percent leakage, which was a major source. Anybig firm should be a major source. And so we got samples downwind from theDu Pont plant in Texas. There was a lot of methyl bromine, carbon-tetra-chloride,but very little CFC 12 or 11 (on that day). I didn’t believe their explanations, I feltall along that some of their companies were underestimating.17

Rowland verbindet solch disparate Spezialisierungen und Fähigkeiten wieLaborkinetik, Modellrechnungen und In-situ-Messungen. Ein Teil der Fähig-keiten entwickelt sich im Lauf der Kontroverse, angetrieben von der Moti-vation, im Kampf gegen Du Pont zu bestehen.

Jim Anderson ist, ähnlich wie Lovelock, ein Wissenschaftler, der großeFähigkeiten auf dem Gebiet des Apparatebaus entwickelt hat. In den siebzi-ger Jahren kamen viele Messungen chemischer Schlüsselsubstanzen vonihm.

Without Anderson’s in situ measurements the modellers would not have realnumbers to put into their models and to look if their models can reproduce them.(Interview 2)

Er baute das Instrument, mit dem während der zweiten Antarktisexpedition1987 die entscheidenden Messungen an Bord eines Spezialflugzeugs durch-geführt wurden. Er entwickelte dieses Geschick über lange Zeit hinweg;Vorläufer des Instruments waren bereits bei Ballonaufstiegen in den siebzi-ger Jahren eingesetzt worden. Sein Instrument arbeitete dermaßen präziseund lieferte ein so deutliches Signal, daß seine Ergebnisse in den Wochenund Monaten nach Abschluß der Expedition zur Schließung der Kontroverseum die Ursachen des antarktischen Ozonlochs verwertet wurden. Die Mes-sungen bezogen sich auf das Verhältnis von Ozon und Chlormonoxid imantarktischen Polarwirbel. Die beiden Substanzen korrelierten abhängig vonder geographischen Breite stark negativ.

17 Pers. Mitteilung Rowland.

104 Kapitel 3

Paul Crutzen ist ein ehemaliger Ingenieur und Meteorologe und ein Auto-didakt auf dem Gebiet der Chemie. Er promovierte1968 in Meteorologie(unter Bert Bolin, Stockholm) und schloß 1973 eine der letzten in Schwedendurchgeführten Habilitationen ab. 1970 entdeckte er, daß Stickoxide dieOzonschicht angreifen können. Dies war die erste wissenschaftliche Revo-lution auf dem Gebiet der stratosphärischen Chemie nach vier Jahrzehntentheoretischer Stagnation. Crutzen ist ein Modellierer, der sich sehr stark fürdie menschlich erzeugten Veränderungen des Weltklimas und der Ozon-schicht interessiert und öffentlich engagiert. Er entwarf verschiedene Szena-rien zu den Folgen eines möglichen Atomkrieges (»Nuklearer Winter«) unddes Golfkrieges (Ölfeuer) auf das Weltklima, die breites Interesse hervorge-rufen haben. Sein wissenschaftliches und sein praktisch-politisches Interesselassen ihn einen Forschertyp verkörpern, der die wichtigen wissenschaftli-chen Fragen auf spezifische Weise selektiert. Crutzen war nicht nur Inge-nieur, sondern nach 1977 auch Verwaltungsbeamter beim National Centerfor Atmospheric Research (NCAR) in Boulder. Er setzte während dieser Zeitnicht nur seine wissenschaftlichen Arbeiten fort, sondern brachte eine inter-disziplinäre Forschung in Gang, die die Wechselwirkungen zwischen Atmo-sphäre und Biospäre ins Visier nahm (siehe ausführlich Crutzen 1996).

In all diesen Fällen ist bemerkenswert, daß innovative Entwicklungenvon den Rändern der etablierten Wissenschaft kommen. Manchmal sind esAußenseiter, newcomer oder einfach Wissenschaftler, die sich weit aus ihrerSpezialisierung herauswagen oder praktische Fähigkeiten besitzen, die sie indie rein akademische Arbeitsweise einbringen. Sofern dieses Verhalten in-tentional oder strategisch ist, ist es sicher ein sehr riskanter Weg, um wissen-schaftliche Reputation zu erlangen. Anders formuliert: Das wissenschaftli-che business as usual hätte vermutlich ohne diese Forscherpersönlichkeitenviele der gesammelten Erkenntnisse erst sehr viel später oder gar nicht ge-macht und die Forscher selbst sind ein großes Risiko eingegangen, was ihreeigene Karriere angeht.

Die geographische Konzentration von Forschung

Sieht man sich die Forschungsbedingungen an, unter denen die wichtigenBeiträge entstanden sind, so kann man beobachten, daß die führenden Wis-senschaftler, von wenigen Ausnahmen abgesehen, mit Kollegen in der un-mittelbaren Nähe zusammenarbeiten. Viele wichtige Veröffentlichungen(sog. key papers) sind jeweils von zwei Wissenschaftlern geschrieben wor-

Die Wissenschaft 105

den, die an derselben Fakultät oder im selben Insitutut arbeiten oder sichzumindest in geographischer Nähe befinden (Molina/Rowland; Cicerone/Stolarski; McElroy/Wofsy; Crutzen/Arnold; Brühl/Crutzen). Dies trifftinsbesondere für die Periode vor 1985 zu, als die Modelle noch relativ ein-fach waren und Probleme der atmosphärischen Dynamik keine Rolle spiel-ten (siehe nächster Abschnitt). Aber auch vorher haben Forscher versucht,von der Spezialisierung anderer Wissenschaftler zu profitieren. Rowland undMolina arbeiteten beispielsweise mit dem Modellierer Donald Wuebblesvom Lawrence Livermore Laboratory (das ebenfalls in Kalifornien liegt) zu-sammen. Ein besonders sichtbares Resultat der Zusammenarbeit dieser For-scher (mit weiteren) war der Versuch der Erklärung des Ozonlochs (Solo-mon, Garcia, Rowland und Wuebbles, 1986). Der in Deutschland erfolgreicharbeitende Crutzen kooperierte mit Brühl im eigenen Institut und mit Arnoldin Heidelberg. Seit der Steigerung der Komplexität der Modelle ist die An-forderung an die Gruppengröße allerdings gewachsen. Man kann dies durchdie Entwicklung der durchschnittlichen Anzahl von Autoren pro Veröffent-lichung ablesen.18 Um 1985 betrug die durchschnittliche Autorenzahl 2,7,zehn Jahre später über 4.19 1985 wurden 95 Prozent aller Beiträge vondurchschnittlich 6 oder weniger Autoren verfaßt. 1994 wurden 95 Prozentaller Beiträge von durchschnittlich 10 oder weniger Autoren verfaßt.20 Inbeiden Perioden liegt die absolute Häufigkeit beim Autoren-Duo.

Gefragt ist eine Integration von Modellierern, Experimentatoren und demtechnischen Hilfspersonal. Sind Gruppen in dieser Hinsicht »unterkritisch«,so haben sie kaum eine Chance, an der Forschungsfront dabeizusein. Fol-gende Gesprächsauszüge mögen dies belegen:

The German malaise is institutional. You know, also in the US you have differ-ent groups but they are talking much more to each other. In Europe somehowthere is secrecy. … The Germans have nothing to show. They have measure-ments, some interesting results. There are also individuals who have a goodreputation … but the competence is scattered. (Interview 2)

18 Die folgenden Zahlen beruhen auf einer Auswertung der Bibliographie der WMO-Berichte1985 und 1994.

19 Verglichen mit Zahlen über die Kooperationsrate innerhalb der britischen Naturwissen-schaften (Hicks /Katz 1996: 390) war die Kooperationsrate im Feld der Ozonforschung um1985 leicht unterdurchschnittlich, 1994 jedoch weit überdurchschnittlich.

20 »There is always this tension [between theoretician and experimentalist]. We have nowthis solution: The theoretician writes the paper but includes the experimentalist as an au-thor. Nowadays we have papers with 15 or 20 coauthors« (Interview 17).

106 Kapitel 3

Vor 3 Jahren [d.h. 1991] wurde die AG stratosphärische Chemie zum Institutaufgewertet, damit die Gruppe auch Modellierungsaufgaben übernehmen kann,damit man die eigenen Daten modellieren kann. Da wurde auch personell aufge-stockt … Lange Zeit haben die Modellierer und Experimentatoren wenig mitein-ander gesprochen. Jeder hat vor sich hingewerkelt. Die Synergetik ist erst mühe-voll gelungen, nachdem die Forschungsförderung programmatisch eingerichtetwurde, Kooperation also erzwungen wurde. (Interview 35)

Man kann nicht auf der grünen Wiese anfangen zu messen. In-situ-Messungensind schwierig, schon von den Beschränkungen her, die die Apparate betreffen.Es braucht Know-how in der Instrumentierung. Dasselbe gilt für die Modellie-rung, da war ja nichts in Deutschland. Als ich kam, habe ich Crutzens ursprüng-liches 1-D-Modell mitgebracht, das war das einzige stratosphärische Modell, wases zu dem Zeitpunkt in Deutschland gab. (Interview 26)

Erst in den achtziger Jahren haben wir gegenüber den USA aufgeschlossen. Wirhatten keine systematische Förderung, wir hatten diese kleinen Uni-Institute, diefast alle unterkritisch in der Anzahl der Mitarbeiter waren, dann haben wir zu-nächst die internationalen Forschungsprogramme nicht mitformuliert, sondernnur teilgenommen … Unsere Kooperation ist eher über den Teich hinweg, als imeigenen Land. (Interview 1)

Deutschland war im Vergleich zu den USA in der Tat wenig innovativ. MitAusnahme der Gruppen um Crutzen und Ehhalt gab es lange Zeit keinewichtigen Beiträge. Die eine beschränkte sich weitgehend auf die Modellie-rung, die andere auf Feldexperimente. Als möglicher institutioneller Grundkann das Fehlen starker interdisziplinärer Forschergruppen sowie die starkeOrientierung auf die USA gelten.

In Europa fehlt diese technologische Infrastruktur. Hier muß der Wissenschaftlerdafür sorgen, daß sein Datennetzwerk am Kampagnenort aufgebaut wird. DieAmerikaner hatten zig Leute, die abends nur darauf gewartet haben, daß die Wis-senschaftler zurückkamen und ihnen ein Magnetband mit den Daten überreichen.Die haben das auf einen Zentralrechner überspielt, formatiert, geplottet; dannkamen die Wissenschaftler wieder und haben über die Wissenschaft gesprochen.

Bei uns herrscht eine andere Tradition, die ist nicht unbedingt falsch, hat abereine Auswirkung auf die Effizienz. Die wissenschaftlichen Gruppen machen al-les selber, vom Schrauben bis zum Verpacken bis zum Daten überspielen, aus-werten und Papers schreiben. Man ist also viel intensiver in allen Schritten, weileinfach die Infrastruktur fehlt. Es gibt ganz wenige Bereiche, die genügendTechniker und Hilfspersonal haben, so daß die Wissenschaftler sich nur mit Wis-senschaft und Planung beschäftigen können. Die Gruppen sind alle unterkritisch.(Interview 35)

Die Wissenschaft 107

Unabhängig von der Frage nach nationalen Forschungsbedingungen kanngesagt werden, daß die Herausbildung von Interdisziplinarität bedeutet, daßdas Feld in verschiedenen Dimensionen wächst und schrumpft. Es wirdgleichzeitig größer und kleiner. Es wird größer, weil Forscher aus mehr alseiner Disziplin zusammenkommen; es wird kleiner, weil sie nur einen klei-nen Ausschnitt ihrer Herkunftsdisziplin repräsentieren. Dabei kann es zur Ab-kopplung und Entfremdung vom Rest der Disziplin kommen. Wissenschaft-ler interdisziplinärer Gruppen tendieren dazu, den Kontakt zu anderen For-schungsgruppen zu suchen, die ähnlich, das heißt ebenfalls interdisziplinärarbeiten. Dies kann auf Kosten des Kontakts zur Herkunftsdisziplin gehen.

Atmosphärenchemie und dynamische Meteorologie

Wie oben gezeigt, gibt es zunächst eine wichtige Tendenz zur Kooperationzwischen verschiedenen professionellen Spezialisierungen innerhalb derAtmosphärenchemie, die nach der Veröffentlichung der Molina-Rowland-Hypothese und des enormen Wachtums des Feldes Mitte der achtziger Jahrestark zunahm. Dies ist jedoch keine Kooperation zwischen verschiedenenDisziplinen im eigentliche Sinne. Diese bildet sich duch die Kooperationvon Atmosphärenchemikern und dynamischen Meteorologen, vor allem imGefolge der beiden Antarktisexpeditionen heraus. Nachdem die dynamischeMeteorologie zu Beginn der Kontroverse für lange Zeit eine untergeordneteRolle gespielt hatte, bekam sie nach der Entdeckung des antarktischenOzonlochs Auftrieb.

The whole field at that time [zu Beginn der achtziger Jahre] was dominated bychemists. The original theory was a chemical theory, and they deal with an at-mosphere which is more or less static, they used to have 1-D models for verticalprofiles. Dynamicists got into this field late. Physically based foundations werenot available in a manageable model. The 3-D models often had … primitivechemistry in [them]. We had two extremes: Chemists having very sophisticatedchemical schemes but not transport and the dynamicists who … could not incor-porate the complicated [chemistry]. (Interview 38)

Dynamiker vertraten die Ansicht, das Ozonloch sei durch die spezifischenmeteorologischen Bedingungen, die über dem Südpol zur Zeit des antarkti-schen Winters herrschen, verursacht. Diese Bedingungen zeichnen sich unteranderem durch einen stabilen Polarwirbel aus, in dem die Ozonabnahme voneiner ebenso drastischen Temperaturabnahme begleitet wird. Es sei der ozon-

108 Kapitel 3

reichen Luft um den Polarwirbel nicht möglich, so wurde von Dynamikernvermutet, die ozonarme Luft im Wirbel aufzufüllen. Ein Dynamiker erläu-terte die Situation, vor der man angesichts der antarktischen Anomalie stand,auf folgende Weise:

We only had two pieces of information: Ozone is going down and the tempera-ture is going down. We didn’t know anything about the chemistry at the time. Soin 85/86 we only had these two pieces of information from satellites. And therewere two hypotheses to explain it: One of which is, the air is coming up adiabati-cally and it’s cooling as it rises and it’s pushing the ozone layer up at the sametime. So there could be some dynamical phenomenon developing in the Southernhemisphere which is creating this. The other hypothesis was: If the ozone is go-ing down chemically, then you have less heating of the stratosphere and it willget colder. So it’s a chicken-egg question. It seemed to me that it was very pre-mature to assume that it was chemical. (Interview 17)

Dies provozierte die Chemiker, die keinerlei Anzeichen für eine dynamischeErklärung sahen. Ein Chemiker erklärt seine Aufregung:

Personally I just get a little nervous when people say »It must be dynamics!«,without any reason. If you can observe something, like temperature or windchanges, then it would be different. But just throwing up the hands and saying »Itmust be dynamics!« … Why? (Interview 36)

Überrascht es, daß Dynamiker mit derselben Wortwahl den Vorwurf an dieGegenseite wiederholen?

I was very much against people saying: »It’s got to be chemical«. Sherry Row-land said: We can see that from the planet Mars, »It’s got to be chemical«. Howdoes he know? Before we jumped into regulating (people lose their job, if youregulate!) I thought we needed more research. I was very upset with the chem-ists, because I thought they were making a big assumption. (Interview 17)

In einer Reihe von Experimenten im Labor und im Feld erlangte die For-schergemeinschaft jedoch Einigkeit darüber, daß solche dynamischen Fakto-ren allein nicht ausreichen, um das Ozonloch zu produzieren. Es mußtenchemische Reaktionen im Spiel sein, unter denen vor allem Chlor als Haupt-substanz vermutet wurde (Shell 1987). Dieser Konsens, der um 1988 ent-stand, ging auf eine Periode sehr fruchtbarer und intensiver Diskussion undKontroverse zurück. Die Teilnehmer dieser Diskussion lernten viel vonein-ander und wendeten die gewonnenen Erkenntnisse auf die Erklärung derOzonschicht in mittleren Breiten und in der Arktis an. Sie blieben als inter-nationale Forschergruppe in ständigem Kontakt. Die Verlierer haben ihreNiederlage akzeptiert. Einer von ihnen drückte es so aus:

Die Wissenschaft 109

So we were disappointed that we were wrong but happy of having been able toinject good science into the process. Hypotheses are meant to be rejected.(Interview 11)

Heute beinhalten alle guten Modelle eine Kombination von Dynamik undChemie. Ein Dynamiker sagt:

Today we all get together and don’t talk about cultural gaps any more. It’s inter-esting, when we talk about »potential vorticity dynamics«, the chemists nolonger panic. The fields have really been culturally merged in such a way that wepretty much speak the same language. That’s very exciting. (Interview 11)

Die Tatsache, daß ein Konsens so schnell erreicht werden konnte, hat auchmit den enormen Motivationen zu tun, die in diesem Prozeß mobilisiertwurden. Es war für viele Wissenschaftler die Gelegenheit ihres Lebens, ander grundlegenden Umwälzung bisherigen Wissens mitzuwirken.

Die chemischen Erklärungen verwendeten alle »heterogene Reaktionen«als zentralen Ozonzerstörungsmechanismus. Dieser Reaktionstyp war eineNeuentdeckung für das Feld der Ozonforscher. Vor 1986 zog kaum jemanddiese theoretische Möglichkeit in Betracht. Dies zeigt an, daß die Forscher-gemeinde in einer eher hektischen Art versuchte, möglichst schnell mit Er-klärungen aufzuwarten.21 Jedenfalls stellte es zu jener Zeit kein etablierteswissenschaftliches Wissen dar, das für die Vertragsstaaten vor Montreal ver-fügbar gewesen wäre.

In 1985 we were saying to ourselves that making these speculations, we don’tknow when we will be proven wrong. Maybe in ten years, that was the feeling. Itis remarkable that the scientific community mobilized and got these expeditionsto this remote place of the planet to actually find out what the answer is. Ofcourse there is a lot of excitement associated with it. It is very rare for chemists

21 Ein Wissenschaftler, der zum inneren Kreis der aktiven Ozonforscher gerechnet werdenmuß, erklärte: »There were three papers, where theory people tried to explain the ozonehole. They all take credit for it, but they were all wrong. The mechanisms were all wrong.S. had HCl which can’t do it, M. had BrO + ClO which is 20 percent, but he can’t makethe ozone hole, and C. had some HO2NOH system. That model turned out to be irrepro-ducible. They all had heterogeneous chemistry, in that sense they were all right. But theywere all wrong in the sense that no one can get the ozone hole. If you go back and look atthe papers, they are all embarrassing, they all have kind of black magic, everyone tried toget the ozone depletion right, but nobody could do it. The first person who could do it wasMario Molina, who did lab work which showed that the ClO dimer could form, combine,photodissociate, destroy ozone at a rate that was kind of what we have seen. If you put thatinto the models, they started to give the right answers. Farman observed it, everyone saidit’s heterogenous chemistry, they all jumped on the bandwagon, but even then theycouldn’t come up with a mechanism« (Interview 15).

110 Kapitel 3

to see a new chemical reaction at work producing such dramatic effects. It’s anopportunity of a lifetime. That’s why there is so much enthusiasm for goingdown there. (Interview 38)22

Am 9. Mai 1988 traf sich der Kern des Forschungsfeldes in Snowmass/Colorado, um die Auswertung der beiden Antarktisexpeditionen zu diskutie-ren. Im Vorfeld schien es, daß weder Dynamiker noch Chemiker zum Nach-geben bereit waren. Der Konferenzleiter gebrauchte eine Metapher aus jenenalten Eisenbahnzeiten, als Züge auf eingleisigen Strecken aufeinander zulie-fen:

It’s like the old days of railroading when two trains, unable to communicate,would speed unknowingly toward each other on the same track through the mid-dle of Kansas. Eventually, there was going to be a cornfield meet between thetwo – guaranteed to be messy. (zit. bei Nance 1991: 183)

Die Positionen prallten zwar aufeinander (in einer fünftägigen Sitzungsperio-de mit 69 Vorträgen), aber es bildete sich auch ein gemeinsames Verständnisheraus.23 Den Dynamikern wurde klar, daß die außergewöhnlichen meteo-rologischen Bedingungen über der Antarktis allein kein Ozonloch produzie-ren konnten. Eine Minderheit unter den Dynamikern hielt noch eine Zeitlangan der Ansicht fest, daß auch das Umgekehrte gelte, also erhöhte Chlorkon-zentrationen kein Ozonloch zustande bringen. Die endgültige Auswertungder Daten der Antarktisexpedition von 1987 widerlegte die Hypothesen derDynamiker, und die Untersuchung der nördlichen Atmosphäre deutete dar-auf hin, daß auch hier eine chlorgesteuerte Chemie für Gleichgewichtsstö-rungen sorgt. Durch die weniger extremen atmosphärischen Bedingungenkommt es allerdings nicht zur Ausprägung eines arktischen Ozonlochs.

Zusammenfassend kann man sagen, daß sich hier eine geglückte Fusioneines Forschungsfeldes vollzogen hat, bei der die Protagonisten aus verschie-denen Disziplinen kamen. Es hat jedoch keine Fusion von Disziplinen statt-gefunden.

22 »What would drive a group of people to do as much as scientists do in their jobs, to work80-hour weeks and … you know, I mean there is a lot of people in this field who work in-sane hours. Competitiveness must be in it, otherwise we would have the good sense toenjoy life more« (Interview 45).

23 Zwei von mir befragte Dynamiker gaben an, daß der Workshop in Snowmass den Sieg derChemiker brachte.

Die Wissenschaft 111

3.1.5 Internationalisierung

Auch die Herausbildung von internationalen Forschergruppen führt zumgleichzeitigen Wachsen und Schrumpfen des Feldes. Durch die Kooperationmit anderen Forschern im Ausland, die die gleiche Spezialisierung weiter-treiben, wächst das Feld; durch die Ablösung von ihren »alten« Heimatdis-ziplinen schrumpft es gleichzeitig, da es als Subdisziplin an Autonomie ge-winnt. Die Entfremdung von der Herkunftsdisziplin ist damit wahrschein-lich. Wie die interdisziplinäre Orientierung, so ist auch die Internationalisie-rung naheliegend bei einem globalen Problem, kam aber auch nicht vonselbst, sondern nur durch politisch und forschungspolitisch motivierte An-strengung zustande. Besondere Bedeutung in diesem Prozeß kommt BobWatson zu, dem Leiter des NASA-Programms zur Ozonforschung. Er er-kannte zu Beginn der achtziger Jahre richtig, daß Regulierungen (!) durchdie Existenz einer Vielzahl, teilweise widersprüchlicher Einschätzungen undoffizieller Berichte, erschwert würden. So existierten um 1980 sechs ver-schiedene Berichte über den Wissensstand, was zur Verwirrung führte undden Regulierungsgegnern wohlfeile Argumente lieferte. Diese verschiedenenEinschätzungen wurden von folgenden Organisationen vorgelegt: EG,NASA, NAS, UNEP, WMO und der britischen Regierung.

At that stage industry and other people were looking rather at the differencesthan at the commonalities of the different studies. So I tried to work with the in-ternational science community toward a single international assessment.24

Watson versuchte, die internationale wissenschaftliche Community zur Ab-fassung eines einzigen internationalen Berichts zu bringen. Dies gelang 1985zum ersten Mal (WMO 1986). Damit hatte man einen Mechanismus gefun-den, der es erlaubte, alle relevanten Wissenschaftler zusammenzubringen,indem man sie zwang, dieselben Daten als Ausgangsbasis heranzuziehen.25

Damit sollten viele Punkte, die bislang kontrovers diskutiert worden waren,in einem einheitlichen Standpunkt zusammengeführt werden. Watson erhielt

24 Pers. Mitteilung Watson.25 Die Anerkennung der NASA als verantwortlicher wissenschaftlicher Einrichtung zur Ko-

ordination all dieser Aktivitäten ist ihrer hohen Reputation geschuldet. Dies machte esmöglich, daß nationale Regierungen sich darauf einließen, die Ergebnisse entsprechenderForschungen anzuerkennen. In neoinstitutionalistischen Termini: »Absent coercion, theother parties will be willing to delegate such discretionary authority only if they believethat it will be used fairly and effectively. An important source of this belief is reputation.The party to whom authority is delegated should be the one with the most to lose from aloss of reputation« (Majone 1996b; Milgrom/Roberts 1992).

112 Kapitel 3

1992 den National Academy of Sciences Award for Science Reviewing. Eu-gene Garfield kommentierte die Preisvergabe in Current Contents folgen-dermaßen:

Watson … has been described as a »national asset« … [He] has supplied the evi-dence to a skeptical world that proves there is such a thing as ozone depletion inthe upper stratosphere, particularly over Antarctica, and that it threatens human-kind’s well-being. (Garfield 1992: 5)

In der Begründung für die Preisvergabe wird betont, daß Watsons Artikelund Berichte die Basis abgegeben hätten für die Entscheidungen von Indu-strie und Regierungen, FCKW zu regulieren. Auch Garfield hebt den Aspekthervor, daß Watsons Arbeiten zwar auch von anderen Wissenschaftlern imForschungsfeld zitiert werden, aber hauptsächlich Einfluß auf den politi-schen Entscheidungsprozeß genommen hätten.

Trotz der Internationalisierung gibt es nach wie vor nationale Forschungs-programme und den Nationalstolz auf »eigenständige Beiträge«. Die Unter-schiede in der nationalen Wissensentwicklung gehen in der Mehrzahl auf in-stitutionelle Faktoren zurück. Es gab in der stratosphärischen Chemie um1970 international eine gemeinsame Wissensbasis, die im wesentlichen ausden dreißiger Jahren stammte. Als das Forschungsfeld die Rolle von FCKWund anderen Stoffen zu untersuchen begann, wurde dieses Wissen revidiertund weiterentwickelt, aber in verschiedenen nationalen Wissenschaftssyste-men auf verschiedene Weise.

Die internationale Wissenschaftlergemeinde in der Ozonforschung grup-piert sich um einen Kern in den USA und besteht aus circa fünfzig Wissen-schaftlern, die in engem Kontakt zueinander stehen. Sie tauschen ständig In-formationen aus und sind über die Forschungen ihrer Kollegen gut unter-richtet.

They all know what the others are doing. That is the way we make the assess-ments. We count on these key people and after that they have groups aroundthem and know others … The Americans didn’t involve too many Europeans …we have all the time tensions because of this. (Interview 2)

Diese Wissenschaftler bilden auch den Kern für die internationalen Berichte,die im Auftrag der WMO und der UNEP herausgegeben werden. Sie bildenein invisible college (Crane 1972; Price 1963).26 Die Dominanz der Ameri-kaner ist unübersehbar.

26 Crane und Price greifen damit einen Begriff auf, den Robert Boyle im 17. Jahrhundert ge-prägt hatte und der sich bezieht auf »past and present informal collectivities of closely in-

Die Wissenschaft 113

Dies ist eher symptomatisch für die weltweite Struktur der Wissenschaft,wie verschiedene Studien belegen. Auf Basis einer Cozitationsanalyse zei-gen Winterhager/Weingart /Sehringer (1988), daß die USA die konkurrenz-los führende Wissenschaftsnation ist (fast die Hälfte aller Publikationen inwissenschaftlichen Fachzeitschriften stammen von dort). Mit Mitteln derNetzwerkanalyse untersuchten Schubert /Braun (1990) die internationalewissenschaftliche Zusammenarbeit für die Periode 1981 bis 1985. Ihre Er-gebnisse zeigen, daß die USA in einem internationalen Netzwerk die zen-trale Knotenposition einnimmt, obwohl die Kooperationsrate der US-Wissen-schaftler über die Landesgrenzen hinweg relativ niedrig ist. Dies deutet dar-auf hin, daß die USA eine führende Stellung in der Forschung einnehmenund es sich leisten können, auf die Kooperation mit Wissenschaftlern ausanderen Ländern zu verzichten. Im Fall der Ozonforschung verbot sich diesesplendid isolation allerdings aus politischen Gründen, weil man einen insti-tutionellen Konsens orchestrieren (Elzinga 1993) wollte:

teracting scientists limited to a size that can be handled by inter-personal relationships«(Merton 1995: 407).

Tabelle 3-1 Nationale Herkunft der Autoren und Gutachter verschiedenerUNEP/WMO-Berichte (Auswahl der wichtigsten Herkunftsländer)

1985 1988 1989 1991 1994

USA 99 104 81 128 143

Großbritannien 12 6 11 14 28

Deutschland 10 3 12 7 29

Frankreich 6 2 8 4 14

Belgien 4 2 3 1 4

Norwegen 0 1 2 3 8

Kanada 2 2 2 2 2

Japan 0 1 5 4 6

Rußland 0 0 4 6 5

Australien 1 2 2 1 5

Italien 2 1 0 2 3

Schweden 0 1 0 1 1

Quelle: WMO, eigene Zählung

114 Kapitel 3

Take these WMO reports. Who wrote them? There is no institutionalized demo-cratic system to hire the scientists. Basically the way it works, WMO asks the USgovernment to write a report. So they ask W. and A. They make an outline, liketropospheric chemistry: »Whom should we ask?«, and so on. Then they have thelist and see that there are only Americans, that doesn’t work. So they replace afew people with people from Europe. Now it looks international. But they are allpart of the same planet, you know what I mean. So they say, we need to be moreinternational, so they add more people, which do not have to do any work, butwhich are there on paper. »Let’s put a Chinese, three Japanese and an Indian …«And then they call a big meeting where all those people come from all over theworld, they pay their trip and then: Who does the work? The lead authors whohave been involved in the business. (Interview 41)

Die Ausweitung ist bisher nur in Ansätzen gelungen. Alle in Tabelle 3-1aufgeführten Länder haben zwar eine Zunahme zu verzeichnen, in manchenFällen um einen Faktor von drei und mehr, aber in absoluten Zahlen habenauch die USA nochmals zugelegt. Der Anteil der Wissenschaftler, die nichtaus den USA kommen, schwankt zwischen 17 und 38 Prozent, 1994 erreichter die Höchstmarke von 42 Prozent.

Deutlich verändert hat sich das Verhältnis zwischen den federführendenWissenschaftlern für Einzelkapitel der WMO-Berichte (lead authors). ImBericht von 1988 gab es 14 Kapitelverantwortliche, von denen 10 aus denUSA kamen, jeweils einer aus Norwegen, Australien, England und Deutsch-land. Im Bericht von 1994 stammen von den 16 Kapitelverantwortlichen nurnoch 6 aus den USA, 5 aus Großbritannien, 2 aus Deutschland und je eineraus Neuseeland, Norwegen und Venezuela.

Die Institutionalisierung der WMO-Berichte war ein wichtiges Mittel, umden internationalen politischen Prozeß in Richtung Regulierung zu bewegen.Seit es sie gibt, versuchen diese Berichte, den Konsens der internationalenWissenschaftlergemeinde festzuhalten. Der Effekt auf die Politik war deut-lich, die Strategie erfolgreich. Probleme gibt es nur mit Skeptikern, die beto-nen, daß wissenschaftliche Wahrheit und demokratische Prinzipien sichschlecht vertragen:

Man sagt: Da sind 159 Wissenschaftler aus 65 Ländern und die haben das unddas erkannt. Aber in der Wissenschaft gibt es keine Demokratie, da kann ja einersein, der dagegen ist und doch Recht hat. Das ist doch kein demokratisches Spiel,das wir spielen. (Interview 8)

Die Wissenschaft 115

3.2 Eigennutz und Normen in der Wissenschaft

3.2.1 Weltbilder der Wissenschaftler

Ich habe versucht, die umweltpolitischen Überzeugungen (Kurzformel für:ethische Werte, Annahmen über wichtige Kausalzusammenhänge, Politik-optionen) von ausgewählten Wissenschaftlern (N = 27) zu erheben und zuklassifizieren. Legt man die Zahl der Autoren für die WMO-Berichte zu-grunde, so dürfte das Feld heute zwischen 200 und 300 Wissenschaftler um-fassen, die aktive Forschung betreiben. Meine Zehn-Prozent-Stichprobe istallerdings keine Zufallsstichprobe und kann insofern keine Repräsentativitätbeanspruchen, da es sich um die zentralen Wissenschaftler dieses For-schungsbereichs handelt, was eine Überrepräsentation der sichtbaren undhoch reputierten Wissenschaftler bedeutet.27 Die Ergebnisse sind allerdingsaussagekräftig, da einige der befragten Wissenschaftler auch die zentraleRolle bei der Politikberatung innehatten. Die Wissenschaftler lassen sich indrei Gruppen einteilen: Advokaten, Skeptiker und Unentschlossene, wobeidie ersten beiden Kategorien lautstark oder still sein können.

Neben dieser Erhebung wurde durch eine Recherche in der Datenbank(Science Citation Index, SCI) des Insitute for Scientific Information die Häu-figkeit ermittelt, mit der diese Wissenschaftler in den letzten zwanzig Jahrenin den Fachzeitschriften zitiert wurden.28 Durch diese Zusatzinformationwollte ich überprüfen, ob ein Zusammenhang zwischen Reputation und Ein-fluß auf den politischen Prozeß besteht.

Durch die Auswertung der SCI-Datenbank und gezielte Stichwortabfra-gen des Interviewmaterials wurden folgende Variablen ermittelt:29 profes-

27 Die Wichtigkeit wurde durch Befragungen im Feld ermittelt. Die Auswahl der Gesprächs-partner erfolgte aufgrund einer vorgängigen Literaturrecherche und nach dem Schneeball-verfahren. Ein guter Indikator für die Zentralität ist die Tatsache, daß alle befragten Wis-senschaftler mindestens einmal als Autor oder Gutachter für ein Kapitel der internationa-len WMO-Berichte tätig waren. Etwa die Hälfte der Befragten war darüber hinaus für ein-zelne Kapitel verantwortlich. Im Sample befinden sich auch sämtliche Autoren der wich-tigsten Publikationen im Untersuchungszeitraum, sowie die drei Nobelpreisträger fürChemie des Jahres 1995.

28 Ich danke Susanne Hilbring für freundliche Unterstützung.29 Ein Erhebungsproblem, das auftauchte, bestand darin, daß manche Wissenschaftler (wenn

auch sehr wenige) sich nicht zu der Frage äußern wollten, ob sie Regulierungen befür-worteten oder nicht. In einigen Fällen konnte eine indirekte Einstufung vorgenommenwerden, etwa durch eine Auswertung der Antworten zu der Frage, für wie stark die

116 Kapitel 3

sionelle Spezialisierung, Reputation, Umweltbewußtsein und Engagement.Die Interpretation der Fundstellen wurde codiert. Unterscheidet man zwi-schen der Sichtbarkeit und der Einstellung gegenüber Regulierungen, sokann man fünf Profile ableiten, denen lautstarke und stille Advokaten, laut-starke und stille Skeptiker sowie Unentschlossene entsprechen. LautstarkeAdvokaten sind jene, die in der Öffentlichkeit und im Policy-Prozeß aktivsind; stille Advokaten jene, die zwar im Policy-Prozeß eine Rolle spielen,nicht jedoch in der (massenmedialen) Öffentlichkeit. Lautstarke Skeptikerhalten den Beweis für die schädliche Wirkung von FCKW auf die Ozon-schicht für nicht erbracht. Sie sprechen sich öffentlich gegen schnelle oderdrastische Maßnahmen aus (die stillen tun dies nicht öffentlich). Die Unent-schiedenen sind öffentlich nicht sichtbar, sie warten auf Daten und Beweise.Dies ist eine Vereinfachung, die die Zeitdimension zunächst unberücksichtläßt. Bezieht man diese mit ein und unterscheidet ungefähr zwischen 1975und 1987, so gibt es frühe (lautstarke und stille) und späte (lautstarke undstille) Advokaten. Es gibt auch frühe Skeptiker und Unentschlossene, aberkeine späten.

Wie erwähnt, ist der Indikator für die Klassifikation als lautstarker Advo-kat die starke Teilnahme an öffentlichen Debatten und am Prozeß der Poli-tikberatung. Die Erhebung wird in diesem Fall durch allgemein zugänglicheQuellen erheblich erleichtert, zum Beispiel durch Presseberichte, Arbeit vonParlamentsausschüssen usw. Schwieriger ist die Analyse im Fall der stillenAdvokaten. Diese äußern sich in der Öffentlichkeit kaum zu Regulierungs-fragen, nehmen aber teilweise entscheidenden Einfluß auf die Politikbera-tung. Hier konnte auf das Interviewmaterial als Datenbasis zurückgegriffenwerden.

(kontrafaktische) Umweltschädigung eingeschätzt wird, die sich ohne FCKW-Regulierun-gen ergäbe.

Tabelle 3-2 Profile von Wissenschaftlern und ihre Verteilung 1975, N=27

Engagement hoch niedrig

pro laute Advokaten 3 stille Advokaten 6

contra laute Skeptiker 2 stille Skeptiker 0

weder noch – Unentschlossene 16

Quelle: eigene Erhebung

Die Wissenschaft 117

In den siebziger Jahren gibt es zwei stabile Kerngruppen von Wissenschaft-lern, die als Advokaten oder Skeptiker auftraten.30 Von den Advokaten sinddrei lautstark, wie auch beide Skeptiker. Die Skeptiker ändern gegen Mitte/Ende der achtziger Jahre ihre Position. Beide halten FCKW-Regulierungenzu diesem Zeitpunkt für berechtigt. Keiner der frühen Advokaten wird späterzum Skeptiker, einige stille Advokaten jedoch zu lautstarken Advokaten.Verschiedene Gruppen haben zu verschiedenen Zeiten mit unterschiedlichenStrategien entscheidenden Einfluß auf die Formulierung von Politikoptio-nen. In den siebziger Jahren war dies die Gruppe der lautstarken Advokaten,die nach und nach (vor allem Mitte der achtziger Jahre) Verstärkung bekam,insbesondere durch ein Duo stiller Advokaten, das den internationalen Pro-zeß der Wissenschaftskooperation und Politikberatung organisierte.

Interessant ist die disziplinäre Herkunft der Wissenschaftler. Während 52Prozent aller befragten Wissenschaftler Chemiker sind, 22 Prozent Dynami-ker und ebenfalls 22 Prozent aus anderen Disziplinen kommen, sieht dasVerhältnis bei den acht führenden Wissenschaftlern (gemessen an der relati-ven Zitierhäufigkeit) deutlich anders aus: Es gibt nur einen Dynamiker, 62,5Prozent sind Chemiker und immerhin ein Viertel kommt aus anderen Diszi-plinen. Die professionelle Spezialisierung ist ausgewogener. Im Gesamt-sample sind 56 Prozent Modellierer (44 Prozent Experimentatoren), unterden führenden acht jeweils die Hälfte.

Die Frage nach der Robustheit der Natur wurde von vielen Wissen-schaftlern so beantwortet, daß man die Natur eigentlich für sehr robust ge-genüber anthropogenen Veränderungen hält, nicht aber gegenüber spezifi-schen Spurengasen wie FCKW. Interessant ist der Zeitpunkt, an dem eine

30 Diese Aussage bezieht sich weitgehend auf die USA, da in Deutschland die Kontroverseerst in den achtziger Jahren unter Mitwirkung der Wissenschaftler an Intensität gewinnt.Einer der frühen Advokaten kommt Ende der siebziger Jahre aus den USA nach Deutsch-land und übernimmt die Rolle des lautstarken Advokaten, allerdings erst um 1988.

Tabelle 3-3 Profile von Wissenschaftlern und ihre Verteilung 1986, N=27

Engagement hoch niedrig

pro laute Advokaten 7 stille Advokaten 17

contra laute Skeptiker 0 stille Skeptiker 3

weder noch – Unentschlossene 0

Quelle: eigene Erhebung

118 Kapitel 3

Gefahr gesehen wird: Bei sehr wenigen war dies schon zu Beginn der Kon-troverse der Fall, bei der Mehrzahl setzte der Umdenkprozeß erst später ein.Die Mehrzahl der Wissenschaftler verhielt sich gegenüber Policy-Fragensehr lange abwartend oder passiv. Dies änderte sich im Verlauf der Kontro-verse, insbesondere nach der Entdeckung des Ozonlochs, als es zu einem ra-schen Umschwenken (fast) aller im Feld aktiven Wissenschaftler kam. Dadiese Wissenschaftler nur kognitive Gründe für ihr Umschwenken sehen(können), rationalisieren sie ihre Parteinahme in kognitiven Termini, dasheißt, sie berufen sich auf die Eindeutigkeit wissenschaftlicher Ergebnisse.Dies liegt im Selbstverständnis der Wissenschaftler, nur Fakten darzustellenund subjektive Momente so weit als möglich auszuschließen.

Um 1975 halten weniger als 40 Prozent schnelle FCKW-Regulierungenfür notwendig, zwischen 20 und 30 Prozent nehmen an öffentlichen Debat-ten und an der Politikberatung teil. Um 1987 sind fast alle für FCKW-Regu-lierung, über 70 Prozent nehmen an öffentlichen Debatten und an der Poli-tikberatung teil (Abbildung 3-2).

10 Wissenschaftler gaben an, schon vor 1985 für Regulierungen vonFCKW gewesen zu sein, 14 waren entweder noch nicht auf diesem Gebietwissenschaftlich tätig oder hatten keine Meinung. Nur 2 waren explizit ge-gen Regulierungen. Während die Haltung dieser beiden durch zahlreicheQuellen belegt ist, ist in anderen Fällen die Überprüfung nicht so einfach. Esist denkbar, daß aufgrund der erfolgreichen Regulierungen und der mittler-

Die Wissenschaft 119

weile allgemein geteilten Überzeugung, wonach FCKW die Ursache für denOzonabbau darstellen, eine rückblickende Verklärung der eigenen Positionvorgenommen wurde. Ein Teil der Befragten sagte, daß er in den siebzigerJahren bei der Frage nach der Notwendigkeit von Regulierungen geschwankthabe; zum Teil wird dieses Schwanken auf die unklare wissenschaftlicheSituation zurückgeführt.

1987 wird die wissenschaftliche Unsicherheit, die noch besteht, von kei-nem Wissenschaftler öffentlich als Argument gegen Regulierung verwendet.Diese Rolle hätten die Dynamiker (oder Vertreter der Sonnenzyklen-Hypo-these31) spielen können, ähnlich den frühen Skeptikern, die in den siebzigerJahren gegen Regulierungen auftraten. Sie wurde von diesen aber nichtwahrgenommen. Selbst der Dynamiker, der am längsten an seiner Positionfesthielt, bekennt sich zum Vorsorgeprinzip:

I always thought that in the face of uncertainty one could take a prudent courseof action just as a form of insurance, just like you are buying a fire insurance,you are not predicting that you’ll have a fire, but if there is a possibility for fireyou can take out an insurance. (Interview 38)

3.2.2 Wann werden Wissenschaftler aktiv?

In den siebziger Jahren überwog die abwartende Haltung unter den Wissen-schaftlern bei weitem. Die Gruppe der Unentschiedenen war in den siebzigerJahren die größte. Interpretiert man diesen Prozeß nach Granovetters Schwel-lenwertmodell (1978), so ist die Frage zu beantworten, wann Wissenschaft-ler aktiv werden. Granovetter sieht den Nutzen seines Modells vor allem ineiner Analyse von sozialen Situationen, in denen viele Akteure ihr Handelnvom Handeln anderer Akteure abhängig machen und es kaum institutionellePräzedenzfälle gibt, an denen man sich orientieren könnte. Dadurch entste-hen Bandwagon-Effekte. Auf den vorliegenden Fall angewandt, ergibt sichfolgende Verteilung von Schwellenwerten im Feld der Atmosphärenwissen-schaften. Eine kleine Gruppe mit einem niedrigen Schwellenwert übernimmtfrüh die Rolle der Advokaten und versucht, bei Kollegen Unterstützung zubekommen, bei denen der Schwellenwert jedoch höher liegt. Bevor sie sichaktivieren lassen, müssen evidentere Tatsachen vorliegen als die Hypothesevon Rowland und Molina.32

31 Ich vernachlässige den Beitrag der Sonnenzyklentheorie in der gesamten Arbeit, da sie einemarginale Stellung einnimmt.

32 Andere Akteure außerhalb der wissenschaftlichen Forschung schließen sich den Warnern

120 Kapitel 3

A lot of people were waiting to see how it comes out. For most scientists in mostareas, they don’t want to speak up unless they have really made an in-depth studyof the area, so that they can speak on it authoritatively. The number of chemists /meteorologists who would know the chlorine chemistry and the meteorology wasvery, very small at that time. So, you would not expect very many people tospeak up. They might say: That sounds interesting, even plausible, but if you be-lieve it is a different question. (Interview 16)

Most scientists preferred to stay quiet, for very good reasons. Physical scientistsare trained to not make mistakes, to be very careful. And then there is anotherkind of suspicion about being too public a personality: A scientist who is re-ported in newspapers all the time instead of writing journal articles and books istreated suspiciously by his colleagues. (Interview 5)

Wie in Kapitel 4 und 5 näher gezeigt wird, erfolgte die Aktivierung der Un-entschiedenen nicht nach der Stellungnahme der NAS, sondern nach derEntdeckung des Ozonlochs. Das NAS-Votum von 1976 war vor allem fürden politischen, weniger für den innerwissenschaftlichen Prozeß bedeut-sam.33 Doch schließlich wird auch die höhere Schwelle der abwartendenWissenschaftler erreicht. Was war die dünne Linie, die bei jedem Wissen-schaftler überschritten wurde? Worin bestand der Schock, von dem alle Wis-senschaftler berichten? Er bestand darin, daß ein System, von dem manmeinte, es hinreichend genau beschreiben zu können, sich auf unvorhergese-hene Weise verhielt.

You can’t publish your paper and go home and all the rest of it has nothing to dowith you. Everyone has a little line and once he is pushed over it, you suddenlyrealize: Not only are you a scientist and having funded your work, but it is actu-ally your job to get up and preach to people. And so it happened … In a funnyway the ozone hole really has changed the whole environmental issue. The worldwe live in now is a different world than that I was born into. (Interview 44)

Diese Erkenntnis führt dazu, daß die Wissenschaftler einen ganzen Fragen-komplex anders zu sehen beginnen. Zunächst begann man, an den eigenenModellen radikal zu zweifeln. Selbst diejenigen, die insgeheim mit einemdeutlichen Ozonabbau rechneten, wurden von den dramatischen und plötzli-chen Ereignissen völlig überrascht:

allerdings an, siehe Kapitel 4.33 Einer der Befragten fungierte in den siebziger Jahren als Gutachter der National Academy

of Science und blieb schwankend in der Frage der Regulierung.

Die Wissenschaft 121

I do remember a meeting in ’78, a number of the modeller groups got together …We went around the table and asked what people thought the change in ozonewould be in reality, not from what our models were saying, because we knew ourmodels had their own problems. There were a few people who thought that therewould be no real net change, even an increase. But most of us were saying thechange would be big, 30 to 40 years looking into the future. And there have beenmuch larger changes than we expected, because we did not have the understand-ing of chemistry and physics we needed to have. (Interview 47)

Zusätzlich ändert sich das Naturbild:34 Diejenigen, die meinten, die Natursei robust gegenüber menschlichen Eingriffen, rückten von dieser Ansicht abund definierten ihr Naturbild entweder völlig neu (»Natur ist nicht robust«)oder schränkten die Gültigkeit der Aussage erheblich ein (»Natur ist robust,aber nur in Grenzen«, »Natur ist zwar robust, nicht aber gegen industriell ge-fertigte Spurengase«, »Natur ist zwar robust, nicht aber die Gesellschaft, diemit ihren Auswirkungen zu tun hat«).

I have the feeling that nature is amazingly robust on a global scale. There are allthese feedback mechanisms that save you. But I also know that sometimes youare going over a bridge and you are getting into a positive feedback. When»God« built the earth, he might not have thought about CFCs. (Interview 41)

Even now I believe it [that nature is robust], but not for the ozone issue. Youchange the composition, the initial conditions, there is no way to be robust, to beable to recover alone. (Interview 2)

Before 1974 I thought it was quite robust and because of that (which was an im-plicit judgement) I questioned my first calculations when I realized that therecould be a global effect from these industrial chemicals. My bias was that it wasvery unlikely given the large scale of the mass of the atmosphere. And it’s onlyby looking at the amplification factors that I changed my view. I realized thatnature might be robust in certain aspects but not in all of them. Like any complexsystem it has some weak spots, the ozone layer is one of those. There might beother spots. (Interview 13)

Um 1986 nimmt das Umweltbewußtsein im Feld zu, der Glaube an die Ro-bustheit der Natur nimmt ab.35 Damit einher geht die Tendenz zur Befür-

34 Ein Gesprächspartner behauptete dies pauschal für seine Kollgen in toto: »When we sawthat the antarctic ozone hole existed as a result of pollution of industrial countries, thischanged everybody’s attitude about it« (Interview 17).

35 In der Klassifikation von Douglas (1988) sind alle befragten Wissenschaftler »Hierarchi-sten«, die die Natur für »robust in Grenzen« halten. Damit einher geht eine Auffassung,daß man die Natur durch geeignete Maßnahmen »managen« kann.

122 Kapitel 3

wortung von strikten und schnellen Maßnahmen gegen FCKW. Der ent-scheidende Faktor für diesen Sinneswandel war die Entdeckung des Ozon-lochs. Viele Wissenschaftler schwenkten nach seiner Entdeckung um undbefürworteten Regulierungen, wobei die professionelle Spezialisierung einengewissen Einfluß gespielt zu haben scheint. Es gab eine starke Tendenz derChemiker, das Potential der FCKW bei der Ozonvernichtung hoch zu veran-schlagen, während die Dynamiker dies nicht taten. Die Dynamiker tendier-ten aufgrund ihrer professionellen Orientierung zu einer Skepsis gegenüberder These, FCKW seien die Ursache des Ozonlochs. Aufgrund ihres profes-sionellen Bias favorisierten sie spontan eine dynamische Erklärung. Zweider befragten Dynamiker im Sample gaben außerdem an, überhaupt nichtumweltbewußt gewesen zu sein. Sie traten konsequenterweise auch nicht alsWarner in Erscheinung. Dies taten hingegen zwei Chemiker, die ebenfallsvon sich behaupten, nicht umweltbewußt gewesen zu sein: sie engagiertensich sowohl in politischen als auch in öffentlichen Kontexten. Dies deutetdarauf hin, daß die professionelle Orientierung sich hier stärker bemerkbarmacht als die umweltpolitische. Die Pointe ist freilich, daß diese Wissen-schaftler nach kurzer Zeit zu Advokaten werden und ihre umweltpolitischenAnsichten ändern. Wenige der Advokaten sagen von sich, sie seien schon zuBeginn der großen Kontroverse umweltbewußt gewesen. Noch weniger sa-gen, daß diese Orientierung einen Einfluß auf ihre Arbeit gehabt habe. Beider Mehrzahl setzte dieser Politisierungsprozeß ein, als sie sich dem For-schungsfeld anschlossen.

Schließlich interessieren sich mehr Wissenschaftler als je zuvor für diepolitischen Implikationen ihrer Forschung, weshalb sie sich aktiv an derDiskussion innerhalb und außerhalb der Wissenschaft beteiligen. Dies ge-schieht mit unterschiedlicher Intensität durch Teilnahme an den internationa-len WMO/UNEP-Analysen, an Politikberatung, oder durch Auftritte in derÖffentlichkeit.

Die Schwellenwerte im Feld der Atmosphärenforschung sind zwischenzwei verschieden großen Gruppen asymmetrisch verteilt: Einer sehr kleinenGruppe von Wissenschaftlern mit einem niedrigen Schwellenwert steht einegroße Gruppe mit einem hohen Schwellenwert gegenüber. Sind die Bedin-gungen zum Überschreiten des hohen Schwellenwerts gegeben, so stößt einesehr große Gruppe zur Avantgarde vor. Es ist unschwer vorzustellen, welcheAuswirkungen das rasche Umkippen der internationalen Wissenschaftler-gemeinde auf den Policy-Prozeß hatte. Hochmotivierte Wissenschaftler ver-suchten, die Öffentlichkeit und die Politiker davon zu überzeugen, daßschnellstens gehandelt werden muß, auch wenn man über keine Erklärungen

Die Wissenschaft 123

verfügte. Dazu kam es erst 1988, einmal in bezug auf die Erklärung des ant-arktischen Ozonlochs, zum anderen in bezug auf die Etablierung von (nega-tiven) globalen Ozontrends.

3.2.3 Wissenschaftliches Handeln: Norm- oder interessegeleitet?

Die bisherige Analyse hat ergeben, daß sowohl professionsspezifische Grün-de eine Rolle bei der Themenwahl und Forschung gespielt haben wie auchumweltpolitische Überzeugungen. Man kann dies auf die Karrierewahl aus-weiten. Interessenorientierte Studenten strömen in die »hot fields« (wieBiotechnologie), wo hohe finanzielle Belohnungen winken (Stephan 1997),während normorientierte Studenten vom Image einiger Wissenschaften alsUmweltwissenschaften angezogen werden (Interview 25). Der Unterschiedwirkt innerhalb verschiedener Disziplinen fort. Er läßt sich generalisierenund auf zwei einflußreiche Theoreme beziehen, die in den Sozialwissenschaf-ten gängig sind.

In zugespitzter Weise ließe sich dann fragen: Sind Wissenschaftler, wieandere gesellschaftliche Akteure auch, nutzenmaximierende Opportunisten,die notfalls lügen und betrügen (Williamson 1985: 47) oder unterscheidensie sich von anderen dadurch, daß sie gesellschaftlichen Normen folgen,zum Beispiel den Normen von Universalismus, Kommunismus, Uneigen-nützigkeit und organisiertem Skeptizismus (Merton 1985a)?

Sieht man die Wissenschaftler als primär an ihrem Eigennutz orientiert,so ergibt sich folgendes Bild. Zur Steigerung ihres Nutzens versuchen Wis-senschaftler ihre Reputation zu steigern. Dies kann durch Profilierung oderPrioritätsanspruch erfolgen. Profilierung bedeutet, daß man sich in origi-neller Weise von dem absetzt, was die Mehrheit macht. Der Prioritätsan-spruch geht einen Schritt weiter, indem behauptet wird, hier sei das Origi-nelle und weiterführende (»Die neue Erkenntnis«) zum ersten Male formu-liert worden. Nachgewiesen wird dies durch Publikationen wissenschaftli-cher Forschungsergebnisse in Fachzeitschriften. Die Reputation eines Wis-senschaftlers kann man anhand des Citation Index ablesen. In den Naturwis-senschaften werden, stärker als dies in den Sozialwissenschaften der Fall ist,vor allem neue Ergebnisse zitiert.36 Damit ergibt sich ein Zusammenhang

36 Die Beschwörung der »toten Geister« in den Sozialwissenschaften zeigt sich daran, daß eseinen hohen Anteil von Arbeiten gibt, die sich mit dem Erbe der Klassiker beschäftigen.Price (1970) benutzt diesen Indikator bekanntlich als Kriterium zur Abgrenzung von har-

124 Kapitel 3

zwischen wissenschaftlicher Reputation und dem innovativen Beitrag, denein Wissenschaftler geleistet hat.

Sieht man die Wissenschaftler als normorientiert Handelnde, so kommenzwei Möglichkeiten in Betracht. Die erste habe ich oben als Weltbilder derWissenschaftler analysiert, wo ich zeigen konnte, daß es einen Zusammen-hang zwischen Naturbild und Handlungsorientierung gibt. Die zweite ist dieim engeren Sinn mertonianische, die eine spezifische Ethik wissenschaftli-cher Praxis im Unterschied zu allen anderen Sozialsystemen behauptet.Mertons These, daß Wissenschaftler sich an den von ihm entwickelten vierGrundnormen orientieren, steht in gewissem Widerspruch zur Interessenhy-pothese. Merton bestreitet zwar nicht, daß es individuelle Interessen undZuwiderhandlungen gegen Normen gibt, behauptet aber, daß die institutio-nellen Anreize so gestaltet seien, daß die von ihm postulierten Normen ge-fördert würden (vgl. auch Schimank 1995). Merton unterscheidet zwischenmotivationalen und institutionellen Aspekten, interessiert sich aber nur fürletztere. Dies verleitet ihn zu einer problematischen funktionalistischenSicht.37 Es steht zu erwarten, daß sich ein anderes Bild ergäbe, würde manbei den Motivationsstrukturen beginnen und deren Makroeffekte analysie-ren.38 Diese hätte den Vorteil, daß sie zeigen könnte, wie Normen durchMotivationsstrukturen Einfluß auf das Akteurhandeln nehmen.39

Die Unterscheidung in norm- und interessegeleitete Wissenschaftler führtzu folgendem analytischen Raster. Die handlungsmotivierenden Normensind im Bereich des Umgangs mit der Natur zu verorten. Die frühen Advo-katen fallen in die Kategorie der normorientierten Wissenschaftler. Bei ihnenfindet man eine starke Korrelation zwischen Naturbild und praktischem En-gagement. Die drei lautstarken Advokaten äußerten sich wie folgt:

ter, weicher und Nichtwissenschaft. In den Naturwissenschaften fällt die Beschwörung derKlassiker nicht in den Kernbereich der Forschung, sondern in die Geschichtsschreibung derjeweiligen Disziplin.

37 Zu einer frühen Kritik siehe Barnes /Dolby (1970) und Mulkay (1969); zur VerteidigungBen-David (1991) und Zuckerman (1988).

38 Hier gibt es interessante Parallelen zwischen den ökonomischen new growth theories(Dasgupta /David 1994; Stephan 1996) und der Wissenschaftssoziologie. Bourdieu (1975,1988) und Latour /Woolgar (1986) arbeiten mit einem »Wettbewerbsmodell« (vgl. Callon1995; Felt et al. 1995, Kap. 5), darin Merton (1985c) und Ben-David (1991) folgend. ZurKritik siehe Knorr-Cetina (1984). Das »strong programme« (Bloor 1976) betont den Ein-fluß von Interessen auf die Wissensentwicklung; zur Kritik siehe Woolgar (1981).

39 Einige Mertonianer haben zugestanden, daß die von Merton unterstellten Normen bei wis-senschaftlichen Kontroversen nicht beachtet werden. So schreibt Ben-David über einigeFallstudien zu wissenschaftlichen Kontroversen: »The scientists at this stage act like liti-gants concerned more with putting together a convincing case than with ultimate truth.They are not, and are not expected to be, dispassionate« (Ben-David 1991: 480).

Die Wissenschaft 125

Our calculations [in 1974] made the situation very bad. The rate of growth ofCFCs was enormous. There was a rate of 10 to 15 percent per year, so we had toassume a doubling time between 5 and 10 years. Then we had the natural delaytime, so it looked as if the ozone layer would be harmed. I was very concernedfrom the beginning and spoke out. (Interview 5)

In my view it was not appropriate to release large amounts of anything into theenvironment without knowing what happens to it … I was in favor of regula-tions, although I clearly had to let a little bit of time go by to see how the scien-tific community would receive this first. Very soon thereafter it became clear tome that we had to be advocates to this issue. We had to carry the voice for aregulation to happen. (Interview 13)

If you have a bi-polar world in which you have two groups, the polluters and theenvironmentalists, then I am an environmentalist. But I don’t think the world isbi-polar and I don’t think of myself as being an environmentalist. I certainlydon’t think of myself as a polluter. But rather as a scientist interested in studyingsome of these problems. (Interview 16)

Lautstarke Skeptiker sind nach eigenem Bekunden zwar ebenfalls umwelt-bewußt, engagieren sich aber lange Zeit nicht für Regulierungen. Sie sindprimär interessenorientiert, das heißt, sie verfolgen in erster Linie eigeneKarriereziele. Es ist deshalb kein Zufall, daß sie den wissenschaftlichenKonsens eher herunterspielen, während die Advokaten ihn eher übertreiben.Dies könnte man damit erklären, daß ein interessegeleiteter Wissenschaftlerdaran interessiert ist, die Förderquellen solange wie möglich aufrechtzuer-halten, denn Forschungsbedarf kann leichter begründet werden, wenn dasFeld (noch) nicht alle wichtigen Fragen geklärt hat. Der Advokat hingegenstellt seine gesellschaftspolitischen Überzeugungen höher und riskiert damitauch einen Karriereeinbruch.

Profilierungsversuche

Randall Collins formulierte das Problem, das sich für wissenschaftliche Kar-rieren stellt, in folgender Frage (er verwendet die nicht sehr glückliche Be-zeichnug intellectual für Wissenschaftler):

The strategic problem of any intellectual is to be maximally original while yetmaximally relevant to what the community is prepared to hear. … The basicproblem of the intellectual career is recognition: How then does one make one-self visible when the sheer number of competitors increases by a factor of four orfive? (Collins 1986: 1337, 1339f.)

126 Kapitel 3

Wie kann ein Wissenschaftler den Anschluß an die Diskussion seiner Kolle-gen halten, sich aber gleichzeitig davon absetzen und auf sich aufmerksammachen?40 Die Antwort lautet: durch Profilierung und wissenschaftlicheEntdeckungen. Da beides im Konkurrenzkampf zu anderen geschieht, wirdoft die Frage des fair play aufgeworfen. Dies soll am Beispiel eines For-schers im Geschäft der Stratosphärenforschung gezeigt werden, der noto-risch ist für seine Profilierungssucht. Wie es scheint, bringt eine Strategieder Profilierung, bedingt durch die überdurchschnittliche Sichtbarkeit, aucheine größere Wahrscheinlichkeit der Desavouierung mit sich (Zuckerman1988).

Mit einer Harvard-Professur und großem rhetorischem Geschick ausge-stattet, war McElroy zu Beginn der siebziger Jahre unter den ersten, die dieStratosphäre, insbesondere den Einfluß von Chlor und Brom auf den Ozon-haushalt erforschten.

McElroy is one of the most flamboyant personalities associated with the ozonecontroversy … [He] is extremely competitive and favors a strongly confronta-tional modus operandi in scientific exchanges. (Dotto /Schiff 1978: 128)

Auf dem bereits erwähnten Kongreß in Kyoto hielt er, wie Stolarski, einenVortrag, den er für den Konferenzband allerdings so stark überarbeitete, daßnunmehr das von Stolarski angesprochene Chlor den Hauptteil ausmachteund nicht mehr NOx, die in seinem eigenen Vortrag noch im Mittelpunkt ge-standen hatten. Sein eng mit ihm zusammenarbeitender Kollege Wofsyschrieb für die Science-Redaktion ein negatives Gutachten zu Cicerone/Stolarskis Artikel, den diese dort eingereicht hatten. McElroy gelang es, inder wichtigsten überregionalen Tageszeitung der USA als erster Wissen-schaftler, der auf die Gefahren von FCKW hinweist, Erwähnung zu finden –noch vor der Erwähnung von Rowlands und Molinas Arbeit. Walter Sullivanberichtete in der New York Times über die Modellrechnungen McElroys undWofsys am 26. September 1974, einen Tag bevor Cicerone/Stolarskis Arti-kel dann doch in Science erschien. Dabei stimmte nicht so sehr die Tatsachebedenklich, daß wissenschaftliche Ergebnisse vor ihrer Veröffentlichungdurch eine Fachzeitschrift in der Tagespresse publiziert wurden – dies solltesich zur gemeinen Praxis im manchmal hektischen Geschäft der Ozonschichtentwickeln. Bedenklicher war die Tatsache, daß der Artikel in der New YorkTimes den am Tag darauf in Science erscheinenden Artikel von Ciceroneund Stolarski vorwegnahm (Dotto/Schiff 1978: 23) und damit eine Invertie-

40 Kuhn (1977) sah darin bekanntlich die »essential tension« wissenschaftlicher Arbeit.

Die Wissenschaft 127

rung der Priorität suggerierte. Es mußte so scheinen, als ob McElroy undWofsy die wichtigen Entdeckungen vor Cicerone und Stolarski gemachthätten.

Neben Cicerone und Stolarski waren lange Zeit Rowland und Molina dieHauptkontrahenten für McElroy. Man denkt bei der Geschichte dieses Wett-bewerbs unweigerlich an ein Wettrennen, in dem McElroy die Bedingungenständig zu seinen Gunsten zu manipulieren versucht. Das beginnt schon vordem eigentlichen Wettkampf, wenn er durchsetzen möchte, daß andere(Stolarski /Cicerone) gar nicht erst an den Start gehen, oder, nachdem diesmißglückt ist, von der Presse als erster erwähnt zu werden. In Situationen, indenen das Rennen klar von anderen dominiert wird, versucht er Aufmerk-samkeit durch allerlei Kapriolen zu erheischen, gerade so, als ob er absicht-lich von der Piste abkäme, um nach einem Ausflug auf dem Seitenstreifendie Verfolgungsjagd wieder aufzunehmen. Wenn es ihm nicht gelingt, in derSpitzengruppe zu sein, möchte er wenigstens maximale Aufmerksamkeit er-reichen.

Dies gelang ihm immer wieder. Zunächst durch Modellrechnungen überkünftige Abnahmen der Ozonschicht, die von Molina und Rowland nichtausgeführt worden waren. Da sie von Hause aus keine Modellierer waren,gaben sie in ihrer Veröffentlichung nur grobe Schätzungen an. Diese Ergeb-nisse wurden in Grundzügen von der New York Times veröffentlicht undstellten für alle Regulierungsbefürworter (inclusive McElroy und Rowland)ein Argument für die schnelle Regulierung von FCKW dar. Nachdem McEl-roy mit dieser Position sich in nichts von den anderen Wissenschaftlern derBefürworterkoalition unterschied und folglich in dieser Gruppe unterzuge-hen drohte, scherte er aus und entwickelte die Position, daß eine Warteperiodevon bis zu fünf Jahren keine großen Auswirkungen auf die Ozonschicht ha-ben könne. Mit dieser Position profilierte er sich bei den Senatsanhörungen inden Jahren 1974 bis 1976 (Dotto/Schiff 1978: 186; Cagin/Dray 1993: 196).

Sodann lenkte er die Aufmerksamkeit auf Brom, das wie Chlor eineozonvernichtende Substanz ist. Die ozonzerstörende Wirkung von Brom aufdie Ozonschicht sei viel stärker als die von Chlor, sogar so stark, daß es alspotentielle Kriegswaffe eingesetzt werden könne (New York Times, 28.2.1975). Der National Enquirer brachte die Schlagzeile: »Harvard ProfessorWarns of … the Doomsday Weapon … It’s Worse Than the Most Devasta-ting Nuclear Explosion – and Available to All« (zit. in Dotto/Schiff 1978:188). Er suggerierte damit, Brom und nicht Chlor sei die Substanz, der dieAufmerksamkeit gebührt.

128 Kapitel 3

Er sollte später noch einmal versuchen, Brom als »Waffe« im wissen-schaftlichen Konkurrenzkampf einzusetzen. Dies versuchte er zur Erklärungdes antarktischen Ozonlochs, für dessen Erklärung verschiedene Theorienund Mechanismen vorgeschlagen worden waren. Nach der Herausbildungdes Konsenses unter den Forschern, daß Sonnenzyklustheorie und dynami-sche Theorie das Phänomen nicht erklären können, bleiben auch auf Basisder Chlorchemie viele Fragen offen. Mit diesen Modellen gelingt es anfäng-lich nicht, den enormen Ozonverlust, der in der Zeitspanne von etwa dreiWochen abläuft, zu modellieren. In dieser Situation setzt McElroy erneut aufBrom, da es ein weitaus effektiverer Katalysator als Chlor ist, allerdings ingeringeren Mengen in der Atmosphäre vorkommt. Die Modelle aller For-scher werden bis an den Rand ihrer Leistungsgrenze (und darüber hinaus)strapaziert, um diesen rasanten Ozonverlust im Modell nachbilden zu kön-nen. Fast zwei Jahre gelingt dies niemandem. McElroy setzt darauf, daß dieRolle von Brom als entscheidende Hilfsvariable immer bedeutender wird.(Seine relative Bedeutung wird heute auf circa 25 Prozent geschätzt.) Er istdamit relativ erfolgreich, seine Arbeiten zur Erklärung des antarktischenOzonlochs werden stark zitiert. Er erhält die stärkste Reputationszunahme(gemessen durch die relative Zitierhäufigkeit) im Zeitraum 1985 bis 1990,geht aber bei der Nobelpreisvergabe 1995 leer aus.

Prioritätskonflikte

Die Konkurrenz entbrennt sowohl zwischen Einzelforschern, wie auch zwi-schen Institutionen. Nicht nur die NASA erhebt den Anspruch auf Nummer-Eins-Wissenschaft. Dies sind alles normale und erwartbare Vorgänge. Inter-essant wird es dort, wo der Bereich des Normalen verlassen wird. Im vorlie-genden Fall gibt es einige Prioritätskonflikte, die teilweise mit unsauberenMitteln ausgetragen wurden. Dies ist in der Wissenschaftlergemeinde be-kannt, wird aber nicht grundsätzlich problematisiert.41 Wissenschaftlerkämpfen um die Belohnung, die es für den ersten gibt. In bezug auf die Er-klärung der polaren Ozonchemie wurden von verschiedenen Seiten Priori-tätsansprüche angemeldet:

Various people … wrote review papers, they decided to rewrite history in theirfavor or in whoever favor they wanted around ’88 to ’90. (Interview 15)

41 Dieser Befund unterscheidet sich von dem von Fuchs (1993a), der bei unethischem Ver-halten mit scharfen Sanktionen der Wissenschaftlergemeinde rechnet.

Die Wissenschaft 129

Well, there were personality conflicts that had to do with the fact that there was alot of publicity and some people reacted in understandable ways, made some-thing more dramatic, that’s all in the way ordinary people behave. A lot of thathas to do with the question of: Who gets credit for what? (Interview 22)

Dabei werden auch unsaubere Methoden angewandt. Auch hier muß wiederMcElroy als Beispiel herhalten:

He is an extremely brilliant guy and a very good speaker and he is able to takeinformation from a lot of different people and blend it together and make it ap-pear that he had solved the whole problem himself. I like him, he is a very goodscientist, I had never directly to compete with him, you see. Some of the chem-ists think that he is sometimes unethical towards other people’s work.(Interview 27)

T. once said to me I should make a T-shirt that says: »McElroy stole my ideas« –I could sell a million of them. It is just a joke, it is not something people takevery serious. (Interview 36)

He made people just mad. S.’s contribution was important, no one can take thataway from her, but it didn’t go far enough. But there is another part that belongsto T., and McElroy tried to steal this, I know this because I was the editor of aspecial issue. He called me up and yelled at me, you know, he the great McElroy,I just a dumb editor. (Interview 17)

Nach der Entdeckung des Ozonlochs, den rapiden politischen Fortschrittenauf dem Gebiet der internationalen Regulierungen, der durch wissenschaftli-che Expertise beeinflußt war, trieb die Aussicht auf den Nobelpreis mehrereWissenschaftler zu besonderen Anstrengungen.

Das Publikationsdilemma

Mertons Norm des »Kommunismus« bedeutet, daß jeder Wissenschaftlerseine wissenschaftlichen Forschungsergebnisse der Scientific communitymit-teilt, sie also im Wortsinn mit ihr teilt. Diese Norm wird verletzt, wennman befürchtet, durch selbstwiderlegende Ergebnisse an Reputation zu ver-lieren, wenn man befürchtet, »abgeschöpft« zu werden, wenn man finanziellvon den Ergebnissen profitieren kann (Blumenthal et al. 1997), oder fürAuftraggeber arbeitet, die die Veröffentlichung der Ergebnisse untersagen(vgl. Fußnote 29 in Kapitel 4). Im Folgenden gehe ich nur auf die beiden er-sten Punkte ein.

1. Es ist nicht außergewöhnlich, daß wissenschaftliche Sprecher aus beidenLagern Ergebnisse bekommen, die schlecht zu den von ihnen prognosti-

130 Kapitel 3

zierten Daten passen. Aufgrund dieser Ergebnisse fällt zum Beispiel diePrognose künftiger Ozonzerstörung anders aus als bis dahin angenom-men. In einigen Fällen erscheint sie dramatischer, in anderen wenigerdramatisch. Wendet man die obige Unterscheidung zwischen norm- undinteressegeleitetem Handeln auf die Publikationstätigkeit der Wissen-schaftler an, so sind wissenschaftliche Neuerungen für einen Anhängerder Mertonschen Norm des »Kommunismus« immer publikationswürdig,da sie dem Erkenntnisfortschritt dienen. Auch unter Interessengesichts-punkten ist diese Strategie dominant, da sie der persönlichen Profilierungdient. Die Veröffentlichungsstrategie ist gegenüber der Strategie derNichtveröffentlichung in beiden Sichtweisen dominant. »Es sind dies dieglücklichen Fälle, in denen moralische Verpflichtung und Eigeninteressezusammentreffen und miteinander verschmelzen«, wie Merton (1985b:130) formulierte.

Betrachten wir nun Wissenschaftler, die ein Kalkül sowohl für den in-nerwissenschaftlichen als auch für den öffentlich-politischen Prozeß su-chen. Diese Konstellation verkompliziert das Bild. Die Neuerungen lau-fen zum Beispiel der prognostizierten Rate des Ozonabbaus zuwider.Dies ist problematisch, wenn man sich mit einer entsprechenden Aussageprofiliert hatte.42 Es stellt sich die Frage, ob man seine Glaubwürdigkeitdurch die Neuentdeckung verliert. Die Entscheidung ist ein Dilemma, daman nicht wissen kann, ob die Entdeckung auch von anderen gemachtwerden wird (und ob sie stabil bleibt: wenn sie sich als vorübergehenderweisen würde, hätte man unter Umständen viel Lärm um Nichts ge-macht und sich selbst geschadet).

Die Wissenschaftler befinden sich in einem Dilemma. Für sie lohntsich eine Veröffentlichung nur, wenn andere dieselbe Entdeckung ma-chen (wenn nicht, nicht). Am ungünstigsten sind die beiden Optionen,selbst nicht zu veröffentlichen, während die anderen es tun, beziehungs-weise selbst zu veröffentlichen, während die anderen es nicht tun. DasKalkül weicht vom Standardmodell insofern ab, als hier das eigene Pu-blikationsverhalten vom wahrscheinlichen Publikationsverhalten der an-deren Wissenschaftler abhängt. Der Normalpfad, auf dem man publizie-ren muß, unabhängig davon, was die anderen tun, wird verlassen. Einedurch die öffentliche Dimension bedingte wichtige Variante dieses Di-

42 Dieser Fall kann auch als rein innerwissenschaftliches Dilemma konstruiert werden. Dannwürde eine Wissenschaftlerin eine bahnbrechende Neuerung machen. Nach kurzer Zeitentdeckt dieselbe Wissenschaftlerin jedoch, daß ihre Neuerung auf falschen Annahmenberuhte. Soll sie diese neue Erkenntnis publizieren?

Die Wissenschaft 131

lemmas ist der Fall, in dem Wissenschaftler ihre Ergebnisse dramatisie-ren. Die Anreizstruktur liegt auf der Hand: Hat man alarmierende Befun-de vorzuweisen, so genießt das Forschungsfeld in der Regel hohe Förde-rungspriorität. Daraus ergibt sich ein zweideutiger Anreiz (siehe Ab-schnitt 3.3, »Wissenschaft und Öffentlichkeit«).

2. Das Gutachterwesen führt Forscher manchmal in das Dilemma, For-schungsergebnisse in Fachzeitschriften publizieren zu müssen, aber nichtzu können, da sie fürchten, abgeschöpft zu werden (Beispiele finden sichbei Broad/Wade 1982; Chubin/Hackett 1990; La Follette, 1992; Mazur,1989; Shepherd 1995). Doch auch in der normalen Korrespondenz mitKollegen können Ergebnisse »abhanden« kommen. So berichtet ein Wis-senschaftler, der einer großen Entdeckung auf der Spur war (die sich alsgrundlegend erweisen sollte) und sie schließlich in einer angesehenenZeitschrift plazieren konnte:

Ich hatte noch Glück dazu, daß andere Leute, mit denen ich korrespondierte, dasgar nicht verstanden haben, sonst hätten sie es vielleicht vor mir publiziert.(Interview 25)43

3.3 Wissenschaft und Öffentlichkeit

Während wissenschaftliche Arbeiten im allgemeinen vergleichsweise wenigResonanz in den Massenmedien finden, ist dies bei wissenschaftlichen Kon-troversen anders.44 Es liegt auf der Hand, daß Konflikte, Kontroversen undGefahren einen größeren Anklang beim Publikum finden als die täglichewissenschaftliche Praxis. Sensationen lassen sich immer gut verkaufen. Ver-schiedene Studien haben gezeigt, daß die Medien zwar relativ korrekt überdie Fakten berichten, den Stand wissenschaftlicher Kontroversen jedoch ver-zerrt wiedergeben. Zwei Gründe sind dafür ausschlaggebend: Einerseitsschenken sie Wissenschaftlern mit wenig innerakademischer Reputationüberproportional viel Bedeutung, vor allem wenn das Thema so wichtig ist,daß es nicht ausschließlich von der Wissenschaftsredaktion bearbeitet wird.Da die Medien nach Prominenz und nicht nach (wissenschaftlicher) Reputa-tion schauen, versuchen sie, Aussagen von prominenten Wissenschaftlern

43 Carl Djerassi, der »Vater der Anti-Baby-Pille« beleuchtet diesen Aspekt in einer Roman-Trilogie, die auf intimes Hintergrundwissen zurückgreift.

44 Hier und zum Folgenden Goodell (1987) und die dort zitierte Literatur.

132 Kapitel 3

(Nobelpreisträgern, Wissenschaftsmanagern, Akademiepräsidenten usw.) undvon Vertretern gegensätzlicher Positionen zu bekommen. Im Gegensatz dazu(und im Gegensatz zur Berichterstattung über politische Themen) bilden sichWissenschaftsjournalisten ihre eigene Meinung, wobei sie sich erstaunlichgenau an die Informationen halten, die sie von den etablierten wissenschaft-lichen Sprechern erhalten. Sie hinterfragen diese nicht durch Hinzuziehunganderer Meinungen. Sie reagieren eher mißmutig, wenn Expertenurteile wi-dersprüchlich sind und versuchen sie zu glätten, statt sie so stehen zu las-sen.45 Goodell nennt verschiedene Gründe für die enge Beziehung zwischenWissenschaftlern und Wissenschaftsjournalisten, unter anderem die Tatsa-che, daß letztere eine kleine, spezialisierte Gemeinde sind, die in der jewei-ligen Redaktion relative Autonomie genießt. Da ihren Chefs der Sachver-stand fehlt, wird ihre Arbeit kaum kritisch begutachtet. Die Wissenschafts-journalisten teilen die Ansicht der meisten Wissenschaftler, daß dem Laien-publikum der Sachverstand zur Beurteilung wissenschaftlicher Praxis fehlt,und ähnlich wie jene bringen sie große Begeisterung für den wissenschaftli-chen Fortschritt auf.

Manche Wissenschaftler meiden den Kontakt zu den Medien, währendandere ihn suchen.46 Im Lauf der Zeit lernen immer mehr Wissenschaftlerder FCKW-Kontroverse einen für sie vorteilhaften Umgang mit der Presse.Die Versuchung ist groß, die Erkenntnisse zu übertreiben, um die Finanzie-rung der eigenen Forschung zu fördern. Diese Strategie birgt jedoch Gefah-ren in sich, da Wissenschaftler sich durch zu oft geäußerte Warnungen (oderdurch ihr offensichtliches timing) unglaubwürdig machen können.

Wir sind als Wissenschaftler »gesplittet« – man muß warnen, man will aber nichtimmer »Katastrophe« rufen. Denn wenn man das zuviel tut, hört am Ende keinermehr zu. Auf der anderen Seite: Man warnt, aber man weiß zu gleicher Zeit

45 Goodell entwirft ein Pyramidenmodell der Sichtbarkeit von Wissenschaftlern: Die Basisbilden Wissenschaftler, von denen man nie hört, weil sie entweder kein Interesse an Publi-zität haben oder die Medien kein Interesse an ihnen. Darüber liegt eine Schicht von Wis-senschaftlern, deren Arbeit für kurze Zeit Aufmerksamkeit erregt. Über ihnen befindensich Wissenschaftler, die als regelmäßige Quellen für Sachfragen innerhalb ihrer Disziplinzitiert werden. Noch höher rangieren die Wissenschaftsmanager, die sich oft zu allgemei-nen Fragen und denen der Wissenschaftspolitik äußern. Die Spitze bilden jene Wissen-schaftler, die hinreichend motiviert, zitierfähig, farbig, glaubhaft und zugänglich sind. Siehaben oft prononcierte Meinungen und finden sich auf den Extremseiten einer wissen-schaftlichen Kontroverse (Goodell 1987: 593–594).

46 Für Shils gibt es keine institutionellen Regeln für Wissenschaftler, die sich aus dem»Kernbereich« hinauswagen: »There is as yet no sound tradition such as exists at the heartof science to guide action in these activities that are at the periphery of science itself butare of the greatest importance to society« (Shils 1987: 202).

Die Wissenschaft 133

auch, daß man mit Sicherheit nicht alles weiß. Man kann die Probleme über- undunterschätzen. Das plötzliche Auftreten des Ozonlochs hat letzteres bewiesen.Eine schwierige Situation für die Wissenschaft.(Paul Crutzen in Die Welt, 23.10.1989)

Ein Teil der Gefahren liegt in der öffentlichen Reaktion auf Alarmstrategien.Joe Farman, der Entdecker des Ozonlochs, sagte in der Beantwortung derFrage, warum er seine Daten nicht früher veröffentlicht habe:

I sometimes feel we should have (acted sooner) … On the other hand, the veryfact that we delayed it until it was absolutely certain meant that there was neveran argument. It was accepted. That’s the real trouble with all these environmentalproblems. Too many people make too many noises all the time. Whereas if youonly show it when you’ve got something to show, then, okay, people understand it. (zit. in Roan 1989: 133)47

Die Gefahr der Überdramatisierung besteht auch unabhängig von den Moti-ven der die öffentliche Aufmerksamkeit erregenden Wissenschaftler, da manzum Zeitpunkt der Aussagen oftmals nicht weiß, was eine angemessene oderüberzogene Aussage ist. Öffentlich wirksame Aussagen müssen jedoch überdie Massenmedien verbreitet werden, wodurch eine Tendenz zur Sensatio-nalisierung und damit zur Überdramatisierung eingebaut ist.

If I wish to bring an issue like this to the attention of the public, it really has to besensationalized, otherwise it won’t be covered. And this happens all way along.Either they are overly dramatic or can be interpreted that way, which then lead toall kinds of heavy duty publicity about it, which then lead to some disappoint-ment: Where are the dead bodies after all? (Interview 22)

3.3.1 Reputation und Prominenz

Die Politisierung des Feldes kann daran abgelesen werden, daß es – andersals in den siebziger Jahren – nach 1985 eine auffällge Korrelation der relati-ven Reputation mit dem Geschehen auf der politischen Bühne gibt. Ab Mitte

47 Vgl. folgendes Statement eines von mir befragten US-Wissenschaftlers: »Science does notexist in a vacuum. There is an old Polish saying ›The guy would starve to death unless apigeon flew into his mouth‹ – If you just stand on the hillside with your mouth open, inscience, you may be producing the greatest amount of work, but you’ve got to sell it toshow that your work is worth funding. When you have limited resources, you have toshow that your science is better than anybody else’s. Sometimes that is exaggerated«(Interview 17).

134 Kapitel 3

der achtziger Jahre, als die chemische Erklärung sich durchzusetzen beginntund die frühen Advokaten breite Anerkennung finden, wirkt sich dies auchauf ihre innerwissenschaftliche Reputation aus. Wie Abbildung 3-3 zeigt,verfügen die Skeptiker in der ersten Phase über eine höhere Reputation alsdie Advokaten. Erst nach 1986 verkehrt sich dies. Damit muß die These desbesonderen Einflusses von hoch reputierten Wissenschaftlern auf den Poli-tikprozeß ausgeschlossen werden. Denn Reputation spielt zwar für den in-nerwissenschaftlichen Diskurs und Selektionsprozeß von Ergebnissen eineentscheidende Rolle; das Auftreten in der Öffentlichkeit wird hingegen inder Währung der Prominenz gemessen (Goodell 1977; H.-P. Peters 1994; B.Peters 1996). Anders als (innerwissenschaftliche) Reputation, die sich in derrelativen Zitierhäufigkeit durch Fachkollegen niederschlägt, wird Prominenzdurch häufiges Auftreten in der Öffentlichkeit erzielt.48

Dies kann dadurch belegt werden, indem man die relative Zitierhäufigkeitals Indikator für wissenschaftliche Reputation untersucht. Abbildung 3-3zeigt dies für die erste Periode (1974 bis 1984). Berechnungsbasis sind diefünf Wissenschaftler, die in den siebziger Jahren in der (US-)Öffentlichkeit

48 Siehe Kapitel 1, Fußnote 34.

Die Wissenschaft 135

dominierend waren. Drei von ihnen waren lautstarke Advokaten, zwei laut-starke Skeptiker. Es zeigt sich, daß im Durchschnitt die Skeptiker über eineetwa doppelt so hohe Reputation verfügen, die sich aber nicht auf den politi-schen Entscheidungsprozeß überträgt.

In Abbildung 3-4 wird eine Reputationszunahme der Advokaten erkenn-bar, die sich im politischen Prozeß zeigt. Würde man die Zahlen nach 1986isoliert betrachten, würde dies ein Durchschlagen von wissenschaftlicherReputation auf den politischen Entscheidungsprozeß nahelegen. Betrachtetman beide Perioden, so läßt sich dieser Schluß nicht aufrechterhalten. Viel-mehr liegt die Vermutung nahe, daß die Verschiebung im Verhältnis der bei-den Gruppen Signalwirkung hatte. Die beiden lautstarken Skeptiker warenum 1985 verstummt: Einer von ihnen hatte sich aus der Kontroverse zurück-gezogen, der andere schloß sich den Advokaten an.

Zwischen beiden Zeitabschnitten gibt es einen wichtigen Unterschied imVerhalten der Skeptiker. In der ersten Periode sind die Skeptiker lautstark,im der zweiten praktisch nicht mehr existent. Es gibt nunmehr Wissen-schaftler, die zwar einen Zusammenhang zwischen FCKW und Ozonzerstö-rung bestreiten, aber keinerlei Reputation vorzuweisen haben. Diese befin-den sich nicht in meinem Sample (vgl. die Bemerkungen in Abschnitt 3.7).Andererseits gibt es in der Zeit nach der Entdeckung des Ozonlochs Wissen-schaftler, die der chemischen Erklärung skeptisch gegenüberstehen, aber öf-

136 Kapitel 3

fentlich nicht die Dringlichkeit von Maßnahmen bestreiten. Die Skeptiker(N = 3) in Tabelle 3-3 kommen aus dieser Gruppe.49

In Abbildung 3-5 wird die Zitierhäufigkeit der Exponenten50 bei derOzonlochkontroverse angegeben. Die Kontroverse umfaßte nur einen relativkurzen Zeitraum (1986 bis 1988). Um 1985 sind Chemiker und Dynamikeretwa gleichauf (auch mit der Kontrollgruppe); danach werden die Chemikerweitaus häufiger zitiert als die Dynamiker, und zwar mit zunehmender Ten-denz und im Zeitverlauf konstant. Sie zeigen ein fast lineares Wachstum,während die Dynamiker ebenso wie die Kontrollgruppe stagnieren.

Erstaunlich ist, wie stark das Feld durch exponierte Wissenschaftler ge-prägt wird. Die führenden acht Wissenschaftler haben im Untersuchungs-zeitraum einen Anteil von 50 bis 70 Prozent in der Gesamtstichprobe von 27(der erwartbare Anteil läge bei 30 Prozent). Advokaten und Skeptiker habeneinen Anteil zwischen 30 und 60 Prozent (der erwartbare Anteil läge bei 22Prozent, Abbildung 3-6).

49 Da die frühen Skeptiker nach 1986 keine aktive Rolle mehr spielen, statt dessen andereWissenschaftler sich skeptisch über einen Zusammenhang zwischen FCKW und Ozonlochäußern, und außerdem die frühen Advokaten Unterstützung von Kollegen erhalten, ist dieDatenbasis der beiden Diagramme unterschiedlich. Deshalb stelle ich beide Perioden nichtinnerhalb eines Diagramms dar.

50 Es erfolgte eine Beschränkung auf diejenigen Wissenschaftler, die aktiv in die Kontroverseinvolviert waren. Eine Einbeziehung der unbeteiligten würde andere Ergebnisse liefern.

Die Wissenschaft 137

3.3.2 Engagement und Objektivität der Wissenschaft

Oft wird der nichtwissenschaftliche Stil bemängelt, der mit der Rolle deswissenschaftlichen Advokaten oder Warners einhergeht. Doch keiner derWissenschaftler, die auf diesem Gebiet arbeiteten, konnte folgenden Fragenausweichen: Bei wem liegt die Beweislast? Was zählt als wissenschaftlicherSchadensnachweis und wer sollte darüber urteilen? Welches Gewicht sollenWorst-case-Szenarien gegenüber durchschnittlichen Szenarien haben? Wel-ches Gewicht soll der soziale oder wirtschaftliche Nutzen bei der Frage vonVerboten haben (Brooks 1982)? Dies waren Fragen, die sich naturgemäßauch bei der Formulierung von politischen Optionen stellten – und zwarWissenschaftlern und Politikern gleichermaßen.

