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Praktische Solidarität für Flüchtlinge Zuzug im Resettlement-Verfahren / Einführung in das Asylrecht Flüchtlin gsrat Schleswig-Holstein e.V. Einführungsreferate der Fortbildungsveranstaltungen in Lübeck und Kiel (November / Dezember 2012)

Schulungsdokumentation - Praktische Solidarität für Flüchtlinge

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Einführungsreferate der Schulungen Ende 2012 zu den Themen Resettlement und Asylrecht

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Einführungsreferate der Fortbildungsveranstaltungen in Lübeck und Kiel (November / Dezember 2012)

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Impressum

Herausgegeben von

Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e. V.

Projekt Information - Qualifizierung - Orientierung

Oldenburger Str. 25 24143 Kiel Tel. 0431 735000 www.frsh.de [email protected]

Redaktion: Andrea Dallek (V.i.S.d.P.)

Autor und Layout: Reinhard Pohl

Fotos: Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e. V.

Druck: Hansadruck, Kiel

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e. V. bemüht sich um Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit und Qualität der Informationen. Da sich jedoch laufende Änderungen in der sozialen und rechtlichen Lage von Flüchtlingen ergeben, ist eine Überprüfung der Informationen im Rahmen von Einzelfällen erforder-lich. Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e. V. kann keine Gewähr übernehmen. Haftungsansprüche gegen den Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e. V., welche sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die durch die Nutzung dieser Publikation verursacht wurden, sind grundsätzlich ausgeschlos-sen, sofern seitens des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein kein nachweislich vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden vorliegt.

Die dokumentierten Schulungen wurden gefördert durch den Europäischen Flüchtlingsfonds, den KED, die UNO-Flüchtlingshilfe und das Bundesministerium des Innern aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.

–––– Impressum ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein besteht seit 1989. Er ist ein unabhängiger Zusammenschluss von Initiativen, Gruppen und Or-ganisationen sowie Einzelpersonen der solidarischen Flüchtlings-hilfe in Schleswig-Holstein. Der Flüchtlingsrat ergreift öffentlich Partei gegen Diskriminierung und für eine großzügige Aufnahme von Schutzsuchenden. Er tritt ein für ein bedingungsloses Bleibe-recht für alle Flüchtlinge und für ihre gleichberechtigte Teilhabe.

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––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Vorwort ––––––––––

VorwortIm Herbst 2012 wurden im Rahmen der Schulungsreihe Fit für Flüchtlinge in Schleswig-Holstein zwei Seminare in Kooperation mit der Kampagne safe haven – Kampagne für ein Resettlementpro-gramm in Schleswig-Holstein durchgeführt.

Das in der Vorbereitung und Durchführung gesammelte Wissen soll in diesem Handbuch dokumentiert werden.

Die Seminarreihe Fit für Flüchtlinge in Schleswig-Holstein richtete sich vor allem an Ehrenamtliche, die in der solidarischen Flüchtlings-arbeit aktiv sind oder dies anstreben. Aber auch hauptamtlich mit Flüchtlingen Tätige waren willkommen. In den Veranstaltungen wur-den Grundlagen aus Recht und Praxis vermittelt, Zeit für Nachfragen und Diskussion wurde intensiv genutzt.

Die Begleitung von Flüchtlingen kann bedeuten:

Orientierung geben

Kontakte aufbauen

Neue(s) kennenlernen

Bekanntes anderen Menschen zeigen

Flüchtlinge unterstützen

Unter dem Titel „Praktische Solidarität für Flüchtlinge – Zuzug durch das Resettlement-Verfahren“ wurden die aufenthaltsrechliche und soziale Situation von Flüchtlingen sowie Möglichkeiten der Unterstüt-zung behandelt. Inhaltliche Schwerpunkte waren die Bedingungen und Praxis der aktiven Flüchtlingsaufnahme durch das Resettlement-Programm und die Bedingungen für Flüchtlinge, die aus eigener Kraft ihren Weg nach Deutschland bzw. Schleswig-Holstein gefun-den haben.

