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Wirtschaft/Rüstung Peter Müller, Redaktor ASMZ Der Präsident der Schweizerischen Ge- sellschaft Technik und Armee (STA), Fritz Gantert, konnte am 29. Juni 2018 in Kreuzlingen rund 100 Teilnehmende zur Generalversammlung begrüssen. Die sta- tutarischen Geschäfte waren rasch erle- digt. Das Berichtsjahr schloss in zweierlei Hinsicht sehr erfreulich ab: Die Vereins- finanzen dürfen als «kerngesund» bezeich- net werden und mit rund 320 Mitgliedern war ein neuer Höchstbestand zu verzeich- nen. Mit Befriedigung durfte der Präsi- dent ferner feststellen, die STA sei «als Partnerin anerkannt», nämlich «als unab- hängiges Bindeglied zwischen Armee, Be- schaffungsinstanzen, Wirtschaft und Wis- senschaft»; sie werde beispielsweise regel- mässig zu Vernehmlassungen eingeladen. Im Anschluss an die Generalversamm- lung konnten die Teilnehmenden auf ei- nem informativen Rundgang die verschie- denen Produktions- und die neuen Mon- tagehallen der Mowag (General Dynamics European Land Systems) besichtigen. Da- bei wurde auch ein anschaulicher Einblick in das laufende Werterhaltungsprogramm der über 2200 Duro-Fahrzeuge geboten. Aktiver auf die Politik zugehen Nicht von ungefähr wählte der Präsi- dent der STA das Motto «Schulterschluss der Industrie» für die diesjährige Gene- ralversammlung: Einerseits zeichne sich erfreulicherweise eine Lockerung der Ex- portspielregeln für die Schweizer Rüs- tungsindustrie ab. Damit werde der The- se 6 der STA (siehe Kasten) zum Durch- bruch verholfen. Dieses Beispiel zeige aber auch, dass die Wehrtechnik- und Sicher- heitsindustrie (Rüstungsindustrie) auch in Zukunft «noch aktiver auf die Poli- tik zugehen müsse». Andererseits bedürfe es unbedingt eines klaren «Zusammenrü- ckens», wolle man dem vorgesehenen Pla- nungsbeschluss «Air2030» zum Durch- bruch verhelfen. Damit setzte er einen ersten Pflock, wo und wie sich die Indus- trie für künftige Beschaffungen zusam- menschliessen könne bzw. müsse. «Allenwinden» Nationalrat Werner Salzmann, Präsi- dent der Sicherheitspolitischen Kommis- sion des Nationalrats, leuchtete in seinem beachtenswerten Referat «mögliche Span- nungsfelder zwischen Wirtschaft, Rüs- tung, Medien und Politik» aus. Er rief ein- leitend einige wesentliche Rahmenbedin- gungen im Rüstungsbereich in Erinne- rung: Es bestehe keine nationale Auto- nomie; wir seien stark abhängig vom Ausland. Es herrsche jedoch kein offener internationaler Rüstungsmarkt. Der po- litische Prozess sei stark von Lobbying ge- prägt, man müsse sich auf mögliche Tur- bulenzen vorbereiten und es werde mit harten Bandagen gekämpft. Es beunruhige ihn deshalb, dass man in der Schweiz den Eindruck erhalte, trotz dieser Rahmenbedingungen befänden wir uns bei Rüstungsgeschäften in «Allen- winden» (einer Orts- oder Flurbezeich- nung, die man in der Schweiz öfters an- treffe) oder «Allenlüften» (das Pendant dazu im Kanton Bern). Zur Veranschau- lichung nannte er zwei Beispiele: Bei Off- setgeschäften gebe es viele Profiteure; an- stelle einer breiten Streuung sollte jedoch die sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis (STIB) im Vordergrund ste- hen. Wenn bei diesen Geschäften zudem fixe regionale Quotenvorgaben bestün- den, so begünstige man damit tendenziell die Strukturerhaltung. Andererseits ver- unsicherten einzelne Aussagen aus In- dustriekreisen zu den namhaften Mehr- kosten von Offsetgeschäften die Politiker gewaltig. Es fehlten transparente Gegen- argumente und griffige Begründungen. Interne Konflikte sowie solche zwischen Schulterschluss der Industrie Das Zusammenrücken der Rüstungsindustrie stand im Zentrum der diesjährigen Generalversammlung der Schweizerischen Gesellschaft Technik und Armee. Der Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats forderte darüber hinaus, sich effizienter einzubringen. Angesichts der digitalen Herausforderungen der Armee plädierte der neue Chef der Führungsunterstützungsbasis für eine Abkehr von den heutigen linearen Beschaffungsprozessen und vom Silo-Denken. Thesen zur Sicherheitspolitik These 2 «Die Sicherheits- und Rüstungspolitik muss an politischer, gesellschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher Bedeutung gewinnen und langfristig ausgerichtet werden.» These 6 «Das wirtschaftliche Überleben der Schweizer Rüstungsindustrie erfordert Exportpraxis nach europäischem Rechts- standard sowie internationale Koopera- tionen beim Rüstungsbeschaffungspro- zess.» Quelle: Schweizerische Gesellschaft Technik und Armee (STA), Auszug aus den sieben Thesen Fritz Gantert, Präsident der STA. Bilder: STA Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 09/2018 32