Die Wissenschaftler, die an der FCKW-Kontroverse beteiligt waren,»found themselves unable to avoid making explicit or implicit judgementsabout almost every one of these essentially nonscientific value questions, nomatter how much they tried to ›stick to the facts‹« (Brooks 1982: 206).Rowland gab bei einer Kongreßanhörung zur Frage der Abwägung ökono-mischer gegen ökologische Interessen letzteren den klaren Vorrang: »I think

138 Kapitel 3

that the economic dislocation need to be given minimal weight compared tothe maximum weight to the possible harm to the environment.«51

Die Gegenseite war der Auffassung, die Beweislast liege bei der Behör-de, wie ein Sprecher von Du Pont ausführte: »As a prerequisite for regulati-ons, the promulgating agency [should] be required to affirmatively find aprobable hazard, based on accepted scientific data.« Er zweifelte an derGültigkeit der Ozon-»Hypothese« und verlangte nach Tatsachen als Regulie-rungsbasis, nicht nach »Theorie«.52

Die Wissenschaftler, die zwischen den beiden Polen standen, drohten zer-rieben zu werden. Ein frühes dokumentiertes Beispiel bieten die Kongreßan-hörungen von 1975. Senator Bumpers drängte insbesondere jene Wissen-schaftler, die wie James Anderson neutral und objektiv bleiben wollten. An-derson gab schließlich nach und befürwortete unter Hinweis auf die »verydelicate ozone photochemistry«, präventive Maßnahmen zu ergreifen.53 Einanderer blieb standhaft und ausweichend. Zur Begründung führte er aus:»My advice to you on that issue isn’t worth any more than the advice of anylayman on the subject …«54 Doch auch er äußerte sich zur Frage der Dring-lichkeit von Maßnahmen (»Ein paar Jahre warten kann nicht schaden«) undman kann sicher sein, daß seine Aussage für den Kongreßausschuß einengrößeren Stellenwert hatte als die eines beliebigen Bürgers. Ob sie wollenoder nicht: Die Wissenschaftler spielen eine Sonderrolle, wenn es um dieLegitimationsbeschaffung für politische Entscheidungen geht, bei denenwissenschaftliche Expertise unentbehrlich scheint. Wie auch immer die Posi-tionsnahme und -begründung ausfiel, alle Wissenschaftler spielten die Karteder Purifizierung, alle stilisierten sich als Personen, die ein Votum abgeben,das allein auf wissenschaftlicher Evidenz basiert. Selbst kritische Wissen-schaftler äußerten sich freundlich distanzierend gegenüber umweltpoliti-schen Akteuren wie NRDC oder Greenpeace.55

51 Stratospheric Ozone Depletion, Hearings before the Subcommittee on the Upper Atmos-phere of the Committee on Aeronautical and Space Sciences. United States Senate. 94thCongress, September 18, 19 /23, Washington: US Government Printing Office 1975 (imFolgenden zitiert als Congress Hearings 1975), 939, Statement Rowland.

52 Congress Hearings 1975, 570.53 Congress Hearings 1975, 1023, Statement Anderson.54 Congress Hearings 1975, 1048, Statement McElroy.55 Ein Atmosphärenwissenschaftler charakterisierte den professionellen Status der Umwelt-

organisation NRDC folgendermaßen: »They … had intelligent people, not necessarilyparticularly informed about the chemistry of the CFC controversy but willing to explore it… They wanted to check out for themselves whether or not they felt that this was plausi-ble. They probably required a lower level of plausibility than the NAS two years later«(Interview 16). »As regards Greenpeace, and I have clearly some sympathy with environ-

Die Wissenschaft 139

Dort wo der politische Entscheidungsprozeß auf wissenschaftliches Ex-pertenwissen zurückgreift, hat er in vielen Fällen mit dem Problem zu kämp-fen, daß das Expertenwissen nicht einheitlich ist. Gerade in umweltpoliti-schen Fragen macht sich dieses Problem bemerkbar. Die Politik, die vor ei-ner Wertentscheidung steht, versucht, das Problem auf die Wissenschaft ab-zuwälzen, die mit ihren »objektiven« Methoden eine rationale und verläßli-che Handlungsanleitung liefern soll (vgl. Brooks/Cooper 1987). Doch dieseHoffnung wird meist enttäuscht; sie macht einer Auseinandersetzung zwi-schen Experten Platz, in der ebenfalls Wertentscheidungen eine große Rollespielen. Man könnte argumentieren, die Wurzel des Übels liege in der Tatsa-che, daß der Erkenntnisprozeß politisiert sei, und daß die reine Wissenschaftdie in sie gesetzten Hoffnungen prinzipiell erfüllen könnte, wäre sie nichtdurch politischen Einfluß vergiftet. Ein Wissenschaftler, der sich nicht öf-fentlich engagiert, äußert sich in dieser Weise:

»My expert says this, your expert says that«, then you have two experts, this getscloser to the backlash. In a proper scientific discussion, usually we should be dis-cussing things that can be resolved by observations. It’s not a question of one ex-pert versus another, rather one prediction versus another, but this does not hap-pen when it is politicised. (Interview 22)

Wie ich zu zeigen versuche, ist es so einfach nicht (vgl. Weingart 1981: 218).Die Ozonkontroverse ist ein Beispiel dafür, daß sich ein relativ stabiler Kon-sens herausbilden konnte, weil eine starke Politisierung stattfand. Die Politi-sierung ging einher mit der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und einemRessourcenzuwachs der Ozonforschung, der durch die Relevanz des Pro-blems legitimiert war. Alle Welt blickte auf das Ozonloch. Wer in dieserKontroverse abseits stand, hat auch innerwissenschaftlich keine große Rollegespielt.56 Lautstarke Advokaten aus der Wissenschaft müssen sich freilichdavor hüten, als bloße Umweltschützer zu erscheinen. Der Mechanismus derPurifizierung ist immer wirksam. Wissenschaftler sehen staatliche Regulie-rungsbehörden wie die EPA und Umweltgruppen als politische Einflußfakto-ren, von denen man sich fernhalten sollte:

mental pressure groups, I think there is also the danger that they are shooting themselvesin the foot. When you say something too strong which is easy to be proven to be too strongand you are therefore too weak in your argument, that is stupid« (Interview 43).

56 Nur drei der von mir befragten Wissenschaftler hielten sich völlig aus öffentlichen Aktivi-täten heraus.

140 Kapitel 3

When science gets too close to policy then there is put pressure on the science toshort-cut and get to policy-relevant results. I think that’s a big problem. In theUS we call that the EPA-effect. Because they are so oriented towards regulation,if you get close to them scientifically, you’ll stop to work for science. They havetheir agenda. (Interview 11)

Wissenschaftler, die als Advokaten aufgetreten sind, haben ein ambivalentesVerhältnis zu bestimmten Aktivitäten von Umweltgruppen. Einige finden diePressure-group-Funktion gut und wichtig, andere sehen die Folgen von un-sachlicher Überdramatisierung:

Greenpeace once came in space suits to a press conference, which was counter-productive. (Interview 8)

Sehr oft bekomme ich Bewerbungsschreiben, die sagen: Ich bin sehr umweltbe-wußt, und deshalb möchte ich bei Ihnen arbeiten. Diese Leute nehme ich selten,denn die sind von vornherein negativ belastet, man muß da eventuell Angst ha-ben, daß die Daten, die die produzieren, gefälscht sein können, nicht daß es vor-gekommen wäre, aber bei denen müssen schon die Zeugnisse ungeheuer gut sein,dann nehme ich sie trotzdem. Ich hab’ mal einen Mitarbeiter gehabt, der bei Gre-enpeace war, dem habe ich ein Projekt gegeben, das mit Umwelt nichts zu tunhatte. (Interview 25)

Nur der Wissenschaftler, der »gute« wissenschaftliche Arbeit leistet, kannseine Kollegen und die Öffentlichkeit von Ergebnissen überzeugen. Dazumuß er in der Lage sein, die Unterscheidung zwischen dem Zentrum derwissenschaftlichen Aktivität und seiner Peripherie aufrechtzuerhalten.

He must remind himself constantly that his scientific knowledge is entitled toagreement by others, non-scientists as well as scientists, only if it is scientificallytrue. … The scientists who engage in these penumbral activities have, for themost part, been able to keep fresh in their minds the distinction between the cen-ter of the scientific community in which scientific research, teaching and trainingare conducted, and the periphery of political, economic, and social activities withwhich the scientific community is in intense interaction. (Shils 1987: 198–199)

Dieses Zitat von Shils verdeutlicht sehr gut, wie Wissenschaftler an die Fragedes öffentlichen Engagements herangehen. Es klammert aber genau dieheikle Frage aus, wie sich Wissenschaftler verhalten sollen, wenn es keineetablierten »Beweise« gibt, das heißt, wenn man keine Gewißheit über dieabsolute Gültigkeit von wissenschaftlichen Aussagen hat. Mario Molina,Koautor der Molina-Rowland-Hypothese und früher Befürworter von Regu-lierungen, hält die vorherrschende Haltung der Wissenschaftler für versnobt,die sich auf die Reinheit der Wissenschaft berufen.

Die Wissenschaft 141

They say »I’m just going to do clean, pure science. If it has some kind of appli-cation whatsoever, I’m going to step back and do something else.« I think that’svery wrong. (zit. in Roan 1989: 121)

Die öffentliche Zurückhaltung hat mehrere Gründe.

Chemists have tended to feel stigmatized by all the adverse publicity that has sur-rounded their profession in recent years. Their reaction to environmental prob-lems caused by chemicals … is frequently a defensive withdrawl from public in-volvement. Many of them are convinced that such problems are either nonexist-ent or grossly exaggerated. (Rowland, zit. in Cagin /Dray 1993: 306)

Abgesehen von Wissenschaftlern, in deren Naturell es nicht liegt, sich in öf-fentlichen Debatten zu engagieren, gibt es Wissenschaftler, die gern imRampenlicht stehen und dennoch nicht als Warner aufgetreten sind. Derdrohende Reputationsverlust, der eintreten kann, wenn sich bestimmte Aus-sagen, wie zum Beispiel alarmierende Prognosen, nicht halten lassen, wirktabschreckend.

There is a debate about what moral obligations scientists have, to take positionsabout what society has to do. I have very carefully stayed away from that,avoiding the non-scientific limelight. Sherry Rowland is a person who I like verymuch and respect deeply, who crossed over the line and got away with it. Butmany people do not. (Interview 11)

Diese Wissenschaftler sehen ihre Aufgabe vor allem darin, »gute Wissen-schaft« zu betreiben. Unter ihnen gibt es eine Gruppe, die ich als stille Ad-vokaten bezeichne. Ihre Strategie entspringt folgendem politischen Kalkül:Die Wirkung der eigenen Arbeit ist am größten, wenn die Expertenmeinungso neutral und objektiv wie möglich präsentiert wird, auch wenn man vonbestimmten umweltpolitischen Überzeugungen geleitet wird. Folgende Äu-ßerungen von Wissenschaftlern mögen dies belegen:

I simply feel that if you’re going to trust me to tell it like it is with the sciencenumbers, then you’d better not question what my motivations are. My motiva-tions are giving the best numbers, no matter what. … If I have any personal feel-ings, that has nothing to do with my credentials as a scientist. … I am one of thefew who gets invitations to speak to the right wing and left wing groups, to speakabout the science, because they trust me say the science without any ideology.And I feel comfortable in that niche because it has given me a credibility that Iwould not have by advocating on one side or the other. (Interview 11)

Dieser Wissenschaftler gab auf Nachfrage zu, von umweltpolitischen Wer-ten beeinflußt zu sein: »If you were to accuse me of having a bias, it is a pro-

142 Kapitel 3

environmental bias, yes. Although I try to keep that out of my statementsand calculations. Environmentalist stewardship ethic is the way I woulddescribe myself.«57 Zwei andere, im Politikprozeß sehr einflußreiche Wis-senschaftler, äußerten sich wie folgt:

My value to this process has been to speak as accurately as I can on the knownsand the unknowns of the science. My personal belief is separate from that interms of being a citizen of a country. (Interview 46)

I always kept myself in a situation that some people were not happy with and thatis, I very purposely did not comment on whether there should or should not beinternational regulation. (Interview 39)

Ersterer wollte auch auf ausdrückliche Nachfrage nicht preisgeben, was sei-ne Privatmeinung dazu ist:

I would prefer not to answer. I would like to be able to be thought of as an ob-jective scientist and I think it is that role that I play my best for the world.

Die Reaktionen beider Gruppen spiegeln den Einfluß ihrer jeweiligen Funk-tion im Policy-Prozeß wider. Im ersten Fall handelt es sich um einen For-scher, dessen Hauptbetätigungsfeld innerhalb der akademischen Forschungliegt, während es sich im zweiten Fall um Wissenschaftler handelt, die sichweitgehend mit der Organisierung der internationalen Forschung und derKooperation mit Bürokraten widmen. Sie können es sich unter keinen Um-ständen leisten, ihren Bias an die Öffentlichkeit treten zu lassen.

Die Wissenschaftler, die als Advokaten aufgetreten sind, waren bereit, einRisiko einzugehen, wie ihre eher risikoaversen Kollegen feststellten. Vorallem Rowland wurde des öfteren vorgeworfen, sich zu weit hinausgewagtzu haben, ohne die wissenschaftlichen Daten zu besitzen, die seine Positionstützen könnten.

His reputation might have suffered at a certain time because he was making lot ofstatements, he was probably perceived in general as what we call ›going out on alimb‹, i.e. making statements without having the certainty that they were correct.Here it is a matter of taste, I think. In the end, of course, he did the right thingbecause the theory was proven to be correct. (Interview 13)

Ten years ago one could have said he was going out a bit on a limb. Of course heproved to be right. In the past I heard him make statements, that’s true, but un-

57 Siehe auch die folgende Aussage: »I had had to really steer clear of it. I had this idealisticview, I wanted to be seen as a seeker of the truth. I didn’t let my prejudice overcome me«(Interview 45).

Die Wissenschaft 143

derstandable when the chemical industry such as Du Pont was trying to avoidany regulation. (Interview 27)

Sein Engagement habe seiner wissenschaftlichen Reputation geschadet, daer nicht immer sauber zwischen seinen wissenschaftlichen und politischen/persönlichen Überzeugungen unterschieden habe, so das Urteil vieler Fach-kollegen.

When I first read Rowland’s and Molina’s paper, I felt that this was a brillant pa-per and they deserve all the credit they’ve got for it. And I was quite convincedthere was a real effect. The only thing I felt uncertain about was the extent of it.That was my first reaction and then I heard Rowland giving lectures. He was likea missionary. He went around waving his hands, saying this is the end of theworld … (Interview 42)

Es wird auch darauf verwiesen, daß seine Strategie enorm riskant war, ob-wohl sie sich am Ende gelohnt hat.

Rowland, I think, made a very clear important decision, that a case had to be rep-resented in an unequivocal way. I think in many ways he just sacrifices a lot ofhis scientific credentials to do that. … Not many people would do [what he did].Maybe it paid out in the end, but at an extremely high risk. (Interview 8)

Ab Mitte der siebziger Jahre bekam Rowland die Auswirkungen seines En-gagements zu spüren. Es verwundert vielleicht kaum, daß er bis in die Mitteder achtziger Jahre von der chemischen Industrie keine Einladung bekommt,auf ihren wissenschaftlichen Treffen vorzutragen. Doch hielten sich Univer-sitäten ebenfalls mit Einladungen zurück. Ausnahmen sind die Verleihungdes Tyler-Umweltpreises (1983) und die Aufnahme in die National Academyof Sciences (1978) (Roan 1989: 122f.).

Das größte Erfolgshonorar, das schließlich gezahlt wurde, war der 1995verliehene Nobelpreis; dieser konnte aber keineswegs als Leistungsanreizgelten, der auch nur einigermaßen verläßlich gewesen wäre. Sieht man sichaußerdem die relative Reputation an, wie sie durch Zitierhäufigkeit im SCIgemessen wird, so kann man sehen, daß Wissenschaftler, die weniger enga-giert waren, teilweise besser abschneiden. Insbesondere ein Wissenschaftlerinnerhalb der Spitzengruppe, der nicht von Anfang an als Advokat aufgetre-ten ist, sondern vor allem auf seine akademische Karriere bedacht war, weisteine relative Zitierhäufigkeit auf, die deutlich besser als die Rowlands ist.

144 Kapitel 3

3.4 Wissenschaftliche Kontroversen und ihre Schließung

Wissenschaftliche Kontroversen (Kuhn 1976; Collins 1985) werden durchSchließungsprozesse beendet, die verschiedene Muster aufweisen können.Das häufigste dürfte die Herausbildung einer dominanten Erklärung sein, beidem eine Dissidentenminderheit zwar weiterbesteht, aber keinen Einfluß er-langt. Ist die wissenschaftliche Kontroverse in eine gesellschaftspolitischeeingebettet, dann liegt der interessante Abschnitt zwischen zwei kritischenSchwellen. Die erste ist das Erreichen der öffentlichen Aufmerksamkeit58,die zweite das Erreichen der Hegemonie innerhalb der Kontroverse. Ich be-handle im Folgenden drei Mechanismen, die bei der Schließung von Kon-troversen eine wichtige Rolle gespielt haben: die Mobilisierung des Exper-tenwissens mit dem »größten Gewicht«, Standardisierungsprozesse der Wis-senschaft und die Rolle von entscheidenden Experimenten.

3.4.1 Hochrangige Urteile

Mitte der siebziger Jahre blickten alle politischen Entscheidungsträger, diemit dem Problem konfrontiert wurden, auf die höchste wissenschaftliche In-stitution der Vereinigten Staaten, die National Academy of Sciences. DasUrteil dieses Gremiums, das sich aus der Elite der hochkarätigen Wissen-schaftler zusammensetzt, fand auch über die Landesgrenzen hinweg Beach-tung. In den USA wurde es als Legitimation für das Verbot von FCKW-An-wendungen in Aerosol-Sprays verwendet, das 1978 erlassen wurde. Als dasProblem auf die internationale Ebene gehoben wurde, verlor diese Institutionallerdings ihren Status als quasi-supreme court, da Expertengremien in an-deren Ländern zu teilweise abweichenden Einschätzungen kamen. Der insti-tutionelle Rahmen, in dem der Konsens hergestellt wurde, fand sich nunmehrin dem von UNEP und WMO organisierten Berichtswesen, in das die füh-renden Atmosphärenwissenschaftler zahlreicher Länder eingebunden wur-den. Die Wissenschaftler fungieren darin als Kapitelverantwortliche, Auto-ren oder Gutachter. Obwohl die personelle Basis für die Abfassung dieserBerichte breit gefächert ist, wird ein Dissens kaum noch hörbar.

58 Die Betonung der Öffentlichkeit ist durch den hier untersuchten Fall bedingt. Allgemeinkann man sagen, daß es in der ersten Phase gelingen muß, die Aufmerksamkeit »relevanteranderer Akteure« zu gewinnen, was im Normalfall andere Wissenschaftler sein dürften.

Die Wissenschaft 145

3.4.2 Standardisierung

Eines der größten Probleme bei der Etablierung sicheren Wissens (gleich-gültig auf welchem Gebiet) ist die Vereinheitlichung der Erhebungsmetho-den. Seit den ältesten Zeiten, als man über die Größe eines Hektars Landoder die Länge einer Elle geteilter Meinung sein konnte, ist das Problem ge-genwärtig. Die Uhr ist wahrscheinlich das älteste wissenschaftliche Instru-ment, das dieses Problem verdeutlicht. Fast alles menschliche Handeln inder Moderne wird prekär, wenn es sich nicht an einem einheitlichen Zeit-standard orientieren kann. Zur Aufrechterhaltung dieses Standards gibt esein internationales Netzwerk von ultragenauen Atomuhren, Lasern und Sa-telliten, das vom International Bureau of Time gebildet wird.59 Dies gilt ins-besondere für wissenschaftliche Meßmethoden, die im Mikro-, Nano- oderMakrobereich liegen und über große räumliche und zeitliche Distanzen hin-weg vergleichbar sein müssen (Metrologie). Dieser Prozeß ist ohne Standar-disierung unmöglich, und Standardisierung ist ohne Aushandlungsprozessenicht denkbar (O’Connell 1993; Porter 1995; für technische Standards sieheVoelzkow 1996). Gleichgültig, ob man eine Bevölkerungszählung vornimmtoder die Menge der insgesamt erfolgenden Emissionen eines Schadstoffs, obman einen Trend in globalen Durchschnittstemperaturen oder die Gültigkeiteines Laborergebnisses beurteilen will – jedesmal wird die Verbindlichkeitdurch eine Institution geleistet, die an ein technisches Netzwerk gekoppeltist oder es gar beaufsichtigt. Nach einer Schätzung von 1980 geben die USA6 Prozent ihres Bruttosozialproduktes für Standardisierung aus, dreimal soviel wie für Forschung und Entwicklung (Hunter 1980). Latour hat diese in-frastrukturellen Institutionen der Wissenschaft als centers of calculation be-zeichnet:

The negotiation on the equivalence of non-equivalent situations is always whatcharacterizes the spread of science, and what explains, most of the time, whythere are so many laboratories involved every time a difficult negotiation has tobe settled. (Latour 1983: 155)

In der Ozondebatte der siebziger Jahre variierten die Modellvoraussagen vorallem aufgrund variierender Reaktionskonstanten zum Teil erheblich. Mitteder siebziger Jahre nahm die NAS die Aufgabe wahr, die Güte der Input-Daten, die in die Modellrechnungen eingingen, zu beurteilen (Dotto/Schiff

59 »As soon as you leave this trail, you start to be uncertain about what time it is, and theonly way to regain certainty is to get in touch again with the metrological chains« (Latour1987: 251).

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1978: 217). Auf der Ebene der Forschergruppen leisteten Nachwuchsfor-scher diese Arbeit.

In the old days … you had to have at least one Postdoc who was competentenough to review all the kinetics literature and start thinking up the best rate con-stants. And everybody calculated with different values. So someone had to helpus out and do the review. … You don’t have to re-invent the wheel. … Theproblems are getting messier so that’s why standards are coming along.(Interview 15)

Seit 1979 ist am Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena eine Kom-mission angesiedelt, die die Güte der Reaktionsraten beurteilt, die von ver-schiedenen Labors in aller Welt aufgestellt werden. Ihre Daten sind ver-bindlich für alle auf dem Feld tätigen Forschergruppen.

JPL publishes it and Bill de Moore of JPL is the chairman. He is a very well re-spected chemical kineticist. They do no measurements but evaluate all measure-ments from all over the world … In addition to that, there is an internationalgroup called Co-Data. They lean very heavily on the JPL and there are no reallyserious discrepancies between them. (Interview 16)

All these things are done practically in one place in the world and this is the JPL,funded by NASA. Everybody in the world uses their constants. They are invest-ing for one reaction millions of dollars. When they have the numbers, they aregood. (Interview 2)

Diese Institutionalisierung half wesentlich mit, eine Quelle möglicher Kon-troversen zu verschließen. Eine andere Quelle war die mögliche Diskrepanzzwischen Satellitendaten und Daten der Bodenstationen, die nach der Ent-deckung des Ozonlochs auftrat und die im Folgenden etwas ausführlicherbehandelt wird.

Der NASA-Atmosphärenwissenschaftler Don Heath hatte 1985 bei derInterpretation der TOMS-Satellitendaten eine signifikante Abnahme derWerte für die globale Ozonschicht gefunden. Da erhebliche Zweifel an derGüte der Daten aufkamen,60 leitete die NASA eine Überprüfung der Datenein. Bob Watson beauftragte Rowland mit dem Vorsitz einer Arbeitsgruppe,die eine Neubewertung vornehmen sollte. Dazu wurde der Kreis der Exper-

60 »The catalyst for the OTP was Don Heath testifying in front of Congress and various otherplaces that the satellite data showed a very rapid decline in ozone globally. The basicfeeling was that Don Heath hadn’t done his homework and he was wrong. The result ofthe OTP, simply said, was: Don was wrong, but he was right. He was wrong because therewas a calibration drift in his data, but indeed ozone was going down globally, by a muchsmaller amount that he was claiming« (Interview 45).

Die Wissenschaft 147

ten erweitert, es wurden nicht nur die Wissenschaftler eingeladen, die mitdem TOMS-Instrument zu tun hatten, sondern auch jene, die die Daten desweltweiten Netzes von Bodenstationen (Dobson-Netzwerk) sammelten undauswerteten. Das Problem war nur, daß die beiden Meßtechniken verschie-dene Ozonwerte anzeigten.61 Als die Arbeit dieser Arbeitsgruppe begann,versuchten die Satellitenleute alle anderen von der Überlegenheit ihrerMeßmethode zu überzeugen.

The TOMS people claimed that TOMS was the best and the ground instrumentworse. Because it was much cheaper, it could not be right. (Interview 43)

Den Konflikt zwischen Satellitenleuten und Dobson-Spezialisten entschie-den letztere zu ihren Gunsten. Der für die US-Bodenstationen verantwortli-che Wissenschaftler Walter Komhyr erläuterte auf detaillierte Weise die Ei-chung der Dobson-Geräte in Mauna Loa auf Hawaii, wo die atmosphäri-schen Bedingungen ideal für Kalibrierungszwecke sind.

This has the best conditions to make a calibration, it is 20 degrees north and lo-cated on a hill. So if he [Komhyr] could convince them [TOMS people] of theMauna Loa instrument, you could start talking about the other instruments, thatwas basically the psychology of it. So he went through these things, showed ex-actly how the calibration was made, we spent a morning or more on it, everyonetried to tell him why he was wrong, but no one could. And so eventually it wasbelieved. (Interview 43)

Komhyr gelang es, die TOMS-Leute davon zu überzeugen, daß seine Eich-methode verläßlich war und folglich die TOMS-Messungen fehlerhaft seinmußten. Dies führte dazu, daß das TOMS-Instrument auf dem NASA-Satelli-ten NIMBUS 7 überprüft wurde, wobei man herausfand, daß aufgrund einestechnischen Problems mit der Streulichtplatte (diffuser plate) Fehlmessun-gen auftraten.

Before this problem was detected, the data was interpreted as increasing back-scattered UV-radiation which meant ozone was going away. But it was simplythe diffuser plate getting darker which pointed at the sun. Since the sun was usedas source of calibration, it was not interpreted as darkening, but the earth as be-coming brighter. (Interview 17)62

61 1986 gab es Berichte über Probleme mit dem SBUV (Solar Backscatter UltravioletSpectrometer) und dem TOMS-Instrument in Fachzeitschriften (Fleig et al. 1986a, 1986b).

62 Vgl. die folgende Entrüstung eines US-Wissenschaftlers: »The satellites have very, verybad calibration. The Dobsons need better calibration but this refers back to the poor stateof long-term measurements. But NASA has been rescued by the Dobsons. They are imper-fect, but in order of magnitudes better than the satellites. The diffuser plate from the

148 Kapitel 3

Daraus zog das OTP die Schlußfolgerung, daß man sich zunächst völlig aufdie Daten der Bodenstationen verlassen mußte. Doch damit handelte mansich zwei neue Probleme ein. Zum ersten das Problem der Verläßlichkeit derDaten des Dobson-Netzwerkes, wo Methoden der Eichung und Wartung derGeräte eine kritische Rolle spielen. Und zum zweiten das Problem, daß aufBasis ihrer Zeitreihen bislang keine negativen Ozontrends festgestellt wor-den waren. In bezug auf die Verläßlichkeit der Daten äußerte sich ein sehrerfahrender Feldbeobachter wie folgt:

This is the trouble of publishing all these data, you cannot go and pick them upand trust the data. It is completely impossible to evaluate if you can trust it ornot. It is very sad. (Interview 44)

Sein Kollege pflichtet bei:

While we looked at all the other stations, it was clear that data quality was a bigissue. A 3 percent change in calibration would cause a 3 percent trend basically.… But the problem remained with all the other Dobson stations. One way ofchecking the calibration would be to bring them to Mauna Loa which is of courseterribly expensive. Another way is to move that instrument to a location but eachtime you move the instrument you risk messing up the calibration. So howeveryou do it, there are risks. But you can do your own calibration on site, that’s whatJoe Farman did, it’s just not as good as the one done in Mauna Loa. You thenask: How can you test the quality of the Dobson stations? (Interview 43)

Zur Lösung des Eichungsproblems wurden im wesentlichen zwei Methodenentwickelt. Die erste besteht darin, die Abweichungen zweier benachbarterStationen über einen langen Zeitraum zu vergleichen, die zweite, sie mit denSatellitendaten zu vergleichen. Wenn man in einem Datensatz einen plötzli-chen Sprung sieht, der im Vergleichssatz nicht vorhanden ist, deutet dies aufein Eichungsproblem hin. Eichungsvergleiche bergen aber auch viele neueUnsicherheiten, da bei der interdependenten Neujustierung fehlerhafte Ein-stellungen gegenseitig weitergegeben werden können, so daß man am Endekeine klare Fehlerquelle mehr hat. Will man dies vermeiden, so darf man nureine Variable pro Neujustierung ändern, was entsprechend viel Zeit in An-spruch nimmt. Eine wichtige Station, die nicht am Prozeß der Eichungsver-gleiche beteiligt war (Halley Bay), arbeitete sich langsam an einen Standardheran, von dem ihre Betreiber überzeugt waren, er garantiere verläßlicheDaten.

SBUV and TOMS instruments has a vicious degradation. … I am upset by that« (Inter-view 11).

Die Wissenschaft 149

We were lucky … we never were able to take part in these intercomparisons. Sowe had to take jolly good care that our observations stood by themselves. So weactually did calibrate the instrument very carefully every year ourselves. Nor-mally when you have these intercomparisons, you mess up the instrument. So wewere free of that problem. (Interview 44)

Das zweite Problem ergab sich dadurch, daß diese Langzeitdaten schon sehrfrüh (um 1975) von Wissenschaftlern im Auftrag der Firma Allied Chemi-cals ausgewertet worden waren, wobei keine Abnahme der Ozonwerte fest-gestellt worden war. Auch 1985 wurden noch Daten präsentiert, die keinesignifikante Änderung zeigten. Die Daten waren jedoch nicht wesentlichaktualisiert worden und reichten nur bis 1978.63

We were in the summer of ’85 and they were quoting studies from 1979 withdata stopping in 1978. So they had not updated their report. (Interview 16)

Auf einem Workshop im Sommer 1985 in Les Diableret war keine Diskus-sion über die Daten vorgesehen, und die für die Arbeit verantwortlichenStatistiker, die zum größten Teil für die chemische Industrie arbeiteten, wa-ren auf dem Treffen nicht anwesend. Dies führte bei Leuten wie Rowlandzur Verärgerung, da alle anderen Präsentationen sich der offenen Kritikstellen mußten. Rowland hatte sich die Langzeitreihen der Meßstation Arosaangesehen, die bis ins Jahr 1926 zurückreichen, und dabei den Eindruck ge-wonnen, daß es einen leichten Abwärtstrend gab. Ein bei ihm arbeitenderDoktorand, Neil Harris, machte sich an eine genaue Analyse der Daten, umfestzustellen, ob ein Trend vorlag. Die Frage war, weshalb die Statistikerkeinen solchen Trend sehen konnten, wo Rowlands bloßes Auge einen sol-chen sah:

So they [the statisticians] gave exactly what the CMA would like to hear. TheCMA would not ask: Are you sure you have not screwed up and there is reallyozone loss? So, I said to my grad student Neil Harris: I don’t understand why St.John was getting an increase while my eyeball sees a decrease at Arosa.64

Er fand bald heraus, daß man keine signifikanten Ergebnisse erhält, wennman die Jahresmittelwerte, wohl aber, wenn man die monatlichen Durch-schnittswerte nimmt, und die Werte vor 1970 mit denen nach 1970 ver-

63 Die Gefahr, bei Auftragsforschung das zu liefern, was der Auftraggeber gern hören möchte,wird von den Wissenschaftlern natürlich gesehen: »Ich kann mir nicht helfen: seine For-schung wurde ja viel von der Industrie bezahlt. Man kennt sich, ist freundlich, das kannnatürlich einen Einfluß auf die Arbeit haben und auf die Interpretation der Arbeit. Also ichmeine, da sind wir alle nicht frei von« (Interview 25).

64 Pers. Mitteilung Rowland.

150 Kapitel 3

gleicht. Nach 1970 akkumulierten FCKW in der Atmosphäre, was durchKonzentrationsmessungen bekannt war. Traf die Molina-Rowland-Hypo-these zu, so nimmt bei einer Zunahme der FCKW-Konzentration die Ozon-konzentration ab. Tatsächlich sah Harris auf Basis seiner saisonalen Analysein den Wintermonaten der siebziger Jahre einen Einbruch im Vergleich mitden Jahrzehnten davor.

Es waren im wesentlichen fünf Wissenschaftler, die die Neubewertung derMessungen aller Dobson-Stationen vornahmen: Rowland, Harris, Bloom-field, McFarland und Bojkov.65 Der Statistiker Bloomfield hatte auch frühereTrendmessungen vorgenommen. MacFarland arbeitete als Wissenschaftlerfür Du Pont und Bojkov war als Spezialist der WMO für die Bodenstationenzuständig. Ihm wuchs die Aufgabe zu, die Datenbasis aller Dobson-Statio-nen zu überprüfen, eventuelle Fehler zu identifizieren und zu beheben.

Meßfehler können bei der Arbeit mit den Dobson-Photospektrometernaus verschiedenen Gründen auftreten, zum Beispiel durch unsachgemäßeWartung. Wenn die Stationen Protokolle über ihre Messungen und War-tungsmaßnahmen führen, bestehen gewisse Chancen, solche Fehler zu iden-tifizieren und die Datenreihe rückwirkend zu korrigieren (WMO 1993).

You can’t do anything in terms of improvement unless you have the originalreadings. There is a limit to what you can do, you can make consistency checks,you can look at the operating conditions, and you can say: This looks like a verysilly value. But there is no way of actually finding out what went wrong unlessyou actually got the original sheets written down by the man at the time.(Interview 44)

Bei der Beurteilung dessen, was gute und was problematische Daten sind,haben verschiedene Wissenschaftler unterschiedliche Ansichten. Der Ver-antwortliche des internationalen Meßnetzes würde die Auswertung der Da-ten aller Dobson-Stationen gern selbst vornehmen, ihm werden allerdingsnicht immer die aktuellen Daten übermittelt. Dahinter steht ein Konkurrenz-kampf, der Merkmale eines Autoritätskonflikts trägt. Zum Beispiel gabendie Verantwortlichen des britischen Netzes ihre Daten oft nicht fristgerechtheraus, da sie fürchteten, diese würden nicht korrekt behandelt. Man zieht esvor, zuerst einmal selbst die nötigen Korrekturen durchzuführen, bevor mansie an die offizielle Stelle weitergibt. Das Mißtrauen beruht auch darauf, daß

65 Das OTP bestand insgesamt aus folgenden Personen: Angell, Attmannspacher, Bloom-field, Bojkov, Harris, Komhyr, McFarland, McPeters und Stolarski. Den Vorsitz führteRowland (WMO 1988: 179).

Die Wissenschaft 151

Bojkov bei der Korrektur der Daten weitgehend freie Hand hatte, so daß derVorwurf laut wurde, er habe die Daten manipuliert.

We are much more successful than in the past but we are clearly still not 100percent successful. 90 percent of the changes Bojkov does, he can clearly justify.My worry is that he tries to tidy up the last remaining bit a little bit too much. Itdoesn’t affect at all what the message from the network is, I am convinced that’sright. Because he can justify so many of the changes. I am worried he is a bit toozealous for the last little bit … (Interview 43)

Bojkov went through a lot of these stations and made approximate corrections.This significantly improved the record. But it also made the record significantlymore dependent on what one person did to it. … So you are very easily subject tothe criticism of manipulation. (Interview 45)

Doch auch ohne die Korrekturen zeigten 18 von 19 Stationen im Winter eineAbnahme der Winterdaten (WMO 1988: 241–242), während es im Sommersowohl Abnahme als auch Zunahme gab. Betrachtet man die Werte dersel-ben 19 Stationen nach der »Korrektur«, so bekommt man in 10 Fällen einegeringere Abnahme und in 8 Fällen eine größere Abnahme, wobei das Ge-samtbild nun etwas homogener aussieht (WMO 1988: 244).

Die ersten Trendanalysen der Statistiker auf Basis von Jahresmittelwertensahen keine Ozonabnahme, die Neubewertung der Daten durch Atmosphä-renwissenschaftler führte zum entgegengesetzten Resultat. Dies wäre Anlaßzur Vermutung, daß die Ergebnisse zwischen den Statistikern, die zum gro-ßen Teil im Solde der Industrie standen, und den Atmosphärenwissen-schaftlern, die teilweise zu den lautstarken Advokaten gehörten, kontroversdiskutiert wurden. Erstaunlicherweise war dies nicht der Fall. Drei Gründesind hier wesentlich.

Erstens zeigten die frühen Trendanalysen keine Ozonabnahme, weil diehauptsächlichen Veränderungen nach 1976 stattfanden, die ursprünglicheDatenreihen jedoch schon 1978 aufhörten. Jedes zusätzliche Jahr, das manhinzubekam, erhöhte die Chance, Änderungen sehen zu können.

If you now do annual average, you will see the trend. In ’87/ ’88 it was harder tosee. It depends on how you handle various things. There were lots of detailed ar-guments. (Interview 45)

Zweitens wurde die Methode der Trenderhebung geändert. Nach der altenMethode sah man eine große Standardabweichung im Winter, eine kleine imSommer (jeweils verglichen mit der natürlichen Variation). Wenn man nacheiner Änderung von zehn Dobson-Einheiten (DU) Ausschau hielt, war es

152 Kapitel 3

einfacher, diese in den Sommerdaten als in den Wintermonaten zu sehen.Die Statistiker gewichteten folglich die beiden Datengruppen unterschiedlichstark: Sie schwächten die Winterdaten ab und verstärkten die Sommerdaten.Mit dieser Methode erhielten sie keinen signifikanten Trend, da die Win-terdaten so stark abgeschwächt wurden, daß sie keinen Unterschied im End-resultat machten. Die stillschweigende Hintergrundannahme der Statistikerwar die, daß eine eventuell zu messende Ozonabnahme monoton sein müßte.Damit schlossen sie die Möglichkeit eines saisonalen Ozonverlusts im Win-ter von vornherein aus (Interview 16).

Ein dritter Grund dürfte in der Positionsänderung der Auftraggeber derStatistiker zu suchen sein. 1986 gab es einen Positionswechsel der amerika-nischen FCKW-Produzenten in bezug auf Regulierungen. Es scheint plausi-bel anzunehmen, daß bei unveränderter Firmenstrategie der Druck auf dieStatistiker zugenommen hätte, die »alte« Methode zu verteidigen. Mit ande-ren Worten: Die geänderte Industrieposition führte zu einer kampflosenAufgabe der Statistik als Schlachtfeld der Kontroverse.

3.4.3 Schließung durch entscheidende Experimente

1986 und 1987 fanden entscheidende Experimente zur Erklärung des ant-arktischen Ozonlochs statt. Diese Experimente waren außergewöhnlich inmehrfacher Hinsicht. Sie fanden unter außergewöhnlichen klimatischen Um-ständen statt, sie wurden generalstabsmäßig und in kürzester Zeit geplant,sie verlangten eine extreme Einsatzbereitschaft der Forscher (die für eine he-roische Stilisierung und Dramatisierung empfänglich war) und sie brachtenam Ende die Falsifikation beziehungsweise Verifikation entscheidender Hy-pothesen.66

Die erste Antarktisexpedition 1986

Die erste Serie von Feldexperimenten fand von August bis Oktober 1986 imRahmen der National Ozone Expedition (NOZE) statt und wurde von vierGruppen, denen dreizehn US-Forscher angehörten, durchgeführt.67 Sie wur-

66 An Popper geschulte Leser mögen sich an dieser Formulierung stoßen; ein Atmosphären-wissenschaftler drückte die Haltung seiner Kollegen so aus: »Verify is actually what weare doing. We are testing things with datums … and a datum is a number that you believein – if it’s for a model or a measurement« (Interview 15)

67 Die Gruppen kamen vom NOAA Aeronomy Laboratory in Boulder, von der Universität

Die Wissenschaft 153

de durch Robert Watson (NASA) koordiniert und von NASA, NationalOceanic and Atmospheric Administration (NOAA) und National ScienceFoundation (NSF) finanziert. Da die NASA von zeitraubenden Gutachter-prozessen bei der Vorbereitung von Experimenten ausgenommen ist, konnteWatson selbst bestimmen, welche Forscher welche Art von Experimentendurchführen sollten. Ein weiterer günstiger Umstand für die Vorbereitung derExpeditionen war die Tatsache, daß der Vorsitzende der National ScienceFoundation, der für alle Antarktisprojekte zuständig war, der NOZE-Expedi-tion wohlwollend gegenüberstand. Er fühlte, daß die amerikanische High-tech-Wissenschaft etwas gutzumachen hatte, schließlich war das Ozonlochnicht durch den »multi-million fancy stuff« der NASA entdeckt worden,sondern durch ein Tausend-Dollar-Instrument, das auf einer Technologie ausden zwanziger Jahren basierte (Cagin/Dray 1993: 294, 298).

Gegen Ende ihres Aufenthalts auf der McMurdo-Station in der Antarktisam 20. Oktober stellte die NOZE-Forschergruppe ihre vorläufigen Ergebnisseauf einer Pressekonferenz vor, die per Radio nach Washington übertragenwurde. Die Journalisten waren vor allem an der Frage interessiert, ob FCKWdie Ursache des Ozonlochs seien. Susan Solomon, die Sprecherin der Gruppe,fühlte sich berechtigt, diese Frage zu bejahen – was zum Ausbruch einerKontroverse führte, als die Gruppe wieder in die USA zurückkam (Roan1989: 171–172). Die Vertreter der konkurrierenden Theorien, der Sonnen-zyklustheorie und der dynamischen Theorie, Lin Callis und Mark Schoeberl,reagierten scharf (Shell 1987).

Die Ergebnisse seien lediglich vorläufig und keineswegs eine Bestätigungder chemischen Erklärung. »Despite the number of public announcements,no clear link between manmade pollutants and ozone depletion overAntarctica has been established«, sagte Schoeberl.

The growing controversy about the cause of the ozone hole represented morethan just differing scientific interpretations of existing data. It reflected the di-verse instinctal responses among scientists and policy-makers to the threat oflarge-scale ecological change … A faith in nature’s benevolence or, conversely,the conviction that the environment was highly vulnerable to manmade changes,could not help but influence the debate and directly contribute to the formulationof scientific theory. (Cagin /Dray 1993: 291)

Im November 1986, knapp einen Monat nach der Rückkehr der NOZE-Expe-dition, erschien ein Sonderheft der Zeitschrift Geophysical Research Letters,

Wyoming (Laramie), vom Jet Propulsion Laboratory in Pasadena und von der State Uni-versity New York, Stony Brook.

154 Kapitel 3

das über vierzig Artikel zur antarktischen Problematik enthielt. Darin fandensich zahlreiche Veröffentlichungen von Autoren, die die dynamische Hypo-these verfolgten. Da die Autoren dieses Sonderhefts wie die Expe-ditionsteilnehmer während des Sommers und Herbstes 1986 ihre Positionenunabhängig voneinander formulierten – sowohl in paradigmatischer als auchräumlicher Hinsicht – entstand auf beiden Seiten der Eindruck, man ignorieredie Positionen der Gegenseite. Die Dynamiker warfen den NOZE-Teil-nehmern vor, die Expedition mit einem vorgefaßten Urteil angetreten zu ha-ben. Weder sei es ihnen gelungen, die chemische Theorie zu beweisen, nochdie dynamische Theorie zu widerlegen (vgl. auch Kerr 1987; Solomon 1987).

In der Tat gab es mehrere Probleme bei der Auswertung der Daten. Dasbeste Indiz, das zur Unterstützung der chemischen Theorie mobilisiert wer-den konnte, war das Vorhandensein von Chlormonoxid in der Stratosphäre.Die Gruppe, die dies durch Bodenmessungen nachzuweisen versuchte, hattedamit ihre Mühe. Die Glaubwürdigkeit der Daten wurde zusätzlich erschüt-tert, als sich die ebenfalls von dieser Gruppe vorgenommenen Messungenvon NO2 als fehlerhaft herausstellten (Roan 1989: 177; Interview 17). EinExperiment beinhaltete Messungen von NO2 und ClO2. Hohe NO2-Wertewürden auf die Richtigkeit der Sonnenzyklentheorie hinweisen, hohe ClO2-Werte hingegen auf die chemische Theorie. Das Problem war nur, daß ClO2

keine ozonzerstörende Substanz ist, sondern als Abfallprodukt bei heteroge-nen Reaktionen entsteht, die beim Aufbrechen der beiden Reservoirs Salz-säure und Chlornitrat auftreten. Hohe Werte von Chlordioxid lieferten nurein indirektes Indiz für die Richtigkeit der chemischen Theorie, da sie dieExistenz heterogener Reaktionen plausibel machten.

[Regarding Susan’s OClO measurements], we don’t know what OClO is anyway,it’s a dead-end byproduct, so we don’t really know. There is a lot of confusionaround that. The NOZE expedition was not very convincing in my opinion –Susan will tell you different, I am sure.68

Legt man das Modell des in Kapitel 1 entwickelten »hermeneutischen Drei-ecks« zugrunde, so konnte sich die erste Antarktisexpedition mit der Thesenicht durchsetzen, das Ozonloch sei durch FCKW verursacht (Abbildung 1-4).

Die zweite Antarktisexpedition 1987

In dieser Situation fühlten sich die Vertreter der chemischen Theorie untererheblichem Druck. Sollte sich herausstellen, daß das antarktische Phäno-

68 Pers. Mitteilung Schoeberl.

Die Wissenschaft 155

men ein Ergebnis natürlicher Variationen war, würde der politische Prozeßzur Regulierung von FCKW, der zeitgleich in seine entscheidende Phaseeingetreten war, möglicherweise scheitern.

Interessanterweise werden die Antarktisexpeditionen im Fachjargon»Kampagnen« genannt; auch die deutschen Wissenschaftler bedienen sichdieses Begriffs für Expeditionen. Sieht man im Webster’s nach, was er ge-nau bedeutet, so liest man: »Campaign: organized course of action for par-ticular purpose, esp. to arouse public interest; series of military operations ina definite area or for particular objective.« In der Tat ähnelt vor allem diezweite Expedition in mehrfacher Hinsicht einer militärischen Operation, dieöffentliches Interesse erzeugen sollte. Sie wurde generalstabsmäßig geplant,bei ihrer Durchführung wurde militärisches Gerät und Personal eingesetzt,und die Weltöffentlichkeit blickte auf das Vorhaben. Die erzielten Ergebnisseführten zum Sieg der Regulierungsbefürworter (hier und zum Folgenden:Roan 1989). Die beiden Verantwortlichen bei der NASA sahen das Projektals eine Miniaturversion des Manhattan-Projekts. Wie beim Manhattan-Projekt ging es auch hier darum, die weltbesten Wissenschaftler in einereinmaligen Anstrengung zusammenzubringen, um eine Lösung für ein le-bensbedrohliches Problem zu finden. Diese zweite Expedition sollte 10 Mio.US-Dollar kosten und 150 Wissenschaftler einbeziehen. Neben Boden- undBallonmessungen waren In-situ-Messungen in der Stratosphäre geplant. Da-für sollte eine Version des berühmten Spionageflugzeugs U-2 (die ER-2)zum Einsatz kommen. Niemals zuvor war ein Flugzeug in dieser Höhe beisolchen Wetterbedingungen (Wirbelsturm, Temperaturen von minus 85° Cund kälter) geflogen. Die Piloten (ehemalige Vietnam-Kampfpiloten) konn-ten zur Übernahme dieses erhöhten Risikos angeblich dadurch motiviertwerden, indem man ihnen klarmachte, daß die Ergebnisse dieser Missionnicht nur bei der Erforschung eines wissenschaftlichen Problems, sondernauch zur Lösung eines internationalen politischen Problems gebraucht wur-den. Die Programm-Manager der NASA schließlich mußten einen Start- undLandeplatz finden, der der Antarktis nahe war. Man fand ihn im Süden Chi-les (Punta Arenas) und benötigte die Erlaubnis der chilenischen Regierungfür all diese Aktivitäten auf ihrem Territorium. Eine geeignete Landebahnmußte in kürzester Frist gebaut werden.

Doch auch die wissenschaftliche Infrastruktur musste gewährleistet sein.Auf Jim Anderson lastete dabei ein besonderer Druck. Watson zählte auf dieVerfügbarkeit des von ihm gebauten Instruments, das Chlormonoxid präzisemessen konnte. Nach den teilweise unschlüssigen Ergebnissen der erstenExpedition fürchtete er unausgegorene Ergebnisse mehr als keine Ergebnis-

156 Kapitel 3

se: »There was no such thing as going in and coming back with some half-baked solution. … [That] would have been worse than no result at all« (zit.bei Roan 1989: 187).

Die Gruppe um Anderson arbeitete von März bis Mai 1987 an der Anpas-sung des ClO-Instruments für den Flugzeugeinsatz. Die Messungen, dieschließlich im September durchgeführt wurden, verliefen erfolgreich; siekönnen als experimentum crucis betrachtet werden, dessen Ergebnisse aller-dings nur deshalb so durchschlagend waren, weil die ausführende Forscher-gruppe um Anderson ihren Status als unangefochtene Spezialisten für In-situ-Messungen etabliert hatte69 und die generalstabsmäßige Mobilisierungder Expedition erfolgreich verlief (siehe American Geophysical Union 1989und NASA 1987).

We had of course worked for nearly a decade to develop instruments to do in situmeasurements in the stratosphere in parts per trillion. We’ve never flown one onan airplaine before; there was a large learning process which we had to do veryquickly. But spectroscopy kinetics, the heart of the method, we had forged undervery controversial conditions for high-altitude measurements on balloons. Sowe’ve gone through a very significant period of technical growth on our own partwithin this research group. We could never have responded as quickly as we didto this question, and we still had a lot of homework to do after these flights. Wehad to refine the calibration, but they were [just] refinements. [They were] im-portant refinements, but they did not strike at the heart of the fundamentals.70

3.5 Skeptizismus und Vertrauen: Inklusion und Exklusion

In diesem Abschnitt behandle ich zwei Grundmechanismen sozialen Han-delns, Skeptizismus und Vertrauen (Merton 1985a; Holton 1994), die auchin der Wissenschaft relevant sind. In Anlehnung an eine weit verbreitete An-sicht (Merton, Popper, Luhmann) könnte man annehmen, daß die Wissen-schaft ein Bereich der Gesellschaft ist, in dem die Skepsis institutionalisiertist. Die Gegenthese lautet, daß die Wissenschaft einem Muster folgt, das bei

69 »Jim Anderson was able to do that. He had a very robust instrument which was challengedby nobody« (Interview 27). »The signal to noise ratio is very clear in Anderson’s data. Hecan measure chlorine oxide at 10.000 times less than what he was seeing« (Interview 16).Galison (1987: 183) beschreibt einen ähnlichen Glaubwürdigkeitsmechanismus im Be-reich der Teilchenphysik.

70 Pers. Mitteilung Anderson.

Die Wissenschaft 157

der sozialen Kohäsion von Gruppenmeinungen generell anzutreffen ist. Eliasund Scotson führen dazu aus:

In jeder Gruppe mit einer hochgradigen Kohäsion wirkt die interne Gruppenmei-nung als ein regulativer Faktor, der das Empfinden und Verhalten ihrer Angehö-rigen zutiefst beeinflußt. Wenn es sich um eine Etabliertengruppe handelt, dieüber den monopolistischen Zugang zu Machtquellen und Gruppencharisma ver-fügt, mit den entsprechenden Gratifikationen für ihre Mitglieder, ist diese Wir-kung besonders ausgeprägt. … Da eine Art Binnenkampf … zu den festen Merk-malen kohärenter Gruppen zählt, schwächt die Herabstufung eines Gruppenmit-glieds in der internen Rangordnung seine Fähigkeit, sich in dieser Macht- undStatuskonkurrenz zu behaupten … (Elias /Scotson 1990: 39)

Die Funktionsweise solcher Insidergruppen für den Wissenschaftsbetriebwurden von verschiedenen Autoren herausgearbeitet. Dies sind kleine undeng gekoppelte Kerngruppen, die an innovativen und zentralen Problemenarbeiten und oft in der Lage sind, die Entwicklungsrichtung eines größerenFeldes zu bestimmen (hier und zum Folgenden: Fuchs 1993b). In diesenGruppen gibt es eine hohe Face-to-face-Interaktionsdichte, persönliche Be-kanntschaften und Austausch unveröffentlichter Forschungsergebnisse. Oftkommt es vor, daß neue Mitglieder über Lehrer-Schüler-Beziehungen rekru-tiert werden.

Kerngruppen der Forschung befinden sich an wenigen prestigereichen In-stitutionen und Laboratorien und sind durch Netzwerke mit anderen prestige-reichen Einrichtungen verbunden. Führungspersonen innerhalb dieser Grup-pen kontrollieren den Zugang zu wesentlichen Ressourcen der Forschungwie Labors, Publikationsmöglichkeiten und Finanzierung (vgl. Hagstrom1965; Traweek 1988). Sie entscheiden auch, in welche Richtung sich das Feldbewegt, was die nächsten Themen der Forschung sind und wo die Grenzezwischen Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft verläuft (Gieryn 1995; Jasa-noff 1990).71 Die Anerkennung als Experte wird im Feld der Ozonforschungvon der etablierten Kerngruppe der Wissenschaftler bewirkt, wie folgendeBeispiele bestätigen:

71 Shapin /Schaffer (1985) haben in ihrer wissenschaftshistorischen Studie über die Kontro-verse zwischen Hobbes und Boyle die Grenzziehungsstrategien analysiert, die von beidenKontrahenten angewandt wurden. Thomas Gieryn faßt Boyles Strategie folgendermaßenzusammen: »Success would be likely, if Boyle could move everyone – rivals, bystanders,audiences – onto his playing field. With borders that he drew and labelled. He did that in acrafty move, in effect arguing that only those who were in the experimenter’s community… could challenge the claimed facts. But, catch-22, the price of admission to the lab (andto the Royal Society, as Hobbes found out) was a commitment to Boyle’s program«(Gieryn 1995: 428).

158 Kapitel 3

T. is a former volcanologist who knows a little bit about the atmosphere, not verymuch. He was also the minister for industrial hazards in the Mitterand govern-ment in the beginning. He has some credibility, but he is not really doing re-search at all. He writes books on it. (Interview 41)72

S. is now a lobbyist, no longer a scientist. His basic role is to ask questions. Heuses the attitude of a skeptic. I never thought that he really understands thiswhole issue, but [he does] raise good questions. (Interview 41)

I think M. has no [reputation]. … These people do not show up in referred jour-nals. I made that statement about S. at one point. And his response was that hehad written in Science and I knew about it because my rebuttal was in the samejournal. That’s sort of disingenuous on his part … because he knows that mostpeople don’t know that Science has two parts to it and that the letters aren’t refe-reed. That is established by the fact that they have responses to them.(Interview 16)73

Es gibt auch einige Wissenschaftler, Leute, die früher gute Arbeit geleistet ha-ben, S. zum Beispiel und auch E., die auch mit falschen Argumenten kommen.Die publizieren aber nicht in unseren Zeitschriften. Sie kommen mit ihren Argu-menten nicht durch. Da kann man zwar sagen: Das ist die wissenschaftliche Ma-fia, die diese Leute stoppt – aber es ist einfach zu lächerlich. (Interview 25)

Seit 1985 werden im Auftrag der WMO und der UNEP internationale Be-richte herausgegeben. Sie sind die obligaten Durchgangspunkte sowohl fürdie policy-makers als auch für die Wissenschaftler (zum Begriff obligatorypassage point vgl. Latour [1987]). Kein Wissenschaftler kann es sich lei-sten, diese Institution zu ignorieren. Wer dort nicht teilnimmt, hat keineStimme in der community. (»The skeptics [i.e. the backlash people] don’t goto these meetings«). Die Pointe der Grenzziehungsstrategien ist folgende:Die Vermischung von wissenschaftlichen und politischen Aussagen ist nichtunbedingt unzulässig; es kommt darauf an, ob man als Wissenschaftler aner-kannt ist oder nicht. Wenn es gelingt, die eigene Position als 100 Prozentwissenschaftlich auszuzeichnen, die von konkurrierenden Akteuren aber alsvoreingenommen und unwissenschaftlich, dann kann man mit einem einzi-gen Schritt eine doppelte Operation vollziehen, nämlich die Scheidung zwi-schen Wissenschaftler und Nicht-Wissenschaftler und zwischen legitimer

72 Die für Naturwissenschaftler vorherrschende Publikationsform ist der Artikel in einerpeer-reviewed Fachzeitschrift. Da Buchpublikationen teilweise ohne Gutachterverfahrenerfolgen, sind sie nur lose an den Kernbereich der Forschung gekoppelt. Wissenschaftler,die vorrangig Bücher publizieren, werden nicht ernst genommen.

73 Ob dies generell zutrifft, vermag ich nicht zu beurteilen. Im Fall der bekannten Kontroversezwischen den Entomologen Lloyd und Copeland wurden Kommentare vor der Publikationin Science begutachtet. Zu den Details siehe Chubin /Hackett (1990: 112–121).

Die Wissenschaft 159

und nichtlegitimer Parteinahme. Nach Collins geschieht diese Scheidung inden Kerngruppen der Forschung.

Core sets funnel all of their competing scientists’ ambitions and favoured alli-ances and produce scientifically certified knowledge at the end. These competingambitions and alliances represent the influence or »feedback« from the rest of theweb of concepts and therefore the rest of our social institutions. … The core set»launders« all these »non-scientific« influences and »non-scientific« debatingtactics. It renders them invisible because, when the debate is over, all that is leftis the conclusion that one result was replicable and one was not.(Collins 1985: 143f.)

Vertrauen und Skeptizismus sind zwei Möglichkeiten für Forscher, Eigen-und Fremdergebnisse zu bewerten. Sowohl die Resultate der eigenen Arbeit,als auch die von anderen müssen einem kritischen Test unterworfen werden,bevor man sie als wahr oder falsch, glaubhaft oder unglaubwürdig, wichtigoder unwichtig, aussagekräftig oder nichtssagend einstuft. Die KategorienVertrauen und Skeptizismus sind zwar dichotom strukturiert, werden aber inder Praxis meist graduell verwendet. Wissenschaftler, die sich an der For-schungsfront befinden, können keine absolute Sicherheit über Ergebnissehaben. Sie müssen den Daten, die sie zur Unterstützung ihrer Aussagen her-anziehen, dennoch glauben können. Einigt sich ein Spezialgebiet der For-schung auf bestimmte Methoden, Erklärungsansätze, und Verfahren, sobleibt draußen, wer zu oft oder zu spät mit bestimmten skeptischen Fragenkommt (vgl. Shapin 1994 für einen Versuch, diesen Punkt zu generalisie-ren). Innerhalb der Community scheint ein »Zeitfenster« zu existieren, in-nerhalb dessen es opportun und erwünscht ist, skeptische Fragen zu stellen,die grundsätzliche Fragen berühren.

All of us reacted skeptically when they brought this up there. That’s our job to beskeptics. You have to prove it. (Interview 45)

Doch danach, wenn die Community einen bestimmten Weg eingeschlagenhat, hört sie skeptische Argumente nicht mehr gern. Es erfolgt ein Schlie-ßungsprozeß. Dieser Prozeß scheint seine Dynamik nur unter der Vorausset-zung zu entfalten, daß die Wissenschaftler innerhalb einer Forschergemein-schaft kooperieren. Besteht eine solche Gemeinschaft nicht, so hat der Skep-tizismus eine prinzipiell größere Spielbreite. Vorausgesetzt, die Fachkolle-gen finden einen unglaubwürdigen Beitrag erwähnenswert, ist die offene,skeptische Reaktion wahrscheinlich. Ein etwas verbitterter Teilnehmer derOzonkontroverse, der sich mittlerweile aus dem Geschäft zurückgezogenhat, bestätigt dies:

160 Kapitel 3

Unconsciously, they formed a tribe that has a mutual self-interest in sustainingthe ozone crusade. They do not like to have critical comments made from out-side, it’s understandable, it’s human. (Interview 42)

The scientists formed a community, they were ably led and that was it. They allagreed. Nobody would want to disagree. If you had been at some of those meet-ings you would know it. I will never forget the hostility if you got up and sug-gested anything that was contrary to the message. (Interview 42)

Aus der »Innenansicht« hört sich das so an:

The people who I knew who I would have thrown out of the review process werethe perennial troublemakers. In other words, they were given four chances toshoot it down and they each try, and after four times you say: Do a better job!People should not bring you disproofs that have obvious flaws in them all thetime. (Interview 15)

Wie bei jedem Schließungsprozeß rücken die Insider enger zusammen unddrängen andere hinaus. Der Insider, der eben noch sagte, es sei der Job vonWissenschaftlern, kritisch zu sein, führt aus:

It is certainly true that there is a paradigm in our field as to how things work, andthings which walk outside of that paradigm get a rougher road in reviewing. I canimagine kinds of papers that I could write that would have a hard time. (Interview 45)

Wie wichtig es ist, sich zu einigen, wird klar, wenn man die Probleme sieht,die sich das Forschungsfeld »ausgesucht« hat:

You will always have this problem when you make scientific measurements. It israre that any two different methods will come to the same number. When you arewithin 10 percent, you are pretty good. Now we try to get at 1 percent changes inozone, so there is a lot of fights about what’s more accurate. (Interview 17)

As a director of a lab which has one of the world’s great responsibilities to getgood numbers on global warming, we are viciously critical of things like that inour own models, because everybody is viciously critical of them for the simplereason that they don’t want to change policy on the basis of dubious models andthe draconian implications of greenhouse warming. So if we subjected the ozonemodels to the same rigor as in the greenhouse debate, there is a certain fuzzinessremaining, that is very understandable given the degree of difficulty of the sci-ence. (Interview 11)

Verschiedene Wissenschaftsforscher bemerken, daß in Fällen, in denen ob-jektive oder »wissenschaftliche« Tests der experimentellen Qualität nichtmöglich sind, Wissenschaftler freizügig von nichtwissenschaftlichen Kriterien

Die Wissenschaft 161

Gebrauch machen, wie zum Beispiel Vertrauen in die Aufrichtigkeit des Ex-perimentators, die Größe und das Prestige des Labors, und sogar persönlicheEigenschaften wie Nationalität oder berufliche Gruppenzugehörigkeit (Col-lins 1985; Holton 1994; Shapin 1994).

3.5.1 Vertrauen in fremde Arbeit

Die Entdeckung des Ozonlochs bietet reiches Anschauungsmaterial für dieThese, daß Vertrauen eine Zentralkategorie wissenschaftlichen Arbeitens ist.Nachdem Wissenschaftler des British Antarctic Survey (BAS) ihren Artikelin Nature veröffentlicht hatten, gingen in der internationalen Forscherge-meinschaft, vor allem natürlich in den USA, Fragen um wie: Wer ist dieBAS? Wer ist Farman? Sind diese Messungen verläßlich? Ralph Ciceronewird mit den Worten zitiert:

The BAS is not a household word. At the time, most of us had never heard of it,had no idea whether these people did good work. You couldn’t automaticallygive credence to the work. (zit. in Roan 1989: 129)

Ein anderer Forscher sagte mir im Gespräch, daß er die Daten der BAS an-fänglich für glatte Meßfehler hielt, was viele andere Gesprächspartner be-stätigten.

When I heard about the discovery of the Antarctic ozone hole, I thought it musthave been very bad measurements. (Interview 11)

Die ersten Messungen der BAS waren Ein-Punkt-Messungen, bei denen dieOzonkonzentration von einer Station (Halley Bay) aus gemessen wurde.74

Es war für viele Forscher fraglich, ob auf Basis solcher Messungen dramati-sche Aussagen abgeleitet werden konnten. Immerhin ergaben die Satelliten-instrumente der NASA, die globale Ozonwerte aufzeichneten, zum damali-gen Zeitpunkt keine Bestätigung der BAS-Messungen. Auf einem wissen-schaftlichen Treffen im Juli 1985 in der Schweiz brachte Rowland das Ge-spräch auf Farmans Artikel, doch seine Kollegen waren skeptisch, da keineunabhängige Quelle existierte, die die Daten hätte bestätigen können. Dies

74 Haas’ Behauptung trifft nicht zu, Farman hätte seine Erkenntnisse auf Basis einer Neube-rechnung der Satellitendaten gewonnen: »In mid-1985 … Farman published an article de-scribing a rapid and unexpected thinning of the ozone layer over Antarctica during theAntarctic springtime, based on a recalculation of existing satellite data« (Haas 1993: 157).Farmans Messungen waren vollkommen unabhängig von denen der NASA.

162 Kapitel 3

änderte sich erst, als die NASA ihre Satellitendaten nochmals analysierteund Farmans Ergebnisse bestätigte. Um diesen Prozeß anzustoßen, war esnotwendig, daß die Daten der BAS zumindest eine gewisse Glaubwürdigkeitinnerhalb der Forschergemeinschaft erlangten. Dies geschah durch den Pro-zeß persönlichen Kennenlernens auf einer Konferenz in Hawaii:

With a Xerox copy of the British paper in his briefcase, Rowland left Switzerlandfor Hawaii where he met Brian Gardiner, one of the co-authors of the British pa-per. Rowland was impressed with Gardiner and became completely convinced ofthe validity of the British research. (Roan 1989: 131)

Dies ist in einer Situation hoher Unsicherheit über möglicherweise bevorste-hende entscheidende Veränderungen des Forschungsfeldes eine unschätzbareInformation. Bezeichnend ist, daß ein früher Advokat die Inklusion der BASund ihrer Ergebnisse in die internationale Community betreiben wollte. DerRest der Gemeinschaft reagierte allerdings zögerlich. Auf dem erwähntenTreffen im Sommer 1985 in Les Diableret sah man keinen Anlaß, die Datenernst zu nehmen. Rowland war vermutlich der einzige Wissenschaftler deretablierten Gemeinschaft der Atmosphärenwissenschaftler, der im Sommer1985 von der Glaubwürdigkeit der BAS-Daten überzeugt war.75

I had thought it highly probable going to Les Diablerets that the British AntarcticSurvey report was correct, but from Hawaii on, I was quite convinced that thehigh Antarctic losses were real.76

Entscheidend für die Mehrzahl der Wissenschaftler war die Neuauswertungder NASA-Daten, die eine Bestätigung der BAS-Daten brachte. Diese wur-den am 28. August 1986 in Nature publiziert (Stolarski et al. 1986). DieseNeuauswertung war gleichbedeutend mit einem Gesichtsverlust, der bisheute nicht ganz verwunden scheint. Ein verantwortlicher NASA-Mitarbei-ter schrieb dazu:

Unfortunately, everyone »knows« that NASA did not discover the ozone holebecause the low values were »thrown out by the computer code«. This myth wasthe result of a statement made by one of my colleagues in reply to a questionduring an interview … He was not directly involved in ozone processing at thetime and his answer was not correct.(McPeters, zit. bei Pukelsheim 1990: 541; Hervorh. im Orig.)

75 Damals fanden drei wichtige wissenschaftliche Konferenzen statt. Neben der erwähnten inLes Diableret, die im Juli stattfand, folgte eine auf Hawaii im späten Juli und eine weitereim August in Salzburg.

76 Pers. Mitteilung Rowland.

Die Wissenschaft 163

Bei meiner eigenen Befragung von NASA-Mitarbeitern erhielt ich ebenfallsdie Antwort, wonach ein Computercode die niedrigen Daten unterdrückt ha-be – unter anderem von einem Mitarbeiter, der die Neuauswertung der Datenvornahm (derselbe, auf den im obigen Zitat Bezug genommen wird?). Wiedem auch sei, man kann der Besorgnis der NASA nur zustimmen, daß

the myth that our computer code »threw out the data« is unfortunately very hardto correct without appearing defensive.(McPeters, zit. bei Pukelsheim 1990: 541)

3.5.2 Vertrauen in die eigene Arbeit

Merton hat die Soziologen daran erinnert, daß Selbstvertrauen eine wichtigeVoraussetzung für erfolgreiches wissenschaftliches Arbeiten ist. Er sagt überdie erfolgreichen Wissenschaftler:

Sie verfügen über ein beachtliches Vermögen, Enttäuschungen zu tolerieren undmehrmalige Fehlschläge ohne sichtbaren psychologischen Schaden zu verkraf-ten. (Merton 1985c: 165)

Jeder Wissenschaftler kennt die Unsicherheit, die entsteht, wenn man sich ineinem Vortrag oder einer Publikation zu weit von dem entfernt, was die all-gemein akzeptierte Schulweisheit ist, oder Dinge nicht so recht beweisenkann, von denen man überzeugt ist. »Glauben ist nicht Wissen« – wer erin-nert sich nicht an diese Ermahnung der Lehrer? Damit die Präsentation vonneuen, gegen den bisherigen Wissensstand gerichteten Ergebnissen möglichwird, muß ein Gegengewicht gegen den konservativen schulmeisterlichenDruck geschaffen werden, wofür Vertrauen in die Ergebnisse der eigenenArbeit eine Grundvoraussetzung ist. Ohne dieses Selbstvertrauen ist es nichtmöglich, dem Druck der Umwelt, vor allem der skeptisch gestimmten Fach-kollegen, standzuhalten. Dieser Druck wird um so größer, je zentraler diealte Schulweisheit ist, die man durch neue Erkenntnisse ersetzen möchte.Der Druck wird abermals größer, wenn der Anwendungsbezug der Erkennt-nisse unerwünschte Ergebisse für mächtige Akteure beinhaltet und der »ab-weichende« Forscher aus den akademischen Zirkeln in die breite Öffentlich-keit tritt oder dorthin gedrängt wird. Die chemische Industrie reagierte invielen Fällen scharf auf wissenschaftliche Ergebnisse, die die FCKW zumSündenbock machten, wie in den folgenden beiden Kapiteln zu zeigen seinwird. Die Zugehörigkeit eines Forschers zu einer Gemeinschaft, mit der erdie Ergebnisse seiner Arbeit diskutieren kann, verschafft ihm ebenso eine

164 Kapitel 3

gewisse Rückendeckung wie die Solidarität von Kollegen, die sich ebenfallsder politischen Herausforderung stellen und in der einen oder anderen Formaktiv sind. Prekär wird es, wenn keiner dieser stabilisierenden Faktoren vor-handen ist, wie es anfänglich beim Entdecker des Ozonlochs der Fall gewe-sen zu sein scheint. Diese fehlten schon im innerakademischen Bereich, wodie Unterstützung im Gutachterprozeß nicht gerade enthusiastisch war. EinGutachten hatte den Tenor: »This is quite impossible, but if it is true it isactually quite important, better publish it.« Das andere Gutachten bezwei-felte die Zulässigkeit, das antarktische Phänomen in Zusammenhang mit denFCKW zu bringen.77 Dazu kam, daß ICI, einer der weltgrößten FCKW-Produzenten, den Artikelentwurf bereits vor der Veröffentlichung zugespieltbekommen hatte und Farman unter Druck zu setzen versuchte.

ICI rang me up, they had a copy of the paper long before it was published. AndICI said: You must not publish that, it is not science! And I said: No, it is not sci-ence. But I am going to publish it. It does not prove anything, of course itdoesn’t. How can you prove such things at this stage? I feel that this is the firstreal effect of CFCs. You can see vaguely how it can happen.78

3.5.3 Implizites Wissen

Polanyi stellte vor langer Zeit bereits fest, daß der Konsens darüber, was alsWissenschaft gilt und wer Wissenschaftler ist, durch Wiederholung und Be-stätigung von Experimenten und Ergebnissen hergestellt wird. Damit, soPolanyi, bekräftige man allerdings nur seinen Glauben an den Konsens, ohneeine unabhängige Quelle zur Beurteilung zu besitzen:

But the affirmation of this supposed fact is actually but another manner of ex-pressing our adherence to the consensus in question. For we never do repeat anyappreciable part of the observations of science. And besides, we know perfectlywell that if we tried to do this and failed (as we mostly would), we would quiterightly ascribe our failure to our lack of skill. (Polanyi 1958: 217)

Im Verlauf der FCKW-Kontroverse wurden viele Messungen in Labors undin der Atmosphäre tatsächlich wiederholt. In einigen entscheidenden Fällen

77 Pers. Mitteilung Farman.78 Ähnliches berichtet ein Forscher von einer der US-Eliteuniversitäten, nachdem er sich re-

lativ frühzeitig für FCKW-Regulierungen ausgesprochen hatte: »I think from a personalpoint of view, the seriousness of this issue has not been properly addressed by industry.And I said so … and that created rather an explosive situation between Du Pont and my-self« (Interview 8).

Die Wissenschaft 165

war dies aus verschiedenen Gründen allerdings nicht sofort möglich, so zumBeispiel bei der Entdeckung des Ozonlochs und den Flugzeugmessungen imSeptember 1987 über der Antarktis. Im ersten Fall kam die Überprüfung ei-nige Monate später durch eine andere Meßmethode, im zweiten Fall durchweitere Flüge in späteren Jahren. Die Entdeckung des Ozonlochs mit Hilfevon Dobson-Instrumenten unterstreicht die zentrale Bedeutung von implizi-tem Wissen auch und gerade bei so scheinbar trivialen Tätigkeiten wie demAblesen von Meßwerten an einem Instrument.79 Das Problem der Verläß-lichkeit von Zeitreihen wurde durch die Arbeit des Ozone Trends Panel ex-emplifiziert. Da das OTP und die Standardisierungsprobleme der Dobson-Stationen ausführlich dargestellt wurden, betrachte ich an dieser Stelle le-diglich den Aspekt des impliziten Wissens bei der Bedienung der Dobson-Instrumente.

If you are running a Dobson properly, you are making 100 measurements in or-der to get 5 ozone measurements. All the other ones you are taking is to convinceyourself that there is consistency between all the different methods. The absolutemethod is to look at the sun. But then you also do it on the cloudy sky and vari-ous other things as well. And then you’ve got to convince yourself that all theseother observations are all related back solidly to one thing you are sure of, whichis the sun observation. You just have to work very hard to get your sun observa-tions right. You have to work even harder to go through the whole chain ofweather conditions. Then you have to compare them and find the error bars. Inthe end you can even go out on a cloudy sky and still take a reading and convinceyourself that you know how to relate that to the direct sun reading which youwould have got. (Interview 44)

Die Durchführung von Messungen mit dem Dobson-Instrument ist also keinetriviale Tätigkeit, wie uns ein Spezialist für Dobson-Instrumente schildert.80

Ursprünglich wurden dafür qualifizierte Kräfte eingesetzt, doch nach undnach rutschte die damit verbundene Tätigkeit auf der Prestigeskala immerweiter hinab. Dementsprechend niedrig war die Güte der Daten. SchlechteMessungen aufgrund von Schlampigkeit sind keine Einzelfälle.

79 »The trouble is there are very few people in the world who are able to handle a Dobson.Even Bojkov himself would not have understood what we have done to our data set.(Interview 44).

80 Ein Modellierer bestätigt dies: »The Dobson instrument is an old kind of instrument, it’svery hard to operate and the operator has to be highly trained. And in the seventies peoplewere not that interested in the Dobson network until ozone loss came along. So a lot ofthese stations were not very well calibrated, and the operators were very low trained, sothe data looked real rough« (Interview 17).

166 Kapitel 3

[The Dobson] got pushed down and down the chain of expertise until it has beendone by young people who did not know what the hell they were doing. In L., 10years ago, the man would go out of the hut, switch it on, turn the dial, read thenumber of the dial, pick up the telephone [and] give that number to B. He wouldhave no idea what it meant in terms of ozone himself. Someone in B. would turnit into an ozone value, and sooner or later it would appear in the red books in theworld series. That’s no way to run a system. (Interview 44)

Die Frage für die Wissenschaftler der BAS lautete also: Können wir Ver-trauen in die Daten haben, die wir von unserer Station in der Antaktis be-kommen? Die BAS hatte junge Leute dafür ausgebildet, fern der Heimat inder antarktischen Eiswüste zu sitzen und die Dobson-Geräte zu bedienen.Pro Jahr wechselten jeweils zwei Leute im Dienst der Station. Als von dortEnde der siebziger Jahre Messungen kamen, die nicht ins Bild paßten, be-gann man, nach den Ursachen zu forschen. Waren die Messungen fehlerhaft,so konnte es im wesentlichen nur zwei Ursachen geben: die Techniker oderdie Instrumente.

You make sure your young man does that properly, I mean you are not lookingover his shoulders. Taking the observations yourself would be a different thingbut you’re training young men, you’re sending them 10,000 miles away, youknow they can do silly things from time to time. And eventually you start wor-rying about the instrument itself, they are both fairly old instruments.(Interview 44)

Angesichts dieser Unwägbarkeiten wartete die BAS mit der Veröffentlichungder Daten so lange, bis sie sicher war, keine Fehlmessungen analysiert zu ha-ben.

3.6 Symbolische Aufbereitung

Bemerkenswert ist, daß ein japanisches Forscherteam schon vor der BASabnorme Werte für die Antarktis gefunden und veröffentlicht hatte, aberaufgrund ihrer Isolation von der internationalen Forschergemeinschaft nichtin einer Weise präsentiert hatte, die die Welt aufgerüttelt hätte (Chubachi1984). Sie stellten ihre Daten (eine bescheidene Zeitreihe von elf Monaten)im Sommer 1984 während einer Poster-Session auf einer internationalenwissenschaftlichen Ozonkonferenz in Griechenland vor, also ein Jahr vorFarmans Publikation.

Die Wissenschaft 167

The Japanese were measuring ozone in their station in Antarctica. And theyfound abnormal ozone levels. They reported that in a meeting in Thessaloniki.They had a poster, and you know how people look at posters. Nobody really paidattention. They had abnormal values, so what? (Interview 41)

In gewisser Weise wußten die Japaner nicht um die Brisanz ihrer Messun-gen, da sie die Anomalie eines besonders hohen Ozonwertes im Oktober be-tonten (der auftrat, nachdem die Ozonkonzentration auf 240 DU abgefallenwar). Da die japanischen Forscher nicht mit dem Diskussionsstand derKerngruppe der Atmosphärenwissenschaftler vertraut waren, konnten sie ihreDaten nicht entsprechend aufbereiten. Auch erfolgte die Publikation in einerkaum zugänglichen Quelle. Das »framing« ihrer Ergebnisse verhinderte einegrößere Beachtung. Bei der BAS verhielt es sich anders. Die Mitarbeiter derBAS wußten sehr genau, was im Feld der Ozonforschung vorging. Sie wa-ren sich folglich der Brisanz ihrer Daten bewußt, die sie lange Zeit geheimhielten, um keinen falschen Alarm auszulösen (Roan 1989: 125). FarmansArtikel in Nature enthielt eine sehr suggestive Grafik, die die abnehmendenOzonwerte über der Antarktis zusammen mit der Zunahme der FCKW-Kon-zentration in der südlichen Hemisphäre darstellte (Abbildung 3-7b). Manbeachte den letzten Satz der Legende: FCKW 11 und 12-Konzentrationennehmen in der Grafik nach unten hin zu.

Dies war zwar Anlaß zu kritischen Einwänden im Gutachterprozeß,durfte aber als Spekulation durchgehen, da keine akzeptierte Erklärung desPhänomens vorlag.

Farman made statements, also in the press, that it must be CFCs. These wererather convincing to the public because Farman had this appealing plot whichshows ozone decline and CFC increase in the same graph with an appropriatescaling so that the two match. To the scientists this indicated a possibility that thetwo could be related but the evidence was quite weak at that time.(Interview 38)

Ein anderer Atmosphärenwissenschaftler bemängelt ebenfalls die spekulativeVerknüpfung von Ozon- und FCKW-Konzentration im Zeitreihendiagramm:

… that figure where he suggests a correlation between growth in CFCs and dropin ozone … was scientifically not justified. You may make an equally justifiedplot between the Dow Jones industrial index and the ozone hole. If you havesomething going up and something going down then you can always slide thescales and it will look like a correlation, but there is nothing scientific about it.(Interview 30)

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Der BAS gelang es damit immerhin, die Aufmerksamkeit des Ozonforschungs-feldes, und darüber vermittelt, der Weltöffentlichkeit zu wecken.

Zusammenfassend läßt sich sagen: Ist das Vertrauen in die Güte einerwissenschaftlichen Arbeit vorhanden, so kann es als wichtige Ressource zurBeschleunigung des Diskussionsprozesses dienen. Dies war oft der Fall inder Ozonkontroverse, weil Forschungsergebnisse verfügbar waren, noch be-vor sie in das Pre-print-Stadium gingen, das heißt, bevor sie das Gutachter-verfahren vollständig durchlaufen hatten.

The scientists were much less reticent to discuss their results prior to publication.The publications themselves still went through peer review in the normal way,but most of the active scientists knew what the new results were long before theyappeared in the literature. This … global basis of this interchange was relativelyunusual in the mid-1970s. (Interview 16)

Diese Beispiele zeigen erneut, daß es einen enormen Unterschied macht, obman zur Kerngruppe dazugehört und vom Vertrauen der Kollegen profitie-ren kann, oder ob man ein Außenseiter (oder ein nobody) ist, dessen Ergeb-nisse nicht zur Kenntnis genommen werden. Im Fall der Ozonkontroverse,der diesbezüglich sicher keine Ausnahme darstellt, kam hinzu, daß der Dis-kussionprozeß unter Umgehung formaler Regeln beschleunigt werdenkonnte.

Die folgenden drei Abschnitte widmen sich der Produktion symbolischerRessourcen, die für den Ausgang der Kontroverse entscheidend waren.

3.6.1 Visualisierungen

Neuere wissenschaftssoziologische Arbeiten argumentieren, daß Soziologensich zu lange im Bann der Epistemologen bewegt und rein kognitiven Fakto-ren zu viel Beachtung geschenkt hätten. Sobald man sich die Orte ansehe,wo wissenschaftliche Praxis stattfindet, verschwinde alle Besonderheit wis-senschaftlicher Tätigkeit: »Nothing special is happening in the cognitive andin the social aspect of laboratory practice« (Latour 1983: 161). Aber woherkommt die Stärke und Überzeugungskraft der Wissenschaft dann? Die Ant-wort lautet:

Look at inscription devices! … No matter if people talk about quasars, gross na-tional products, statistics on anthrax epizootic microbes, DNA or subparticlephysics; the only way they can talk and not be undermined by counter-arguments

Die Wissenschaft 171

as plausible as their own statements is if, and only if, they can make the thingsthey say they are talking about easily readable. (ebd.: 161)81

Die Attributionsforschung kommt zu ähnlichen Ergebnissen. In den Wortenvon Vowe sind

Erklärungen und Folgenabschätzungen … davon abhängig, wie leicht eine Ursa-che oder eine Folge erinnert oder vorgestellt und an eine Handlung oder ein Er-eignis angeschlossen werden kann. Die Verfügbarkeit hängt von der Bildhaftig-keit, der Einprägsamkeit, der Aktualität von Referenzfällen und von derPaßfähigkeit zum fraglichen Fall oder Problem ab: je vorstellbarer eine möglicheUrsache, desto plausibler erscheint die Kausalrelation. Je bildhafter ein Szenarioausfällt, desto mehr rückt dieses in den Mittelpunkt der Folgenabschätzung.(Vowe 1994: 431; Hervorh. d. Verf.)

Der vorsprachliche Charakter von Bildern kann, wenn diese »gut« sind,beim Betrachter eine blitzartige Überzeugungsleistung vollbringen, die durchArgumentieren nicht hervorgerufen werden kann. Der Betrachter kann sich»mit einem Blick« von der Stichhaltigkeit einer Aussage überzeugen. In derTat sind bestimmte Diagramme und Visualisierungen von durchschlagenderBedeutung für die Entwickung der FCKW-Ozon-Kontroverse.82

Es ist anzumerken, daß Latour eine raffiniertere Variante vertritt als hierangedeutet. Denn mit der These, die bloße Verwendung von visuellen Mit-teln mache den Unterschied aus, kann man alles und nichts beweisen. Latourfindet nicht alle Erklärungen überzeugend, die auf »inscription« abstellen,sondern nur diejenigen, die uns verstehen helfen, wie die Mobilisierung neu-er Ressourcen erreicht wird: »So, the phenomenon we are dealing with is notinscription per se, but the cascade of ever simplified inscriptions that allowharder facts to be produced at greater cost« (Latour 1990: 40, Hervorh. imOrig.). Diese Kosten entstehen vor allem durch die Notwendigkeit, immerbessere Instrumente zu bauen: »Every time there is a dispute, great pains aretaken to find, or sometimes to invent, a new instrument of visualization,which will enhance the image, accelerate the readings …« (Latour 1990: 39).

81 Der Begriff »inscription device« stammt von Gaston Bachelard, der als einer der erstenWissenschaftshistoriker die Aufmerksamkeit auf die Materialität der wissenschaftlichenPraxis lenkte.

82 Anders als es die soziologische Systemtheorie behauptet, spielen die Investitionen in In-strumente und Forschungsprozesse eine Rolle für den Status der Ergebnisse. Wissenschaft-ler vertrauen Ergebnissen, die von neuen, teuren Instrumenten gemacht werden mehr, alsErgebnissen von billigen, alten Instrumenten. In Kapitel 1 habe ich bereits auf die Ähnlich-keiten zwischen dem Rüstungswettlauf und dem Verlauf wissenschaftlicher Kontroversenhingewiesen.

172 Kapitel 3

3.6.2 »Smoking gun«

Die negative Korrelation zwischen Ozon und Chlormonoxid, die im Augustund Spetember 1987 durch Flüge in den antarktischen Polarwirbel festge-stellt wurde, galt unter den Wissenschaftlern als smoking gun. Dieser Be-griff, der aus dem Wilden Westen zu stammen scheint und während desWatergate-Skandals breite Verwendung fand, bezeichnet ein starkes Indiz ineinem Strafverfahren, ohne jedoch den direkten Schuldbeweis darzustellen.Es ist etwas, das sehr wahrscheinlich als Ursache in Frage kommt, wennman es genauer untersucht. Während der Watergate-Affäre waren die gehei-men Tonbandaufzeichnungen ein starkes Indiz dafür, daß Präsident Nixondie Unwahrheit gesagt hatte (Webster’s datiert den Begriff denn auch auf1974). Die von mir befragten amerikanischen Wissenschaftler verwendeteneinhellig diesen Ausdruck für ein bestimmtes wissenschaftliches Ergebnis,nämlich für die erwähnten Messungen, die durch Jim Anderson und seinTeam vom Flugzeug ER-2 aus gemacht wurden (Abbildung 3-8). Die Veröf-fentlichung der Daten (Anderson et al. 1989: 11479) enthält folgende Zu-sammenfassung:

While the existence of anticorrelation between two variables does not itself provea causal relation, we present a case here for the observed evolution of a systemfrom (1) an initial condition exhibiting dramatically enhanced (x500) ClO mix-ing ratios … to (2) a situation in which the dramatic increase in ClO recorded onsurfaces of fixed potential temperatures was spatially coincident with a precipi-tous decrease in ozone mixing ratio.

Anderson et al. ziehen aus dem Vorliegen der negativen Korrelation und derTatsache, daß die kinetischen Reaktionen in Übereinstimmung mit den Er-wartungen liegen, den Schluß, daß FCKW die Ozonzerstörung verursachthaben. Bemerkenswert ist, daß kein einziges Mal der Begriff Beweis (proof)verwendet wird; die Autoren sprechen davon, ein Argument (case) zu prä-sentieren:

When taken with an analysis of the kinetics of ozone destruction by halogenradicals, this constitutes the case linking … chlorofluorcarbons at the surface[,]to the destruction of ozone within the Antarctic polar vortex. (ebd.)