Im Rahmen der Schulungen wurden folgende Themen behandelt:

• BedingungendesResettlement-AufnahmeverfahrensinDeutsch-land und Schleswig-Holstein,

• BeratungsbedarffürFlüchtlinge,

• besondererUmgangmitTraumatisierten,

• AblaufdesAsylverfahrens,

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–––– Vorwort –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

• FristenimVerwaltungsgerichts-Verfahren,

• möglicheLösungenfürAbgelehntemitDuldung,

• konkreteUnterstützungfürFlüchtlinge:hauptamtlicheUnterstüt-zungslandschaft in Schleswig-Holstein und Möglichkeiten der ehrenamtlichen Unterstützung.

Die Schulungen wurden am 25. Oktober 2012 in Kooperation mit dem Lübecker Flüchtlingsforum und der Humanistischen Union Lü-beck in Lübeck und am 14. Dezember 2012 in Kiel durchgeführt. In Lübeck nahmen 12 Personen und in Kiel 16 Personen teil.

Unser Dank gilt dem fachlich sehr kompetenten und geduldig alle Fragen beantwortenden Referenten Reinhard Pohl und allen Koope-rationspartnerInnen für die gute Zusammenarbeit und die gemeinsa-me Umsetzung der Schulungsreihe.

Viel Spaß beim Lesen wünscht

Andrea Dallek für den Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e. V.

Kiel, Dezember 2012

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Resettlement

„Neuansiedlung“ – Flüchtlinge nach Deutsch-land holen

„Resettlement“ ist die Neuansiedlung von Flüchtlingen, die keine Rückkehrmöglichkeit haben, aber auch nicht dort bleiben können, wo sie im Moment sind. Es handelt sich dabei um eine der wichtigsten Aufgaben des UNO-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR.

1. Bedingung

Die Flüchtlinge sind vor Verfolgung oder „aus begründeter Furcht vor Verfolgung“ (Genfer Flüchtlingskonvention) geflohen. Sie sind durch den Staat, durch eine Bürgerkriegspartei verfolgt oder vor einer Miliz geflohen, oder sie fliehen, weil sie keinen Schutz vor Verfolgung z. B. durch den Staat finden. Sie werden wegen ihrer Volkszugehörigkeit, ihrer Religion, ihres Geschlechtes, ihrer Sexulität oder ihrer politi-schen Ansichten verfolgt. Dabei haben sie den Herkunftsstaat verlas-sen, also eine internationale Grenze überschritten.

2. Bedingung

In dem Land, in dem sie sich jetzt als Flüchtlinge aufhalten, können sie nicht bleiben. Das kann daran liegen, dass das „Erstaufnahme-land“ die Genfer Flüchtlingskonvention nicht ratifiziert hat oder nicht einhält. Dann droht die Gefahr, dass die Flüchtlinge in die Verfolgung zurückgeschickt werden. Oder das Erstaufnahmeland ist finanziell oder organisatorisch nicht dazu in der Lage, die Flüchtlinge endgültig aufzunehmen – sei es, dass die Mittel fehlen, vielleicht fehlt auch der Wille. Es kann auch sein, dass das Erstaufnahmeland befürchtet, in einen Konflikt im Nachbarland hineingezogen zu werden, wenn es bestimmte Flüchtlinge aufnimmt und schützt. Möglicherweise halten sich auch Flüchtlinge von verschiedenen Parteien in einem Flücht-lingslager auf und vertragen sich nicht.

3. Bedingung

Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR braucht dann die Zusage eines Auf-nahmelandes. Einige Länder überlassen es der UNO, die Flüchtlinge auszuwählen, die neu angesiedelt werden – vielleicht diejenigen, die es schon am längsten im Flüchtlingslager aushalten mussten, oder diejenigen, die krank geworden sind. Oft geht es auch darum, dass

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Frauen und Kinder einfach nicht weg können, weil die weitere Flucht zu anstrengend oder zu gefährlich ist.

Andere Länder schicken selbst Teams in die Flüchtlingslager, um durch Interviews die Flüchtlinge auszusuchen, die aufgenommen werden. So will die US-Regierung erst feststellen, dass die Flüchtlin-ge nicht auch „TäterInnen“ in einem Konflikt waren.