Schulterschluss der Industrie - asmz.ch 2018... · trie für künftige Beschaffungen zusam- ... che deshalb agile, inkrementell erweiterba-re Integrations-Architekturen und neue Zusammenarbeitsformen

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Wirtschaft/Rüstung

Peter Müller, Redaktor ASMZ

Der Präsident der Schweizerischen Ge-sellschaft Technik und Armee (STA), FritzGantert, konnte am 29. Juni 2018 inKreuzlingen rund 100 Teilnehmende zurGeneralversammlung begrüssen. Die sta-tutarischen Geschäfte waren rasch erle-digt. Das Berichtsjahr schloss in zweierleiHinsicht sehr erfreulich ab: Die Vereins-finanzen dürfen als «kerngesund» bezeich-net werden und mit rund 320 Mitgliedernwar ein neuer Höchstbestand zu verzeich-nen. Mit Befriedigung durfte der Präsi-dent ferner feststellen, die STA sei «alsPartnerin anerkannt», nämlich «als unab-hängiges Bindeglied zwischen Armee, Be-schaffungsinstanzen, Wirtschaft und Wis-senschaft»; sie werde beispielsweise regel-mässig zu Vernehmlassungen eingeladen.Im Anschluss an die Generalversamm-lung konnten die Teilnehmenden auf ei-nem informativen Rundgang die verschie-denen Produktions- und die neuen Mon-tagehallen der Mowag (General DynamicsEuropean Land Systems) besichtigen. Da-bei wurde auch ein anschaulicher Einblickin das laufende Werterhaltungsprogrammder über 2200 Duro-Fahrzeuge geboten.

Aktiver auf die Politik zugehen

Nicht von ungefähr wählte der Präsi-dent der STA das Motto «Schulterschlussder Industrie» für die diesjährige Gene-ralversammlung: Einerseits zeichne sicherfreulicherweise eine Lockerung der Ex-portspielregeln für die Schweizer Rüs-tungsindustrie ab. Damit werde der The-se 6 der STA (siehe Kasten) zum Durch-bruch verholfen. Dieses Beispiel zeige aberauch, dass die Wehrtechnik- und Sicher-heitsindustrie (Rüstungsindustrie) auchin Zukunft «noch aktiver auf die Poli-

tik zugehen müsse». Andererseits bedürfees unbedingt eines klaren «Zusammenrü-ckens», wolle man dem vorgesehenen Pla-nungsbeschluss «Air2030» zum Durch-bruch verhelfen. Damit setzte er einen

ersten Pflock, wo und wie sich die Indus-trie für künftige Beschaffungen zusam-menschliessen könne bzw. müsse.

«Allenwinden»

Nationalrat Werner Salzmann, Präsi-dent der Sicherheitspolitischen Kommis-sion des Nationalrats, leuchtete in seinembeachtenswerten Referat «mögliche Span-nungsfelder zwischen Wirtschaft, Rüs-tung, Medien und Politik» aus. Er rief ein-leitend einige wesentliche Rahmenbedin-gungen im Rüstungsbereich in Erinne-rung: Es bestehe keine nationale Auto -nomie; wir seien stark abhängig vomAusland. Es herrsche jedoch kein offenerinternationaler Rüstungsmarkt. Der po-litische Prozess sei stark von Lobbying ge-prägt, man müsse sich auf mögliche Tur-bulenzen vorbereiten und es werde mitharten Bandagen gekämpft.