Dies deutet darauf hin, daß die Wissenschaftler sich der Tatsache bewußtwaren, daß sie keinen endgültigen Beweis für ihre Vermutung liefern kön-nen, wonach es das aus FCKW freigesetzte Chlor ist, das allein für dieOzonzerstörung in Frage kommt. Mittlerweile gilt die smoking gun freilichin diesem Fall ebenso als Beweis, wie es im Falle von Nixons politischem

Die Wissenschaft 173

Schicksal geschah. Je älter wissenschaftliche Ergebnisse, desto solider er-scheinen sie uns (Collins 1985: 145, fn 15). Hier ist ein interessanter Dua-lismus in der Bewertung von Indizien bei den befragten Wissenschaftlern zubeobachten. Fragt man sie nach dem Status ihrer Ergebnisse, so sind sie ge-nerell sehr vorsichtig, den Begriff Beweis zu verwenden. Drei Gesprächs-auszüge verdeutlichen dies:

Getting absolute proof is nearly impossible. But we do have a … list of levels ofwhat’s known … what we know less, what’s plausible, and what isn’t and whatwe eliminate. That’s really where the state of the science is. That is probably thebest we can ever do, we can just change what’s in what portion of that list. Butwe can never get an absolute proof. The atmosphere is too large and too complex. (Interview 47)

174 Kapitel 3

In the environmental sciences there is no proof in a mathematician’s sense. Theword proof to me does largely reside in mathematics or logic where it either is orit isn’t. In the experimental sciences and certainly the environmental sciences,you build only a stronger and stronger circumstantial case. The reason is youcannot measure everything everywhere in an environmental issue. But you try tobe clever enough to build, to measure, to theorize and test in what you believe tobe the crucial places. (Interview 46)

Is it a proof or an established fact? I would say that most of the stuff we dealwith it is hard to think of as a proof because how can you rule out all of thecauses? (Interview 15)

Wie gesehen, vermied man den Begriff Beweis auch im Falle der Flugzeug-messungen. Im Lauf der Jahre haben sie allerdings den Rang von Beweisenerlangt, wie folgende Interviewäußerungen deutlich machen:

Once we had observed through Jim Anderson that ClO was in the stratosphere,that again said, boy, now we’ve actually got the proof that there is the radical[ClO] that the model predicts destroys ozone. (Interview 39)

The consensus at the moment is that there is a link to CFCs. It is a proof. Theozone hole is so important because elsewhere the ozone decline could be attrib-uted to CFCs but the evidence is not strong. You could take the devil’s advocaterole and say: It could be caused by something else. (Interview 38)

3.6.3 Die Erfindung des Ozonlochs

Hatten Joe Farman und seine Mitarbeiter das Ozonloch entdeckt, so hatSherry Rowland es erfunden. Farman berichtete von abnormalen saisonalenOzonwerten über einer bestimmten Meßstation. Er verwendete keine Meta-pher und auch nicht den Begriff Ozonloch. Eine solche Metaphernwahl botsich auch überhaupt nicht an, da er eine Zeitreihe an einem geographischenPunkt darstellte und in einem Strichdiagramm illustrierte (Abbildung 3-7).Der Titel der Publikation lautete: »Large losses of total ozone in Antarcticareveal seasonal ClOx/NOx Interaction.« Die Metapher bot sich erst an, alsdie abnorm niedrigen Werte über der Antarktis auf andere Weise graphischdargestellt wurden, als Farman selbst es getan hatte. Don Heath, der dasTOMS-Meßgerät für den NIMBUS-Satelliten gebaut hatte, zeigte 1985 aufeinem Treffen in Salzburg seine Auswertung der globalen Satellitendatenvon 1979 und 1983. Dazu benutzte er farbige Dias – diese zeigten globaleOzonwerte über der südlichen Hemisphäre, das heißt die niedrigen Werte

Die Wissenschaft 175

über der Antarktis im Kontext. Dadurch ergab sich überhaupt erst die Mög-lichkeit, ein »Loch« zu sehen (Abbildung 3-9).

Rowland verwendete Heaths Bilder, die er auf der Salzburg-Tagung ge-sehen hatte und die ihm von Heath überlassen worden waren, auf einemVortrag Anfang November an der Universität von Maryland. Dabei be-schrieb er das Phänomen zum ersten Mal als »Ozonloch«. Vor dem Seminarverschickte er eine Presseerklärung und telefonierte mit Walter Sullivan vonder New York Times. Die New York Times brachte am 7. November einenArtikel, in dem der Begriff »hole« vorkam und der eine Illustration ähnlichder in Abbildung 3-9 gezeigten enthielt. Die Studentenzeitung der Universi-tät von Maryland berichtete am 8. November 1985 unter der Überschrift:»Scientist warns about ›hole‹ in ozone layer.« Darin wird Rowland mit denWorten zitiert, man habe zehn Jahre vergeudet, um das FCKW-Problem zulösen: »We’ve used up our margin of safety and we’ve used it up frivolous-ly.« Er verlangte eine sofortige Abschaffung aller FCKW mit Ausnahme vonmedizinischen Anwendungen in den USA und weltweit.

176 Kapitel 3

In wissenschaftlichen Publikationen dauerte es länger, bis der Begriff ak-zeptabel wurde. Noch der Artikel von Stolarski et al. 1986 (die erste offizi-elle Bestätigung der Daten von Farman et al.) mußte unter einem anderenTitel erscheinen (»Nimbus 7 satellite measurements of the springtime Antarc-tic ozone decrease«, Nature, Vol. 322, 28.8.1986), obwohl der Begriff Ozon-loch in der Öffentlichkeit bereits geläufig war.

When we submitted the first data on that 86 Nature paper, we used the termOzone Hole in the title and one of the referees objected to it. So we changed it. Itis one of those terms where all the scientists said: Gee, this is not a very goodterm, but once it had been said, it was inevitable. It was such a simple descrip-tion, it’s a code word that means that phenomenon down there.83

Doch schon kurz nach Stolarskis Veröffentlichung brachten Crutzen undArnold ihre Erklärung des Ozonlochs in Nature heraus, wobei der Begriff»ozone hole« im Titel erwähnt wurde (Crutzen/Arnold 1986). Dennochdauerte es einige Zeit, bis der Begriff bei der Gemeinde der Atmosphären-wissenschaftler salonfähig wird. Dies kann man durch die unterschiedlicheHäufigkeit des Begriffs in Editorials, Briefen und Notizen gegenüber reinenForschungsergebnissen ersehen. 1986 bis 1987 gab es sehr wenige Artikel(Forschungsergebnisse), aber relativ viele Editorials und Briefe. Ab 1990kehrt sich die Relation um. Dies deutet darauf hin, daß die Fachgutachterden Begriff nur zögerlich zuließen, während die Redakteure und Herausge-ber darin kein Problem sahen (Abbildung 3-10).

Erst um 1988 ist der Begriff innerakademisch salonfähig geworden: Su-san Solomon veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift »The My-stery of the Antarctic Ozone ›Hole‹« (Solomon 1988; vgl. Goss-Levi 1988).

Die symbolische Bedeutung des Begriffs kann durch eine Analyse dessemantischen Feldes erschlossen werden, in dem er sich befindet. Seit Be-ginn der Kontroverse im Jahr 1974 hatte sich in der Öffentlichkeit die Meta-pher von der »schützenden Ozonhülle« etabliert. Wie jede Metapher ist auchdiese Begriff und bildhafter Vergleich. In diesem Fall wurde das Bild desGlobus entworfen, dessen äußerste Schutzhülle die Ozonschicht darstellt, dieverletzt werden kann. Das Ausmaß der Verletzung war strittig, wurde vonbeiden Parteien der Kontroverse aber als ein Ausdünnen und nicht als kom-plettes Verschwinden verstanden. Es war das Bild eines Gewebes, das faden-scheinig wird. Die Kontrahenten vertraten unterschiedliche Meinungen dar-über, welchen Grad an Fadenscheinigkeit wir uns leisten können. Da derKauf eines neuen Schutzkleides jedenfalls nicht möglich war, gab es nur die

83 Pers. Mitteilung Stolarski.

Die Wissenschaft 177

Optionen, mehr oder weniger zu flicken. Rowlands begriffliche Innovationbedeutet einen Metaphernwechsel, der einer Revolutionierung der Wahr-nehmung gleichkommt. Das Bild des Lochs evoziert das Bild eines Ballons,der platzt oder eines Balls, der seine Luft verliert.84 Die erheblich verkürztenzeitlichen Dimensionen sorgen für die Dramatik, die sich mit dieser Meta-pher fassen läßt: Es handelt sich nicht mehr um einen Ozonschwund von 10oder 20 Prozent in hundert Jahren, sondern um einen Ozonschwund von 50Prozent jetzt. Dieser plötzliche Schwund findet zwar nur an einer Stelle aufdem Planeten statt, es könnte aber sein, daß er nur ein Vorspiel zu einemglobalen Ozonschwund ist. Die Metapher ruft die bange Frage hervor, obsich dieses Loch in den kommenden Jahren auf den gesamten Planeten aus-dehnen wird – so wie eine kleine Wunde in einem Organismus sich immerweiter frißt.

84 Der Spiegel (49 /1987) entwarf das Bild vom »Leck im Raumschiff Erde« und beschworden »Ozonfraß« (7 /1992).

178 Kapitel 3

3.7 Der »backlash«

Seit Anfang der neunziger Jahre gibt es eine Gegenströmung, die die domi-nante wissenschaftliche Sicht angreift. Ihre Hauptthesen lassen sich wiefolgt benennen (ich folge im wesentlichen Taubes [1993]):

– Natürliche Ursachen des Ozonabbaus sind wesentlich bedeutender alsanthropogene Ursachen. Dies sind insbesondere Chloremissionen vonVulkanen, das Verbrennen von Biomasse und Meersalz.

– FCKW sind schwerer als Luft und können deshalb nicht in die Strato-sphäre aufsteigen.

– Die natürliche Schwankung der Ozonschicht ist so stark, daß kein signifi-kanter Trend abgelesen werden kann.

– Die wissenschaftliche Community der Atmosphärenforscher hat in derDarstellung der Gefahren maßlos übertrieben, um Forschungsgelder ein-zutreiben.

Wie oben ausgeführt wurde, hat der enorme Erkenntnisfortschritt auf demGebiet der Atmosphärenwissenschaften und die Herausbildung einer inter-disziplinären Forschergemeinschaft zu einer relativen Ablösung vom Main-stream der Chemie und Meteorologie geführt. Zudem hat die institutionelleForm des Politiknetzwerkes dazu geführt, daß bestimmte wissenschaftlicheEinschätzungen, auf denen Regulierungen basieren, als »ausgemauschelt«erscheinen, die Wissenschaft also Fakten »konstruiert« habe.85 Vor allemEPA und NASA werden einer diesbezüglichen Verschwörung bezichtigt.Prominente Wissenschaftler aus diesen (und anderen Disziplinen) bestreitenErkenntnisse des Forschungsfeldes, unter ihnen der frühere Präsident derNAS, Frederick Seitz.86

85 Der Wissenschaftssoziologe H.M. Collins hat überzeugend dargelegt, daß soziale Mecha-nismen, die bei der Schließung von wissenschaftlichen Kontroversen auftreten, die Ergeb-nisse nicht unwissenschaftlich machen: »Some ›non-scientific‹ tactics must be employedbecause the resources of experiment alone are insufficient … Nevertheless, the outcome ofthese negotiations, that is, certified knowledge, is in every way ›proper scientific knowl-edge‹. It is replicable knowledge. Once the controversy is concluded, this knowledge isseen to have been generated by a procedure which embodies all the methodological prop-erties of science. To look for something better is to grasp a shadow. Scientists do not actdishonourably when they engage in the debates of typical core sets; there is nothing elsefor them to do if a debate is ever to be settled and if new knowledge is ever to emergefrom the dispute. There is no realm of ideal scientific behavior. Such a realm – the canoni-cal model of science – exists only in our imaginations« (Collins 1985: 143).

86 »Frederick Seitz, from The George Marshall Institute, says: ›The question should be em-phasized that … Freon gas is much heavier than air.‹ [Dies soll zeigen, daß FCKW nicht in

Die Wissenschaft 179

Doch es gibt auch einen »außerwissenschaftlichen« Grund für diese Kri-tik. Ein Teil der oben genannten Autoren, sozusagen der »populistische«Teil dieser Strömung, attackiert ausgerechnet die Bestandteile der herrschen-den Theorie, die am besten etabliert scheinen: die Tatsache, daß FCKW indie Stratosphäre aufsteigen und daß ihr Ozonzerstörungspotential im Ver-gleich zu natürlichen Quellen wesentlich bedeutender ist.87 Beide Bestand-teile sind durch Beobachtungen (Feldexperimente) bewiesen. ObwohlFCKW-Moleküle circa fünfmal so schwer sind wie Luft, kommt es in derAtmosphäre zu einer Durchmischung aller Gase, unabhängig von ihrem spe-zifischen Gewicht.88 Da Lovelock bereits 1970 FCKW in der Atmosphärenachgewiesen hatte, wußten die Atmosphärenwissenschaftler, daß die Stoffeauch in die Stratosphäre aufsteigen würden. 1975 bestätigten Ballon- undFlugzeugmessungen diesen Befund. Seitdem sind Tausende solcher Messun-gen durchgeführt worden, die keinen Zweifel an der Tatsache lassen, daßFCKW und ihre Abbauprodukte in der Stratosphäre vorhanden sind.

Die zweite Behauptung der populistischen Gegenströmung beruht auf derThese, daß Vulkane sehr viel mehr aktives Chlor in die Stratosphäre bringenals FCKW. Das Argument geht folgendermaßen: In einem Artikel, der 1980in Science erschien, findet sich die Berechnung eines Vulkanologen, daß derMount Augustine bei einem Ausbruch im Jahr 1976 circa 175.000 TonnenSalzsäure emittiert hatte. Der Autor schätzte, daß bei einem Ausbruch desBishop Tuff in Kalifornien vor 700.000 Jahren 289 Mio. Tonnent HCl ent-wichen sein könnten, wodurch 570mal so viel Chlor in die Atmosphäre ge-langt sei wie durch die FCKW-Weltproduktion von 1975. Ray/Guzzo(1990) wenden diese Zahl auf den Mount Augustine Ausbruch von 1976 an;Limbaugh geht noch einen Schritt weiter und verwendet für den Ausbruch

die Stratosphäre gelangen; Anmkg. d. Verf.] He is the former president of the NationalAcademy of Sciences. It sounds as though he should know something about it, but hedoesn’t« (Interview 16).

87 Singer und Elsaesser stellen diese grundsätzlichen physikalischen Bestandteile des gegen-wärtigen Konsenses nicht in Frage. Singer tat dies noch 1989, aber nicht mehr anläßlicheiner Umfrage der Science-Redaktion im Frühjahr 1993. Elsaesser hält das Problemschlicht für nichtexistent. Seit den siebziger Jahren äußert er die Ansicht, daß in bezug aufvermehrte UV-Strahlung ein Prozent Abnahme der Ozonschicht einer Ortsveränderungvon 25 Kilometern in Richtung Äquator entspreche (Elsaesser 1994: 44; vgl. Dotto /Schiff1978: 283).

88 »Das ist natürlich ein gängiges Bild bei den Chemikern, weil die irgendwann in der physi-kalischen Chemie die diffusive Entmischung der Atmosphäre kriegen, die barometrischeHöhenstufung für die Moleküle. Danach dürfte das Zeug auch nicht hochkommen, derWitz ist aber, daß die Atmosphäre turbulent durchmischt ist, so daß die diffusive Entmi-schung erst ab 110 Kilometern Höhe eintritt (Interview 26; vgl. Rowland 1993; WMO1994, xxv-xxxiv).

180 Kapitel 3

des Pinatubo 1991 ähnliche Zahlen (Taubes 1993: 1582). Gleichgültig, obhier Fahrlässigkeit oder bewußte Fälschung vorliegt (Limbaugh ist TV-Talk-master und kein Wissenschaftler): Die Atmosphärenwissenschaftler des Kern-bereichs der Forschung sind sich einig, daß Vulkane mengenmäßig sehr vielgeringere Beträge an Chlor in die Stratosphäre bringen. Vulkane spielenauch deshalb eine unbedeutende Rolle, weil Salzsäure durch Regen aus derAtmosphäre ausgewaschen wird (das gleiche gilt für Kochsalz aus Meeres-gischt, nicht jedoch für FCKW, die wasserunlöslich sind, vgl. Rowland1993; Taubes 1993).

Die Vermutung liegt nahe, daß es der revisionistischen Gegenströmungnicht um eine wissenschaftliche Diskussion zu tun ist, sondern in erster Linieum eine politische Kampagne. Adressat dieser Argumente sind nicht Wis-senschaftler, sondern die Öffentlichkeit. Mit anderen Worten: Der Backlashist kein innerwissenschaftliches, sondern vor allem ein politisches Phäno-men. Die revisionistische Strömung versucht, eine Stimmung in der Öffent-lichkeit ausnutzen, die die bestehenden Umweltregulierungen als übertriebenund zu teuer empfindet. Diese öffentliche Stimmung ist sowohl in den Me-dien als auch in der Bevölkerung verbreitet, wie zahlreiche Befunde bele-gen.89

Verbindet sich diese Stimmung mit wissenschaftlichen (oder scheinbarwissenschaftlichen) Argumenten, dann entsteht ein Legitimationsproblemfür die Politik. Die wissenschaftlichen Argumente können von Laien kaumje nachvollzogen werden. Doch selbst wenn sie es könnten, wollen sie invielen Fällen nicht glauben, daß das in Frage stehende Problem existiert:»You just do not have the time to read everything that you should. Some ofthis backlash is not necessarily malicious. People want to believe that thereis no problem« (Interview 5). Laien sind hier nicht nur Leute außerhalb derWissenschaft, sondern auch Wissenschaftler außerhalb des Kernbereichs derForschung, die sich nicht die Mühe machen, die Details im einzelnen nach-

89 Im US-Kongreß gab es darüber eine scharfe Kontroverse, vgl. Brown (1996), verfügbarunter http: / /www.house.gov/science_democrats /envrpt96.htm. Der Tindall Report fandbei einer Analyse der US-Fernsehnachrichten einen Rückgang in der Berichterstattungüber Umweltprobleme von 1989 bis 1993 um 60 Prozent. Kevin Carmody (1995) unter-suchte die Printmedien und kam zum Ergebnis, daß seit dem Earth Day von 1990 eine ver-stärkte Abwendung von Umweltthemen stattfindet, gerade auch in seriösen Blättern wiedem Economist, dem New Yorker, dem Wall Street Journal, der Los Angeles Times, undauch der New York Times. Vielsagende Überschriften lauten: »Are we Scaring Ourselvesto Death?«, »Living Scared: Why Do the Media Make Life Seem So Risky?«, »Environ-mentalists are on the run: Business leaders, local officials, and angry citizens are de-manding an end to rules based on silly science and bad economics.«

Die Wissenschaft 181

zuvollziehen. Dominantes Motiv bei ihnen ist der Glaube, man habe beivielen Umweltproblemen der Vergangenheit überreagiert. Dies wird deutlichin einer Ad-hoc-Umfrage der Science-Redaktion unter Wissenschaftlern, dievon Maduro/Schauerhammers Buch beeindruckt waren und sich einer Peti-tion anschlossen, die eine Revision des Montrealer Protokolls fordert. Symp-tomatisch ist folgende Aussage eines Wissenschaftlers: »I’m one of thosepeople who are opposed to getting scared about imaginary problems. I thinkthe ozone hole and global heating are nonsense« (zit. bei Taubes 1993:1581).90

Ein kurzer Blick in das Buch The Holes in the Ozone Scare von Maduro/Schauerhammer zeigt den spezifischen Charakter der Argumentation. Nebenden »Beweisen«, daß FCKW nicht in die Stratosphäre aufsteigen, stattdessennatürliche Quellen das Chlor in die Stratosphäre bringen, findet man eineverblüffende Unvertrautheit mit dem Kenntnisstand der Atmosphärenwis-senschaft. Es wird beispielsweise behauptet, die Lebenszeit von FCKW (75bis 120 Jahre) sei immer noch kontrovers; es habe schon in früheren Zeitenein Ozonloch gegeben; das weltweite Verbot von FCKW führe in den Ent-wicklungsländern zum Tod von Millionen Menschen. Die politische Rheto-rik des Buchs ist bizarr: Es ist die Rede von einer »grünen Gestapo«91, voneiner Verschwörung neo-malthusianischer Wissenschaftler, verantwortungs-loser Firmen (Du Pont) und europäischer Aristokratie. Ihnen wird Heiden-tum und Satanismus vorgeworfen, als geistige Urheber werden James Love-lock und Margaret Mead genannt. Das Buch endet mit einer Beschreibungvon technologischen Großprojekten, die die Armut aus der Welt schaffensollen (Maduro/Schauerhammer 1992: 104, 120, 185, 267).

90 Ein Wissenschaftler beschrieb die dahinter stehende Orientierung wie folgt: »There issomething about the rewards for those people. It does not lie with the science but withbeing skeptics of the science. … It is [their] lifestyle. And there is a political agenda un-derneath of it. [In their view] industry needs being promoted and humans can’t really ef-fect the environment, you know. Dixie Lee Ray told me in person that she did not believethat there was any way that humans can affect the environment« (Interview 47).

91 Auf Seite 271 heißt es: »Today many leaders of Germany’s Green Party are former mem-bers or admirers of Hitler’s SS.«

182 Kapitel 3

3.8 Fazit

Die Ozonforschung ist ein relativ junges Forschungsfeld, das sich in denletzten beiden Jahrzehnten schnell entwickelt hat. Dabei ist eine Tendenz zurInterdisziplinarität und Internationalisierung festzustellen. Während die In-terdisziplinarität in Gestalt von vielseitigen Forscherpersönlichkeiten undForschergruppen weitgehend von unten gewachsen ist, wurde die Internatio-nalisierung von oben initiiert und in Form von WMO-Gremien institutiona-lisiert.

Wissenschaftler auf diesem politisierten Feld haben eine doppelte Motiva-tionsquelle für ihre Arbeit: Eigennutz und Normen. Die Eigennutzorientie-rung führt zu Profilierungsbestrebungen und Prioritätskonflikten, die norma-tive Orientierung veranlaßt manche Wissenschaftler, »etwas für den Erhaltder Ozonschicht zu tun« (beziehungsweise gegen übertriebene Warnungenanzugehen). Eigenutzorientierung und normative Ziele können, müssen abernicht in Widerspruch zueinander geraten. Sie können dazu beitragen, daßWissenschaftler ein Langzeitengagement entwickeln, das bei anderen gesell-schaftlichen Akteuren (vor allem Politikern) nicht vorhanden ist. WerdenEigennutz und normative Orientierung kombiniert, so müssen engagierteWissenschaftler ständig um die Glaubwürdigkeit ihrer Ergebnisse kämpfen,da sie in hybride Arrangements und Aktivitäten verwickelt sind und nichtnur mit den ethischen Maßstäben der »reinen« akademischen Wissenschaftgemessen werden können.

Postulierte die »alte«, funktionalistische Wissenschaftssoziologie vierNormen, die die Wissenschaft von jedem anderen Sozialsystem abgrenze(nach Merton: organisierter Skeptizismus, Unvoreingenommenheit, Univer-salismus und Kommunismus) – so kann man beobachten, daß diese Normenim Zeitverlauf einer Kontroverse abgeschwächt werden. Nachdem sich dasFeld auf eine bestimmte Erklärung eingeschossen hat

– werden Skeptiker als Außenseiter behandelt;– ist man voreingenommen gegenüber anderen Befunden;– veröffentlicht man nicht alle Ergebnisse der eigenen Forschung in der

Literatur;– und kämpft mit teilweise unsauberen Mitteln um Prioritätsansprüche.

Doch auch die »neuere« wissenschaftssoziologische Forschung wird durchdie Ergebnisse dieses Kapitels berührt. Der starke Konstruktivismus er-scheint dabei wenig plausibel. Dieser behauptet, daß sich immer eine andereTheorie finden ließe, um einen Datensatz zu erklären und immer ein anderer

Die Wissenschaft 183

Datensatz, um eine Theorie zu widerlegen (Barnes 1990). Bei Etablierten/Außenseiter-Konstellationen gibt es im Zeitverlauf meist eine Stabilisierungeiner Theorie mit einem Datensatz.

Im Gegensatz zu Merton spielt das wissenschaftliche Ethos eine geringereRolle und im Gegensatz zur starken Fassung des Sozialkonstruktivismus be-obachtet man über die Zeit hinweg Schließungsprozesse von wissenschaftli-chen Kontroversen, die einer Seite einen dauerhaften Vorteil bescheren. Imvorliegenden Fall wurden wissenschaftliche Kontroversen durch hoch-rangige Urteile, durch Standardisierung und entscheidende Experimente ge-schlossen.

Engagierte Wissenschaftler spielen eine gesellschaftspolitische Rolle, in-sofern sie öffentlich Stellung beziehen, von Politikern und Spezialgremienum Rat gefragt und von den Massenmedien als Anlaufstelle für Expertisebenutzt werden. Nicht immer deckt sich die so erzielte Prominenz mit der(innerwissenschaftlichen) Reputation: es gibt immer hoch reputierte Wissen-schaftler, die sich nicht in die öffentliche Auseinandersetzung begeben. DerDruck, dies doch zu tun, wird um so stärker, je schärfer die Kontroverse sichgestaltet.

Das funktionalistische Argument, wonach Wissenschaftler prinzipiell aneinem Strang mit der Industrie zögen, weil sie am leichtesten an For-schungsgelder kommen können, wenn das Problem nicht gelöst wird (»Werdas Feuer studiert, darf es nicht löschen wollen«, Clausen/Dombrowski1984) muß zurückgewiesen werden. Die Empirie spricht dagegen: Das Ab-weichen zumindest einzelner Wissenschaftler von diesem »funktionalisti-schen Gleichgewichtspfad« ist eine krititsche Variable. Eigeninteresse undnormative Orientierungen sind die Triebkräfte für ein solches Abweichen:Jeder Wissenschaftler hat einen Anreiz, sich durch innovative Ergebnissevom Rest der Zunft abzusetzen, und manchem liegt darüber hinaus die Lö-sung des Problems am Herzen.92

Engagierte Wissenschaftler haben eine wichtige gesellschaftspolitischeRolle gespielt, die sie nur aufgäben, sähen sie in der Stratosphäre einen nega-tiven feedback loop. Denn dies hieße, daß die Natur gegen anthropogeneEingriffe, vor allem gegen FCKW robust ist, und daß die Verletzlichkeit derErdatmosphäre durch menschliche Eingriffe keine reale Möglichkeit dar-

92 Neben der Tastache, daß es Wissenschaftler gibt, die sich als Sprecher von öffentlichenInteressen begreifen (und also das »Feuer löschen« wollen), sind andere Akteure (vor al-lem konkurrierende Forscherteams, die Medien und darüber vermittelt potentielle Finanz-geber) über diese Anreizstruktur ebenfalls informiert, wodurch eine rein interessenbasierteStrategie Gefahr läuft, sich selbst zu unterminieren.

184 Kapitel 3

stellt. In diesem Fall erübrigten sich Regulierungen, die Wissenschaftlerkönnten wieder an ihren angestammten Platz zurückkehren und die saubereTrennung zwischen Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit wiederherstel-len. Sie stehen freilich vor dem Problem, ihre tatsächlich gespielte Rolle mitden gesellschaftlichen Zuschreibungen (dem »Ideal der Wissenschaft«) zuvereinbaren. Da Wissenschaftler keine Experten auf dem Gebiet der Politiksind, sollen sie sich davon fernhalten und nur wissenschaftliche Fakten be-richten. Durch zu starkes öffentliches Enagement leidet die wissenschaftli-che Glaubwürdigkeit. Im Bewußtsein dieser normativen Imperative rationa-lisieren die Wissenschaftler ihre Praxis in kognitiven Termini. Sie stellenden Konsens über rein wissenschaftliche Fragen heraus und betonen, daß esohne wissenschaftliche Erkenntnisse keine Parteinahme ihrerseits gegebenhätte. Diese Purifizierungsstrategien sind die notwendige Kehrseite einesHybridisierungsprozesses.

Kapitel 4

Die Kontroverse der siebziger Jahre

Der Ländervergleich in diesem Zeitraum ist vor allem deshalb interessant,weil zwei entwickelte Industriestaaten, die beide große Produzenten undKonsumenten von FCKW waren, völlig unterschiedlich auf das Problem derOzonschicht reagierten. In beiden Ländern gab es einen dominierendenFCKW-Hersteller, auf den die Analyse fokussiert wird: Du Pont und Hoechst.

Man überlegte sich in beiden Ländern mögliche Reaktionen auf das Pro-blem; man wog hier wie dort Nutzen und Kosten von Regulierungen ab. Diewissenschaftlichen Sachverhalte waren, mit einer zeitlichen Verzögerung, inDeutschland ebenso bekannt wie in den USA. Die Unterschiede waren drei-facher Art: Erstens wurden Umweltfragen in den USA früher als in der Bun-desrepublik thematisiert, zweitens erfolgte die Ozonforschung in den USAfrüher und in größerem Umfang. Deutschland überließ den USA die Füh-rung auf wissenschaftlichem Gebiet, ging aber auf ökonomischem und poli-tischem Gebiet eigene Wege. Schließlich war die Kontroverse milder inDeutschland, und die Maßnahmen gemäßigter.

Die Regulierungsallianz in den USA gewann in einem selbstverstärken-den Prozeß immer mehr an Boden. Dieser Prozeß spielte sich in der Grauzo-

It is inevitable that [CFCs] released to the atmos-phere do destroy stratospheric ozone … It would beimprudent to accept increasing [CFC] use, either inthe United States or worldwide.

US National Academy of Sciences, 1976

Mehr als 95 Prozent aller Hautkrebserkrankungensind leicht, wirksam und relativ billig ambulant zubehandeln.

Hoechst AG, 1977

186 Kapitel 4

ne zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit ab. Ein rein wissen-schaftlicher Beweis für die Molina-Rowland-Hypothese (einschließlich ihrerökologischen Prophezeihungen) konnte nicht erbracht, es konnten nur Evi-denzen geschaffen werden, und es gab einen Ermessensspielraum in bezugauf die daraus abzuleitenden Maßnahmen (dieser nimmt für die Politik dieForm eines Entscheidungsdilemmas an, vgl. Kapitel 1). Der Erfolg der Re-gulierungsallianz in den USA war eindeutig ihrer Fähigkeit geschuldet, mehrals rein innerwissenschaftliche Ressourcen mobilisieren zu können. Ihr ge-lang eine Problemdefinition und die Entfaltung einer Dynamik in einer be-stimmten Richtung. Sie betonte immer wieder, daß man bei bestehender Un-sicherheit nicht bis zur endgültigen Klärung der wissenschaftlichen Fragenwarten kann, da sich das Problem aufgrund der brisanten zeitlichen Dimen-sionen von Jahr zu Jahr verschlimmert, mithin der sicht- und meßbare Scha-denseintritt schon die Katastrophe sein kann. Damit wurde der Vorsorge-gedanke teils in wissenschaftlicher, teils in politischer, teils in alltagsweltli-cher Fassung formuliert.

Bemerkenswert ist die Tatsache, daß diese Problemdefinition so domi-nant war, daß sie die ökonomischen Argumente der Gegenseite schnell über-tönte. In beiden Ländern gab es vor allem zwei ökonomische Argumente: Ar-beitsplatzverluste und mangelnde Ersatzstoffe. Die US-Regulierungs-behörden sind in den siebziger Jahren der Ansicht, beide seien vernachlässig-bare Größen im Vergleich zu den möglichen ökologischen Gefahren. Dieabsoluten Zahlen für die durch Produktionsumstellung bedrohten Arbeits-plätze sind relativ niedrig, und alternative Treibmittel sind zumindest teil-weise verfügbar.1 In der Bundesrepublik gelingt es der Industrie, die ökono-mischen Konsequenzen zu dramatisieren. Die deutschen FCKW-Herstellerhatten sich hochrechnen lassen, daß es 2.000 bis 5.000 Arbeitslose gebenkönnte, wenn man die Produktion einstelle. »Und das waren damals so irr-sinnig hohe Zahlen, das kann man sich heute kaum noch vorstellen. Das warsozusagen wie: es brach das Wirtschaftswunder ab« (Interview 52).

In Deutschland fehlten versierte und lautstarke Sprecher einer Pro-Regu-lierungsallianz, wie sie in den USA vorhanden waren. Mit Ausnahme vonwenigen Journalisten, die sich in Presseartikeln dafür aussprachen, dem ame-rikanischen Verbot zu folgen, gab es in Deutschland keine Sprecher. Die je-weils neuesten Resultate und Positionen, die in den USA aufkamen, wurdenin Deutschland rezipiert. Hoechst nahm eine dominante Stellung ein, die

1 Nach einer Studie des Batelle-Institutes war für die Bundesrepublik mit einem Verlust von1.500 Arbeitsplätzen zu rechnen, eine Zahl, die von der Bundesregierung für übertriebengehalten wurde (vgl. Enquetekommission 1990: 202).

Die Kontroverse der siebziger Jahre 187

schwache Befürworterkoalition blieb in der Defensive. Folgte der Prozeß inden USA einem selbstverstärkenden Muster, so schloß sich in Deutschlandeine negative Schleife an. Die Informationen aus den USA legten den Ernstder Lage dar, wurden in Deutschland rezipiert und sofort von Hoechst attak-kiert, ohne daß die Regulierungsallianz mit gleichen Waffen zurückschlagenkonnte, worauf neue Informationen aus den USA kamen und der Zyklus sichwiederholte. Befürworter- und Gegenallianz befanden sich eher in einemstabilen Ungleichgewicht zueinander, das immer wieder reproduziert wurdeund zur Konsequenz führte, daß keine gesetzlichen Regulierungen erfolgten.Das Umweltbundesamt (UBA) war der Kern der deutschen Regulierungs-allianz; freilich verfolgte es, anders als die Regulierungsallianz in den USA,keine offensive und öffentlichkeitswirksame Strategie. Es entwickelte nur inAnsätzen eine eigenständige Linie und paßte sich der Bundesregierung an.Dennoch sah das UBA seine Funktion darin, FCKW-kritische Erkenntnissezu sammeln und auch personelle Ressourcen zu diesem Zweck bereitzustel-len und außerhalb der Behörde, teilweise außerhalb der Bundesrepublik, zumobilisieren.

4.1 USA

4.1.1 Das Umfeld der Ausgangshypothese

Politische Ausgangsbedingungen

Die Ursprünge der US-Umweltpolitik werden üblicherweise mit zwei Ereig-nissen verknüpft: mit der Publikation von Rachel Carsons Buch Silent Spring(1962), das ein Alarmsignal in bezug auf Pestizide setzte, und mit dem EarthDay von 1970 (Hays 1987: 52). 1969 wurde das Umweltgesetz erlassen (Na-tional Environmental Policy Act, NEPA), das die Gründung des Sachver-ständigenrates für Umweltfragen (Council on Environmental Quality, CEQ)nach sich zog. Dieser sollte dem Präsidenten die Abfassung eines jährlichenUmweltberichts ermöglichen. 1970 schlug Präsident Nixon dem Kongreßdie Bildung einer Umweltbehörde vor (Environmental Protection Agency,EPA), die vor allem die Kontrolle über Umweltverschmutzungen ausübensollte. Nixon griff den Gedanken der Ökologie auf, die Umwelt als ein inter-dependentes System zu betrachten. Die EPA sollte folglich nicht nach Um-weltmedien (Luft, Wasser, Erde) sondern funktional differenziert sein. Das

188 Kapitel 4

bedeutete, daß man Schadstoffe identifiziert, sie durch die gesamte ökologi-sche Kette verfolgt, die Auswirkungen der Stoffe und die Wechselwirkun-gen zwischen den Stoffen feststellt, um schließlich festzulegen, wo inner-halb der ökologischen Kette ein Eingriff am sinnvollsten ist (siehe Hays1987 und Marcus 1991).

Die Umsetzung dieses anspruchsvollen Zieles gelang nicht. Dies lag vorallem daran, daß die EPA unter großem Druck stand. Der erste Chef dieserBehörde, William Ruckelshaus, befürchtete, über der schwierigen Frage derOrganisierung der Behörde die drängenden tagespolitischen Probleme nichtmehr in ausreichendem Maß wahrnehmen zu können. Die funktionale Orga-nisationsweise konnte deshalb nur schrittweise angesteuert werden. Die EPAstand auch unter Erwartungsdruck von seiten der Umweltschützer, die er-warteten, daß schnelle Maßnahmen ergriffen und Umweltsünder endlich vorGericht verklagt werden. Der Clean Air Act verpflichtete außerdem zur Fest-legung nationaler Umweltstandards. Schließlich wollte das Weiße Haus ei-nen Fortschritt sehen bei der Erstellung von Cost-benefit-Analysen. Ruk-kelshaus verglich seine Aufgabe mit einem Sportler, der hundert Meter läuft,während er am Blinddarm operiert wird (zit. bei Marcus 1991: 22).

Die siebziger Jahre waren über weite Strecken durch die Dominanz derThemen Ölkrise und toxische Chemikalien gekennzeichnet. Die Ölkrise desWinters 1973/1974 brachte die Frage der Energieversorgung auf die Tages-ordnung und gab den Energiekonzernen, die zuvor durch Umweltprogrammegezügelt worden waren, mehr Einfluß. Eine nicht enden wollende Serie vonChemieunfällen verschob das öffentliche Interesse von der Umwelt auf Fra-gen der menschlichen Gesundheit.

Zwischen dem neu gewählten Präsidenten Carter und der Umweltbewe-gung gab es zwischen 1976 und 1977 einen kurzen Flirt. Verschiedene Geset-zesinitiativen fanden die Unterstützung der Sprecher von Umweltgruppen.Doch im Herbst 1977 bekamen die Wirtschaftsberater im Weißen Haus dieOberhand. Auf ihrer Agenda stand die Verhinderung weiterer Umweltgesetze,die in ihren Augen das Wirtschaftswachstum bremsten. Der Einfluß dieserGruppe steigerte sich während der Wirtschaftskrise 1979. Der Wahlsieg Ro-nald Reagans im Jahr darauf brachte schließlich einen Frontalangriff auf alleUmweltprogramme der letzten zwanzig Jahre.

Wissenschaftliche Randbedingungen

Die Molina-Rowland-Hypothese wäre vermutlich nicht formuliert worden,wenn nicht zuvor eine öffentliche Diskussion über mögliche Gefahren für

Die Kontroverse der siebziger Jahre 189

die Ozonschicht begonnen hätte. Falls sie doch formuliert worden wäre,hätte sie wahrscheinlich keine Aufmerksamkeit gefunden. 1971 wurden beiKongreßanhörungen atmosphärische Auswirkungen von Boeings geplantenÜberschallflugzeugen (SST) diskutiert. Im Mittelpunkt stand die Rolle vonStickoxiden (NOx), die beim Betrieb dieser Flugzeuge emittiert werden undderen Effekte auf die Ozonschicht von zwei Forschern unabhängig vonein-ander entdeckt wurden (Crutzen 1970; Johnson 1971). Ohne diese Technik-folgenabschätzungsdebatte wäre die Ozonschicht also wahrscheinlich garnicht auf die Tagesordnung geraten.

1973 entdeckten zwei weitere Forscher die ozonzerstörende Wirkung vonChlor, die bis dahin völlig unbekannt war (Stolarski /Cicerone 1974). DerMechanismus für die Produktion und Zerstörung von Ozon in der Atmo-sphäre war durch die klassischen Gleichungen Chapmans in den dreißigerJahren definiert worden, in denen weder Stickoxide noch Chlor eine Rollespielten. Nun stellte sich heraus, daß Chlor in noch viel stärkerem Maße alsNOx die Ozonschicht zerstören kann.

Als Quelle für stratosphärisches Ozon wurden anfänglich Vulkane undEmissionen der geplanten Raumfähre angenommen, obwohl man über dieemittierten Quantitäten zunächst nur spekulieren konnte. Die eigentliche In-novation, die Molina und Rowland bewirkten, bestand nun darin, daß sie eineQuelle (Fluorchlorkohlenwasserstoffe) identifizierten, die erhebliche Men-gen an aktivem Chlor in die Stratosphäre bringen konnte. Sie wurden aufdiese Möglichkeit aufmerksam durch Lovelocks Messungen, die dieser mitdem von ihm gebauten Elektronenchromatograph vorgenommen und publi-ziert hatte (Lovelock et al. 1973). Mit diesem Instrument war es möglich ge-worden, Gase in der Konzentration von billionstel Anteilen zu messen (vgl.Kapitel 3). Rowland wußte genug über Photochemie, um die Möglichkeit inBetracht zu ziehen, daß FCKW zwar stabil in der Troposphäre blieben (unddeshalb von Meteorologen als »Tracer« verwendet wurden), aber in derStratosphäre durch UV-Licht zerstört werden konnten. Bei dieser Zerstörungwürde, so spekulierte er, aktives Chlor abgespalten und die von Stolarksi undCicerone gefundene katalytische Kettenreaktion konnte einsetzen.

Dieser historische Verlauf deutet darauf hin, daß die Aufmerksamkeit (1)der beiden Wissenschaftler, (2) der wissenschaftlichen Community, und (3)der Öffentlichkeit durch eine Verkettung spezifischer Umstände erreichtwurde.

Der Prozeß kann nicht in sinnvoller Weise abstrakt-kognitiv beschriebenwerden, sondern ist eingebettet in eine gesellschaftsweite Debatte. Mit ande-ren Worten, die Publikation der Molina-Rowland-Hypothese (einmal unter-

190 Kapitel 4

stellt, sie hätte durch einen Geniestreich ohne [2] und [3] formuliert werdenkönnen) hätte ohne (2) und (3) wahrscheinlich keine Wirkung gehabt.2

Wichtig war zunächst, daß Molina/Rowland und Cicerone/Stolarski Kon-takt zueinander bekamen. Dieser wurde interessanterweise von Hal Johnsonangebahnt, der durch die SST-Debatte einschlägige Erfahrungen im Umgangmit Öffentlichkeit und Politik gesammelt hatte. Als Rowland und Molinaihm zum ersten Mal von ihrer Hypothese berichteten, fragte Johnson ah-nungsvoll: »Are you ready for the heat?« (zit. bei Roan 1989: 19).3

Beschreibt man den Prozeß der Etablierung von Aufmerksamkeit alspfadabhängig, wie dies in Kapitel 1 angedeutet wurde, so muß man berück-sichtigen, daß die Pfadabhängigkeit nicht nur von innerwissenschaftlichen,sondern auch von gesellschaftlichen Ausgangsbedingungen abhängt. Diewichtigsten innerwissenschaftlichen Ausgangsbedingungen waren die Ent-deckung der Chlorkatalyse, FCKW-Konzentrationsmessungen und die Hy-pothese, daß beide miteinander zusammenhängen. Die wichtigsten gesell-schaftlichen Ausgangsbedingungen waren die öffentliche Aufmerksamkeitfür die Ozonschicht, Annahmen über die Wirkung von menschlichen undnatürlichen Einflüssen auf ihre Entwicklung, sowie die Bereitschaft einigerweniger Wissenschaftler, außer der wissenschaftlichen Forschung auch eineöffentliche Rolle zu spielen. Wie zu zeigen sein wird, bilden diese Sprecherdie Kondensationskerne, um die herum sich die weiteren Kontroversen, Ak-teure und Ressourcen ansiedeln.

4.1.2 Die Ausgangshypothese

Rowlands und Molinas Argumentation in ihrem Artikel von 1974 ist wiefolgt: Man weiß aufgrund der Konzentrationsmessungen Lovelocks, daß diegesamte FCKW-Weltproduktion mit der atmosphärischen Konzentrationkonsistent ist, das heißt, diese Stoffe werden nicht abgebaut, sondern diffun-dieren und akkumulieren in der Atmosphäre. Die wahrscheinliche Lebens-

2 Vgl. die von Boudon erwähnten »Cournot-Effekte«, bei denen es eine (unwahrscheinliche)Verknüpfung von independenten Kausalketten gibt, Zufall und Notwendigkeit zusammen-treffen (Boudon 1986: 157, 175ff.).

3 »When Rowland called Johnston in November or December of 1973 to tell him what theyhad discovered, Johnston told him that we should all get together. We had met Hal John-ston at the meeting in Kyoto, Japan so he was able to refer our work to Molina and Row-land. But we didn’t know each other, so we had to exchange letters very formally. Afterthe publication of Molina-Rowland-Hypothesis, Molina, Roland, and us met at a scientificmeeting in California. That was the beginning, from my point of view« (pers. MitteilungCicerone).

Die Kontroverse der siebziger Jahre 191

dauer dieser Stoffe und ihre Senken werden berechnet. Die Lebensdauerwird auf 40 bis 150 Jahre geschätzt und als einzige Senke kommt die Pho-tolyse in der oberen Stratosphäre (>30 Kilometer) durch UV-Licht in Frage.Der Effekt auf die Ozonschicht ist um ein Vielfaches größer, als der durchdie bei den bereits in der SST-Debatte analysierten Stickstoffverbindungen.Ähnlich wie bei jenen gibt es eine katalytische Kettenreaktion, in diesemFall von aktivem Chlor mit Ozon. Die Aufnahmefähigkeit der Atmosphärefür Chlor ist begrenzt, was ernste Konsequenzen zur Folge haben kann. DerArtikel schließt mit der Warnung, daß Umweltprobleme noch lange Zeitnach der Reduktion von Emissionen fortbestehen werden. Dies ergibt eineKausalkette mit folgenden Bestandteilen:

1. FCKW erreichen Stratosphäre unbeschadet;2. dort werden sie von UV-Licht zerlegt;3. es entstehen Chlorradikale;4. diese zerstören Ozonmoleküle5. in einer katalytischen Kettenreaktion (unter Einschluß von Sauerstoff im

oberen Teil der Stratosphäre, bei 35 bis 45 Kilometer). Die voraussichtli-che Ozonabnahme wird auf 7 bis 13 Prozent in 100 Jahren geschätzt.

Impiziert, aber nicht erwähnt waren folgende Auswirkungen:4

6. mehr UV-B-Licht erreicht die Erdoberfläche (1 Prozent weniger Ozon =2 Prozent mehr UV-B)

7. dies führt zu Hautkrebs, grauem Star, Bedrohung von Getreideernten, Al-gen, Plankton usw. (2 Prozent mehr UV-B = 2 bis 3 Prozent mehr Haut-krebsfälle).

Die Industrie versuchte, alle Schwachstellen der Hypothese aufzuspüren, umdie FCKW zu entlasten. Abstrakt betrachtet eignen sich hierfür alle Schritte,die den Ozonabbau unmöglich oder sehr klein erscheinen lassen. Dies ist derFall, wenn

– nur kleine Mengen von FCKW in die Atmosphäre gelangen beziehungs-weise natürliche Quellen existieren, die größer sind als die anthropogenenQuellen;

– die Lebenszeit von FCKW relativ kurz ist;– FCKW in troposphärischen Senken verschwinden, bevor sie in die Strato-

sphäre aufsteigen können;

4 Das Aufzeigen der möglichen Auswirkungen (6–7) konnte unterbleiben, da die interes-sierte Öffentlichkeit durch die vorausgegangene SST-Debatte sensibel geworden war.

192 Kapitel 4

– die kinetischen Reaktionsraten von wichtigen Molekülen, die beim Ab-bau des stratosphärischen Ozons eine Rolle spielen, langsam verlaufen;

– kein meßbarer Ozonverlust auftritt;– Inkonsistenzen in der Theorie oder zwischen Theorie und Messungen

auftreten.

Für den Fall, daß tatsächlich mit einer Ozonabnahme gerechnet werdenmußte, gab es eine zusätzliche Möglichkeit, das Problem zu entschärfen.Dies ist möglich, wenn

– kein unmittelbarer oder nachweisbarer Zusammenhang zwischen Ozon-abnahme und möglichen Auswirkungen (Krebshäufigkeit, Pflanzenwachs-tum, Augenkrankheiten usw.) besteht.5

Es bilden sich zwei Koalitionen heraus: die Befürworter schneller FCKW-Regulierungen (Wissenschaftler, Umweltschützer, Konsumenten, Politiker)und ihre Gegner (FCKW-Produzenten, -Konsumenten, Interessenverbändeder chemischen Industrie, Wissenschaftler, Politiker). Charakteristisch istdas antagonistische Verhältnis der beiden Lager. Sie befinden sich in einerArt Nullsummenspiel um Ressourcen: Jeder Gewinn für eine Seite ist einVerlust für die andere.

In Anknüpfung an das in Kapitel 1 entwickelte Netzwerkmodell werdenAkteure aus Wissenschaft, Politik, Öffentlichkeit und Industrie als perso-nelle Kerne von zwei antagonistischen Politiknetzwerken identifiziert. Res-sourcen sind vor allem wissenschaftliche Daten, politische Entscheidungenund die öffentliche Parteinahme von relevanten Akteuren. Durch die Mobili-sierung solcher Ressourcen können neue Akteure gewonnen werden, ebensowie umgekehrt neue Verbündete neue Ressourcen mitbringen oder beschaf-fen können. Korporative Akteure, auch und vor allem solche aus der Wis-senschaft, spielen eine Schlüsselrolle.

4.1.3 Die Koalitionen, ihre wichtigsten Akteure und Ressourcen

Akteure

Den personellen Kern der Unterstützerkoalition bilden drei der vier Wissen-schaftler, die die entscheidenden wissenschaftlichen Publikationen über dieOzonzerstörung durch Chlor beziehungsweise FCKW veröffentlicht hatten.

5 In ihrer Attacke auf die Molina-Rowland-Hypothese machte die Industrie von allen Stra-tegien Gebrauch.

Die Kontroverse der siebziger Jahre 193

Ihnen schließen sich in den folgenden Monaten Vertreter folgender Organi-sationen an: Natural Resources Defense Council (NRDC), Council on Envi-ronmental Quality (CEQ), Ad hoc Federal Interagency Task Force on theInadvertent Modification of the Stratosphere (IMOS), National Academy ofSciences (NAS), Environmental Protection Agency (EPA), Consumer Prod-uct and Safety Commission (CPSC), sowie Wissenschaftsjournalisten einfluß-reicher Zeitungen.

Kern der Gegenallianz ist die Manufacturing Chemists Association(MCA), insbesondere die Firma Du Pont. Sprecher der Gegenallianz ist derChef von Du Ponts Freon-Abteilung, Raymond McCarty (Freon war DuPonts Markenname für FCKW). Ihr schließen sich einige Wissenschaftlerund industrienahe Publikationsorgane an. Die Wissenschaftler, auf die sichdie Gegenallianz stützte, bildeten keine homogene Gruppe. Da war zunächstder Brite Lovelock, der aufgrund seiner frühen Konzentrationsmessungenein hohes Ansehen genoß. Er war durch die »Overselling/Preaching«-Praktiken der amerikanischen Wissenschaftler abgestoßen:

Some scientists are worried about certain gases used in aerosols … This is one ofthe more plausible of the doomswatch theories but it needs to be proved. TheAmericans tend to get into a wonderful state of panic over things like this … Ithink we need a bit of British caution on this. (zit. bei Bastian 1982: 171)

»The American reaction to the problem means that scientific arguments nolonger count. The impact of CFCs on the ozone layer has been grossly over-estimated.« Außerdem gebe es »inadequate medical evidence to support thebelief that higher levels of ultraviolet radiation would necessarily lead tohigher incidences of skin cancer« (New Scientist, 19.6.1975: 643).

Immerhin gab Lovelock in einem Leserbrief an Nature zu, daß es kaumZweifel daran geben könne, daß ungehemmte FCKW-Emissionen schädli-che und langdauernde Auswirkungen haben können. Er hatte allerdings eineandere Auffassung darüber, was als gefährliches Niveau gelten soll undwann es erreicht wird (Nature, Vol. 258, 25.12.1975: 776).

Richard Scorer war als Meteorologe am Imperical College (London) tätigund wurde vom Interessenverband der FCKW-Hersteller zu einer Propagan-datour in die USA eingeladen. Seine Reputation war die niedrigste der hieraufgeführten Wissenschaftler. Er hatte keine eigene Forschung auf dem Ge-biet betrieben und galt als hired gun der FCKW-Hersteller.6

6 »Industry group launches defense of fluorocarbons« (Los Angeles Times, 28.7.1975). Einanderer Wissenschaftler sagte über Scorer: »They brought him over with a public relationsoutfit, they ran him around the country, in talk shows; as it happened, I got involved in

194 Kapitel 4

The other scientists who were against regulations were clearly paid by variousparts of industry. Like Richard Scorer from England, but he was not respected.McElroy was different, after all he was a Harvard professor, he was very famous,and later, after 1986, he became a supporter. (Interview 5)

Der renommierte Atmosphärenwissenschaftler und Harvard Professor Mi-chael McElroy hatte ganz zu Beginn eine ähnliche Position wie Rowland be-zogen. In einem Zeitungsinterview äußerte er die Ansicht, daß die Beweis-last bei den Gegnern der FCKW-Ozon-Theorie liege, »because we can’t waitto check out the full theory. It would take too long. The effects of Freon aretoo damaging« (Detroit News, Sunday Magazine, 19.1.1975). Kurz daraufäußerte er sich vorsichtiger, indem er betonte, man brauche vor allem mehrZeit (1 bis 3 Jahre) für zusätzliche Forschung. Dies war dann auch der klein-ste gemeinsame Nenner, der Industrie und diese Wissenschaftler einte. DieKopplung zwischen Industrie und den drei erwähnten Wissenschaftlern wareher lose; die Wissenschaftler wollten mehr Zeit für Forschung und entdra-matisierten die Problematik in verschiedenen Graden. Wie in Kapitel 3 ge-sehen, gibt es dafür vor allem zwei Gründe: Der erste ist in der Anreiz-struktur des Forschungsfeldes zu suchen (Prioritätsansprüche, Originalität,Profilierung), der zweite in dem Naturbild, das die Wissenschaftler besitzen.

Ressourcen

Zu Beginn der Kontroverse konnte die Industrie keine wissenschaftlichenDaten vorlegen, die ihre Position unterstützt hätte. Obwohl die Manufactur-ing Chemists Association bereits 1972 ein Forschungsprogramm aufgelegthatte, um zu klären, was mit den FCKW-Emissionen geschieht, wurde sievon der Molina-Rowland-Hypothese überrascht. Ihre Strategie bestand des-halb darin, den hypothetischen Charakter der Berechnungen von Molina undRowland hervorzuheben, die Hypothese durch eine Gegenhypothese (»KeineGefahr für die Ozonschicht«) zu relativieren und zu suggerieren, die FCKW-Kritiker hätten selbst auch keine Daten. Dieses Argument wurde durch ver-schiedene Labor- und Feldexperimente (unter anderem 1975 durch denNachweis von FCKW in der Stratosphäre7 und 1976 durch den Nachweis

some of those. My views may have been conservative at this stage but I certainly did nottake the conservative position when I appeared in the William Buckley Firing Line showwith Richard Scorer because it was clear to me that he was a phony and that this was not aserious discussion« (Interview 30).

7 Die beiden Substanzen FCKW 11 und 12 wurden in höhenspezifischen Konzentrationengemessen, die den theoretischen Erwartungen entsprachen. Es wurde auch klar, daß die

Die Kontroverse der siebziger Jahre 195

von aktivem Chlor (ClO) in der Stratosphäre) teilweise zunichte gemacht. Esbestand eine Art stillschweigender Übereinkunft zwischen den beiden La-gern, daß die Präsenz von ClO in der Stratosphäre den Beweis für die Rich-tigkeit der Molina-Rowland-Hypothese liefern würde. Einige Meßwerte vonClO-Konzentrationen lagen jedoch um ein Vielfaches außerhalb des erwar-teten Bereichs, was die Industrie leidlich ausschlachtete.8

Nachdem Messungen gezeigt hatten, daß sich sowohl FCKW als auch re-aktives Chlor in der Stratosphäre befinden (wenn auch nicht in den erwarte-ten Konzentrationen, weshalb die Frage nach der Existenz von Senken nichtendgültig geklärt werden konnte), wurde die zweite Schlacht um die Reak-tionsraten geschlagen. Die erste chemische Spezies, die zu einer Verlangsa-mung der Abbauraten von Ozon führte, war Chlornitrat (ClNO3). Dies kannsich unter bestimmten Umständen aus NOx und ClO bilden, die beide fürsich genommen Ozonzerstörer sind. Ironischerweise lieferten Molina undRowland der Gegenseite diese Ressource selbst an die Hand, indem sie ineinem Artikel darauf aufmerksam machten. Die Industrie konnte nun wiederargumentieren, das Problem habe sich relativiert oder sei im Begriff zu ver-schwinden. Modellierer stellten jedoch fest, daß sich der prognostierte Ozon-abbau nach wie vor im Bereich der von Molina und Rowland ursprünglichenBerechnung zwischen 7 und 14 Prozent lag, wenn auch am unteren Ende(Roan 1989: 76–78).

Die Lebensdauer der inkriminierten Stoffe und, eng damit verbunden, dieFrage nach troposphärischen oder stratosphärischen Senken wurde lange kon-trovers diskutiert. Bereits 1971 hatte Lovelock auf einer Schiffsexpeditionvon Wales zum Südpol globale Konzentrationsmessungen von FCKW 11durchgeführt, die mit der kumulierten Welt-FCKW-Produktion überein-stimmten. Er errechnete allerdings einen Nord-Süd-Gradienten von 7:4, dasheißt, eine fast doppelt so hohe Konzentration von FCKW in der Nordhemi-späre. Da fast alle FCKW-Emissionsquellen im industrialisierten Norden la-gen, schien dieser Befund auf eine Senke oder eine erheblich kürzere Lebens-dauer hinzudeuten, als von Molina und Rowland angenommen. LovelocksDaten wurden von den FCKW-Kritikern angezweifelt. Andere Forscherhatten einen sehr viel flacheren Gradienten gemessen. In der Tat wurde dieerste Lovelock-Messung in der Folgezeit nicht wiederholt. Als Gründe wer-den die niedrige accuracy (absolute Genauigkeit) des Instruments angegeben

Substanzen nicht durch Regen aus der Atmosphäre ausgewaschen wurden (Science News,9.8.1975: 84).

8 Es ist zu vermuten, daß die Industrie auch bei einer perfekten Übereinstimmung von Mes-sungen und Modellvoraussage nicht kampflos aufgegeben hätte.

196 Kapitel 4

sowie die Tatsache, daß Lovelocks Sample im Norden sehr viel kontami-nierte Luft enthielt.

Für die spätere Entwicklung der Kontroverse sind zwei Umstände be-deutend. Zum einen das erwähnte internationale Forschungsprogramm, dasvom MCA durchgeführt wurde, um den Verbleib der FCKW in der Atmo-sphäre zu analysieren. Im Einladungsschreiben an andere FCKW-Produzen-ten hieß es:

Fluorocarbons are intentionally or accidentally vented to the atmosphere world-wide at a rate approaching one billion pounds per year. These compounds may beeither accumulating in the atmosphere or returning to the surface, land or sea, inthe pure form or as decomposition products. Under any of these alternatives, it isprudent that we investigate any effects which [CFCs] may produce on plants oranimals now or in the future. (Manufacturing Chemists Association 1975: 2)

Zum anderen gab es mehrere öffentliche Erklärungen Du Ponts, in denen eshieß: »Should reputable evidence show that some fluorocarbons cause ahealth hazard through depletion of the ozone layer, we are prepared to stopproduction of the offending compounds.«9 Diese Selbstbindung sollte beider Revision von Du Ponts FCKW-Politik eine wichtige Rolle spielen. Dochzunächst entfaltete sich die Eigendynamik der Kontroverse, in der es DuPont immer wieder darauf ankam nachzuweisen, daß keine reputable evi-dence existierte. In derselben Anzeige sollte das Programm für die nächstenzehn Jahre formuliert werden: »Claim meets counterclaim. Assumptions arechallenged on both sides. And nothing is settled.«

Du Pont ging bis 1982 von einer extrem kurzen Lebensdauer der FCKWaus (10 bis 20 Jahre statt 40 bis 150, wie von Molina und Rowland ange-nommen, siehe Jesson 1982). Zur Klärung dieser Frage begann 1978 dasAtmospheric Lifetime Experiment. Ein Netzwerk von Meßstationen wurde inBarbados, Samoa, Tasmania und in Oregon installiert. Das Ergebnis, das erst1983 publiziert wurde, lautete: Die Lebenszeit von FCKW 11 liegt bei circa80 Jahren (Cunnold et. al. 1983). Bis dahin versuchte die Gegenallianz im-mer wieder, die angeblich kurze Lebensdauer der Stoffe als Notanker zu be-nutzen.

Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen abnehmender Ozon-schicht, vermehrter UV-Strahlung und vermehrtem Auftreten von Hautkrebswurde ebenfalls frühzeitig aufgegriffen und sollte ein Dauerbrenner derKontroverse werden. Du Pont versuchte 1975 unter Berufung auf eine der

9 So zum Beispiel in einer ganzseitigen Anzeige in der New York Times vom 30. Juni 1975und in Kongreßanhörungen.

Die Kontroverse der siebziger Jahre 197

wissenschaftlichen Kapazitäten des Landes, Frederick Urbach (Temple Uni-versity), den Eindruck zu erwecken, daß kein unmittelbarer Zusammenhangzwischen UV-Strahlung und Krebshäufigkeit bestehe. Wie es scheint, wur-den hierzu schlampige Transkriptionen einer Anhörung im Staat New Yorkverwendet, die Urbach keine Gelegenheit hatte, zu korrigieren. Als er vonDu Ponts Versuch hörte, stellte er klar, daß ein solcher Zusammenhangdurchaus bestehe: Nach seiner Ansicht führte eine einprozentige Abnahme derOzonschicht zu einer Zunahme von Hautkrebs um zwei Prozent.10 Urbachhatte sich in gleicher Weise vor dem Rogers’ Kommittee geäußert (siehenächster Abschnitt).

Institutionelle Opportunitätsstrukturen

Auf institutioneller Ebene gab es zunächst ein Zuständigkeitswirrwarr. ZurEinschätzung der wissenschaftlichen Seite kamen zwei verschiedene Institu-tionen in Frage (die NAS und das Climatic Impact Assessment Program,CIAP), für die administrativen Aspekte sogar drei (EPA, Food and DrugAdministration [FDA] und CPSC). Jede Art von politischer Problemlösungsetzte zunächst eine klare Lösung der Zuständigkeiten voraus. Diese warensowohl überlappend als auch unvollständig. Nach Einschätzung des Justiz-ministeriums konnte die EPA Pestizide in Spraydosen regulieren; die FDAsolche, die in Nahrungsmitteln, Arzneien oder Kosmetika enthalten waren;und die CPSC alle anderen Produkte in Spraydosen, außerdem Kühlschränkeprivater Haushalte und Schulen sowie Klimaanlagen. Keine Behörde konntejedoch die vielen industriellen und kommerziellen Anwendungen (zum Bei-spiel in PKW-Klimaanlagen) regulieren. Aus diesem Grund versuchte derNRDC, durch eine Petition gegenüber der CPSC Klarheit zu schaffen. DieCPSC wurde ausgewählt, weil man ihr am meisten Kompetenz zur Regelungzusprach. Der NRDC forderte die CPSC auf, Aerosolanwendungen zu ver-bieten. Diese lehnte unter Verweis auf die anhängige NAS-Studie mit einem3:2 Votum ab.

Die Kongreßabgeordneten Rogers und Esch versuchten im Frühjahr1975, die Zuständigkeit durch einen Gesetzentwurf zu klären. Darin solltedie EPA ermächtigt werden, Herstellung und Verkauf von FCKW zu ver-bieten, falls sich ihre Gefährlichkeit bestätigte. Rogers übernahm den Vor-sitz des Subcommittees on Public Health and Environment, das am 11. und12. Dezember 1974 im Repräsentantenhaus die ersten Anhörungen durch-

10 Briefe an Rowland und Raymond McCarthy (Du Pont) vom 1. April 1975.

198 Kapitel 4

führte. Hier wurden die ersten Konturen der beiden Allianzen und ihrer Po-litikoptionen sichtbar. Die Industrie befürwortete einen Zeitplan von dreiJahren für zusätzliche Forschung, bevor man etwas über die Notwendigkeitvon Regulierungen sagen könne. Sie wurde darin vom Atmosphärenwissen-schaftler McElroy unterstützt.11 Rowland und Cicerone waren für ein sofor-tiges Verbot von FCKW-haltigen Treibgasen.

Im Januar 1975 beschlossen die National Science Foundation (NSF) undder Sachverständigenrat zu Umweltfragen (CEQ), in dieser Frage zusam-menzuarbeiten. Sie bildeteten die Ad hoc Interagency Task Force on Inad-vertent Modification of the Stratosphere (IMOS), ein Gremium, dem vier-zehn Behörden angehörten. Ziel dieser task force war die Schaffung einesMittels zur Einschätzung möglicher Effekte auf die Stratosphäre und dieEntwicklung eines Aktionsplans. Weitere Mitglieder in IMOS waren folgendeMinisterien:

– Landwirtschaft;– Handel;– Verteidigung;– Gesundheit, Erziehung und Wohlfahrt;– Justiz; Inneres und Verkehr.

Zusätzlich waren NASA, NAS, EPA, und CPSC vertreten. Das Haushalts-ministerium (Office for Management and Budget, OMB) und der Stab desWeißen Hauses waren nicht Mitglieder, wurden aber regelmäßig informiert.Der Zuständigkeitsproblematik eingedenk kam IMOS zum Schluß, keinFCKW-spezifisches Gesetz zu erlassen. Stattdessen sollte eine Regulierungim Rahmen des zur Verabschiedung stehenden Toxic Substances Control Act(TSCA) erfolgen.

Erstaunlich ist, daß IMOS trotz ihrer Größe handlungsfähig war. Beob-achter führten dies auf die Tatsache zurück, daß die Mitgliedsorganisationenzu intensiver Kooperation bereit waren. Sie stellten in großzügiger WeiseMitarbeiter zur Verfügung. In einigen Bereichen wurde ihre Aufgabe da-durch erleichtert, daß sie bereits bestehende Informationen zusammenzu-stellen hatten; in anderen war es jedoch schwierig, der laufenden Forschungauf den Fersen zu bleiben.

IMOS führte im Februar 1975 eine Anhörung durch, zu der folgende Ex-perten geladen waren: die Wissenschaftler Rowland, Cicerone, McElroy;

11 U.S. House of Representatives, Committee on Interstate and Foreign Commerce, Hearings,December 11–12, 1974, Fluorocarbons: Impact on Health and Environment (Washington,DC: U.S. Government Printing Office, 1974).

Die Kontroverse der siebziger Jahre 199

Vertreter von Du Pont und anderen Firmen, sowie NRDC-Mitglieder(Bastian 1982: 171). Über hundert Beobachter nahmen an dem Treffen teil,unter ihnen Vertreter der kanadischen und britischen Regierungen. Es kamzu einer Konfrontation zwischen Rowland und McElroy. Eine Industriepu-blikation charakterisierte McElroy als »swimming hard against the tide ofscientific experts that argue strongly that some sort of regulatory actionshould be taken early«12. McElroy lenkte die Aufmerksamkeit auf eine wei-tere Substanz (Methylbromid), die die Ozonschicht angreifen könne, wasvon vielen als Ablenkungsmanöver und Profilierungsversuch kritisiert wur-de (siehe Kapitel 3). Interessanterweise stellte die Zeitschrift Drug & Cos-metic Industry beide Wissenschaftler als Koalitionäre verschiedener Interes-sen dar: Bei den Anhörungen seien Rowland und Cicerone von Karim Ah-med (NRDC), McElroy hingegen vom Council on Atmospheric Sciences(COAS), der Industriedelegation, unterstützt worden.

Die IMOS-Studie wurde am 12. Juni 1975 veröffentlicht und gipfelt indem berühmten Satz: »There seems legitimate cause for serious concern.«Die atmosphärischen Konzentrationen von FCKW werden als konsistent mitder Weltgesamtproduktion eingeschätzt; die durch verschiedene Modelle be-rechneten unterschiedlichen Abbauraten werden in grundsätzlicher Überein-stimmung gesehen. Die Gültigkeit dieser Voraussagen sieht man nur dannerschüttert, wenn große unerwartete Senken oder große natürliche Quellenentdeckt würden, was nach dem damaligen Verständnis ausgeschlossenwird.13 Meinungsverschiedenheiten bestanden vor allem darüber, welcheKonsequenzen dies haben sollte. Einige der Atmosphärenwissenschaftlerdrängten auf schnellstmögliche Aktion, während die Bürokraten eher zu-rückhaltend waren. Ein Teil der IMOS-Mitglieder sah keine Notwendigkeitfür weitere Forschung, da keine grundsätzlichen Neuerungen zu erwartenseien. Sie empfahlen, sofort mit der Regulierung zu beginnen. Ein andererTeil wollte Zeit gewinnen, in der Hoffnung, das Problem verschwände wie-der oder die Molina-Rowland-Hypothese ließe sich falsifizieren.

Man einigte sich auf einen Kompromiß, der die Ernsthaftigkeit des Pro-blems betonte und Regulierungen früher oder später als sehr wahrscheinlichansah. Es sollte jedoch der Bericht der NAS abgewartet werden. Als mögli-cher Termin für Regulierungen wurde das Jahr 1978 gesehen, weil manweitere Zeit für Forschungen haben und der betroffenen Industrie eine An-passungszeit gewähren wollte. Vergeblich versuchte die Industrie, den

12 Drug & Cosmetic Industry, April 1975.13 Fluorocarbons and the Environment, Report of the Federal Task Force on Inadvertent

Modification of the Stratosphere (IMOS), Juni 1975: 2.

200 Kapitel 4

IMOS-Bericht in letzter Minute zu verzögern oder zu unterdrücken (Bastian1982: 176f.). Die Reaktionen auf den schließlich veröffentlichten Berichtwaren kongruent zu den Politikzielen der beiden Allianzen: Die Industriesah darin eine übereilte Vorwegnahme von Forschungsergebnissen, dieUmweltschützer (NRDC) beurteilten ihn als zu vorsichtig (The Wall StreetJournal, 13.6.1975: 4). Du Pont versuchte in einer Presserklärung das Bestedaraus zu machen. Der Bericht wurde so interpretiert, daß keine unmittelba-re Gefahr für die Ozonschicht und die Gesundheit der Bevölkerung besteheund FCKW bis zu einer endgültigen Klärung der Frage bedenkenlos einge-setzt werden könnten.14

Im September 1975, im Februar 1976 und im Dezember 1976 fanden An-hörungen vor dem Subcommittee on the Upper Atmosphere unter der Lei-tung von Senator Bumpers statt (Roan 1989: 44–47). Bumpers selbst machtekeinen Hehl aus der Tatsache, daß er für eine schnelle Beschränkung vonTreibgasen war. Für ein sofortiges Verbot setzten sich abermals Rowlandund Cicerone ein, diesmal unterstützt von James Anderson. NASA-Chef Ja-mes Fletcher wollte hingegen weitere Verzögerungen in Kauf nehmen, umzusätzliche Informationen zu bekommen.

Die National Academy of Sciences war bereits Ende Oktober 1974 auf ei-ner ersten Ad-hoc-Sitzung zum Schluß gekommen, daß das FCKW-Problemals ernst einzuschätzen ist und Regulierungen unumgänglich werden, wennsich die Berechnungen nicht als fehlerhaft erweisen. Es wurde eine einjähri-ge Studie in Angriff genommen, die im März 1976 vorliegen sollte. MitSpannung wurde der Bericht dieser höchsten wissenschaftlichen Institutiondes Landes erwartet. Wie der IMOS-Bericht, wurde auch dieser von beidenSeiten zu ihren Gunsten interpretiert. Es verwundert daher kaum, daß auchzwei große Tageszeitungen am Tag nach seiner Veröffentlichung mit entge-gengesetzten Interpretationen aufwarteten. Die New York Times vom 14.September hatte den Aufmacher »Wissenschaftler unterstützen Treibgasre-duktion zum Schutz der Ozonschicht«, während die Washington Post vomselben Tag titelte: »Wissenschaftsgremium gegen Treibgasverbot«. Wiekonnte es dazu kommen?

Bereits im März 1976 sickerte die Nachricht an die Presse durch, wonachdas NAS-Panel die Molina-Rowland-Hypothese bekräftigen und sich fürFCKW-Regulierungen aussprechen würde. Die Anfang 1976 aufgetauchtenProbleme wegen der Chlornitrat-Reaktion brachten jedoch völliges Durch-einander in das NAS-Gremium – die existierenden Entwürfe waren obsolet

14 Du Pont, Corporate News, 12.6.1975.

Die Kontroverse der siebziger Jahre 201

geworden. Es mußte eine grundsätzliche Neubewertung der wissenschaftli-chen Aspekte, und, davon abgeleitet, der Politikempfehlungen erfolgen. Diesgeschah in den folgenden fünf Monaten in teilweise hektischer Atmosphäre,da das Urteil des Gremiums von mehreren anderen Insitutionen als künftigeHandlungsgrundlage erwartet wurde. Der schließlich veröffentlichte Berichthatte mit dem Problem zu kämpfen, daß die ursprünglich für den Berichtvorgesehene Ozonabbaurate von 14 auf 7 Prozent halbiert wurde15 – was fürdie Panel-Mitglieder keine Legitimation für eine uneingeschränkte Befür-wortung von Regulierungen abgab. Der Bericht gliederte sich deshalb inzwei Teile. Der erste wurde vom Panel on Atmospheric Chemistry verfaßtund kam zum Schluß, daß die MRH im wesentlichen korrekt sei. Der zweitewurde vom Committee on Impacts of Stratospheric Change verfaßt undempfahl der Regierung, noch zwei Jahre abzuwarten, bevor man zu Regulie-rungen greife (Dotto/Schiff 1978: Kapitel 11; Roan 1989: 79f.). Das Orakelhatte gesprochen – doch was hatte es gesagt?

A one- or two-year delay in actual implementation of a ban or regulation wouldnot be unreasonable … As soon as the inadequacies in the bases of present cal-culations are significantly reduced, for which no more than two years need to beallowed, and provided that ultimate ozone reductions of more than a few percentthen remain a major possibility, we recommend undertaking selective regulationof the uses and releases of [CFCs] … (zit. bei Bastian 1982: 188)

Trotz der doppeldeutigen Botschaft stellte die Bestätigung der Molina-Row-land-Hypothese durch den ersten Bericht der National Academy of Sciencesfür die Befürworterkoalition eine wichtige Ressource dar, insbesondere weildie Medien den NAS-Bericht insgesamt als Bestätigung der MRH interpre-tierten (Dotto/Schiff 1978: 278).

If we go from publication the summer of 1974, for a period of a little more than 2years, we had this feeling that we were all out there alone. Until some seeminglyindependent organisation had said that »Actually, this looks as if it makes sense«,we were out all by ourselves. By we I mean Molina, Cicerone and myself.16

15 Molina und Rowland hielten an ihrer ursprünglichen Schätzung von 7 bis 13 Prozent fest.Sie waren zur Überzeugung gelangt, daß Chlornitrat letztlich keinen großen Einfluß auf dasOzonbudget nimmt. 7 Pozent galten unter Experten immer noch als ernsthafte Bedrohung;erst bei einem Wert von 3 bis 4 Prozent Ozonabbau war das Problem als nicht mehr ernsteinzustufen. In der Chicago Tribune werden sie mit den Worten zitiert: »[Chlorine nitrate]has never been proved outside the laboratory and has not yet been found in the stratosphe-re.« Ihre Behauptung, Chlornitrat sei »nicht besonders wichtig«, dürfte das NAS-Gremiumamüsiert haben, das zu jener Zeit in Beratungen verzweifelt versuchte, die Rolle vonChlornitrat in ihrem Abschlußbericht zu berücksichtigen (Dotto /Schiff 1978: 258 f.).

16 Pers. Mitteilung Rowland.

202 Kapitel 4

Dies war um so bedeutender, als die NAS den Ruf hat, ein eher konservativesGremium zu sein, das Industrieinteressen nicht vorschnell beiseite schiebt(Boffey 1975).

Die Rolle der Medien

Die überaus starke Medienaufmerksamkeit in den ersten drei Jahren nachVeröffentlichung der MRH ist auffallend. Ein Thema, das so stark wahrge-nommen wird, muß fast zwangsläufig auf die politische Agenda gelangen(Kingdon 1984). Dies hat zum einen damit zu tun, daß das Thema spekta-kulär war. Es schien eher aus dem Bereich science fiction denn science zustammen. Es schien kaum vorstellbar, daß man durch die Verwendung einesDeosprays die Existenzbedingungen auf der Erde bedrohen konnte. Sollte esmöglich sein, daß die Erde nicht mit einem lauten Knall, sondern mit einemleisen Zischen zu Ende gehen könnte?17

Zum anderen stellten sich einflußreiche und angesehene Journalisten aufdie Seite der Befürworterkoalition. Dies war vor allem Walter Sullivan, derin der New York Times laufend berichtete.18 Die durch ihn bewirkte Auf-merksamkeit und die folgende Thematisierung durch die wichtigste ameri-kanische Tageszeitung sorgte für die nötige öffentliche Aufmerksamkeit.19

Allein in der New York Times kam das Thema in den Jahren 1974 bis 1977achtmal auf die Titelseite (Abbildung 4-1).

Die New York Times veröffentlicht in der ersten Dekade der Kontroverseüber 100 Artikel, davon allein 67 in den ersten beiden Jahren. Die Wa-shington Post und das Wall Street Journal stehen mit insgesamt 10 bezie-hungsweise 28 Artikeln klar zurück (Abbildung 4-2).

4.1.4 Erfolg der Unterstützerkoalition

Der NAS-Bericht wurde am 13. September 1976 veröffentlicht. Zwei Wo-chen später trat IMOS zusammen und empfahl den Behörden, sofortige

17 Mehrere Aufmacher verwendeten diese Lautmalerei: »Not with a Bang, but a Pffft«, so dieNew York Times vom 21. Dezember 1975.

18 Sullivans erster Artikel erschien am 27. September 1974. Zur Meinungsführerschaft derNew York Times siehe Elfenbein (1996).

19 Außerdem ist die Zeitschrift New Yorker zu nennen, die aufgrund außergewöhnlich sorg-fältig recherchierter Artikel hohes Ansehen genießt. Der New Yorker ist eine der wenigenZeitschriften, die die Recherche der Autoren (durch »checker«) überprüfen lassen. Dortveröffentlichte Paul Brodeur zwei viel zitierte Arbeiten, die im Abstand von elf Jahren er-schienen (Brodeur 1975; 1986).

Die Kontroverse der siebziger Jahre 203

Maßnahmen zu ergreifen. Kurz darauf kündigte der Chef der EPA an, daßder »nichtessentielle« Einsatz von FCKW als Treibgas verboten werdensolle.20 Die FDA gab der NRDC-Petition statt und kündigte an, daß die dreiRegulierungsbehörden nun den Regulierungsprozeß in die Wege leiten wür-den. Industrievertreter äußerten sich erstaunt darüber; ihrer Ansicht nach liefdies der NAS-Empfehlung zuwider, weitere Forschungsergebnisse abzu-warten. Regierungsvertreter waren sich jedoch einig, daß dies nicht der Fallwar.21

Die Hoffnung der Gegenallianz auf weiteren Zeitgewinn war vergeblich.IMOS hatte sich auf das Ergebnis des NAS-Berichts festgelegt und dieserbekräftigte die Plausibität der Theorie, wenn auch weitere Forschung für

20 Ausgenommen waren vor allem medizinische und militärische Anwendungen. Dies wardie erste Phase einer vorgesehenen Zwei-Phasen-Regulierung. Die zweite sollte sich mit»essentiellen« Produkten befassen. Siehe hierzu Wirth et al. (1982) und Kapitel 5.

21 EPA und FDA erließen Verordnungen zur Produktinformationspflicht, die FDA auch einWarnetikett (»Achtung – Enthält FCKW, das wegen seiner ozonzerstörenden Wirkung ge-sundheits- oder umweltschädlich sein kann«).

204 Kapitel 4

notwendig erachtet wurde. In gewisser Weise war dies die Kompromißfor-mel, die man der Industrie anbot: die ständigen zwei Jahre an zusätzlicherForschung. Nur daß man diesmal, anders als IMOS, selbst keine weitereAutorität anrufen konnte. Man mußte eine Entscheidung treffen und befür-wortete Regulierungen.

Wie zu erwarten, gab die zweideutige Formel Anlaß zu neuen Kontrover-sen, die öffentlich (siehe unten) und innerhalb der Verwaltung ausgetragenwurden. Die Arbeitsgruppe, die die Regulierungen ausarbeiten sollte, be-stand aus Vertretern von EPA, CPSC, FDA, CEQ, NASA, NSF, Departmentof Commerce (DOC), und Department of Transportation (DOT). Die Frist,innerhalb derer reguliert werden sollte, wurde von einer Seite so interpre-tiert, daß man innerhalb von zwei Jahren den Prozeß abschließen solle, vonder anderen Seite so, daß man noch zwei Jahre warten solle. Die Frage wurdevon der Arbeitsgruppe anhand der Zeugenaussage des Vorsitzenden desNAS-Kommittees (John W. Tukey) vor dem Bumpers-Ausschuß entschie-den.22 Dieser sagte, daß er sich bei den bereits angestrebten Regulierungennicht unwohl fühlen würde, und daß er das auch von den anderen Mitgliederndes Panels sagen könne. Dies wurde als starkes Indiz gewertet, daß der NAS-Bericht eher frühe statt späte Maßnahmen empfiehlt (Wirth et al. 1982: 228).

22 Congress Hearings, 15.12.1976.

Die Kontroverse der siebziger Jahre 205

Die NASA, die 1975 vom Kongreß beauftragt worden war, bis 1977 eineEinschätzung vorzulegen, kam in Übereinstimmung mit dem NAS-Berichtvon 1977 zur Ansicht, daß die neu gemessenen Reaktionsraten eine Ver-schärfung des Problems bedeuteten. Man rechnete mit bis zu 16,5 ProzentOzonabbau auf der Basis der Emissionen von 1975 (NASA 1977: 6). Wäh-rend der öffentlichen Anhörungsperiode, die Einspruchsmöglichkeiten vor-sieht, versuchte die Industrie einen letzten Trumpf zu spielen. Mit einer neuenstatistischen Technik sei man in der Lage, den Ozontrend innerhalb von fünfJahren zu messen. Regulierungen sollten zurückgestellt werden, bis eine tat-sächliche Abnahme im Ozontrend festgestellt werden könne. Die Arbeits-gruppe wies diesen Antrag mit der Begründung zurück, daß im Falle not-wendiger Aktionen das regulatorische System der USA kein schnelles Han-deln zulasse.

Die EPA erhielt unter der novellierten Fassung des Clean Air Acts(7.8.1977) den Auftrag, die Auswirkungen menschlichen Handelns auf dieStratosphäre durch Vergabe und Überwachung entsprechender Forschungs-aufträge zu beobachten und dem Kongreß darüber Bericht zu erstatten. Au-ßerdem sollte sie über die Fortschritte der internationalen Kooperation zumSchutz der Stratosphäre berichten und Empfehlungen für weitere Forschungaussprechen (Wirth et al. 1982: 233). Der Kampf zwischen dem Vorsorge-prinzip und dem Abwarteprinzip wurde durch den Clean Air Act zugunstendes Vorsorgeprinzips entschieden. Er ermächtigte den Chef der EPA

to regulate any substance … which in his judgement may reasonably be antici-pated to affect the stratosphere, especially ozone in the stratosphere, if such effectmay reasonably be anticipated to endanger public health or welfare.23

Zentralen Stellenwert hatte der Satz, daß für Handlungen kein endgültigerBeweis vonnöten war, sondern eine begründete Wahrscheinlichkeit aus-reichte (»no conclusive proof … but a reasonable expectation«24). DieserAnsatz sollte die US-Position für die internationalen Verhandlungen prägen.

Praktische Urteilskraft

Die drei engagierten Wissenschaftler, die den Kern der Befürworterallianzbildeten, entwickelten beachtliche Fähigkeiten im Umgang mit der Öffent-lichkeit und den Massenmedien. Bei zahllosen Veranstaltungen mit Laien-publikum und bei Anhörungen im Kongreß gelang es ihnen, die Gefahren

23 Clean Air Act, 42 U.S.C. §7457(b), zitiert bei Benedick (1991: 23).24 EPA, »Protection of stratospheric ozone«, 52 Federal Register 47491 (1987).

206 Kapitel 4

überzeugend darzustellen. Sie entwickelten eine überzeugende politischeStrategie zum Schutz der Ozonschicht, die weit entfernt war von fundamen-talistischen Radikallösungen. Stattdessen machten sie Vorschläge zu einertechnischen Problemlösung. Damit konnten sie die Kontroverse aus demMuster Industrie/Umweltgruppen herauslösen. Sie schlugen zunächst dieErsetzung von nichtessentiellen FCKW-Anwendungen vor, vor allem alsTreibgas in Spraydosen. Das bedeutete für die USA bereits eine Emissions-minderung von circa 50 Prozent. Dieser pragmatische Vorschlag beruhte aufdem Kalkül, daß Ersatzprodukte vorhanden sind (zum Beispiel Pumpsprays,Propan/Butangemische als Treibgas) oder schnell entwickelt werden kön-nen; daß dies die größte nichtessentielle Einzelanwendung ist, und schließ-lich ein Symbol für frivolen Luxuskonsum.25 Andere Anwendungen, wiezum Beispiel in Kühlschränken und Klimaanlagen, sollten einstweilen ver-schont werden. Dieses Kalkül war so erfogreich, daß es Eingang in die Re-gulierung fand. Außerdem argumentierte diese Gruppe, daß bei Entschei-dung unter Unsicherheit der potentielle Nutzen für den Planeten unver-gleichlich größer wäre als der potentielle Schaden, sollte sich die Gefahraufgrund neuer Erkenntnisse als geringer erweisen als angenommen. Siebewiesen damit ein beachtliches Augenmaß im Umgang mit einer komple-xen Fragestellung.26 Mitte der siebziger Jahre entfielen über die Hälfte derWeltjahresproduktion von annähernd 700.000 Tonnen FCKW 11 und FCKW12 auf Aerosoltreibmittel. In den USA wurde davon der größte Teil in Kör-perpflegesprays eingesetzt (Abbildung 4-3).

Unerwartete Verbündete und Ressourcen

Die Unterstützerallianz mobilisierte auch unerwartete Akteure und Ressour-cen, wie die folgenden beiden Beispiele belegen. Im ersten Fall führte dieUmkehr der Beweislast zur Mobilisierung neuer Verbündeter, im zweitenFall wurden zusätzliche Verbündete gewonnen, weil die Problematik fürgravierender gehalten wurde, als ursprünglich angenommen. Die Analogie

25 »This seemed a sensible thing to do, had a large share on the market, it was a growingamount, it was direct emission to the environment and it was really a luxury type of item,there were competing technologies already there. They did not have to be developed,ranging from hand-pumps to different propellants« (Interview 13).

26 Während der ersten Anhörungen vor dem Bumpers Ausschuß wurden sie darin auch vonangesehenen und einflußreichen Wissenschaftlern aus anderen Gebieten unterstützt, sovon Harvey Brooks: »We have to prepare, if not to begin, limitation of the use of Freon fornonessential activities [such as cosmetics] or activities where there are relatively goodsubstitutes« (Congress Hearings, 782).

Die Kontroverse der siebziger Jahre 207

des Strafprozesses spielte in dieser Kontroverse von Anfang an eine wichtigeRolle. Ein Vertreter von Du Pont hatte argumentiert, man wolle keineLynchjustiz, sondern ein faires Verfahren für die angeklagten Chemikalien.Der Vorsitzende des Sachverständigenrates für Umweltfragen (CEQ), Rus-sell Peterson, prägte daraufhin die Formel: »Chemicals are not innocent untilproven guilty« (The New York Times, 18.9.1976). Diese neue Situationsdeu-tung, eine Umkehrung des herrschenden Beweislastprinzips in Strafverfah-ren, konterte das Argument der chemischen Industrie in geschickter Weise.Petersons Formel hatte vor allem deshalb Gewicht, weil er selbst über fünf-undzwanzig Jahre Du Pont-Mitarbeiter gewesen war, bevor er Gouverneurvon Delaware und schließlich Vorsitzender des CEQ wurde.

Bei den Anhörungen im Kongreß bescheinigte ein Abgeordneter denFCKW-Kritikern, ein ernstes Problem in verantwortlicher Weise formuliertzu haben, wodurch die Perzeption dieses Falls nicht in das Standardmusterder Auseinandersetzung zwischen Umweltaktivisten und Industrie fiel:

Mr. Chairman, when I came over here I thought we would have a hearing thatwould be a standard conflict between the environmentalists and industry and Ican only say I am stunned by what we have heard here. There has not been in-flammatory rhetoric or alarmist language but here we have some of the most dis-tinguished scientists in America telling us about the problem.(zit. bei Bastian 1982: 169)

208 Kapitel 4

The responsible CEQ staffer, Dr. Warren Muir, Senior Staff Member for Envi-ronmental Health, later revealed that he had relished the assignment of sortingout the fluorocarbon question as an opportunity to earn a »white hat« from in-dustry by debunking the fluorocarbon theory, since he already had a »black hat«because of his position on issues such as PCBs, asbestos, lead and toxic sub-stances legislation. He soon came to realize, however, that the fluorocarbonproblem was not going to disappear. (Bastian 1982: 169f.)

Eine zusätzliche Loslösung vom Standardmuster Umweltschützer versus In-dustrie wurde durch die Tatsache bewirkt, daß außer dem NRDC keineUmweltgruppe in nennenswertem Maß in den Fall involviert war. DerNRDC verfolgte vor allem eine professionell-juristische Strategie und weni-ger eine auf Panikmache beruhende Mobilisierung.