Ziele des Resettlement

Normalerweise will das UNHCR mit der Neu-Ansiedlung eine endgül-tige Lösung für die betroffenen Flüchtlinge finden. Es geht also nicht um einen vorübergehenden Schutz, bis zum Beispiel der aktuelle Krieg zuende oder die Diktatur gestürzt ist. Es geht um die Einschät-zung, dass in den nächsten Jahren eine Rückkehr nicht möglich wer-den wird. Gesucht wird ein Land, dass den Flüchtlingen eine neue Heimat bietet.

Freiwillig dürfen dir Flüchtlinge natürlich später ins ursprüngliche Hei-matland zurückkehren, wenn dort Frieden oder Demokratie einge-kehrt sind. Aber sie sollen nicht dazu gezwungen werden.

Wer siedelt Flüchtlinge neu an?

Bisher sind es eher die „klassischen“ Einwanderungsländer, die Flüchtlinge in diesem UNHCR-Programm aufnehmen: USA, Kanada, Australien. In der EU bekommt bisher nur jeder 20. Flüchtling einen Platz (4.000 von weltweit 80.000 neu angesiedelten Flüchtlingen). Aufnahme 2006 Aufnahme 2007 Aufnahme 2011

USA 41.000 32.007 71.000Australien 13.000 6.056Kanada 10.000 5.998 10.000Norwegen 1.000 978Neuseeland 700 629EU:Schweden 2.400 1.772 1.900Dänemark 530 480Niederlande 380 425Großbritannien 500 348 Finnland 750 390 Irland 10 10

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Insgesamt 2011: 98.000 Flüchtlinge wurden in 22 Länder vermittelt, davon 80 % nach USA, Australien, Kanada und Schweden.

(Quelle: UNHCR)

Beschluss der Innenministerkonferenz 2008

2008 spitzte sich die Situation der Irak-Flüchtlinge in Syrien und Jordanien, aber auch im Iran und der Türkei zu. Insbesondere den beiden großen Kirchen fiel auf, dass christliche Flüchtlinge überpro-portional vertreten sind – Christen bilden im Irak eine Minderheit von 3 Prozent, bildeten aber zeitweise bis zu 50 Prozent der Flüchtlinge in den Nachbarländern. Beide Kirchen verlangten, diese Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen, weil eine Rückkehr in den Irak unmög-lich wäre.

Diese Forderung griff Innenminister Schäuble auf.

Allerdings gab es auch Kritik an dieser Initiative. Christen im Irak werden tatsächlich verfolgt, so absurd das erst einmal scheint. Denn unter Saddam Hussein gab es religiöse Toleranz, auch der Außenmi-nister der Diktatur war Christ. Erst seit die USA unter dem Präsiden-ten Bush, der sich von Gott berufen und von fundamentalistischen Christen unterstützt sieht, den Irak angriffen, verschlechterte sich ausgerechnet für die Christen die Situation rapide. Denn Schiiten, Sunniten und Kurden ersetzten die fehlende Staatsmacht durch die Kampfkraft ihrer Milizen, alle Minderheiten fallen durchs Rost. So stellen die Christen – eigentlich nur wenige Prozent der Bevölke-rung – das Gros der Flüchtlinge in Syrien und Jordanien, wo sie unter schlechtesten Verhältnissen existieren.

Aber solche Gruppen gibt es viele, Christen oder afrikanische Mos-lems aus dem Sudan, Buddisten aus Myanmar oder Tibeter aus China haben eine Aufnahme genauso nötig.

Die Innenministerkonferenz, die im November 2008 in Potsdam tagte, erklärte zwar ihre Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen, beschränkte diese aber auf Christen, andere religiöse oder sonstige Minderheiten sowie besonders bedrohte Flüchtlinge aus dem Irak. Wie diese ausgewählt werden sollen, wurde im Beschluss noch nicht festgelegt. Es wurde außerdem beschlossen, auf eine gemein-same Aufnahmezusage der EU zu warten.