Es beunruhige ihn deshalb, dass man inder Schweiz den Eindruck erhalte, trotzdieser Rahmenbedingungen befänden wiruns bei Rüstungsgeschäften in «Allen-winden» (einer Orts- oder Flurbezeich-nung, die man in der Schweiz öfters an-treffe) oder «Allenlüften» (das Pendantdazu im Kanton Bern). Zur Veranschau-lichung nannte er zwei Beispiele: Bei Off-setgeschäften gebe es viele Profiteure; an-stelle einer breiten Streuung sollte jedochdie sicherheitsrelevante Technologie- undIndustriebasis (STIB) im Vordergrund ste-hen. Wenn bei diesen Geschäften zudemfixe regionale Quotenvorgaben bestün-den, so begünstige man damit tendenzielldie Strukturerhaltung. Andererseits ver-unsicherten einzelne Aussagen aus In -dustriekreisen zu den namhaften Mehr-kosten von Offsetgeschäften die Politikergewaltig. Es fehlten transparente Gegen-argumente und griffige Begründungen.Interne Konflikte sowie solche zwischen

Schulterschluss der IndustrieDas Zusammenrücken der Rüstungsindustrie stand im Zentrum der

diesjährigen Generalversammlung der Schweizerischen Gesellschaft

Technik und Armee. Der Präsident der Sicherheitspolitischen

Kommission des Nationalrats forderte darüber hinaus, sich effizienter

einzubringen. Angesichts der digitalen Herausforderungen der

Armee plädierte der neue Chef der Führungsunterstützungsbasis

für eine Abkehr von den heutigen linearen Beschaffungsprozessen

und vom Silo-Denken.

Thesen zur Sicherheitspolitik

These 2«Die Sicherheits- und Rüstungspolitikmuss an politischer, gesellschaftlicherund gesamtwirtschaftlicher Bedeutunggewinnen und langfristig ausgerichtetwerden.»

These 6«Das wirtschaftliche Überleben derSchweizer Rüstungsindustrie erfordertExportpraxis nach europäischem Rechts-standard sowie internationale Koopera-tionen beim Rüstungsbeschaffungspro-zess.»

Quelle: Schweizerische Gesellschaft Technik

und Armee (STA), Auszug aus den sieben

Thesen

Fritz Gantert, Präsident der STA. Bilder: STA

Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 09/201832

33Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 09/2018

Wirtschaft/Rüstung

Milizorganisationen, der Armee und demVBS seien tunlichst zu vermeiden.

Andere sindeffizienter aufgestellt

Salzmann stellte mit Bedauern fest, an-dere Branchen und Interessenten seiendeutlich effizienter auf gestellt als der Rüs-tungsbereich. Er nann te namentlich dieBildung, die Landwirtschaft oder das Ge-sundheitswesen. Er richtete deshalb denAppell an die An wesenden, sich geschlos-sener sowie effizienter zu organisierenund einzubringen. Es brauche Sprachre-gelungen, Fact-Sheets, Plattformen, Fra-gen/Antworten (Q+A) und eine öffent-lichkeitstaugliche Kommunikation.

Abschliessend rief er in Erinnerung,dass man sich von der vorgesehenen Er-höhung des Militärbudgets um 1,4% proJahr ab 2020 nicht blenden lassen dür-fe: Im Vergleich zum geplanten Wachs-tum des gesamten Bundesbudgets seidieser Wert bescheiden! Er gab seinerHoffnung Ausdruck, dass das Umsetzenseiner Gedankenanstösse dazu beitrage,die Verwirklichung von These 2 der STA(siehe Kasten links) möglichst rasch undgeschlossen voranzutreiben.

Was ist in 20 Jahren?