Eine unerwartete Mobilisierung von Ressourcen und Akteuren liegt imzweiten Beispiel vor. Nach der Entdeckung der Rolle von Chlornitrat, dieden quantitativen Ozonabbau etwas weniger dramatisch erscheinen ließ, be-tonte ein Teil der Unterstützerallianz, daß es zwar sein könne, daß kein gro-ßer Nettoverlust an Ozon (und deshalb kein vermehrtes Krebsrisiko auf-grund vermehrter UV-B-Strahlung) auftrete, es aber zu einer Änderung desTemperaturprofils der Stratosphäre und damit zu Klimaauswirkungen kom-me. Dieser frame switch wurde zwar als Ausweichmanöver kritisiert (vorallem von McElroy, siehe Dotto/Schiff 1978: 257), hatte in den Augen eini-ger Wissenschaftler jedoch seine Berechtigung. IMOS bildete ein Unter-kommittee Biological and Climatic Effects Research (BACER), das in ei-nem Langfristprogramm solche Klimaeffekte untersuchen sollte (Bastian1982: 181). Im ersten IMOS-Bericht waren diese Effekte noch nicht berück-sichtigt.27

Schufen das Chlornitrat-Problem und der Frame switch in Richtung Kli-ma kurzfristige Probleme für die Stabilität der Regulierungsallianz, so halfensie bei der Mobilisierung eines neuen Verbündeten. Paul Crutzen prophe-zeite, daß dieser Industriezweig bald geschlossen würde, wenn nicht ausbiologischen, dann aus klimatologischen Gründen.28 Das Temperaturprofilder Atmosphäre, das sich durch chemische Reaktionen im Anschluß an

27 »If you deplete ozone at 40 kilometers, it creates more ozone below. A lot of models can-celed that effect. So you have been really kicking the atmosphere, even in the 1981 mod-els. 2 percent gain down here would cancel 10 percent loss up there, because of more den-sity, that’s the way 1-d models worked for a while and that’s why the net effect tended tobe zero, or crossed zero. You were playing havoc with the atmosphere. Chemistry waschanging all over the place, but you got this cancellation« (Interview 15).

28 Science News, zit. bei Dotto /Schiff (1978: 257).

Die Kontroverse der siebziger Jahre 209

FCKW-Emissionen ergeben könnte, sah für ihn aus wie das »eines anderenPlaneten«. Jetzt wurde auch die 1975 aufgestellte These – die aber keinebreite Unterstützung gefunden hatte (Ramanathan 1975)29 –, wonach FCKWan sich schon ein effizientes Treibhausgas seien, wieder aufgegriffen. Crut-zens Stellungnahme kann als die eines wohlwollenden Kritikers gedeutetwerden (Abbildung 1-3), der die ursprünglichen Daten der MRH für nochstärker hält, als es die Autoren selbst ursprünglich gesehen hatten.

Rhetorische Strategien

Wie bereits deutlich wurde, sahen beide Lager im Urteil der beiden Evaluie-rungsinstitutionen IMOS und NAS eine Vorentscheidung der Kontroverse.Sie versuchten deshalb, deren Urteil während der Anhörungsverfahren mitallen möglichen Mittlen zu beeinflussen. Und auch nach Abschluß des Be-richts versuchten sie, den Urteilsspruch für sich zu vereinnahmen.

Von den FCKW-Kritikern wurde die Empfehlung der NAS, weitere zweiJahre für Forschung zu reservieren, bevor man mit der Regulierung beginne,als Einmischung in politische Angelegenheiten empfunden. David Pittle(CPSC), der der Befürworterkoalition nahestand, aber in der 3:2-Abstim-mung über die NRDC-Petition in der Minderheit geblieben war, sah in derEntscheidung über Regulierungen unter Unsicherheit keine wissenschaftli-che Frage, sondern eine gesellschaftliche, bei der viele, teilweise konfligie-rende Erwägungen eine Rolle spielten.30 Er kritisierte die NAS dafür, daß sieeine politische Einschätzung abgegeben habe (»zwei Jahre zu warten kannnicht schaden«). Pittle beschränkte die Funktion des Gremiums und den

29 »In 1975, Ramanathan came out with the first calculation that CFCs would contribute tothe greenhouse effect. R., [another scientist] then at General Motors, ran her model later in1975, and basically confirmed Ramanathan’s conclusions. But, she was not allowed topublish this result because (a) Ramanathan was then not very well known, and his paperwas being questioned – therefore not yet accepted, and (b) knowledge that CFCs had agreenhouse effect might be of competitive use to General Motors versus Ford orVolkswagen. I think also that confirmation by General Motors would have been taken asindustrial acknowledgment of the situation, foreclosing on the option to ignore Ramana-than, or to throw doubt on his conclusions. … R. was not only not allowed to publish – hercopies of her work were confiscated by General Motors. She did think that it was impor-tant, and told me. In Geneva, later that year, when Ramanathan’s work came up, and oneof the meteorological types questioned it, I was able to say that the work seemed to bequite credible, and in fact had been confirmed by one industrial scientist not at liberty topublish results. There was no publication of the confirmation, but the grapevine knew thatRamanathan was basically correct« (Interview 16).

30 Chemical and Engineering News, 27.9.1976.

210 Kapitel 4

Wert seiner Aussage auf die technischen Aspekte; die Politikempfehlungenwerden davon ausgenommen. Sie sollten nicht mehr Gewicht tragen als dieanderer informierter Bürger auch (The New York Times, 18.9.1976).

Ein Du Pont-Sprecher verfolgte die spiegelbildliche Strategie. Er betontedas Gewicht der prestigereichsten wissenschaftlichen Institution des Landes,die zum Schluß gekommen sei, daß weitere zwei Jahre Passivität keinengroßen Schaden anrichten könnten. Hier wurde das Votum der NAS zu ei-genen Zwecken instrumentalisiert, da diese Schlußfolgerung mit der eigenenPosition übereinstimmte. Das rhetorische Vehikel dazu ist die symbolischeAufladung einer Institution bei gleichzeitiger Ausklammerung des Befundes,daß dieselbe Institution Regulierungen für unvermeidlich hält. Man hoffte,durch abermaligen Zeitgewinn doch noch eine Widerlegung der Theorieoder zumindest das Verschwinden des Problemdrucks zu erreichen.

Angesichts der Unsicherheiten in den Modellrechnungen war in der Tatnicht mit rein wissenschaftlichen Methoden zu entscheiden, ob und wenn ja,wie stark FCKW reguliert werden sollten. Hier hatte jede Seite ihre Lesart.Die Industrie folgte dem Slogan »Unschuldig bis zum Schuldbeweis« wäh-rend die Kritiker daraus die Notwendigkeit besonderer Vorsichtsmaßnahmenableiteten. Die Frage war, ob die Unsicherheiten der Rechenmodelle ein Ar-gument für oder gegen Regulierung darstellen. Ein Fehlerfaktor von 2 in denModellen bedeutet, daß das Problem halb so groß, aber auch doppelt so großsein kann, wie der Atmosphärenwissenschaftler Ralph Cicerone bei Anhö-rungen hervorhob.31

Die uneinheitlichen Reaktionen, die es sowohl auf politischer wie auchauf ökonomischer Ebene gab, erschwerten den Stand der Industrie. VieleBundesstaaten erwogen eigene Maßnahmen. Zehn Staaten schlossen sich derPetition des NRDC an. Oregon und New York beschlossen künftige Maß-nahmen zum Verbot von FCKW-haltigen Spraydosen, und dreizehn andereStaaten hatten ähnliche Gesetze in Vorbereitung. In einer solchen Situationist den FCKW-Produzenten daran gelegen, vor allem einheitliche Regelun-gen zu haben, auch wenn diese auf eine Einschränkung eines Anwendungs-bereichs hinauslaufen.

Ein Teil der Industrie brach die Solidarität. Obwohl kein Produzent undkein großer Anwender von FCKW, versetzte die Firma Johnson Wax derFCKW-Allianz einen psychologischen Schlag, indem sie im Juni 1975 an-kündigte, keine FCKW mehr in ihren Produkten einzusetzen.

31 Congress Hearings, Statement Cicerone, 949.

Die Kontroverse der siebziger Jahre 211

Die Reaktion der Konsumenten war deutlich. Zwischen 1975 und 1977ging der Verbrauch an FCKW in privaten Haushalten um über 20 Prozentzurück. Eine von der chemischen Industrie durchgeführte Meinungsumfragezeigte bereits 1975 einen deutlichen Einbruch in der Beliebtheit der Spray-dosen.32

Konzipiert man den Erfolg der Regulierungsbefürworter als selbstver-stärkenden Feedback loop, so hatte die Ausgangskonstellation (Problemdefi-nition und mögliche Lösungsvorschläge durch die Regulierungsallianz) struk-turierende Wirkung. Ein Atmosphärenwissenschaftler äußerte über denStellenwert von Molinas und Rowlands Publikation: »Damit haben sie dasFeld schon am Anfang abgeräumt, sie ließen keinen Aspekt, der sich damalsdenken ließ, unbeachtet« (Interview 26). Es gelang einem relativ kleinenKern von Akteuren in relativ kurzer Zeit, Ressourcen und neue Verbündetezu mobilisieren.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß sich verschiedene Prozesse gegen-seitig verstärkten. Die Aufmerksamkeit der Medien führte dazu, daß dasThema auf die politische Agenda gesetzt wurde. Durch parlamentarischeAnhörungen wurde zusätzliche Öffentlichkeit geschaffen. Die Ausschußvor-sitzenden zeigten sich wohlwollend gegenüber den kritischen Wissenschaft-lern. Einzelne Staaten begannen, Gesetze zu erlassen, und die Konsumentenwandten sich von den Spraydosen ab. Um eine bundesweite Regulierung zulegitimieren, warteten die in IMOS versammelten Ministerien das Votumder NAS ab. Ihr wuchs damit eine entscheidende Rolle zu; in gewisser Wei-se entschied sie über den Ausgang der politischen Streitfrage.

4.2 Deutschland

4.2.1 Das Umfeld der Ausgangshypothese

Institutionell-politische Opportunitätsstrukturen

Es ist wohl keine Übertreibung, wenn man sagt, daß die Problematik desUmweltschutzes Ende der sechziger Jahre aus den USA importiert wurde.33

Zwar hatte die SPD schon 1961 den Wahlkampf mit dem Slogan »Blauer

32 Aerosol Age, Juni 1975.33 Die Darstellung in diesem Abschnitt stützt sich auf Küppers et al. (1978), Müller (1986)

und Timm (1989).

212 Kapitel 4

Himmel über der Ruhr« geführt, und noch davor hatte die interparlamentari-sche Arbeitsgemeinschaft Grundsätze zum Umweltschutz beschlossen (Bur-henne/Kehrhahn 1981). Dies waren jedoch sporadische Versuche, die dasThema nicht dauerhaft auf die politische Agenda setzen konnten. Der An-stoß zur Politisierung des Umweltschutzes erfolgte um 1970 durch interna-tionale Organisationen. Europarat, Vereinte Nationen, NATO und OECDbrachten das Problem Umwelt auf die Tagesordnung. 1972 erschien der ersteBericht des »Club of Rome« (Meadows et al. 1972) und im selben Jahr fandin Stockholm die erste UN-Umweltkonferenz statt (Thacher 1992), auf diesich die Bundesregierung auch programmatisch vorbereitete.

Das Thema Umwelt kam von außen über internationale Organisationenauf die bundesdeutsche Tagesordnung, zum anderen innerhalb der Parteienund der Ministerialverwaltung über die Rezeption amerikanischer Ansätze.Es schien sich als neues Thema auch wegen seiner hohen Konsensfähigkeitzu eignen. Folgt man Küppers et al. (1978: 124), dann waren es weder (po-pulär-)wissenschaftliche Arbeiten noch die Massenmedien, die eine Politi-sierung des Umweltthemas bewirkt haben, sondern die Politik. Diese ver-folgt dabei keinen Neuansatz, sondern versucht, bekannte Teilprobleme zu-sammenzufassen:

Das Sofortprogramm … weist auch in seiner endgültigen Form noch stark dieStruktur einer nachträglichen Zusammenfassung bereits laufender Gesetz-gebungsvorhaben auf. (Küppers et al. 1978: 129, Hervorh. im Original)34

1969 wurden im Zuge der Verwaltungsreform dem Innenministerium dieKompetenzen in Sachen Umweltschutz übertragen. Ausnahmen waren dieLandschaftspflege und der Naturschutz, die beim Landwirtschaftsministe-rium verblieben. Das BMI war ein FDP-Ressort, in dem Innenminister Gen-scher versuchte, die Linie »alte Zöpfe abschneiden« durch das im September1970 verabschiedete Sofortprogramm Umweltschutz zu konkretisieren. Ererhielt vom Kanzleramt Unterstützung durch Ehmke, der selbst unter demEindruck der amerikanischen Umweltaktivitäten stand. Auf Initiative vonBundeskanzler Brandt wurde ein Kabinettsausschuß für Umweltfragen(»Umweltkabinett«) gebildet, dem der ständige Abteilungsleiterausschuß(STALA) zuarbeiten sollte. Da das Umweltkabinett äußerst selten tagte, fieldem STALA unter Vorsitz des BMI-Staatssekretärs die Regie zu. Ende 1970wurde das Programmplanungsreferat »Umweltkoordinierung« im BMI ge-gründet. Dessen Leiter Peter Mencke-Glückert war durch einen Aufenthalt

34 Vgl. hierzu auch Feick /Hucke (1980); Hucke (1990).

Die Kontroverse der siebziger Jahre 213

in den USA ebenfalls von der amerikanischen Umweltpolitik beeindruckt.Seine Programmformulierung war stark durch amerikanische Vorbilder in-spiriert.

Er war ein Mann von großer Begeisterungsfähigkeit, mit vielen guten Ideen,gründlicher Kenntnis der internationalen Forschung und beträchtlicher Durchset-zungskraft. Das Konzept, das er in kurzer Zeit erarbeitete, wurde ein voller Er-folg, ja geradezu eine Blaupause für die europäische Umweltpolitik. Der Ent-wicklung des öffentlichen Bewußtseins lag es weit voraus.(Genscher 1995: 127)

Das 1971 vom Bundeskabinett verabschiedete Umweltprogramm hatte Vor-bildfunktion für eine Vielzahl ähnlicher Programme von Parteien und Ver-bänden. In ihm wurden die drei Grundprinzipien der deutschen Umweltpoli-tik formuliert, die bis heute Gültigkeit haben: das Vorsorge-, das Verursa-cher- und das Kooperationsprinzip (Müller 1989).35 Im selben Jahr gründetedas BMI den Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), der eine wichti-ge Unterstützerfunktion für den Umweltschutz übernehmen sollte: Analogzum amerikanischen Vorbild sollte er durch periodische BerichterstattungFehlentwicklungen aufzeigen und Maßnahmen vorschlagen.36 Entspricht dieRechtsstellung des SRU eher der eines Hilfsorgans eines Ministeriums alsder eines unabhängigen Sachverständigengremiums, so steht er »von der fak-tischen Ausgestaltung … dem Konjunkturrat … näher als einem ministeri-ellen Beirat« (Timm 1989: 114).37 Das Selbstverständnis des SRU ist durchdas Gebot der Abwägung widersprüchlicher Ziele gekennzeichnet, nämlichökonomische und ökologische Gesichtspunkte zu vereinbaren. Er will Um-weltpolitik deshalb nicht prioritär betreiben, sondern nur dann, wenn einewesentliche Beeinträchtigung der Lebensverhältnisse droht oder die langfri-

35 Obwohl gesetzlich verankert, spielte das Vorsorgeprinzip bei der FCKW-Diskussion dersiebziger Jahre keine Rolle; vgl. Weidner (1989) zum allgemeinen Stellenwert dieser Prin-zipien.

36 »Nach dem Vorbild der USA wollte auch die Bundesregierung mit ihrem Umweltpro-gramm vom 29. September 1971 … Umweltschutz auf eine ganz neue planerische Grund-lage stellen. Das amerikanische Nationale Umweltpolitikgesetz … von 1969 war ebensowie die Errichtung einer zentralen amerikanischen Umweltbehörde (EPA) Blaupause fürdie umweltstrategischen Erwägungen der Bundesregierung und der KoalitionsparteienSPD und FDP« (Mencke-Glückert 1990: 243).

37 Trotz seiner schwachen Rechtsposition hat der Rat sowohl eigene Themenvorschlägedurchgesetzt, als auch eingeforderte Gutachten nicht bearbeitet und sich darüber hinausder expliziten Vorschrift zur periodischen Begutachtung der Umweltsituation weitestge-hend entzogen, so das Resümee von Timm (1989: 170f.).

214 Kapitel 4

stige Sicherung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung gefährdet ist (Ratvon Sachverständigen für Umweltfragen 1978: 577; vgl. Timm 1989: 239).38

Das 1974 als Beratungsbehörde des BMI gegründete UBA bleibt räum-lich vom SRU getrennt. UBA und SRU haben kaum Mittel zur eigenen For-schung (H.-J. Luhmann 1991).

Welche organisatorische Struktur ist der Bearbeitung von Umweltproble-men angemessen?39 Zur Beantwortung dieser Frage setzte das BMI im De-zember 1970 ein Gutachtergremium (Picht-Komission) ein, dessen zentraleBotschaft lautete, daß der systemische Charakter von Umweltproblemen einegrundlegende Neuorganisation von Verwaltungsstrukturen erfodere. ÄhnlichNixons Vorgabe an die EPA wurde festgestellt, daß bestehende Ressortab-grenzungen zu einer Departementalisierung der Probleme führten (in dieUmweltmedien Wasser, Luft und Boden) und deren Lösung dadurch un-möglich mache.40 Der vernetzte Charakter ökologischer Probleme erfordereentsprechende flexible Institutionen. Die Hoffnung des BMI, durch Schaf-fung einer neuen oder durch Zentraliserung bestehender Bundesanstalten dasExpertenwissen zu mobilisieren und durch die Picht-Kommission Unterstüt-zung zu erhalten, wurde allerdings enttäuscht. Die Picht-Kommission unter-stützte zwar einerseits Bestrebungen im BMI, eigene wissenschaftliche For-schungs- und Beratungskapazitäten zu bekommen, andererseits sprach siesich gegen die Gründung neuer Bundes- oder Landesanstalten aus. Das inden bestehenden Bundes- oder Landesanstalten produzierte monodisziplinä-re Expertenwissen wurde als ausreichend eingeschätzt, sofern es durch einenBeraterstab zusammengefaßt werde, der die Vermittlung zwischen wissen-schaftlichen Informationen und politischem Handeln vornimmt.

Georg Picht hat eine Kommission geleitet über die geeignete Form der wissen-schaftlichen Beratung in Umweltfragen für die Bundesregierung. Der Vorschlagdieser Kommission war einfach: keine neuen Behörden, kein UBA, nicht dieamerikanische Linie, sondern interdisziplinäre Projektgruppen, in der Regel sechs

38 Die Orientierung auf Ausgewogenheit macht klar, daß der SRU nicht die Position einesSprechers diffuser Umweltinteressen einnimmt. Gleich zu Beginn des Umweltgutachtensvon 1978 heißt es über die Zielsetzung des Rates: »Seine Gutachten sollen … nicht ein-seitige oder parteiliche Plädoyers für den Umweltschutz sein …« (Rat von Sachverständi-gen für Umweltfragen 1978: 13).

39 »Was ist die geeignete Organisationsform für die wissenschaftliche Beratung der Bundes-regierung und die Durchführung von nicht-ministerieller Tätigkeit, besonders des Bundes-ministeriums des Innern in seinem Geschäftsbereich in Fragen der Umweltgestaltung unddes Umweltschutzes?« (zit. bei Küppers et al. 1978: 140).

40 H.-J. Luhmann (1991) beschreibt, wie die Trennung in Umweltmedien die Entdeckungund Erklärung des Waldsterbens behindert hat.

Die Kontroverse der siebziger Jahre 215

Monate dauernd (maximal zwei Jahre), die am konkreten Fall arbeiten, ihn zumEntscheidungsvortrag bringen und dann aufgelöst werden. (Interview 12)

Die Regierung folgt nicht dem Ratschlag der Picht-Komission, sondern ent-scheidet sich für eine Lösung, die den systemisch-ökologischen Aspekt aus-klammert. Die Zuständigkeiten werden an bestehende Ressorts angegliedert(Küppers et al. 1978: 157f.). Das UBA, das dem BMI nachgeordnet ist, er-hält die eingeforderten wissenschaftlichen Institute bei seiner Gründungnicht. War im Umweltprogramm von 1971 noch die Absicht erkennbar, einBundesamt für Umweltschutz einzurichten (mit einer Personalstärke von850 Mitarbeitern), so betrug die Zahl bei der Gründung des in seiner Funktionbeschnittenen Umweltbundesamtes im Jahr 1974 ganze 173, und stieg bis1982 auf 439 (Müller 1986: 70).

Am 23. Juli 1974 trat das Gesetz über das Umweltbundesamt, das UBA-Gesetz,in Kraft. Mancher Punkt des ursprünglichen Entwurfs war in den mühsamen Ab-stimmungsverfahren mit zahlreichen betroffenen Ressorts auf der Strecke geblie-ben. So konnte das wohl älteste und renommierteste Umweltinstitut Europas, dasInstitut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Bundesgesundheitsamtes, ob-wohl es seinen Sitz in Berlin hatte, nicht in das neue Amt eingegliedert werden. (Genscher 1995: 134)

Erst 1994 wird das Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene vom Bun-desgesundheitsamt an das UBA abgegeben (Fülgraff 1994). Nunmehr istman zumindest auch im UBA bestrebt, die Trennung der UmweltmedienWasser, Luft und Boden aufzuheben.

Müller (1986) unterscheidet drei Phasen der Umweltpolitik in Deutsch-land: eine offensive (1969 bis 1974), eine defensive (1974 bis 1978) und ei-ne Erholungsphase (1978 bis 1982). Der eigentliche Beginn der defensivenPhase fällt in das Jahr 1975, als die Bundesregierung in einer Klausurtagungmit Industrie, Gewerkschaften und Umweltschutzressort die Reaktionen aufdie Wirtschaftskrise erörterte. Während dieser Tagung, die als »GymnicherGespräche« bekannt wurden, bildeten Industrie und Gewerkschaften eineAllianz, die drei Thesen auf die Tagesordnung setzte: den durch langwierigeGerichtsverfahren entstandenen »Investitionsstau«, die Gefährdung der Ener-gieversorgung durch zu strenge Auflagen zur Luftreinhaltung und die Be-drohung von Arbeitsplätzen durch den Umweltschutz. Die Bundesregierungschloß sich dieser Allianz weitgehend an. Aus wirtschaftlichen Gründensollten Abstriche von zentralen Prinzipien der Umweltpolitik gemacht wer-den; so sollte es in Ausnahmefällen möglich sein, das Verursacherprinzipdurch das Gemeinlastprinzip zu ersetzen.

216 Kapitel 4

Bundeskanzler Schmidt hat da gesagt, daß der Umweltschutz aus Kostengründenzurückstecken muß. Das galt einmal für das Katalysator-Auto, aber auch für dieganzen Projekte und Verordnungen im Bereich der Chemie. Das war alles beein-flußt durch Kohle, Stahl und die Ruhr. Es spielt eine große Rolle für einen SPD-Kanzler, das größte SPD-Land zu behalten. Dazu gehörte auch die Großfeue-rungsverordnung, die auf die lange Bank geschoben wurde bis Anfang der acht-ziger Jahre. Da wurde ökonomisch argumentiert. (Interview 12)41

Das einzige Umweltproblem, das in der zweiten Hälfte der siebziger JahreAufmerksamkeit erzielte, war das Kernkraftproblem, das so dominant war,daß es alle anderen Probleme überdeckte (Müller 1986: 104). In der defensi-ven Phase setzte die Bundesregierung bereits vorbereitete Gesetzesvorhabenum, leitete aber keine neuen Initiativen ein; es wurden allerdings auch keineUmweltgesetze zurückgenommen. Doch geriet die Umweltlinie des BMI indie Defensive. Der Terrorismus absorbierte die Aufmerksamkeit des Innen-ministers, der zudem durch das Erstarken des Wirtschaftsflügels in seinerPartei isoliert wurde. Die daraus resultierende Konfliktvermeidungsstrategieentzog der Befürworterallianz einen potentiell lautstarken Verbündeten undmöglichen Sprecher. In der Erholungsphase (1978 bis 1982) gewann der In-nenminister die Inititative zurück, nicht zuletzt durch die Politisierung desUmweltschutzes aufgrund der Wahlgewinne grüner Parteien.42 Seine Kon-fliktbereitschaft wurde allerdings von der eigenen Bürokratie gebremst, diesich so sehr an die einvernehmlichen Verhandlungsprozesse mit der Indu-strie gewöhnt hatte. Sie verharrte in der »gelernten Hilflosigkeit« (Müller1986: 466). Dadurch konnte der neu entstandene Handlungsspielraum nichtvoll ausgeschöpft werden. Man wollte ökologische Eckwerte formulieren,um vom eher technisch verstandenen Umweltschutz zu einer Konzentrationauf ökologische Vernetzungen überzugehen. 1979 verkündete der BMI-Staatssekretär gar, die Zeit sei reif für eine »ökologische Wende«, konntesich damit aber nicht gegenüber dem Landwirtschaftsministerium und derIndustrie durchsetzen, in deren Zuständigkeit ein Teil der Umweltaufgabenverblieben war (Müller 1986: 128ff.). Bis zum Ende der sozialliberalen Koa-lition 1982 war das Thema Umwelt nie zur politischen Profilierung benutztworden, auch nicht im Bundestagswahlkampf von 1980.

41 Die Literatur sieht dies teilweise positiver, so Müller (1986) und Timm (1989).42 »Durch die Vollbremsung Schmidts haben sich die grünen Gruppen zur Partei formiert,

vor allem die junge Generation war dabei. Es entstanden immer mehr großflächige Um-weltprobleme, und die Medienaufmerksamkeit wuchs, es geschah ungeheuer viel. Dawuchs das Bewußtsein, daß die gesamte Politik ökologisch sehr viel mehr getönt werdenmuß« (Interview 12).

Die Kontroverse der siebziger Jahre 217

Wissenschaftliche Randbedingungen

Die Stratosphäre war in Deutschland Mitte der siebziger Jahre kein For-schungsschwerpunkt. Dieser wurde aufgrund der FCKW-Problematik erstlangsam aufgebaut. Die Luftchemie hatte ihren Schwerpunkt in der Tro-posphäre, wo durchaus Forscher mit internationaler Reputation zu findenwaren, zum Beispiel Prof. Junge am Max-Planck-Institut für Chemie inMainz. Von 1979 bis 1985 hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft denSonderforschungsbereich »Atmosphärische Spurenstoffe« an den Universi-täten Mainz und Frankfurt finanziert, der von den Professoren Georgii, Jae-nicke, Junge und Warneck geleitet wurde (DFG 1985: 30ff.).

4.2.2 Die Rezeption der Ausgangshypothese

Nachrichten aus den USA

Über zwei Kanäle gelangten die amerikanischen Entwicklungen nachDeutschland.43 Zum einen über die deutsche Botschaft in Washington, diezu verschiedenen Zeitpunkten der Bundesregierung über das AuswärtigeAmt (AA) und dem BMI eine Lageeinschätzung übermittelte. Zum anderenaufgrund persönlicher Kontakte von Rowland zu einem Mitarbeiter desUBA, der ebenfalls in den USA umweltpolitisch aktiviert worden war(Interview 52).

In Deutschland blickte man auf die amerikanische Diskussion und fragtesich: Was bedeutet das für uns? Man sah die amerikanische Überlegenheitauf diesem Forschungsgebiet und entschied, daß die Bundesrepublik nur ei-nen bescheidenen Beitrag zur Forschung leisten kann. Das Innenministeriumformulierte im November 1974 in einem internen Vermerk als wichtigeAufgabe die Feststellung des deutschen Produktionsumfanges und den Gradder Luftverunreinigung durch diese Stoffe. Es wurde Kontakt zur HoechstAG aufgenommen, einem von zwei FCKW-Herstellern in Deutschland (derandere ist die Kali-Chemie). Beide Firmen stellten zusammen etwa 15 Pro-zent der Weltproduktion her. Die politische Devise im Hinblick auf Regulie-rungen und Ersatzstoffe lautete: abwarten, was die Forschung in den USAerbringt. Endgültige Ergebnisse werden nicht vor 1977 erwartet.

43 Als Quellen für diesen Abschnitt wurde Archivmaterial des UBA ausgewertet, das mirfreundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde.

218 Kapitel 4

Die deutsche Botschaft in Washington teilte dem AA im Juli 1975 mit,daß die IMOS-Studie keine unmittelbaren Auswirkungen haben werde, daman in den USA auf den NAS-Bericht warte. Im August 1975 beantwortetedas BMFT eine Anfrage in der Weise, daß die Bundesregierung die Molina-Rowland-Hypothese für wissenschaftlich nicht hinreichend belegt halte, umKonsequenzen ziehen zu können. Die Bundesregierung wollte die Ergebnisseeingeleiteter Forschungsarbeiten aus den USA abwarten, um eine »sichereBewertung des Problems vornehmen zu können«. Dadurch wurde die Linieder deutschen Politik weitgehend festgelegt; das Argument, man wisse nochnicht genug, um Konsequenzen ziehen zu können, sollte sich in den nächstenJahren ebenso wiederholen wie die Hoffnung auf eine künftige endgültigeoder sichere Bewertung des Problems.

Im Dezember 1975 informierte die deutsche Botschaft die Bundesregie-rung, daß im amerikanischen Kongreß eine Gesetzesvorlage zur Regulierungvon FCKW eingebracht worden sei, deren Verabschiedung für wahrschein-lich gehalten wurde. Darin wurde die EPA zur Koordination von Forschun-gen auf dem Gebiet von FCKW und Ozon beauftragt, die spätestens nachzwei Jahren in Regelungen umgesetzt werden sollten.

Deutsche Reaktionen

Zur selben Zeit wurde eine wissenschaftliche Kooperation zwischen demMPI für Chemie in Mainz und der Hoechst AG vereinbart. Die MPI-Wissen-schaftler betonten die Notwendigkeit genauer Datenerhebung über die Welt-produktion von FCKW, die von den Hoechst-Vertretern versprochen wur-den.44 Ende September 1975 fand eine Tagung zur Vorbereitung eines deut-schen Forschungsprogramms statt, an der Wissenschaftler, Vertreter vonHoechst und das UBA teilnahmen. Als Schwerpunkte künftiger Forschungwerden unter anderem genannt:

– Quellen und Senken von FCKW;– Analysetechnik;– Messungen in der Stratosphäre;– Modellrechnungen;– Wirkung von UV-Strahlung.

44 Es sollte mehr als zehn Jahre dauern, bis dieses Versprechen für die deutschen Zahlen ein-gelöst wird.

Die Kontroverse der siebziger Jahre 219

Der erste Punkt wurde als potentiell entlastend für die Industrie angesehen,weshalb sie sich an der Finanzierung beteiligen sollte. 1976 lief das For-schungsprogramm an, in dem 14 Projektvorhaben mit einer durchschnittli-chen Laufzeit von 3 Jahren und einem Gesamtvolumen von 14,7 Mio. DMfinanziert wurden.

Folgende administrative Zuständigkeiten wurden festgelegt: Das BMFTist für die wissenschaftlichen Aspekte zuständig, das BMI für Produktions-und Verbrauchsdaten, das UBA für die Koordinierung aller F&E-Arbeiten.Das UBA sollte außerdem Grundlagen für Maßnahmen erarbeiten. Der deut-sche Standpunkt für eine 1976 geplante internationale Tagung in Washing-ton sah wie folgt aus: Die Befürchtungen der Wissenschaftler bezüglich ei-nes möglichen Ozonabbaus werden ernst genommen, die vorliegenden Er-kenntnisse lassen aber derzeit keine Beurteilung zu.

4.2.3 Die Koalitionen, ihre wichtigsten Akteure und Ressourcen

Folgt man dem in Kapitel 1 entwickelten und oben angewandten Ansatz,kann man auch hier wieder zwischen den wichtigsten Akteuren, Ressourcenund neuen Verbündeten unterscheiden.

Die Unterstützerkoalition

Obgleich nur in embryonaler Form, gibt es auch in Deutschland zwei Allian-zen, die konträre Positionen beziehen und das Thema entsprechend aufbe-reiten. Man könnte das Umweltbundesamt und Hoechst als Sprachrohre ih-rer jeweiligen »senior partners« in den USA bezeichnen. Auffallend ist dasFehlen eines Äquivalents für die IMOS-Task-force und die National Aca-demy of Sciences in Deutschland. Man verläßt sich in Deutschland zunächstauf die Ergebnisse dieser US-Institutionen. Auch fehlen in Deutschland öf-fentliche Parlamentsanhörungen zu dieser Frage. Die Regulierungsallianz istzudem dadurch behindert, daß das UBA dem BMI nachgeordnet ist, sich alsneugegründete Behörde zurückhält und keine eigene Linie in die Öffentlich-keit trägt. In den ersten beiden Jahren der Kontroverse gibt es in Deutsch-land keine eigenständige wissenschaftliche Stratosphärenforschung. AlleDaten kommen aus den USA beziehungsweise Großbritannien. Erst nach1975 laufen die Forschungen an. Angesichts dieser Sachlage sind personelleRessourcen umso bedeutender. Durch sie lassen sich wissenschaftliche Da-ten in geeigneter Weise präsentieren. Oft findet hier eine Repräsentation der

220 Kapitel 4

Repräsentation statt, indem ein wissenschaftliches Datum ohne weitere Um-stände unter Berufung auf ihren Autor eingeführt wird. Die Auseinanderset-zung zwischen Regulierungsallianz und ihren Gegnern hat alle Merkmaleeines Stellvertreterkrieges.

Im Frühjahr 1975 nahm die UBA-Pilotstation Frankfurt Kontakt auf zuDieter Ehhalt und Paul Crutzen (NCAR und NOAA Boulder, USA). Ehhaltkam 1974 aus den USA an die Kernforschungsanlage Jülich und war Mit-glied des NAS-Panels von 1974/75. Crutzen hatte die Rolle von NOx alsOzonvernichter entdeckt. Er hielt Produktionsbeschränkungen in den USAfür sehr wahrscheinlich und sah eine gute Übereinstimmung zwischen FCKW11-Produktionsmengen und Konzentrationsmessungen. Dies hieß, daß tropo-sphärische Senken ausgeschlossen wurden und die Lebenszeit der Stoffeeher lang ist.

Rowland besuchte das UBA im September 1975 und März 1976. Beimersten Besuch erklärte er sich bereit, bei der Darstellung und Interpretationdes wissenschaftlichen Erkenntnisstandes mitzuwirken. Er gab dem UBAjedoch auch den Rat, eine Darstellung aus industrieller Sicht mit aufzuneh-men, um dem Vorwurf einer einseitigen Interpretation vorzubeugen. Er hieltwie das UBA ein deutsch-amerikanisches Forschungsprogramm innerhalbeines bilateralen Umweltabkommens für sehr wünschenswert – eine Hoff-nung, die nicht in Erfüllung ging. Beim zweiten Besuch stand die Frage dertroposphärischen Senken im Mittelpunkt, die er für nicht existent hielt. Erwies außerdem auf die geplanten Ballonmessungen Andersons hin, die ClOin der Stratosphäre messen sollten. Beim Nachweis von ClO könne die Mo-lina-Rowland-Hypothese als gesichert gelten.

Mitte Mai 1976 stellte das Batelle-Institut eine vom BMI angeforderteStudie im UBA vor. Die Studie hielt die Molina-Rowland-Hypothese im we-sentlichen für zutreffend, aber einzelne Schritte und Schlußfolgerungen fürwenig belegt, vor allem die Wirkung verstärkter UV-Strahlung auf Pflanzen.Die Rolle des UBA als FCKW-Kritiker war prekär. Es wollte sich nicht sehrstark profilieren, nahm Rücksicht auf die Bedürfnisse der Industrie und vor-gesetzter Behörde (BMI) bei vertraulicher Behandlung der Angelegenheit.

Die Gegenkoalition

Das Sprachrohr der Gegenallianz war die Hoechst AG. Auch sie versuchte,wie die Gegenallianz in den USA, die »Löcher« in der Molina-Rowland-Hypothese zu finden. Anfang 1975 schätzte Hoechst die gesamte Weltpro-duktion. Anders als von Rowland und Molina behauptet, sah Hoechst keine

Die Kontroverse der siebziger Jahre 221

Kongruenz von kumulierter Weltproduktion und Atmosphärenkonzentration.Die Zahl von Hoechst weicht gegenüber allen anderen erheblich nach obenab, was die Vermutung nahelegt, daß man zu diesen hohen Zahlen gegriffenhat, um die Existenz von Senken plausibel zu machen.45 Auch andere Teileder Molina-Rowland-Hypothese wurden von Hoechst bestritten, so die Was-serunlöslichkeit von FCKW und sogar die Photolyse in der Stratosphäre.46

Im Oktober 1975 ging Hoechst in die Offensive. Unter Berufung aufLovelock wurde behauptet, daß höchstens 20 Prozent des Chlorgehalts derAtmosphäre den FCKW zuzuschreiben seien. Unter Berufung auf Watsonwurden die Reaktionskonstanten von zwei für den Ozonabbau wichtigen Re-aktionen um den Faktor 1,6 beziehungsweise 2 nach unten korrigiert. UnterBerufung auf Crutzen wurde das Ausmaß der hypothetischen Ozonzerstö-rung als 2 bis 3mal kleiner berechnet, als ursprünglich angenommen. Weiterwurde argumentiert, daß die stratosphärische Ozonmenge eine natürlicheSchwankung aufweise, die viel größer sei, als der angeblich durch Chlorverursachte Verlust. Hoechst stellte die rhetorische Frage, ob dieses Problem»überhaupt noch eine überdurchschnittliche ökologische Aufmerksamkeitverdient«.

Nach Veröffentlichung der NAS-Studie konnte Hoechst diese Linie nichtlänger halten. Zur Erinnerung: Die NAS hatte empfohlen, innerhalb vonzwei Jahren regulatorische Maßnahmen zu ergreifen. Hoechst baute nun-mehr auf eine ozeanische Senke, wodurch sich der Ozonabbau von 7 auf 6Prozent (!) verringern würde. Außerdem wurde der relative Beitrag verschie-dener FCKW beim Ozonabbau betont; FCKW 11 sei nur zu 2 Prozent,FCKW 12 dagegen zu 4 Prozent beteiligt. Hoechst konnte diesen Effekt abernicht quantifizieren, da hierzu komplizierte Modellrechnungen notwendigwären, die man selbst offenbar nicht durchführen konnte.47

Zwei Dinge fallen hier ins Auge: Erstens bezweifelte Hoechst essentielleTeile der Molina-Rowland-Hypothese, die in den USA auch von Du Pontweitgehend akzeptiert worden waren; zweitens konnte man nicht auf eigeneForschung zurückgreifen, man behalf sich mit (Über-)Interpretationen ande-rer Quellen und hausgemachten Ad-hoc-Einschätzungen. Du Pont stand derwissenschaftlichen Forschung aufgeschlossener gegenüber, was unter ande-rem darin zum Ausdruck kam, daß Wissenschaftler mit guter Reputation an-

45 Die Zahl von Hoechst lag bei 10 Mio. Tonnen FCKW 11 und 12. Du Pont schätzte diekumulierte Weltproduktion auf circa 6 Mio. Tonnen.

46 Bericht der Pilotstation Frankfurt des UBA, 22.1.1975.47 Brief an das UBA, 1.12.1976.

222 Kapitel 4

gestellt und Anstrengungen auf dem Gebiet der Modellierung unternommenwurden.48 Hoechst betrieb ausschließlich Produktverteidigung.49

Im August 1976 besprachen Vertreter von Hoechst und Kali-Chemie dieProblematik im Innenministerium. Die Industrievertreter waren der Ansicht,daß eine Beeinträchtigung der Ozonschicht durch FCKW »heute noch weni-ger belegt« werden könne als im Jahr zuvor. Sie befürchteten jedoch, daß esin den USA aus politischen Gründen dennoch zu einem Verwendungsverbotkommen könne. Sie wiesen darauf hin, daß sich der Chlorgehalt der Atmo-sphäre durch Treibgase nur um circa 10 Prozent erhöhen würde. Diese Mei-nung blieb unwidersprochen. Das BMI teilte die Auffassung der Industrie,daß keine Notwendigkeit zu gesetzgeberischen Maßnahmen bestehe. Die ge-setzliche Grundlage dafür wäre der § 35 des Bundesimmissionsschutzgeset-zes, für dessen Anwendung ein nachweisbarer Schaden vorliegen müßte.

Hoechst informierte ausgewählte Teile der Öffentlichkeit durch das Infor-mationsblatt Frigen Information (Frigen ist der Markenname für die vonHoechst produzierten FCKW). Wegen der befürchteten »unsachlichen undspekulativen Verwertung« hielt man eine »breite Streuung von Informatio-nen über das Thema Ozon im gegenwärtigen Zeitpunkt« für nicht ange-bracht. Die Zeitschrift aerosol report kommentierte die Kontroverse überden gesamten Zeitraum. Ganz zu Beginn wird die Molina-Rowland-Hypo-these in fast allen Punkten angezweifelt; insbesondere der Ausschluß tro-posphärischer Senken. Stattdessen wird vorgerechnet, wie es zur Hydrolysevon FCKW in den Meeren kommen könne. Dies wird »mit an Sicherheitgrenzender Wahrscheinlichkeit« angenommen. Eingeräumt wird, daß man»bis zum absolut sicheren Beweis durch Messung« sich auf den »gesundenAerosol-Menschenverstand verlassen solle« und in Abgrenzung zu amerika-nischen Modellen, die offenbar suspekt sind, weil sie per Computer errech-net wurden (können wir uns noch ein Vor-Computerzeitalter vorstellen?)

48 »The Du Pont upper management probably did not (and would not) trust the calculationsof anyone else’s model on a critical point such as this. So they put their own group to-gether to make an ›engineering model‹ … The first credible 2-d models were put togetherby Guy Brasseur and separately by Paul Crutzen in 1975. The Du Pont model came alongabout two years later, and obtained essentially the same results as the earlier models – con-firming to the Du Pont management that the other results were believable. However, whenDu Pont started sounding as though they believed that the models would be useful, it was aforward step for the modeling community because it removed one of the possible points ofcontention« (Interview 16).

49 Ein kleiner, symbolträchtiger Punkt am Rande: Hoechst benutzt oft die Abkürzung FKWoder den Ausdruck »fluorierte Kohlenwasserstoffe«. Dabei wird die eigentlich kritischeKomponente, Chlor, unterschlagen.

Die Kontroverse der siebziger Jahre 223

wird trotzig behauptet: »Für unsere Berechnungen braucht man keine Com-puter. Es genügt ein Rechenschieber und ein Blatt Papier.«50

1977 äußerte sich ein Wissenschaftler der Hoechst AG in der ZeitschriftNachrichten aus Chemie und Technik. Er faßte die Forschungsergebnissedes NAS Berichts zusammen, um dann neue wissenschaftliche Ergebnissezu erwähnen, die »zu nennenswerten Korrekturen führen dürften«. Hierwurden drei Punkte genannt:

1. Wie in der internen Auseinandersetzung mit dem UBA (siehe oben), wirdunter Berufung auf US-Quellen der mögliche photolytische Abbau in derTroposphäre postuliert;

2. wird unter Berufung auf eine Neubestimmung einer Geschwindigkeits-konstante in Cambridge (UK) eine Reduzierung des vorausgesagten Ab-baus um 20 bis 30 Prozent angenommen; und

3. werden die durch Ballonaufstiege ermittelten unerwarteten ClO- und OH-Konzentrationsprofile erwähnt, die vor allem von Anderson durchgeführtwurden und schlecht zu den Modellvoraussagen paßten.

Die Arbeiten des US-Wissenschaftlers Howard über die Reaktion von HO2

und NO wurden zitiert, jedoch ohne anzugeben, daß diese 40 bis 60malschneller verläuft, als bisher angenommen, und damit das Problem drastischverschärft. Die Bilanz des Artikels in bezug auf den Stand der Kontroversefiel wenig überraschend aus:

Diese kurze Aufzählung von neueren Forschungsergebnissen zeigt, daß noch vieleFragen offen sind und somit die wissenschaftliche Diskussion über die FKW-Ozon-Hypothese noch voll im Gange ist. Von einer Bestätigung der FKW-Ozon-Hypothese kann wohl nur dann gesprochen werden, wenn eine Bilanz der wich-tigsten Chlorverbindungen in der Stratosphäre vorliegt und die Konzentrations-profile … in erträglicher Übereinstimmung mit den Modellen liegen. (Russow 1977: 508)

Der Artikel schloß mit einer Relativierung des Krebsrisikos und der Unter-streichung der wirtschaftlichen Bedeutung von FCKW, einschließlich derSchwierigkeiten bei der Umstellung auf alternative Treibmittel.

50 »FKW-Treibmittel eine Weltgefahr?« (aerosol report 1 /1975: 15).

224 Kapitel 4

Hoechst versus UBA

Sehen wir uns den Stellvertreterkrieg zwischen Hoechst und UBA genaueran, so bemerkt man folgendes Kommunikationsmuster: Hoechst macht dasBMI darauf aufmerksam, daß neue Daten oder Berichte aus den USA ver-fügbar sind. Dies sind meist selektive Daten, die die Molina-Rowland-Hypothese entschärfen. Sie werden dem Ministerium zugestellt, welches siean das UBA weiterleitet mit dem Auftrag, eine Stellungnahme abzugeben,oft unter Hinweis auf die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit. Da das UBAnicht über die Ressourcen verfügte, die zur effektiven Arbeit nötig gewesenwären, blieb bei der vorgesetzten Behörde oft der Eindruck zurück, daßHoechst gute Gründe für eine abwartende Haltung vorbringen konnte.

Hoechst äußerte sich immer wieder skeptisch über die Validität be-stimmter Forschungsergebnisse. In einer dem UBA vorgelegten Bestands-aufnahme vom Juni 1977 wiederholte Hoechst die These einer troposphäri-schen Senke, diesmal unter Berufung auf einen Forscher des US NationalBureau of Standards, wonach langwelliges UV-Licht die FCKW schon amBoden zerstören könne (vgl. auch Russow 1977). Die durchschnittliche Le-bensdauer von FCKW 11 wird mit 20 bis 30 Jahren angegeben, was zu einerReduzierung des von der NAS vorausgesagten Ozonabbaus von 7,5 Prozentauf 2,5 Prozent führte. Doch auch ohne die Berücksichtigung von Senken seider Wert auf 4 Prozent herabzusetzen. Hoechst war zudem zuversichtlich,daß neue Forschungsergebnisse zu einer weiteren drastischen Herabsetzungdieses Wertes führen würden. Außerdem wurden die Auswirkungen vermehr-ter UV-Strahlung, insbesondere das Krebsrisiko, heruntergespielt: »Mehr als95 Prozent aller Hautkrebserkrankungen sind leicht, wirksam und relativbillig ambulant zu behandeln.«

Im September 1977 wandte sich Hoechst erneut an das UBA, um deutlichzu machen, daß man mit einer jüngst von Crutzen gegebenen Einschätzung(12 Prozent Ozonabbau) nicht übereinstimme (Crutzen bewegte sich mit die-ser Schätzung im Rahmen der von der NASA gegebenen Schätzung von10,8 bis 16,5 Prozent). Crutzen kam zu diesem Ergebnis aufgrund der vonHoward neu berechneten Reaktionskonstante (siehe oben). Hoechst wiesdarauf hin, daß Vergleichsmessungen in Göttingen den Howard-Wert nichtbestätigt hätten, weshalb man den 12-Prozent-Wert nicht akzeptieren könne,»auch nicht als Diskussionsgrundlage« (!), solange die Widersprüche nichtausgeräumt seien. (Im weiteren Verlauf der Debatte ist von dieser GöttingerMessung nichts mehr zu hören.)

Die Kontroverse der siebziger Jahre 225

Das UBA suchte Unterstützung bei Wissenschaftlern, um die angeführtenneuen Erkenntnisse überprüfen zu können. Ein angeschriebener Wissen-schaftler antwortete nicht. Rowland berichtete in der Zwischenzeit von sechserfolgreichen ClO-Ballonmessungen Andersons51 und korrigierte den Be-richt über troposphärische Senken: Der Forscher des National Bureau ofStandards habe selbst deutlich gemacht, daß diese Senke nicht für FCKW,sondern allenfalls für CCl4 (Tetrachlorkohlenstoff) von Bedeutung sei.Rowland gab den Wissensstand ein Jahr nach Veröffentlichung des NAS-Berichts so wieder:

– die Chlorkette wurde bestätigt;– der Nord-Süd-Gradient ist flach (<10 Prozent Differenz, das heißt, es ist

keine Senke vorhanden);– Chlornitrat spielt keine wichtige Rolle;– die prognostizierte Ozonabbaurate steigt von 7 auf 12 bis 15 Prozent.

Das UBA konterte jedoch nicht mit diesen Rowlandschen Informationen,sondern pflichtete Hoechst in einem Schreiben bei, daß man bis zur Klärungder fraglichen Reaktionsrate den Wert der NASA (und von Crutzen) fürvorläufig halte.52

Im Frühjahr 1978 stellte Hoechst unter Berufung auf eine im Auftrag derMCA durchgeführte Studie fest, daß nach einer statistischen Auswertung dervorliegenden Ozon-Meßdaten (Trendanalyse) keine Änderung der Ozon-schicht feststellbar sei, die ja nach der Molina-Rowland-Hypothese bereitsabgenommen haben müßte. Das UBA antwortete, daß diese Trendanalysenkorrekt seien, daraus aber nicht der Schluß folge, daß die Molina-Rowland-Hypothese widerlegt sei. Es sei ausgeschlossen, daß man einen angenomme-nen jährlichen Ozonabbau von 0,1 Prozent in der hohen natürlichen Schwan-kung des Ozongehalts sehen könne. Erfolgversprechender sei es, Verände-rungen in 30 bis 40 Kilometer Höhe zu erforschen, wo ja die hauptsächlicheZerstörung erwartet wird. Hierzu hoffte man auf entsprechende Messungenvon NASA-Satelliten. Hoechst betonte abermals, daß zu viele Diskrepanzenzwischen Modellrechnungen und Meßwerten bestünden, als daß man dieMolina-Rowland-Hypothese für bewiesen halten könne. Hoechst war zuver-sichtlich, auch kleine Ozonminderungen durch das WMO-Meßnetz messenzu können (bis hinab zu 1,5 Prozent pro Dekade). Der Zweck dieser Be-hauptung ist offenkundig: Wenn es möglich ist, prinzipiell solch kleine Ver-

51 Er läßt die Tatsache unerwähnt, daß einige der Messungen nicht mit den theoretischen Mo-dellen harmonierten, da sie unerwartet hoch waren.

52 Brief an Hoechst vom 28.11.1977.

226 Kapitel 4

änderungen sehen zu können, sie in Wirklickeit aber nicht messen kann, wäredies ein Beleg für eine konstante Ozonschicht. Das UBA berief sich in seinerAntwort auf die NASA, die als Schwellenwert, der vom WMO-Meßnetzgemessen werden könnte, 5 bis 6 Prozent Ozonabbau pro Dekade angab.

Der Atmosphärenwissenschaftler Dieter Ehhalt von der KFA Jülich faßteEnde 1977 die wissenschaftlichen Erkenntnisse für den aerosol report zu-sammen. Er betonte die Unsicherheiten bei den Reaktionskonstanten und dieproblematischen ClO-Messungen Andersons, die zum Teil achtmal höherwaren als erwartet. Aufgrund der Probleme bei den Reaktionskonstantenwürde er den Unsicherheitsbereich der Modellvorhersagen für größer halten,als von der NAS angenommen. Vorausgesetzt, Andersons abnorm hoheClO-Konzentrationen seien nicht auf Meßfehler zurückzuführen, so müssees – neben FCKW – noch andere Quellen für stratosphärisches Chlor geben.Im Gegensatz zu Hoechst nahm er allerdings die von Howard neu gemesseneReaktionskonstante von NO + HO2 → NO2 + OH ernst. Ehhalt zufolge wird

auf Basis dieser Reaktionskonstante die vorhergesagte O3-Abnahme ungefährzweimal so groß wie die angegebene Vorhersage von 7 Prozent des NAS-Aus-schusses. Dies bedeutet, daß die Gefahr einer Abnahme der Ozonschicht be-trächtlich größer ist als 1976 angenommen.53

Er betonte, daß die Forschung der letzten beiden Jahre das Wissen enormvermehrt habe, gleichzeitig aber die Ungenauigkeiten der Modelle größergeworden seien. Um die Fehlergrenzen bei der Ozonvoraussage einzugren-zen, sei noch viel Forschung nötig. Der Tenor des Artikels läßt leise Zweifelam schneidigen amerikanischen Vorgehen aufkommen, da die Unsicher-heitsfaktoren eher unterschätzt worden seien. Dieser insgesamt sehr sachli-che Artikel kann doppelt gedeutet werden. Einerseits stellt er die Unsicher-heiten der Modelle heraus, andererseits macht er auf eine mögliche Gefah-renunterschätzung aufmerksam. Alles hängt von einer Interpretation dieserbeiden Faktoren ab, die der Autor aber nicht vornimmt.

Neue Verbündete

Industrie- und Verbraucherorganisationen nahmen in erwartbarer WeiseStellung. Während der Industrieverband das Abwarteprinzip klar formulier-te, vertrat die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher (AgV) jedoch nur eineabgeschwächte Version des Vorsorgeprinzips. Die AgV forderte die Bundes-

53 aerosol report 12 /1977: 456.

Die Kontroverse der siebziger Jahre 227

regierung 1975 zu einer Stellungnahme und gegebenenfalls zum Verbot derFCKW auf. Aufgrund der Zurückhaltung der Bundesregierung empfahl dieAgV im Jahr darauf, den Kauf und Gebrauch von Spraydosen »solange ein-zuschränken, bis die in Arbeit befindlichen weltweiten wissenschaftlichenUntersuchungen eine definitive Klärung gebracht haben«. Die AgV berich-tete, daß Staatssekretär Hartkopf (BMI) und BundesforschungsministerMatthöfer den Appell zur Kaufzurückhaltung als Zwischenlösung positiv re-gistriert haben (Verbraucherpolitische Korrespondenz, 18.1.1977). Der In-dustrieverband Körperpflege und Waschmittel e.V. drückte dem UBA ge-genüber seine Zustimmung aus, angesichts der unklaren wissenschaftlichenSituation keine Entscheidungen von weitreichender Konsequenz zu treffen.Zur Bekräftigung wurde eine Studie des Clean Air Council Großbritannienszitiert, die die wissenschaftliche Unsicherheit und die Notwendigkeit weite-rer Forschung betont hatte. Auch Großbritannien will abwarten und in derZwischenzeit zur Produktion von Alternativen anregen sowie die Leckagevon Kühlsystemen minimieren.

Die AgV forderte die Bundesregierung 1975 zu einer Stellungnahme undgegebenenfalls zum Verbot der FCKW auf. Aufgrund der Zurückhaltung derBundesregierung empfahl die AgV im Jahr darauf, den Kauf und Gebrauchvon Spraydosen »solange einzuschränken, bis die in Arbeit befindlichenweltweiten wissenschaftlichen Untersuchungen eine definitive Klärung ge-bracht haben«. Die AgV berichtete, daß Staatssekretär Hartkopf (BMI) undBundesforschungsminister Matthöfer den Appell auf Kaufzurückhaltung alsZwischenlösung positiv registriert haben (Verbraucherpolitische Korre-spondenz, 18.1.1977).

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hielt es in seinem Umweltgut-achten von 1978 für

angebracht, daß die Hersteller und Anwender von FKW in der BundesrepublikDeutschland einen Plan ausarbeiten und vorlegen, wie die Emissionen deutlichverringert werden können. Dies gilt in erster Linie für die Verwendung alsTreibgase … (Rat von Sachverständigen 1978: 175)

Diese zahnlose Erklärung verblieb im Ungefähren.

Die Rolle der Medien

Im Vergleich zu den USA gab es insgesamt sehr wenige Medienberichte,wobei die höchste Aufmerksamkeit gleich zu Beginn erreicht wurde (Abbil-dung 4-4). Das Thema kam nie auf die erste Seite. Daraus ist zu schließen,

228 Kapitel 4

daß das FCKW-Thema in der ersten Periode der Kontroverse keine Öffent-lichkeit hatte. 1975 erschienen insgesamt acht Artikel, die im Tenor alle vorder FCKW-Gefahr warnten. Nur zwei Wissenschaftler (Rowland und Moli-na) wurden als Akteure präsentiert, die explizit für eine Beschränkung vonFCKW eintreten. Die Zeit vom 12. Dezember 1975 zitiert Mario Molina:»Der einzige noch verbliebene Strahlenschutz ist ein sofortiges Verbot allerSprays. Wir müssen aufhören, jährlich eine Million Tonnen FCKW in dieStratosphäre zu pusten«. In der Dekade 1974 bis 1984 wird nur noch eineinziges weiteres Mal eine explizite Forderung eines Wissenschaftlers be-richtet. Die Frankfurter Rundschau zitiert am 30. März 1977 Rowland mitden Worten:

Wenn wir von der Richtigkeit unserer These überzeugt sind und nicht die politi-schen Konsequenzen ziehen, bedeutet das doch, daß ökonomische Überlegungendie wissenschaftlichen und gesundheitlichen Aspekte des Problems zunichte ma-chen. Ich bin Wissenschaftler, aber ich bin auch ein Bürger und fühle meine Ver-antwortung gegenüber der Öffentlichkeit. Hätten wir nicht so gehandelt, wärenunsere Ergebnisse von der Industrie als unwichtig abgetan worden, deshalb müs-sen wir Sachverständigen unsere Sache im öffentlichen Leben vertreten.

Der Wissenschaftsredakteur der Zeit, Thomas von Randow, war der einzige,der sich diesen Warnungen anschloß:

Ich bin also durchaus dafür, daß auch hierzulande die Flut der Sprays gestopptund ein vorsorgliches Verbot wenigstens als Möglichkeit in Aussicht gestelltwird, damit sich die Industrie rasch auf andere Aerosole oder die gute alte Pumpe

Die Kontroverse der siebziger Jahre 229

umstellen kann. Das freilich sollte uns nicht dazu verführen, die Theorie, nachder die Sprays unseren Ozonschirm angreifen, und die Theorie, nach der eine da-durch bedingte Erhöhung der UV-Strahlung auf der Erde den Menschen mehrHautkrebs als bisher und Wassertieren den Tod bescheren soll, für erwiesen zuhalten. Skepsis ist hier fraglos angebracht. (Die Zeit, 18.7.1975)

Randow erinnert daran, daß es nicht »irgendwelche Umweltfanatiker« gewe-sen seien, die den Spraydosenalarm ausgelöst haben,

sondern kompetente Wissenschaftler in seriösen Forschungsinstituten. Die Wahr-scheinlichkeit dafür, daß ihre Sorgen berechtigt sind, ist allein schon deshalbnicht unerheblich. Unerheblich indessen ist es, ob wir Sprays haben oder nicht.Daraus die richtige Konsequenz zu ziehen, dürfte niemandem schwerfallen, auchunserem Gesundheitsministerium nicht. (Die Zeit, 18.7.1975)

Doch das Ministerium wollte dieser Logik nicht folgen. Gesundheitsministe-rin Focke wies darauf hin, daß vor der Einleitung gesetzlicher Schritte erstgeklärt werden müsse, ob und welche Gefahren von den Treibgasen ausgin-gen (Europa-Chemie 21/1975: 411).

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet zwar mit insgesamt neunArtikeln am häufigsten über das Thema. Allerdings erscheint der erste Arti-kel der FAZ erst 1977. Die Zeit beschäftigte sich bereits 1975 in drei Arti-keln mit der Problematik (Abbildung 4-5).

230 Kapitel 4

4.2.4 Informelle Lösung: Erhalt des Status quo

Kurz nach Veröffentlichung der Studie der NAS im September 1976 und derFertigstellung des Batelle-Berichts lud das UBA die betroffenen Interessen-verbände der Industrie (VCI, IGA) und Firmen (Hoechst, Kali-Chemie,Bosch) im Dezember zu einer Sitzung ein, um über erforderliche Maßnah-men zu sprechen. Das UBA deutete an, daß vor allem an die Möglichkeit derSelbstbeschränkung der Industrie und Alternativtreibstoffe für Sprays ge-dacht sei. Man schlug die Veröffentlichung einer gemeinsamen Einschät-zung vor, in der die Formulierung vorkam, daß die Molina-Rowland-Hypothese durch die Studie der NAS »weitgehend erhärtet« worden sei,über das Ausmaß der Auswirkungen aber noch Unsicherheiten bestünden.54

Man hoffte allein durch marktwirtschaftliche Mechanismen eine hinreichen-de Einschränkung von FCKW zu erreichen, wodurch staatliche Eingriffevermieden werden könnten.

Die IGA erwog in der Folge eine freiwillige Senkung des FCKW-Ver-brauchs um ein Drittel in bezug auf das Basisjahr 1975. Das UBA wollteunter Hinweis auf den Druck, der durch die kommenden US-Verbote bestehe,den Verbrauch um 50 Prozent senken. Ende 1977 kam eine Vereinbarungzwischen VCI und BMI zustande, die eine Verwendungsbeschränkung vonFCKW in Aerosolprodukten beinhaltete. Demnach sollte der Einsatz bis1979 gegenüber dem Basisjahr 1975 um 30 Prozent gemindert werden.

Die Bundesregierung wollte innerhalb weniger Jahre eine möglichst voll-ständige Einstellung der Verwendung von FCKW als Spraytreibgas auffreiwilliger Basis erwirken. Dies sollte durch Druck auf die Hersteller unddurch Verbraucheraufklärung geschehen. An Verbote wurde nicht gedacht,da man keine Arbeitsplätze gefährden wollte. »Sollte dagegen die Entwick-lung ins Stocken geraten, können die FCKW relativ kurzfristig verbotenwerden«, hieß es in einer Stellungnahme des Petitionsausschusses des Bun-destages vom Juni 1977. Deutlicher noch wurde Staatssekretär Baum in derAntwort auf eine parlamentarische Anfrage. Er bezog sich auf die laufendenGespräche mit der Industrie und machte deutlich, daß man eine Rechtsvor-schrift anstrebe, sollten die Gespräche nicht den erwünschten Erfolg haben.Außer der ökonomischen und innenpolitischen wurde auch die außenpoliti-sche Dimension gesehen. Sollte die Bundesrepublik im Vergleich zu ande-ren Staaten schlecht dastehen, könne man nötigenfalls gleichziehen. Das

54 Wie oben gesehen, kann sich die Industrie nur mit dem zweiten Teil des Satzes anfreunden.

Die Kontroverse der siebziger Jahre 231

Problem des guten Abschneidens im internationalen Vergleich stellte sichdes öfteren und ist ein Handlungskriterium für die Bundesregierung.

1979 ging die Gegenallianz abermals in die Offensive. Diesmal war esdie Kali-Chemie, die wissenschaftliche Daten aus den USA aufbereitete undden zuständigen Stellen zuleitete. Die entlastenden Punkte, die angeführtwerden, waren die Diskrepanz zwischen Modellvorhersagen und tatsächli-chen Messungen von bestimmten chemischen Spezies in der Atmosphäresowie eine über den Zeitraum von 1958 bis 1976 gemessene Ozonzunahme,auch in der Höhe von 32 bis 46 Kilometern. Die Hoechst AG lud alle großenTageszeitungen zu einem Pressegespräch über Risiken von FCKW ein, aufdem die Prognosen über das Ausmaß des Ozonabbaus für irrelevant und Maß-nahmen zur Reduzierung von FCKW-Emissionen für verfrüht gehalten wur-den. Das UBA reagierte mit einer Presseerklärung, die mit dem BMI abge-stimmt war. Darin wurde zugestanden, daß zum Teil noch erhebliche wissen-schaftliche Unsicherheiten bestünden, die Theorie jedoch keineswegs als wi-derlegt gelten könne. Unter Berufung auf Einschätzungen der WMO und derUNEP wurde mit einem langfristigen Ozonabbau von 15 Prozent gerechnet.

Hinter dem Pressescharmützel stand der Versuch der Gegenallianz, vonder 1977 vereinbarten freiwilligen Vereinbarung herunterzukommen. AufAnregung des Innenministers wurde in die Presseerklärung eine Textpassageaufgenommen, die ausführt, daß der EG-Rat auf Initiative der Bundesrepu-blik die EG-Kommission beauftragt hat, bald einen Beschlußentwurf vorzu-legen, durch den eine »signifikante und staatlich überwachte Verwendungs-beschränkung der FCKW in Aerosolen« erreicht werden soll. Dies war daserste öffentliche Anzeichen dafür, daß das BMI seine Linie verschärfenkönnte.

Interessenpolitik versus Befürworterallianzen

Warum bekam die Unterstützerkoalition in Deutschland in den siebzigerJahren keinen festen Boden unter die Füße? Abgesehen davon, daß das UBAals nachgeordnete und neugegründete Behörde ein low profile pflegte undkeine öffentliche Debatte vom Zaun brach, lag der Grund vor allem darin,daß ihr nicht jene entscheidende Machtquelle zur Verfügung stand, über diedie amerikanische Regulierungsallianz verfügte: wissenschaftliche Laborato-rien.55 Andererseits war die Hoechst AG, die selbst auch wenig bis keine

55 Dies sieht auch Genscher (1995: 134).

232 Kapitel 4

originäre Forschung zur Klärung dieser Sachverhalte betrieb,56 bei der Mo-bilisierung und rhetorischen Aufbereitung von fremden Labordaten wesent-lich schneller und geschickter. Vor allem aber unterblieb eine öffentlicheParteinahme von Wissenschaftlern in der Bundesrepublik – im Gegensatz zuden USA. Es gab keine Sprecher, die sich zum Repräsentanten der diffusenInteressen machten, ja es gab nicht einmal öffentliche Foren, auf denen dieFrage diskutiert wurde, die denen der USA vergleichbar wären. Es gab keineparlamentarischen Anhörungen oder Ausschüsse und nur eine schwache Me-dienaufmerksamkeit.

Die in Kapitel 1 vorgestellten Typen von Regulierung legen nahe, daß ineinem Fall wie diesem, wo ein breit gestreuter Nutzen und konzentrierte Ko-sten vorliegen, diffuse Interessen durch Public interest groups und derenSprecher repräsentiert werden müßten, wenn den industriellen Interessen-gruppen Paroli geboten werden soll. In Deutschland gab es diese Sprecherkaum. Zu jener Zeit ist dies nicht nur ein FCKW-spezifisches Problem, son-dern ein umweltpolitisches Problem schlechthin, wie der ehemalige Staats-sekretär im BMI selbst feststellte: »Der Umweltpolitik fehlen nicht nur wir-kunsgvoll organisierte, gesellschaftliche Gruppen als Bündnispartner derVerwaltung, sondern auch eine ausreichende parlamentarische Machtbasis«(Hartkopf/Bohne 1983: 156). Die Umweltpolitik bedarf daher

organisierter Bündnispartner außerhalb der Regierung, um sich innerhalb der Re-gierung angemessen behaupten zu können. Wirtschaftsinteressen sind seit je hergut organisiert und daher in der Lage, wirkungsvoll ihre Belange innerhalb derBundesregierung zur Geltung zu bringen. (Hartkopf /Bohne 1983: 149)57

Internationaler Druck auf die Bundesregierung

Anfang März 1977 fand auf Einladung der UNEP ein internationales Exper-tentreffen über die Gefährdung der atmosphärischen Ozonschicht in Wa-shington statt. Obwohl die Tagesordnung sich auf Fragen der Forschung be-schränkte, wurden am Rande die unterschiedlichen Standpunkte deutlich.Die USA und Kanada waren für Verbotsregelungen auch ohne weitere wis-senschaftliche Absicherung, die Niederlande tendierte in diese Richtung.

56 Eine Ausnahme dürfte der Artikel zweier Hoechst-Mitarbeiter im Fachblatt Berichte derBunsengesellschaft, Physikalische Chemie (Bd. 82, 1978, 1147–1150) darstellen, in demdie Annahme von troposphärischen Senken für begründet gehalten wird.

57 Siehe auch Müller (1986: 80). Aufgrund dieser Erkenntnis haben hohe Verwaltungsmit-glieder des BMI bei der Gründung von umweltpolitischen pressure groups wie dem BBUmitgeholfen (Interview 12).

Die Kontroverse der siebziger Jahre 233

England, Frankreich, Belgien und die Sowjetunion waren gegen Regelun-gen. Die amerikanischen Vertreter wollten auf einer Folgekonferenz imApril auch regulatorische Fragen ansprechen, wozu das UNEP-Treffen diewissenschaftliche Vorarbeit leisten sollte, was zu einer gewissen Selbstbin-dung der Folgekonferenz hätte führen sollen. Dagegen sträubten sich diedeutschen und britischen Vertreter.58

Ende 1978 lud das Umweltbundesamt zu einer internationalen Konferenznach München. Die Bundesrepublik hielt an ihrer Linie fest, wonach eineSchädigung der Ozonschicht durch FCKW für sehr wahrscheinlich gehalten,aufgrund der erheblichen Unsicherheiten und Wissenslücken aber keineNotwendigkeit für weitergehende Maßnahmen (zum Beispiel Verbot) gese-hen wurde.59 Die Bundesrepublik erwartete jedoch einen »Frontalangriff«der USA in diese Richtung.60

Die Position der Bundesregierung war vorsichtig: Einerseits wollte manRegulierungen, so weit es geht vermeiden, andererseits wollte man in derÖffentlichkeit nicht so dastehen, als befände man sich im internationalenVergleich in der ökologischen Nachhut. Es wäre zu erwarten gewesen, daßdieser Mittelkurs verlassen worden wäre, wenn andere Staaten weitergehen-de Initiativen ergriffen hätten. Man befürchtete diesbezüglich einen Vorstoßder USA. Nicht ausreichend für ein Verlassen des Mittelkurses waren in je-ner Periode wissenschaftliche Daten. Ein Beispiel hierfür waren dramatischeneue Daten, die der stellvertretende Chef der EPA dem BMI im Oktober1979 mitteilte. Diese beruhten auf dem letzten Bericht der NAS. Darin warim einzelnen ausgeführt:

– die Ozonabnahme wurde auf 16,5 Prozent geschätzt;– eine 25prozentige Emissionsreduktion von FCKW würde immer noch zu

13 Prozent Ozonabnahme führen;– eine Wachstumsrate der FCKW von 7 Prozent pro Jahr würde zu 56 Pro-

zent Ozonabbau Anfang des nächsten Jahrhunderts führen;– die Hautkrebshäufigkeit aufgrund erhöhter UV-B-Strahlung müsse we-

sentlich heraufgesetzt werden.

58 New York Times, 10.3.1977. Das BMI veranlaßt daraufhin ein vom UBA verfaßtes Demen-ti, worin dem Pressebericht widersprochen wird.

59 »Da war eine Vertreterin der EPA (Barbara Blum) dabei, die eine emotionale Rede hielt,das hat Staatssekretär Hartkopf gar nicht gefallen. Das kam ihm wie ein Feldgottesdienstvor. Das wurde deutlich als unangemessen empfunden« (Interview 7).

60 Die Konferenz zeigte erneut die divergierenden Standpunkte: »Es war ein fürchterlicherKrach. Die Franzosen vor allen Dingen waren absolut dagegen, das ernst zu nehmen. DieEngländer auch und viele andere standen dazwischen. Die Amerikaner waren radikal da-für« (Interview 52).

234 Kapitel 4

Die Schätzung des letzten Punktes sah so aus, daß bei einer 16,5prozentigenOzonabbaurate mit einer Zunahme von Hautkrebs um 66 Prozent, bei einer13prozentigen Abbaurate mit einer Zunahme um 52 Prozent, und bei einemWachstum von FCKW-Emissionen um 7 Prozent mit einer Zunahme vonHautkrebsfällen um 200 bis 300 Prozent gerechnet werden mußte.

Zwar löste dieser Bericht einige Turbulenzen aus, sie blieben aber folgen-los. Der Ständige Abteilungsleiterausschuß für Umweltfragen beriet die An-gelegenheit. Das UBA versuchte, die Gunst der Stunde zu nutzen, undschlug in einer Stellungnahme mittelfristig die Ablösung von FCKW im Ae-rosolbereich vor. Das BMI forderte jedoch nur eine 50-Prozent-Reduktion(was im UBA zur Verärgerung führte), weil das Bundeskabinett im Hinblickauf anstehende EG-Regelungen im Rahmen bleiben wollte. Die Bundesre-gierung erwartete nunmehr durch eine Koordination auf EG-Ebene eine Lö-sung des Problems. Zum damaligen Zeitpunkt bedeutete dies, daß die EGdas nachvollzieht, was die deutsche Industrie schon erbracht hatte. Damitwurde für die deutsche Industrie eine weitere Atempause geschaffen.

Als Fazit ergibt sich, daß sowohl Problemdefinition wie Lösungsvor-schläge durch Wissenschaftler in den USA erfolgen. Es gibt dort Sprecher,denen es gelingt, relevante Akteure als Verbündete zu gewinnen. In einemProzeß, der weniger als drei Jahre dauert, setzt sich ein um sie entstandenesPolitiknetzwerk mit seinen regulatorischen Zielen in den USA durch. In derBundesrepublik erfolgt kaum eine öffentliche Thematisierung und es gibtkeine lautstarken Sprecher für verbindliche Maßnahmen. Die Stimmen, dienach dem Vorsorgeprinzip argumentieren, sind verhalten und vereinzelt,während die Abwarteposition selbstbewußt und lautstark auftritt. Die Ent-scheidung unter Unsicherheit führt in der Bundesrepublik zu einer infor-mellen Vereinbarung mit der Industrie, die vergleichsweise geringe Kostenverursacht haben dürfte.

Kapitel 5

Die Kontroverse der achtziger Jahre

In diesem Kapitel wird gezeigt, daß die Stärkung eines transnationalen Poli-tiknetzwerkes mit Schwerpunkt in den USA entscheidend war, um bindendeinternationale Vereinbarungen zum Schutz der Ozonschicht zu erreichen.Nach einer Schwächung zu Beginn der achtziger Jahre gewann es in derzweiten Hälfte der Dekade immer mehr an Einfluß. Die internationalen Re-gulierungen kamen wesentlich auf sein Wirken hin zustande. Dies solltenicht über-, aber auch nicht unterschätzt werden. Es wird überschätzt, wennbehauptet wird, damit sei zum ersten Mal in der Geschichte der internatio-nalen Beziehungen ein internationales Umweltabkommen geschlossen wor-den, das auf dem Vorsorgeprinzip beruht. Wie ich in diesem Kapitel zeige,ist diese Behauptung irreführend. Der Fall wird unterschätzt, wenn man inihm einen ganz normalen Vorgang sieht, in dem sich die Industrie mit ihrenInteressen durchgesetzt habe.1 Vielmehr wurde eine auf internationaler Ebe-ne bestehende Blockade durch Kräfteverschiebungen zwischen Regulie-rungsbefürwortern und -gegnern gelöst, die vor allem durch Veränderungenin der Akteurkonstellation unterhalb der Regierungsebene zustande kamen.Der Einfluß der jeweiligen innenpolitischen Situation war die wesentlicheDeterminante für die Konstellation in den transnationalen Verhandlungssy-stemen und damit für das Verhandlungsergebnis. Dabei haben wissenschaft-liche Erkenntnisse und ihre symbolische Aufbereitung durch engagierteWissenschaftler eine zentrale Rolle gespielt.

1 Der Fall wird überhaupt nicht erfaßt, wenn er in Termini von wiederholten Spielen vomTyp eines Gefangenendilemmas vorgestellt wird.

If you can’t beat them – join them.

Sprichwort

236 Kapitel 5

In vergleichender Perspektive wird die Frage erörtert, wie der Prozeß derpolitischen Regulierungen in zwei entwickelten Industriestaaten (beides gro-ße FCKW-Produzenten und Konsumenten) verlaufen ist. Beide Länder spre-chen sich ab 1986 zwar im internationalen Prozeß für strenge Regulierungenaus, zeigen aber auf nationaler Ebene verschiedene Muster der Problembe-wältigung. Besonders auffällig ist die unterschiedliche Orientierung der bei-den dominanten FCKW-Hersteller: Du Pont befürwortete ab Herbst 1986Regulierungen und verstärkte die Glaubwürdigkeit der Regulierungsbefür-worter dadurch enorm. Hoechst hielt an seiner ablehnenden Linie fest, dieBundesregierung schwenkte allerdings auf eine progressive Linie um. Bevores dazu kam, fand auf internationaler und innenpolitischer Ebene ein Mobili-sierungsprozeß des Unterstützernetzwerkes statt, das Druck auf die Bundes-regierung ausübte. Diese gab schließlich nach und übte nun ihrerseits Druckinnerhalb der EG aus, wodurch die europäischen Bremser in die Defensivegerieten. Es wird gezeigt, daß Kooperation nur entstehen konnte, weil dasständig wachsende Unterstützernetzwerk an einer umfassenden Problemlö-sung interessiert und deshalb zunächst zu Zugeständnissen gegenüber wider-strebenden Ländern bereit war. Dem Unterstützernetzwerk gelang es, dieBremser auf eine schiefe Ebene zu locken, von der es kein Entrinnen gab.

5.1 Die internationale Ebene

An verschiedenen Stellen dieser Arbeit wurde argumentiert, daß die wichti-gen Situationsdefinitionen und Problemlösungsvorschläge in entscheidenderWeise von wissenschaftlichen Analysen und Prognosen abhingen. In densiebziger und frühen achtziger Jahren waren dies Voraussagen über die lang-fristige Entwicklung der Ozonschicht. Je geringer der Ozonverlust progno-stiziert wurde, desto geringer war der Druck, etwas zu tun. Außerdem herrschtedie Auffassung, daß ein Akteur (oder wenige Akteure) das Problem alleinlösen könnten, wenn andere Akteure solches Verhalten nicht konterkarieren.Die USA hatten Maßnahmen ergriffen, die zu einer beträchtlichen Redukt-ion der globalen FCKW-Emissionen führten. In den achtziger Jahren setztesich die Auffassung durch, daß keiner der Akteure das öffentliche Gut alleinproduzieren kann, sondern daß umgekehrt einzelne Akteure beträchtlichenSchaden anrichten können. Die Bewahrung der Ozonschicht war zu einergemeinschaftlichen Ressource geworden. Damit verschärfte sich das Pro-blem, denn es mußte eine hinreichend große Zahl an relevanten Akteuren (k-

Die Kontroverse der achtziger Jahre 237

Gruppe) zum Schutz der Gemeinschaftsressource zusammenkommen (Har-din 1982: 153, 193). Die USA, Japan und die EG produzierten über zweiDrittel des FCKW-Weltverbrauchs. Dies sind zwar nur drei Handelsblöcke,aber fünfzehn Länder.

Bereits in der Vorbereitungsphase des Clean Air Act (etwa 1977), der einVerbot des FCKW-Einsatzes in Aerosolen vorsah, versuchten die USA an-dere Staaten zu ähnlichen Maßnahmen zu bewegen. Die USA spielten dieVorreiterrolle beim Versuch, andere zum Nachfolgen zu bewegen, was nichtgelang. Lediglich Norwegen, Schweden, Kanada und Australien folgten –allesamt unbedeutende FCKW-Produzenten und/oder -Konsumenten.2

5.1.1 UNEP: World Plan of Action

Im März 1977 fand auf Initiative der USA in Washington eine von der UNEPorganisierte Zusammenkunft von Vertretern aus 39 Ländern und der EG-Kommission statt.3 Auf diesem Treffen wurde ein weltweiter Handlungsplan(»World Plan of Action«) für die Ozonschicht verabschiedet. Darin wurdeempfohlen, daß die Unterzeichnerstaaten auf dem Gebiet der wissenschaftli-chen Forschung kooperieren. Die Delegierten empfahlen außerdem dieSchaffung eines Koordinationsgremiums (Coordinating Committee on theOzone Layer, CCOL), das sich aus Experten von Behörden und Nicht-Re-gierungsorganisationen (NGOs) zusammensetzt, die am World Plan of Ac-tion teilnehmen. Das CCOL, dessen Arbeit stark auf Ergebnisse und Zielewissenschaftlicher Forschung ausgerichtet war, traf sich von 1977 bis 1985einmal jährlich. Es bereitete im wesentlichen politische Entscheidungsfin-dungen vor und definierte Forschungsdefizite. Die chemische Industrie nahmaktiv an diesem Gremium teil.

Die ersten Treffen brachten keine konkreten Ergebnisse. Man verpflichte-te sich nur zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen For-schung, nicht jedoch in bezug auf Regulierungen. Ende der siebziger Jahresprachen sich in Europa nur Dänemark und die Niederlande für Verwen-

2 »Who followed? Sweden, a major user of CFCs and a non-producer. Norway, a majoruser, and a non-producer. Canada, a very small user and a very small producer. And Aus-tralia, a non-producer and a very small user. Europe, Russia and Asia Pacific did not fol-low. The rest of the world looked at the U.S. action and said ›The problem is solved.‹ Be-cause aerosols were indeed the largest single market and the largest single producer anduser took action« (Interview 21).

3 Dieser Abschnitt stützt sich auf Parson (1993).

238 Kapitel 5

dungsverbote von FCKW als Aerosol-Treibmittel aus, die Bundesrepublik,Großbritannien und Frankreich wollten von Verboten absehen.

Auf einem internationalen Treffen in Oslo im April 1980, an dem Kanada,Dänemark, die Bundesrepublik, die Niederlande, Norwegen, Schweden unddie USA teilnahmen, wurde auf Initiative der USA eine Produktionsbe-schränkung aller FCKW befürwortet.4 Die USA kündigten an, ihre FCKW-Produktion auf dem Niveau von 1979 zu halten und, falls nötig, weiterge-hende Schritte zu tun (Cagin/Dray 1993: 223). Die EG hatte am 26. März1980 beschlossen, die Verwendung von FCKW 11 und 12 in Sprühdosen bis1981 um mindestens 30 Prozent in Bezug auf das Basisjahr 1976 zu verrin-gern und die Produktionskapazität für diese Stoffe auf dem Stand von Ende1979 einzufrieren, da ein Wachstum in anderen Anwendungsbereichen nichtausgeschlossen sei. Die USA hielt diese Maßnahmen der EG für nicht aus-reichend.

Auf Anregung der nordischen Länder kam es im April 1981 zur Grün-dung einer UNEP-Arbeitsgruppe, deren Aufgabe darin bestand, eine inter-nationale Konvention zum Schutz der Ozonschicht vorzubereiten. Das ersteTreffen dieses Gremiums fand 1982 in Stockholm statt. Der Zeitpunkt warbewußt gewählt: Es war das zehnjährige Jubiläum der Gründungskonferenzder UNEP. Dieses symbolische Datum sollte die Wichtigkeit der Problema-tik unterstreichen und die Handlungsbereitschaft der Teilnehmerstaaten er-höhen. Die nordischen Länder, insbesondere das Gastgeberland Schweden,drängten auf Kontrollmaßnahmen, was bei anderen Staaten keine Unterstüt-zung fand. Japan und die EG waren an solchen Vorschlägen überhaupt nichtinteressiert. In den USA hatte nach Reagans Amtsantritt eine Änderung derEPA-Linie stattgefunden (Vig/Kraft 1984). Gemäß der neuen antiregulatori-schen Doktrin der Republikaner leitete die neue Chefin der Behörde, AnnGorsuch (spätere Burford), einen Orientierungswechsel ein, der dazu führte,daß die USA auf diesem Treffen keine Aktivität entfalteten und in den fol-genden Jahren das Ozonproblem vernachlässigten.5

4 Bemerkenswert ist die Tatsache, daß zu diesem Treffen alle Länder außer der Bundes-republik hochrangige Vertreter (Staatssekretärebene und darüber) entsandt hatten.

5 »During the early 1980s the government of the United States under President Ronald Rea-gan undertook a reversal of national policy that can fairly be described as extraordinary.Appointees of the president sought to disengage the United States from international envi-ronmental policy commitments. Attempts were made to undo official involvement in pro-grams and agreements in which the United States had often been an initiator«, bemerktCaldwell (1984: 319).

Die Kontroverse der achtziger Jahre 239

Erst nachdem innerhalb der EPA ein erneuter Wechsel stattgefunden hatte(Burford wurde durch Ruckelshaus ersetzt), zeichnete sich wieder eine akti-vere Politik der USA auf internationaler Ebene ab. Im September 1984 er-griffen sie zusammen mit anderen Ländern, die für internationale Maßnah-men waren, durch die Gründung der sogenannten »Toronto-Gruppe« erneutdie Initiative. Zu ihr gehörten auch Kanada, die skandinavischen Länder,Österreich und die Schweiz. Diese Gruppe stellte einen Maßnahmenkatalogvor, der vor allem die bereits in verschiedenen Ländern ergriffenen Verboteinternational ausweiten wollte. Die Hauptoption war eine große Reduktionvon Treibgasen. Die EG wehrte sich vehement gegen diesen Vorschlag. Dasie mit ihrer Position unter Druck geriet, machte sie schließlich zwei Vor-schläge. Zum einen eine 30prozentige Reduktion von Treibgasen (wobei alsBezugszeitraum die starken Verbrauchsperioden der siebziger Jahre geltensollten), zum anderen die Einschränkung der Produktionskapazitäten.6

Zwischen der EG und der Torontogruppe enstand eine Pattsituation; beideLändergruppen wollten ihre eigenen Regulierungsansätze internationalisie-ren, indem sie jeweils die anderen aufforderten, Maßnahmen zu ergreifen(Parson 1993: 59). Ein europäischer Wissenschaftler sagte dazu:

We were in fact for a production cap, the U.S. was in favor of a worldwide aero-sol ban which would have had severe consequences for Europe while CFC pro-duction for other uses like air-condition could further grow in the U.S.(Interview 41)

Es gab auf beiden Seiten den Versuch, die eigenen ökonomischen Interessenin umweltpolitische Argumente zu kleiden. Die Ernsthaftigkeit der EG-Vor-schläge wurde bezweifelt (vgl. auch Breitmeier 1996: 111; Haigh 1992:245):

CFC production went very flat at the time, everybody wanted to use their exist-ing equipment, nobody was ready to build any more, until they found out whatwould happen. This is the discussion between Europeans and Americans. The

6 Für dieses politische Ziel konnte sich die EG auf eine wissenschaftliche Studie berufen,die aus Europa kam. Die belgischen Wissenschaftler Guy Brasseur und A. de Rudder ver-öffentlichten 1985 eine Modellrechnung, in der es zu keinem Ozonabbau kam, solange dieFCKW-Wachstumsraten unter 3 Prozent pro Jahr blieben. Hintergrundannahme des Mo-dells waren konstante Emissionen, ein Ausstieg aus Aerosolen innerhalb von vier Jahrenund ein Anstieg in anderen Anwendungsgebieten, der einmal bis 1997, das andere Malunbegrenzt gerechnet wurde. Erst ab 2034 würde sich ein solches Wachstum auf die Ozon-schicht auswirken. Die Festschreibung einer Obergrenze an Produktionskapazitäten beigleichzeitigem Herunterfahren der Aerosolproduktion würde tatsächlich zu einer Ozon-vermehrung führen (Lubinska 1985).

240 Kapitel 5

Europeans talked about a cap on total production. This was a better approachthan what the U.S. wanted: regulating specific industries. But the cap they weretalking about was one that would have allowed increased production. So itwasn’t a serious cap, it was a future cap. One of the key things was that the EPArecognised in the middle eighties that the amount of production was creeping up.It was only more or less true that CFC production levelled out after 1976 andstayed more or less the same for the next decade. But in fact it went down andthen it was rising again. (Interview 16)

Jede Seite wollte mit guten Gründen ihre Lösung für den Rest der Welt ver-bindlich machen:

To be honest, in my view, the failure to agree to a protocol in Vienna in 1985was due to both the Americans and the Europeans. We can share the blame. Thereason was that at that time the Americans wanted to take action on aerosols andwe wanted to take action on production capacity control, which meant in practicethat if one of the approaches would have been adopted, one party would not haveto do anything. (Interview 37)

Die ökonomische Dimension kam in der EG-Haltung sehr viel stärker zumTragen als in der US-Position. Hier versuchte man, den Wettbewerbsvorteilfür die eigene Industrie aufrechtzuerhalten, dort versuchte man, die ökologi-sche Stoßrichtung der eigenen Industrie mit dem Argument des Ausgleichsvon Wettbewerbsnachteilen (level playing field) schmackhaft zu machen(Abbildung 5-1). Doch die US-Industrie war nicht unbedingt begeistert vondieser Linie, da ihre Tochterfirmen außerhalb der USA (auch in Europa)durch internationale Maßnahmen getroffen worden wären. Für die US-Industrie ist die Wettbewerbsverzerrung nicht so brennend wie die Frage er-neuter unilaterater Maßnahmen und/oder Imageverlust durch Konsumenten-boykott.