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Auch diese neue Verzögerung wurde kritisiert. Denn Finnland, Schweden, Dänemark, Niederlande, Großbritannien oder die Tsche-chische Republik hatten mit der Aufnahme von Flüchtlingen im Rah-men des Resettlement der UNO längst begonnen. Es ist Deutsch-land, das isoliert in der Mitte liegt und die Aufnahme verweigert bzw. verzögert.

Schließlich beschloss die EU, insgesamt bis zu 10.000 Flüchtlinge aus dem Irak aufzunehmen, soweit diese bereits das Land verlassen und in Syrien oder Jordanien Zuflucht gesucht hatten. Deutschland erklärte sich bereit, 2.500 Flüchtlinge aufzunehmen, einige andere EU-Länder folgten. Das Ziel von 10.000 Flüchtlingen wurde nicht erreicht, die EU blieb bei der Hälfte stehen.

Aufnahme und Rechte

Von Ostern 2009 bis Ende 2010 wurden die Flüchtlinge aus Damas-kus (Syrien) und Amman (Jordanien) nach Hannover gebracht. Dabei wurde so vorgegangen:

Die UNO (UNHCR Damaskus) schlug rund 4.000 Flüchtlinge zur Aufnahme in Deutschland vor, die sie als besonders schutzbedürftig einstufte. Es ging um Flüchtlinge, die einer religiösen Minderheit an-gehören, krank oder verletzt sind, alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern oder Mitglieder von Familien, die auf der Flucht getrennt wurden, aber ein Teil der Familie schon in Deutschland lebt.

Die einzelnen Flüchtlinge wurden in Interviews befragt, welche Beziehung sie mit Deutschland verbindet. Kriterien für das UNHCR, sie zur Aufnahme in Deutschland vorzuschlagen, waren hier lebende Verwandte oder auch Sprachkenntnisse. Die UNHCR-Verantwortli-chen machten Interviews und schicken diese an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg.

Das Bundesamt beurteilte die Interviews, stimmte zu, lehnte ab oder stellte zusätzliche Fragen. In letztgenannten Fall wurden die Flücht-linge zum erneuten Interview eingeladen.

Ausgeschlossen von der Aufnahme waren Irakerinnen und Iraker, die dem Regime von Saddam Hussein gedient haben oder die jetzt Gruppen unterstützen, die Terroranschläge verüben.

Die bis Ende des Jahres 2009 ausgewählten 2.500 Flüchtlinge erhiel-ten in Syrien oder Jordanien eine „Aufnahmezusage“ und flogen in

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einem Charterflugzeug nach Hannover. Sie wurden im Durchgangsla-ger Friedland aufgenommen, dort wurde festgestellt, welche zukünf-tigen Wohnorte sie sich wünschten (z. B. dort, wo Verwandte leben). Die aufnehmenden Bundesländer erhielten Bescheid, rund 14 Tage später wurden die Flüchtlinge dorthin gebracht. Dabei wurden die Wünsche nicht immer berücksichtigt.

Sie erhielten eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Aufenthaltsgesetz. Diese kann nach drei Jahren unproblematisch verlängert werden. Sie erlaubt das Wohnen in einer Wohnung, unter Umständen auch den Umzug, den Bezug von Arbeitslosengeld II und beinhaltet eine Arbeitserlaubnis. Außerdem bekamen die Flüchtlinge bereits in Friedland einen Gutschein für einen Integrationskurs (600 Stunden Deutschunterricht, 45 Stunden Orientierungsunterricht). Nach der Weiterleitung in die Kommune bekamen sie die Aufenthaltserlaub-nis, außerdem bekamen sie eine Liste von möglichen Integrations-kursen.

Aufnahme und Verteilung

Grundsätzlich wird bei den aufgenommenen Flüchtlingen berücksich-tigt, wenn sie wegen hier lebender Verwandter in eine bestimmte Stadt möchten. Dabei werden sie auch gefragt, ob sie in mehreren Städten Verwandte haben, dass also für die Verteilung auch mehrere Ziele zur Auswahl stehen.

Dazu gibt es Flüchtlinge, die wegen ihrer besonderen Schutzbedürf-tigkeit oder notwendiger Operationen oder medizinischer Behand-lung aufgenommen werden. Sie haben hier möglicherweise keine Verwandten. Sie werden auf die Bundesländer verteilt, die nach dem üblichen Schlüssel bisher einen zu kleinen Anteil aufgenommen haben.