Der neue Chef der Führungsunterstüt -zungsbasis der Armee (FUB), Div ThomasSüssli, wagte zum Abschluss der General-versammlung betreffend Digitalisierungeinen Blick in die nächste und übernächs-te Geländekammer: Bei der Digitalisie-rung erkannte er zum heutigen Zeitpunktkeine offensichtlichen neuen Fähigkeiten(siehe Kasten unten). Praktisch alles sei be-reits vorhanden und eingeführt. Einzig beiden autonomen Fahrzeugen befinde mansich noch in der Entwicklungsphase. Esgehe deshalb in Zukunft um das Wie. Drei

Beispiele für die Schweizer Armee sei-en herausgepflückt: Aus «Big Data andAnalytics» seien Informationen und Wis-sen zu generieren. Bei den «UAV’s andDrones» öffne sich betreffend Gefechts -feld logistik ein grosses Feld. Und mit

«3D-Printing» liessen sich künftig Ersatz-teile möglicherweise selber herstellen.

Zu berücksichtigen sei angesichts derexponentiellen Innovationssprünge aller-dings auch: «Was in 20 Jahren die Weltverändert, ist heute noch nicht erfunden».In seine Überlegungen einzubeziehen sei-en dabei namentlich auch die «Digital Na-tives»: Diese hätten andere Bedürfnisseund Lösungsansätze. So stelle sich ihnenvermehrt die Frage nach dem Warum, undder Sinn einer Aufgabe werde wichtigerals die Karriere. Dies bedinge neue Mo-delle der Zusammenarbeit und der Wis-sens-Partizipation.

Neue Beschaffungswege

Angesichts der exponentiellen Innova-tion mit stets kürzeren Innovationszyklenplädierte Süssli für eine Abkehr von derheutigen linearen Beschaffung. Sonst stei-ge das Risiko, dass ein neu eingeführ-tes System bereits wieder veraltet sei. DieZeit sei vorbei, ganze «Silos» in einem

herkömmlichen Schritt ersetzen zu wol-len. Als Beispiele solcher «Silos» nannteer das FIS Heer oder das FIS LW. Es brau-che deshalb agile, inkrementell erweiterba-re Integrations-Architekturen und neueZusammenarbeitsformen mit der Indus-trie. Dabei seien insbesondere Startups so-wie Dual-Use-Güter im Auge zu behalten.Nicht vernachlässigen dürfe man die Be-drohungen aus dem Cyber-Raum. Dasssich die Armee selber aktiv den verschie-denen digitalen Herausforderungen stel-len wolle, zeigte er mit drei kurzfristig zurealisierenden Lösungsansätzen auf (sie-he Kasten oben). Die Generalversamm-lung der STA machte somit deutlich: Esbraucht nicht nur ein Zusammenrückenim politischen Kontext, sondern aucheine Neuorientierung im Beschaffungs-prozess. ■

Fähigkeiten ausder Digitalisierung

• Internet of Everything• Big Data and Analytics• Cloud Computing• Blockchain• Augmented Reality• Autonomous Vehicles • UAV’s and Drones• 3D-Printing• Robotics

Quelle: Div Thomas Süssli, Chef FUB

Herausforderungender Digitalisierung fürdie Schweizer Armee

1. Exponentielle Innovation versus li -ne are Beschaffung: Der Ersatz gan-zer «Silo-Systeme» wird unmöglich.

2. Koexistenz verschiedener Generati -onen von Technologien: Zunehmen-de Wartungskosten.

3. Sich verändernde WissensbasisSchweiz: Innovation durch Startupsund Innovation bei der Armee.

4. Zunehmende Bedrohung aus demCyber-Raum.

Quelle: Div Thomas Süssli, Chef FUB

Lösungsansätze zu den digitalen Herausforderungender Schweizer Armee

1. Von Silos zur inkrementell erweiter-baren Architektur:Erprobung im Bereich Lagebild und

Lageverbund.

2. Neue Zusammenarbeitsformen mitder Industrie und Startups; agile Be-schaffung basierend auf offenen Pro-blemstellungen:«Feldversuch» am Verbindungstag

FUB vom 25.10.2018.

3. Digitalisierungsstrategie als «Leucht -tum» und «Landkarte» erarbeiten:frühzeitig Erfahrung mit neuen Tech-nologien sammeln:Vorgesehener Kredit für Innovation

im Masterplan 2018.

Quelle: Div Thomas Süssli, Chef FUB

NR Werner Salzmann, Präsident SiK-N.

«Was in 20 Jahren

die Welt verändert,

ist heute

noch nicht erfunden.»

Div Thomas Süssli, Chef FUB