5.1.2 Die Wiener Konvention

In dieser Situation begannen die Verhandlungen in Wien, die sowohl zu ei-ner Rahmenkonvention als auch zu einem Maßnahmenkatalog (Protokoll)führen sollten. Da das Patt zwischen Europa und den USA nicht überwundenwerden konnte, wurde das Ziel eines konkreten Maßnahmenkatalogs ver-schoben. Die in Wien verabschiedete Konvention, die von zwanzig Nationenund der EG-Kommission unterzeichnet wurde, brachte vor allem die Koope-ration auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung und Berichterstat-

Die Kontroverse der achtziger Jahre 241

tung über FCKW-Produktion und -Emissionen. Obwohl diese Rahmenkon-vention die Vertragsparteien verpflichtete, »geeignete Maßnahmen zumSchutz der Ozonschicht« zu ergreifen, wurden diese nicht spezifiziert (Bene-dick 1991: 45; Gehring 1994: 217). Die UNEP wurde beauftragt, Verhand-lungen auf der Ebene von Arbeitsgruppen zu führen mit dem Ziel, im Jahr1987 ein Protokoll zu erreichen. Diese Treffen fanden im Mai und Septem-ber 1986 in Rom und Leesburg/Virginia statt. Während das erste Treffenweitgehend ergebnislos verlief, brachte das zweite in Leesburg einige positi-ve Resultate. Umweltgruppen waren zu den Verhandlungen zugelassen, dieSowjetunion legte zum ersten Mal Produktionszahlen vor, die Verhand-lungspartner begannen sich kennenzulernen und einander zuzuhören: »InLeesburg they started to know one another. They started to feel comfortablewith each other’s point of view and started to listen rather than talk past oneanother« (Interview 20).

242 Kapitel 5

Du Pont änderte zu dieser Zeit seine Position zur Regulierungsfrage. Voneiner unbedingten Ablehnung von Regulierungen ging man zu einer be-dingten Befürwortung über. Ein Auslöser für diesen Schwenk könnte dieBestätigung des antarktischen Ozonlochs im August 1986 durch NASA-Wissenschaftler gewesen ein (Stolarski et al. 1986; vgl. Kapitel 3). Du Pontließ diese Änderung auf dem Workshop in Leesburg durchblicken:

In September of 1986, suddenly Du Pont issued their infamous change in posi-tion in which they said: We can produce substitutes if there are … I think thecritical phrase was »adequate regulatory incentives«. And they went to the Lees-burg meeting and the workshops and Paul Halter from Du Pont came to themeetings … it was clear that they made a strategic decision in 1986 that someform of regulation was inevitable. (Interview 31)7

Entscheidend für die weitere Entwicklung waren vor allem drei Faktoren:Erstens vollziehen Du Pont und der Interessenverband der amerikanischenchemischen Industrie einen Positionswechsel. Zweitens beginnt innerhalbder EG der Konsens über die alte defensive Linie abzubröckeln, weil drittensvor allem Deutschland seine Linie ändert. Die folgenden drei Abschnitte(5.2, 5.3, 5.4) widmen sich der Beschreibung und Erklärung dieser wichti-gen Veränderungen.

5.2 Die USA

Das FCKW-Problem war zu Beginn der achtziger Jahre fast verschwunden;die Ozonprognosen nahmen von 1979 bis 1983 ständig ab. Dieser Scheintrog jedoch: Die durch FCKW-Regulierungen reduzierten Aerosol-Anwen-dungen wurden auf anderen Gebieten überkompensiert, vor allem in Anwen-dungen auf dem Gebiet der Kunststoffverschäumung, der Kühlmittel und derReinigungsmittel (Abbildung 5-2). 1984 waren die weltweiten Produktions-ziffern wieder so hoch wie vor der ersten Regulierungswelle (Abbildung 5-3).

5.2.1 Die Gegenallianz

Die Gegenallianz in den USA formierte sich zu Beginn der achtziger Jahreneu. Präsident Reagan änderte die bisherige Umweltpolitik radikal und

7 »The leading producer of chemicals that destroy the earth’s protective ozone layer hascome out in favor of worldwide production limits« (The Washington Post, 10.10.1986).

Die Kontroverse der achtziger Jahre 243

machte die schwierige ökonomische Lage zur obersten Priorität. Er sahstaatliche Ausgaben für die Umwelt oder Belastungen für Unternehmen alshinderlich für einen ökonomischen Aufschwung. Seine Verachtung für öko-logische Belange war berüchtigt, seine Ansichten darüber viel zitiert.8 DerHaushalt der EPA wurde von 1980 bis 1982 um fast 200 Mio. US-Dollargekürzt (von 701 auf 515 Mio. US-Dollar), es fand ein Stellenabbau vonüber 20 Prozent statt. Der von Reagan reduzierte Umweltrat CEQ (von 60auf 6 Mitglieder) folgte der neuen ökonomischen Philosophie.9 Durch Ein-führung von Kosten-/Nutzenrechnungen sollte die Wirkung aller Ausgabenim Umweltbereich vorher abgeschätzt werden.10 Das »Jahrzehnt der Um-welt« (das heißt die siebziger Jahre) hätte zwar viele Regulierungen und Ko-sten gebracht, aber keinen sozialen Nutzen (Vig/Kraft 1984: 21).

8 »You and I would live like rabbits if the EPA had its way.« Bäume und Pflanzen warenfür ihn die Hauptursachen der Luftverschmutzung (Landy et al. 1994: 245; vgl. McGarity1991).

9 Reagans Nachfolger Bush revidiert diese Kürzungen wieder, indem er während seinerAmtszeit das EPA-Budget um 50 Prozent und die Zahl der Mitarbeiter um 22 Prozent er-höht (Vig /Kraft 1994: 19).

10 »When the Reagan administration came into power, it had a strong popular mandate tochange the role of government in the private affairs of households and firms. Withinweeks after assuming the presidency, Ronald Reagan issued Executive Order No. 12291requiring benefit-cost analysis for all new major regulations« (V.K. Smith 1984: vii).

244 Kapitel 5

Die neue Linie zur FCKW-Problematik verdrängte die im Clean Air Act ent-haltene Klausel, eine zweite Regulierungsphase zu eröffnen, sollten weiter-hin Bedrohungen für die Gesundheit bestehen. Die Position der USA lautetnun: Wir haben eine großen Beitrag zur Lösung des FCKW-Problems gelei-stet, indem wir 25 Prozent des Weltverbrauchs reduziert haben. Als globalesProblem kann es nur durch internationale Kooperation gelöst werden (Roan1989: 87–88). Ernsthafte Bemühungen auf diesem Gebiet waren jedoch zu-nächst nicht beabsichtigt. Die neue Linie diente dem Spiel auf Zeit.

Die Gegenallianz bekam zu Beginn der achtziger Jahre so viel Oberwasser,daß sie die Regulierungsbefürworter zunehmend marginalisierte. Die frühenwissenschaftlichen Advokaten wurden zunehmend isoliert, sogar ihnen nahe-stehende Wissenschaftler versuchten, sie zum Ausstieg aus dem FCKW-Schwerpunkt zu bewegen (Interview 16). Rowland und ein NRDC-Vertreterfungierten als einsame »Leuchttürme« der Regulierungsbefürworter.11 DieEPA erhielt fast keine Unterstützung für die beabsichtigte zweite Phase derRegulierungen. Unter den 2.300 Briefen, die die Behörde erhielt, befandensich nur vier zustimmende (Roan 1989: 103).

In the early 1980s the ozone issue nearly completely disappeared in the US. Onereason was that the public thought the issue was over because of the aerosol ban.The second reason was that science predicted no losses. The third reason waspolitical: a hostile administration, and the perception within the environmentalcommunity that we had many bigger problems to address. (Interview 31)

Die FCKW-Produzenten reorganisierten sich. 1980 wurde die Alliance forResponsible CFC Policy gegründet, die gegenüber dem Kongreß und derEPA Lobbying betrieb. Sie orchestrierte einen Großteil der Flut von über2.000 Briefen an die EPA, um die zweite Regulierungsphase zu verhindern.1981 wandte sie sich gegen die noch in der Ära Carter ausgearbeitete An-kündigung (Advance Note of Proposed Rulemaking, ANPR) weiterer Regu-lierungen.12 Unter anderen führte die Alliance folgende Gründe an (Roan1989: 106ff.):

11 »For about two years I was literally the only environmentalist who followed the ozone is-sue«, sagt der damalige NRDC-Vertreter. Er verständigte sich mit den zuständigen Leutenbei der EPA, um den Druck auf die Industrie aufrechtzuerhalten. »There is a brief funnystory of how alone I was. There was one hearing where industry was given a panel to pre-sent five witnesses. But I was the only one for the environmental case, but it would havebeen embarrassing to admit it. So I wanted to have 3, phoned my friends and said: I writeyou a testimony, all you have to do is to come and read it. And they came. That was thedesperate period.«

12 In der sogenannten Advance Notice of Proposed Rulemaking teilt die Behörde Regulie-

Die Kontroverse der achtziger Jahre 245

– bisher wurde keine Ozonabnahme gemessen;– der NAS-Bericht von 1979 wurde vielfach kritisiert – die wahrscheinliche

Prognose über Ozonabbau muß halbiert werden;– neue Studien würden zu einer weiteren Reduzierung der Prognosen füh-

ren;– das Risiko des Zeitverlustes durch das Abwarten von Forschungsergeb-

nissen sei vernachlässigbar.

Der EPA wurde vorgehalten, sie dürfe sich nicht auf das Aerosolverbot von1978 berufen, da es keinen Präzedenzfall darstelle. Außerdem seien über eineViertelmillion Kleinbetriebe auf die Verfügbarkeit von FCKW angewiesen.Der NRDC konnte dem nur entgegnen, die Kosten einer Umstellung seiensehr viel leichter zu berechnen als der Nutzen. Der 1982 veröffentlichte

rungsziele mit, worauf eine Periode der öffentlichen Diskussion folgt.

246 Kapitel 5

NAS-Bericht halbierte die Prognose tatsächlich auf 5 bis 9 Prozent gegen-über dem vorigen Bericht:

Although the estimates were close to Rowland and Molina’s original 7 to 13 per-cent prediction, the tone of the NAS report seemed to indicate that no crisis wasimminent. It stated that there was no evidence of a decrease in ozone directly re-lated to human activity. (Roan 1989: 109)

Die NAS konzentrierte sich in ihrem Bericht von 1983 auf neue chemischeReaktionen und deren Auswirkungen auf die Ozonschicht. Dieser Berichtwurde im Februar 1984 veröffentlicht und schätzte den Ozonverlust nurnoch auf 2 bis 4 Prozent.

It is significant that the NAS reports have different titles: The 1982 report has»Causes and Effects of Stratospheric Ozone Reduction«, and 1984 »Causes andEffects of Changes in Stratospheric Ozone«. They were backing off a little bit onthe word »reduction«. When you had no long-term reduction then you had noreal strong argument for long-term controls. (Interview 16)

James Lovelock kommentierte den Stand der Dinge in der Zeitschrift Envi-ronment mit den Worten: »Had we known in 1975 as much as we know nowabout atmospheric chemistry, it is doubtful if politicians could have beenpersuaded to legislate against the emissions of CFCs« (Lovelock 1984: 26).Er betont, daß vermehrte UV-Strahlung auch gutartige Folgen habe, etwa fürKrankheiten, die auf Vitamin D-Mangel zurückzuführen seien oder beiMultipler Sklerose. Lovelock fragt: »Now that we are at peace again, itseems worth asking: What were the benefits of the ozone war? Who wonand who lost it?« Die Verlierer seien die Kleinunternehmer, die Gewinnerdie Wissenschaftler, die riesige Summen an Fördermitteln erhalten hätten.Dieses Geld wäre ohne den »Ozonkrieg« niemals verfügbar gewesen.

In the early days of this affair, I was repelled by the unbridled ambition of thosewho broke every rule of scientific conduct in their mad scramble for fame andfunds. The cool excellence of this report suggests that the war was worthwile,even if it was a messy and gaudy way to gain public support and money for sci-entific research. (Lovelock 1984: 26)

Ein Indikator für die geänderte Stimmung war der Beschluß der FirmaPennwalt, einer der großen US-Produzenten von FCKW, die Ausweitung ei-ner Produktionsanlage im Wert von 10 Mio. US-Dollar vorzunehmen. In derZeit von 1976 bis 1982 waren solche Investitionen praktisch nicht erfolgt(Roan 1989: 110).

Die Kontroverse der achtziger Jahre 247

5.2.2 Die Unterstützerallianz

Die Reagan-Regierung überging nach ihrem Amtsantritt die Klausel desClean Air Act, eine zweite Regulierung zu erlassen, falls weiterhin eine Ge-fahr bestehe. Es sah so aus, als ob eher die grundsätzliche Einschätzung ge-ändert würde, wonach FCKW eine Gefahr darstellten, als daß entsprechendeMaßnahmen ergriffen würden. Der NRDC stand in Kontakt mit Rowland,um die wissenschaftliche Argumentation aufzubauen.

Rowland had pointed out to me that even with the lower overall estimates of de-pletion there was still projected to be very significant ozone losses at high lati-tudes and at high altitudes. So our petition was predicated primarily on that ar-gument from Rowland. It was about redistribution of ozone with unknown con-sequences. We could not make a direct case for UV-B, but still said: This is avery significant change in atmospheric chemistry. And that itself should be thebasis for EPA to take some action. (Interview 31)

Der NRDC beriet sich auch Kontakt mit Behördenmitarbeitern innerhalb derEPA, die von einer zu frühen Klage abrieten.

Then the Reagan administration took off as if nothing happened. After two orthree years NRDC brought a lawsuit to force the action that was supposed tofollow from the finding. We were afraid the response of the Reagan administra-tion would be to withdraw the finding that there was danger. But when the firstgroup of appointees left in a cloud of scandal and new, more neutral people wereput in, in 1983, we decided to go ahead with the litigation, because we figuredthey were too honest to revoke the finding that there was danger. (Interview 6)

Das Timing der Klage war innerhalb des Unterstützernetzwerkes zwischenEPA und NRDC erörtert worden. Ein ehemaliger NRDC-Mitarbeiter sagtedazu:

But they [die EPA-Leute] said to me: Don’t bring a lawsuit now. But in 1983they felt it would actually help them internally if I brought such a petition, so Idid. I don’t want to give the impression that they were just telling me what to do,but the accurate characterization of the situation is: We quietly discussed thesituation behind the scenes at that time. But they deserve enormous credit sincethey kept the issue alive. (Interview 31)

Im Mai 1983 verklagte der NRDC die EPA wegen Verstoßes gegen den CleanAir Act von 1978. Die Klage hatte Erfolg. Die Behörde wurde verpflichtet,bis Ende 1987 neue Regulierungen zu erlassen (Parson 1993: 43).13

13 Die USA sollten eine unilaterale Beschneidung ihrer FCKW-Produktion vornehmen und

248 Kapitel 5

Nachdem EPA-Chefin Burford in einen politischen Skandal verwickeltwar und im März 1983 zurücktrat, versuchte der neue Chef Ruckelshaus, dieZuständigkeiten für die Ozonfrage in der EPA neu zu organisieren (Roan1989: 114). Seit der Novellierung des Clean Air Act lag die Zuständigkeitbeim Office of Toxic Substances, das an seiner unter Burford entwickeltenLinie festhielt, wonach weitere nationale Maßnahmen nicht vorgesehen wa-ren, bevor nicht ein internationales Rahmenabkommen geschlossen wurde.Darüber gab es innerhalb der EPA eine Kontroverse zwischen dem ToxicsOffice und der Abteilung für internationale Aktivitäten. Ruckelshaus gelanges, diesen Streit dadurch zu beenden, daß er die Zuständigkeit dem Office forAir and Radiation übertrug, einer Abteilung, die das FCKW-Problem alsTeil der Klimaproblematik ansah (ihr Abteilungsleiter war der Begründerdes Klima-Programms der EPA). Die neue Linie sah vor, daß man auch aufinternationaler Ebene wieder aktiver werden wollte. Vor dieser Wende hat-ten die Reagan-Hardliner, die auch die US-Delegation auf den internationa-len Treffen stellten, unter der Hand die Position vertreten, die VereinigtenStaaten würden, hätten sie noch einmal zu entscheiden, das Aerosolverbotnicht wiederholen (Roan 1989: 115). Die Umorientierung der EPA wurdeallerdings erst nach einer gewissen Zeit zur offiziellen Regierungsposition.Von September 1984 bis zur Festlegung der Verhandlungsziele für Montrealim Frühjahr 1987 wurde die Angelegenheit unterhalb der Regierungsebeneverhandelt.

Die interne Kräfteverschiebung innerhalb der EPA hatte nicht nur natio-nale, sondern auch internationale Auswirkungen.14 Vor dieser Wende befan-den sich die USA zeitweise zusammen mit der EG in einer Allianz gegen diePosition der nordischen Länder, die strenge Maßnahmen forderten. Durchdie Änderung der US-Position wird der EG ein mächtiger Verbündeter aufinternationaler Ebene entzogen. Das »alte« Muster stellt sich wieder ein: hierdie USA und die nordischen Länder, dort die EG.

Mit Ruckelshaus bekam die Regulierungsallianz neuen Auftrieb.15 Dochein bloßes Auswechseln der Führung hätte wahrscheinlich nicht ausgereicht,

Handelsbeschränkungen gegenüber solchen Ländern erlassen, die keine Beschränkungenvornehmen. Dies scheint ein sanftes Druckmittel auf internationaler Ebene gewesen zusein, obwohl es nicht so sehr eine akute Drohung als vielmehr ein Signal war, daß man esmit verschärften Regulierungen ernst meinte (Benedick 1991; Brodeur 1986; Parson1993).

14 Dieser Abschnitt basiert im wesentlichen auf Cagin /Dray (1993).15 Der zitierte NRDC-Aktivist erinnert sich: »He was considered quite honest. After he took

over, we filed a petition (May 83) in which we said: Look, you made this finding in Octo-ber of 1980 that a continued build-up of chlorine in the atmosphere represented a risk. Un-

Die Kontroverse der achtziger Jahre 249

um die neue Linie effektiv zu verfolgen. Wesentlich beteiligt an einer schnel-len Änderung der EPA-Linie waren Angestellte, die ihre Pro-Regulierungs-ziele auch unter Burford unbemerkt weiter verfolgt hatten. Sie konnten diesoffenbar deshalb tun, weil sie sich innerhalb der Hierarchie auf einer relativniedrigen Stufe befanden. Außerdem köderten sie Regulierungsgegner miteinem Argument, das industriefreundlich aussah: Sie wiesen auf die Wett-bewerbsnachteile hin, die aufgrund der im internationalen Vergleich stren-gen Regulierungen von 1978 enstanden waren:

It was easy for them to say internally – even in a Republican Administration – :»Our industry already had to do this, so it is in our competitive interest to makethe European industry do this as well.« So there was economic justification toask Europe to do this. (Interview 31)

Zum Jahreswechsel 1984/1985 traten zwei Personen ihre Ämter an, in de-nen sie entscheidenden Einfluß auf die weitere Entwicklung nehmen sollten.Ende 1984 wurde Richard Benedick zum Verhandlungsführer der USA beiden internationalen Verhandlungen in Sachen Schutz der Ozonschicht, imJanuar 1985 Lee Thomas zum Chef der EPA ernannt. Benedick wurde imVorfeld einer internationalen Bevölkerungskonferenz abberufen, weil er dieUS-Position zur Abtreibung nicht nachdrücklich genug vertreten hatte(Cagin/Dray 1993: 320f., 395f.). Er wurde in ein als »unwichtig« einge-schätztes Feld versetzt, also in die Ozonkontroverse gewissermaßen strafver-setzt. Dies entbehrt nicht der Ironie, da sich gerade diese Frage 1987 zu ei-ner der wichtigsten der internationalen Diplomatie entwickelte.

Lee Thomas führte die EPA unter dem von Ruckelshaus begonnenenKurs fort, der drastische internationale FCKW-Reduktionen anstrebte. ImNovember 1986 wurde die EPA-Linie an die US-Botschaften gekabelt. Siesah einen Zweistufenplan vor: zunächst konstante Produktionsziffern, ge-folgt von einem langfristigen Ausstieg. Diese Position wurde innerhalb derReagan-Administration in den folgenden Monaten mehrmals attackiert.Hauptargument der Regulierungsgegner war zunächst, daß EPA und StateDepartment diese radikale Linie in einen Alleingang durchsetzen wollten(Cagin/Dray 1993: 320f.). Benedick, auf den diese Attacke gemünzt war,hatte jedoch im November 1986 die Position von verschiedenen anderenBehörden absegnen lassen, unter anderem vom Department of Commerceand Energy, dem CEQ, der NASA, der NOAA, dem Office for Managementand Budget und dem White House Domestic Policy Council. Doch Vertreter

der the Clean Air Act you have to either change your finding, (and we were confident thatthe science was going against that), or you have to take action« (Interview 31).

250 Kapitel 5

der Ministerien Interior, Commerce, Energy and Agriculture, Office ofScience and Technology Policy, Office of Management and Budget kamenschnell zur Auffassung, daß man für eine Entscheidung von dieser Trag-weite eigentlich einen Kabinettsentscheid brauchte.

Die Regulierungsgegner in verschiedenen Ministerien begannen sich imFrühjahr 1987 zu formieren. Dazu begann eine Arbeitsgruppe des DomesticPolicy Council (DPC) unter dem Vorsitz des Office for Management andBudget Ende März ihre Beratungen. Dies hatte zunächst die Konsequenz,daß die Linie für die internationalen Verhandlungen bis auf weiteres vomDPC festgelegt wurde. Konkret hieß dies, daß auf der anstehenden UNEP-Verhandlungsrunde Ende April 1987 in Genf nicht mehr als ein Einfrierendes Produktionsniveaus gefordert werden sollte.

Lee Thomas setzte sich schließlich im Frühjahr 1987 bei Gesprächenzwischen Vertretern verschiedener Behörden und Präsident Reagan durch,bei dem die offizielle US-Verhandlungsposition bestimmt wurde. Thomasverlangte als unmittelbares Reduktionsziel mindestens 50 Prozent, da erschätzte, daß die Industrie durch Recycling und andere Maßnahmen etwa 30Prozent einsparen könne. Um einen Anreiz zu technologischen Innovationenzu schaffen, mußte die Ziffer deutlich höher sein (Cagin/Dray 1993: 331).Langfristig sollten die Chemikalien verboten werden. Der republikanischeSenator Chafee und der demokratische Abgeordnete Max Baucus brachtenähnlich lautende Gesetzesvorlagen ein, in der unilaterale Regulierungen inVerbindung mit Handelsschranken gegen FCKW-haltige Produkte gefordertwurden.16

Entscheidende Unterstützung für die EPA kam von AußenministerShultz, der sich öffentlich für ein internationales Protokoll einsetzte und denDomestic Policy Council dafür kritisierte, die vorbereitete US-Position än-dern zu wollen. Präsident Reagan billigte schließlich die von EPA und Au-ßenministerium entwickelte Linie: Die USA werden sich bei den internatio-nalen Verhandlungen für eine Reduktion von 95 Prozent einsetzen, aber ei-nem Kompromiß bei 50 Prozent zustimmen. Diese formale Entscheidung,die erst am 18. Juni 1987 fiel, deckte die von Benedick verfolgte Linie ab.

16 Congressional Record, Proceedings of the 99th Congress, Second Session (8.10.1986): »Irecognize that unilateral action has both advantages and disadvantages. It would providean early incentive for our domestic industry to begin work on producing alternativechemicals … By passing legislation in the United States, we would get the jump on othernations which I am convinced are going to have to take action. It is my understanding thatsuch chemical substitutes are possible, but would take approximately five years to developand would cost consumers a few pennies more. This seems like a small price to protect theozone layer« (Senator Chafee).

Die Kontroverse der achtziger Jahre 251

Einer der Hauptgründe dafür, daß die Benedick-Thomas-Linie sich durch-setzen konnte, war das ungeschickte Operieren der Regulierungsgegner.Während der Beratungen im Weißen Haus wurde ein Optionskatalog ver-faßt, der schließlich Präsident Reagan zur Entscheidung vorgelegt werdensollte. Die von Innenminster Hodel formulierte Option sah statt FCKW-Regulierungen persönlichen Schutz vor: Hüte, Sonnenbrillen und Sonnen-creme. Das eventuell erhöhte Krebsrisiko sollte auf individuell-persönlicheEntscheidungen verlagert werden, eine Option, die öffentlich nicht haltbarwar. Dieser Vorschlag geriet durch eine gezielte Indiskretion seitens der Re-gulierungsbefürworter in die Presse. David Doniger vom NRDC hörte vondiesen Diskussionen und gab sie an Journalisten weiter, die zuerst an einenScherz glaubten, weshalb sie in Hodels Büro um Bestätigung baten. Bestäti-gung bekamen sie nicht nur von dort, sondern auch vom Sprecher des Wei-ßen Hauses und dem Wissenschaftsberater des Präsidenten, William Graham.Am 28. Mai 1987 berichtete die Presse, daß Hodel und Graham gegen eineUnterzeichnung eines internationalen FCKW-Abkommens seien, weil zuviele wissenschaftliche Unsicherheiten bestünden. Die Washington Post kammit der Schlagzeile heraus: »Administration Ozone Policy may Favor Sun-glasses, Hats«, und das Wall Street Journal titelte: »Advice on Ozone Maybe: Wear Hats and Stand in the Shade«. In diesem Blatt wurde Hodel mitden Worten zitiert: »People who don’t stand out in the sun – it doesn’t affectthem.«17 Die Regulierungsgegner wurden in der Presse wegen ihres »idioti-schen« Vorschlags der Lächerlichkeit preisgegeben. Dies setzte die Serie derschlechten Presse von Irangate bis Contragate fort.18

In der darauf folgenden öffentlichen Debatte, an der sich Präsident Rea-gan, der kurz zuvor selbst wegen Hautkrebs behandelt worden war, nichtbeteiligte, gewannen die Befürworter deutlich an Unterstützung. Die Regu-lierungsgegner hatten sich lächerlich gemacht. Es blieb ihnen nichts anderesübrig, als das anspruchsvolle Ziel der EPA hinzunehmen. Die Konservativenmögen sich damit getröstet haben, daß es höchst unrealistisch schien, das an-spruchsvolle Ziel international durchzusetzen.19

17 »I’ve heard Watson say that that wasn’t quite what Hodel said. He was misquoted, butwhen asked confirmed it [lacht]. It had gotten so far along that they decided it was tooembarrassing to back out. The people in the President’s cabinet did not find out that thedecision was being made until it was too late« (Interview 16).

18 Zur selben Zeit wurde publik, daß die Reagan-Regierung mit dem Iran Waffen gegen Gei-seln getauscht hatte und die nicaraguanischen Contras mit dem Gewinn heimlich finan-zierte. Shultz, der sich gegen diese Aktionen gewandt hatte, verfügte in dieser Periodeüber besonderen Einfluß im Kabinett.

19 Man muß sich vergegenwärtigen, daß damals die Vorstellung völlig abwegig war, eine

252 Kapitel 5

Der Verlauf dieser Kontroverse weist darauf hin, daß das Netzwerk derRegulierungsbefürworter (unterhalb der Regierungsebene) über längere Zeithinweg auf eigene Faust operieren konnte. Die Regierung hatte das Ozon-problem ignoriert und ihm keine außenpolitische Priorität beigemessen. Dieszeigte sich auch daran, daß ein Verhandlungsführer ernannt wurde, der auseinem brisanten Gebiet herausgenommen und mit der Führung der Ozonver-handlungen beauftragt wurde, die ein vermeintlich geringeres Profil hatten.Hochrangige Mitarbeiter verschiedener Ministerien hatten die Wichtigkeitder Frage glatt übersehen. Als sie auf die Brisanz der Frage aufmerksamwurden, war es zur Umkehr zu spät.

5.2.3 Die Gegenallianz bröckelt

Du Pont wandelt sich vom Saulus zum Paulus

Das erste Anzeichen dafür, daß Du Pont seine Linie überdenkt, kam imSeptember 1986. Joseph Glas, Chef von Du Ponts Freon-Abteilung, erläu-terte den geänderten Standpunkt der Firma in einem Brief an die Kunden.Darin hielt er es für möglich, daß FCKW sowohl mit dem antarktischenOzonloch als auch mit der globalen Ozonabnahme in Verbindung stehenkönnen. Außerdem sei es möglich, daß FCKW ein Treibhausgas seien. Dader FCKW-Verbrauch weltweit ansteige, sei es an der Zeit, Vorsorgemaß-nahmen zu ergreifen:20

Because of the new questions and concerns, the inability of science to define asafe, sustainable emissions growth rate for CFCs, and the facts that resolution ofthese and other uncertainties is not likely in the near term, we have concluded thatit would now be prudent to take further precautionary measures to limit CFCsworldwide while science works to provide policymakers with better guidance.21

Entgegen der Linie anderer Hersteller deutete man an, daß man mit Regulie-rungen leben könne, weil dann Erstzstoffe rentabel würden. Die Alliance for

ganze Klasse von industriell produzierten Chemikalien durch internationale Maßnahmenzu verbieten. Ich danke Konrad von Moltke für diesen Hinweis.

20 Verschiedene Konzentrationsmessungen (die vor allem von individuellen Wissenschaft-lern des Unterstützernetzwerkes durchgeführt wurden, siehe Kapitel 3) zeigten bereits1982, daß die Weltproduktion von FCKW wieder angestiegen sein mußte. Bevor dies offi-ziell bestätigt wurde, vergingen fast zwei Jahre, da die Aufstellung von Produktionsdatenaus wettbewerbsrechtlichen Gründen in einem komplizierten Verfahren von Treuhändernvorgenommen wurde.

21 Brief von Joseph P. Glas an Freon-Kunden, 26.9.1986 (zit. bei Cagin /Dray 1993: 303).

Die Kontroverse der achtziger Jahre 253

Responsible CFC Policy schloß sich an – eine völlige Kehrtwendung derUS-Produzenten, hatte Du Pont doch im Jahr zuvor noch eine Erweiterungder FCKW-Kapazitäten in Japan angekündigt. Bis dato wurde argumentiert,daß Regulierungen nicht legitimierbar seien, solange das Wissen nicht sichersei; nunmehr wird gerade die wissenschaftliche Unsicherheit als Argumentfür Regulierungen angeführt.

Welches waren die Gründe für das Umschwenken von Du Pont? Dieseraußergewöhnliche Schritt war Anlaß zu mancher Spekulation. Im Lichte derverfügbaren Tatsachen ergibt sich folgende Rekonstruktion:

1. Im Gegensatz zu anderen Firmen hatte sich Du Pont bereits 1975 in öf-fentlichen Erklärungen dazu verpflichtet, die Produktion von FCKW ein-zustellen, falls sich der Verdacht der Gefährlichkeit dieser Stoffe bestäti-gen ließe. Damit war zwar noch nicht gesagt, daß Du Pont sich an diesesVersprechen hält; es ist auch nicht klar, welche Art von Beweisen dafürals ausreichend angesehen werden. In der Tat verteidigte Du Pont seinePosition über zehn Jahre lang, gleichgültig, wie die »Beweislage« aussah.Die Selbstbindung übte also keinen direkten Einfluß auf die Firmenpoli-tik aus. Sie liefert aber eine öffentlichkeitswirksame Begründung für denFall, in dem man es für opportun hält, sich des Versprechens zu entsin-nen. Von 1974 bis1986 war Du Pont in den USA der aktivste Akteur derGegenallianz, der immer Lücken in der Beweiskette der FCKW-Kritikersah, um die eingeschlagene Linie fortzusetzen. Eine Änderung der Liniewird allerdings erleichtert, wenn sie ohne allzu großen Gesichtsverlust zuhaben ist. Genau dafür war das öffentliche Versprechen geeignet, und dasTiming war dem angemessen: Die Wende erfolgte nach der Veröffentli-chung wissenschaftlicher Ergebnisse.

2. Selbst bei relativ »weichen« Maßnahmen würde das Wachstum der Bran-che begrenzt, was für die Industrie nicht gerade verlocked war. Der Di-rektor der Alliance for Responsible CFC Policy brachte es auf die For-mel: »A business with no growth potential is a lousy business to be« (zit.in Cagin/Dray 1993: 308). Du Ponts Kalkül bestand darin, daß im Falleder Unvermeidlichkeit von Regulierungen Alternativstoffe für alle Her-steller verbindlich werden, womit sich die Frage nach der Marktfähigkeitnicht mehr in dieser Schärfe stellte. Die wichtige Frage für Du Pont war:Wie wahrscheinlich sind neue Regulierungen? Und: Welche Optionenhaben wir im Vergleich zu anderen FCKW-Herstellern?

3. Die Wahrscheinlichkeit von Regulierungen nimmt mit einer entsprechen-den Positionsänderung eines großen FCKW-Produzenten zu, da durch ei-nen solchen Schritt den FCKW-Verteidigern gleich zwei wesentliche

254 Kapitel 5

Ressourcen entzogen werden: einmal die angebliche Unmöglichkeit,gleichwertige Ersatzstoffe in relativ kurzer Zeit rentabel produzieren zukönnen, und zum anderen das dadurch bewirkte implizite Eingeständnis,daß dem Widerstand gegen die Molina-Rowland-Hypothese nunmehr dieGrundlage fehlt, die MRH offen oder stillschweigend akzeptiert wird. DaDu Pont weltweit den Kampf gegen die FCKW-Kritiker am massivstengeführt hat und zur öffentlichen Symbolfigur in diesem Kampf wurde, istseine Entscheidung gewichtiger als die irgendeines anderen Herstellers.Sein Ausstieg muß einen Dominoeffekt auslösen. Wenn Du Pont davonabläßt, FCKW zu verteidigen, welche Gründe sollten andere dann nochhaben?22

The Importance of Being Du Pont

1986 nahm Du Pont die 1980 eingestellten Forschungs- und Entwicklungs-arbeiten auf dem Gebiet der Ersatzstoffe wieder auf. Die Ausgaben für dasneu aufgelegte Programm betrugen 5 Mio. US-Dollar im Jahr 1986, 10 Mio.US-Dollar im Jahr 1987 und 30 Mio. US-Dollar im Jahr 1988. Zum Ver-gleich: Von 1976 bis 1980 gab man 3 bis 4 Mio. US-Dollar pro Jahr für Er-satzstofforschung aus (Reinhardt 1989). Glaubt man diesen Zahlen, so hatteDu Pont 1986 keine fertig entwickelten Ersatzstoffe in den Regalen stehen.Dies ist eine beliebte Ad-hoc-»Erklärung« im sozialwissenschaftlichen Ozon-diskurs, die sich bei näherem Hinsehen als Mythos herausstellt.

Wie stand es um den technologischen Vorsprung Du Ponts wirklich? Hierist eine gehörige Portion Skepsis angebracht. Ein Blick in Fachzeitschriftender chemischen Industrie zeigt, daß alle FCKW-Hersteller mit folgendenProblemen konfrontiert waren:

– es gab in keinem Bereich eine hundertprozentige Substituierbarkeit;– die als Alternativen identifizierten Stoffe mußten (zum Teil langzeit-)

toxikologische und ökologische Testverfahren durchlaufen, bevor sie zu-gelassen werden konnten;

22 »From the standpoint of the bulk of the atmospheric science community, the controversywas sort of over by mid-1988. At the end of March [1988] the Du Pont company said theywere going to get out [of CFCs]. That pulled the plug on all of the industrial argumentsthat we don’t know enough. ›But if the Du Pont Company knew enough, why don’t you?‹– is the question to the other companies, so they pulled out, too« (pers. Mitteilung Row-land). Andere Akteure wurden von der Entscheidung Du Ponts beeinflußt, was die Glaub-würdigkeit der Regulierungsbefürworter immens erhöhte.

Die Kontroverse der achtziger Jahre 255

– geeignete Produktionsverfahren für die möglichen Ersatzstoffe mußtenentwickelt werden.23

Der erste Punkt wirft ein neues Licht auf die beliebte Oligopolthese, da esim Wettbewerb um Ersatzstoffe auch Wettbewerber gab, die von außerhalbder chemischen Industrie kamen. In Anwendungen, in denen bisher einFCKW zum Einsatz kam, waren mehrere Alternativen möglich, so auchnichtchemische Produkte.24 Das heißt, es ging für die FCKW-Hersteller zu-nächst einmal darum, so weit wie möglich im Geschäft zu bleiben. Dazukam, daß die Ergebnisse der Tests abgewartet werden mußten, bevor manmassiv in neue Anlagen zur Produktion der Ersatzchemikalien investierenkonnte. Die Industrie nutzte die Zwischenzeit zum Bau von Pilotanlagen, umdie Substituierbarkeit, technische Beherrschbarkeit und Kundenakzeptanz zutesten. Dazu gründeten die Hersteller verschiedene Forschungsverbünde, umdie Forschung zu koordinieren. 1988 sah es so aus, als ob Du Pont als ersterProduktionsanlagen für 134a errichten würde und bei positiven toxikologi-schen Testergebnissen 1992 in die Großproduktion gehen könnte.25 Im Jahrdarauf wird bekannt, daß die US-Firma Allied-Signal ab Ende 1991 in einerneuen Anlage R 141b produzieren könne (als Ersatz für R11 im Anwen-dungsbereich der Kunststoffverschäumung und als Lösungsmittel). Kali ko-operiert mit einer britischen Firma beim Bau einer Pilotanlage für R 134aund R 123, um die Marktreife der Produkte zu beschleunigen. Bereits amMarkt war die Pennwalt Corp. mit einem Gemisch für Kühlzwecke. 1990nimmt Imperial Chemical Industries (ICI) die weltweit erste großtechnischeAnlage zur Herstellung von R 134a in Betrieb.

Die Hersteller verfolgten verschiedene Optionen, ohne über die Profita-bilität gesicherte Annahmen zu besitzen. Deshalb ist die Vorstellung unreali-stisch, wonach es einen Hersteller (Du Pont) gegeben hätte, der aufgrund ei-nes technologischen Vorsprung eine marktdominierende Stellung erkämpfen

23 Dies trifft nicht zu für R 22, das schon lange vor Montreal im Einsatz war.24 1989 schätzte ein Hoechst-Sprecher folgende Substitutionspotentiale: im Kältebereich

80%, bei der Wärmedämmung 25%, bei Aerosolen 5%, bei der Reinigung 30% und beiWeichschaum 0% (Europa Chemie, Heft 13 /89, 206). Du Pont schätzte im selben Jahrfolgende Zahlen: Ersatz durch HFCKW und HFKW 30 beziehungsweise 9%, Wiederver-wendung 25% und »Fremdhersteller« 32%. Vier Jahre später hatten sich die Schätzungenzuungunsten der Ersatzstoffe gewandelt: Du Pont sah nur noch je 11 und 15% fürHFCKW und HFKW, 29% für Wiederverwendungen, aber 49% »Fremdhersteller«. Mitt-lerweile zeigt sich, daß es zum Aufbau von Überkapazitäten und damit zu einem Preisver-fall bei HFKW gekommen ist (Brack 1996: 31).

25 Alle Informationen nach Europa Chemie und Chemische Industrie (Jahrgänge 1988–1990).

256 Kapitel 5

wollte und dies durch geheime Forschung auf dem Gebiet der Ersatzstoffeangestrebt hätte.26 Dies war weder 1986 noch 1988 realistisch und läßt sichauch im Rückblick nicht bestätigen.27

Du Pont hat sich nicht deshalb für internationale Regulierungen einge-setzt, weil sie bereits über Ersatzstoffe verfügte. Das ökonomische Eigenin-teresse hat zweifellos eine Rolle gespielt, wenn auch in anderer Form als esdie mythische Ersatzstoffthese glauben machen will. Entscheidend ist derZeithorizont, auf den sich die strategischen Firmenentscheidungen beziehen.Du Pont verfolgte eine Langzeitstrategie, wie folgende beiden Punkte zeigen.

Die FCKW-Hersteller der USA litten Anfang der achtziger Jahre untereinem Preisverfall bei F11 und F12, Überkapazitäten und Rationalisierungs-problemen. Nach der ersten Regulierungsphase hatte Du Pont ein Drittel sei-nes FCKW-Geschäfts verloren.28 Die Firmen Du Pont, Allied und Pennwaltschlossen je eine Anlage zur Produktion von F 11/12 nach dem Aerosolver-bot (Reinhardt 1989: 10–12). Bei Du Pont gab es Versuche zur Kostensen-kung, Rationalisierung und Rückwärtsintegration, die in einer neuen Pro-duktionsanlage in Texas geleistet werden sollte. Du Pont schrieb diese Inve-stitionen schnell ab, war aber mit anderen Rationalisierungsmaßnahmen ei-nigermaßen erfolgreich, so daß die Firma 1987 ein Niedrigkostenherstellervon FCKW werden konnte. Zur Zeit des Montrealer Protokolls verzichteteDu Pont auf eine kurzfristige Profitmaximierungsstrategie, um preisbewußteKunden nicht völlig vom Markt zu verdrängen. Diese wollte man für einespätere Umstellung auf Alternativstoffe gewinnen. »If we show them, we

26 Der New Scientist berichtete im April 1987 über diese Frage, daß die US-Firmen keinentechnologischen Vorsprung besaßen, und alle großen FCKW-Hersteller Patente für dieaussichtsreichsten Ersatzstoffe angemeldet hatten: »EEC sources say that American com-panies, including Du Pont, are ahead in the search for replacements and would benefitcommercially from the US’s proposals. Du Pont denies this. So does its chief competitor,ICI. ›No one can have a replacement for CFC 11 and 12 on the market before five, ormore likely ten years‹, says Peter Hollins, ICI’s business manager for halomethanes« (NewScientist, 23.4.1987: 22; vgl. auch Umweltbundesamt 1989: 34). Im selben Artikel erfährtman auch, daß ICI, Du Pont und andere Firmen sich den Alternativstoff R 134a haben pa-tentieren lassen und daß R 22 schon 1936 erfunden wurde. Damit läßt sich die These vomtechnologischen Vorsprung nicht aufrechterhalten.

27 »I also do not have the impression that Du Pont had such a big lead in alternatives at thetime. Back in the period 1977 to 1979, each of the major companies (Du Pont, Allied, ICI,perhaps Hoechst) obtained patents on particular methods for making some of the likelysubstitutes… [The Du Pont decision to phase out] doesn’t sound to me like a decisionmade because they thought that they had competitive advantage – although they may alsohave felt that they were in a good position« (Interview 16).

28 Noch größer waren die Verluste für die kleineren Produzenten, die keine Ausweichmög-lichkeiten auf andere Produkte (F 22, 113) oder andere Länder hatten.

Die Kontroverse der achtziger Jahre 257

have a leadership position in alternatives, then they see that as a contributionto their current business«, sagte ein Du Pont Manager (zit. bei Reinhardt1989: 12). Du Pont versucht, durch seine Bereitschaft zum Ausstieg ausFCKW Firmenreputation zu pflegen, besonders verantwortungsvoll zu han-deln und erstklassige Wissenschaft zu betreiben: »The chemical industry inWilmington has always had a culture that emphasizes scientific credibility.They feel they do world class science« (Interview 31). Die Ankündigung,sich aus dem Geschäft zurückzuziehen, ist ein Signal an die Kunden und diebreite Öffentlichkeit. Rivalen Du Ponts könnten dadurch versucht sein, indie Bresche zu springen und von diesem Rückzug zu profitieren, was DuPont bekannt gewesen ist und keine große Sorgen bereitete (Interview 16).

Andere FCKW-Hersteller orientierten sich in der Tat an einer kurzfristi-gen Planung und versuchten mit ihren Anlagen, die in Kürze wahrscheinlichobsolet würden, so viel wie möglich an kurzfristigen Profiten hereinzuholen.Du Ponts langfristige Orientierung war riskanter. Rückblickend hat sich dieUmstellung nicht unbedingt gelohnt:

But clearly the industry who is making CFCs has a small share of the marketnow with the replacements, so they are not making as much money as they couldhave made if the CFCs had not been regulated, considering the world expansion.(Interview 13)

Der wichtigste Grund für die Änderung der langfristigen Firmenpolitik lagjedoch darin, daß man selbst bei einem Scheitern der internationalen Regu-lierungsversuche mit unilateralen US-Regulierungen rechnete oder gar mitgerichtlichen Klagen von Hautkrebspatienten, die gegen die VerursacherSchadensersatzklagen führen konnten (Roan 1989: 193). Ende 1986 veröf-fentlichte die EPA eine Studie, in der geschätzt wurde, daß in den USA inden nächsten 88 Jahren 40 Millionen Hautkrebsfälle und 800.000 Krebstoteaufgrund der Zerstörung der Ozonschicht zu erwarten seien (New York Times,5.11.1986). Wie verschiedene Dermatologen bei Regierungsanhörungen imFrühjahr 1987 feststellten, lag die Wahrscheinlichkeit Hautkrebs zu bekom-men, im Jahr 1930 bei 1:1.500, heute bei 1:135 und werde Ende des Jahr-hunderts auf 1:90 steigen (Cagin/Dray 1993: 324f.; Washington Post, 31.3.1987). Die Zahl der an Melanoma neu Erkrankten habe sich von 1980 bis1989 verdoppelt.

Etwa zu dieser Zeit widmete sich die RAND Corporation in einer Studiedem Problem der Entscheidung unter Unsicherheit. Es wird gesehen, daß ausMangel an Vergleichsfällen keine Wahrscheinlichkeit berechnet werdenkann, weshalb das klassische Risikokalkül versagt. »The probability must be

258 Kapitel 5

estimated by policy makers, relying on the best available scientific evidence.«Worin besteht aber die wissenschaftliche Evidenz? Der Autor der Studieweist darauf hin, daß dafür keine genaue Wahrscheinlichkeit des Ausmaßesder Ozonzerstörung nötig ist, sondern nur ein Schwellenwert (»cut-off level«)über die Wahrscheinlichkeit von notwendigen Maßnahmen. Die RAND-Studie argumentiert, daß dieser Wert zwischen 30 und 50 Prozent liege.

If policy makers believe the chance that significant emission controls will be re-quired in the foreseeable future exceeds 50 percent, adopting additional regula-tions now appears to be a good investment. If they perceive the chance to be lessthan 30 percent, immediate regulations look like a poor investment.29

Das mathematische Kalkül gibt nicht viel mehr her als eine Daumenregel.Handlungskriterium ist die von Politikern wahrgenommene Wahrscheinlich-keit künftiger Regulierungen, nicht jedoch die Wahrscheinlichkeit von Ge-fährdungen. Als unabhängige wissenschaftliche Handlungsempfehlung kanneine solche Aussage kaum dienen. Politiker können in dieser Situation aller-dings das Prestige von RAND ausbeuten, da in der Öffentlichkeit der Ein-druck entsteht, als ob auch RAND Kontrollmaßnahmen empfehle.

Liest man die RAND-Stellungnahme als Handlungsempfehlung fürFCKW-Produzenten und ersetzt die Vokabel »policy maker« durch »execu-tive board«, dann wird schnell klar, in welcher Situation sich Du Pont 1986befand. Es war in der Tat ratsam, Regulierungen zu antizipieren, zumal dieWahrscheinlichkeit künftiger Maßnahmen mindestens 50 Prozent betrug.

5.2.4 Die Medien

1985 existierte das Problem der Ozonschicht für die amerikanische Öffent-lichkeit praktisch nicht, 1986 gab es über zwanzig Artikel in der nationalenPresse, im Jahr darauf mehr als doppelt so viele. Diese Wachstumsraten zei-gen, welch schlagartig veränderte Aufmerksamkeit durch die Entdeckungund Diskussion des Ozonlochs erzeugt wurde (Abbildung 5-4).

Schlüsselt man die Presseberichte nach den verschiedenen Anlässen derBerichterstattung auf, so zeigt sich, daß wissenschaftliche und politischeAnlässe der Berichterstattung sich abwechseln. Interessanterweise wird diePolitik nach der Entdeckung des Ozonlochs häufiger zum Anlaß der Be-richterstattung als die Wissenschaft (Abbildung 5-5).

29 »Ozone Depletion: Probability Is All We Have« (The Wall Street Journal, 19.6.1987).

Die Kontroverse der achtziger Jahre 259

260 Kapitel 5

Als Sprecher der Befürworterallianz treten nach der Entdeckung des Ozon-lochs neben Rowland und Molina vor allem folgende Akteure in den überre-gionalen US-Printmedien in Erscheinung: Lee Thomas (EPA-Chef), RichardBenedick (Verhandlungsführer, Außenministerium), Mostafa Tolba (UNEP-Direktor), Robert Watson (NASA), David Doniger (NRDC) und MichaelOppenheimer (Environmental Defense Fund). Auch andere Akteure äußernsich besorgt, vor allem über das antarktische Ozonloch.30

Hervorzuheben ist die immens gestiegende Aufmerksamkeit des WallStreet Journals und der Washington Post. Alle drei großen Tageszeitungenberichten zu fast gleichen Anteilen über die Thematik, wobei die New YorkTimes mit über einhundert Artikeln weiter führend bleibt. Der Aufmerksam-keitsgipfel aller drei Tageszeitungen liegt im Jahr 1989 (Abbildung 5-6).

5.3 Die EG

Huber und Liberatore (1993) unterscheiden drei Phasen in der Politik derEuropäischen Gemeinschaft:31 In der ersten defensiven Phase (1977 bis 1983)betreibt sie eine Politik des Status quo; in der zweiten, aktiven Phase (1984bis 1987) beteiligt sie sich an den internationalen Aktivitäten,32 die schließ-lich zu ersten verbindlichen Schritten führen. In der dritten Phase (nach1988) betreibt sie die Verschärfung der bereits erreichten Regulierungen.Die Festlegung der politischen Linie der EG erfolgte durch das Europapar-lament, den EG-Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuß (WSA) und dieEG-Kommission. Das EG-Parlament favorisiert progressive (Vorsorge-) maß-nahmen, der WSA ist eher industriefreundlich. Die Thematik berührte zweiverschiedene Politikbereiche innerhalb der EG (Umweltpolitik und Handels-politik), in denen unterschiedliche Mehrheitsregeln galten. In der Umwelt-politik war Einstimmigkeit gefordert, in der Handelspolitik eine qualifizierteMehrheit. Erst mit der Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akteim Jahr 1987 bekam die EG ein Umweltmandat (Beutler et al. 1993: 510).Neben diesen institutionellen Faktoren muß daran erinnert werden, daß die

30 Ein Wissenschaftler der National Science Foundation sagt über das gegenüber 1988 ge-wachsene Ozonloch von 1989: »It’s terrifying. If these ozone holes keep growing like this,they’ll eventually eat the world« (New York Times, 23.9.1989).

31 Dieser Abschnitt basiert auf Huber /Liberatore (1993) sowie Jachtenfuchs (1990).32 »Aktiv« ist insofern ein Euphemismus, als die EG bis 1987 nicht bereit ist, massiven

FCKW-Reduktionen zuzustimmen; siehe auch Haigh (1992: 245).

Die Kontroverse der achtziger Jahre 261

EG in den internationalen Verhandlungen eine Politik verfolgte, die nebenden substantiellen Fragen auch die Akzeptanz der EG als eigenständigerEinheit auf dem internationalen Parkett durchsetzen wollte. Daraus ergabensich im Verlauf der internationalen Verhandlungen Komplikationen.

5.3.1 Die defensive Phase

Im August 1977 schlug die EG-Kommission eine Ratsempfehlung vor, dieberücksicht, daß es internationale Regulierungsbemühungen und bereits er-folgte freiwillige Maßnahmen auf nationaler Ebene gab. Man war sich desFCKW-Problems bewußt und fühlte, daß etwas getan werden mußte. DieKomission vertrat die Ansicht, daß sich unter Berücksichtigung der Datenla-ge keine Risikoabschätzung vornehmen ließ. Sie schlug deshalb die Kon-trolle der Produktionskapazitäten der EG vor, wodurch größere ökonomi-sche oder soziale Auswirkungen vermieden werden sollen. Konkret wurdenvier Dinge vorgeschlagen:

– die Koordination der Erforschung technischer Aspekte auf EG-Ebene;– die Aufforderung, Ersatzstoffe für F11 und F12 zu entwickeln;– die Leckage dieser Stoffe zu vermeiden und– keine Ausweitung der Produktionskapazitäten zuzulassen.

262 Kapitel 5

Diese Empfehlung wurde vom WSA und vom Europäischen Parlament imSeptember 1977 kommentiert. Der WSA begrüßte die Empfehlung und wiesdarauf hin, daß sie keine Rechtskraft habe. Die großen Unsicherheiten wür-den eine abwartende Haltung nahelegen, zumal nur ein geringer Ozonabbauerwartet werden könne. Trotzdem sollten Vorsorgemaßnahmen ergriffenwerden, da die Entwicklung von Ersatzstoffen eine lange Vorlaufzeit benö-tigen. Eventuelle Maßnahmen sollten Wettbewerbsverzerrungen innerhalbder Gemeinschaft ausschließen. Das Europäische Parlament hingegen zogrechtlich bindende Formen (Richtlinie oder Ratsentscheidung) vor und be-fürwortete weitergehende Maßnahmen im Aerosolbereich, um die fortschritt-liche US-Position einzuholen.

Im Mai 1978 erließ der Rat einen Beschluß über »FCKW in der Um-welt«, der im wesentlichen dem Vorschlag der Kommission folgt und vorsah,daß die Produktionskapazität nicht erhöht und die Forschung koordiniertwerden soll. Danach sollten die UNEP den internationalen Prozeß verant-wortlich führen und die Hersteller Ersatzstoffe entwickeln. Ein Jahr späterunterbreitete die Kommission eine neue Empfehlung, die die Ergebnisse derinternationalen Konferenz von München im Dezember 1978 aufgriff. Darinwurde eine Reduktion im Bereich der Aerosole von 30 Prozent angepeilt(Basisjahr 1976). Europaparlament und WSA stimmten dieser Empfehlungzu, wobei der WSA ausdrücklich festhielt, daß weitergehende Reduktionennicht realisierbar seien. Im März 1980 erfolgte eine rechtskräftige Entschei-dung des Rates, die keinen Ausbau der Kapazitäten erlaubte und eine 30-Pro-zent-Reduktion des FCKW-Verbrauchs bei Aerosolen vorsah. Innerhalb ei-nes Jahres sollte auf Basis neuer ökonomischer und wissenschaftlicher Datendarüber neu befunden werden. Die Implementierung beider Maßnahmen er-folgte ohne große Probleme, da sie sich aufgrund der Marktentwicklung(Rezession) ohnehin ergaben.

Im Juni 1980 erklärte die Kommission, daß es signifikante Unterschiedezwischen Ergebnissen amerikanischer und britischer Forscher gebe. Wäh-rend die US-Forscher eine Ozonabbaurate von 16,5 Prozent für wahrschein-lich hielten, meldeten die Briten Zweifel an der Gültigkeit der Hypothese an.

In Europe the governments did not like the Americans to tell them what to do, sothere was some research going on. These governments were hoping that sciencewould find different results than those in the US. So there was always a little bitof tension. (Interview 41)

Zu jener Zeit war die Kommission der Auffassung, daß FCKW bislang keineAuswirkungen auf die Ozonschicht gehabt haben. Im Jahr darauf werden die

Die Kontroverse der achtziger Jahre 263

Ergebnisse eines von der DG XII veranstalteten wissenschaftlichen Work-shops aufgenommen, die den Ernst der Problematik unterstrichen.33 Sowohlkünftiger Ozonabbau als auch neue Anwendungsgebiete für FCKW gabenAnlaß zur Sorge. Man hielt jedoch eine Änderung der gegenwärtigen Politikfür nicht angebracht. Die Kommission forderte Produktionsdaten, um dieKapazitätskontrolle einzuhalten. Der WSA hielt die wissenschaftlichen Un-sicherheiten nach wie vor für groß, weshalb weitere Messungen und Beob-achtungen durchgeführt werden sollten. Das Europaparlament sah in denvorgeschlagenen Maßnahmen das Minimum und wollte darüber hinaus Kon-sumenteninformation betreiben, um die Gemeinschaftsziele zu erreichen.

5.3.2 Die aktive Phase

Nachdem die USA 1983 ihre Position geändert hatten und den Vorstoß dernordischen Staaten (weltweites Aerosolverbot) unterstützten, verlor die EGeinen mächtigen Allianzpartner und mußte reagieren. Die Reaktion war zu-nächst eine Wiederauflage der alten Strategie in Richtung einer Beschrän-kung der Produktionskapazitäten. Wie gesagt, dies war die Absicht einerkünftigen Produktionsbeschränkung, da die Kapazitäten zum damaligenZeitpunkt nicht ausgelastet waren. Dennoch bedeutet ein Maßnahmenvor-schlag immer, daß die Existenz eines Problems eingestanden wird. Hat manaber einmal eingestanden, daß ein Problem besteht, ist es für eine prinzipi-elle Umkehr meist zu spät.

Im Oktober 1984 äußerte sich die Kommission zu den internationalenVerhandlungen im Vorfeld der Wiener Konvention. Zunächst ging es umden Status der EG, die als eigenständiger Akteur unterzeichnen wollte, wasvon anderen Staaten skeptisch aufgenommen wurde. Die EG verfolgte dieAnerkennung als regionale Wirtschaftseinheit (Regional Economic Integra-tion Organization, REIO) als politisches Ziel.34 Die USA stellten sich gegendie EG-Aspirationen, vor allem weil sie befürchteten, daß die angestrebteRegelung einzelnen Mitgliedsstaaten zu große Spielräume offen lasse, da ei-ne Reduktion der gesamten EG-Produktion mit einer Produktionsausweitungvon einzelnen FCKW-Herstellern durchaus kompatibel sein könne, was zu

33 Teilnehmer des Workshops waren unter anderen Cicerone, Rowland, Watson, Lovelockund Crutzen.

34 Das Europäische Umweltbüro in Brüssel warf der Kommission vor, eine mögliche Kon-vention dadurch zu gefährden, weil die EG-Integration über das Ziel des Schutzes derOzonschicht gestellt würde (Jachtenfuchs 1990: 264).

264 Kapitel 5

internationalen Wettbewerbsverzerrungen führe. Die EG setzte sich aller-dings mit ihrer Position durch. Zum ersten Mal konnte die EG zur Vertrags-partei in einem »gemischten« internationalen Abkommen werden, das vonkeinem der Mitgliedsstaaten unterzeichnet werden mußte (Jachtenfuchs1990: 264ff.; siehe auch Temple Lang 1986). Dies gelang der EG vor allemdeshalb, weil den USA klar wurde, daß die EG-Position Ausdruck einer ge-meinsamen Position in Europa war, also auf einer positiven Koordination(Scharpf 1993a) beruhte. Dies bedeutete, daß kein Manövrierraum für ein-zelne Länder offen gelassen wurde. Teil dieser gemeinsamen Position war jagerade die umstrittene Klausel (nämlich Stimmrecht zu bekommen), wes-halb die USA nur die Wahl hatten, der EG-Position als Ganzer zuzustimmenund ihr zu vertrauen oder sie (als unglaubwürdig) abzulehnen. Die WienerKonvention wurde schließlich sowohl von der Kommission als auch von ei-nigen Mitgliedsländern unterzeichnet.

Im Dezember 1986 wurden in Genf neue Verhandlungen über einenMaßnahmenkatalog (Protokoll) begonnen. Das Mandat der EG bei diesenVerhandlungen war zunächst äußerst restriktiv, da die Position von 1980festgeschrieben worden war (Kapazitätsbegrenzung und 30 Prozent Reduk-tion bei Aerosolen). Ein erweitertes Mandat konnte nur durch eine Ratsent-scheidung erlangt werden. Im Rat gaben die Länder, in denen sich die größ-ten FCKW-Hersteller befanden, den Ton an (vor allem Frankreich undGroßbritannien, siehe Tabelle 5-1). Großbritannien hatte zu jener Zeit dieEG-Präsidentschaft inne und vereitelte entsprechende Versuche innerhalbdes Rates. Verhandlungsfortschritte fanden erst dann statt, als im Januar 1987

Tabelle 5-1 Die wichtigsten europäischen FCKW-Hersteller und ihreProduktionskapazitäten (absolut und relativ, bezogen aufdie EG) um 1980

Land Hersteller Produktions-kapazität (t / Jahr)

Anteil in %

Großbritannien ICI, ISC 150.000 21,5

BR Deutschland Hoechst, Kali 128.000 18,3

Frankreich Atochem 125.000 17,9

Italien Montefluos 80.000 11,5

Niederlande DuPont, Azko 77.000 10,9

Spanien Atochem, Kali 66.000 8,9

Quelle: Huber / Liberatore 1993; Greenpeace 1989

Die Kontroverse der achtziger Jahre 265

Großbritannien durch Belgien in der EG-Präsidentschaft abgelöst wurde.35

Danach verblieb Großbritannien zwar noch in der Troika (der vorangegan-genen, jetzigen, und künftigen Ratspräsidenten) und spielte eine wichtigeRolle bei geschlossenen Treffen unter den wichtigsten Delegierten, schiedaber dort bei einem erneuten Turnuswechsel im Juli 1986 aus. Die britischeDelegierte wurde aus diesem formalen Grund im September 1987 von denBeratungen ausgeschlossen. »She was nonplussed when she showed up atthe first of these crucial conclaves in September 1987 and was excluded byEC colleagues on these technical grounds«, merkt Benedick süffisant an(1991: 36). Als Belgien die Präsidentschaft übernahm, konnte im Umweltrateine informelle Einigung erzielt werden. Der Rat gab der Kommission einenerweiterten Handlungsspielraum, wodurch man den internationalen Ver-handlungspartnern eine 20-Prozent-Reduktion in Produktion und Verbrauchvon FCKW vorschlagen konnte.

Die EG-Umweltminister entschließen sich im März 1987 zu einer Drei-Stufen-Politik: Zuerst soll die FCKW-Produktion auf dem Niveau von 1987eingefroren werden, dann soll eine Reduktion um 20 Prozent gegenüber1986 erfolgen. Danach sollen möglicherweise weitergehende, aber nicht nä-her bezeichnete Maßnahmen ergriffen werden.36

5.4 Deutschland

5.4.1 Die Unterstützerallianz

Die ersten sichtbaren Schritte zur Bildung eines Unterstützernetzwerkes inDeutschland unternahmen Wissenschaftler des Arbeitskreises Energie (AKE)der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG). Im Januar 1986 machtedieser Arbeitskreis auf einer Pressekonferenz auf die »drohende Klimakata-strophe« aufmerksam.37 Als Ursache werden CO2, Distickstoffoxid und »di-verse Kohlenwasserstoffe« genannt.38

35 Noch im März 1987 berichtete ein amerikanisches Senatsmitglied, Großbritannien undFrankreich seien nicht bereit zuzugeben, daß es ein Ozonproblem gebe (zit. bei Dickman1987).

36 »Zwischen dem Expertentreffen im Februar und im April 1987 geriet die EG-Position inBewegung (erster automatischer Abbau um 20%)« (Lang 1988: 108).

37 »Aufruf des DPG-Arbeitskreises ›Energie‹ zum CO2-Problem« (Physikalische Blätter 42(2), 1986: 44).

38 Im Text wird klar, daß »Chlor-Fluor-Kohlenwasserstoffe«, also FCKW, gemeint sind.

266 Kapitel 5

Als Wege zur Vermeidung oder Beschränkung der drohenden Klimakatastropheschlägt der AKE vor: eine verstärkte Klimaforschung; die stetige und kontinuier-liche Verminderung der Emissionsraten [von CO2] um zwei Prozent pro Jahr; dieVerminderung des Energiebedarfs …

Im Jahr darauf wird ein Vorschlag von Graßl veröffentlicht, die Spurengasein drei Kategorien einzuteilen und je verschiedene Maßnahmen zu ergreifen:Infrarot-aktive Spurengase (das heißt FCKW) sollen ersetzt, CO2 so weit wiemöglich reduziert und Emissionen von Methan und Distickstoff sollten hin-genommen werden.39

Diese Warnungen machten Furore in den Massenmedien und fanden di-rekten Widerhall in der Politik. Bemerkenswert ist, daß der Schwerpunktnicht auf FCKW oder Ozonschicht (»Ozonloch«) lag, sondern auf katastro-phalen Änderungen des Klimas. Diese »Ur-Definition« hatte eine zeitlicheAusstrahlung, die bis heute reicht.40 Dem Aufruf des AKE folgte im Juni1987 eine »Warnung vor drohenden weltweiten Klimaänderungen durch denMenschen«, die gemeinsam von der DPG und der Deutschen Meteorologi-schen Gesellschaft (DMG) verfaßt wurde. Diese Warnung fiel weniger dra-matisch aus; die Vokabel »Katastrophe« kam darin nicht mehr vor.41 In die-ser »Warnung« verlangten die Physiker und Meteorologen den Ersatz vonFCKW. Die Wissenschaftler forderten Bundeskanzler Kohl in einem offenenBrief, der zusammen mit den Umweltverbänden BUND und Greenpeaceunterzeichnet wurde, zu einem schnellstmöglichen Verbot von FCKW auf.42

Auch hier wurde an erster Stelle die Klimawirkung und erst an zweiter Stelledie Wirkung auf die Ozonschicht genannt (Die Welt, 15.1.1987).

Im Juli 1986 forderten Vertreter der Ökologiebewegung (BUND) dieBundesregierung auf, den Einsatz von FCKW in Spraydosen sofort zu ver-bieten und bei der Schaumstoffherstellung einzuschränken (Die Welt, 11.7.1986). Im Mai startete die Fraktion der Grünen eine große Anfrage zum

39 Physikalische Blätter 43(1), 1987: 21.40 Nebenbei bemerkt, spricht man nur in Deutschland von »der Klimakatastrophe«. Andern-

orts ist die Rede von »global climate change« oder auch »greenhouse effect«.41 DMG und DPG, 1987. Ein Gesprächspartner äußerte sich über die Katastrophenmetapher

folgendermaßen: »Das war so übertrieben, daß es einen geharnischten Protest der Meteo-rologischen Gesellschaft gab, nach dem Motto: Wenn ihr euch über Klima äußert, dannfragt gefälligst uns, die Fachleute, denn eure Arbeitsgruppe Energie hat keinen einzigenKlimatologen in den eigenen Reihen … die Bedeutung des Wortes Katastrophe sagt ja: Dabricht etwas über uns herein, was wir nicht vorhersehen konnten. Wir sehen aber voraus«(Interview 1).

42 Greenpeace startet im Juli 1987 eine Kampagne gegen den FCKW-Einsatz in Spraydosen(Der Spiegel 34 /1987: 53).

Die Kontroverse der achtziger Jahre 267

Thema (Die Grünen 1986), im November eine kleine (Hönes 1986). Im De-zember 1986 brachten mehrere SPD-Abgeordnete einen Antrag auf Verbotvon FCKW in den Bundestag ein (Hauff et al. 1986). Verwiesen wurde aufdie Wirkung von FCKW auf das Weltklima und die Ozonschicht sowie aufdie Wahrscheinlichkeit, daß das Ozonloch durch FCKW verursacht wird.Gefordert wurde, »daß die Bundesrepublik Deutschland durch nationale Maß-nahmen auch international eine Vorreiterrolle spielt«. Crutzen äußerte sichin der Zeit fest davon überzeugt, daß das Ozonloch »im wesentlichen anthro-pogene Ursachen« hat. Gemeinsam mit Frank Arnold vom MPI für Kern-physik hatte Crutzen eine Theorie entworfen, die laut Pressestelle der Max-Planck Gesellschaft »das Entstehen des Ozonlochs schlüssig begründet«.43

In der Regierungserklärung vom 18. März 1987 erwähnte BundeskanzlerKohl zunehmende globale Gefährdungen der Erdatmosphäre und die Not-wendigkeit nationaler und internationaler Maßnahmen (Enquetekommission1990: 209). Am 15. Mai 1987 forderte der (CDU-dominierte) Bundesrat dieBundesregierung auf, die Herstellung und das Inverkehrbringen von FCKWzu verbieten. Eine Woche später verabschiedete der Bundestag eine Emp-fehlung des Petitionsausschusses, in der ebenfalls Verbote und Reduktionengefordert wurden. Die chemische Industrie gab eine Selbstbeschränkungser-klärung ab, wonach der FCKW-Einsatz in Spraydosen reduziert werdensollte. Am 14. Oktober 1987 beschloß der Ausschuß für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit des Deutschen Bundestages einvernehmlichdie Einsetzung der Enquetekommission »Vorsorge zum Schutz der Erdat-mosphäre«. Vorausgegangen waren parlamentarische Initiativen der SPDund der Grünen (Enquetekommission 1990: 558f.).

Es bleibt festzuhalten, daß die FCKW-Problematik in Deutschland überden Umweg der Klimaveränderungen Eingang in die öffentliche Diskussionfand. Die Repräsentation diffuser Interessen wurde von Akteuren aus Wis-senschaft, den Medien und der Politik (sowohl der offiziellen Bonner alsauch der inoffiziellen der Umweltgruppen) wahrgenommen. Erst als sie dieSprecherrolle einnahmen, wurden die diffusen Betroffeneninteressen auf derpolitischen Agenda sichtbar. Da sich die offizielle Politik auf höchster Ebe-ne der Problematik annimmt, entzieht sie den »natürlichen« Anwärtern aufeine Sprecherrolle diffuser Interessen (Greenpeace, BUND, Die Grünenusw.) die Basis zum erfolgreichen Handeln. Durch diese Präventivstrategiebleibt die Aktivität der Umweltbewegung weitgehend auf die Rolle des»Wadenbeißers« beschränkt: Sie kann nur umfassendere und schnellere

43 Die Zeit vom 13. März 1987: »Der Riß im Himmel«.

268 Kapitel 5

Maßnahmen fordern, nicht die grundsätzliche Orientierung anfechten. Deut-lich wird dies unter anderem in der Bundestagsdebatte über die anstehendeRatifizierung der Abkommen von Wien und Montreal. Alle etablierten Par-teien sind sich einig, daß der Maßnahmenkatalog von Montreal erweitertwerden muß. Schmidbauer (CDU) fordert eine 95-Prozent-Reduktion biszum Jahr 2000, Müller (SPD) ein vollständiges Verbot von FCKW bis 1995;Segall (FDP) eine Reduktion von 90 bis 95 Prozent bei verkürzten Fristen,und Knabe (Die Grünen) fordert auf internationaler Ebene bis 1999 eine Re-duktion um 95 Prozent und in der Bundesrepublik ein prinzipielles FCKW-Verbot bis 1994.44

Nachdem eine Mobilisierung zustandegekommen war, bei der das Unter-stützernetzwerk der USA initiativ war, sorgten innenpolitische Faktoren fürdie weitere Selbstverstärkung des deutschen Befürworternetzwerkes. DieSPD-Opposition drängte auf ein FCKW-Verbot. Die Grünen schnitten beiden Bundestagswahlen im Januar 1987 sehr gut ab. Sie verzeichneten eineSteigerung von 4,1 Prozent auf 7 Prozent der Stimmen gegenüber den Bun-destagswahlen davor. Im April 1986 fand der Reaktorunfall von Tscherno-byl statt. Zahlreiche Chemieunfälle am Rhein hatten die Öffentlichkeit fürUmweltfragen sensibilisiert.

Für die Änderung der deutschen Position war einerseits förderlich, daßman umweltpolitische Reformen umsetzen konnte, die schon unter der sozial-liberalen Koalition vorbereitet, von ihr aber nicht auf die Tagesordnung ge-setzt worden waren (Weidner 1989: 16).45 Andererseits war die Bundesre-gierung bemüht, internationale Umweltverhandlungen ernst zu nehmen undsogar eine Vorreiterrolle zu spielen.46 In diesem Prozeß sind zwei Elemente

44 Deutscher Bundestag, 22. September 1988.45 »Und es kam Herr Zimmermann, der ein Gespür für Macht und Themen hatte und der hat

dann aus wahltaktischen Gründen all diese Schubladenentwürfe und in den GymnicherGesprächen unterdrückten Dinge als CDU-Propaganda herausgebracht« (Interview 12).

46 »Since the early eighties the FRG-stance on air pollution, for instance, has changed fromreluctance towards international action to a very positive attitude« (Lang 1994: 176). »Esbestand ab etwa 1985 ein großes Interesse in der Bundesregierung, daß wir den Anschlußfinden an die großen internationalen Abkommen, die vorbereitet waren und die auch alsRegierungssache betrachten und nicht so wie bis dato, wo also mehr Industrieleute in denDelegationen waren als Regierungsleute. Man wollte das jetzt wieder in die Hand bekom-men, auch um die besondere Ankündigungsposition der Bundesregierung auf internatio-nalen Konferenzen nicht zu einer reinen Schaumschlägerei werden zu lassen. Sie fühltensich durch das, was sie in Gesprächen mit den Amerikanern und der UNEP vorgetragenhaben, gebunden, und haben das dann auch umgesetzt. Wenn die deutsche bürokratischeMaschine einmal angelaufen ist, dann macht sie das auch« (Interview 12). Siehe auch Hé-ritier (1995b: 56).

Die Kontroverse der achtziger Jahre 269

besonders zu würdigen. Das erste liegt in der Art und Weise, wie das wis-senschaftliche Expertenwissen durch die Enquetekommission politisch auf-bereitet wurde, das zweite in der Lösung eines politischen Zielkonflikts. ImFolgenden behandle ich den ersten Punkt und verschiebe den zweiten aufden nächsten Abschnitt »Vorreiterrolle der Bundesrepublik«.

Die Enquetekommission (EK) zum Schutz der Erdatmosphäre, die, wiejede EK in Deutschland (und im Gegensatz zur NAS in den USA), nebenWissenschaftlern auch Politker und Vertreter von Verbänden umfaßt, kamschnell zu einem einstimmigen Urteil. Da dies nicht der Normalfall ist, liegtdie Vermutung nahe, daß dieses Ergebnis politisch angestrebt worden war.

Die Tatsache des einstimmigen Votums ist aus meiner Sicht ein Gebot der politi-schen Klugheit gewesen. Bei einem so wichtigen Problem sind die demokrati-schen Kräfte gut beraten, wenn sie das, was gemeinsam festgehalten werdenkann, auch gemeinsam verabschieden – auch um den Preis, daß sie bestimmteDinge, die sie für noch besser und noch wichtiger halten, nicht mehr in dasSchlußvotum einbringen. (Interview 19)

Die EK führte mehrere öffentliche Anhörungen durch, allein zwei zumThema FCKW und stratosphärisches Ozon Anfang 1988. Eingeladene Sach-verständige aus der Atmosphärenwissenschaft waren Brasseur, Brühl, Crut-zen, Ehhalt, Fabian, Isaksen, Labitzke, McElroy, Rowland, Stolarski, Sze,Watson, Wuebbles. Sachverständige aus der Industrie waren Bräutigam(Kali-Chemie), Hoffmann (Hoechst) und McFarland (Du Pont).47 Die Zu-sammensetzung der Sachverständigen zeigt die Dominanz von Regulie-rungsbefürwortern.48

Die Enquetekommission wurde zwar erst nach Verabschiedung des Mont-realer Protokolls offiziell eingesetzt. Doch schon zuvor gab es Aktivitätender beiden aktivsten Politikunternehmer, um Bremserländer auf EG-Ebeneumzustimmen:

47 Daneben gab es Anhörungen zu den Themen »Terrestrische Auswirkungen«, »Ersatzstoffeund Ersatztechnologien« und »Politische, wirtschaftliche sowie rechtliche Bedingungenund Handlungsmöglichkeiten«. Die Problematik des Treibhauseffekts wurde ebenfalls be-handelt.

48 »Es war ein großer Vorteil, daß wir bei den Anhörungen viele Amerikaner dabei hatten,die deutsche Wissenschaft war in der Regel zurückhaltend, in den Formulierungen unklar.Sehr geholfen haben uns die Wissenschaftler vom NASA-Programm, dann Rowland, unddie UNO-Vertreter. Die deutschen waren zurückhaltend, E. oder L. schrecklich. Die posi-tiven waren C. und A., aber die waren natürlich rein wissenschaftlich. Dann Z., der amEnde so eine Rolle gespielt hat, daß er auf der einen Seite Wissenschaftler sein wollte,sich aber nicht mit der Politik anlegen wollte« (Interview 52).

270 Kapitel 5

Als klar war, welche Linie wir fahren, haben wir gezielt die wichtigsten Länderbesucht und zwar immer so, daß der Schmidbauer zu den sozialistischen Regie-rungen gefahren ist und ich eher zu den konservativen. Schmidbauer war beiMitterand, ich war in Großbritannien, aber auch in Belgien. Wir haben uns abge-stimmt, nicht nur auf Regierungs-, sondern auch auf parlamentarischer Ebene.(Interview 52)

Der Bericht der EK hat den unschätzbaren Vorteil gehabt, daß die Parlamentarieranderer Industriestaaten dadurch sehr viel mehr angesprochen wurden als durchdie Position einer Regierung. Einflußnahme von Regierung zu Regierung ist et-was anderes als durch Parlamentarier auf ihre jeweilige Regierung. Der Berichtder EK ist in nahezu allen demokratischen Staaten in den Parlamenten mitdisku-tiert worden. (Interview 19)

Das ist ein Pilotprojekt gewesen, das hat international Beachtung gefunden undwird von Parlamentariern weitaus eher akzeptiert, als das, was schlichtweg regie-rungsamtliche Meinung ist, denn da kommen sofort die Profilierungsgedankenherein. Niemand konnte sagen, daß seine politische Richtung herausgesprungensei; ob Labour, Republikaner, Gaullisten, alle konnten sagen: Meine waren dabei. (Interview 19)

5.4.2 Vorreiterrolle der Bundesrepublik

Der politische Zielkonflikt bestand für die Bundesrepublik darin, daß sie in-nerhalb der EG eine Position verfolgte, die darauf abzielte, sowohl die euro-päische Integration zu fördern, als auch eine Regulierung zu befürworten,die ähnlich anspruchsvoll wie die US-Position ist. Die Bundesrepublik be-gann um 1986, die gemeinsame Front der EG zu verlassen, die sie zuvor imwesentlichen zusammen mit England und Frankreich bestimmt hatte. Als dieUSA dies bemerkten, versuchten sie, die Deutschen aus der EG-Linie her-auszubrechen, was ihnen aber nicht gelang. Warum hat die Bundesregierungden Kurs gewechselt und nicht mehr auf die eigene Industrie gehört? Einernst zu nehmendes Argument lautet, daß die Bundesregierung in den regu-latorischen Wettbewerb auf dem Gebiet des Umweltrechts eingetreten war.Héritier (1995a: 209f.) hat verschiedene Gründe angegeben, weshalb hierein europaweiter Wettbewerb stattfindet. Alle haben damit zu tun, daß mansich durch die Ausweitung hoher Umweltstandards Vorteile innerhalb derEU verspricht. Doch dürften in diesem Fall vor allem innenpolitische Fakto-ren eine Rolle gespielt haben (siehe voriger Abschnitt). Als die Regierungs-koalition sich innenpolitisch auf »grüne Themen« eingelassen hatte, ver-suchte sie, auch international eine Führungsrolle zu spielen:

Die Kontroverse der achtziger Jahre 271

Als der internationale Zug nach Montreal ans Fahren kam, haben wir bis zumEnde des Unternehmens eigentlich eine Abfolge durchgehalten, die lautete: Wirwollen an der Spitze der Bewegung sein, die EU muß besser sein als der Rest derWelt und die Industriestaaten kommen danach. Bei den Verschärfungen vonMontreal haben wir national immer die strengsten Ziele gesetzt, mit den streng-sten Zielen haben wir in der EU durchgesetzt, daß wir besser waren als Montrealund Kopenhagen und London und alle anderen sind nachgekommen.(Interview 19)

Wir haben unsere Erklärung so angelegt, daß die Bundesrepublik mehr machenmuß als die anderen Länder. Das war so ein Stufenverfahren, also zuerst dieBundesrepublik, zwei Jahre später EU und noch zwei Jahre später der Rest derWelt. So daß man dadurch relativ glaubwürdige und die anderen nicht überfor-dernde Vorgaben gemacht hat. Das hat schon Ende ‘86 angefangen.(Interview 52)

Die Bundesrepublik wußte die Konstellation geschickt auszunutzen, die sichaus dem Konflikt zwischen der EG und den USA ergab. Ihr war bekannt,daß einerseits ein Interesse der USA an einer geänderten EG-Haltung be-stand und andererseits ein Interesse der EG an einer gemeinsamen EG-Politik. Insbesondere kam es der EG nach der Verabschiedung der Einheitli-chen Europäischen Akte im Juli 1987 darauf an, international als Einheiternst genommen zu werden. Die deutsche Politik ergriff hier die Chance, alldiese verschiedenen, auf den ersten Blick inkompatiblen Ziele mit ihremVorgehen zu vereinen. Man tat den USA nicht den Gefallen, sich ihrerFCKW-Linie anzuschließen, obwohl man gegenüber strengen Regulierun-gen durchaus aufgeschlossen war. Die Loyalität gegenüber Europa verhin-derte dies. Man tat aber auch der EG nicht den Gefallen, deren Mehrheits-linie für immer mitzutragen; dies verhinderte die Orientierung in Richtungeiner strengen FCKW-Regulierung. Vor allem tat man der Industrie nichtden Gefallen, sie weiter in Ruhe zu lassen.49

Die Amerikaner haben gemeint, die deutsche Politik sei der weiche Punkt. Dashat aber nicht funktioniert. Dann haben die Amerikaner zugestimmt, daß die EG

49 »Es ist der deutschen Industrie nicht gelungen, die Vorbereitung von Montreal noch ein-mal zu stoppen und zu kippen und die Zeitpläne zu verändern. Die lagen seit etwa 1985fest für die Bundesregierung, daran hat sich nichts mehr geändert. Es gibt einen Punkt,auch die EK war ein solcher, wo man auf die vielen wissenschaftlichen Gutachten nichtmehr eingegangen ist. Man hat gesagt: Diese Frage ist für uns wissenschaftlich und poli-tisch entschieden und im internationalen Umweltrecht entschieden und die Chemie mußsich fügen. Das ist etwa 1985 passiert« (Interview 12). Ein deutscher Industrievertreteräußerte sich verächtlich darüber, wenn er sagt: »Die Bundesrepublik wollte Musterschülersein und die politische Vorreiterrolle spielen« (Interview 3).

272 Kapitel 5

als Ganzes auftritt. Das geschah bei den Vorverhandlungen zu Montreal … Dashat die EG klugerweise ausgenutzt, denn sie war damals noch nicht so richtig ak-zeptiert, sie war ein Nullum, hätte ich beinah’ gesagt. (Interview 3)

Der US-Verhandlungsführer hat einfach nie die politische Dimension gesehen.Nur weil wir auf europäischer Ebene gearbeitet haben, ist es überhaupt so weitgekommen, daß die Gemeinschaft erst einer Reduktion von 50 Prozent, dann 100Prozent zugestimmt hat. Das kommt daher, daß er immer noch gefangen ist indem Gedanken, daß man, wenn man mit den Deutschen oder Holländern Ge-schäfte macht, etwas für Europa erreicht hat. (Interview 4)

Der Preis, der für eine einheitliche europäische Politik entrichtet werdenmußte, bestand darin, daß die EG in dieser Frage von ihren zaghaften Ansät-zen Abschied nehmen mußte. Der Bundesregierung gelang es, diese beidenAspekte zu vereinen und sich mit dieser Linie durchzusetzen. Bleibt anzu-merken, daß eine erneute informelle Einigung mit der Industrie zunächstscheiterte, weshalb 1991 eine FCKW-Halon-Verbotsverordnung erlassenwurde. Der Politikstil in dieser Zeit ist als konfrontativ zu bezeichnen. Erstein Jahr nach der Verordnung gab die Industrie eine öffentliche Selbstver-pflichtung ab, die Produktion und Verwendung von FCKW bis 1994 einzu-stellen (Bundesregierung 1994).

Die Kontroverse der achtziger Jahre 273

5.4.3 Die Medien

Wie in den USA, wenn auch in kleinerem Maßstab, steigert sich die Medien-aufmerksamkeit von 1985 bis 1988 stark. Die Anzahl der Artikel pro Jahrverdoppelt sich von 1986 bis 1988 jedes Jahr (Abbildung 5-7). Der Auslöserfür die gesteigerte Medienaufmerksamkeit in Deutschland ist nicht dasOzonloch, sondern die Klimaproblematik. Ab 1986 berichtet die Presse überden Aufruf des Arbeitskreises Energie der DPG. Die Frankfurter Rundschauvom 19. September dokumentiert ihn vollständig unter dem Titel »Durchweitere Erwärmung kann die Erde unbewohnbar werden: Die Deutsche Phy-sikalische Gesellschaft warnt vor einer Klimakatastrophe. Sonnenenergieund Kernkraft als möglicher Ausweg«. Die Welt vom 15. Januar 1987 istetwas weniger dramatisch: »Alarmsignal für das weltweite Klima: Wissen-schaftler fordern ein schnelles Verbot der schädlichen Chlorfluorkohlenwas-serstoffe«. Tabelle 5-2 gibt eine Übersicht über die wichtigsten Stellung-nahmen von Wissenschaftlern deutscher Forschungseinrichtungen, die drin-gende Maßnahmen fordern.

Wie spät die deutsche Presse aus der Ozonschicht ein Politikum machte,ist daran zu sehen, daß die Problematik im Juli 1987 zum ersten Mal auf dieTitelseite einer Zeitung kam.50 Die Zeit erwähnt als erstes deutsches Print-

50 Stuttgarter Zeitung, 27. Juli 1987. Die FAZ hatte am 21. März 1989, die FR am 6. August1990 einen Bericht auf Seite 1.

Tabelle 5-2 Pressemeldungen über Forderungen von Wissenschaftlern,Bundesrepublik Deutschland

Januar 1986 Erklärung des Arbeitskreis Energie (AKE) der DPG

19.09.1986 Vollständige Dokumentation der Erklärung in derFrankfurter Rundschau

23.02.1987 Deutsche Klimaforscher: Sofortmaßnahmen ergreifen

25.07.1987 Graßl: Verbot der FCKW

11.07.1988 Crutzen: Schnelle Maßnahmen ergreifen

11.08.1988 Fabian: Verbot von FCKWs in Sprayflaschen: Protokollvon Montreal unzureichend

02.10.1989 Crutzen: Regulierung verschärfen

01.12.1989 Zellner: Vorsorglich eine rasche und wirksame Emissions-minderung der FCKW

06.08.1990 Bach: FCKW-Ausstieg

274 Kapitel 5

medium den Begriff »Ozonloch« (18.7.1986), die Stuttgarter Zeitung er-wähnt ihn am 4. Juli 1987 zum ersten Mal in einer Artikelüberschrift. DerSpiegel brachte ihn als erster auf die Titelseite. 1988 gab es insgesamt sechsErwähnungen des Begriffs im Titel, 1989 fünf. Der Spiegel zeigte auf demTitelbild von Heft 33/1986 den Kölner Dom, der teilweise unter Wasserstand. Das Heft hatte den Titel: »Ozonloch, Polschmelze, Treibhaus-Effekt:Forscher warnen. Die Klimakatastrophe«. Im Jahr darauf gab es eine Titel-geschichte zum Ozonabbau: »Lebensgefahr aus der Dose. Das Ozonloch«(Spiegel 49/1987). Auffallend ist der hohe Nachrichtenwert der Wissen-schaft, der nach 1989 von der Politik überholt wird (Abbildung 5-8).

In der zweiten Dekade berichteten vor allem die Frankfurter Rundschau(mit insgesamt zwanzig Artikeln) und die Welt über die Kontroverse. Dem-gegenüber fiel die FAZ etwas zurück. Der Gipfel der Aufmerksamkeit liegtim Jahr 1988 (Abbildung 5-9).

5.5 Weg frei zur Kooperation

Im März und April 1987 waren die Industrievertreter nicht länger in den na-tionalen Delegationen der EG und Japans vertreten und wo sie es doch nochwaren, hatten zumindest sie die Kontrolle verloren.51 Das aus den USA ope-rierende Unterstützernetzwerk entfaltete auf internationaler Ebene eine of-fensive Kampagne über das US-Botschafternetz und entsandte führende Wis-senschaftler in andere Länder (unter anderem nach Großbritannien und in dieSowjetunion), um sie von der wissenschaftlichen Basis für Regulierungen zuüberzeugen. Die US-Umweltgruppen, vor allem der NRDC, initiierten inEuropa und Japan entsprechende Aktivitäten der dortigen Umweltgruppen,die bis dahin weitgehend passiv geblieben waren. In Großbritannien sah mandarin eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten.52 Innerhalb derUSA trieb das Netzwerk von Regulierungsbefürwortern (vor allem Vertreter

51 Ein Sprecher der deutschen chemischen Industrie sieht darin einen Grund für das»Scheitern« der Töpferschen Umweltpolitik: »Ja, das ist sicherlich ein Grund des Schei-terns (sic) der Töpferschen Umweltpolitik, daß er das von der Industrie abgekoppelt hat«(Interview 48).

52 »Not until early 1987 did the efforts of some U.S. environmentalists in the United King-dom begin to pay off in the form of television interviews, press articles, and parliamentaryquestions about the government’s negative policy. Indeed, these American private citizenswere so successful that Her Majesty’s Government in April 1987 asked the U.S. Depart-ment of State to restrain their activities« (Benedick 1991: 39).