Verteilt wird nach dem „Königsteiner Schlüssel“, der sich am Steuer-aufkommen (zwei Drittel) und der Bevölkerung (ein Drittel) der Bun-desländer orientiert.

größte Länder (2009):

Nordrhein-Westfalen 21,30385 %

Bayern 15,01462 %

kleinste Länder (2009):

Bremen 0,93697 %

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Saarland 1,24420 %

wir (2009):

Schleswig-Holstein 3,32550 % (= 83 Flüchtlinge von 2500)

Bisherige Aufnahme in Schleswig-Holstein

Das Bundesamt gibt beim Landesamt für Ausländerangelegenheiten in Neumünster Bescheid, wenn Flüchtlinge in Hannover und dann Friedland angekommen sind, die nach Schleswig-Holstein wollen oder sollen. Das Landesamt kümmert sich darum, in welchem Kreis und Ort sie aufgenommen werden.

Das richtet sich im Allgemeinen danach, wo Verwandte oder Bekann-te leben. Soweit es diese nicht gibt, sondern nach Quote aufgenom-men wird, richtet sich die Verteilung nach dem Landesaufnahmege-setz und der Ausländer- und Aufnahmeverordnung.

§ 7 Verteilung und Zuweisung auf die Kreise und kreisfreien Städte(1) Die Verteilung der Personen nach § 3 des Landesaufnahmegesetzes auf die Kreise und kreisfreien Städte erfolgt nach folgendem Schlüssel:Kreis Dithmarschen 4,9 % (4)Kreis Hzt. Lauenburg 6,3 % (5)Kreis Nordfriesland 5,8 % (5)Kreis Ostholstein 7,2 % (6)Kreis Pinneberg 10,4 % (9)Kreis Plön 4,7 % (4)Kreis Rendsburg-Eckernf. 9,6 % (8)Kreis Schleswig-Flensburg 7,0 % (6)Kreis Segeberg 8,9 % (7)Kreis Steinburg 4,9 % (4)Kreis Stormarn 7,7 % (6)Stadt Flensburg 3,1 % (3)Landeshauptstadt Kiel 8,7 % (7)Hansestadt Lübeck 7,8 % (6)Stadt Neumünster 3,0 %. (2)

200-0-303: Landesverordnung zur Regelung von Aufgaben und Zuständigkeiten der Ausländerbehörden und bei der Aufnahme von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern sowie ausländischen Flüchtlingen und zur Einrichtung und dem Verfahren einer Härtefallkommission (Ausländer- und Aufnahmeverord-nung - AuslAufnVO) vom 19. Januar 2000 (GVOBl. 2000, S. 101) (Zahlen in Klammern: zugefügt – Anteil bei Aufnahme von 83 Flüchtlingen 2009)

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Die Flüchtlinge sollen 14 Tage nach Ankunft direkt in Fried-land abgeholt und in den Ort gebracht werden, in dem sie nach der Planung endgültig wohnen werden. Dabei sind sie frei darin, innerhalb der Kommune oder dem Kreis umzuziehen – „frei“ sind sie, sobald sie ihren Lebensun-terhalt selbst sichern können. Im Allgemeinen werden sie aber die ersten Jahre dort le-ben, wo die Verwandten oder Bekannten wohnen.

In Schleswig-Holstein wurden, wie vorgesehen, etwas über 80 Flüchtlinge aufgenommen. Dabei gab es bei ungefähr der Hälfte Probleme, weil sie an andere Orte kamen als gewünscht oder vorge-sehen.

Aufenthaltsstatus

Sobald die Flüchtlinge hier sind, bekommen sie von der Ausländerbe-hörde eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 (Absatz 2) Aufenthaltsge-setz.

„§ 23 Aufenthaltsgewährung durch die obersten Landesbehör-den; Aufnahme bei besonders gelagerten politischen Interessen

(1) (…)

(2) Das Bundesministerium des Innern kann zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungs-gerichtsordnung findet nicht statt. Den betroffenen Ausländern ist entsprechend der Aufnahmezusage eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis zu erteilen. Die Niederlassungserlaubnis kann mit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage versehen werden. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätig-keit.