Die Kontroverse der achtziger Jahre 275

der EPA und des Außenministeriums) die Ausarbeitung einer anspruchsvol-len internationalen Regulierungsinitiative voran (siehe Abschnitt 5.2.2).Bemerkenswert ist, daß der Vorsitzende der Verhandlungen, Lang, im Früh-jahr 1987 nicht mehr als 10 bis 20 Prozent an FCKW-Reduktion für dienächste Dekade für erreichbar hielt.53 Dies sollte all jenen zu denken geben,die den FCKW-Fall im Rückblick für einen einfach zu lösenden Fall halten.

Auf dem Weg zur internationalen Kooperation gelang es, die oben er-wähnten komplizierten Konstellationen aufzulösen. Dafür gibt es hauptsäch-lich zwei Gründe. Zum einen wurde die Auseinandersetzung weitgehendvon den Industrieinteressen abgekoppelt. Zum anderen gelang dem Netz-werk der Unterstützer eine Mobilisierung wichtiger Akteure, unter ihnenMitglieder folgender Organisationen: der UNEP, der NASA, der WMO,dem US-Außenministerium, dem UBA/BMU und der EPA. Durch diesesNetzwerk wurde der Prozeß der internationalen Regulierung auf den Weggebracht und der Forschungsprozeß so organisiert, daß verbindliche Ergeb-nisse erzielt wurden. Dadurch konnte die unübersichtliche Komplexität, diein dieser Problematik steckt, so weit reduziert werden, daß sich zu Beginn

53 »U.S. Blames Europe for Lack of Ozone Agreement« (New York Times, 28.2.1987);»America attacks Europe over stratospheric ozone« (New Scientist, 5.3.1987).

276 Kapitel 5

der Verhandlungen in Montreal nur noch zwei Verhandlungspositionen ge-genüberstanden: die sogenannte Toronto-Gruppe (unter anderen die USA,Kanada, skandinavische Länder) und die EG zusamen mit Japan und derSowjetunion.54 Die Toronto-Gruppe war für eine drastische Reduktion derFCKW-Emissionen um 95 Prozent, die EG für ein Einfrieren der (nicht aus-gelasteten) Produktionskapazitäten; die SU und Japan wollten zunächst kei-nerlei Regulierungen. Die Entwicklungsländer sahen sich durch den Exeku-tivdirektor der UNEP und zeitweisen Verhandlungsführer Mostafa Tolba(Ägypten) vertreten, der die US-Position unterstützte.

Diese Konstellation eröffnete keine Verhandlungszone. In den Vorver-handlungen zum Montrealer Protokoll bestand über Monate hinweg eineBlockade zwischen den beiden größten FCKW-Herstellerblöcken, den USAund der EG. Da vor allem die EG durch ein internationales Abkommen ver-loren hätte, versuchte sie, Maßnahmen so lange als möglich zu blockieren.55

Die kritische Variable in diesem Prozeß ist die Änderung der EG-Position,

54 Die EG behauptete von sich, daß sie vor Montreal kompromißbereiter als die beiden ande-ren Länder gewesen sei. Diese Einschätzung ist sehr wahrscheinlich Wunschdenken, dasin gewisser Weise zu ihrer eigenen Überrumpelung in Montreal geführt hat, denn die USAsetzten sich mit Japan und der Sowjetunion ins Einvernehmen, wodurch die EG-Strategienicht aufging, als Vermittler zwischen Extrempositionen auftreten zu können (Interview23).

55 Maxwell /Weiner (1993: 31); vgl. auch Elster (1989: 80–81).

Die Kontroverse der achtziger Jahre 277

die am Ende einer 50-Prozent-Reduktion zustimmte. Japan und die Sowjet-union hielten sich mit offiziellen Äußerungen zurück, aber es entstand derEindruck, diese würden sich noch heftiger gegen Regulierungen stemmenals die EG.56 Nach und nach geriet die Abwehrhaltung der EG ins Rutschen:Zunächst war sie zu einer Stabilisierung der Produktion, dann zu einer 20-prozentigen Reduktion, schließlich zu einer 50prozentigen Reduktion bereit.

Von Dezember 1986 bis April 1987 war die Situation nicht nur zwischenden USA und der EG blockiert, auch innerhalb der EG gab es eine Blockadezwischen der Bundesrepublik auf der einen und Großbritannien auf der an-deren Seite. Während die Bundesrepublik den Vorschlägen der USA aufge-schlossen gegenüberstand, wollte Großbritannien so wenig wie möglich vonder alten Position preisgeben. Nach einer weiteren ergebnislosen Runde imFebruar 1987 in Wien bezeichnete US-Verhandlungsführer Benedick die EGals »not in a position to negotiate officially«.57 Der deutsche Delegierte wirdin Zeitungsberichten als Quelle für den EG-internen Dissens zitiert:

The American official did not identify the countries that are at odds on the issue,but the West German delegation made it clear that its position was close to thatof the United States, and that Britain stood at the other extreme. British delegatesdeclined to define their country’s stance and stressed that the community had notreached a common position, as its rules require in such negotiations.58

Es gab heftige interne, bis in die Presse hinein sichtbare Kontroversen zwischender deutschen Delegation in den Vorbereitungssitzungen zum Montrealer Proto-koll und der Kommission. ›The Germans are obviously under pressure of theirGreens‹ titelten die englischen Zeitungen damals. Und die Kommission war nichteben erbaut davon, daß da ein deutscher Delegationsleiter mit Beamtenstatus –kein Minister – mögliche nationale Alleingänge an die Wand malte. Das wardamals etwas Spektakuläres. (Interview 9)

Verhandlungsfortschritte fanden erst dann statt, als Großbritannien turnus-mäßig die EG-Präsidentschaft abgab und im Juli 1986 auch aus der Troikaausschied (siehe oben).

56 Siehe Fußnote 54.57 Hier und zum Folgenden: New York Times vom 28. Februar 1987.58 In dieser Situation hielt der österreichische Verhandlungsführer Lang nur eine Stabilisie-

rung auf dem Niveau von 1986 und eine Reduktion um 20 Prozent drei Jahre nach Ver-tragsabschluß für möglich. Benedick hielt dagegen, daß eine solche Lösung völlig »inak-zeptabel und lächerlich« sei. Er hielt eine 85-Prozent-Reduktion für nötig, allein um diegegenwärtigen Atmosphärenkonzentrationen nicht weiter anwachsen zu lassen. Der deut-sche Delegierte signalisierte, daß die Bundesrepublik (ebenso wie Dänemark und die Nie-derlande) für eine Reduktion von 50 Prozent eintreten werden.

278 Kapitel 5

5.5.1 Das Montrealer Protokoll: Ein Vorsorgeabkommen?

Parson (1993: 60) weist darauf hin, daß rein wissenschaftlich nichts für die50-Prozent-Lösung von Montreal sprach. Entweder hätte eine viel stärkereReduktion erfolgen müssen oder gar keine. Die 50-Prozent-Lösung scheintin der Tat ein klares Indiz dafür, daß das Ergebnis auf einen Verhandlungs-kompromiß zurückgeht, bei dem die ins Auge springende Lösung in derMitte (Schelling 1960) gewählt wird; sie ist fast das genaue arithmetischeMittel zwischen den Ausgangspositionen der USA und der EG (95 Prozentversus 20 Prozent Reduktion) und ein Kompromiß angesichts der nach wievor unsicheren wissenschaftlichen Bewertung des Problems.

Auch wenn zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in Montreal nochnicht alle Vertragsstaaten von einer umfassenden Lösung überzeugt waren,so gelang es dem Unterstützernetzwerk, das von einer solchen Überzeugunggeleitet wurde, die möglichen Bremser zu neutralisieren und schließlich so-gar für sich zu gewinnen. Die ursprünglich schon für Montreal geforderte95-Prozent-Reduktion wird damit schließlich bei den Londoner Zusätzenzum Montrealer Protokoll erreicht.

Dieser Erfolg des Unterstützernetzwerkes ist auf die Kombination eineroffiziellen und einer inoffiziellen Strategie zurückzuführen, die beide wis-senschaftliche Ressourcen mobilisierten. Die offizielle Strategie betonte denVorsorgecharakter, die inoffizielle läutete die Alarmglocken. Offiziell wurdeeine einheitliche wissenschaftliche Grundlage für die Maßnahmen von Mont-real durch eine Angleichung verschiedener Szenarien über künftigen globa-len Ozonabbau geschaffen. Führende Modellierer kamen im April 1987 imAuftrag der UNEP auf einer Tagung in Würzburg zusammen und verstän-digten sich über die unterschiedlichen Methoden und Parameter ihrer Mo-delle (UNEP 1987; Interviews 20, 23). Das Würzburg-Treffen war der Ver-such der Unterstützerkoalition, die Argumente der Gegenseite zu entkräften.Deren Argument war, daß die verschiedenen Modelle zu verschiedenen Re-sultaten kämen. Außerdem behaupteten sowjetische Wissenschaftler, daß eskeine anthropogenen Effekte auf die Ozonschicht gebe: »The Soviets … hadto be convinced at that meeting that there is a man-made effect. Before thatthey were insisting that there was no effect since they didn’t want any con-trol« (Interview 20).59 Ein anderer Punkt betraf die Frage, ob außer dem

59 »[B]efore that Würzburg meeting … the European governments said: We don’t have thesame results as the Americans, in term of predictions. So they decided: Well, go to Würz-burg and try to find out what’s happening and run models as much as under the same con-ditions as you can. And we did that and we came up with very similar results. And then we

Die Kontroverse der achtziger Jahre 279

Ozonloch Schäden an der globalen Ozonschicht meßbar seien. Bob Watsonversuchte zehn Tage vor Beginn der Verhandlungen in Montreal, einen Be-zug zu langfristigen globalen Ozontrends herzustellen. Der New Scientist zi-tiert Watson mit den Worten, daß ein globaler Ozonrückgang von circa 3Prozent stattgefunden habe, der so gut wie sicher auf FCKW zurückzuführensei (New Scientist, 3.9.1987: 24).

Inoffiziell wurde die Besorgnis über das antarktische Ozonloch, dessenErklärung zur damaligen Zeit nicht abzusehen war, geschickt genutzt. DieBesorgnis führte bei immer mehr Verhandlungspartnern zur Auffassung, daßman keine Zeit mehr verlieren dürfe. Die inoffiziellen Daten (der beidenAntarktisexpeditonen und aus dem OTP, die erst 1988 veröfffentlicht wur-den) haben ein weitaus stärkeres und allgemein verständliches Signal gelie-fert als die offiziellen (das heißt: die Würzburger Ergebnisse). Es war weni-ger eine gesicherte wissenschaftliche Erklärung, als vielmehr ein Schock,der für die Regelungen ausschlaggebend war. »It wasn’t a matter of subtleinterpretation, this was a sledge-hammer« (Interview 8). Die Bereitschaft zurumfassenden Problemlösung wurde durch das geschickte Operieren von ver-schiedenen Akteuren des Unterstützernetzwerkes im internationalen Ver-handlungsprozeß erzeugt. Ihnen gelang es, zwischen dem wissenschaftlichenErkenntnisstand und dem Prozeß der Regulierung eine delikate Balance zuhalten. Einerseits versuchten sie, den politischen Prozeß von den Ergebnis-sen der Feldexperimente (Antarktisexpeditionen) abzukoppeln, da die Mög-lichkeit einer natürlichen Ursache des Ozonabbaus nicht vollständig ausge-schlossen werden konnte. Diese Strategie drängte sich ihnen nach der erstenAntarktisexpedition von 1986 auf, die keinen klaren Beweis für die ursächli-che Rolle von FCKW brachte (siehe Kapitel 3). Andererseits versuchten sie,jedes mögliche Indiz, das auf die Rolle von FCKW hinwies, inoffiziell inden politischen Prozeß einfließen zu lassen. Das Kalkül hierfür ist offen-sichtlich: Sollte das dramatische Phänomen über der Antarktis mit FCKW inZusammenhang stehen, so wächst der Handlungsdruck um ein vielfaches,verglichen mit den Modellprognosen über langfristige künftige globaleOzontrends, die weit weniger dramatisch waren. Auch im umgekehrten Fallhat die Konstruktion Bestand. Sollte sich herausstellen, daß das antarktischePhänomen nicht in Zusammenhang mit FCKW steht, so hätte man eine un-abhängige Legitimation für die getroffenen Regulierungen. Die optimaleStrategie bestünde mithin darin, einerseits eine offizielle Begründung für

went back and the negotiations went on on that basis. That played a key role in the prepa-ration of the Montreal Protocol« (Interview 41).

280 Kapitel 5

Vorsorgemaßnahmen (nebst inoffizieller »Motivation«) zu finden, anderer-seits die Möglichkeit offenzuhalten, die Maßnahmen zu verschärfen, solltenneue wissenschaftliche Daten dies rechtfertigen. Diese Strategie schotteteein Abkommen, das mit einer anthropogen verursachten künftigen Ozonab-nahme in mittleren Breiten rechnete, von einem möglicherweise natürlichverursachten antarktischen Ozonloch ab, ließ aber zu, daß im Falle einer Be-stätigung der anthropogenen Ursache für das Ozonloch verschärfte Maß-nahmen ergriffen wurden. Damit wurde ein wichtiger Einbahnstraßen-Mechanismus geschaffen, der sicherstellte, daß Änderungen des Maßnah-menkatalogs nur Verschärfungen sein konnten.60

Alle Befragten in meiner Untersuchung (außer den Verteidigern der offi-ziellen Version61) geben zu, daß das antarktische Ozonloch absolut ent-scheidend war, den Kompromiß zu bekommen. Ein Beteiligter sagt über denKonferenzbeginn:

I know that Watson made presentations in Montreal, showing pictures of theozone hole. Even if it was decided not to use that information. It is like in a trialwhen someone says something and the judge will say »We’ll have that strickenfrom the record«. But the jury heard it. You can strike it from the record but it’sin their brain. (Interview 17)

I remember, … B. came when we were in the line to pick up our badges. He said:We have new information about ozone. And it’s not good news. So that was theNASA information … So when the Montreal Protocol was signed, they didn’ttake into account the Ozone Hole – at least not explicitly, but they did implicitly.(Interview 41)

Before Montreal and in Montreal there was no agreement of the big countries ona position. Everyone said: Maybe regulations are too costly, and are we reallysure about the risks? But when it was documented that ClO was really existing inenormous big amounts in the vortex, then things started to fit together.(Interview 2)62

60 In der neoinstitutionalistischen Literatur wird ein ähnliches Problem mit dem Begriff »in-complete contracting« beschrieben (Williamson 1985). »Incomplete contracting leads toproblems of imperfect commitment. There is a strong temptation to renege on the originalterms of the contract because what should be done in case of an unforeseen contingency isleft unstated or ambiguous and thus open to interpretation. The problem is that the possi-bility of renegotiating deprives the original agreement of its credibility and prevents itfrom guiding behavior as intended« (Majone 1996b).

61 Im wesentlichen Benedick (1991), Lang (1988) und Tolba (1998).62 Auf die Vorhaltung der offiziellen Version, das Ozonloch habe für Montreal keine Rolle

gespielt, entgegnet dieser Gesprächspartner: »Bullshit!«

Die Kontroverse der achtziger Jahre 281

Ein NASA-Wissenschaftler fertigte aus den Zeitreihen der TOMS-Satelli-tenaufnahmen einen farbigen Trickfilm an, der das Wachsen des Ozonlochsin den achtziger Jahren deutlich zeigte. Er wurde durch viele Fernsehsen-dungen populär und offenbar auch inoffiziell während der Verhandlungen inMontreal gezeigt. Obwohl noch keine wissenschaftliche Bewertung über dieUrsachen vorlag, deuteten einige Indizien auf chemische Prozesse, so dieResultate der Bodenmessungen der ersten Antarktisexpedition 1986 und dieflugzeugbasierten ClO-Messungen, die zeitgleich mit den Verhandlungen inMontreal gemacht wurden.63 Man wußte zudem nicht, wie sich das Ozon-loch weiter entwickeln würde, ob es sich von Jahr zu Jahr weiter ausweitenund globale Ausmaße annehmen oder ein lokales, vielleicht sogar vorüber-gehendes Phänomen bleiben würde.

Der Schock des Ozonlochs bewirkte bei den Ländern, die als Bremseraufgetreten sind, eine Verunsicherung und Schwächung ihrer Position, diezu ihrer Neutralisierung führte, vor allem deshalb, weil sie sich auf wissen-schaftliche Gründe für ihre blockierende Haltung festgelegt hatten. KognitiveUnsicherheit gepaart mit dramatischen Alarmsignalen machen die Verhand-lungsposition der Bremserländer prekär. Sie sehen sich gezwungen nachzu-geben, wenn auch nicht vollständig. Sie stimmen einem arithmetischen Ver-handlungskompromiß zu, der ihnen erfüllbar schien, zumal er (ironischer-weise) durch Reduktionen im Anwendungsbereich Aerosole schnell erreichtwerden konnte. Um den Vertrag von Montreal zu erfüllen, greifen die Euro-päer schließlich zu einer Maßnahme, die ihnen immer schon von den Län-dern der Toronto-Gruppe vorgeschlagen worden war und die sie immer ab-gelehnt hatten. Die Toronto-Gruppe und die fortschrittlichen EG-Länderstimmen dem 50-Prozent-Kompromiß und den Ausnahmeregelungen zu,obwohl sie eigentlich für weitergehende Maßnahmen eintreten.64

63 Ein Grund zu großer Nervosität, wie ein NASA-Mitarbeiter ausführte: »There was greatsecrecy about the second expedition, people were not allowed to go down there … Iwasn’t even allowed to go down there. This non-open way was changed subsequently. Butthen there was very much nervousness about the whole thing« (Interview 15).

64 Bei der Umsetzung des Montrealer Protokolls wendet die EG das seltene Rechtsmittel derVerordnung (EWG 594 /91) an, um keine Spielräume bei der Implementation auf natio-naler Ebene zuzulassen (Salter 1996: 2 /22–2 /23; Jachtenfuchs 1990: 269). Geregelt wer-den dieselben Stoffgruppen wie im Montrealer Protokoll, jedoch mit kürzeren Fristen(Bundesregierung 1994: 13).

282 Kapitel 5

5.5.2 Umfassende Problemlösung

Die Orientierung auf eine umfassende Problemlösung ergibt sich aus einerKombination von starker kognitiver Orientierung und schwach ausgeprätemPartikularinteresse (vgl. Kapitel 1), wobei die umfassende Problemlösung(Gemeinwohlorientierung) höher bewertet wird als die Verfolgung von Par-tialinteressen. Die kognitive Orientierung der Teilnehmer kann Blockadenauflösen, die in einer reinen Verhandlungssituation nicht gelöst werdenkönnten. Der Fall des Montrealer Protokolls illustriert dies eindrucksvoll: Inder Vorbereitungsphase befanden sich die Verhandlungsparteien in einerBlockade, die über den Zwischenschritt der Orientierung an einer umfassen-den Problemlösung und einer technischen Problemlösung schließlich einerVerhandlungslösung zugeführt wurde. Der Verhandlungsmodus hat erstdann zur Identifikation eines für alle akzeptablen Kompromisses geführt, alsdie zentralen Akteure sich auf eine umfassende Lösung geeinigt hatten(weitgehende FCKW-Reduktion). Wie man es auch wendet, die entschei-dende Frage ist, wie die Orientierung auf eine gemeinsame Problemlösungzustande kam.

Diffuse Interessen gewannen gegenüber Industrieinteressen erheblich anGewicht. Die Verhandlungsdelegationen vieler wichtiger Länder ersetzenum 1987 die Industrievertreter in ihren Reihen durch Repräsentanten vonUmweltinteressen. Für die Vertreter diffuser Interessen ist es rational, so vielwie möglich an Zugeständnissen von der Gegenseite herauszuholen; ein Ab-bruch der Verhandlungen wäre für sie nicht rational gewesen, wohl aber fürdie Gegenseite, die vom Status quo profitiert hätte. Es ist deshalb nicht über-raschend, daß die Befürworter strenger Regulierungen der anderen SeiteAusnahmeregelungen und Anpassungsfristen gewährten. Diese Ausnahme-regelungen betrafen fast alle großen Konkurrenten der USA: Die EG wurdeals regionale Wirtschaftseinheit anerkannt, die Sowjetunion durfte zwei imBau befindliche Produktionsanlagen für FCKW fertigstellen, da sie in derenFünfjahresplan vorgesehen waren, und die Entwicklungsländer bekamen ei-ne zehnjährige Gnadenfrist, in der sie in gewissem Umfang FCKW produ-zieren und konsumieren konnten. All diese Ausnahmen gaben den Konkur-renten der USA Wettbewerbsvorteile. Dies macht klar, daß Montreal keinereine Bargaining-Situation war, da sonst die USA den Zugeständnissen anden »Rest der Welt« nicht hätte zustimmen können.65 Daß sie sich darauf

65 Elster (1989: 80–81) weist darauf hin, daß es strukturell schwache und starke Verhand-lungspositionen gibt, die von der unterschiedlichen Bewertung der Verhandlungsergebnis-

Die Kontroverse der achtziger Jahre 283

einließen, kann nur durch die kognitive Orientierung erklärt werden, eineGesamtlösung zu suchen. Man darf annehmen, daß das Unterstützernetz-werk sich im Besitz von symbolischen Ressourcen wußte, die nach Montrealeingesetzt werden konnten. Dies würde erklären, weshalb es in Montreal zuZugeständnissen bereit war. Denn dies darf man nicht aus dem Auge verlie-ren: Im Saldo profitierten die widerstrebenden Parteien von den Ausnahmen,die ihnen in Montreal gewährt wurden (siehe unten). Man kann die Strategiedes Unterstützernetzwerkes in Montreal deshalb mit der Formel charakteri-sieren: ein Schritt zurück, wohl wissend, bald zwei Schritte nach vorn tun zukönnen.

5.5.3 Die Kontrollmaßnahmen

Der Maßnahmenkatalog des Montrealer Protokolls sah ein Einfrieren derProduktionsziffern für das Jahr 1990, eine Reduktion um 20 Prozent für dasJahr 1994 und eine weitere Reduktion bis 1999 vor, also insgesamt eine50prozentige Reduktion von FCKW gegenüber 1986. Außerdem enthielt dasProtokoll folgende wichtige Klauseln:

– eine Verhinderung von Produktionsauslagerung in Nichtvertragsstaaten;– ein Importverbot aus Nichtvertragsstaaten;– die Unterzeichnerstaaten müssen zwei Drittel des Globalverbrauchs 1986

repräsentieren: dadurch wird sichergestellt, daß die volle rechtliche Bin-dung nur eintritt, wenn die EG, Japan und die USA ratifiziert haben;

– eine ständige wissenschaftliche Neubewertung.

Der Kompromiß sah Ausnahmeregelungen für verschiedene Ländergruppenvor:

– für die EG, die als regionale Entwicklungseinheit behandelt wurde. Dieserlaubt bei einer Globalrechnung des EG-Verbrauchs, daß einzelne EG-Staaten bei ihrer Pflichterfüllung in dem Maße nachhinken können, indem andere EG-Staaten ihren Abbauverpflichtungen rascher nachkom-men als das Protokoll vorschreibt, sofern alle Mitgliedsstaaten der EGauch Vertragsparteien des Protokolls sind;

se und der Risikobereitschaft abhängen. Im ersten Fall kommt es zu einem »Matthäus-Effekt«, da ein Reicher in Verhandlungen zum Armen sagen kann: »Take it or leave it«.Bei unterschiedlicher Risikobereitschaft tritt dieselbe Asymmetrie auf: »Whatever thesource of risk aversion, it is usually a handicap in bargaining«.

284 Kapitel 5

– für die Sowjetunion, die ihren Fünfjahresplan einhalten und zwei im Baubefindliche FCKW-Anlagen fertigstellen durfte;

– für die Entwicklungsländer, die während einer zehnjährigen Gnadenfristvon Regelungen ausgenommen werden sollten, sofern ihr FCKW-Ver-brauch eine bestimmte Grenze nicht überschritt (Lang 1988: 107; Lang1989: 109).

Das Protokoll wurde von dreißig Parteien unterzeichnet und trat am 1. Januar1989 in Kraft. Diese dreißig Länder waren für 83 Prozent der weltweitenFCKW-Produktion verantwortlich.66 Das Vertragsdesign enthielt Klauseln,die eine flexible Anpassung ermöglichten, insbesondere durch die Ver-pflichtung der Vertragsparteien, eine regelmäßige wissenschaftliche, techni-sche, ökologische und ökonomische Bewertung zu gewährleisten. Dies wardie institutionelle Bedingung dafür, daß ab Ende der achtziger Jahre eineDynamik einsetzen konnte, die schließlich immer mehr Stoffe in die Regu-lierung einbezog und den Fahrplan des Ausstiegs erheblich verkürzte. Dervon langer Hand geplante Einbahnstraßenmechanismus konnte sich nun ent-falten.

Zusätzlich begann ein ökonomischer Sog zu wirken: Du Ponts Schwenkzwang die Konkurrenz zum selben Schritt, da sie andernfalls riskiert hätte,bei der Schaffung neuer Märkte ausgeschlossen zu werden. Als sich heraus-stellte, daß die neue Technik wesentlich einfacher zu beherrschen war alsangenommen, konnten die Reduktionsziele viel schneller erreicht werden,als von der Industrie lange behauptet worden war.

66 Aus heutiger Sicht, aber auch aus Sicht der damaligen Akteure, war dies ein Erfolg derUnterstützerkoalition. Außenstehende Kritiker, die eine große Erwartungshaltung produ-ziert hatten, sahen dies anders. Zu nennen ist insbesondere ein Kommentar eines Mitar-beiters des Max-Planck-Instituts für Völkerrecht, der das Abkommen als »Sterbehilfe fürdie Ozonschicht« bezeichnete. Interessant ist der symbolische Mehrwert, der durch dieTatsache geschaffen wird, daß es sich hierbei um die Aussage eines Wissenschaftlers han-delt, der einem Max-Planck-Institut angehört (siehe Kapitel 1). Der Spiegel (49 /1987:273) ordnete diese Aussage dann auch umstandslos der Max-Planck-Gesellschaft zu: »DasAbkommen, so die Max-Planck-Gesellschaft, sei vorwiegend an wirtschaftlichen Interes-sen ausgerichtet …« Auch Politikwissenschaftler, die es besser wissen könnten, rufen dieallerhöchste Autorität der Max-Planck-Gesellschaft an, um zu zeigen, daß Politiker zu Un-recht einen Sieg gefeiert hätten: »Während die Politik das Montrealer Abkommen noch alsErfolg feierte, kritisierte die Max-Planck-Gesellschaft die Mißachtung der wissenschaftli-chen Gutachten und erklärte, das Abkommen sei ›vorwiegend an wirtschaftlichen Interes-sen ausgerichtet‹ …« (Wilhelm 1994: 114).

Die Kontroverse der achtziger Jahre 285

5.5.4 Technische Problemlösung

Vorschläge zur technischen Problemlösung waren hilfreich bei der Identifi-kation von Schlüsselfragen, die in Aushandlungsprozessen dann in einenKompromiß zwischen den Vertragsparteien mündeten. Im Folgenden geheich nicht auf die eher trivialen und offensichtlichen technischen Mittel ein,mit denen FCKW-Reduktionen erzielt werden konnten (zum Beispiel Recy-cling). Stattdessen präsentiere ich zwei methodische Instrumente, die vonAtmosphärenwissenschaftlern entwickelt wurden und im Verhandlungspro-zeß eine »gerechte« Verteilung der Regulierungskosten ermöglichen sollten.

Ozone Depletion Potential (ODP)

Bei den Verhandlungen zum Montrealer Protokoll spielte das unterschiedli-che ozonzerstörende Potential verschiedener Substanzen (Ozone DepletionPotential, ODP) eine wichtige Rolle. 1981 hatte der Modellierer Don Wueb-bles Berechnungen für die EPA angestellt (Wuebbles 1981), die den Effektaller wesentlichen chlorierten Emissionen untersuchten.

I also tried to help communicate science to the policy makers. That’s what ledme to do things like the ODP which is very heavily used in the U.S. and theMontreal Protocol. That came out of some work I was doing with policy makersin trying to essentially teach them why different compounds could destroy ozonein different ways. And it just happened to get picked up in terms of policy mak-ing.67

Auf Basis dieser Berechnungen stellte man ein Gewichtungssystem ver-schiedener Substanzen auf, in dem FCKW 11 den (willkürlichen) Wert 1 er-hielt (siehe Anhang 4).

On the basis of this weighting system, the negotiators could craft a protocol pro-vision that allowed substances to be treated for control purposes as a combined»basket« rather than individually. This formulation gave countries an incentive toimpose greater reductions on substances that were relatively more harmful to theozone layer, as well as those whose uses were less essential to them. (Benedick 1991: 78)

Damit war ein technisches Meßkriterium gefunden, mit dem sowohl dieozonzerstörende Produktion eines jeden Landes, als auch der spezifischeBeitrag einzelner Substanzen kalkuliert werden konnte. Dies ermöglichte be-

67 Pers. Mitteilung Wuebbles.

286 Kapitel 5

stimmten Ländern, ihre Reduktionsquote durch eine Einschränkung auf Ge-bieten zu erbringen, die nicht von vitalem Interesse für ihre nationale Indu-strie war. Japan beispielsweise gab seinen anfänglichen Widerstand gegendie Regulierung von F 113 auf, das in der japanischen Computerindustrie instarkem Umfang Verwendung fand, als man sah, daß die für Japan erforder-liche Reduktion auch durch Einsparungen bei F11 und F12 erzielt werdenkonnte (Benedick 1991: 79).

Chlorine Loading Potential (CLP)

Der Indikator des Ozonzerstörungspotentials war wichtig, um in Montrealtechnische Lösungen und Kompromisse im Verhandlungsprozeß zu finden.Er wurde zu einer Zeit entwickelt, als man mit Hilfe von Modellrechnungendie langfristigen Auswirkungen auf die Ozonschicht berechnete. 1988 warklar, daß reale Ozonverluste eingetreten waren. Dies änderte die Zielvorgabefür die regulative Politik. Es konnte jetzt nicht mehr darum gehen, künftigenSchaden abzuwehren, sondern Maßnahmen zu ergreifen, um möglichstschnell eine Erholung der Ozonschicht zu bewirken. Nach der Verabschie-dung des Montrealer Protokolls ersannen die NASA-Wissenschaftler Pratherund Watson deshalb eine andere Methode (Chlorine Loading Potential,CLP), um den Umfang der nötigen Reduktion kritischer Substanzen zu be-stimmen. Diese Methode basiert auf dem Grundgedanken, daß der Ozonab-bau erst bei einer Überschreitung kritischer Schwellen beginnt. Die kumu-lierten Mengen ozonzerstörender Stoffe in der Atmosphäre sind dabei ent-scheidend, nicht der absolute Wert einer Substanz. Im Vergleich zum analy-tischen ODP ist das CLP ein historischer Indikator. Der vorindustrielleChlorgehalt der Atmosphäre wurde auf 0,6 ppb (parts per billion) geschätzt.Als Quelle dafür kommt im wesentlichen nur Methylchlorid in Frage. Diesewichtigste natürliche Chlorquelle der Stratosphäre macht heute nur noch einFünftel der anthropogenen Quellen aus (Graedel /Crutzen 1994: 240). Dasantarktische Ozonloch begann sich in den späten siebziger Jahren zu entwik-keln, als die globalen Durchschnittskonzentrationen von Chlor auf 1,5 bis 2ppb gestiegen waren (heute liegen sie bei fast 4 ppb). Hier setzte die Unter-stützerkoalition an, um eine Verschärfung des Montrealer Protokolls anzu-streben.

A logical benchmark for evaluating future control strategies was the return ofatmospheric chlorine concentrations to no higher than 2 parts per billion –

Die Kontroverse der achtziger Jahre 287

roughly the chlorine loading at which Antarctic springtime ozone levels had be-gun to drop sharply in the late 1970s. (Benedick 1991: 130)

Auf Basis des Montrealer Protokolls war es immer noch möglich, daß dieChlorkonzentrationen dramatisch wuchsen – bis auf 11 ppb Ende nächstenJahrhunderts (Abbildung 5-10). Der Bericht der wissenschaftlichen Arbeits-gruppe der UNEP Scientific Assessment of Stratospheric Ozone: 1989 fandals wesentliches wissenschaftliches Ergebnis Eingang in die politischen Ent-scheidungen, weshalb seine Abfassung mit dem internationalen Entschei-dungsprozeß synchronisiert wurde (WMO 1989: vi). Die wichtigsten Punktesind:

– das Montrealer Protokoll zog nicht in Betracht, daß bereits ein Ozonab-bau in der Antarktis stattgefunden hat;

– selbst bei einer Implementation der Maßnahmen des Montrealer Proto-kolls wird die Chlorkonzentration bis ins nächste Jahrhundert hinein an-steigen, was zu massiven Ozonabnahmen führen wird;

– das Montrealer Protokoll wurde auf Modellrechnungen gegründet, diekeinen Gebrauch von heterogenen Reaktionen machten. Diese Reaktio-nen wurden zuerst in den antarktischen Prozessen beobachet, können aberauch in mittleren Breiten auftreten. Die Ozonabbauraten könnten alsotrotz des Montrealer Protokolls größer sein, als ursprünglich angenom-men;

– um zu den natürlichen Chlorkonzentrationen zurückzukehren, müssenalle voll halogenierten FCKW, alle Halone, Tetrachlorkohlenstoff (CCl4),Methylchloroform (MC) abgeschafft werden und es muß eine Überprü-fung der teilhalogenierten FCKW erfolgen.

Wie aus Abbildung 5-10 hervorgeht, führt nur Szenario E zur Absenkungder Chlorkonzentration auf 2 ppb Mitte nächsten Jahrhunderts und damitzum wahrscheinlichen Verschwinden des Ozonlochs. In diesem Fall muß dieProduktion aller FCKW bis zur Jahrhundertwende eingestellt sein, es dürfenaber auch keine Ersatzstoffe (R 22), kein Tetrachlorkohlenstoff und keinMethylchloroform mehr produziert werden. Ließe man alle kritischen Sub-stanzen außer FCKW noch bis ins Jahr 2000 weiter wachsen und hielte siedann konstant, so wäre immer noch mit einem massiven Anstieg der Chlor-konzentration im nächsten Jahrhundert zu rechnen – mit unbekannten Kon-sequenzen für die Atmosphäre.

288 Kapitel 5

5.6 Von Montreal nach London

Interessanterweise verloren die USA nach Verabschiedung des MontrealerProtokolls die internationale Initiative. Zwar drängten Sprecher der Regulie-rungsbefürworter auf weitergehende Maßnahmen – ein Jahr nach dem Mont-realer Protokoll hielt EPA-Chef Lee Thomas die 50-Prozent-Reduktion fürunzureichend. Er forderte eine völlige Eliminierung von FCKW, außerdemdie Regulierung von Methylchloroform und Tetrachlorkohlenstoff. DavidDoniger vom NRDC unterstützte ihn darin und forderte einen nationalenAlleingang der USA. Doch der offizielle Vorstoß dazu kam von der EG undUNEP. Wenige Wochen nach Abschluß des Montrealer Protokolls ergriffUNEP-Direktor Tolba die Initiative zu einem ersten Folgetreffen der Ver-

Die Kontroverse der achtziger Jahre 289

tragsparteien für 1989, da seiner Ansicht nach neue Erkenntnisse eine Ver-schärfung der Maßnahmen verlangten. Die Auswertung der zweiten Antark-tisexpedition von 1987, die wenige Wochen nach Montreal offiziell vorlag,bestätigte die Hypothese, daß das antarktische Ozonloch auf die Wirkungvon FCKW zurückzuführen sei. Als die Expertengruppen ihre Arbeit aufge-nommen hatten, vollzogen sich wichtige Positionsänderungen in einigenLändern. 1988 wurde Deutschland von der britischen Regierung unterstützt,nachdem Premierministerin Thatcher strenge Maßnahmen zu befürwortenbegann.

1988, ein Jahr nach dem Montrealer Protokoll, verkündet Du Pont seineAbsicht, die FCKW-Produktion (ohne Angabe zeitlicher Fristen) einzustel-len. Als Begründung wird die Corporate identity der Firma hervorgehoben,ein Unternehmen zu sein, das nur durch erstklassige Wissenschaft motiviertwird. Die Entscheidung wird stilisiert als ein Resultat von reiner, harter undkalter Wissenschaft: »It was a result of pure, hard, cold science making itspoints in a company where … science has always mattered as much as busi-ness« (New York Times, 26.3.1988). Das Überdenken der Position erfolgtenach der Veröffentlichung der Ergebnisse des OTP am 15. März 1988 (sieheKapitel 3). Noch drei Wochen zuvor hatte Du Pont-Chef Heckert in einemAntwortschreiben an drei Senatoren, die auf Regulierung drängten, daraufverwiesen, daß keine wissenschaftliche Evidenz vorliege, die dramatischeMaßnahmen rechtertigten (Roan 1989: 229).

Die Auffassung, wonach das Montrealer Protokoll nur ein erster Schrittsein konnte, der so bald als möglich durch weitere Schritte (Verschärfungender Maßnahmen) ergänzt werden müsse, war im transnationalen Pro-Regu-lierungsnetzwerk um 1988 überall verbreitet: bei den Akteuren der UNEP,der NASA, der EPA, der Enquetekommission und, nach dem SchwenkGroßbritanniens, auch in der EG. Die Wende der britischen Position wurdemit der Formel »The Greening of Margaret Thatcher« umschrieben. Diesbedeutete für das Unterstützernetzwerk eine mehrfache Stärkung: Erstensgewann es durch den Seitenwechsel der britischen Regierung einen neuenBündnispartner, womit man zweitens der Gegenallianz einen Bündnispartnerentzog. Außerdem gelang es, einen der erbittertsten Regulierungsgegner(ICI) auf europäischer Ebene auszuschalten.

In England Margaret Thatcher watched the Green Party in Germany and thought:This can happen here. So she tried to steal the leadership. By the time of the revi-sion of the Montreal Protocol, she convened the first meeting after the MontrealProtocol to strengthen it. (Interview 5)

290 Kapitel 5

Im März 1989 schloß sich der EG-Rat einem von der Bundesrepublik undGroßbritannien favorisierten vollständigen Ausstieg aus FCKW an (»so baldwie möglich, jedoch nicht später als 2000«). Nun erteilte US-Präsident Bushdem neuen EPA-Chef Reilly die Vollmacht, sich dieser Linie anzuschließen.Die Londoner Protokollzusätze wurden entsprechend erweitert.68 Auf einerinternationalen Ozon-Konferenz in London, die von Thatcher einberufenwurde, äußerten sich Vertreter von über hundert Ländern auf gleiche Weise;Entwicklungsländer betonten ihr Bedürfnis nach finanzieller und technischerHilfe bei der Umstellung auf Alternativprodukte. Das erste Treffen der Ver-tragsparteien fand im Mai 1989 in Helsinki statt, auf dem etwa achtzig Län-der eine Erklärung unterzeichneten, die den Ausstieg aus FCKW bis zumJahr 2000 verlangte. Die Zwischenberichte der verschiedenen Experten-gruppen verfehlten ihre Wirkung nicht. Die wissenschaftliche Gruppe kon-zentrierte sich auf Szenarien, die den Zusammenhang zwischen Chlorkon-zentrationen und Ozonabbau entwarfen (siehe oben). Das technische Panelkam zum Schluß, daß mindestens eine 95prozentige Reduktion von FCKWbis zum Jahr 2000 möglich sei. Ähnlich wurden die Möglichkeiten bei ande-ren Stoffen beurteilt (wie Methylchloroform oder Tetrachlorkohlenstoff).Die technischen und ökonomischen Arbeitsgruppen wiesen nach, daß kurz-fristige Substitutionsmöglichkeiten in den meisten Anwendungsbereichenbestanden.

Die UNEP begann auf dieser Basis die Verhandlungen für eine Revisiondes Protokolls. Auf insgesamt sieben Sitzungen zwischen Herbst 1989 undFrühjahr 1990 kam man überein, den Ausstieg aus FCKW und Halonen an-zustreben. Mit der Ausnahme Frankreichs waren in anderen Delegationenkeine Vertreter der Industrie entsandt worden. Hauptproblem waren nun diefinanziellen und technologischen Unterstützungsprogramme für Entwick-lungsländer. Wie in Montreal, so kam auch in London erst in letzter Minuteeine Einigung zustande. Diese bezog sich vor allem auf die Problematik derEntwicklungsländer. Es wurde ein Fonds geschaffen, dessen absolute Größezwar noch nicht festgelegt wurde, für eine Übergangszeit von drei Jahrenaber etwa 200 Mio. US-Dollar betragen sollte. Hauptgegner eines solchenFonds waren anfangs die USA, die ihre Zustimmung nur gaben, als man ver-sicherte, dies schaffe keinen Präzedenzfall für andere Probleme (Klima).Auf der Londoner Konferenz kündigten Indien und China ihre Bereitschaftan, das Montrealer Protokoll mitsamt den Zusatzprotokollen zu ratifizieren,

68 Es enstand jedoch ein neuer Konflikt zwischen den USA und dem »Rest der Welt« überdie Schaffung eines Hilfsfonds für Entwicklungsländer, siehe unten.

Die Kontroverse der achtziger Jahre 291

falls der Fond geschaffen würde. In den USA gab es zu dieser Frage einenerneuten Kampf zwischen Regulierungsbefürwortern und -gegnern. DieEPA unterstützte den Vorstoß der Europäer und Entwicklungsländer, einensolchen Fonds zu schaffen. Aus dem Weißen Haus und dem Office for Man-agement and Budget kam Widerstand.69 Doch sowohl die Industrie, als auchrepublikanische (und demokratische) Senatoren unterstützten die Initiativeder Errichtung eines Hilfsfonds.70 Präsident Bush isolierte sich mit seinerharten Linie innenpolitisch wie außenpolitisch.71 Die Presse spottet: »Pennywise on ozone?« (New York Times, 16.5.1990). Zehn Tage vor Verhand-lungsbeginn in London verkündet die Bush-Administration schließlich ihreZustimmung. Auch in diesem Fall hat das Unterstützernetzwerk unterhalbder Regierungsebene Tatsachen geschaffen, die die US-Regierung, wennauch widerstrebend, schließlich akzeptiert.

Die Implementation der internationalen Vereinbarungen auf nationalerEbene erfolgte in den meisten Ländern problemlos, ja es kam sogar zurÜbererfüllung. Hervorstechend ist Deutschland, das die gesetzlichen Fristenfür den Ausstieg aller Substanzen erheblich verkürzte. In den USA kündigteDu Pont an, die Produktion von FCKW 1994 und die von Halonen 1996 zustoppen. In Bezug auf teilhalogenierte FCKW-Ersatzstoffe (HFCKW), dienur ein geringes Ozonzerstörungspotential, dafür aber ein großes Treibhaus-potential besitzen, gehen die Hauptproduzenten verschiedene Wege. DieUSA befürworten einen Ausstieg im Zeitrahmen von 2020 bis 2050, wäh-rend in Deutschland bereits ein Verbot für 2000 vorgesehen ist.72

69 »U.S. Will Oppose Aid in Ozone Plan« (New York Times, 9.5.1990: A 24).70 Zwölf republikanische Senatoren schrieben in einem Brief an Bush: »There has rarely

been, we believe, a better example of ›penny-wise, pound-foolish‹« (Washington Post, 10.5.1990).

71 »U.S. is Assailed at Geneva Talks for Backing out of Ozone Plan«, hieß es auf der Titel-seite der New York Times vom 10. Mai 1990.

72 »Bei den teilhalogenierten, also HFCKW, zeichnete sich ab, daß es neue Regulierungengeben wird und deshalb haben die sich in Deutschland kaum durchgesetzt. In den USA istman mehr in Richtung der Ersatzstoffe der chemischen Industrie gegangen. Die EPA waralso auch über unsere Position zu den HFCKW immer sehr erstaunt, wir galten da immerals Exoten, obwohl die Entwicklung zeigt, daß wir nicht so falsch lagen. Zur Zeit vonMontreal hätte sicher nie jemand darauf gewettet, daß HFCKW einmal reguliert werden,jetzt haben wir’s, auch wenn da noch 2030 oder was drauf steht« (Interview 24).

292 Kapitel 5

5.7 Von London nach Kopenhagen

Zwei Jahre nach den Londoner Protokollzusätzen befaßte sich das vierteTreffen der Vertragspartnerstaaten in Kopenhagen vor allem mit drei Fra-gen:73 dem Multilateralen Fonds, der Regelung zusätzlicher Substanzen unddem Durchsetzungsmechanismus (compliance mechanism). Die in Londonerfolgte Einrichtung des Multilateralen Fonds führte zu einer Zunahme derVertragsstaaten, einschließlich solch kritischer Länder wie Indien und Chi-na. Es wurden neununddreißig länderspezifische Hilfsprogramme für Ent-wicklungsländer entwickelt. Der in London erzielte Kompromiß sah 240Mio. US-Dollar für den Interim-Fonds vor. Die Geberländer, vor allem Ruß-land und Frankreich, kamen jedoch ihren Zahlungsverpflichtungen nichtnach. Rußland litt unter Zahlungsunfähigkeit, Frankreich machte Vorbehalteüber die Konstruktion des Fonds. Die Vertragsstaaten anerkannten die inter-nen ökonomischen Schwierigkeiten der Länder der ehemaligen Sowjetunion,sahen aber gleichzeitig die Gefahr der unilateralen Nichtbefolgung. Einer-seits konnte dies zu einer Abwärtsspirale führen, andererseits würden durchNichtbefolgung Fehlbeträge entstehen, die zur Nichteinhaltung der Hilfspro-gramme und schließlich zum (unfreiwilligen) Bruch der Verpflichtungen derEntwicklungsländer führen konnten. Dieses Problem konnte dadurch gelöstwerden, daß einige osteuropäische Länder von ihren Zahlungsverpflichtun-gen in harter Währung entbunden wurden (sie sollten äquivalente Leistun-gen in Form von Technologie und Unterstützung erbringen). Durch die The-matisierung des Problems im Rahmen des internationalen Regimes war dieGefahr des unilateralen Ausstiegs gebannt.

Mehrere westeuropäische Länder, unter ihnen Frankreich, waren unzu-frieden mit dem Fonds, der unabhängig von anderen Institutionen des Nord-Süd-Transfers operieren sollte. Sie wollten die Überführung des multilate-ralen Fonds in die Global Environmental Facility (GEF), die 1992 von derWeltbank, UNEP und UNDP als Hauptfinanzierungsmechanismus für dieKlimakonvention eingerichtet worden war – auf die Initiative Frankreichshin (Thacher 1993: 199). Die USA hatten sich in London ebenfalls noch ge-gen die Einrichtung eines unabhängigen Fonds gewehrt, unterstützten ihnnun und hatten einen Sitz im Exekutivkommittee. Angesichts dieses Interes-senkonflikts versuchte die EG, die Entscheidung über das endgültige Designdes Fonds hinauszuzögern, was am Widerstand der Entwicklungsländerscheiterte. Der Konsens, eine umfassende Problemlösung anzustreben, war

73 Zum Folgenden siehe Gehring (1994: 302–320).

Die Kontroverse der achtziger Jahre 293

stärker, als die nationalen Partialinteressen auf Seiten der entwickelten Indu-strieländer.

Vor dem Treffen in Kopenhagen hatten führende Hersteller und Verbrau-cher ozonzerstörender Substanzen ihre Absicht angekündigt, bereits Ende1995 die FCKW-Produktion zu stoppen. Die entsprechende Anpassung inden Vertragstexten stellte kein Problem dar. Anders verhielt es sich mit derKontrolle zusätzlicher Substanzen. Österreich, Norwegen, Schweden und dieSchweiz waren für eine starke Begrenzung in Herstellung und Konsum vonvierzig teilhalogenierten FCKW (HFCKW, siehe Anhang, S. 357), darin vonder EG unterstützt. Darüberhinaus schlugen sie einen völligen Ausstieg ausdiesen Stoffen für die Zeit 2005 bis 2010 vor. Die USA wollten sicherstel-len, daß diese Stoffe auch nach 2020 verwendet werden können, da in Be-trieb befindliche Klimaanlagen eine Lebensdauer bis zu vierzig Jahren haben.Man einigte sich auch hier auf einen stufenweisen Ausstieg mit einem Pro-duktionsstop im Jahr 2030 (Brack 1996: 15). HFKW, eine Stoffklasse, diekein Chlor enthält, aber einen Treibhauseffekt hat, wurde nicht in den Rege-lungskatalog aufgenommen. Die Tendenz geht dahin, auch diese Stoffe zuregulieren, möglicherweise unter der Klimaschutzkonvention.

Zusammengefaßt läßt sich sagen, daß engagierte Wissenschaftler erfolg-reich als Sprecher eines transationalen Politiknetzwerkes agierten, das sichin einem selbstverstärkenden Prozeß Mitte der achtziger Jahre ausweitete

294 Kapitel 5

und stärkte. Wesentliche symbolische Ressource war die Entdeckung undsymbolische Aufbereitung des antarktischen Ozonlochs. In den USA gelingtes Regulierungsbefürwortern aus mehreren Behörden (unterhalb der Regie-rungsebene) immer wieder, sich gegenüber Regulierungsgegnern durchzu-setzen. In Deutschland springt der Funke schließlich auf die höchsten politi-schen Entscheidungsinstanzen über, wodurch den Regulierungsbefürworternein mächtiger Bündnispartner zuwächst. Der Seitenwechsel von zentralenAkteuren führte schließlich zum Zusammenbruch des Anti-Regulierungs-lagers, wodurch eine internationale Kooperation zustandekam, die den Aus-stieg aus ozonzerstörenden Substanzen zum Ziel hatte. Die Bindung der Ver-tragsparteien an neue wissenschaftliche Erkenntnisse erleichterte die Ver-schärfung der Regulierungen. Dies wurde erheblich verstärkt durch einenökonomischen Sog in Richtung Ersatzstoffe, der durch den größten Einzel-produzenten ausgelöst wurde.

Kapitel 6

Institutionen, Akteure und die Chancen zurVermeidung globaler Umweltkatastrophen

Dieses Schlußkapitel stellt die Ergebnisse vorliegender Studie zunächst inZusammenhang zu den in Kapitel 1 entwickelten theoretischen Perspektiven(6.1) und konfrontiert sie mit rivalisierenden Ansätzen (6.2). Der dritte Ab-schnitt behandelt die komparative Fragestellung. Hier fasse ich die institu-tionelle »Unterfütterung« des netzwerktheoretischen Ansatzes zusammen,die zeigt, daß die Ausgangslage für die Entwicklung der Netzwerke in bei-den Ländern unterschiedlich war. Diese Unterschiede in den strukturell-insti-tutionellen Faktoren können aber nicht allein die in beiden Ländern ver-schiedene Netzwerkdynamik erklären. Im vierten Abschnitt frage ich, welcheChancen die moderne Gesellschaft hat, sich auf ökologische Gefährdungeneinzustellen. Dort formuliere ich fünf Thesen, die für die weitere Forschungrelevant sein können.

6.1 Theoretische Lehren

6.1.1 Eigendynamische Entwicklung von Politiknetzwerken undinstitutionelle Opportunitätsstrukturen

Politiknetzwerke entstehen und gedeihen in verschiedenen institutionellenKontexten unterschiedlich gut und schnell. Bezogen auf den vorliegendenFall heißt dies, daß institutionelle Opportunitätsstrukturen vor allem in denRepräsentationsmöglichkeiten diffuser Interessen und institutionellen Ent-scheidungsregeln bestanden. Diffuse Interessen waren im amerikanischenpolitischen System weit besser repräsentierbar als im deutschen. Dort gab esauch die Bereitschaft von Wissenschaftlern zur öffentlichen Parteinahme. Es

296 Kapitel 6

existierten institutionelle Entscheidungsregeln vor allem in Form der Selbst-bindung an wissenschaftliche Ergebnisse und die Bevorzugung des Vorsorge-prinzips beziehungsweise Abwarteprinzips. In den USA wurde der Kampfzwischen dem Vorsorgeprinzip und dem Abwarteprinzip durch den CleanAir Act von 1977 zugunsten des Vorsorgeprinzips entschieden. Dieser An-satz prägte die US-Position für die internationalen Verhandlungen.

Institutionelle Randbedingungen begünstigen oder erschweren die Ent-wicklung von Politiknetzwerken, können sie aber nicht auslösen. Auch diegünstigsten Opportunitätsstrukturen hätten das Thema FCKW nicht aufbrin-gen und einer Lösung zuführen können, wären da nicht engagierte Wissen-schaftler gewesen, die diese Aufgabe wahrgenommen haben.

Die antagonistisch strukturierte Politikarena wurde durch selbstverstär-kende Prozesse beherrscht. Diese beziehen sich vor allem auf die Motivationvon zentralen Akteuren, die nicht allein durch ihre Interessen erklärt werdenkann. Es sind vielmehr Weltbilder, Normen und »Leidenschaften«, bei de-nen Politikziele und Akteuridentitäten eng verklammert sind: Vorsorgeprin-zip steht gegen Abwarteprinzip. Diese Komponente erschwert die üblicheLösung des Interessenausgleichs zunächst erheblich. Durch die antagonisti-sche Konstellation von zwei Politiknetzwerken innerhalb einer Politikarenawerden aber nicht nur neue Probleme geschaffen, sondern auch andere Lö-sungen ermöglicht. Zu nennen ist insbesondere eine Reduktion der Komple-xität auf zwei konträre Situationsdeutungen und Lösungsvorschläge, vondenen im Zeitverlauf eine die Hegemonie erlangt. Die Heterogenität derAkteurpopulation ist dabei von ausschlaggebender Bedeutung. Dies beziehtsich vor allem auf die Bereitschaft zur Initiative (in Form der Selbstbindungoder Vorreiterrolle) und das Verhalten dritter Parteien. Die Frage nach denBedingungen erfolgreicher Kooperation verwandelt sich damit in die Frage,unter welchen Bedingungen ein Akteur die Initiative ergreift und sein Par-tialinteresse der gemeinsamen Problemlösung unterordnet. Der Wechsel vonProtagonisten aus einem Lager in das andere ist ein besonders wirkungsvol-ler Mechanismus zur Beeinflussung dritter Parteien. Dadurch kann eineSeite die Hegemonialstellung erlangen.

Engagierte Wissenschaftler agierten als Sprecher eines transnationalenPolitiknetzwerkes, das sich in einem selbstverstärkenden Prozeß Mitte derachtziger Jahre ausweitete und stärkte. Die wichtigste Ressource war sym-bolischer Art: die Entdeckung und symbolische Aufbereitung des antarkti-schen Ozonlochs. Der dadurch hervorgerufene Seitenwechsel zentraler Ak-teure führte schließlich zum Zusammenbruch des Anti-Regulierungslagers,wodurch die internationale Kooperation zustandekam, die am Ende den

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 297

Ausstieg aus ozonzerstörenden Substanzen brachte. Die Bindung der Ver-tragsparteien an neue wissenschaftliche Erkenntnisse erleichterte die Ver-schärfung der Regulierungen. Die Institutionalisierung der Selbstbindung anwissenschaftliche Ergebnisse ist eine Konstante, die sich durch den gesam-ten Zeitraum verfolgen läßt. Du Ponts Selbstbindung wurde mehrmals er-wähnt. Eine andere ergab sich durch den Clean Air Act von 1977, der dieVerpflichtung für die EPA enthielt, bei Fortbestehen einer Gefahr weitereMaßnahmen einzuleiten. Auf internationaler Ebene war die Verpflichtung zuwissenschaftlicher Forschung der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sichLänder mit unterschiedlicher Orientierung einigen konnten. Dies begann beiden ersten Treffen auf Initiative der UNEP im Jahr 1977, setzte sich aufzahlreichen internationalen Konferenzen fort bis hin zur Wiener Konventionvon 1985. Auch das Montrealer Protokoll und seine Ergänzungen enthaltenentsprechende Klauseln, die einen zusätzlichen Handlungsbedarf bei ent-sprechender wissenschaftlicher Erkenntnis vorsehen. Die Regulierungsgeg-ner legten sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse fest, da es ihnen das ein-fachste Mittel zu sein schien, um Regulierungen abzublocken. Doch das Ge-genteil war das Resultat. Durch die Festlegung auf wissenschaftliche Ergeb-nisse gab die Industrie nolens volens das Heft aus der Hand, sie konnte denProzeß nicht mehr allein steuern.

Dem Netzwerk der Unterstützer anspruchsvoller Regulierungen gelangeine Mobilisierung zentraler Akteure. In der entscheidenden Phase der Vor-bereitung des Montrealer Protokolls waren dies Mitglieder folgender Orga-nisationen: UNEP, NASA, WMO, US-Außenministerium, UBA/BMU undEPA. Durch dieses Netzwerk wurde der Prozeß der internationalen Regulie-rung auf den Weg gebracht und der Forschungsprozeß so organisiert, daßverbindliche Ergebnisse erzielt wurden. Die Regulierungsgegner, vor allemdie FCKW-Produzenten, gaben ihren Widerstand sukzessive auf, nachdemihre Wortführer die Seite gewechselt hatten (Katz/Lazarsfeld 1955).

6.1.2 Repräsentation diffuser Interessen: Wissenschaftler alsgesellschaftspolitische Akteure

Wer die Macht hat, ein Problem in allgemein akzeptierter Weise zu definie-ren und entsprechende Lösungsvorschläge zu entwickeln, hat einen Einflußauf den gesamten Prozeß, von der Problemidentifikation bis hin zur Lösung.Diese Hypothese ist in politikwissenschaftlichen Studien unter dem Themaagenda-setting power und Mobilisierung von Vorurteilen geläufig (Bachrach/

298 Kapitel 6

Baratz 1977; Lukes 1974; Schattschneider 1960). Doch in diesen Studienwerden ausschließlich »traditionelle« politische Akteure in dieser Rolle be-schrieben. Wenig beachtet wurde dabei, daß bei Fragen, die mit Hilfe vontechnischem und wissenschaftlichem Wissen gelöst werden, wissenschaft-liche Experten die Rolle von agenda-setters spielen können.

Gelingt es, diffuse Interessen am Erhalt der natürlichen Umwelt zu arti-kulieren, so können dadurch ökologische Probleme oder Katastrophen ver-hindert werden. Vogel (1993) führt (am Beispiel von Umweltinteressen) ver-schiedene institutionelle Faktoren an, die eine Repräsentation von diffusenInteressen beeinflussen. Seiner Ansicht nach ist der wichtigste Faktor die öf-fentliche Meinung, noch vor der Struktur der politischen Institutionen. Dasheißt, daß eine starke Umweltbewegung und/oder Thematisierung in der Öf-fentlichkeit den größten Einfluß auf die Politik ausübt. Auch die Struktur derpolitischen Institutionen kann dabei förderlich sein. Vor allem Präsidialsy-steme sind nach Vogel geeignet, diffuse Interessen zu repräsentieren. Zu ei-nem geringeren Grad trifft dies auf parlamentarische Systeme zu, die denWählerproporz wiedergeben. Im Fall des proportionalen Wahlrechts ist dasvor allem dann wahrscheinlich, wenn sich grüne Parteien formieren, die insParlament gewählt werden. Fehlen beide Faktoren, dann besteht die Gefahr,daß diffuse Umweltinteressen nicht repräsentiert werden:

[P]arliamentary systems pose two distinctive risks for representation of diffuseinterests. First, without intense interest by significant numbers of voters, leadersare apt to pay little attention to the political representatives of diffuse interests,for the simple reason that they do not need their support in order to govern. In-stead, they are apt to consult extensively with the representatives of concentratedinterests, especially business. (Vogel 1993: 267)

All dies hört sich plausibel an. Eine Möglichkeit wird dabei vernachlässigt,und zwar die, daß wissenschaftliche Sprecher eine Initiativwirkung entfal-ten, deren Ausgreifen auf die öffentliche Meinung um so wahrscheinlicherist, wenn sich eine Kontroverse um wissenschaftlich und technisch produ-zierte Risiken entfaltet. Hier ergibt sich eine andere Dynamik als in Fällen,in denen die Fragen durch politische Parteien aufgegriffen werden. Unbe-streitbar hat die öffentliche Meinung einen entscheidenden Einfluß auf dieBildung der Optionen von politischen Parteien. So wie grüne Parteien die öf-fentliche Meinung beeinflussen können, tun dies auch Politikunternehmeranderer Parteien und wissenschaftliche Sprecher. All diese Möglichkeitenstellen funktionale Äquivalente dar, unterscheiden sich aber in ihren Mu-stern und ihrer Dynamik.

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 299

Eine Thematisierung innerhalb des politischen Systems (auf parteipoliti-scher Ebene) ist bei Problemen, die komplizierte wissenschaftliche Aspekteaufweisen, nicht sehr wahrscheinlich. Neigt die Politik zum Trittbrettfahrenoder zur Kurzsichtigkeit, kann die Tatsache der räumlichen und zeitlichenEntfernung der Auswirkungen vom Entscheidungspunkt katastrophale Fol-gen haben. Auf Grundlagenforschung kann man aus denselben Gründen nichthoffen, da ihre Früchte wahrscheinlich erst jenseits des Zeithorizonts einerRegierung von anderen geerntet werden (Elster 1993: 65). Im ersten Fall be-stehen keine negativen Externalitäten, die Politiker von einem möglicher-weise katastrophalen Kurs abschrecken könnten, im zweiten keine positiven,Prognosefähigkeit durch Förderung von Grundlagenforschung zu schaffen.

Politikunternehmer können hier Chancen nutzen, vorausgesetzt, dasThema ist wahlkampfträchtig und vorausgesetzt, sie können symbolischeRessourcen mobilisieren, die denen der Industrie standhalten. Die Industrieist oft und gern bereit, eine solche Herausforderung anzunehmen, da sie dasFachwissen auf ihrer Seite glaubt, bei den Politikern hingegen für inexistenthält. Dadurch läßt sie sich auf ein Spiel ein, das sie nicht mehr (wie im Fallder reinen Interessenpolitik) allein steuern kann. Es muß der weiteren For-schung überlassen bleiben, herauszufinden, welche Unterschiede sich erge-ben, wenn vor allem Politikunternehmer oder vor allem Wissenschaftler alsöffentliche Sprecher auftreten. Die Vermutung liegt nahe, daß wissenschaft-liche Sprecher mehr Kontinuität zeigen als die auf die nächsten Wahlenblickenden Politiker, zumal dann, wenn die Wissenschaftler normorientiertund interessenbezogen handeln, also ihre umweltpolitischen Überzeugungennicht so schnell aufgeben und ihre berufliche Karriere zudem auf die Erfor-schung eines hierfür relevanten Bereichs gegründet haben.

6.1.3 Wissenschaftliche Kontroversen

Politische Entscheidungen, die technisch-wissenschaftliches Sachwissen er-fordern, beruhen oft auf der Expertise von Angestellten staatlicher Behör-den. Dies trifft auf wirtschaftspolitische, gesundheitspolitische und umwelt-politische Entscheidungen gleichermaßen zu. Es gehört zum Tagesgeschäftwissenschaftlicher Politikberatung entwickelter moderner Gesellschaften.Diese Routine wird dann gestört, wenn von außen kommende Interessen-gruppen (Industrie, Umweltgruppen) die Kompetenz oder die Sachempfeh-lungen der Spezialbehörde angreifen. Grundsätzlich spricht aber nichts da-gegen, daß die Entscheidungsfindung vor allem auf dem von der Behörde

300 Kapitel 6

entwickelten Wissen erfolgt. Dies ändert sich dann, wenn unabhängige Wis-senschaftler von renommierten akademischen Einrichtungen in die Diskus-sion eingreifen. Da diese in der Regel über sehr viel mehr Reputation verfü-gen als Behördenwissenschaftler,1 verlagert sich die Debatte in eine andereArena. Es geht dann vornehmlich um die Glaubwürdigkeit von politischenOptionen und wissenschaftlichen Begründungen. Ergreifen Wissenschaftlereine öffentliche Sprecherrolle, so verschiebt sich die Kontroverse aus der in-nerwissenschaftlichen und administrativen Debatte in die Arena der öffentli-chen Diskussion, mit allen Konsequenzen, die daraus folgen (hier sei nur aufdie Rolle der Medien und die Karriererisiken für die Wissenschaftler hinge-wiesen).

Sobald sich Kontroversen in diese Eigendynamik verwickeln, ist die Mo-bilisierung des Expertenwissens mit dem »größten Gewicht« eine besonderseffektive Strategie der Kontrahenten. Hochrangige Urteile – entweder vonprominenten oder hoch reputierten Wissenschaftlern oder Gremien – ver-sprechen einen Glaubwürdigkeitsgewinn, durch den die Kontroverse einerVorentscheidung zugeführt werden kann. Hochrangige Urteile haben in die-sem Fall in der Tat eine wichtige Rolle gespielt: 1976 hat die National Aca-demy of Sciences in den USA eine (wenn auch vorsichtige) Regulierungsemp-fehlung abgegeben, die von den politischen Entscheidungsträgern befolgtwurde. Ab 1987 hat die Arbeit der Enquetekommission des deutschen Bun-destages unter Beteiligung hoch reputierter und prominenter Wissenschaftlerdie politische Entscheidungsfindung (in der Bundesrepublik Deutschlandund in der EG) legitimiert.

Da wissenschaftliches Wissen über Fragen menschlicher Gesundheit undnatürlicher Umwelt auf vielfältige Wissensgebiete verteilt ist, ergeben sichvielfältige Konflikte zwischen Spezialdisziplinen. Ein Mittel, sie zu lösen,besteht in Standardisierungsprozessen. Dies konnte man im vorliegendenFall anhand des 1986 eingerichteten Ozone Trends Panel studieren. Nichtimmer gelingt eine Standardisierung, und es ist noch unwahrscheinlicher,durch entscheidende Experimente eine wissenschaftliche Kontroverse zuschließen, wie es durch die Antarktisexpedition von 1987 geschah, derenflugzeugbasierte Feldmessungen die Evidenz für die kausale Rolle vonFCKW bei der Entstehung des Ozonlochs etablierten.

1 Vgl. den in Kapitel 3 zitierten Wissenschaftler: » When science gets too close to policy,then pressure is put on science to short-cut and get to policy-relevant results. I think that’sa big problem. In the U.S. we call that the EPA-effect. Because they are so oriented to-wards regulation, if you get close to them scientifically, you’ll stop to work for science.They have their agenda« (Interview 11).

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 301

6.1.4 Probleme internationaler Kooperation

In der Literatur auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen wird daraufhingewiesen, daß wiederholte Verhandlungen zu einem kooperativen Ergeb-nis führen: der durch wiederholte Verhandlungen erzeugte Versicherungs-mechanismus (tit-for-tat) ist kooperationsfördernd (Axelrod 1984). Oft wirdaber beobachtet, daß Verhandlungen stagnieren und zu keinem Ergebniskommen, gleichgültig wie oft man sich trifft, selbst wenn sich die Akteure inzwei Lagern gruppieren (Axelrod/Keohane 1986: 230; Downs et al., 1986).Zu fragen wäre also, wie die Lösung solcher Blockaden erfolgen kann. DieLiteratur hat sich weitgehend auf das Modell des Gefangenendilemmas undden Mechanismus der iterativen Spiele beschränkt, bei denen durch den»Schatten der Zukunft« kurzsichtige egoistische Präferenzen zugunsten einer»bedingten Kooperation« (Taylor 1986) überwunden werden. Doch wie ge-sagt, nicht alle Konstellationen der internationalen Politik sind Gefangenen-dilemmata.2 Beschränkt man sich der Einfachheit halber auf die USA unddie EG, so lassen sich im Zeitraum von 1985 bis 1987 drei verschiedeneKonstellationen auf internationaler Ebene ausmachen. Die USA hattenFCKW früh auf nationaler Ebene reguliert, ohne das Ergebnis eines interna-tionalen Prozesses abzuwarten. Die EG hat in diesem Zeitraum keine ernst-haften Maßnahmen ergriffen. Eine Dilemmastruktur hat sich gar nicht her-ausbilden können, weil die USA und die EG jeweils dominante Strategienverfolgten, und zwar unabhängig davon, aber in voller Kenntnis dessen, wasder jeweils andere tat. 1985 versuchten die USA, ihr Regulierungsmodell indie EG zu exportieren, die EG versuchte das Umgekehrte. 1986 änderten dieUSA ihre Präferenz und strebten eine Regulierung an, selbst wenn die EGdabei nicht mitmachen wollte (das heißt, notfalls allein zu handeln). 1987schließlich bewerteten beide die Kooperation am höchsten. In formalerSchreibweise sieht diese Sequenz wie in Tabelle 6-1 dargestellt aus:3

2 Der FCKW-Fall wurde erst nach Abschluß der internationalen Abkommen zu einem Ge-fangenendilemma, da nunmehr jeder Noch-FCKW-Produzent einen Anreiz hat, geringeMengen zu emittieren, ohne befürchten zu müssen, einen erheblichen Schaden zu verursa-chen, vorausgesetzt, die anderen halten sich an die Regeln. Doch ist die Umstellung aufErsatzstoffe mittlerweile so weit vorangeschritten, daß die gegenwärtig noch stattfinden-den Verletzungen wahrscheinlich Episoden bleiben (Brack 1996).

3 Die Notierung gibt die Präferenzordnung der USA und der EG wieder, wobei C für Koo-peration, D für Verweigerung steht. Der erste Buchstabe bezieht sich immer auf Spieler 1(das heißt die USA).

302 Kapitel 6

Auffällig ist die »unilaterale Verzweiflung«, als die USA 1986 gewisserma-ßen den Einsatz erhöhen, indem sie das Risiko eingehen, unilateral zu han-deln, obwohl die EG dies eventuell zum Trittbrettfahren nutzen könnte. DasRisiko hat sich gelohnt: 1987 stimmt auch die EG einer kooperativen Lö-sung zu. Wie ist dieser merkwürdige Verlauf zu erklären? Wie in Kapitel 5gezeigt wurde, war die US-Verhandlungsposition das Ergebnis von besonde-ren innenpolitischen Konstellationen. Es kommt hinzu, daß der Regulie-rungsgegner kein einheitlicher Akteur war, sondern aus zwölf Einzelstaatenbestand, die mit einer gemeinsamen Position auftreten wollten. Die Bremserinnerhalb der EG gerieten in die Defensive und schließlich in die Isolation(Tabelle 6-2). Einer der entscheidenden Schritte, die Überwindung des briti-schen Widerstandes, wurde teilweise mit bürokratischen Mitteln erreicht. DaGroßbritannien unter den Bremsern am meisten in wissenschaftliche For-schung investiert hatte und als Wortführer der Regulierungsgegner fungierte,fiel mit Großbritanniens Widerstand auch der Widerstand der kleinen euro-päischen FCKW-produzierenden Länder, die nach wie vor ein Interesse ander Verhinderung strenger Maßnahmen hatten (Italien, Spanien, Frankreich),aber keine Sprecherkapazitäten aufgebaut hatten.

Die Konstellation, in der zwei Lager um die Hegemonie kämpfen, lenktunser Augenmerk auf Mechanismen, die durch die Konzentration auf dasModell des Gefangenendilemmas außer acht gelassen würden. Zunächstbringt es die Konstellation mit sich, daß das Konfliktfeld vorstrukturiert unddie mögliche Komplexität so weit reduziert ist, daß Verhandlungen zwi-schen zwei Antagonisten und der »dritten Partei« der Unentschlossenen be-ginnen können. Kommt es während der Verhandlungen zur Schaffung vonVertrauen zwischen Vorreitern und Unentschlossenen, werden Stimmungs-änderungen und unter Umständen Positionsänderungen ausgelöst. Das Netz-werkmodell, das für die Analyse des Gesamtprozesses verwendet wird, kannsomit auch auf die Periode von Verhandlungen angewandt werden. Es bietet

Tabelle 6-1 Sequenzielle Lösung der Blockade

1985 USA: CC>DC>DD>CDEG: CD>DD>CC>DC

Gleichgewicht bei DD: Blockade

1986 USA: CC>DC>CD>DDEG: CD>DD>CC>DC

Gleichgewicht bei CD: Vorreiterrolle der USA

1987 USA: CC>DC>CD>DDEG: CC>DD>CD>DC

Gleichgewicht bei CC: Kooperation

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 303

die Möglichkeit einer einheitlichen theoretischen Fassung: In jedem Land,das sich die Regulierungsfrage stellt, sind wichtige Akteure in Politik undWissenschaft über diese Frage ebenso entzweit wie die Öffentlichkeit. Aufinternationaler Ebene stehen sich Staatenvertreter gegenüber, deren Positio-nen weitgehend durch innenpolitische Kalküle geprägt wurden (Hahn/Ri-chards 1989). Länder, in denen es keine Verursacherindustrie gibt, könnenunter bestimmten Umständen eine ökologische Politik ohne Kosten verfol-gen. In Ländern mit Verursacherindustrie gibt es einen Zielkonflikt zwischendem Schutz der eigenen Industrie und dem Kampf um Wählerstimmen.

Reduziert man die mögliche Vielfalt der Akteurtypen auf die Regierun-gen und FCKW-Hersteller und betrachtet drei wichtige Länder, so ergibtsich im Zeitablauf eine Änderung ihrer Präferenzen wie in Tabelle 6-2 dar-gestellt. Die Antagonisten in diesem Schema sind die USA und Großbritan-nien. Als die Bundesrepublik als »mittlere Kraft« zu kippen beginnt, sind dieTage des britischen Widerstandes gezählt.

Die Tatsache, daß die nationalen Delegationsleiter in internationalenVerhandlungen in der Regel korporative Akteure (Vertreter von Institutio-nen) sind, eröffnet ihnen einen über das offizielle Mandat hinausgehendenSpielraum. Da die Verhandlungsführer nicht in jedem Schritt von ihrer In-stitution kontrolliert werden können, ergibt sich die Möglichkeit, daß siesich während informeller Gespräche bei Verhandlungen gegenüber anderenPositionen »öffnen« (vgl. das Principal-agent-Theorem). Dies geschieht an-fangs rein kommunikativ, indem Meinungen sondiert werden. Dann wird dieStimmungslage an die jeweiligen Vorgesetzten in der Hauptstadt rückge-meldet und gegebenenfalls ein erweitertes Mandat erteilt. In diesem Prozeßkann der Verhandlungsführer einen doppelten Handlungsspielraum nutzen:

Tabelle 6-2 Der Wandel wichtiger Akteurpräferenzen in bezug aufRegulierungen, 1974 bis 1992

1974–1980 1981–1984 1985/1986 1987 1988–1992

Reg. Ind. Reg. Ind. Reg. Ind. Reg. Ind. Reg. Ind.

USA /

BRD /

GB

Reg.= RegierungInd. = Industrie

= für Regulierungen= gegen Regulierungen

304 Kapitel 6

gegenüber den anderen Verhandlungspartnern und gegenüber der eigenenRegierung (Putnam 1988).4 Ein Diplomat, der bei den internationalen Ozon-abkommen mitgewirkt hat, formuliert diesen Gedanken so:

The individual negotiator in many instances may be much more than a mere»puppet on the strings«; he or she may enjoy a certain leeway within the instruc-tions they have recieved; he or she are supposed to use their personal skills topersuade the other side, extract concessions from the other side etc. Thus the per-sonal factor, the professional and cultural background of a negotiator have theirimpact on the course of negotiations. (Lang 1994: 174)

Konkret sieht dies oft so aus, daß sich die Verhandlungsführer persönlichkennenlernen und Vertrauen zueinander gewinnen. Dies kann zu Überzeu-gungs- oder Überredungszwecken genutzt werden, dient aber vor allem demAusschluß der Öffentlichkeit. »Undichte Stellen« können Einigungsbestre-bungen vereiteln, wenn entsprechende Presseberichte zum Gesichtsverlusteinzelner Akteure führen. Solche Berichte werden von interessierten Ver-handlungspartnern manchmal bewußt lanciert, weshalb die Schaffung per-sönlichen Vertrauens zwischen ihnen ebenso wichtig ist wie die Nicht-Öffentlichkeit der Sitzungen (Downs et al. 1986: 137). Bei multilateralenVerhandlungen müssen die zentralen Akteure im vertraulichen Gespräch zu-sammenkommen.5 Persönliches Vertrauen zwischen Delegationsvertreternist ein wichtiger Faktor, der Fortschritte erleichtert. Kennt man einander undweiß, daß der andere Wort hält, so kann nicht nur ein Rückfall auf alte Posi-tionen vermieden werden, sondern auch die Desavouierung durch die Presse.

4 Bei internationalen Verhandlungen finden viele solcher Prozesse zeitgleich auf bilateralerEbene statt. Deutet sich an, daß wichtige (oder mehrere kleine) Akteure die Position än-dern, so kann die geänderte »Stimmung« zur Selbstverstärkung des Prozesses führen. DerRückmeldung in die Hauptstadt, wonach man sich mit der eigenen Position heillos isolierthabe, folgt nicht selten das Plazet für die inoffiziell bereits erfolgte Positionsänderung desbetreffenden Vertreters.

5 »Das Schema der Endphase ist ziemlich gleich bei all diesen Dingen. In den letzten fünf,sechs, sieben Tagen gibt es einen ganz engen Zirkel. Je weniger Leute dabei sind, destobesser, aber es müssen die major stakeholders dabeisein und alle troublemakers. Die Na-gelprobe ist, daß der Vorsitzende sagt: ›I assume that there is a consensus‹ wenn dann nureiner aufzeigt und sagt: ›Nein, ich wurde nicht konsultiert‹, dann fällt das Ganze am Bo-den auseinander. Es hängt vom Verhandlungsleiter ab, daß er den eigentlichen Kreis derAkteure möglichst klein hält, aber alle zufriedenstellt und informiert hält. Denn jeder vonden anderen kann sagen, er sei übersehen worden und beleidigt abreisen. Damit ist die Ar-beit von Wochen beim Rauchfang hinaus. Der Verhandlungsleiter muß spüren, wer poten-tielle Störenfriede sind. Die wollen manchmal nur aus Gründen der Eitelkeit gefragt wer-den. Der Verhandlungsleiter muß die potentiellen Minen im Gelände erkennen« (Interview10).

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 305

Das ist ja auch ein ganz wichtiger Faktor, wenn man die chief players über zweiJahre kennt und auch privat kennt, mit ihnen Ausflüge gemacht hat und so wei-ter, entwickelt sich ein persönliches Vertrauensverhältnis. Und dann steht jemandzu seinem Wort. Wenn da völlig neue Leute kommen, müssen Sie neue Bezie-hungen aufbauen. (Interview 10)6

Vertrauen in Netzwerken senkt die Transaktionskosten erheblich, bis zu demPunkt, daß das Auseinanderbrechen von Verhandlungen (und ein kostspieli-ger Neubeginn) vermieden wird.

6.2 Der Netzwerkansatz und rivalisierende Erklärungen

Politiknetzwerke sind geschichtliche Systeme, deren jeweiliger Zustand vomeigenen Zustand in der Vergangenheit abhängt. Doch reicht die Kenntnisfrüherer Systemzustände nicht aus, die weitere Entwicklung vorherzusagen;diese bleibt durch frühere Systemzustände unterdeterminiert. Die Ozonkon-troverse der siebziger Jahre beeinflußte die Ozonkontroverse der achtzigerJahre, und diese beeinflußte die Klimadebatte der neunziger. Man kann alsokeine Prognosen aufstellen und sollte deshalb bei der Rekonstruktion der hi-storischen Daten keine teleologische Konstruktion versuchen. Deshalb deroft wiederholte Hinweis auf die Kontingenzen der Entwicklung, der in be-wußtem Kontrast zu deterministischen Erklärungsversuchen dieses Fallessteht. Doch bedeutet die Absage an den Determinismus nicht, daß man keineLehren ziehen könnte (siehe Abschnitt 6.4.3).

6.2.1 Dominanz struktureller Randbedingungen?

Die in Kapitel 1 geäußerte Vermutung, deterministische Erklärungen würdenin diesem Fall versagen, hat sich durch die Fallrekonstruktion bestätigt. KeinSozialsystem kann in Fällen wie diesem dominant werden. Stattdessenzeigte sich, daß Kombinationen erforscht werden müssen, in denen sichAkteure verschiedener Teilsysteme engagieren. Dabei kommt es zu selbst-

6 »Auch meine britischen Freunde waren nie bereit, offen zu sagen, was sich innerhalb derEG abspielt. Also der Engländer hätte mir nicht gesagt, die Franzosen helfen uns zu brem-sen und die Deutschen treiben uns voran, das wäre nie aus dem Mund des englischenKollegen gekommen, mit dem ich übrigens persönlich lange Jahre befreundet bin« (Inter-view 10).

306 Kapitel 6

verstärkenden Mechanismen (vor allem durch staatliche Forschungsförde-rung und Medienaufmerksamkeit), die sich mit akteurzentrierten Instru-menten präziser analysieren lassen als durch Variablen der systemischenMakroebene. An dieser Stelle fasse ich die Einwände gegen strukturelle Er-klärungen zusammen.

Durch die Verwendung des Netzwerkansatzes verschiebt sich die Auf-merksamkeit von den Randbedingungen des Prozesses auf die Entwicklungdes Netzwerkes selbst. Solche Randbedingungen könnte man in Form vonpolitischen, ökonomischen, öffentlichen oder wissenschaftlichen Determi-nanten vermuten. Rivalisierende Erklärungen, die darauf aufbauen, sindnicht zuletzt deshalb weit verbreitet, weil sie monokausale Erklärungen an-bieten, die einfacher sind als der hier vorgelegte Netzwerkanstz. In diesemAbschnitt stelle ich vier monokausale Erklärungsmodelle vor, die sich reinlogisch anbieten. Im nächsten Abschnitt setzte ich mich mit zwei Ansätzenauseinander, die in der Literatur dominieren und die rivalisierende Erklärun-gen vorgelegt haben.

Die erste monokausale Erklärung, die sich anbietet, ist politisch. In bezugauf eine mögliche politische »unabhängige Variable« ist festzuhalten, daßdie ersten Regulierungen in den USA unter der demokratischen Regierungvon Carter, die zweiten unter den Republikanern Reagans erfolgten. InDeutschland betrieb die sozialliberale Koalition von Helmut Schmidt eineindustriefreundliche Politik, unter Kanzler Kohl kam die Abkopplung vonder Industrie. Damit muß die parteipolitische Orientierung (konservativ/progressiv) als Erklärungausgeschaltet werden.

Der Politikstil, der inden USA als konfrontativ,in Deutschland als konsen-suell gilt (Moe/Caldwell1994; Vogel 1986), hatteauf die FCKW-Kontroverseder siebziger Jahre durchaus einen Einfluß, indem die USA wesentlich härtermit der Industrie umging als die Bundesrepublik Deutschland. Der Politikstilverkehrte sich jedoch in den achtziger Jahren in beiden Ländern in sein Ge-genteil. Aus diesem Grund kann auch er schlecht als unabhängige Variablefungieren (Tabelle 6-3). Regierungen und/oder Vertreter von Regulierungs-behörden haben allerdings insofern eine entscheidende Rolle gespielt, als siezu bestimmten Zeitpunkten Bündnispartner der konkurrierenden Politiknetz-werke wurden.

Tabelle 6-3 Die Politikstile im Vergleich

Deutschland USA

1974ff kooperativ 1974ff konfrontativ

1985ff konfrontativ 1985ff kooperativ

1994 kooperativ 1994 kooperativ

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 307

Betrachten wir für einen Augenblick nur die Akteure Du Pont, Hoechst,US-Regierung und die Bundesregierung sowie ihre jeweilige Haltung zurRegulierungsfrage. Mitte der siebziger Jahre waren die beiden HerstellerHoechst und Du Pont sowie die deutsche Politik gegen drastische Regulie-rungen. Lediglich die amerikanische Politik strebte schnelle und deutlicheFCKW-Reduktionen an. In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre, nachdemdie Frage auf die internationale Tagesordnung gekommen war und ein inter-nationales Abkommen vorbereitet wurde, befürworteten auch die deutschePolitik und Du Pont Regulierungen. Nur Hoechst hielt an seiner alten Liniefest. Doch dies liegt nicht an nationalen Politikstilen. Der Politikstil weichtMitte der achtziger Jahre sowohl in Deutschland wie auch in den USA vomerwartbaren Muster ab, ja es findet eine völlige Umkehrung statt.

War der Prozeß auf internationaler Ebene nicht durch die Hegemonie derUSA gekennzeichnet? Waren es nicht ihre Wissenschaftler, Labors, Satelli-ten, Manager und Politiker, die für ein internationales Abkommen gesorgthaben? Zwei Gründe sprechen gegen diese auf den ersten Blick überzeu-gendste politische Erklärung. Zum einen die Tatsache, daß die USA nur füreine beschränkte Zeit als Vorreiter auf internationalem Gebiet tätig war (bisMontreal), danach spielte vor allem die EG diese Rolle. Zum anderen dieTatsache, daß auch dann, als die USA sich international durchgesetzt hatte,dies gerade auf das Wirken des Unterstützernetzwerkes zurückzuführen ist.Die Dominanz der USA in der Prozeßphase bis zum Montrealer Protokollgeht zurück auf das Wachsen des Netzwerkes der Regulierungsbefürworter,das schon in den siebziger Jahren begonnen hatte. Und diese Dominanz warim internationalen Verhandlungsprozeß nur dann zu sehen, als sich die USAauf einem Pro-Regulierungskurs befanden und diesen mit wissenschaftlichenRessourcen unterstrichen. Als sie zu Beginn der achtziger Jahre das Interessean der Ozonfrage verloren und auf die Seite der Bremser umschwenkten,waren sie von diesen nicht zu unterscheiden. Da das Unterstützernetzwerkden Kurs der USA in entscheidender Weise gesteuert hat (und nicht die US-Regierung), sollte man eher von einer Hegemonie des Unterstützernetzwer-kes sprechen statt von einer Hegemonie der USA.

Mit anderen Worten: Das Unterstützernetzwerk führte einen Kampf aufmehreren Ebenen, sowohl gegen die Regulierungsgegner im eigenen Land,als auch gegen die Regulierungsgegner auf internationaler Ebene. Bis kurzvor Verabschiedung der offiziellen US-Verhandlungsposition versuchten dieRegulierungsgegner in den USA immer wieder, ein internationales Abkom-men zu verhindern, dessen Inhalt schärfere FCKW-Regulierungen vorsah alsder Clean Air Act von 1977. Und die Rolle, die Richard Benedick als Ver-

308 Kapitel 6

handlungsführer der USA spielte, war von seiten der Regierung überhauptnicht vorgesehen worden. Nach 1987 strebten amerikanische Wissenschaft-ler, Politiker und Bürokraten Verschärfungen des Montrealer Protokolls an.Sie arbeiteten dabei wieder auf informelle Weise zusammen und mobilisier-ten sowohl Akteure anderer Länder (auf Regierungsebene und darunter) alsauch eine Vielzahl von symbolischen Ressourcen.

Auch rein ökonomische Interessen können das Ergebnis schlecht erklären.Vor allem bleibt unklar, warum Du Pont in der ersten Phase vehement gegenRegulierungen, aber zum Vorreiter für Regulierungen in der zweiten Phasewurde. In Deutschland stellte sich Hoechst in beiden Phasen in prononcierterWeise gegen Regulierungen. Es lag kaum im Interesse der Hersteller, vonnicht amortisierten und/oder nicht ausgelasteten Produktionsanlagen auf an-dere Anlagen umzusteigen. Außerdem entbrannte ein Wettbewerb um Er-satzstoffe, in dem Firmen außerhalb der Chemiebranche aktiv waren. DerenKalkül, für Anwendungen Alternativen zu finden, in denen bisher FCKWzum Einsatz kamen, ging schließlich auf. Das heißt, es ging für die FCKW-Hersteller zunächst einmal darum, so weit wie möglich im Geschäft zu blei-ben. Gerade deshalb ist die veränderte Haltung Du Ponts ein besonders er-klärungsbedürftiges Schlüsselereignis für den Ausgang der Kontroverse. Esist allerdings ein Mythos, Du Pont hätte seinen Positionswechsel aufgrundeines technologischen Vorsprungs vollzogen.

Die öffentliche Meinung kann zur Änderung der Verhandlungspositionenvon Regierungen führen; Regierungen können aber auch versuchen, die öf-fentliche Meinung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Bindet sich ein Landöffentlich an eine bestimmte Verhandlungsposition, so steigt dadurch ihreVerhandlungsmacht, wenn sie damit eine glaubhafte Drohung bewirkt (Elster1989; Schelling 1960). Politiknetzwerke können eine öffentliche Erwar-tungshaltung zum Erreichen einer bestimmten politischen Position produzie-ren. Winfried Lang stellt in bezug auf die Änderung der europäischen Posi-tion in Montreal die Frage, ob diese auf die Medienberichterstattung odervielmehr auf interne Druckmechanismen zurückzuführen sei:

During the negotiations on the ozone layer it was the US-delegation, which bymeans of continuous contacts with the media tried to build up a climate of publicexpectations which should induce still reluctant delegations (mainly those withEC-membership) to agree to substantial reductions of emissions. Further researchwill tell us, whether the relatively flexible stance finally adopted by the EuropeanCommunity was brought about by this manipulation of public opinion from theoutside or rather by an internal process of rethinking threats and options.(Lang 1994: 175)

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Aufgrund der hier vorgelegten Analyse muß gefolgert werden, daß sowohldas Wirken des Unterstützernetzwerkes beim Orchestrieren der öffentlichenMeinung, wie auch der Druck in den Verhandlungen wichtig war. Die durchdie Medien erzeugte Erwartungshaltung, die Lang anspricht, dürfte in denUSA allerdings weit größer gewesen sein, als in Ländern der EG. Wie ausAbbildungen 5-5 und 5-8 hervorgeht, unterscheiden sich die USA und dieBundesrepublik in bezug auf den Anlaß der Berichterstattung nach 1985. Inden amerikanischen Zeitungen sind die Anlässe der Berichterstattung politi-scher, in den deutschen wissenschaftlicher Natur. Dies deutet darauf hin, daßin der Bundesrepublik ein Nachholbedarf an wissenschaftlicher Informationbestand, während man in den USA sehr viel mehr an den Details des Ver-handlungsprozesses und der Regulierungen interessiert war. Auch war dieabsolute Häufigkeit von Presseartikeln deutlich geringer in Deutschland. Inden Wochen vor Verabschiedung des Montrealer Protokolls gab es ganzezwei Presseberichte in deutschen Zeitungen zum Thema (im Spiegel vom 17.August 1987 und in der Frankfurter Rundschau vom 5. September 1987),hingegen acht Artikel allein in der New York Times.7 Inhaltlich folgen dieMedien in der Bundesrepublik weitgehend den wissenschaftlichen Darstel-lungen.8 Umweltgruppen schalten sich in größerem Ausmaß erst spät in dasNetzwerk der Regulierungsbefürworter ein.9 Sie ergriffen öffentlichkeits-wirksame Aktionen erst dann, als die Problematik schon längst bekannt unddie Welt alarmiert war. Ihr Eingreifen stellt kein Schlüsselereignis dar.

Betrachten wir die Wissenschaft als mögliche unabhängige Variable. Hatsie nicht dafür gesorgt, daß ökologische Belange auf die Tagesordnung ka-men und Priorität vor ökonomischen erhielten? Ja und nein. Sie hat dafürgesorgt, weil sie auf dem Weg der Beeinflussung der öffentlichen Meinungund der Politikberatung Regulierungen begründen und legitimieren half. Eswar aber nicht »die Wissenschaft« (im Sinne eines Subsystems der Gesell-

7 Diese Korrelation zwischen aktiver Politik eines Landes und hoher Erwartungshaltung inder betreffenden Öffentlichkeit scheint mit umgekehrtem Vorzeichen auch auf die Klima-konferenzen von Rio (1992) und Berlin (1995) zuzutreffen, bei denen die deutsche Presse,fast »proportional« zum hohen Engagement der Bundesregierung, eine Erwartungshaltungproduziert hat, die in der US-Presse keine Entsprechung findet. »The Berlin summit wasbarely mentioned in the U.S. papers« (pers. Mitteilung Allan Mazur).

8 Sachliche Fehler finden sich allerdings immer wieder, so zum Beispiel nach der Nobel-preisvergabe an Crutzen, Molina und Rowland. Der Spiegel (42 /1995: 272) hielt die dreifür die Entdecker des Ozonlochs. Auf Nachfrage stellte sich heraus, daß man dort noch nievom britischen Antarktisteam und Joe Farman gehört hatte (Telefonat des Autors mit derWissenschaftsredaktion, 2.11.1995).

9 Anders der NRDC, der bereits in den siebziger Jahren in den USA als Teil der Unterstützer-allianz fungiert.

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schaft), sondern engagierte Atmosphärenwissenschaftler, die Öffentlichkeitund Politik alarmiert und beim Aufbau eines wissenschaftlich-politischen,transnationalen Netzwerkes besonders aktiv waren. Die Mobilisierung kor-porativer Akteure, materieller und symbolischer Ressourcen waren dieschlagenden »Argumente«, die die Politik von der Notwendigkeit des Han-delns, nicht zuletzt im Kampf um Wählerstimmen, überzeugt hat.

Hat also das Ozonloch als »Naturkatastrophe« unmittelbare Wirkung aufdie Politik gehabt? Auch hier gibt es kein eindeutiges Ja. Das Ozonloch hattediese Wirkung zweifellos in der Phase der Vorbereitungen zum MontrealerProtokoll. Es diente als »inoffizieller Katalysator«, der gleichsam hinter denKulissen die Gleichgewichte zwischen Regulierungsgegnern und -befürwor-tern verschob. Damit es diese Rolle spielen konnte, mußte es zuvor von wis-senschaftlichen Sprechern als dramatisches Phänomen aufbereitet werden.Von der Rhetorik über die visuelle Darstellung bis zur Verwendung in poli-tischen Kontexten gelang es ihnen immer wieder, dieses »Zeichen des Him-mels« in geschickter Weise einzusetzen. Es erwies sich gleichwohl erst mitder Zeit als »Geschenk des Himmels« an die Regulierungsbefürworter. Dazumußten sich die Wissenschaftler ein hinreichend klares Bild über die Vor-gänge in der Antarktis und über ihr eigenes Versagen machen, ohne ihreGlaubwürdigkeit aufs Spiel zu setzen (Zehr 1994). Dieser Prozeß brachteneben den zahlreichen wissenschaftlichen Umwälzungen auf dem Gebiet derAtmosphärenwissenschaften ein Neuverständnis ihrer eigenen Aktivität mitsich. Viele unter ihnen glauben nun an Überraschungen und an nichtlineareProzesse in der Natur, die sie viel zu wenig verstehen, als daß sie verläßlichePrognosen abgeben könnten.

Randbedingungen waren also nicht unwichtig. Sie spielten ihre Rolledarin, daß sie (teilweise überraschende) Ressourcen für die Netzwerke lie-ferten und Opportunitätsstrukturen schufen. Von beiden konnte aber nur indem Maße Gebrauch gemacht werden, in dem ein Netzwerk zur Stelle war,das die Opportunitäten erkannt und die Ressourcen genutzt hat. Sieht mandiese Bedeutung der Politiknetzwerke nicht, tendiert man dazu, die ver-schiedenen Randbedingungen als Ursachen anzusehen. Dies tun verschiedeneAnsätze in erwartbarer Weise. Es ist wie bei der Erklärung des antarktischenOzonlochs: Jede professionelle Spezialisierung entwickelt Erklärungen, dieaus dem Bereich dessen kommen, was die eigene Ausbildung oder Praxisnahelegt. Sozialwissenschaftler sollten dies aufgrund von Erkenntnissen ausKognitionspsychologie und Organisationssoziologie geradezu erwarten (Fes-tinger 1957; Cohen, March/Olsen 1972). Mit diesen Partialerklärungen las-sen sich nur bestimmte Bruchstücke des Prozesses aufklären. Ein umfassen-

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deres Bild ergibt sich, wenn es gelingt, Schlüsselakteure und ihre Hand-lungsorientierungen zu identifizieren und die Konfigurationen zu analysie-ren, in denen sie sich befinden.

6.2.2 Zwei Mythen

Anders als der von mir gewählte Fallstudienansatz, der das Wirken von Po-litiknetzwerken über die Zeit untersucht, versuchen die meisten vorliegendenAnalysen den Erfolg des Montrealer Protokolls auf reduktionistische Weisedurch ökonomische oder kognitive Faktoren zu erklären. Solche Erklärun-gen scheinen aufgrund ihrer vielsprechenden Einfachheit und begrifflichenSparsamkeit attraktiv. Ihr Schönheitsfehler besteht darin, daß sie die histori-schen Fakten nicht allzu genau nehmen (ausführlich Grundmann 1998). Esgibt vor allem zwei Typen von Erklärungen. Nach der ersten hatte der größteFCKW-Hersteller (Du Pont) auf geheimem Wege Ersatzstoffe beforscht undzur Marktreife gebracht (und dadurch einen Wettbewerbsvorteil errungen,der schließlich zur Unterstützung von Regulierungen führte). Nach demzweiten gelang es Wissenschaftlern, die Ursache-Wirkungszusammenhängezu erklären und dies an politische Entscheidungsträger zu vermitteln, diedaraufhin strenge Maßnahmen ergriffen. Beide identifizieren wichtige As-pekte des Prozesses: zum einen die Rolle von Du Pont, zum andern die Rollevon Wissenschaftlern. Doch müssen beide auf andere Weise interpretiertwerden.

Das Oligopol-Argument

Oye und Maxwell (1994) haben einen Ansatz vorgelegt, in dem sie zwischenzwei Konstellationen unterscheiden, die bei der Produktion öffentlicher Gü-ter auftauchen. In der ersten Konstellation ist der Nutzen, der durch Regulie-rungen entsteht, bei wenigen konzentriert, während die Kosten weit gestreutsind. Nach Stigler (1971) sind Unternehmen immer an Regulierungen inter-essiert, die die Form von Standardsetzungen annehmen (im Gegensatz zurRegulierungsform der Steuererhebung), da es ihnen hier gelingt, den Markt-zugang für Neulinge zu sperren und Extraprofite zu erzielen. Im zweiten Fallist es umgekehrt: Die Vorteile, die Regulierungen bringen, verteilen sich aufviele, während die Kosten dafür bei wenigen anfallen. Diese beiden Kon-stellationen werden als Stigler- beziehungsweise Olson-Konstellationen be-zeichnet. Überraschenderweise interpretieren Oye und Maxwell den vorlie-

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genden Fall als Stigler-Konstellation.10 Diese Sichtweise nimmt eine eigen-willige Interpretation der historischen Tatsachen vor, denn die barriers toentry in einem neu zu schaffenden Markt waren hier relativ unwichtig, je-denfalls nur ein Aspekt unter vielen.11

Du Pont war ein Schlüsselakteur in der FCKW-Kontroverse. Diese Firmawar der Hauptprotagonist zur Verteidigung von FCKW. Sie war der sicht-barste und lautstärkste Repräsentant, nicht nur der FCKW-Hersteller, son-dern all jener, die der Ansicht waren, es bestünde kein Grund zu voreiligenHandlungen. Du Ponts Gesinnungswandel war ein Wendepunkt im Prozeß,der schließlich zum Montrealer Protokoll führte. Als Du Pont im Herbst1986 seine Position revidierte, führte dies zur Spaltung der Industriefrontund zur Konfusion bei jenen, die der Ansicht waren, FCKW stellten keingroßes Problem dar. In gewisser Weise war der Positionswandel von DuPont sogar effektiver als ein wissenschaftlicher Beweis für die Schädlichkeitvon FCKW. Alle übrigen Beteiligten und Beobachter der Kontroverse sahendadurch nämlich ein, daß sie kaum noch einen Grund hatten, an ihrer Positi-on festzuhalten, wenn der Hauptsprecher der Anti-Regulierungsfront seinenWiderstand aufgab.

Wie kann man Du Ponts Positionswandel erklären, wenn nicht durch dasStreben nach Oligopolprofiten? Der Hauptgrund ist in der innenpolitischenKonstellation der USA zu jener Zeit zu suchen. Du Pont rechnete damit, daßin den USA eine erneute unilaterale Beschränkung von FCKW-Produktionund -Konsum erfolgen würde, auch dann, wenn die internationalen Verhand-lungen scheitern sollten. Nach beinahe fünfzehn Jahren erbitterten Kampfesgab Du Pont dem Druck der Regulierungsbefürworter nach, der nach derEntdeckung des Ozonlochs enorm wuchs. Schon vor dieser Entdeckungwurde die EPA durch eine Klage des NRDC verpflichtet, vor November1987 eine Entscheidung über erneute Maßnahmen zu fällen. Senator Chafeebrachte einen Gesetzesentwurf ein, der unilaterale FCKW-Reduktionen vor-sah, die begleitet sein sollten von Handelsbeschränkungen gegenüber Län-dern, die sich den Maßnahmen nicht anschließen. Durch diese Festlegungauf unilaterale Maßnahmen wäre ein Selbstbindungsmechanismus in die in-ternationalen Verhandlungen eingeführt worden. Du Pont hat darüber hinaus

10 Gemeinschaftliche Ressourcen scheinen von wenigen Sozialwissenschaftlern berücksich-tigt zu werden. Die Mehrzahl der Analysen befaßt sich mit öffentlichen Gütern und Klub-gütern (vgl. Tabelle 1-3). Prominente Ausnahmen sind Keohane /Ostrom (1994).

11 Wahrscheinlich wurden die Autoren zu ihrer Lesart dadurch verführt, daß Du Pont ab 1986den erbitterten Widerstand gegen Regulierungen aufgab. Dies interpretieren sie als rent-seeking behavior, das mit der Unterstützung durch die Umweltbewegung rechnet.

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 313

vermutlich auch Schadensersatzklagen von Hautkrebsopfern gefürchtet. Auseiner Studie der EPA von 1986 ging hervor, daß man mit 40 Millionen zu-sätzlicher Fälle von Hautkrebs und 800.000 Todesfällen in den nächsten 88Jahren rechnete (New York Times, 5.11.1986). Im März 1987 wurde dieWahrscheinlichkeit Hautkrebs zu bekommen auf 1:135 geschätzt. GegenEnde des Jahrhunderts werde sie auf 1:90 ansteigen (Washington Post, 31.3.1987). Ein unbedingtes Festhalten an FCKW hätte vermutlich Du PontsImage beschädigt und zu Konsumentenboykottaktionen geführt.

Zweifelsohne überlegten FCKW-Hersteller, wie sie durch die Umstellungauf Ersatzstoffe Extraprofite realisieren konnten. Diese Möglichkeit moti-vierte bereits die frühe Forschung in den siebziger Jahren. Das Kalkül be-stand in der Schaffung eines »High-tech/High-risk«-Marktes mit entspre-chender Gewinnspanne (Maxwell /Weiner 1993: 34). Dies ist nicht kontro-vers.12 Oye/Maxwell (1994) versuchen jedoch, das Montrealer Protokolldurch diesen ökonomischen Mechanismus allein zu erklären. Die Schwächedieses Ansatzes kann daran gesehen werden, daß er zwei wichtige Fragennicht beantworten kann: Erstens, warum stoppten die FCKW-Produzentendie Beforschung der Ersatzstoffe 1980 und warum nahmen sie sie 1986 wie-der auf? Und zweitens, warum vollzog Du Pont den ersten Schritt zu einemFCKW-Ausstieg und löste einen Dominoeffekt aus, während die europäi-schen Hersteller sich zunächst dagegen sperrten?

In den siebziger Jahren machten die amerikanischen FCKW-Herstellereine Änderung ihrer Produktlinie von der wissenschaftlichen Evidenz ab-hängig. In den frühen achtziger Jahren schien sich das Problem der Ozon-schicht von selbst erledigt zu haben. Modellrechnungen sagten nur geringelangfristige Ozonabnahmen voraus. Die chemische Industrie stoppte ihr For-schungsprogramm über Ersatzstoffe deshalb weltweit. Nach der Entdeckungdes Ozonlochs deuteten einige Firmen, unter ihnen vor allem Du Pont, dieSituation neu: man sah, daß die Gründe für Kontrollmaßnahmen immermehr zunahmen. Hier besteht der entscheidende Unterschied zwischen denUSA und Europa: Im Gegensatz zu ihren europäischen Konkurrenten muß-ten die amerikansichen Firmen 1977 eine unilaterale Regulierung hinneh-men, die die Option einer zweiten Regulierungsphase enthielt.

Nach der Entdeckung des Ozonlochs und angesichts der Tatsache, daßimmer mehr Wissenschaftler sich öffentlich für ein weltweites Verbot von

12 Die in den siebziger Jahren erfolgte Substitution von FCKW in Spraydosen durch alternati-ve Treibmittel (zum Beispiel Propan) verminderte die Wertschöpfung, da es sich um »Low-tech«-Alternativstoffe handelte, die seit langem verfügbar waren.

314 Kapitel 6

FCKW einsetzten, ging Du Pont davon aus, daß es wahrscheinlich erneutZielscheibe regulatorischer Eingriffe werden würde – wenn nicht durch eineerneute unilaterale Regulierungswelle, dann durch Privatklagen von Haut-krebsopfern. Außerdem barg eine harte Linie die Gefahr eines erneuten Re-putationsverlustes, der durch Kosumentenboykott verschärft werden konnte.Es war auch nicht auszuschließen, daß der Reputationsverlust auf andereProdukte (außer FCKW) übergreifen konnte, wie Joe Steed von Du PontsFreon-Abteilung erklärte: »We couldn’t let the whole company get a badname just because of those chemicals« (zit. bei Litfin 1994: 126). In dieserSituation »erinnerte« sich Du Pont an die Anzeigenkampagne, in der sie sichan die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung gebunden hatte. Europäi-sche Firmen hatten sich nie in dieser Weise verpflichtet.13 Dies erklärt, war-um Du Pont die Erforschung von Ersatzstoffen 1980 einstellte, 1986 wiederaufnahm, als erste Firma Regulierungen akzeptierte und damit einen Domi-noeffekt auslöste.14

Auch Sprinz/Vaahtoranta (1994) schließen sich der mythischen Erklärungvom Technologievorsprung Du Ponts an. Sie belegen dies allerdings mitQuellen (Sprinz/Vaahtoranta 1994: 94, fn 47), die diese These nicht stützen:Sie berufen sich auf Benedick (1991), auf Sebenius (1992) und auf Morri-sette (1989). Richard Benedick widerspricht den Behauptungen:

Some Europeans suspected that the … U.S. companies … had endorsed CFCcontrols in order to enter the profitable EC export markets with substitute prod-ucts that they had secretly developed. This suspicion was unfounded … Eventsafter the Montreal Protocol conclusively demonstrated that there had been no se-cret substitutes on the shelf. (Benedick 1991: 33)

Der von Sprinz/Vaahtoranta zitierte Sebenius (1992: 358) beruft sich eben-falls auf Benedick als Quelle, bringt jedoch keine Daten, die die These dergeheimen Entwicklung stützen. Er behauptet lediglich, Du Pont habe einen

13 Der europäische Verband der FCKW-Hersteller (European Fluorocarbon Technical Panel,EFCTC) betrieb verzweifeltes Lobbying bei den Vorsitzenden der internationalen Ver-handlungen: »Ich sehe heute noch im März 1985 bei mir im Büro … eine Delegation dereuropäischen Industrie sitzen. Die haben gesagt, das stimmt alles nicht mit dem Abbau derOzonschicht, die UV-Schicht würde zwar schwächer und es gebe vielleicht deshalb Mela-nome, aber es gebe ja auch gutartige Melanome … Diese Leute versuchten mich davon zuüberzeugen, daß das alles übertrieben sei, was man von grüner Seite betreibe« (Interview10).

14 Die europäischen FCKW-Produzenten reagierten im Hinblick auf die Ersatzstofforschung(1980 Beendigung und 1986 Wiederaufnahme) ähnlich, waren aber erst nach Montreal fürRegulierungen, zu einem Zeitunkt, da die Maßnahmen bereits als Marktsignale Wirkungzeigten.

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 315

Vorsprung auf dem Gebiet der Ersatzstofforschung gehabt. Und Morrisette(1989: 816) referiert Du Ponts Argumentation, wonach Ersatzstoffe profita-bel würden, wenn durch Regulierungen entsprechende Anreize geschaffenwürden. Die Entwicklung dieser Stoffe zur Marktreife wurde explizit vonRegulierungen abhängig gemacht – was eine Umkehr der von Sprinz/Vaahtoranta unterstellten Kausalität bedeutet.

Wissenschaftlicher Konsens

Peter Haas (1992a, 1992b, 1993) hat ein viel beachtetes Modell vorgelegt,um die internationale Kooperation zu erklären. Gegen neorealistische undneoliberale Ansätze betont er richtig, daß unter Bedingungen von Unsicher-heit Expertengemeinschaften (epistemic communities) eine entscheidendeRolle spielen. Dennoch bleiben wichtige Fragen offen, von denen ich zweiherausgreifen möchte. Erstens behauptet Haas, Politiker würden auf Basisvon Expertenkonsens handeln. Er übersieht, daß es in vielen Fällen der Ent-scheidung unter Unsicherheit zwei rivalisierende Politiknetzwerke gibt, dieum die Hegemonie kämpfen, wobei Experten in die Kontroverse involviertsind. Zweitens bleibt unklar, welche Rolle Prinzipien und normative Orien-tierungen im Vergleich zu kausalen Annahmen spielen. Wenn sie eine großeRolle spielen (wie in Sabatiers Konzept der advocacy coalition), was in derTat plausibel wäre, dann wird Haas’ Modell technokratischer Problemlösungunhaltbar, weil die kognitive Orientierung der Akteure zu stark wird.

Betrachten wir den ersten Punkt. Haas übertreibt den wissenschaftlichenKonsens und übersieht entscheidende Verschiebungen im Kräfteverhältniszwischen Regulierungsbefürwortern und -gegnern, wie zum Beispiel denPositionswechsel Du Ponts. Ideen haben nicht aufgrund ihrer inhärentenKraft eine so große Rolle gespielt, sondern weil die rivalisierenden Netz-werke ein Kriterium für Handeln etabliert hatten: wissenschaftliche Ergeb-nisse. Diese konnten allerdings zum Zeitpunkt des Montrealer ProtokollsUrsache und Wirkung nicht zweifelsfrei erklären. Sie bezogen sich weitge-hend auf die Feststellung abnorm niedriger Ozonkonzentrationen im antark-tischen Frühling; das Phänomen konnte erst ein Jahr nach dem MontrealerProtokoll erklärt werden. Damit trifft das Konsenskriterium nicht zu.15

15 Wie in Kapitel 3 gezeigt wurde, begann die abrupte Zunahme öffentlichen Interesses ander Problematik noch vor einer entsprechenden Intensitätssteigerung innerhalb der Wis-senschaft (vgl. Abbildung 3-1 mit Abbildung 6-1). Dies ist ein quantitativer Indikator da-für, daß 1986 kein wissenschaftlicher Konsens der Atmosphärenwissenschaftler bestand.

316 Kapitel 6

Wissenschaftler hatten vor Montreal keinen Konsens über die Mechanis-men des Ozonabbaus und über Langzeittrends der Ozonschicht erreicht.16

Dies betrifft die Ursachen des antarktischen Ozonlochs und die globalenOzontrends. Als negative Ozontrends 1988 als wissenschaftliche Tatsacheetabliert waren, konnte die Frage nach den Abbaumechanismen immer nochnicht beantwortet werden. Doch waren die meisten der Wissenschaftler um1986 davon überzeugt, daß drastische Reduktionen von FCKW-Emissionennötig waren. Dieser »normative« (oder praktisch-politische) Konsens wardas Resultat der Entdeckung des antarktischen Ozonlochs. Wissenschaftlerwaren gleichermaßen überrascht wie schockiert über dieses Phänomen, ganzähnlich wie das Laienpublikum und die Weltöffentlichkeit. Niemand wußte,was mit dem Ozonschild der Erde geschehen würde. Ohne dieses klareAlarmsignal wäre es unendlich viel schwieriger gewesen, die wichtigenAkteure zum Handeln anzustacheln. Wissenschaftler fungierten als Kataly-satoren in diesem Prozess.

Entscheidend war also, ab wann relevante Akteure Regulierungen für not-wendig hielten. Diese Frage wurde von Anhängern des Vorsorge- und Ab-warteprinzips verschieden beantwortet. Nach der Entdeckung des Ozonlochsnahm die Glaubwürdigkeit des Vorsorgeprinzips enorm zu – die abwartendePosition hatte sich vollkommen unglaubwürdig gemacht.

Zum zweiten Punkt: Haas schwankt zwischen einer rationalistischen undeiner normativistischen Interpretation des Konzepts der epistemic commu-nity.17 In der ersten Fassung erscheint der Einfluß der Epistemic community

16 Tolbas Interpretation (1998: 85) ist ebenso überzogen: »[It] took only two years to negoti-ate, adopt, sign, ratify and enforce the Montreal Protocol. Scientific certainty mobilizingpublic concern made the difference.«

17 Litfin (1994) kommt meiner Interpretation näher, wenn sie schreibt, daß Regulierungsbe-fürworter bei der Kontextualisierung von Informationen sehr geschickt waren, ohne einewissenschaftliche Erklärung zu besitzen. Es war nicht objektives Wissen, sondern macht-volle Interpretationen, die einen Unterschied bewirkten. Doch an zwei Stellen weichen wirvoneinander ab. Erstens betone ich sehr viel mehr die aktive Rolle der Wissenschaftler,auch in bezug auf Policy-Empfehlungen. Litfin meint, daß es in erster Linie die Wissen-schaft war (das heißt, Informationen über Fakten), die den Prozeß vorantrieb: »Scientistswere important actors in the process, but saying the issue was science-driven does not saythat the scientists themselves were the driving force … they rarely made policy recom-mendations … other contextual factors determined how [science] would influence policy«(Litfin 1994: 115). Zweitens stimme ich nicht mit ihr überein, daß der Vorsorgediskurs indem zwanzigjährigen Zeitraum von einer untergeordneten zu einer dominanten Positionavancierte. Dies trifft nur auf die achtziger Jahre zu, nicht auf den gesamten Prozeß. DerVorsorgediskurs war gleich zu Beginn der Kontroverse in den USA dominant geworden.Er erlitt einen Rückschlag zu Beginn der achtziger Jahre und erholte sich (siehe Betsill /Pielke 1998).

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 317

auf den Politikprozeß als ein Sieg der Vernunft über Partikularinteressen. Inder zweiten Fassung rückt die starke kognitive Orientierung und ideologi-sche Ausrichtung die »Objektivität« der Wissenschaftler in ein zweifelhaftesLicht. Die Ambiguität ergibt sich aus Haas’ Definition von Expertengemein-schaften:

It is the combination of having a shared set of causal and principled (analytic andnormative) beliefs, a consensual knowledge base, and a common policy enter-prise (common interests) that distinguishes epistemic communities from variousother groups. (Haas 1992a: 18)

Haas unterscheidet Mitglieder solcher Expertengemeinschaften von Interes-sengruppen auf der einen und von Politikunternehmern auf der anderen Sei-te. Im Unterschied zu Interessengruppen würden sich Mitglieder von Ex-pertengemeinschaften, so Haas, aus der politischen Debatte zurückziehen,sollten sie mit Anomalien konfrontiert werden, die ihre Kausalannahmen inFrage stellen (Haas 1992a: 18). Und im Unterschied zu Politikunternehmernwürden sie ihre Kausalannahmen den normativen Zielen unterwerfen (Haas1992a: 20). Zusammengefaßt lautet das Argument, daß sich Expertenge-meinschaften aufgrund ihrer Ideen von Interessengruppen unterscheiden,wobei Ideen kausaler oder normativer Art sein können. Sie unterscheidensich von Politikunternehmern durch ihre normativen Orientierungen. Dochdamit wird das Argument widersprüchlich, da eine Suprematie von Normenund Prinzipien eine Erschütterung durch »Anomalien« wenig wahrscheinlichmacht (seit Thomas Kuhn ein geläufiges Argument). Eine solche Erschütte-rung wäre nur wahrscheinlich, wenn sich die Überzeugungen von Mitglie-dern der Expertengemeinschaften auf Kausalannahmen beschränken würden.Haas muß sich also entscheiden: Entweder sind Expertengemeinschaften al-lein ihren kognitiven Kausalmodellen verpflichtet und ziehen sich aus derDebatte zurück, sobald diese erschüttert werden, oder Expertengemeinschaf-ten sind vor allem normativen Prinzipien verpflichtet, an denen sie auchdann festhalten, wenn es Gründe gibt, an den Kausalannahmen zu zweifeln.18

In diesem Fall nähern sich Expertengemeinschaften stärker Interessengrup-pen an. Diese Lesart läßt sich zwar sehr viel besser mit den historischen

18 Dieser Lesart kommt er nahe, wenn er die Epistemic community im FCKW-Fall definiertals »knowledge-based network of specialists who share[d] beliefs in cause-and-effect rela-tions, validity tests, and underlying principled values and pursue[d] common policy goals.Their orientation is perhaps best expressed in the words of one member, who voiced hiswillingness to accept the ›plausibility of a causal link without certainty‹« (Haas 1992b: 187f.).»Because of their environmental values, the members of the group advocated anticipatoryaction despite the range of uncertainties« heißt es anderswo (Haas 1993: 176).

318 Kapitel 6

Fakten vereinbaren, hat freilich einen entscheidenden theoretischen Nach-teil: Mit ihr kann man internationale Kooperation nicht mehr durch das Wir-ken »neutraler«, technischer oder wissenschaftlicher Expertise erklären. DieExpertengemeinschaften werden selbst hineingezogen in den Kampf derverschiedenen Allianzen um verschiedene Politikziele, wobei ihre festen ko-gnitiven Orientierungen dafür sorgen, daß die Fronten über längere Zeithinweg stabil bleiben. In seiner plausiblen Fassung gleicht sich Haas’ Mo-dell sehr stark dem von Sabatier (1993) vorgeschlagenen advocacy coalitionframework an. Damit handelt er sich das Problem ein, daß ein Interessenaus-gleich unwahrscheinlich wird, da die ideologische Bindung der Akteure zustark ist. Wenn Kooperation zustandekommt (etwa wenn es einer Seite ge-lingt, eine Hegemonialstellung über die andere zu erlangen) dann ist nichtder Expertenkonsens ausschlaggebend, sondern sprunghafte Veränderungenim Kräfteverhältnis der beiden rivalisierenden Lager, die in kurzer Zeit ei-nen dramatischen Reputationsverlust eines Lagers hervorrufen.

6.3 Ländervergleich USA-Deutschland

Im Rahmen einer Fallstudie, die einen Ländervergleich einschließt, stelltsich das Problem, auf welcher Ebene man eine Erklärung sucht. Przeworski /Teune (1970) haben zwischen den beiden Möglichkeiten des most similar

Tabelle 6-4 Varianz des politischen Kontextes im Zeitverlauf undLändervergleich

1974 1987

USA BRD USA BRD

Politik Regierung progressiv + + – –Kooperativer Stil – + + –

Umweltgruppen Aktiv + – + +

Wissenschaft Forschergruppen + – + +

Sprecher + – + +

Medien Aufmerksamkeit + – + +

Parteinahme + – + +

Industrie Wiss. Forschung + + + –

Für Regulierung – – + –

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 319

und des most dissimilar systems design unterschieden. Im ersten Fall suchtman nach Unterschieden in den nationalen Systemen, die Unterschiede inder abhängigen Variable bewirken. Im zweiten bleibt die Frage nach der an-gemessenen Ebene der Analyse im gesamten Forschungsprozeß offen, wobeiversucht wird, systemische Variablen zu eliminieren, die irrelevant sind. DieAnalysebene liegt in der Regel tiefer (Przeworski /Teune 1970: 36). DieAutoren weisen allerdings darauf hin, daß der Unterschied zwischen beidenMethoden nicht überbetont werden sollte, da beide eine Kombination voninter- und intrasystemischen Variablen vornehmen können. Vergleicht mandie Regulierungen der siebziger Jahre in den USA und Deutschland, so fälltauf, daß auf der systemischen Ebene deutliche Unterschiede bestehen (Ta-belle 6-4).

In den USA gab es im Gegensatz zu Deutschland aktive Forschergruppenauf dem Gebiet der stratosphärischen Ozonschicht; es gab Wissenschaftler indiesen Forschergruppen, die sich als Repäsentanten der diffusen Betroffe-neninteressen verstanden (dies taten auch Vetreter von Umweltgruppen) undentsprechend handelten; es gab eine breite Medienaufmerksamkeit und eineParteinahme wichtiger Blätter zugunsten dieser Wissenschaftler. Schließlichgab es einen konfrontativen Stil der Politik gegenüber der chemischen Indu-strie. Gemeinsam war beiden Ländern, daß eine »progressive« Regierung ander Macht war, daß die chemische Industrie sich gegen Regulierungenwehrte, sich aber an der Forschungsfinanzierung beteiligte. Die wichtigstenErgebnisse dieser Forschung waren in beiden Ländern gleich, weshalb mannicht davon ausgehen kann, daß Unterschiede auf dieser Ebene einen Unter-schied im Ergebnis gebracht hätten.19 Dies alles scheint die Methode desmost similar systems design nahezulegen: Die Unterschiede in dem politi-schen, wissenschaftlichen und massenmedialen Systemen scheinen den Un-terschied in der Intensität der Regulierung zu erklären. Dies liegt um so nä-her, als in den achtziger Jahren genau diese Variablen in Deutschland sichder »amerikanischen Weise« angleichen: Die Politik wird konfrontativ, diemittlerweile gegründeten Forschergruppen bringen ebenfalls öffentlich ope-rierende Advokaten hervor, die Presse nimmt das Thema in großem Stil auf

19 Obwohl diese Ergebnisse aus den USA kamen, waren sie auch in Deutschland weithin ak-zeptiert. Im Verlauf der Kontroverse zweifeln Regulierungsgegner (vor allem aus derdeutschen Industrie) bestimmte Ergebnisse immer wieder an; sie tun dies aber nur in Ein-zelfällen unter Hinweis auf eigene nationale Forschungsresultate. Vor allem die Thatcher-Regierung in Großbritannien wehrte sich lange gegen Regulierungen unter Hinweis aufdie »Auswärtigkeit« der Forschung. Dies dürfte seinen Grund darin haben, daß die»eigene« Forschung sehr viel mehr entlastendes Material hervorgebracht hatte.

320 Kapitel 6

und ergreift Partei. Damit ist die Frage nach den strukturellen Bedingungenbeantwortet, unter denen strengere oder sanftere Regulierungen wahrschein-lich erfolgen. Nicht beantwortet ist damit die Frage, ob es unter diesen Fak-toren einen gibt, der besonders wichtig war und ob diese Einzelfaktoren imZeitverlauf aufeinander eingewirkt haben (wenn ja, wie)? Vorstellbar wärenzwei generelle Einflußmuster, die man als Diffusion (Coleman et al. 1966;Rogers 1962) und Übersetzung (Latour 1987) bezeichnen kann. Im erstenbeeinflußt das amerikanische Wissenschafts-, Medien- und Politiksystem dasdeutsche. Mit einer gewissen Zeitverzögerung kommt es in Deutschland zueiner Angleichung an die USA. Im zweiten kommt es zu einer modifiziertenÜbernahme des amerikanischen Modells. Hier beeinflussen sich die Systemeuntereinander und über die Landesgrenzen hinweg, ja es kommt sogar zuselbstverstärkenden und eigendynamischen Prozessen durch diese Interak-tionen.

Um diese Frage zu diskutieren, wird das most similar systems designverlassen und die Methode der Eliminierung von systemischen Variablenverfolgt. Der unterschiedliche Politikstil beider Länder kann als erstes aus-geschaltet werden, da er im Untersuchungszeitraum nicht konstant bleibt.Der Wechsel in beiden Ländern von einer progressiven zu einer konservati-ven Regierung kommt als erklärende Variable ebenfalls nicht in Betracht, dain den siebziger Jahren die demokratische US-Regierung, nicht aber diedeutsche SPD-geführte Regierung Regulierungen erläßt. In den achtzigerJahren sind die mittlerweile an die Macht gekommenen konservativen Re-gierungen beider Länder (circa 1986/1987) für strenge internationale Regu-lierungen.20 Als Unterschiede auf der systemischen Ebene verbleiben somitnoch folgende Faktoren, die in beiden Ländern unterschiedlich waren: Inden siebziger Jahren gibt es in den USA (im Gegensatz zur Bundesrepublik)

– Forschergruppen auf dem Gebiet der Stratosphärenforschung, unter ihnenauch einige engagierte Wissenschaftler, die vor der FCKW-Gefahr war-nen;

– breite Medienaufmerksamkeit zum Thema;– Umweltgruppen, die ebenfalls zu diesem Thema aktiv sind.

20 Es bleibt als schwache Möglichkeit die Einschätzung, daß konservative Regierungen sichleichter tun beim Erlassen von Umweltgesetzen. Dies leuchtet zumindest für die Bundes-republik ein, wo die SPD/FDP-Regierung Mitte der siebziger Jahre angesichts einer öko-nomischen Krise aus Rücksicht gegenüber ihrer Basis keine bedeutenden umweltpoliti-schen Maßnahmen ergriffen hat.

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 321

Da die Bundesrepublik in den achtziger Jahren ebenfalls diese drei Merk-male entwickelt, liegt der Schluß nahe, daß es diese systemischen Faktorensein müssen, die den Unterschied im Ländervergleich erklären. Wenn abergezeigt werden kann, daß diese drei Bereiche in beiden Ländern nicht unab-hängig voneinander blieben, sondern sich gegenseitig und über die Länder-grenzen hinweg beeinflußt und sogar verstärkt haben, dann würde eine»strukturalistische« Erklärung unplausibel und das Diffusionsmodell erwei-terungsbedürftig.

6.3.1 Die Politik im Vergleich

Der hervorstechende Unterschied zwischen den politischen Systemen beiderLänder besteht darin, daß in den USA früher als in Deutschland eine ent-scheidende institutionelle Innovation erfolgt: Bereits in den sechziger Jahrengelingt die Repräsentation diffuser Interessen durch Public interest groupsund neue Methoden der Interessenorganisierung.21 Dieser institutionelleUnterschied erleichtert in den USA frühzeitig die Thematisierung von Um-weltbelangen. Das Lobbying von Umweltgruppen wird in den USA zumPolitikum, lange bevor dies in Deutschland geschieht. Es steht zu vermuten,daß die USA dadurch früher eine anspruchsvolle Umweltgesetzgebung be-kommen haben als die Bundesrepublik. Das Wirken der Public interestgroups könnte sich auch auf den Politikstil im Umweltbereich ausgewirkthaben, da eine Umweltgesetzgebung ohne Lobby in der Bevölkerung wahr-scheinlich weit weniger effektiv ist als eine Umweltgesetzgebung, die aufeine solche Lobby bauen kann. Organisierte Interessen spielen von der The-mensetzung über die Problemdefinition bis zur Implementation von Geset-zen eine entscheidende Rolle. Sind nur die industriellen Interessen organi-siert, nicht aber die Umweltinteressen, so ist eine starke Asymmetrie in dasinstitutionelle Design eingezeichnet. Sind andererseits die Umweltinteressenvon Anfang an präsent, ist es wahrscheinlich, daß es frühzeitig zu einer Kon-frontation mit Industrieinteressen kommt.

21 Der Erfolg von Public interest groups in den USA wird gewöhnlich auf zwei Faktoren zu-rückgeführt: die Mobilisierung der Anhängerschaft auf dem Postweg mit dem Ziel, Spen-den zu sammeln (die computergestützte Adreßverwaltung senkte die Transaktionskostenenorm) und die Steuerabzugsfähigkeit von Spenden (siehe Berry 1977; Godwin /Mitchell1984; Mitchell et al. 1992).

322 Kapitel 6

Unterschiede der Interessenorganisierung

Das institutionelle Umfeld für die Repräsentation diffuser Interessen war inden USA also günstiger als in der Bundesrepublik Deutschland. Gab es dorteine Tradition von »Verbraucheranwälten« à la Ralph Nader, so erfolgte dieInteressenvertretung hier im wesentlichen durch korporatistische Arrange-ments (Berger 1981; Schmitter /Streeck 1985). Da Umweltinteressen schlechtorganisierbar sind, waren sie in einem korporatistischen Land wie der Bun-desrepublik Deutschland lange Zeit stark unterrepräsentiert.

Politiker stehen dem Dilemma gegenüber, entweder die Interessen der ei-genen Industrie zu schützen oder von der »ökologischen Stimmung« zu pro-fitieren. Im ersten Fall betonen sie den Erhalt von Arbeitsplätzen, im zwei-ten den Erhalt der Umwelt.22 Die USA verfolgten durchgängig die ökologi-sche Option, mit einer Ausnahme zu Beginn der achtziger Jahre, kurz nachReagans Amtsantritt. In der Bundesrepublik verfolgte die Regierung zumFCKW-Problem in den siebziger Jahren die erste, in den achtziger Jahrendie zweite Option. In den siebziger Jahren gab es noch kein eigenständigesUmweltministerium, weshalb das Problem dem Innenministerium übertra-gen wurde. Es initiierte ein Forschungsprogramm und griff auf nationale Ex-pertenquellen zurück: einzelne Wissenschaftler, das Umweltbundesamt undHoechst. Industrie und Behörden setzten sich auf informellen Tagungen insEinvernehmen, wobei sich die Industrie im wesentlichen durchsetzen konnte.Dies gelang ihr, weil das UBA nicht die Rolle des öffentlichen Sprechersdiffuser Interessen spielte und keine engagierten Wissenschaftler vorhandenwaren, die diese Rolle übernehmen konnten. Es bietet sich an, dies unterVerwendung eines Begriffs von Bachrach und Baratz als einen Fall der poli-tics of non-decision zu bezeichnen.

Eine … indirektere Form von Nicht-Entscheidungsprozeß besteht darin, ein be-stehendes Vorurteil innerhalb des politischen Systems – Präzedenzfall, Regeloder Verfahren – zur Unterdrückung einer bedrohlichen Forderung oder einer inder Entwicklung begriffenen politisch konflikthaltigen Sachlage zu mobilisieren. (Bachrach/Baratz 1977: 79)

22 Das Paradigma der zukunftsfähigen Entwicklung (sustainable development) versucht, diebeiden Aspekte miteinander zu kombinieren. In der politischen Auseinandersetzung domi-nieren allerdings meist die beiden oben genannten polaren Orientierungen, was damit zutun haben dürfte, daß Sustainable development als Kompromißformel erscheint, die denUmweltschutz als Profitquelle ausweisen will.

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 323

Dies geschieht innerhalb der deutschen Bürokratie durch den Hinweis aufden Paragraphen 35 des Bundesimmissionsschutzgesetzes, nach dem einnachweisbarer Schaden Voraussetzung für eine Regulierung ist.23

Kooperation und Konflikt

In der deutschen Umweltpolitik gibt es drei Schlüsselbegriffe, das Verursa-cher-, das Vorsorge- und das Kooperationsprinzip (Bohne 1990: 217). In derUmweltpolitik werden zahlreiche informelle Vereinbarungen getroffen.Bohne unterscheidet drei Typen von informellen Vereinbarungen:

– informelle Vereinbarungen über das Einhalten von Regelungen;– über den Ersatz von schädlichen Stoffen in Produkten oder Produktions-

beschränkungen und– Politikplanungs- und Kontrollvereinbarungen, um neue Gesetze und Vor-

schriften zu vermeiden.

Dies sind in der Regel schriftlich fixierte, gesetzlich nicht bindende Verein-barungen zwischen Regulierungsbehörden und Firmen oder Industriever-bänden. Zu Unrecht werden solche Absprachen in der Rechtslehre als privat-rechtliche oder als öffentlich-rechtliche Verträge bezeichnet, denn:

Der Witz der Absprachen besteht gerade in ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit.Weder das Bundesinnenministerium noch die beteiligten Wirtschaftsverbändeoder Unternehmen haben mit »Rechtsfolgewillen« gehandelt und rechtliche Ver-pflichtungen eingehen wollen. Vielmehr haben sich beide Seiten alle Optionenfür die Zukunft offengehalten. Die Wirtschaft will sich jederzeit von ihren Zusa-gen lösen können … Die Bundesregierung ist rechtlich nicht gehindert, nach-träglich Rechtsverordnungen zu erlassen. Die Bindungswirkung normvertreten-der Absprachen ist allein politischer Natur und hängt von den politisch-sozialenSanktionsmöglichkeiten der Absprachepartner ab. (Bohne 1984: 361)

Der entscheidende Vorteil liegt in der Effizienz solcher Vereinbarungen. Esentstehen für alle Beteiligten geringere Transaktionskosten als im Falle for-maler Regelungen. Die Vereinbarungen sind aber teilweise wenig wirksam

23 Mit der Verabschiedung des Chemikaliengesetzes 1980 ändert sich die gesetzliche Grund-lage. Die später stattfindenden FCKW-Regulierungen stützen sich auf §17 dieses Geset-zes, mit dem die Bundesregierung ermächtigt wird, »bestimmte gefährliche Stoffe« nebstihren Herstellungs- oder Verwendungsverfahren zu verbieten. Voraussetzung ist eine »An-hörung der beteiligten Kreise«, die aus den Bereichen Wissenschaft, Verbraucherschutz,Gewerkschaften, Wirtschaft, Gesundheit sowie Umwelt-, Tierschutz- und Naturschutzver-bänden auszuwählen sind.

324 Kapitel 6

und fördern die Ungleichbehandlung, da sie oft schon bei der Auswahl derParteien bestimmte gesellschaftliche Gruppen ausschließen (Betroffene, Um-weltgruppen, die Öffentlichkeit und die Gerichte; siehe Bohne 1990: 227).Die jeweilige Regulierungsbehörde gerät durch solche informellen Rege-lungen in Abhängigkeit von der Industrie, da sie sich ihr gegenüber in einerInformationsasymmetrie befindet: »Informal policy planning and controlagreements put the government at the mercy of the adressees of environ-mental regulations and enforcement actions« (Bohne 1990: 228). In einer vonMayntz et al. (1978) durchgeführten Studie wurde auf starke Defizite in derUmsetzung bestehender umweltpolitischer Programme hingewiesen, wobeiauch hier die enge Kooperation zwischen Antragsteller und Genehmigungs-behörde unter Ausschluß anderer betroffener Kreise als Grund genannt wird.

Die deutsche Industrie schätzt informelle Vereinbarungen und hält sie for-mellen Verfahren überlegen. Auch Politiker mögen solche Vereinbarungen,da sie für symbolische, unbürokratische Aktionen stehen, die niemandenverletzen und sich gut verkaufen (während Politiker im Ruhestand dazu nei-gen, solche Vereinbarungen als Ausverkauf der Umwelt zu denunzieren, vgl.Bohne 1990: 229, Interview 51).

In Deutschland wurde das FCKW-Problem zunächst informell angegan-gen. Nach Besuchen von US-Vertretern der Pro-Regulierungsallianz beimUBA im Jahr 1975 verfolgten Mitarbeiter dieser Behörde die Debatte auf in-formeller Ebene. »Wir haben nicht die Konfrontation gesucht, das machtdiese Behörde prinzipiell nie« (Interview 7). Ende 1977 erfolgte die freiwil-lige Selbstbeschränkung der Aerosolhersteller, was von einem Beteiligtenals symbolische Politik bezeichnet wurde (Interview 51). Im September1977, als die Umweltbehörden in den USA zu einer gesetzlichen Beschrän-kung nichtessentieller Anwendungen von FCKW übergehen wollten, führteein Sprecher der Hoechst AG auf einem internationalen Symposium Folgen-des aus:

Geradezu unerträglich wird die Situation, wenn in einer … faktisch risikofreienSituation sich Beamte die in einer freien Wirtschaft doch wohl dem Verbraucherzustehende Entscheidung darüber anmaßen, ob ein Produkt oder eine Anwen-dung essential oder non essential ist. Genau das ist es aber, was derzeit bei derFrage der Verwendung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen die EPA … sich an-schickt zu tun.24

24 Heinz Harnisch: »Fluorchlorkohlenwasserstoffe – Stellungnahme der Industrie«, Vortragauf dem 5. internationalen Symposium »Chemische und toxikologische Aspekte der Um-weltqualität« am 22. September 1977 in Neuherberg.

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 325

Nun, die Industrie bekam damals, was sie wollte. In den achtziger Jahrenwird der Alptraum des oben zitierten Hoechst-Sprechers allerdings zur Rea-lität. Der Politikstil in Deutschland ändert sich schroff. Die Enquetekommis-sion des Bundestages formulierte die ökologische Orientierung wie folgt:

Bei Problemen von so großer Dimension, wie sie die Ozonzerstörung und derTreibhauseffekt darstellen, bei denen vor allem von einer bestimmten Dauer desuntätigen Zuwartens an die Katastrophe nicht mehr verhindert, sondern nur nochdurch sekundäre Abwehrmaßnahmen etwas abgemildert werden kann, wird derPolitik dann zu Recht verantwortungsloses Nichthandeln vorgeworfen, wenn siesich auf Entwarner verläßt oder den zaghaft Warnenden nicht zum Durchbruchverhilft. Besser ist es, sich dem Vorwurf auszusetzen, zu weitgehende Maßnah-men vorzusehen, die auch zu Belastungen führen, als dem Vorwurf, Warnungenvor Katastrophen falsch eingeschätzt und damit die Katastrophe durch unterlas-sene Vorsorgemaßnahmen mitverursacht zu haben.(Enquetekommission 1990: 276f.)

Diese Orientierung mußte mit den Optionen der deutschen FCKW-Herstellerzwangsläufig kollidieren. In der Vorbereitungsphase von Montreal kommtder Konflikt zum Vorschein:

Sie können nachlesen, wie wir uns pressemäßig beharkt haben mit der Industrie-gemeinschaft Aerosole, die hat kurz vor 1987, als jedem klar war, da tut sich wasin der Antarktis, eine entwarnende Presseerklärung rausgegeben (»Ozonhysterie– mußte sie wirklich sein?«). Das ist nicht vom Geiste des Vorsorgeprinzips ge-tragen. Da wurden wir von außen angeschossen, und da haben wir uns natürlichgewehrt. Auch bei den Anhörungen im Bundestag hatten wir keinen kooperati-ven Stil. Die Wissenschaftler in der EK haben das gut vorbereitet, und dannkommt die Industrie und zieht die Vorbereitung ins Lächerliche und deutet keineMaßnahmen an. Das ging dann auch schief. Das war, wenn Sie so wollen, eineKonfrontation Industrie gegen Bundestag und EK. Wir sehen das als eine Fehl-einschätzung der beteiligten Industrie. Die Eigendynamik der Politik und der öf-fentlichen Meinung war größer als gedacht. (Interview 7)25

Die Konfrontation im FCKW-Fall wird jedoch als Anomalie für das deut-sche politische System angesehen.26

25 Tatsächlich erfolgte die Erklärung der IGA im Jahr 1984, vgl. Enquetekommission (1990:206).

26 Ein Grund für die Konfrontation lag darin, daß die Industrie keine Verbrauchszahlen nen-nen wollte: »Schmidbauer hat regelmäßig gefragt: Wieviel wird denn nun emittiert? Undes kam ebenso regelmäßig die Antwort: Wir sagen es nicht, wir brauchen es nicht zu sagen(es gibt eine rechtliche Grundlage dafür). Das hat ihn als Volksvertreter getroffen; er ver-sucht ein Problem zu lösen, das er nur auf Zahlenbasis lösen kann, und da ist er doch von

326 Kapitel 6

[Der] FCKW-Fall allerdings sieht anders aus. Der ist nicht normal gelaufen, derlief mit Verzögerungen. Das extrem schwierig und zäh mit unendlichen Versu-chen, die Sache zu bremsen und aufzuhalten, bis zur letzten Minute. … Es gibtFelder, wo man sehr konsensuell verfahren konnte und andere, wo es sehr gehakthat, wie FCKW. Im Grunde hat es die Chemie immer noch nicht eingesehen,weil sie immer noch darauf vertraut, daß da neue Theorien kommen. Selbst nachder Enquetekommission. (Interview 12)

Wie stark das konsensuelle Selbstbild in der Bundesrepublik ist, kann mandaran sehen, daß in offiziellen Stellungnahmen von den Kämpfen mit derIndustrie nichts sichtbar wird. So erwähnt die Bundesregierung nicht etwadie Tatsache der Verbotsverordnung als etwas Besonderes, sondern dieSelbstverpflichtung der Industrie zur FCKW-Reduktion, die nach der Ver-botsverordnung erfolgte (Bundesregierung 1994: 3).

In den USA vollzog sich die Wende in umgekehrter Richtung. War dasVerhältnis zwischen Regulierungsbehörde und Industrie in den siebzigerJahren konfrontativ, so verwandelte es sich in den achtziger Jahren in einkooperatives. Dies wird sowohl von Industrievertretern, wie auch von EPA-Mitarbeitern bestätigt. Folgende Gesprächsauszüge mögen dies belegen. EinVertreter der Industrie bemerkte:

I would say EPA has tried to help us in compliance with the Clean Air Act. S.and others have done a good job with a very difficult regulation that was imposedon them by Congress. We can get answers on the phone about detailed questions. (Interview 21)

Die EPA sieht es ähnlich:

We had enormous battles with industry in 1985 and in 1986, but after the Mont-real Protocol was signed, conflicts were really behind us, and there was enor-mous cooperation. (Interview 18)

Dies ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß Du Pont und der ameri-kanische Interessenverband der FCKW-Hersteller ihre Haltung zu Regulie-rungen im Herbst 1986 geändert hatten.

Regulierungsbehörden und Parteien

Umweltpolitik ist in den USA durch die Existenz einer großen unabhängigenRegulierungsbehörde (EPA) und durch deren strikte Vorgaben gekennzeich-

der Industrie sehr im Regen stehen gelassen worden und hat sich dann schnell darauf be-sonnen, was er als Politiker machen kann« (Interview 40).

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 327

net.27 Die Regulierungsbehörde kooperiert in der Regel nicht mit der Indu-strie. Aus Furcht vor Capture-Prozessen wird sie vom Kongreß gezwungen,den zu regulierenden Industrien strikte Zeitvorgaben zu setzen, die von die-ser allerdings oft nicht eingehalten werden. Die EPA dient aber auch demPräsidenten. Er ernennt die Chefs der Behörde und das obere Management,überprüft durch das Office for Management and Budget (OMB) den Etat undbesitzt durch Executive Orders zusätzliche Möglichkeiten der Einflußnahme.Die vom OMB durchgeführten Prüfungen der Regulierungsvorhaben neh-men viel Zeit in Anspruch, was den Regulierungsprozeß verlangsamt. Fir-men und Behörden bekämpfen sich oft vor Gericht, was weitere Verzöge-rungen bei der Implementation bewirkt (Moe/Caldwell 1994; Vig/Kraft1984, 1994).28

Die Institutionalisierung des Umweltschutzes in der Bundesrepublik er-folgte zwar nach amerikanischem Vorbild; die neu gegründeten Umwelt-schutzbehörden verfügen aber über weitaus weniger Kompetenzen und Res-sourcen als die amerikanischen Vorbilder. Die Umweltproblematik wurde inder Bundesrepublik »von oben« eingeführt; bei Verabschiedung der erstenUmweltgesetze gab es keine Umweltlobby. Nach dem Reaktorunfall vonTschernobyl wird die Umweltpolitik durch die Gründung des Umweltmini-steriums auch institutionell sichtbar reorganisiert (wenn auch zunächst nursymbolisch). Vor der Gründung dieses Ministeriums gab es in der Bundes-republik den Sachverständigenrat für Umweltfragen und das Umweltbundes-amt als Institutionen der Umweltpolitik. Beide verfügten als reine Beratungs-gremien über wenig Einfluß; zudem versteht sich der SRU nicht als Sprach-rohr von Umweltinteressen. Selbst die Funktion als ökologisches Frühwarn-system konnten diese beiden Institutionen nicht wahrnehmen, weil ihnenentweder die nötigen Laboratorien oder die Öffentlichkeitswirksamkeitfehlten.29 Das BMU bekam bei seiner Gründung 340 Stellen, die 1987 auf520 aufgestockt wurden. Der Etat entwickelte sich von 1987 mit 400 Mio.DM auf 2,6 Mrd. im Jahr 1990, wovon allerdings 850 Mio. auf den BereichAtomenergie entfallen (Weidner 1989: 19). Dies ist ein Bruchteil dessen,was der EPA zur Verfügung steht.30

27 »The EPA is the biggest federal regulatory agency; indeed it is the largest in the world.«1992 beschäftigte sie 18.000 Mitarbeiter mit einem Etat von 6,5 Mrd. US-Dollar (Rosen-baum 1994: 126).

28 Es wird geschätzt, daß die EPA bis Anfang der neunziger Jahre weniger als 20 Prozent dervom Kongreß vorgegebenen Fristen einhalten konnte (Rosenbaum 1994: 132).

29 Der SRU verfügt über kein Pressereferat und betreibt keine regelmäßige Medienarbeit (H.-J. Luhmann 1991; Ell /Luhmann 1996).

30 Vgl. Fußnote 27.

328 Kapitel 6

Die Kampagnen von Umweltgruppen stellen in den USA keine Bedro-hung für die beiden großen politischen Parteien dar; sie setzen lediglich neueFragen auf die Tagesordnung und betreiben Lobbying, teilweise an denParteien vorbei. Obwohl das Umweltthema generell von Republikanern wieDemokraten besetzt wird, nehmen die Demokraten öfter eine Führungsrolleein. Dies taten sie insbesondere in Opposition zu den republikanischen Prä-sidenten Nixon und Ford, die einem demokratischen Kongreß gegenüber-standen (Vig/Kraft 1994: 12). Da der legislative Prozeß nicht primär vonden Parteien gesteuert wird, findet eine weitere Entkopplung statt:

Im parlamentatrischen Regierungssystem der BRD gelten Parteien im allgemei-nen als »Träger und Mittler des politischen Prozesses« (Konrad Hesse), denenentscheidende Bedeutung bei der Artikulation und Aggregation gesellschaftlicherInteressen zukommt. Parteien sind hierzulande wichtige Anlaufstationen für dieorganisierten Interessen, vermitteln zwischen sozialen Positionen und speisen siein den Gesetzgebungsprozeß ein. In den USA betreiben die Verbände dagegenihre lobbyistischen Aktivitäten an den vergleichsweise schwachen Parteien vor-bei, zumal auch hier die gesetzgeberischen Aktivitäten der Legislative nicht pri-mär von den Parteien gesteuert werden. (Wasser 1995: 307)

In Deutschland ist das politische System sensibel für aufkommende neuepolitische Fragen. Als das FCKW-Thema Mitte der siebziger Jahre kurzauftauchte, gab es noch keine »grüne Bedrohung« für die Regierung. ZehnJahre später sorgte die enge Kopplung zwischen Umweltproblemen undWählergunst der Parteien für ein rasches Umschwenken der Bundesregie-rung. Vor 1982 waren ökologische Probleme noch kein Thema der parteipo-litischen Auseinandersetzung (Müller 1986). Dies ändert sich mit demWaldsterben, zahlreichen Chemieunfällen am Rhein, der Reaktorkatastrophevon Tschernobyl und dem Robbensterben. Die Thematisierung des Klima-problems um 1986 und die gleichzeitigen Wahlerfolge der Grünen Parteiführen der Regierungskoalition vor Augen, daß sich hier bei aller potentiel-len Bedrohung auch Chancen bieten, die durch eine Besetzung des Themasgenutzt werden können.

Politikunternehmer

Politikunternehmer in Kingdons Sinne (Kingdon 1984) existierten Mitte derachtziger Jahre in der Bundesrepublik, nicht aber in den USA.31 Mitte der

31 Nach Kingdon besitzen Politikunternehmer ein fertiges Konzept zur Lösung eines Pro-blems und warten auf eine Welle der Aufmerksamkeit, um das Konzept zu lancieren.

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 329

achtziger Jahre kommt das Thema Umwelt zum ersten Mal in der Ge-schichte der Bundesrepublik auf die politische Agenda. Politikunternehmeraus der regierenden CDU/CSU, aber auch aus der oppositionellen SPD er-kennen die Wichtigkeit der Umwelt für den Wahlkampf, besetzen dasFCKW-Klima-Thema und arbeiten auf die Zusammenstellung einer Exper-tenkommission hin, in der wissenschaftliche Kompetenz repräsentiert undein weitgehender Beschluß angestrebt wird.32 Die Grünen und Greenpeacewerden relativ spät auf das Thema aufmerksam. Eine Verkettung von Um-ständen (teilweise von der Kommission beabsichtigt), führt dazu, daß dieInteressen der FCKW-Hersteller Hoechst und Kali in der sich formierendenEnquetekommission »Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre« (EK) unter-repräsentiert werden. Die EK wird 1987 eingerichtet und fällt 1988 ein ein-stimmiges Urteil zur Problematik und zu der Notwendigkeit weiterer Ver-schärfungen des Montrealer Protokolls.33 Ein Experte faßte die »glücklichenUmstände« folgendermaßen zusammen:

Die CDU hatte die Schwierigkeit, daß sie damals auf der Suche war nach neuenwertorientierten Themen und es gab ja das Thema »Bewahrung der Schöpfung«… Schmidbauer hatte die Lücke in der CDU erkannt, wollte sich profilieren,konnte ganz gut mit dem Kanzler, und griff ein Thema auf, das in den Interessennoch nicht so verfestigt war. Also man hatte noch nicht die Dutzende von Lobby-Briefen, sondern man hatte zwei Kämpfer auf Industrieseite von Kali undHoechst … Die waren so stur und betonhaft, daß sich die Vertreter der chemi-schen Industrie dafür entschuldigten. Die beiden haben dermaßen überzogen inder Negierung von Gefahren, daß sie raus waren aus der Diskussion. Das habendie gar nicht gemerkt. In der zweiten Phase hat der VCI dann den Prof. N. ge-schickt. Der kam zu einer Zeit, wo er nicht mehr viel retten konnte. Er mußte ei-nerseits loyal sein gegenüber diesen Firmen, aber andererseits wußte er, daß derVCI mit dieser Linie nicht durchkam … Die Rahmenbedingungen waren also sogünstig, daß wir einen weitgehenden Beschluß zustandegekriegt haben.(Interview 52)34

32 Dies dürfte der Grund sein, warum der Umweltsachverständigenrat kein Sondergutachtenanfertigen sollte (Ell /Luhmann 1996). Man war offenbar an einer prominenten Behand-lung des Themas und an einer engen Verzahnung mit politischen Entscheidungen interes-siert.

33 Im Bericht der EK werden FCKW als Ursache des Ozonlochs angegeben, das MontrealerProtokoll wird als Einstieg, aber unzureichend angesehen. 95 Prozent FCKW-Reduktionsind zumindest im nationalen Rahmen anzustreben (Enquetekommission 1990: 340–347).

34 Ein Industriesprecher äußert sich über die eigenen Fehler und die VerhandlungsführungSchmidbauers wie folgt: »Die chemische Industrie hat sich gelegentlich taktisch nicht be-sonders klug verhalten und sich damit sehr geschadet. Schmidbauer hat Wahrheitsfindungnach Gutsherrenart betrieben. So nach dem Motto: Wir brauchen keine langen Diskus-

330 Kapitel 6

Es wäre abwegig zu glauben, die Politik hätte sich aus lauter Ratlosigkeitvon den Wissenschaftlern sagen lassen, was zu tun sei. Oft werden Experten-urteile meist nur deshalb gesucht, um eine angestrebte oder bereits gefällteEntscheidung zu legitimieren.35 In der Tat steuerte die Bundesregierung ei-nen entsprechenden Expertenbericht an, wie ein Experte aus dem Umwelt-ministerium mitteilt:

Wir wissen ja, daß mit unterschiedlichen politischen Einfärbungen auch unter-schiedliche politische Ergebnisse angesteuert werden können … Wenn ein sol-ches Votum einen solchen Einfluß kriegen will, den es ja auch bekommen hat,dann nicht im Streit, sondern in der Formulierung gemeinsamer Standpunkte, diegemeinsam um- und durchzusetzen sind. (Interview 19)

In den USA wurde das Ziel eines strengen Protokolls nicht von der Regie-rung angesteuert, sondern von der von unten wachsenden Unterstützeralli-anz. Sie gewann immer mehr Brückenköpfe in der Spitze der Administration,angefangen von der NASA über die EPA, das Außenministerium bis hinzum Präsidenten. Hier gab es zwar Politikunternehmer in Sachen Umwelt-politik generell,36 jedoch nicht im FCKW-Fall. Das Thema wurde vor alleminnerhalb der EPA über die »dunklen Jahre« lebendig gehalten, allerdingsauf einer relativ niedrigen Hierarchieebene.

[The EPA people] deserve enormous credit since they kept the issue alive.Sometimes, if you are low enough in the bureaucracy you can do things becausenobody pays too much attention. (Interview 31)

Nach einem Anstoß durch den NRDC und Schützenhilfe von Rowland er-griff die EPA die Initiative zur zweiten Regulierungsphase in den achtzigerJahren. Regulierungsgegner auf höchster Ebene wurden zu spät auf diesenVorstoß aufmerksam. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als sich den geschaf-fenen Tatsachen zu beugen und sich zu einem opportunen Zeitpunkt anzu-schließen:

sionen, und ich werde dafür sorgen, daß eine einheitliche Meinung herauskommt« (Inter-view 48).

35 »Advisors are too frequently chosen not so much because the legislators and officials wantadvice as because they want apparently authoritative support for the policies they proposeto follow. It is obvious that in complying with these desires, the legislators and the offi-cials are in collusion with the scientists to exploit the prestige that scientists have aquiredfor objectivity and disinterestedness« (Shils 1987: 201; Hervorh. d. Verf.).

36 Vor allem der demokratische Senatsabgeordnete Edmund Muskie (der sich als Präsident-schaftskandidat präsentieren wollte) gilt als Promotor der Umweltgesetzgebung der frühensiebziger Jahre (Vig /Kraft 1984). Später kamen Dale Bumpers, John Chaffee, HenryWaxman und Al Gore.

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 331

People like H. and S. kept it alive and Lee Thomas [EPA-Chef] was the personwho felt that he was in a position that he could act on his own. And did. By thetime it was found out about, it would have been very embarrassing for the gov-ernment to back out. (Interview 16)

Die im Frühjahr 1987 sich abspielende Farce über einen angeblichen Plan,das Problem auf individuellen Schutz vor UV-Strahlen zu reduzieren (vgl.Kapitel 5), trug zur öffentlichen Blamage der Regulierungsgegner bei. Fest-zuhalten bleibt allerdings, daß niemand unter den Politikern mit einem ferti-gen Konzept zur Lösung des FCKW-Problems auf die Welle der Aufmerk-samkeit wartete, um das Programm zu lancieren, wie es das Konzept desPolitikunternehmers voraussetzt. Dies gilt für beide Seiten: es gab Politik-unternehmer weder für noch gegen Regulierungen. Die »dunklen Jahre«hatten das Thema völlig in der Versenkung verschwinden lassen. Als es mitaller Macht wieder auftauchte, hinkten die politischen Reaktionen nach derEntdeckung des Ozonlochs hinter den (kritischen) Wissenschaftlern her, diedas Thema in der Öffentlichkeit sofort besetzt hatten und für ein weltweitesVerbot von FCKW eintraten. EPA-Chef Thomas und Benedick greifen dieseLinie als erste auf.

6.3.2 Die Industrie im Vergleich

In den USA war die chemische Industrie frühzeitig in die Erforschung derOzonschicht eingebunden. Die Chemical Manufacturers Association (CMA),die weltweite Forschungsförderung betrieb, gab von 1972 bis 1989 über 20Mio. US-Dollar für Forschung aus, wovon der größte Teil in den USAdurchgeführt wurde.37 Vor allem Du Pont besaß oder rekrutierte Wissen-schaftler, die an der aktuellen Forschung beteiligt waren. Du Pont war derHauptwortführer der Regulierungsgegner und mußte schon deshalb allesdaransetzen, um auf dem Stand der wissenschaftlichen Debatte zu bleiben.Die Bereitschaft der chemischen Industrie, sich aktiv an der Forschung übermögliche Gefahren durch FCKW zu beteiligen, führte zu einer Selbstbin-dung an Ergebnisse dieser Forschung.

37 Auch Wissenschaftler der Pro-Regulierungskoalition erhielten Geld, zwar wenig im Ver-gleich zu staatlichen Quellen, aber schnell und unbürokratisch verfügbar, zum Beispiel,um ausländische Wissenschaftler in die USA einzuladen, oder die Flugzeugpiste in PuntaArenas (Chile) für die zweite Antarktisexpedition zu bauen.

332 Kapitel 6

Interessant war die Doppelstrategie der FCKW-produzierenden Industrie:Sie leugnete nach außen zunächst jede Gefährlichkeit der Stoffe, finanzierteaber Forschung, die genau diese Frage umfassend klären sollte. Wie esscheint, haben die US-Firmen letztlich die Forschung ernster genommen alsdie deutschen, die am Ende den Regulierungen zähneknirschend zustimm-ten, während Du Pont zum Vorreiter des Ausstiegs wurde.

Die beiden deutschen FCKW-Hersteller haben sich zwar finanziell aminternationalen Forschungsprogramm der CMA beteiligt, selbst aber keineWissenschaftler bauftragt oder rekrutiert, die den Informationsfluß über neu-este wissenschaftliche Forschung innerhalb der Firma gewährleistet hätten,wie dies bei Du Pont der Fall war. Meine Befragungen ergeben, daß derWissensstand bei den Verantwortlichen auf der Produktebene (FCKW) er-heblich von dem ihrer amerikanischen Kollegen und von der herrschendenMeinung der Wissenschaft abweicht.38 Ein weiterer Unterschied bestehtdarin, daß Du Pont (im Gegensatz zu Hoechst) neben der Finanzierung undKooperation mit Wissenschaftlern, die im öffentlichen Bereich stattfand,firmenintern Modellsimulationen durchführte, um mögliche Ozonverluste zubestimmen, die auch auf Worst-case-Szenarien beruhten. Dies geschah abetwa 1977 (Interviews 5, 16).39

Aus demselben Grund nahm Du Pont die Mitarbeit im OTP ernst. DieTrendanalysen, die im Auftrag der chemischen Industrie vor 1985 durchge-führt wurden, meldeten ihren Auftraggebern keinen Grund zur Besorgnis.Die Statistiker, die mit den Trendrechnungen befaßt waren, stellten ihre Er-gebnisse aber kaum in der wissenschaftlichen Community zur Diskussion,sondern präsentierten sie nur ihren Auftraggebern. Um 1986 muß Du Pontgemerkt haben, daß es besser sein könnte, die Daten einer kritischen Diskus-sion zu unterziehen, als das Risiko einzugehen, sich in falscher Sicherheit zuwiegen (Interview 16).40 Als Resümee ergibt sich, daß die Wissenschaftsbe-

38 Ein Befragter gab an, daß Chlor aus natürlichen Quellen (Vulkane, Brandrodung) schonimmer einen größeren Anteil gehabt hätte als der anthropogene Beitrag; ein anderer, daßes schon immer ein natürliches Ozonloch gegeben habe.

39 Es wird vermutet, daß Du Pont etwas über die Grenzen der Belastbarkeit der Atmosphäreherausfinden wollte, ohne daß die Öffentlichkeit davon etwas erfährt. »Perhaps also theymight have wanted to run proprietary scenarios – wanting to know some of the limits ofpossibility without wanting outsiders to know that they were considering such limits. Thislatter is conjecture on my part. As is this – if I were in the position of a first-class modeler,I might have wanted to push the limits of the rate constants to find out (a) what the maxi-mum ozone loss might be by various combinations of the constants that were within one ortwo sigma of the then-current »best estimate« and (b) what the minimum ozone loss mightbe under such conditions« (Interview 16).

40 Vgl. Jönsson /Lundin (1977) zum allgemeinen Mechanismus des Wunschdenkens in Orga-

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 333

ratung der US-Firmen weitaus besser war als die der deutschen. Anders aus-gedrückt: Du Pont war durch die offene Konfrontation mit den schärfstenFCKW-Kritikern nicht so lange im Wunschdenken gefangen wie Hoechst.41

Hoechst legte sich sehr früh auf eine prinzipiell skeptische Haltung fest.Man hielt es für ausgeschlossen, daß Regulierungen aufgrund der vorliegen-den Erkenntnisse erlassen werden könnten. Dies führte bei Hoechst zumWunschdenken, daß Regulierungen unmöglich seien. Als in den USA Endeder siebziger Jahre bereits die zweite Phase der nationalen Regulierung dis-kutiert wurde, versuchte Hoechst der Bundesregierung immer mehr Datenvorzulegen, die Zweifel an der Molina-Rowland-Hypothese ausdrücken.Hoechst beschwor die Behörden der Bundesrepublik, sich nicht der EPA-Linie anzuschließen – ein Alptraum, der für Hoechst Mitte der achtziger Jah-re zur bitteren Realität werden sollte.

Im Gegensatz zu Hoechst hatte Du Pont ein Gespür dafür, was auf politi-scher Ebene möglich ist und was an wissenschaftlicher Legitimation aufge-boten werden kann. Das Wunschdenken machte einer eher ungetrübten Sichtauf die verschiedenen Optionen Platz. Du Pont wurde durch die Existenz ei-nes starken Netzwerkes, das für Regulierungen eintrat, zu dieser realistischenHaltung gewissermaßen gezwungen. Dadurch breitete sich eine größere Sen-sibilität gegenüber möglichen Gefahren für das Unternehmen aus. Du Pontsah, daß Gefahren für die Ozonschicht auch Gefahren für das Unternehmensind.42

6.3.3 Die Wissenschaft im Vergleich

Es überrascht nicht, daß die bedeutendsten Länder mit FCKW-Produktionauch den größten Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung leisten. Wie aus

nisationen.41 »Die chemische Industrie hat die erste Enquetekommission nicht ernst genommen, das

übliche bei Enquetekommissionen. Dann haben sie ja noch den Schmidbauer als Vorsit-zenden gehabt, da haben sie gedacht: na gut, den kriegen wir über den Riesenhuber in denGriff. So ist das ja intern gedacht worden, man muß wissen, der Riesenhuber [damals For-schungsminister] war der Mann von Hoechst, das ist ja seine eigentliche Funktion gewe-sen, aber es hat nicht funktioniert, im Gegenteil« (Interview 52).

42 Du Pont und Hoechst (und vermutlich alle anderen FCKW-Produzenten) reagierten emp-findlich, wenn in öffentlichen Stellungnahmen ihr Markenname mit dem Ozonproblem inVerbindung gebracht wurde. Eine der ersten Maßnahmen eines solchen impression mana-gements unternahm Du Pont, nachdem Molina und Rowland den Markennamen Freon inihrem Artikel verwendet hatten (Roan 1989: 21). Hoechst wandte sich gegen eine Veröf-fentlichung des UBA, in der vor Spraydosen gewarnt wurde und der Markenname Frigenauftauchte (Brief an das UBA, 7.3.1980).

334 Kapitel 6

den Tabellen 3-1 und 5-1 hervorgeht, waren dies die USA, Großbritannien,Deutschland und Frankreich.43 Im Vergleich zu den USA entstanden inDeutschland erst relativ spät wissenschaftliche Forschergruppen, die inter-disziplinär und arbeitsteilig auf dem Gebiet der Stratosphäre arbeiten und diekritische Masse erreichen, um erfolgreich arbeiten zu können. Auch ging vonihnen erst relativ spät eine Alarmierung der Öffentlichkeit aus. Die ersten öf-fentlichen Warner waren Physiker und Meteorologen außerhalb der Ozon-forschung. Im Mittelpunkt ihrer Warnung stehen nicht Probleme der Ozon-schicht, sondern globale Klimaveränderungen.

Unterschiedliche Größe des Feldes

Das Feld der Stratosphärenforschung wuchs im Untersuchungszeitraum inden USA enorm. 1976 wurde die NASA zur führenden Forschungsbehördeauf diesem Gebiet gemacht. Ihr standen jährlich zwischen 20 und 30 Mio.US-Dollar für Stratosphärenforschung zur Verfügung (Bastian 1982: 179;Roan 1989: 251). In Deutschland gab es vor dem BMFT-Sonderprogrammvon 1975 keinen Schwerpunkt in der Stratosphärenforschung; das deutscheSpezialgebiet war die Troposphäre, wo von 1970 bis 1985 ein Sonderfor-schungsbereich der DFG zum Thema »Spurengase« bestand. 1988 wurdedas Ozonforschungsprogramm initiiert, in dessen Rahmen von 1989 bis1993 circa 40 Mio. DM an Forschungsförderung geleistet wurde, wovon dieHälfte für Feldmessungen ausgegeben wurden (Interview 49). Die For-schungsergebnisse des ersten BMFT-Programms spielten in der Kontroversekaum eine Rolle (und zu Beginn des zweiten Programms war die Kontroverseim wesentlichen abgeschlossen). Beide Seiten griffen während der Kontro-verse vor allem auf Ergebnisse zurück, die in den USA gemacht wurden.Dies hat damit zu tun, daß solche Forschungen eine Vorlaufzeit brauchen, inder die nötigen Erfahrungen und Versuche gemacht werden. Nach allem,was man über die Rolle weiß, die implizites Wissen in der Wissenschaftspielt (Polanyi 1958), dürfte dies nicht überraschend sein. Der Vorsprungder USA auf dem Gebiet der Stratosphärenforschung blieb bis heute unange-fochten. Dies liegt zum Teil daran, daß die Entwicklung in den USA einselbstverstärkender Prozeß war, in dem nicht nur ein struktureller Aus-gangsvorteil verteidigt wurde. Als Gründe wären der unterschiedliche Gradder wissenschaftlichen Konkurrenz und die Größe von Forschungsgruppenzu nennen.

43 Japan und Rußland werden erst mit der Etablierung des internationalen Regimes in diewissenschaftliche Kooperation eingebunden.

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 335

Auf den ersten Blick scheint es paradox, daß in den USA eine größereKonkurrenz zwischen den Wissenschaftlern besteht und dennoch die Dis-kussion unveröffentlichter Ergebnisse unter ihnen offener ist:

You know, also in the U.S. you have different groups but they are talking muchmore to each other. In Europe somehow there is secrecy. Take the British, untilthey publish the paper they will not tell you what they are doing. … The Ger-mans have measurements, some interesting results. There are also individualswho have a good reputation … But the competence is scattered. (Interview 2)

Dieses Paradox löst sich auf, wenn man weiß, daß es den US-Wissenschaft-lern gelang, ein neues Forschungsfeld zu begründen, das finanziell gut ge-fördert wurde (wobei ein Teil dieses Erfolges auf die Alarmierung der Öf-fentlichkeit zurückzuführen ist). Je mehr die alten disziplinären Grenzen (die»Stockwerke der Atmosphäre«, die Spaltung in chemische und dynamischeAtmosphärenmodelle, die Trennung in Modellierer und Experimentatoren)eingerissen wurden, desto mehr stellte sich heraus, wie komplex die Atmo-sphäre war und wie wenig wahrscheinlich ein Erfolg von Einzelforschernoder von kleinen, voneinander isolierten Gruppen war. Jeder kann durch In-formationsaustausch mit anderen gewinnen, wobei natürlich die Gefahr des»Diebstahls geistigen Eigentums« durch unethisches Verhalten besteht.

Lokale Gruppen bestanden in Deutschland an mehreren Universitätenund Instituten, allerdings ohne die kritische Masse zu besitzen, um im inter-nationalen wissenschaftlichen Wettbewerb ganz vorne mitzuspielen. Indivi-duelle Forscher konnten durchaus reüssieren, ihr Erfolg dürfte aber zumgroßen Teil auf der jahrelangen Kooperation mit US-Atmosphärenwissen-schaftlern beruhen.44

Erst in den achtziger Jahren haben wir gegenüber den USA aufgeschlossen. Wirhatten keine systematische Förderung, wir hatten diese kleinen Uni-Institute, diefast alle unterkritisch in der Anzahl der Mitarbeiter waren, dann haben wir zu-nächst die internationalen Forschungsprogramme nicht mitformuliert, sondernnur teilgenommen … Unsere Kooperation ist eher über den Teich hinweg, als imeigenen Land. (Interview 1)

44 Schmidbauer sieht dies ebenfalls, wenn er sich für die Förderung der Atmosphärenwissen-schaft einsetzt: »Nur durch eigene Messungen, eigene wissenschaftliche Untersuchungensind wir in der Lage, im Rahmen der Verhandlungen zur Verschärfung des MontrealerProtokolls unsere Position zu stärken und das Gewicht der Bundesrepublik Deutschland …mit in die Waagschale zu werfen« (Deutscher Bundestag 1988: 6436).

336 Kapitel 6

Steuerungsmöglichkeiten

Das institutionelle Muster der Forschung in Deutschland ist durch zweiFaktoren gekennzeichnet, die eine Leistungskontrolle und entsprechendeSteuerungsversuche schwierig oder unmöglich machen: Einer zersplittertenstaatlichen Struktur stehen Domänen der Forschung gegenüber, die aufgrundihres Informationsvorsprungs die Schwerpunkte der Forschungspolitik be-einflussen können. Das heißt, die Politik kann durch steuernde Eingriffe diegewünschte Schwerpunktsetzung kaum erreichen. Mayntz und Scharpf wen-den diesen Gedanken des Principal-agent-Theorems folgendermaßen auf diedeutsche Forschungslandschaft an:

As far as public support for basic research is concerned, institutional arrange-ments in West Germany are almost the exact opposite of what would have beenprescribed by the theory of optimal control. Instead of a »principal« that is ableto specify incentives unilaterally, we have twelve governments with divergentinterests that nevertheless must act in concert much of the time. And instead of aplurality of »agents« that must reveal their privileged information when com-peting against each other for resources, we have domain monopolies within thescience system whose representatives are able to jointly define the priorities ofgovernment research policy. Under such conditions, clearly, the notion that gov-ernments might be able to exercise unilateral, hierarchical control over researchsystems has no institutional foundation. (Mayntz /Scharpf 1990: 72)

Wissenschaftler in existierenden Domänen haben gute Chancen, diese zuverteidigen, wohingegen neue Projekte oder Forschungsschwerpunkte esschwerer haben (Schimank 1994: 57–58). In diesem institutionellen Arran-gement besteht kein sichtbarer Anreiz zur Innovation. Innerwissenschaftli-che Innovationen müssen sich innerhalb bestehender Domänen (im Vertei-lungskampf mit Kollegen) durchsetzen, während Innovationsversuche, dievon der Politik angestrengt werden, von den Domänenvertretern abgeblocktwerden können. Die Chancen zur Innovation wären am größten, wenn sichForschungspolitik und Wissenschaft auf neue Schwerpunkte einigen könn-ten, wozu aber kaum institutionelle Anreize bestehen.

Auch im US-System hat der Auftraggeber keine Monopolstellung: dieStruktur der Forschungsförderung ist pluralistisch und dezentral. Das insti-tutionelle Design macht allerdings eine Steuerung der Forscher über dieVergabe von Fördermitteln sehr viel besser möglich:

In the US, we are very cruel to our scientists. We make hard decisions – and wecontrol what they work on to some degree – by funding mechanisms. If there isno longer funding, or only greatly decreased funding in area X, people are simply

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 337

not going to work in that area … The second way American institutions handlesuch things, salaries, is also pretty cruel. At a given expertise and seniority levelin the U.S., the salary structure can vary by a factor of two or more. That’s an-other way we give the message, silently, but dramatically, to faculty membersthat they need to improve, even if they have tenure. (Dresselhaus 1995: 70f.)

Ein letzter Punkt, der die Unterschiede der Wissenschaft in beiden Ländernzeigt, betrifft die unterschiedliche Bereitschaft von Wissenschaftlern, sich inder Öffentlichkeit zu engagieren (sowohl politisch als auch professionsstra-tegisch). Die US-Wissenschaftler, zumindest im hier untersuchten Beispiel,haben eine Möglichkeit gefunden, beide Formen des öffentlichen Engage-ments zu ihrem Vorteil miteinander zu verbinden, während es in Deutsch-land vergleichsweise lange gedauert hat, bis etwas Ähnliches zu sehen ist.Dies könnte auf die in den USA stärker ausgeprägte Abhängigkeit von For-schungsgeldern zurückgeführt werden, zu deren Erwerb man sich in größe-rem Maße öffentlich engagieren muß als im deutschen System. Die US-Wissenschaftler sind aus Interessengründen auf die öffentliche oder halböf-fentliche Darstellung und »Vermarktung« ihrer Ergebnisse angewiesen.45

Dieser Unterschied läßt sich durch die unterschiedliche Bereitschaft zur öf-fentlichen Dramatisierung illustrieren: Die Metapher des Ozonlochs wurdevon amerikanischen Wissenschaftlern, nicht von Journalisten geprägt und inöffentlichen Umlauf gebracht. Die Metapher des Waldsterbens wurde vomSpiegel geprägt und von deutschen Wissenschaftlern gern durch den Begriff»neuartige Waldschäden« ersetzt (H.-J. Luhmann 1991).

Ruft man die Unterscheidung zwischen norm- und interessenorientiertemHandeln von Wissenschaftlern ins Gedächtnis, die in Kapitel 3 entwickeltwurde, so spielt normorientiertes Handeln dafür eine zusätzliche Rolle. DieVerbindung beider Handlungsorientierungen kann sogar zum Vorteil derDisziplin erfolgen. Damit ist nicht gesagt, daß sie auch zum Vorteil jedeseinzelnen Wissenschaftlers geht, denn die Risiken sind in jeder Hinsichtgroß. Sowohl das normative wie das interessenorientierte Handeln kann zu-rückschlagen in Form einer Kritik, daß die jeweilige Aktivität nichts mehrmit Wissenschaft zu tun habe.

45 In der von Brockman (1996) herausgegebenen Sammlung kann man gut nachvollziehen,wie Naturwissenschaftler (im anglo-amerikanischen Raum) öffentliches Interesse für For-schungsgebiete erzeugen, die oft keinerlei Anwendungsrelevanz besitzen.

338 Kapitel 6

NAS und Enquetekommission

In beiden Vergleichsländern spielten Expertengremien von höchstem Rangzu unterschiedlichen Zeiten eine Rolle: in den USA war dies Mitte der sieb-ziger Jahre die National Academy of Sciences, in der Bundesrepublik dieEnquetekommission Mitte der achtziger Jahre. Im Gegensatz zur Bundesre-publik existiert in den USA eine nationale Wissenschaftsakademie, die alshöchste wissenschaftliche Autorität die wissenschaftliche Expertise zusam-menträgt. Ihre Reputation ist sicher nicht als industriekritisch einzuschätzen.Im Gegenteil, diese konservative Institution scheint des öfteren die Gefahrenfür Gesundheit und Umwelt heruntergespielt zu haben (Boffey 1975). DieTatsache, daß die NAS eine solche Reputation hatte und dennoch die Moli-na-Rowland-Hypothese für plausibel hielt, trug wesentlich dazu bei, daß dieBehörden sich ihrem Urteil frühzeitig (1976) anschlossen. Dieses Urteil wardie Basis für das zwei Jahre später erfolgte FCKW-Verbot in »nicht-essen-tiellen« Aerosolanwendungen des novellierten Clean Air Acts.

Die Enquetekommissionen der Bundesrepublik umfassen neben Wissen-schaftlern auch Politiker.46 Der Vorteil bei diesem Arrangement ist, daß dieBeschlüsse der EK unmittelbar politikrelevant werden, da sie Teil des Parla-ments ist. Damit verbunden ist ein möglicher doppelter Nachteil: Es drohendie Verwässerung des wissenschaftlichen Votums und die Selbstblockade(durch Mehrheits- und Minderheitsvotum). Erstaunlicherweise gelang die-sem Gremium ein einstimmiges Urteil zum Schutz der Ozonschicht, dasvom Parlament übernommen wurde, so daß der Vorteil der deutschen Insti-tution ausgespielt werden konnte (vgl. oben). Der Konsens der Enquetekom-mission hatte darüberhinaus eine intendierte europaweite Wirkung (siehe Ka-pitel 5).

Interessanterweise ergriffen Wissenschaftler in der Bundesrepublik nach1986 in den Medien direkt Partei für regulatorische Maßnahmen, währendsie in den USA hauptsächlich wissenschaftliche Evidenzen berichteten (vorallem über das Ozonloch und seine möglichen Ursachen). Dies dürfte seinenGrund darin haben, daß die Problematik in der Öffentlichkeit bereits veran-kert war, weshalb sich die Rolle der wissenschaftlichen Advokaten auf eineunterstützende Argumentation beschränkte. Rowland und andere stellten1974 die Forderung nach einem teilweisen Verbot von FCKW auf und wi-

46 Unter dem Vorsitz von Schmidbauer versammelte die Enquetekommission zum Schutz derErdatmosphäre zehn Parteipolitiker und neun Wissenschaftler. Wie auch in anderen En-quetekommissionen üblich, wurden die Wissenschaftler nach dem Parteienproporz be-stellt.

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 339

chen in der Folgezeit nicht davon ab. Nach 1985 setzten sie sich für einweltweites Verbot ein. Dies war die »baseline«, die in der US-Öffentlichkeit»immer schon« bekannt war. In der Bundesrepublik wurden um 1986 dieThemen Ozonschicht und Klimawandel zum ersten Mal in massiver Form indie Öffentlichkeit gebracht. Wissenschaftler traten dabei als Warner auf, wasvor allem darauf zurückzuführen ist, daß die Medien nach geeigneten An-sprechpartnern suchten.

6.3.4 Die Öffentlichkeit im Vergleich

Die politische Karriere des Umweltthemas im öffentlichen Bewußtsein istentscheidend für die politische Beschäftigung mit dem Thema. Die Medien-aufmerksamkeit für die Ozonschicht im Vergleichszeitraum zeigt zwei Höhe-punkte in den Jahren 1975 und 1988/89 (Abbildung 6-1). In beiden Länderngibt es Zeitungen, die sich bereits in den siebziger Jahren stärker mit demProblem befassen als andere (New York Times, FAZ, Zeit). Nach der Entdek-kung des Ozonlochs holen alle anderen Blätter auf. Auffallend ist die sehrviel stärkere Berichterstattung in den siebziger Jahren in den USA. Ab 1978gibt es eine gleich niedrige Parallelbewegung; die starke AufmerksamkeitMitte der achtziger Jahre setzt in den USA etwas früher ein und dauert etwaslänger. Dort gab es Forscher, die als lautstarke Advokaten an die Öffentlich-keit gingen. Eine solche Gruppe von Akteuren gibt es in der Bundesrepublikerst ab 1986.

Neben dem komparativen Aspekt soll hier nochmals die Frage der Alar-mierung der Öffentlichkeit durch Wissenschaftler aufgegriffen werden. Ad-vokaten wie karrierebewußte Wissenschaftler machen gleichermaßen vomMittel der Dramatisierung Gebrauch. Es scheint lohnend, dieses Mittel ein-zusetzen, um Forschungsgelder einzuwerben oder das eigene Forschungsfeldals Schwerpunkt der Forschung zu etablieren oder zu verteidigen. »Wer dasFeuer studiert, darf es nicht löschen wollen« (Clausen/Dombrowski 1984).Diese Formel scheint die Eigennutzorientierung der Wissenschaftler gutauszudrücken. Man könnte daraus ableiten, daß sich die Atmosphärenwis-senschaftler davor hüten, das Problem einer Lösung zuzuführen, da sie sichdamit die eigene Basis entziehen würden. Zweifellos spielt dieses Motivteilweise eine Rolle, die Frage ist, ob es dominantes Motiv ist. Dagegenspricht neben der empirisch beobachteten Tastache, daß es Wissenschaftlergibt, die sich als Sprecher von öffentlichen Interessen begreifen, ein theore-tischer Einwand. Andere Akteure (vor allem konkurrierende Forscherteams,

340 Kapitel 6

die Medien und darüber vermittelt potentielle Finanzgeber) sind über dieseAnreizstruktur ebenfalls informiert, wodurch sich eine rein interessenbasierteStrategie selbst unterminieren könnte. Ich gehe auf beide Möglichkeiten ein.

Die öffentliche Rolle, die von wissenschaftlichen Sprechern gespielt wird,kann problematisch werden. Sie müssen, um diese Rolle spielen zu können,sichtbar und hörbar sein. Stille Kollegen blicken neidisch auf die Sprecher,die im Rampenlicht stehen und spielen den wissenschaftlichen Wert ihrerAussagen herunter, da sie in ihren Augen zu viel mit der Presse reden undkomplizierte wissenschaftliche Zusammenhänge durch populäre Formulie-rungen vulgarisieren, in den Worten von Shils, vom Zentrum an die Periphe-rie wandern. Einerseits kann ein solches Engagement für die eigene Karriereförderlich sein, vor allem wenn man als Sprecher für die eigene Disziplinoder das Forschungsfeld auftritt und dadurch Zustimmung durch Fachkolle-gen erhält. Andererseits sehen es Fachkollegen nicht gern, wenn jemand öf-

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 341

fentlichen Ruhm genießt, statt seine tägliche Arbeit im Laboratorium, imHörsaal oder am Schreibtisch zu verrichten und die Forschungsergebnisse inder wissenschaftlichen Literatur zu berichten. »Jemand, der so viel Zeit hat,mit den Medien zu reden, hat keine Zeit mehr, gute Wissenschaft zu betrei-ben« – so wird in vielen Fällen das Urteil konkurrierender Fachkollegenlauten, zumal jener, die mit der politischen Interpretation der wissenschaftli-chen Daten durch die prominenten Kollegen nicht übereinstimmen.47

Die Medien selektieren Ereignisse nach ihrem »Nachrichtenwert« (Schulz1976).48 In der Umweltberichterstattung begünstigt dies einen gewissen Ka-tastrophismus oder Sensationalismus (Brand 1995: 58). Es gibt aber nichtnur die Strategie, Verkaufszahlen durch dramatische Ereignisse und Panik-mache zu steigern (de Haan 1995). Seriöse Blätter legen Wert auf eine sach-liche Berichterstattung, die teilweise so weit geht, daß Meldungen entlarvtwerden, die auf falschen Alarm hinauszulaufen scheinen (Boventer 1993:28). Die FAZ verkörpert diesen Ansatz sehr gut und auch bei der Zeit ist dieseLinie manchmal vorzufinden. Ein Gesprächspartner, dem dieser Ansatznicht zusagt, beschrieb ihn wie folgt:

Bei der FAZ findet Umweltpolitik nur statt, wenn es sich nicht vermeiden läßt,dann sicher auch fundiert. Bei der Zeit hängt es von dem jeweiligen Redakteurab, Herr Schuh könnte auch bei der FAZ sein, er ist ausgesprochen kompetent,aber er scheint nach dem Motto zu verfahren, den Schadstoff des Monats als Po-panz zu entlarven. (Interview 24)

Je schlimmer die potentielle Gefahr in der Öffentlichkeit erscheint, destoweniger kann es sich die Politik allerdings leisten, die Warnungen zu igno-rieren. Politiker sind dann in der Regel gezwungen, unter dem Imperativ der»blame avoidance« (Weaver 1986) zu handeln, die Forschung weiterhin zufinanzieren und die Resultate ernst zu nehmen.

Die Erzeugung massenmedialer Aufmerksamkeit (und Medienparteinah-me) ist faszinierend. Es fällt auf, wie perfekt das timing von alarmierendenArtikeln ist. Einige Beispiele: Rechtzeitig zur Eröffnung der Londoner Fol-gekonferenz der Vertragsstaaten zum Montrealer Protokoll (27.–29.6.1990)erscheint die Meldung in der internationalen Presse, daß die Ozonschichtschneller ausgedünnt wird als erwartet, und daß sie in der Nordhemisphäreähnliche Ausmaße annehmen könnte wie in der Antarktis (Financial Times,

47 Siehe Nance (1991, Kapitel 10) zu solchen Mechanismen in der Klimadebatte.48 »Das Dramatische rangiert vor dem Inkrementalen. Häufigkeiten und Wahrscheinlichkei-

ten treten in den Hintergrund. Auf der Makroebene findet dies seinen Ausdruck in denNachrichtenwertfaktoren der Publikumsmedien«, schreibt Vowe (1994: 431).

342 Kapitel 6

21.6.1990). Rechtzeitig zur Eröffnung der Kopenhagener Folgekonferenzder Vertragsstaaten (23.–25.11.1992) wird gemeldet, die Ozonschicht sei sodünn wie nie zuvor: in der Nordhemisphäre habe eine Abnahme von 15 bis20 Prozent stattgefunden. Diese Meldung erscheint im November, nachdemdie NASA Anfang Februar sogar ein arktisches Ozonloch prognostizierthatte (Financial Times, 14.11.1992).49 Senator Al Gore sprach von einem»Ozonloch über Kennebunkport«, dem Ferienort der Familie Bush in Maine.Auf dem Titelblatt von Time stand zu lesen: »Vanishing Ozone: The DangerMoves Closer to Home«. Der US-Senat beschloß unmittelbar darauf (in ei-ner 96:0 Abstimmung), den Ausstieg aus FCKW von 2000 auf 1995 vorzu-ziehen.50 Die Voraussage über einen dramatischen Ozonabbau im Nordenbestätigte sich nicht. Im April berichtete die NASA, daß aufgrund einer plötz-lichen Erwärmung der arktischen Luft die Ozonabnahme nur 10 Prozent be-tragen habe. Last bust not least: Rechtzeitig zur Wiener Folgekonferenz derVertragsstaaten im November 1995 wird ein neuer Negativrekord vermeldet,diesmal ist es die Größe und die Dauer des antarktischen Ozonlochs. DreiMeldungen aus der FAZ illustrieren die Inszenierung des Alarms. Am 13. Sep-tember 1995 meldet die WMO, der Ozonschwund sei der bisher schnellsteseit Anfang der achtziger Jahre. Am 8. November wird diese Einschätzungrevidiert: Die WMO teilt mit, das Ozonloch sei nicht weiter gewachsen. Am1. Dezember, zwei Tage vor Konferenzbeginn in Wien, fordert Umweltmini-sterin Merkel die Entwicklungsländer auf, die ihnen zugestandene Über-gangsfrist nicht auszuschöpfen, da sich die »Prognosen über die weitere Ver-größerung des Ozonlochs als richtig erwiesen« hätten (FAZ, 2.12.1995: 5).

6.4 Die Lernfähigkeit moderner Gesellschaften

Die Ergebnisse dieser Arbeit werfen mehrere allgemeine Fragen auf, vondenen abschließend nur drei aufgegriffen werden sollen. Zum ersten die

49 Der Spiegel brachte am 10. Februar 1992 die Titelgeschichte »Ozonloch über Europa«.50 Von mir befragte Wissenschaftler äußerten sich kritisch dazu: »This was a little bit over-

stated … They were operating out of Maine and Bush was there on holiday, and they weretelling that you could have [an ozone hole]. That was premature, they were too excitedthat they found some of the culprits in between reaction species which confirmed the viewof ozone destruction« (Interview 2). »That had a big impact in the community, it was saidwe spoke too soon, I was not involved in it, but it was a mistake« (Interview 17). »The de-cision of Bush to ban came immediately after Al Gore went on television and talked abouta hole in ozone over Kennebunkport which might get George Bush’s attention …«(Interview 30).

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 343

Frage, ob moderne Gesellschaften in der Lage sind, katastrophale Entwick-lungen zu vermeiden, die sich aufgrund ihres Einwirkens auf die natürlicheUmwelt ergeben. Dies berührt das Problem der Prognosefähigkeit für glo-bale ökologische Probleme. Zum zweiten die Frage, wo in modernen Gesell-schaften das Orientierungswissen für solche Probleme zu suchen ist. Hierzeigt sich eine spezifische Definitionsmacht der Naturwissenschaftler, diebislang deutlich höher als die der Sozialwissenschaftler ist. Generell stelltsich drittens die Frage nach der Organisierbarkeit diffuser Interessen und desErhalts von globalen Gemeinschaftsressourcen. Diese Frage wird im letztenAbschnitt in Thesenform aufgegriffen.

6.4.1 Prognosemöglichkeiten katastrophaler Entwicklungen

Zur ersten Frage: Man kann globale ökologische Probleme nicht als generellvorhersehbar oder als generell unvorhersehbar einstufen. Zwei prominenteglobale Probleme, der Treibhauseffekt und das Bevölkerungswachstumwurden schon vor über einhundert Jahren diskutiert. Das Problem der mög-lichen Schädigung der Ozonschicht wurde erst seit gut zwanzig Jahren er-kannt, anfänglich wurden Flugzeug- und Raketenemissionen als möglicheUrsachen angenommen, danach FCKW – letztere eine Klasse von Stoffen,die bis dahin als völlig ungiftig und ohne Nebenwirkungen für die Umweltgegolten hatten. Dies ist Anlaß zur Befürchtung, daß unter den Tausendenvon industriell hergestellten Chemikalien noch viele andere Katastrophen-potentiale schlummern.

If someone wants to kill a new bug, they will find a formula and it is quite easyto make and then you have a substance which has never been in the world before.And it can be on a mass market in amounts which matter. You can flood theworld within ten short years. There is none of us clever enough to take this for-mula and look at it and say: »It will have this effect on the world« … (Interview 44)

Dieser Wissenschaftler hält es für reines Glück, daß nur Brom und Chlor,nicht aber Fluor dramatische Umweltwirkungen besitzen:

It is not a small change we’ve made with chlorine. It is seven times since the1930s. Luckily fluorine did not matter, it is just sheer luck. So you have to begreatly pessimistic that technologically we are extremely clever and environ-mentally we are extremely stupid. (Interview 44)

344 Kapitel 6

Auch Paul Crutzen hat den Eindruck, daß die Menschheit haarscharf an ei-ner Katastrophe vorbeigeschlittert ist:

Brom [ist] für Ozon fast hundertmal gefährlicher als Chlor bezogen auf die glei-che Zahl Atome. Das führt zu dem erschreckenden Gedanken, daß wenn diechemische Industrie organische Bromverbindungen anstatt der FCKWs entwik-kelt hätte – oder wenn die Chlorchemie der Bromchemie ähnlicher wäre – wirvöllig unvorbereitet schon in den siebziger Jahren einem katastrophalen Ozon-loch überall und zu allen Jahreszeiten ausgesetzt gewesen wären, wahrscheinlichbevor Atmosphärenchemiker das notwendige Wissen gehabt hätten, die Proble-me zu identifizieren … Da sich vor 1974 niemand Sorgen um die Konsequenzendes Chlor- und Bromeintrags in die Atmosphäre gemacht hatte, kann ich nurschließen, daß wir viel Glück gehabt haben. Dies zeigt, daß wir allzeit auf derHut sein sollten bezüglich möglicher Folgen des Eintrags neuer Produkte in dieUmwelt. Eine permanente Überwachung der Zusammensetzung der Stratosphärebehält daher für viele kommende Jahre eine hohe Priorität.(Crutzen 1996: 1891f.)

Wenn wir auf der Hut sein sollen, aber kein sicheres Wissen besitzen, wiekönnen wir dann globale Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen? DurchDelphi-Umfragen läßt sich zum Beispiel herausfinden, welches nach Ansichtder Wissenschaftler die dringendsten globalen Probleme sind (vgl. Stewart1987; Wilenius 1996). Doch ist bei der Beurteilung einzelner Unsicherhei-ten, Risiken und Schädigungspotentiale kein Konsens der Experten zu er-warten. Dies hat zum einen mit der Interessiertheit an bestimmten For-schungsergebnissen zu tun, andererseits mit der disziplinären Spezialisie-rung. Teilweise greifen beide Prozesse ineinander, etwa dann, wenn eineTeildisziplin eher entlastende Befunde für die Industrie findet, eine anderehingegen belastende. Daraus folgt einerseits, daß es eine Illusion ist, anzu-nehmen, die Wahrung der wissenschaftlichen Autonomie reiche zur Erlan-gung eines wissenschaftlichen Konsenses aus. Das technokratische Politik-modell wird dadurch obsolet. Stattdessen gewinnt ein Modell an Bedeutung,das wissenschaftliche Kontroversen in einem öffentlichen Streit ermöglichtund erfordert. Daraus folgt auch, daß die Zusammenführung wissenschaftli-cher Expertise aus verschiedenen Disziplinen oder Teildisziplinen eine grö-ßere Bandbreite an potentiell ernsten Problemen aufdecken kann, ohnegleich zum Verständnis oder zur Erklärung vorzudringen. Die Politisierungder Wissenschaft kann dabei eine katalytische Wirkung haben. Zusammen-genommen ergibt sich, daß die Anforderungen an erfolgreiche Wissen-schaftler zunehmen: sie müssen den Horizont der eigenen Disziplin und dender »reinen Wissenschaft« überschreiten.

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 345

Katalytische Prozesse in Atmosphäre und Gesellschaft

Seit etwa zwanzig Jahren weiß man, daß Spurengase für den Ozonhaushaltder Atmosphäre verantwortlich sind. Ihre Konzentration beträgt MilliardstelAnteile pro Volumenanteil Luft. Die katalytischen Reaktionen, die dieOzonschicht langfristig reparieren können, wurden down on earth, innerhalbder Gesellschaft, ebenfalls von einer winzigen Akteurgruppe ausgelöst. Da-mit es dazu kommen konnte, mußten sich zwei Reiserouten kreuzen: dieRoute der FCKW auf ihrem Weg in die Stratosphäre mit der Route der At-mosphärenwissenschaftler auf ihrem Weg zurück von der Erforschung ande-rer Planeten zur Erde. Denn die Stratosphäre blieb lange unbeachtet, sie warnoch zu Beginn der siebziger Jahre ein wissenschaftliches Niemandsland(vgl. Dotto/Schiff 1978: 206f). Meteorologen beschäftigten sich mit derTroposphäre, mit jener Region, wo sich das Wetter abspielt. Das bevorzugteForschungsgebiet der Aeronomen wurde durch die finanzielle Förderung desUS Department of Defense vorgegeben und bestand in einer Beforschungdes Wiedereintritts von Raketen in die Atmosphäre – ein Vorgang, der sichin der Mesosphäre (oberhalb der Stratosphäre) ereignet. Und nachdem vorallem die NASA die Forschungsförderung auf dem Gebiet der Aeronomieübernommen hatte, bekam die Atmosphäre anderer Planeten Priorität (Gibtes Leben auf dem Mars?).

Die Atmosphärenwissenschaftler kehren etwa zur selben Zeit zur Erdezurück, als der »blaue Planet« ins öffentliche Bewußtsein tritt und als etwasäußerst Schönes, aber auch Delikates, Zerbrechliches empfunden wird –ganz im Gegensatz zu Mars, Venus und dem Mond, die kein Leben zu be-herbergen scheinen:

Inmitten trostloser Wüste enthüllt sich die alte Erde als der bewohnbare, als derganz besondere Stern. Was als interplanetarische Expedition zu fernen Abenteu-ern begonnen hatte, endete in einem gewissen Sinne mit einer Rückwendungzum Ausgangspunkt; selbst die Raumfahrt konzentrierte in den zwei Jahrzehntennach dem Apollo-Programm ihre Aufmerksamkeit auf Umkreisungen im Gravi-tationsfeld der Erde. (Sachs 1994: 306)

Die Verletzbarkeit des Planeten Erde wird vor allem anhand globaler Um-weltprobleme in der Weltöffentlichkeit thematisiert. Die FCKW-Problema-tik veranschaulicht dies. Als die schleichende Bedrohung nach der Entdek-kung des Ozonlochs in eine akute Gefahr umgeschlagen war, wurden dieStaaten zu einer internationalen Kooperation auf dem Feld der Umweltpoli-tik angetrieben. Dabei haben umweltpolitisch engagierte Wissenschaftler ei-ne wichtige gesellschaftspolitische Rolle gespielt und eine katalytische Rolle

346 Kapitel 6

entfaltet. Damit katalytische Prozesse starten können, muß eine kritischeMasse an reaktionsfähigen »Substanzen« vorhanden sein. Institutionelle Fak-toren hatten dafür gesorgt, daß die kritische Masse in den USA größer warund sich früher gebildet hatte als in der Bundesrepublik. Hier kommt es zueiner »nachholenden Entwicklung«, bei der in kurzer Zeit eine Alarmierungder Öffentlichkeit und eine Aktivierung von Wissenschaftlern erfolgt undeine entsprechende Handlungsbereitschaft bei Politikern wächst.

Für viele der in der Öffentlichkeit sichtbaren Wissenschaftler stellt sichfreilich das Problem, ihre tatsächlich gespielte Rolle mit den gesellschaftli-chen Zuschreibungen (dem »Ideal der Wissenschaft«) zu vereinbaren. Dadurch zu starkes öffentliches Enagement ihre wissenschaftliche Glaubwür-digkeit leiden kann, betonen sie den Konsens über rein wissenschaftlicheFragen. Insbesondere heben sie hervor, daß es ohne wissenschaftliche Er-kenntnisse keine Parteinahme ihrerseits gegeben hätte. Doch sind nicht alleWissenschaftler zu jedem Zeitpunkt von diesen Erkenntnissen überzeugt.Und auch ihre Parteinahme variiert je nach persönlichem Naturbild undZeitpunkt. Ihre Purifizierungsstrategien sind die notwendige Kehrseite einesHybridisierungsprozesses, in dem sie sich auf ihr praktisches Urteilsvermö-gen verlassen.

Hybridisierung

Gelingt es, trotz fortschreitender Differenzierung innerhalb der modernenGesellschaft die Kombination von disparaten Fähigkeiten zu leisten?51 Wel-che institutionellen Arrangements sind dafür geeignet? Wie es scheint, müs-sen dafür mindestens zwei Aufgaben gelöst werden: erstens die Verbreite-rung der (spezialisierten) Wissensbasis, zweitens die des Erwerbs von Ur-teilsvermögen bei Fragestellungen, die zweideutige Ergebnisse produzieren.Während die Verbreiterung der Wissensbasis institutionell durch interdiszi-plinäre und transdisziplinäre Forschungsprojekte angegangen werden kann,ist für die zweite bislang keine institutionelle Lösung in Sicht. Es wurde ver-schiedentlich vorgeschlagen, daß man dem Modell der klinischen Professio-nen folgen sollte, indem man Wissenschaftler ausbildet, die sich informelleEntscheidungsregeln in der praktischen Arbeit erwerben. Ihr Urteilsvermö-

51 »Spencer and Durkheim, of course, would have been optimistic, since they postulated thatincreased differentiation was followed by the rise of integrating agencies that brought to-gether the parts. But this aspect of their theories seems to be inaccurate, and we have dif-ferentiation without integration and seem quite possibly fated to have it for a very longtime to come« (R. Collins 1986: 1340).

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 347

gen würde dann in einer Kombination von Wissens- und Praxisgebieten ent-stehen (Böhme/Schramm 1985; Marcus 1988; Interview 42).

Im Forschungsbereich Ozonschicht hat sich zwar eine fruchtbare und er-folgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Atmosphärenchemi-kern und dynamischen Meteorologen entwickelt, sie hat aber nicht auf andereGebiete übergegriffen, wie zum Beispiel die Biologie. Kann man aus diesererfolgreichen Kooperation etwas lernen für andere Fälle? Alles deutet daraufhin, daß es vor allem engagierten und motivierten Wissenschaftlern gelun-gen ist, eine solche umfassendere Perspektive zu entwickeln. Die bahnbre-chenden Arbeiten in der Atmosphärenwissenschaft wurden fast alle von Au-ßenseitern hervorgebracht. Rowland, Crutzen und andere veranschaulichendies in exemplarischer Weise. Rowland war Neuling auf dem Gebiet derAtmosphärenchemie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Molina-Row-land-Hypothese52 und wurde einer ihrer prominentesten Vertreter. Im Laufder Kontroverse mischte er sich überaus erfolgreich in ein zusätzliches Ex-pertenfeld ein (in die Statistik im Rahmen der Arbeiten des OTP). Ohne sei-ne Motivation wäre es wahrscheinlich schwierig gewesen, den tatsächlichgemessenen Ozonabbau so schnell zu einer wissenschaftlichen Tatsachewerden zu lassen.

If Rowland hadn’t been so missionary about this it would never have developedto this point. If it would have been treated objectively, scientifically, as I wouldhave liked to have seen it done, it probably would never have been treated as aserious issue by the public and by politicians. If he hadn’t stirred up the Greensand the politicians … . He must have spent an enormous amount of his time andeffort going around lecturing, talking. He really barnstormed. He went to everylittle town and every little community, delivering his speech. I thought this isn’tthe way to do science, but I think he was probably right, because he believed in it. (Interview 42)

Crutzen war Autodidakt, Cicerone, Molina und Stolarski junge, noch nichtetablierte Atmosphärenwissenschaftler.

Engagierte und öffentlich sichtbare Wissenschaftler, die sich eine breitereWissensbasis und praktisches Urteilsvermögen aneignen, fallen nicht vomHimmel, sie werden erst zu solchen in einem langen Prozeß von wissen-schaftlichem und öffentlichem Engagement. Dies ist ein dornenreicher Weg,insbesondere, wenn man die zweideutige Anreizstruktur in bezug auf öf-fentliches Engagement betrachtet. Es wäre Wunschdenken zu glauben, daßdie zunehmende Größe der Umweltrisiken automatisch die Risikobereit-

52 Damals sagte er von sich: »I’m a well-known unknown« (zit. bei Roan 1989: 5).

348 Kapitel 6

schaft bei gesellschaftlichen Akteuren (in diesem Fall bei Wissenschaftlern)erhöhe und damit einen Ausgleich schaffe, getreu dem Hölderlin-Marx-Dik-tum: »Wo die Gefahr ist, wächst das Rettende auch« beziehungsweise »DieMenschheit stellt sich nur Aufgaben, die sie auch lösen kann« (Zürn 1998).

Die oben dargestellten Entwicklungen scheinen schlecht zu zwei älterenAnsätzen der Wissenschaftssoziologie und Wissenschaftsphilosophie zu pas-sen. Zum einen könnte Merton in der hier beschriebenen wissenschaftlichenPraxis kaum noch die normative Struktur erkennen, die er für genuin wissen-schaftlich hielt. Nicht nur die eigennützigen (»unethischen«) Fälle von Norm-verstoß (die nicht sanktioniert wurden) sprechen dagegen (siehe Kapitel 3),sondern vor allem die fast durchgängige Verletzung des Gebots des organi-sierten Skeptizismus und der Unvoreingenommenheit.53 Wissenschaftler, dievon einer bestimmten Kausalität überzeugt sind, auch wenn sie sie nicht be-weisen können, besitzen allerdings vielfach die größere Motivation und Aus-dauer, Forschungsgelder und Aufmerksamkeit zu erlangen als andere54 – vor-ausgesetzt, sie verlieren nicht den Kontakt zum Kern der Forschungsgruppeund bleiben von Interessengruppen unterscheidbar. Dies könnte ein generel-les Muster wissenschaftlicher Praxis unter verschärften Wettbewerbsbedin-gungen werden. Andererseits findet sich in der hier vorgestellten wissen-schaftlichen Praxis keine durchgängige Befolgung des Falsifikationskriteri-ums. In der lang andauernden Kontroverse werden beide Seiten mit falsifi-zierenden Befunden konfrontiert, worauf mit Abwehr- oder Angriffsstrategienbis hin zur Verschiebung der Fragestellung reagiert wird – für Popperianerein typisches Zeichen von Ideologisierung und Immunisierung der eigenenTheorie (und damit von Unwissenschaftlichkeit). Diese Probleme stellensich für die neueren Ansätze der Wissenschaftssoziologie nicht, da sie vonder interpretativen Flexibilität wissenschaftlicher Ergebnisse und der Wich-tigkeit sozialer Faktoren bei der Schaffung neuen Wissens ausgehen. Diehier präsentierten Ergebnisse bestätigen dies. Dies heißt allerdings nicht, daßjedes Ergebnis gleiche Gültigkeit beanspruchen konnte. Die Einschränkun-gen an Geltung, die sich ergaben, haben aber vor allem mit der zeitlichenund sozialen Dynamik der Wissensentwicklung zu tun. Im Lauf einer Kon-troverse werden »abgehakte« Punkte nicht mehr weiter verfolgt; wer den-

53 Merton hat dies in einem anderen Zusammenhang durchaus gesehen (siehe Merton 1985b).54 Vom Physiker und Nobelpreisträger Steven Weinberg wird berichtet, daß er das Festhalten

an bestimmten Weltbildern für erkenntnisfördernd hält: »Es sei am besten, wenn Physikernicht an das anthropische Prinzip glaubten, denn sonst seien sie nicht mehr motiviert, nacheiner vereinheitlichten Theorie zu suchen, und wenn sie nicht danach suchten, würden sieauch mit Sicherheit nichts finden« (zit. in Brockman 1996: 381).

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 349

noch darauf insistiert, wird marginalisiert. Hat sich eine Kerngruppe vonForschern derart auf einen überprüfbaren Hypothesenset geeinigt, kann seineBestätigung oder Falsifizierung analytisch und experimentell erfolgen. Diesgeschah im Falle des Ozonlochs durch Standardisierung und Feldexperi-mente, die teilweise den Status von experimenta crucis erlangten.

6.4.2 Orientierungswissen

Ungewißheit bedeutet zwar nicht völlige Unwissenheit, ist aber mir ihr ver-wandt. Existieren mindestens zwei von der wissenschaftlichen Gemeindeernst genommene Theorien, befinden wir uns im Zustand der Ungewißheit,da wir nicht sagen können, welche von ihnen die richtige ist. Elster gehtnoch einen Schritt weiter: »Je größer die Anzahl konkurrierender Theorien,desto größer die Wahrscheinlichkeit, daß sie alle unwahr sind« (Elster1993: 79).55 Das Problem verschärft sich, wenn Ungewißheit und Irreversi-bilität zusammentreffen, denn dann kann man unter Umständen nicht genugsicheres Wissen erzeugen, bevor es für eine Umkehr zu spät ist. KritischeSchwellenwerte sind erst post festum identifizierbar, in den Worten vonWilliam Blake: »Man weiß nie, wie viel genug ist, wenn man nicht weiß,wie viel mehr als genug ist« (zit. bei Elster 1993: 79).56 Gibt es darüber kei-ne allgemein akzeptierte Theorie, könnten wir auf die praktische Urteilskraftvertrauen. Elster ist skeptisch, was diese Möglichkeit angeht, da wir nichtwissen, wer diese Eigenschaft besitzt und wer nicht. Er sieht die Urteilskrafteher bei erfolgreichen Politikern und Unternehmern (da sie »überlebt« ha-ben) als bei Wissenschaftlern und Verwaltungsleuten, die normalerweise insicheren Stellungen sitzen. Insbesondere könne man nicht davon ausgehen,daß Wissenschaftler informierte und unverzerrte Urteile abgeben, da sie An-

55 Elster bezieht sich hier auf eine Überlegung Føllesdals (1979): Wenn wir eine Anzahl vonTheorien haben, die alle aufgrund unterschiedicher Annahmen unterschiedliche Voraussa-gen machen, könnte dies darauf hindeuten, daß der Gegenstand der Theorien ein Teil desUniversums ist, das wir einfach nicht gut genug verstehen. Es könnte deshalb etwas nochSchlimmeres passieren, oder die Wahrscheinlichkeit, daß das Schlimmste passiert, ist nochgrößer, als von den bekannten Theorien vorausgesagt wird. Diese scharfsinnige Beobach-tung, die am Beispiel der rDNA formuliert wurde, kann als Vorwegnahme der Entwick-lung im vorliegenden Fall gelesen werden.

56 Nach Luhmann muß die Politik »das entscheiden, was weder richtig noch falsch entschie-den werden kann. Damit könnten zumindest relative Irreversibilitäten geschaffen werden,die daran anschließende Beobachtungen ermöglichen« (Luhmann 1990: 168). Dieser An-satz birgt ein Katastrophenpotential, wenn es sich um »tatsächliche« Irreversibilitätenhandelt.

350 Kapitel 6

hänger einer der konkurrierenden Theorien seien (Elster 1993: 74). Auch El-ster scheint die Rolle von wissenschaftlichen Sprechern als gesellschaftspo-litische Akteure zu übersehen, die durch eine Verkopplung von norm- undinteressegesteuerten Motiven in der Kontroverse in prominenter Weise mit-spielen. Ihr praktisches Urteilsvermögen wird in einer öffentlichen Kontro-verse ständigen Glaubwürdigkeitstests unterworfen. Je besser sie diese imZeitablauf bestehen (im Vergleich zu konkurrierenden Akteuren), desto eherscheinen sie als Ratgeber geeignet.57

Wie steht es mit der Chance, das Orientierungswissen außerhalb des na-turwissenschaftlichen Bereichs, aber immer noch innerhalb der Wissenschaftanzutreffen? Lepenies (1989) sieht Wissenschaftssoziologie, Wissenschafts-geschichte und Wissenschaftstheorie in der möglichen Rolle »sekundärerOrientierungsdisziplinen«. Angesichts riskanter Technologien und der Un-fruchtbarkeit einer alternativen Forschungsethik haben Erwerb und Ver-breitung von Orientierungswissen höchste Priorität: »Es geht um die Ent-wicklung einer neuen Wissenschaftsmentalität. Wir stehen vor einem Sozia-lisationsproblem« (Lepenies 1989: 155). Die Ergebnisse meiner Arbeit legenden Schluß nahe, daß es hier einen länderspezifischen Unterschied gibt, dersich darin äußert, daß die stärker an den Rändern der Wissenschaft und inder Öffentlichkeit operierenden amerikanischen (natur-)wissenschaftlichenExperten in vielen Fällen selbst solches Orientierungswissen liefern.58 Fallsmeine Analyse zutrifft, so wird dadurch Lepenies’ Vorschlag der besonderenFunktion der Soziologie zwar nicht entkräftet. Zusätzlich zu den von ihmerwähnten Aufgaben (Zerstörung der Mythen der Selbststeuerung der Wis-senschaft, der kumulativen Wissensvermehrung und der »westlichen« Ra-tionalität) müßte die mögliche gesellschaftspolitische Rolle von Wissen-schaftlern treten. Doch dies ist alles Zukunftsmusik. Bevor sich die real exi-stierende Soziologie über Fragen der Entscheidung unter Unsicherheit undder Repräsentation diffuser Interessen auch nur zu verständigen beginnt (vgl.Douglas 1988), geben die Naturwissenschaftler die Route vor – und nicht

57 Bereits Knight sah einen selbstselektierenden Mechanismus, der die hierfür geeignetenAkteure auswählt: »[T]hose with confidence in their judgement and disposition to ›back itup‹ in action specialize in risk-taking« (Knight 1921: 270).

58 Vgl. hingegen Becks vernichtendes Urteil über die Wissenschaften: »Die Wissenschaftensind, so wie sie verfaßt sind … gar nicht in der Lage, auf die Zivilisationsrisiken angemes-sen zu reagieren, da sie an deren Entstehen und Wachstum hervorragend beteiligt sind. Siewerden vielmehr … zum legitimatorischen Schirmherren einer weltweiten industriellenVerschmutzung und Vergiftung von Luft, Wasser, Nahrungsmitteln usw. sowie dem damitverbundenen allgemeinen Siechtum und Sterben von Pflanze, Tier und Mensch« (Beck1986: 78; Hervorh. im Original; vgl. Mills 1961, 1963 und Restivo 1988).

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immer in Richtung einer Risikovermehrung. Atmosphärenwissenschaftlerhalten Sozialwissenschaftlern gar vor, ihre Hausaufgaben nicht gemacht zuhaben, und entwerfen eigene Lösungsvorschläge (Hasselmann 1998). Versu-chen Sozialwissenschaftler zu reagieren, sind sie angesichts naturwissen-schaftlicher Erklärungen oft überfordert. Sie tendieren zu Zynismus oderMoralismus. Sie nehmen eine selektive Gewichtung von Erkenntissen oderInterpretationen vor, um die eigene (skeptische oder engagierte) Position zubegründen. Jenseits dieser Akkomodation wissenschaftlicher Ergebnisse mitdem eigenen Weltbild könnten wissenschaftssoziologische Analysen diestrategischen und rhetorischen Praktiken der Wissenschaftler nachzeichnen,um den Prozeß der Produktion von Fakten und Institutionen zu verstehen.Doch Soziologen stehen oft in risikorelativistischer Manier abseits, verwei-sen auf massenmediale Aufmerksamkeitszyklen (Downs 1972) und daswahrscheinliche Verschwinden des Problems. Die Fragen werden damit fürnicht so wichtig genommen, wie sie in der jeweiligen Situation scheinen.Dort, wo sie ernst genommen werden, verleitet die Überzeugung (die oftmoralisch verbrämt wird) zur Parteinahme bestimmter politischer Forderun-gen. Die Alternative zur relativistisch-zynischen und zur moralisch-betroffe-nen Reaktion liegt in einer (wissenschafts-)soziologischen Analyse der natur-wissenschaftlichen Diskurse, wodurch eine klare Vorstellung der involvier-ten Interessen und Ideen zentraler Akteure solcher Kontroversen geschaffenwird.

Der rote Faden, der die esoterische Wissenschaft mit den Niederungender Politik, den Himmel über der Antarktis mit chemischen Fabriken, dieglobale Gefahr mit der nächsten Wahl und den Vereinten Nationen verbindet(Latour 1995: 7), wurde von engagierten Wissenschaftlern ausgerollt undsorgte für zahlreiche Verwicklungen im historischen Prozeß. Eine gesell-schaftswissenschaftliche Analyse, die diese Verwicklungen untersuchen will,muß in der Lage sein, Wissensentwicklung und institutionelle Strukturen,wissenschaftliche Evidenz und normative Orientierung, internationale Ko-operation und politische Steuerung miteinander zu verbinden. Die vorlie-gende Arbeit stellt einen solchen Versuch dar, die »komplexe Chemie derinternationalen Ozonregulierungen« (Parson/Greene 1995) zu analysieren.Die hier präsentierten theoretischen Ergebnisse warten auf ihre Überprüfungin weiteren empirischen Studien.

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6.4.3 Fünf Thesen

In dieser Arbeit wurde nicht der Versuch unternommen, die Richtigkeit vonwissenschaftlichen Aussagen über die Gefährdung der Ozonschicht oder dieAdäquanz von diesbezüglichen politischen Entscheidungen zu untersuchen.Auch mußte der Verlockung methodisch vorgebeugt werden, angesichts ei-ner antagonistischen Konstellation moralische Zuordnungen vorzunehmen.59

Der Verlockung, mögliche Lehren abzuleiten, die über den konkreten Fallhinausgehen, soll wenigstens teilweise nachgegeben werden. Ich umreißedazu fünf Thesen.

These 1 Die Repräsentation diffuser Interessen zur Bewahrung einergemeinschaftlichen Ressource erfordert Sprecher.

Die Bewahrung einer globalen gemeinschaftlichen Ressource setzt voraus,daß das Problem auf die internationale politische Agenda gelangt. Dies kanndurch internationale Organisationen oder durch das Engagement einzelnerStaaten geschehen. Solange es keinen Anreiz für freiwillige Produktionsum-stellungen gibt (entweder durch kostengünstige Technik oder durch öffentli-chen Druck), ist es für die Verursacher am rationalsten, an ihrer Produktionfestzuhalten. Die Bewahrung einer gemeinschaftlichen Ressource setzt daherim nationalen Rahmen Sprecher oder Public interest groups voraus, die dieRepräsentation diffuser Interessen übernehmen. Dies geschieht zunächst imnationalen Rahmen, wo entsprechende politische Optionen institutionell ver-ankert werden.

These 2 Transnationale Beziehungen sind entscheidend.

Hat sich ein Staat aufgrund seiner innenpolitischen Entwicklung auf eineVorsorgeposition begeben, so wird er international auf die Bremser und Un-entschlossenen einwirken. Neben dieser bekannten Form intergouvernemen-taler Beziehungen werden transnationale »laterale« und »diagonale« Bezie-

59 Dies ist kein Plädoyer für »Wertfreiheit«. Will man in inhaltlicher Hinsicht Stellung be-ziehen, muß man sich allerdings im klaren sein, daß eine solche Stellungnahme als Res-source innerhalb der Kontroverse verwendet werden kann (siehe die Auseinandersetzungüber das TA-Projekt »Herbizidresistenz« am Wissenschaftszentrum Berlin, vgl. dazu Dö-bert 1995; Saretzki 1995b). Man darf sich dann nicht wundern, daß man entsprechendwahrgenommen wird.

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 353

hungen immer wichtiger (vgl. Schneider et al. 1994: 478).60 TransnationalePolitiknetzwerke umfassen Akteure unterschiedlichster Herkunft und Hier-archieebenen, Regierungsvertreter und nichtgouvernementale Organisa-tionen. Hier muß die relative Autonomie von Repräsentanten korporativerAkteure betont werden. Diese handeln oft im Namen ihrer Regierung, ohnein allen Punkten dazu legitimiert zu sein. Dies ermöglicht ihnen, neue Faktenzu schaffen, die im nachhinein anerkannt werden.

These 3 Wissenschaftliche Laboratorien liefern wichtige Ressourcen für Entscheidungen unter Unsicherheit.

Durch Selbstbindung an Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung könnenAkteure versuchen, ihre Handlungspräferenzen im öffentlichen Diskurs ingewissem Umfang »rational« zu begründen. Die Voraussetzung dafür sindallerdings Laboratorien, weshalb nur Länder mit hinreichender wissen-schaftlicher Infrastruktur eine Rolle in internationalen Kontroversen spielen,in denen es um Unsicherheitsreduktion geht.61 Ähnlich der Lizenz zum Geld-drucken und der Verfügung über das Gewaltmonopol, stellen LabordatenMachtmittel dar, die auch im politischen Prozeß genutzt werden können.Legitimationsmöglichkeiten ergeben sich für die Politik vor allem, wennsich trotz bestehender wissenschaftlicher Unsicherheiten eine Liaison mitpolitischen Optionen herstellen läßt. Dies setzt voraus, daß die Öffentlich-keit eine solche Politik befürwortet. Gelingt es einer Gruppe von Wissen-schaftlern, die Öffentlichkeit zu alarmieren und als Sprecher von Betroffe-neninteressen aufzutreten, ist eine selbstverstärkende Dynamik wahrschein-lich, die sich zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit entwickelt.Die Industrie verliert in solchen Konstellationen an Einflußmöglichkeiten.

60 Die Terminologie von Schneider et al. ist etwas verwirrend. In dieser Unterscheidung fin-den intergouvernementale Beziehungen auf Regierungsebene statt, transnationale Bezie-hungen zwischen Akteuren unterhalb der Regierungsebene (zum Beispiel zwischen Ver-bänden, Interessengruppen, Parteien). Bei »diagonalen« Beziehungen wenden sich Interes-sengruppen eines Landes an die supranationale Ebene (zum Beispiel die EU). Doch sindtransnationale Beziehungen nicht nur lateral, sondern auch diagonal. Ich verwende deshalbden Begriff transnational sowohl für laterale als auch für diagonale Beziehungen.

61 Schmidbauer sagte dazu in einer Bundestagsdebatte über die Notwendigkeit eigener For-schung und ihrer Rolle für den Politikprozeß: »Dadurch werden sich die wissenschaftli-chen Erkenntnisse verdichten; die Dramatik der Situation kann stärker verdeutlicht unddamit natürlich auch der Druck für politische Maßnahmen erhöht werden« (DeutscherBundestag 1988: 6436).

354 Kapitel 6

These 4 Treten Wissenschaftler als Sprecher diffuser Interessen auf,so spielen sie im Kampf um öffentliche Glaubwürdigkeit einebesondere Rolle.

Die öffentliche Meinung und die Ausrichtung der Medien kann Unterneh-men und Politiker in Zugzwang bringen; die Themenauswahl und inhaltlicheAusrichtung wird allerdings oft durch Experten geleistet, die einer Befür-worterkoalition nahestehen oder gar als deren öffentliche Sprecher auftreten.Je besser es einer Seite gelingt, ihre Politikziele in der Medienberichterstat-tung glaubwürdig zur Geltung zu bringen, desto besser die Chancen, die ei-gene Seite zu stärken und die Siegchancen zu erhöhen. Alarmsignale sinddabei von entscheidender Bedeutung. Die Presse spielt in Fragen, bei denenes um komplizierte wissenschaftliche Probleme geht, keine unabhängigeoder gar initiierende Rolle. Ein deutlicher Indikator dafür ist die zeitlicheVerzögerung, mit der auf wissenschaftliche Konferenzen, Berichte, oder Be-funde reagiert wird, und die Tatsache, daß wissenschaftliche ErgebnisseAnlaß zur Berichterstattung sind. Die Medien haben in solchen Fällen imgroßen und ganzen eher eine Lautsprecherfunktion, als daß sie genuin eigeneWirklichkeiten produzieren.

These 5 In lang dauernden gesellschaftspolitischen Kontroversen führtder Wechsel von Wortführern aus einem Lager in das andere zuDominoeffekten.

In antagonistisch strukturierten Politikfeldern, in denen sich zwei Lager ineinem jahrelangen Kampf um Hegemonie gegenüberstehen, kann ein Netz-werk durch einen Angriff auf die Gegenseite Verbündete und/oder Ressour-cen aus dem gegnerischen Netz gewinnen. Das Wachstum einer Seite aufKosten der anderen verändert das Kräfteverhältnis zwischen den Netzwer-ken nachhaltig und entscheidend. Wenn es einer Seite gelingt, Ressourcenoder Verbündete aus der gegnerischen Allianz herauszulösen und selbst zurekrutieren, geht der eigendynamische Prozeß in eine Kettenreaktion über,vor allem wenn eine große Akteurpopulation außerhalb der beiden Netzwer-ke lange Zeit unentschlossen bleibt, plötzlich jedoch aktiviert wird. Dies istinsbesondere dann wahrscheinlich, wenn Wortführer aus einem Lager in dasandere wechseln. Wortführer sind Akteure, an denen sich jeweils mehrereandere Akteure orientieren.

Erlangt die Seite die Hegemonie, die eine umfassende Problemlösung an-strebt, also das Partialinteresse hinter der Gemeinwohlorientierung zurück-

Chancen zur Vermeidung von globalen Umweltkatastrophen 355

stellt, so kann die kognitive Orientierung der Teilnehmer Blockaden auflö-sen, die in einer reinen Verhandlungssituation nicht gelöst werden könnten,da dort die Bereitschaft zu weitgehenden Zugeständnissen fehlt. Ansätze zurumfassenden Problemlösung unterscheiden sich von einer rein technischenKoordination. Erstere beruhen auf normativen Orientierungen, bei denenIdeen ihre Wirksamkeit entfalten. Diese haben einen zwiespältigen Einfluß:Einerseits führen sie zu Blockaden, die in reinen Verhandlungskonstellatio-nen nicht aufträten, andererseits können sie diese aber auch wieder auflösen.

Diese fünf Thesen deuten an, wie die Ergebnisse dieser Arbeit auf andere,ähnlich strukturierte Fälle angewendet werden können. Die Kontroversenum die Gentechnik, die Kerntechnik, die Klimadebatte, den Rinderwahnsinnoder das Waldsterben bieten sich naturgemäß an, denn sie sind alle langdauernde gesellschaftspolitische Kontroversen, in denen um Glaubwürdigkeitzwischen Experten, Politikern, Firmen, Interessengruppen und Public inte-rest groups gerungen wird. Vermeintlich hermetische Grenzen sozialer Sy-steme oder Institutionen werden durchdrungen von hybriden Politiknetz-werken, die sich antagonistisch gegenüberstehen. Beide berufen sich aufverschiedene oberste Werte, die den Status von Weltbildern besitzen. Durchdie Mobilisierung von Unentschiedenen oder das Herausbrechen von Akteu-ren der Gegenseite kann es Regulierungsbefürwortern gelingen, einen dau-erhaften Vorteil zu erlangen, der in institutionellen Regeln fixiert wird.

Anhang

A1 Unterzeichnerstaaten des Montrealer Protokolls, 1987–1988

Erstunterzeichnerstaaten (9 /87)

Ägypten Japan Togo

Belgien Kanada USA

Dänemark Kenia Venezuela

BR Deutschland Mexiko EG

Finnland Niederlande Senegal

Frankreich Neuseeland Schweden

Ghana Norwegen Schweiz

Großbritannien Panama

Italien Portugal

Weitere Unterzeichnerstaaten (bis 9 /88)

12 /87 UdSSR 6/88 Argentinien 9 /88 Burkina Faso

10 /87 Griechenland 6 /88 Australien 9 /88 Irland

1 /88 Israel 6 /88 Chile 9 /88 Kongo

1 /88 Luxemburg 7 /88 Indonesien 9 /88 Malta

1 /88 Marokko 7 /88 Malediven 9 /88 Philippinen

1 /88 Weißrußland 7 /88 Spanien 9 /88 Thailand

2 /88 Ukraine 8 /88 Österreich 9 /88 Uganda

Anhang 357

A2 Chemische Substanzen

Stoff Strukturformel Preis($ /kg)a

ODPb CLPd GWPe Einsatz-gebietf

Verbrauch1986

(in 1000 t)e

F11c CCl3F 1,32 1,0 1,0 1,0 A, B, F 411

F12c CCl2F2 1,45 1,0 1,6 3,0 C, D, F 487

F113c CCl2-CClF2 2,20 1,07 1,4 1,4 E 182

F114c CClF2-CClF2 0,8 2,1 4,0 15

F115c CClF2-CF3 0,5 2,9 7,5 15

Halon 1211c CF2ClBr 4,0 G 18

Halon 1301c CF3Br 16,0 G 11

Halon 2402c C2F4Br2 7,0 G 1

H-FCKW 22 CHClF2 2,10 0,055 0,4 C, D 140

H-FCKW 123 CHCl2-CF3 2,75–5,50 0,02 0,02 A, B, D, E

H-FKW 134a CH2F-CF3 4,40–8,80 0e 0,3 C, D

Tetrachlor-kohlenstoff CCl4 1,08 1,0 0,3

Methyl-chloroform CH3-CCl3 0,12 0,1 0,02

ODP = Ozone Depletion Potential; CLP = Chlorine Loading Potential;GWP = Global Warming Potential

a Stand 1988.b WMO 1991, 6.15, »best estimate«.c Vom Montrealer Protokoll betroffen.d WMO 1991, 6.7.e Benedick 1991: 16.f A: Polyurethan-Weichschaum, B: Polyurethan-Hartschaum, C: Polystyrol-Hartschaum,

D: Kältetechnik, E: Reinigungsmittel, F: Aerosol-Treibmittel, G: Feuerlöschmittel.

Abkürzungen

AAOE Airborne Antarctic Ozone ExperimentAFEAS Alternative Fluorocarbons Acceptability StudyAgV Arbeitsgemeinschaft der VerbraucherAKE Arbeitskreis Energie der Deutschen Physikalischen

GesellschaftBAS British Antarctic SurveyBMFT Bundesministerium für Forschung und TechnologieBMI Bundesministerium des InnernBMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und

ReaktorsicherheitBMW Bundesministerium für WirtschaftCCOL Coordinating Committee on the Ozone LayerCEQ Council on Environmental QualityCFCs ChlorofluorocarbonsCIAP Climatic Impact Assessment ProgramCLP Chlorine Loading PotentialCMA Chemical Manufacturers AssociationCOAS Council on Atmospheric SciencesCPSC Consumer Product and Safety CommissionDMG Deutsche Meteorologische GesellschaftDOC Department of CommerceDOT Department of TransportationDPG Deutsche Physikalische GesellschaftEFCTC European Fluorocarbon Technical PanelEK Enquetekommission »Vorsorge zum Schutz der

Erdatmosphäre« des Deutschen BundestagesEPA Environmental Protection AgencyFCKW Fluorchlorkohlenwasserstoff(e)FDA Food and Drug AdministrationGWP Global Warming Potential, Treibhauspotential

Abkürzungen 359

H-FCKW Teilhalogenierte FluorchlorkohlenwasserstoffeH-FKW Teilhalogenierte FluorkohlenwasserstoffeIGA Industriegemeinschaft AerosoleIMOS (Ad hoc Federal Interagency Task Force on the) Inadvertent

Modification of the StratosphereJPL Jet Propulsion LaboratoryMCA Manufacturing Chemists Association, später: CMANAS National Academy of SciencesNASA National Aeronautics and Space AdministrationNCAR National Center for Atmospheric ResearchNOAA National Oceanic and Atmospheric AdministrationNOZE National Ozone ExpeditionNRDC Natural Resources Defense CouncilNSF National Science FoundationODP Ozone Depletion PotentialODS Ozone Depleting SubstancesOTP Ozone Trends PanelSCI Science Citation IndexSRU Sachverständigenrat für UmweltfragenTOMS Total Ozone Mapping SpectrometerUBA UmweltbundesamtUNDP United Nations Development ProgramUNEP United Nations Environmental ProgramVCI Verband der chemischen IndustrieWMO World Meteorological Organization

Interviewpartner

Daniel Albritton Director, Aeronomy Laboratory, NationalOceanic and Atmospheric Administration, Boulder

James Anderson Harvard University, Department of Chemistry,Cambridge

Richard Benedick Ost-West-Wirtschaftsakademie, BerlinRumen D. Bojkov Special Advisor for Ozone and Global Change to the

Executive Heads of WMO and UNEP, GenfHolger Brackemann Umweltbundesamt BerlinH. Bräutigam Solvay-Fluor, HannoverGuy Brasseur Director of Atmospheric Chemistry Division, National

Center for Atmospheric Research, BoulderLaurens Brinkhorst Europäisches Parlament, BrüsselRalph Cicerone University of California, Irvine, Department of

GeosciencesPaul Crutzen Max-Planck-Institut für Chemie, MainzDavid Doniger Council to the Assistant Administrator for Air and

Radiation, U.S. EPA, Washington, DCDieter Ehhalt Kernforschungsanlage Jülich, Institut für

Atmosphärische ChemieJoeseph Farman British Antarctic Survey, Cambridge, UKMonika Ganseforth MdB, Mitglied der EK Schutz der ErdatmosphäreWolf-Dieter Garber Umweltbundesamt BerlinHartmut Graßl Direktor, Max-Planck-Institut für Meteorologie,

HamburgGerhard Hahn Bundesministerium für Forschung und Technologie,

BonnNeil Harris European Ozone Research Coordinating Unit,

Cambridge, UKJim R. Holton University of Washington at Seattle, Department of

Atmospheric Sciences

Interviewpartner 361

Herwig Hulpke Bayer AG, LeverkusenHeinrich-Wilhelm Kraus Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und

Reaktorsicherheit, BonnKarin Labitzke FB Geowissenschaften, Freie Universität BerlinWinfried Lang Diplomatischer Vertreter Österreichs bei der UNO,

GenfJames Lovelock Coombe Mill, UKJerry Mahlmann Director, NOAA, Geophysical Fluid Dynamics

Laboratory, Princeton UniversityWerner Maihofer Bundesminister des Innern, a.D.Michael McElroy Harvard University, CambridgeMack McFarland Principal Consultant - Environmental Programs,

E.I. DuPont De Nemours, Wilmington, DelawarePeter Mencke-Glückert Ministerialdirektor im BMI, a.D.Alan Miller Executive Director, University of Maryland, College

Park, Center for Global ChangeMario Molina MIT, Department of Earth, Atmospheric and Planetary

Sciences and Department of ChemistryEdda Müller Ministerin für Natur und Umwelt des Landes

Schleswig-Holstein, KielMichael Müller MdB, Mitglied der EK Schutz der Erdatmosphäre,

BonnFranz Nader Verband der chemischen Industrie, Frankfurt a.M.Gerhard Pfleiderer Hoechst AG, a.D.Michael Prather University of California, Irvine, Department of

GeosciencesSherwood Rowland University of California, Irvine, Department of

ChemistryRolf Sartorius Umweltbundesamt BerlinUlrich Schmidt Kernforschungsanlage Jülich, Institut für

Atmosphärische ChemieFriedhelm Schmidt-Bleek Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbHMark R. Schoeberl Goddard Space Flight Center, Greenbelt, MarylandSteve Seidel Director, Stratospheric Protection Division,

Office of Atmospheric Programs, EnvironmentalProtection Agency, Washington, DC

Susan Solomon National Oceanic and Atmosperic Administration,Aeronomy Laboratory, Boulder

Richard Stolarski Goddard Space Flight Center, Laboratory forAtmospheres, Greenbelt, Maryland

Clemens Stroetmann Staatssektretär im BMU, a.D.

362 Interviewpartner

Mostafa Tolba President, International Center for Environment andDevelopment, Genf; Direktor des UNEP a.D.

Ka-Kit Tung University of Washington-Seattle, Department ofApplied Mathematics

Tony Vogelsburg E.I. DuPont De Nemours, Wilmington, DelawareRobert Watson Director of White House Office and Science and

Technology Policy, Washington, DCSteven Wofsy Harvard University, Department of Earth and

Planetary Physics, CambridgeDonald J. Wuebbles University of Illinois at Urbana-Champaign,

Department of Atmospheric SciencesReinhard Zellner Universität GH Essen, FB Chemie

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Sach- und Personenregister

Abwarteprinzip 43, 80, 83, 119, 205, 234,296, 316

Advocacy coalitions siehe Befürworter-koalitionen

Agenda setting 47, 55, 72, 188, 202,211f., 267, 297

AgV (Arbeitsgemeinschaft derVerbraucher) 226f.

Akteure– heterogene 23– Identitäten 34– Konstellationen 37, 59, 79, 235– korporative 53, 192, 303, 353– Präferenzen 303

Akteur-Netzwerk-Theorie 32f.Alexander, Jeffrey 58Alliance for Responsible CFC Policy

244, 252f.Allied Chemical 149Allied Signal 255Anderson, James 103, 138, 155f., 172ff.,

200, 225Antarktis 66, 68, 79, 81, 82, 93, 279

– erste Expedition 152ff., 281– zweite Expedition 103, 110, 152,

154ff., 165, 279, 300 (siehe auchOzonloch, antarktisches)

Arktis 108, 110Arnold, Frank 105, 176, 267Arosa 149

Arthur, Brian 32, 54Atmosphärenwissenschaften

– Advokaten 116ff., 122, 125, 134ff.,139, 140f., 151, 339

– Chemiker 107ff., 117, 122, 136– Dynamiker 105, 107ff., 117, 122,

136, 154– Experimentatoren 95, 96, 101, 106,

108, 117– führende Stellung der USA 113– Infrastruktur 105f.– Modellierer 95, 96, 106, 117, 278– Skeptiker 116ff., 122, 125, 134ff., 158

Axelrod, Robert 22, 301

Bach, Wilfrid 273Bachelard, Gaston 171Bachrach, Peter 297f., 322Backlash 84ff., 178ff., 157f.Bandwagon siehe DominoeffektBaratz, Morton 297f., 322Barnes, Barry 183Bastian, Carroll 193, 208, 334Bateson, Gregory 33Baucus, Max 250Bechmann, Gotthard 26Beck, Ulrich 18, 36, 45, 350Befürworterkoalitionen 37, 39, 185ff.,

192, 236, 248, 252, 265, 268, 274,

Sach- und Personenregister 393

278, 296, 302, 307, 315, 354Ben-David, Joseph 124f.Benedick, Richard 84, 241, 249f., 265,

277, 280, 285, 307, 314, 331Benton, Ted 18Benz, Arthur 34, 42, 45Biotechnologie 123Blake, William 349Blockade 22, 43, 58, 73, 82, 239f., 276f.,

301, 338, 355BMFT (Bundesministerium für

Forschung und Technologie)218f., 334

BMI (Bundesministerium des Innern)212, 215ff., 219, 222f., 227, 230,233f.

– STALA (Ständiger Abteilungs-leiterausschuß) 212, 234

BMU (Bundesministerium für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicher-heit) 275, 297, 327

Bohne, Eberhard 232, 323f.Bojkov, Rumen 150, 151, 165Bonß, Wolfgang 26, 45Boudon, Raymond 190Boundary work 157ff.Bourdieu, Pierre 124Boyle, Robert 112, 157Brack, Duncan 293, 301Brand, Karl-Werner 341Brandt, Willy 212Brasseur, Guy 222, 239, 269Braun, Dietmar 59Breitmeier, Helmut 18, 239British Antarctic Survey 78, 80, 161,

162, 166ff.Brodeur, Paul 202, 248Brooks, Harvey 137, 206Brühl, Christoph 105, 269BSE 29Bumpers, Dale 138, 200, 204, 330BUND 266f.

Bundesimmissionsschutzgesetz 222, 323Burford, Anne Gorsuch 238, 248Bush, George 243, 290f., 342

Callon, Michel 32, 124Carson, Rachel 187Carter, Jimmy 188, 306CEQ (Council on Environmental Qual-

ity) 187, 198, 204, 207, 243, 249Chafee, John 250, 312, 330Chaos 32Chapman, Sidney 89, 90, 91Chlorine loading potential (CLP) 286,

357Chlornitrat 195, 200, 208Cicerone, Ralph 67, 91, 100, 105, 126,

127, 161, 189, 200f., 263, 347Clean Air Act (USA) 188, 205, 237, 244,

247f., 296, 297, 307, 338– Aerosolverbot 74, 80, 144

Club of Rome 18, 212CMA siehe MCAColeman, James 53Collins, H.M. 159, 173, 178Collins, Randall 58, 125, 346Common pool resources siehe

gemeinschaftliche RessourcenCrane, Diana 53Crutzen, Paul 64, 73, 91, 100, 104, 105,

106, 176, 189, 208f., 220ff., 267,269, 273, 309, 344, 34

Cultural bias 29Czempiel, Ernst-Otto 18

Dasgupta, Partha 124Daten und Interpretationen (siehe auch

Ressourcen, wissenschaftliche)31, 47ff., 87, 98, 150, 154, 165,194, 225, 353

– Statistik 151f.

394 Sach- und Personenregister

David, Paul 32, 124Definitionsmacht 60, 343Delphi-Umfragen 344Demsetz, Harold 26Dilemma (siehe auch

Gefangenendilemma)– für Industrie 41– für Regierung 55, 57– für Wissenschaftler 130

Diskursanalyse 32, 34, 45Diskurskoalitionen 45Djerassi, Carl 131DMG (Deutsche Meteorologische

Gesellschaft) 266Dobson-Instrumente 147, 150, 165f.,Dobson-Netzwerk 147, 150, 165, 225Dominoeffekt 58, 81, 119, 254, 313Doniger, David 251, 260, 288Douglas, Mary 28f., 121Dow Chemical 67DPG (Deutsche Physikalische Gesell-

schaft) 265f., 273Dritte Parteien 23, 40, 296, 302Dryzek, John 33Du Pont 20, 67, 72, 73, 74, 79, 81, 103,

138, 181, 185, 193, 196ff., 200,207, 210, 221, 236, 242, 252ff.,258, 269, 284, 291, 307f., 311ff.,326, 331ff.

Durkheim, Emile 346

Earth Day 187Ehhalt, Dieter 106, 220, 269eigendynamische soziale Prozesse 32,

33, 61Elias, Norbert 157Elsaesser, Hugh 84, 179Elster, Jon 26, 27, 34, 43f., 61, 276, 282,

299, 349Elzinga, Aant 113

Enquetekommission 80, 267, 269f., 289,300, 325, 329, 338

Entscheidungen unter Unsicherheit 19,26, 27f., 30, 119, 315, 344, 353

Entscheidungsregeln 143, 260, 322– (Umkehr der) Beweislast 43, 137f.,

194, 206ff., 210Entscheidungstheorie 26EPA (Environmental Protection Agency)

71, 77, 139, 140, 178, 187f., 193,197f., 203, 205, 214, 218, 233,244f., 247f., 250f., 257, 275, 285,289f., 297, 300, 324, 326f., 330

Epistemic communities sieheExpertengemeinschaften

Europäische Gemeinschaft 74, 111, 234,236, 238ff., 242, 248, 260f., 264,270ff., 276, 288, 292, 301f., 307,314

– DG XII 263– als eigenständiger Akteur 261, 263,

282– Europäische Kommission 262– Europäischer Rat 290– Europäisches Parlament 262– Präsidentschaft 264f., 277– Umweltmandat 260– Verordnung zur Umsetzung des

Montrealer Protokolls 281– WSA (Wirtschafts- und

Sozialausschuß) 260, 262Evers, Adalbert 37Expertengemeinschaften 39, 315f.Ezrahi, Yaron 48

Fallstudienmethode 31, 62Farman, Joseph 78, 133, 161, 164, 166f.,

176Feedback siehe RückkopplungsprozesseFischer, Frank 32Fleck, Ludwik 88

Sach- und Personenregister 395

Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW)357 (siehe auch ozonzerstörendeSubstanzen)

– in Aerosol-Spraydosen 74, 266, 313(siehe auch Clean Air Act,Aerosolverbot)

– Anwendungsbereiche 243, 357– Emissionen 79, 195– Ersatzprodukte 223, 230, 254ff., 294,

313, 357– FCKW-Halon-Verbotsverordnung –

FCKW-Konzentrationen 167– FCKW-Ozon-Hypothese siehe

Molina-Rowland-Hypothese– freiwillige Verwendungs-

beschränkung 230f., 324– Produktion 73, 74, 76, 102, 195,

217f., 220f., 233, 237, 240f., 245,252, 264, 357, 272, 326

– R134a, 255f., 357– R22 255f., 287, 357– als Treibhausgas 209, 252, 291, 293,

357Ford, Gerald 328Frame analysis 45Freon 67, 193, 333Frigen 222, 333Funktionalismus 30, 124, 183, 339, 348

Gadamer, Hans-Georg 49Gaia 101, 102Galison, Peter 156Gamson, William 33, 45Garbage can model 41Gefahr 28Gefangenendilemma 19, 22, 235, 301Gehrhards, Jürgen 47Gehring, Thomas 18, 241, 292gemeinschaftliche Ressourcen 19, 236f.,

312, 343, 352– und Ozonschicht 25, 236f.

Gemeinwohlinteressen 42, 282, 354(siehe auch Interessen, diffuse)

Genscher, Dietrich 212f., 231Gentechnik 29gesellschaftliche Differenzierung 58Gibbons, Michael 59Gieryn, Thomas 48, 157globale ökologische Probleme 17, 343f.Goffman, Erving 45Goldstein, Judith 45Gore, Al 330, 342Governance 17Graham, William 251Granovetter, Mark 32, 40, 119Graßl, Hartmut 266Grauer Star 70, 191Greenpeace 138, 139, 266f., 329Grundmann, Reiner 26, 311Gut

– öffentliches 19, 23, 54Ozonschicht als 25, 236

– privates 23Gymnicher Gespräche 215

Haas, Peter 18, 33, 161, 315ff.Haigh, Nigel 239Hajer, Marten 33Hall, Peter 45Halley Bay 148, 161, 168f.Hardin, Garrett 26Hardin, Russell 19, 237Harnisch, Heinz 324Harris, Neil 149, 150Hartkopf, Günter 232Heath, Don 146, 174f.Heclo, Hugh 32, 37Hegemonie 40, 296, 307, 354Heiner, Ronald 44Héritier, Adrienne 57, 268, 270hermeneutischer Zirkel 49hermeneutisches Dreieck 49ff.

396 Sach- und Personenregister

heterogene Reaktionen 92, 109Hirschmann, Albert 34, 42, 56Hobbes, Thomas 157Hodel, Donald 251Hoechst AG 185ff., 217f., 220f., 223f.,

230f., 236, 255, 269, 307f., 322,324, 329, 333

Hölderlin, Friedrich 348Hybridisierung 51f., 184, 346

ICI 164, 255, 289Ideen 41f., 44f., 315, 317, 351, 355Ideologie 39IGA (Industriegemeinschaft Aerosole)

230, 325IMOS (Ad hoc Federal Interagency

Task Force on the InadvertentModification of the Stratosphere)193, 198ff., 202f., 208, 211, 218f.

Interdisziplinarität 99, 101, 107, 182, 347Interessen

– diffuse 18, 21f., 37, 38, 54, 282, 295,310, 319, 350, 352Sprecher 38, 267, 293, 295, 296,310, 319, 340

– organisierte 38– partielle 42f.

Interessenausgleich 42Internationale Abkommen 18, 54Internationale Kooperation 22, 54, 57f.,

301, 345– internationale Regimes 83

Internationale Beziehungen 17, 22, 23,352f.

Internationalisierung der Forschung 111,182

Invisible college 112 (siehe auch Kern-gruppen der Forschung)

Irwin, Alan 53

Jachtenfuchs, Markus 45Jasanoff, Sheila 48, 52, 53, 59, 87Jet Propulsion Laboratory 146, 153Johnson Wax 210Johnston, Harold 91, 189f.Jungermann, Helmut 60

Kahnemann, Daniel 60Kaiser, Karl 17Kali Chemie 217, 222, 230f., 255, 269,

329Karriereorientierung von Wissenschaft-

lern 104, 123, 125, 143, 183Katalyse siehe KettenreaktionenKatastrophenmeldungen 44Kaufmann, Franz Xaver 99f.Kenis, Patrick 32, 36f., 39Keohane, Robert 17, 19, 23, 25, 45, 301,

312Kerngruppen der Forschung 157ff., 180Kettenreaktionen 40, 90, 92, 191, 346,

354Keynes, John Maynard 45Kingdon, John 21, 60, 202, 328Klimakatastrophe 266, 273Klimakonferenzen 309Klimaproblem 29, 208, 266, 273f., 325,

328, 334, 343Knight, Frank 350Knorr-Cetina, Karin 124kognitive Orientierung 39, 42f., 116ff.,

121, 282f., 296, 299, 317f., 350,355

– von Atmosphärenwissenschaftlern116ff., 121, 124, 141, 183 (sieheauch Purifizierung)

Kohl, Helmut 267Komhyr, Walter 147, 150Konstruktivismus 182Konsumentenreaktion 211, 313

Sach- und Personenregister 397

Kontroversen– gesellschaftspolitische 41, 52, 72,

144, 189– wissenschaftliche 28, 46, 131, 144ff.,

299f., 344Korporatismus 54, 322korporative Akteure siehe AkteureKosten-Nutzenabwägung 54, 188, 243

– Executive Order No. 12291, 243Krasner, Stephen 19, 83Krebsrisiko 70, 71f., 191, 208, 233f., 251,

257, 313Krohn, Wolfgang 59Küppers, Günter 212, 214, 215Kuhn, Thomas 88, 126, 317

Labitzke, Karin 269Laboratorien 47f., 87, 164, 231, 353Ländervergleich 31, 54, 56ff., 64f., 106,

318ff.Lang, Winfried 78, 268, 275, 277, 280,

284, 304, 308Latour, Bruno 17, 32, 46, 48f., 51, 124,

145, 158, 170f., 320, 351Lau, Christoph 33, 41Lau, Richard 33, 45Lawrence Livermore Laboratory 105Leesburg workshop 79Legitimation 41, 138, 330, 353Lepenies, Wolf 350Les Diableret 149, 161, 162,Limbaugh, Rush 84, 179Linz, Manfred 18Litfin, Karen 316Loske, Reinhard 18Lovelock, James 80, 101f., 179, 181, 189,

193, 195, 246, 263Luhmann, Hans-Jochen 214, 327, 329,

337Luhmann, Niklas 51f., 59, 156, 349

Maduro, Rogelio 84, 181Majone, Giandomenico 33, 38, 45, 111,

280Mannheim, Karl 88March, James 42, 310Marin, Bernd 36Maruyama, Magoroh 31Marx, Karl 348Massenmedien 47, 61, 132, 202, 227,

258ff., 272f., 275, 318, 339ff., 354– öffentliche Erwartungen 308– Orchestrierung der öffentlichen

Meinung 309, 341Max-Planck-Institut für Chemie 217f.Max-Planck-Institut für Kernphysik 267Max-Planck-Institut für Völkerrecht 284Mayntz, Renate 33f., 36, 39, 42, 53, 324,

336Mazur, Allan 47, 61, 131, 309MCA (Manufacturing Chemists Asso-

ciation) 149, 193f., 196, 225, 331f.McElroy, Michael 105, 126, 127, 129,

194, 198f., 208, 269McFarland, Mack 150, 269Meja, Volker 88Mencke-Glückert, Peter 213Merkel, Angela 342Merton, Robert 47, 53, 123, 124, 129,

130, 156, 163, 182f., 348Midgley, Thomas 67Modellrechnungen 78, 92, 95, 96, 105,

107, 120, 145, 210, 221ff., 225,231, 286f., 313, 332

Moe, Terry 306, 327Molina, Mario 71, 93, 100, 105, 109, 126,

127, 140, 189f., 195f., 201, 211,228, 260, 287f., 309, 347

Molina-Rowland-Hypothese 64, 71ff.,92, 107, 119, 140, 150, 186, 188,192, 194, 200ff., 209, 220, 222,225, 230, 254, 333

398 Sach- und Personenregister

– Schwachstellen 72, 191, 220– Gegenhypothese 194

Montrealer Protokoll 18, 64, 74, 76ff., 81,84, 86, 256, 276, 278, 283ff., 315

– Multilateraler Fond 18, 76, 77, 290,292

– paradoxer Erfolg 66– Verschärfung 76, 286, 288, 297, 308,

329Müller, Edda 213, 215f., 232, 328Musgrave, Richard 24

Nader, Ralph 36, 322NAS (National Academy of Sciences,

USA) 73, 111, 120, 143ff., 162,178, 185, 193, 197ff., 202ff., 209,211, 218, 220f., 224, 226, 230,245f., 269, 300, 338

NASA (National Aeronautics and SpaceAdministration) 53, 63, 77f., 82,98, 111, 128, 155f., 161, 162, 178,198, 204, 225f., 249, 260, 275, 281,289, 297, 330, 334

– Satellitenmessungen 82, 146f., 161,174f., 225, 281

National Environmental Policy Act 187Naturwissenschaften 30, 337, 343NCAR (National Center for Atmos-

pheric Research) 104, 220Nedelmann, Birgitta 33f.Neidhardt, Friedhelm 47Netzwerke 26, 54, 61, 305

– Demokratiedefizit 36, 60, 178– Issue network 37– Netzwerkmodell 35, 295, 306– Netzwerktheorien 32– Politiknetzwerke 33, 39f., 192, 235,

293, 295, 305New growth theories 124New York Times 73, 126, 175, 180, 196,

202ff.

Nicolet, Marcel 90Nixon, Richard 172, 187, 214, 328NOAA (National Oceanic and Atmos-

pheric Administration) 152f., 220,249

Nobelpreis für Chemie (1995) 73, 128,143

Normen 41ff., 115, 123, 129, 296, 299,337 (siehe auch kognitiveOrientierung)

Nowotny, Helga 37NRDC (Natural Resources Defense

Council) 138, 193, 197ff., 203,208, 210, 244, 247, 260, 274, 288,309, 312, 330

nuklearer Winter 104Nullmeier, Frank 45

Objektivität der Wissenschaft 139, 160,317

Öffentlichkeit siehe MassenmedienOlson, Mancur 21, 311Ophuls, William 26Oppenheimer, Michael 260Opportunitätsstrukturen 35f., 53, 295,

296, 310Osherenko, Gail 18Ostrom, Elinor 23, 25, 26, 312OTP (Ozone Trends Panel) 81, 148, 150,

165, 289, 300, 332, 347Oye, Kenneth 20 , 311ff.Ozonabbau 66, 82, 93, 94, 231, 233

– Prognosen über 72, 75, 92, 130, 205,221, 225, 236, 242, 245, 262, 278,281

Ozonforschung 93Ozonforschungsprogramm des BMFT

334Ozonkonzentration 68Ozonloch

– antarktisches 66, 69, 78, 79, 81, 92,

Sach- und Personenregister 399

94, 98, 107, 108, 110, 118, 120,122, 128, 133, 139, 167, 176f., 242,266f., 273, 280, 286Entdeckung 129, 133, 153, 161,258, 294, 312, 339Erfindung 174ff.Erklärung 109, 123, 153, 165ff.,174, 267, 281, 300, 310, 315f., 329Größe 69Metapher 82, 176, 310, 337natürliche Ursachen 85, 280Schock 279, 281Ursachenbeweis 172ff.von NASA übersehen 98

– arktisches 342Ozonschicht 17ff., 23ff., 31, 65, 66ff.,

88ff., 94, 104, 108, 116, 126f., 146,176, 178f., 182, 185, 189f., 194,196, 199f., 206, 222, 225, 228, 232,235, 249, 257f., 263, 266f., 272f.,279, 284, 286, 313, 316, 319, 331,333f., 338f., 341ff., 352

Ozontrend 85, 148, 151, 225ozonzerstörende Substanzen 66, 74

– Brom 93, 126ff., 343f.– Chlor 126ff., 172, 189, 287, 343f.– FCKW 17, 68, 76, 172, 189, 357– FCKW schwerer als Luft 178f.– Flugzeugabgase 67, 343– Halone 69, 287, 291– HFCKW 70, 77, 255, 291, 293, 357– illegale Produktion und Handel 25,

84– Lebenszeit 70, 71, 72, 73, 181, 191,

195f., 220, 224– Methylbromid 70, 77– Methylchlorid 286– Methylchloroform 70, 73, 76, 287,

290, 357– Nuklearexplosionen 67– Space shuttle 67, 91, 343– Tetrachlorkohlenstoff 70, 73, 76,

225, 287, 290, 357– Überschallflugzeuge 67, 91, 189,

191, 343Ozonzerstörungspotential (ODP) 70,

285, 357Ozonzunahme 96, 231

Parson, Edward 18, 237, 248, 278, 351Pennwalt 246, 255f.Peterson, Russell 207pfadabhängige Prozesse 54, 189, 305Photosmog 29Picht, Georg 214Pizzorno, Alessandro 34, 42Polanyi, Michael 164, 334Politik

– regulative 21, 60unilateral 80, 257, 312f.informell 323f.

Politikarenen 40Politikberatung 41, 45, 118Politikstil 306, 318f., 321, 325Politikunternehmer 21, 298f., 328, 330Popper, Karl 152, 156Porter, Theodore 48, 51, 145Prather, Michael 286Präzedenzfall 56, 76, 119, 245, 290Price, Derek 123Principal agent theory 53, 303, 336Prioritätskonflikte 123, 128ff.Problemlösung 42f.

– technische 42f., 285– umfassende 42f., 279, 282

Profilierungsversuche 123, 125ff.Prominenz 47, 133f.Przeworski, Adam 318Public interest groups 21, 29, 36, 321,

352Purifizierung 51f., 138f., 184, 346Putnam, Robert 304RAND Corporation 257f.

400 Sach- und Personenregister

Randow, Thomas von 228f.Ray, Dixie Lee 84, 181Reagan, Ronald 188, 238, 242, 243, 247,

250f.Redclift, Michael 18Regulatory science 53Renn, Ortwin 34Repräsentanten diffuser Interessen siehe

Interessen, Sprecher diffuserReputation 46f., 104, 123, 133ff., 141,

144, 300, 314, 318, 338Ressourcen

– materielle 35– symbolische 35f., 53, 211, 258, 283,

294– wissenschaftliche Ergebnisse als 55,

79, 87, 170ff., 235, 278, 294rhetorische Strategien 38, 232, 333, 351Riker, William 33Risiko 27f.

– Typologie 28– Einschätzung 60

Risse-Kappen, Thomas 17Rosenau, James 18Rowland, F. Sherwood 64, 71, 100, 102,

103, 126, 127, 137, 141ff., 146,149, 150, 162, 175, 177, 180, 189f.,195ff., 211, 217, 220, 225, 228,244, 247, 260, 263, 309, 330, 338,347

Ruckelshaus, William 188, 248f.Rückkopplungsprozeß (siehe auch

eigendynamischer sozialerProzeß)

– negativ 31, 89, 96, 102, 183– positiv 31, 39, 46, 89, 102, 185, 210,

293, 296, 306, 334, 353Russow, Jürgen 223

Sabatier, Paul 33, 38, 315, 318Sachs, Wolfgang 18, 345

Schaffer, Simon 157Scharpf, Fritz 39, 42, 53, 336Schattschneider, Elmer Eric 297f.Schauerhammer, Ralf 84, 181Schelling, Thomas 57., 278Schimank, Uwe 124Schmidbauer, Bernd 268f., 329, 353, 268,

270, 325, 329, 333, 335, 338Schmidt, Helmut 306Schmidt, Susanne 42Schmitter, Philippe 54, 322Schneider, Volker 32, 37, 39. 47, 57, 353Schoeberl, Mark 153f.Schwellenwerte 32, 40, 119, 122, 286,

349Scorer, Richard 193f.Sebenius, James 20, 314Seitz, Frederick 178Selbstbindung 56, 74, 196, 253, 267, 272,

297, 312, 314, 331selbstverstärkende Prozesse siehe

Rückkopplungsprozeß, positivShapin, Steven 51f., 157, 159Shils, Edward 60, 132, 140, 340Shultz, George 250, 251Siebert, Horst 26Simon, Herbert 42Singer, Fred 84, 179Situationsdefinition 26f., 46, 236Skeptizismus 156ff.Slovic, Paul 60Snidal, Duncan 25Snowmass, Colorado 110Solomon, Susan 153f., 176Sonnenzyklentheorie 119, 154Sozialwissenschaften 30, 343Spencer, Herbert 346Spiel auf Zeit 55, 72, 210, 244Sprinz, Detlev 314Sprühdosen 73Spurengase 90, 345SRU (Sachverständigenrat für

Sach- und Personenregister 401

Umweltfragen) 213f., 227, 327Standardisierung 145, 183, 300, 349Stehr, Nico 88Stephan, Paula 123, 124Stichweh, Rudolf 59Stickoxide 90Stigler, George 311Stolarski, Richard 67, 78, 91, 100, 126,

127, 150, 176, 189, 269, 347Stratosphäre 71, 89, 91, 99, 195, 217,

334, 345Streeck, Wolfgang 54, 322Subramanian, Mani 18Sullivan, Walter 126, 175, 202Sunk costs 34Sustainable development 322Systemtheorie 58, 171Szenarien 44 (siehe auch

Modellrechnungen)

Taubes, Gary 178, 180Taylor, Michael 19, 21, 301Tazieff, Haroun 85Teubner, Gunther 59Thatcher, Margaret 289f.Theorie möglicher Welten 27Thomas, Lee 249f., 288, 331Timm, Gerhard 211, 213, 216Tolba, Mostafa 78, 280, 288, 316Toronto-Gruppe 239, 276, 281transnationale Beziehungen 17, 235, 293,

352, 353Treibhauseffekt siehe KlimaproblemTreibhausgase 70Troposphäre 89, 189, 345Tschernobyl 268, 328Tsebelis, George 55, 57, 62Two-level-game 53, 303f.

UBA (Umweltbundesamt) 64, 187,214ff., 218, 223, 225f., 230f., 233f.,275, 297, 322, 324, 327, 333

Umweltmedien 187, 214f.UNEP (United Nations Environmental

Program) 18, 63, 74, 77, 78, 99,111, 112, 122, 144, 155, 231f., 238,241, 250, 262, 275, 287, 288f., 290,297

– CCOL (Coordinating Committee onthe Ozone Layer) 237

– World Plan of Action 75, 237– Würzburg workshop 278

Unterstützernetzwerk siehe Befürworter-koalitionen

Urbach, Frederick 197UV-B-Strahlung 67, 70, 71, 85, 89, 189,

191, 196, 218, 233, 246

VCI (Verband der chemischenIndustrie) 230, 329

Verhandlungstheorie 34Vertrauen 156ff., 166ff., 304f.Virtual witnessing 52Visualisierung wissenschaftlicher

Ergebnisse 82, 167, 170ff., 175,281

Voelzkow, Helmut 145Vogel, David 54, 298Vorreiter 57, 268, 270, 302, 307Vorsorgeprinzip 29, 43, 73, 83, 119, 186,

205, 226, 234f., 280, 296, 316, 325Vulkane 92, 178ff., 332

Watson, Robert 111, 112, 146, 153ff.,221, 251, 260, 263, 269, 279, 286

Weber, Max 45

402 Sach- und Personenregister

Weidner, Helmut 213, 268, 327Weinberg, Steven 30, 348Weingart, Peter 139Weltbilder der Wissenschaftler siehe

kognitive OrientierungWerle, Raymund 42Wettbewerbsvorteil 74Weyer, Johannes 59Wiener Konvention 75, 79, 240, 263f.Wildavsky, Aaron 23, 25, 28f.Williamson, Oliver 123, 280Willke, Helmut 24, 59Wilson, James 21Wissenschaftler im Bund mit der

Industrie 30, 46, 183, 193f.Wissenschaftssoziologie 47f., 52, 59, 87,

124, 182

Wissensproduktion– institutionelle Anreize 336f.– Modus 2, 59

WMO (World Meteorological Organi-zation) 63, 66, 77, 78, 111, 112,114, 115, 122, 144, 151, 275, 297

Wofsy, Steve 105, 126Woolgar, Steve 124Wuebbles, Donald 105, 269, 285Yearley, Steven 18Young, Oran 18

Zehr, Stephen 310Zellner, Reinhard 273Zürn, Michael 348Zweite Kybernetik 31

Schriftenreihe desMax-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Köln

Campus Verlag · Frankfurt am Main

Renate Mayntz, Bernd Rosewitz, Uwe Schimank, Rudolf StichwehDifferenzierung und VerselbständigungZur Entwicklung gesellschaftlicher Teilsysteme1988 329 Seiten

Renate Mayntz, Thomas P. Hughes (Editors)The Development of Large Technical Systems1988 299 Seiten (copublished with Westview Press)

Clemens Schumacher-WolfInformationstechnik, Innovation und VerwaltungSoziale Bedingungen der Einführung moderner Informationstechniken1988 339 Seiten

Volker SchneiderTechnikentwicklung zwischen Politik und MarktDer Fall Bildschirmtext1989 293 Seiten

Bernd Rosewitz, Douglas WebberReformversuche und Reformblockaden imdeutschen Gesundheitswesen1990 349 Seiten

Raymund WerleTelekommunikation in der BundesrepublikExpansion, Differenzierung, Transformation1990 409 Seiten

Hans-Willy Hohn, Uwe SchimankKonflikte und Gleichgewichte im ForschungssystemAkteurkonstellationen und Entwicklungspfade in derstaatlich finanzierten außeruniversitären Forschung1990 444 Seiten

Bernd Marin, Renate Mayntz (Editors)Policy NetworksEmpirical Evidence and Theoretical Considerations1991 331 Seiten (copublished with Westview Press)

Publication Series of theMax Planck Institute for the Study of Societies, Cologne

Campus Verlag · Frankfurt am Main

Jens Alber, Brigitte Bernardi-SchenkluhnWesteuropäische Gesundheitssysteme im VergleichBundesrepublik Deutschland, Schweiz, Frankreich, Italien, Großbritannien1992 700 Seiten

Arthur Benz, Fritz W. Scharpf, Reinhard ZintlHorizontale PolitikverflechtungZur Theorie von Verhandlungssystemen1992 205 Seiten

Fritz W. Scharpf (Editor)Games in Hierarchies and NetworksAnalytical and Empirical Approaches to the Study of Governance Institutions1993 448 Seiten (copublished with Westview Press)

Andreas StuckeInstitutionalisierung der ForschungspolitikEntstehung, Entwicklung und Steuerungsprobleme desBundesforschungsministeriums1993 297 Seiten

Susanne LützSteuerung industrieller ForschungskooperationFunktionsweise und Erfolgsbedingungen des staatlichenFörderinstrumentes Verbundforschung1993 251 Seiten

Uwe Schimank, Andreas Stucke (Editors)Coping with TroubleHow Science Reacts to Political Disturbances of Research Conditions1994 401 Seiten (copublished with St. Martin’s Press)

Edgar Grande, Jürgen HäuslerIndustrieforschung und ForschungspolitikStaatliche Steuerungspotentiale in der Informationstechnik1994 566 Seiten

Philip ManowGesundheitspolitik im Einigungsprozeß1994 195 Seiten

Schriftenreihe desMax-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Köln

Campus Verlag · Frankfurt am Main

Renate Mayntz (unter Mitarbeit von Hans-Georg Wolf)Deutsche Forschung im EinigungsprozeßDie Transformation der Akademie der Wissenschaften der DDR 1989 bis 19921994 301 Seiten

Katrin BehaghelKostendämpfung und ärztliche InteressenvertretungEin Verbandssystem unter Streß1994 326 Seiten

Renate Mayntz (Hg.)Aufbruch und Reform von obenOstdeutsche Universitäten im Transformationsprozeß1994 312 Seiten

Frank ThomasTelefonieren in DeutschlandOrganisatorische, technische und räumliche Entwicklungeines großtechnischen Systems1995 415 Seiten

Uwe SchimankHochschulforschung im Schatten der Lehre1995 357 Seiten

Philipp GenschelStandards in der InformationstechnikInstitutioneller Wandel in der internationalen Standardisierung1995 237 Seiten

Renate Mayntz, Fritz W. Scharpf (Hg.)Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung1995 368 Seiten

Helmut VoelzkowPrivate Regierungen in der TechniksteuerungEine sozialwissenschaftliche Analyse der technischen Normung1996 380 Seiten

Publication Series of theMax Planck Institute for the Study of Societies, Cologne

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Jochen Gläser, Werner MeskeAnwendungsorientierung von Grundlagenforschung?Erfahrungen der Akademie der Wissenschaften der DDR1996 424 Seiten

Gerhard KraussForschung im unitarischen StaatAbhängigkeit und Autonomie der staatlich finanzierten Forschung in Frankreich1996 239 Seiten

Hans-Georg WolfOrganisationsschicksale im deutschen VereinigungsprozeßDie Entwicklungswege der Institute der Akademie der Wissenschaften der DDR1996 375 Seiten

Dietmar BraunDie politische Steuerung der WissenschaftEin Beitrag zum »kooperativen Staat«1997 450 Seiten

Renate MayntzSoziale Dynamik und politische SteuerungTheoretische und methodologische Überlegungen1997 342 Seiten

Marian DöhlerDie Regulierung von ProfessionsgrenzenStruktur und Entwicklungsdynamik von Gesundheitsberufenim internationalen Vergleich1997 248 Seiten

Jürgen WasemVom staatlichen zum kassenärztlichen SystemEine Untersuchung des Transformationsprozesses derambulanten ärztlichen Versorgung in Ostdeutschland1997 333 Seiten

Schriftenreihe desMax-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Köln

Campus Verlag · Frankfurt am Main

Roland Czada, Gerhard Lehmbruch (Hg.)Transformationspfade in OstdeutschlandBeiträge zur sektoralen Vereinigungspolitik1998 421 Seiten

Jelle Visser, Anton HemerijckEin holländisches Wunder?Reform des Sozialstaates und Beschäftigungswachstumin den Niederlanden1998 272 Seiten

Susanne K. SchmidtLiberalisierung in EuropaDie Rolle der Europäischen Kommission1998 403 Seiten

Tobias RobischonTelekommunikationspolitik im deutschen EinigungsprozeßSteuerung und Eigendynamik sektoraler Transformation1998 254 Seiten

Hans-Willy HohnKognitive Strukturen und Steuerungsprobleme der ForschungKernphysik und Informatik im Vergleich1998 354 Seiten

Wolfgang Streeck (Hg.)Internationale Wirtschaft, nationale DemokratieHerausforderungen für die Demokratietheorie1998 209 Seiten

Reiner GrundmannTransnationale Umweltpolitik zum Schutz der OzonschichtUSA und Deutschland im Vergleich1999 402 Seiten