(3) (…)“

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Die Ausländerbehörden handhaben die Erteilung des Aufenthaltsta-tus unterschiedlich. Die Aufenthaltserlaubnis gilt zum Teil zunächst lediglich ein Jahr, in anderen Fällen hingegen drei Jahre. Einige Flüchtlinge bekommen auch gleich eine (unbefristete) Niederlas-sungserlaubnis. Die Absicht ist aber, alle Flüchtlinge endgültig aufzu-nehmen.

Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit wurde als Nebenbestimmung gleich mit in den Pass geklebt (heute gibt es die Aufenthaltserlaubnis als Plastikkarte, die Arbeitserlaubnis als Zettel). Wenn sich die Flücht-linge um Arbeit bewerben, können mögliche ArbeitgeberInnen gleich sehen, dass keine Arbeitserlaubnis mehr beantragt werden muss.

Das ist allerdings nicht automatisch eine Erlaubnis, auch jeden Beruf auszuüben. Bildungsabschlüsse müssen erst in Deutschland aner-kannt sein, und für viele Berufe (von der Ärztin bis zum Starkstrom-elektriker) gibt es eigene Zulassungsverfahren.

Durch diese Kombination von Aufenthaltserlaubnis und Arbeitser-laubnis haben die Flüchtlinge auch Anspruch auf die übliche Un-terstützung, also meistens Arbeitslosengeld II. Zuständig ist das Jobcenter am Wohnort, in Kiel also die Anlaufstelle im Stadtteil, für Flüchtlinge in Kronshagen oder Altenholz die entsprechenden Anlauf-stellen im Kreis Rendsburg-Eckernförde, entsprechend für Schwenti-nental oder Mönkeberg im Kreis Plön.

Die Flüchtlinge erhalten gleichzeitig das Recht, einen Integrations-kurs zu besuchen, können also vom ersten Tag an Deutsch lernen.

Die Resettlement-Flüchtlinge haben ähnlich wie anerkannte Asylan-tragstellerInnen auch die sozialen Rechte, können also Kindergeld, Wohngeld, Bafög etc. beantragen. Bei Problemen sollte der Integ-rationslotse der Stadt Kiel oder eine Beratungsstelle eingeschaltet werden. Ein solcher Aufenthaltstitel könnte für einige Behörden neu sein, so dass dort Unsicherheiten herrschen.

Innenministerkonferenz 2011

Im November 2011 griffen die Innenminister auf ihrer Konferenz die vielen Appelle und Resolutionen auf und beschlossen, ab dem Jahr 2012 jährlich 300 Flüchtlinge aufzunehmen. Der Beschluss ist zu-nächst auf drei Jahre befristet.

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Die Aufnahme von jährlich 300 Flüchtlingen in Deutschland bedeutet die Aufnahme von zehn Flüchtlingen in Schleswig-Holstein und 0,6 Flüchtlingen im Herzogtum Lauenburg (also zwei Flüchtlinge in drei Jahren).

Von diesen Flüchtlingen kamen im Jahre 2012 200 aus dem Flücht-lingslager Choucha / Tunesien. Während des Bürgerkrieges in Libyen (Februar bis Oktober 2011) sind ungefähr eine Million Menschen aus dem Land geflohen, unter ihnen viele Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara. Die meisten konnten inzwischen nach Libyen oder in ihre Herkunftsländer zurückkehren. In Choucha sind ungefähr 3.700 Flüchtlinge geblieben. Im Laufe des Jahres 2012 konnte für 400 von ihnen ein Aufnahmeland gefunden werden. Von den jetzt noch dort lebenden 3.300 Flüchtlingen sind 2.860 Perso-nen vom UNHCR als Flüchtlinge anerkannt und für ein Resettlement vorgeschlagen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat im Sommer 2012 von ihnen 200 für eine Aufnahme in Deutschland aus-gesucht. Eine Familie aus dem Sudan ist in Kiel angekommen, eine weitere Familie in Wedel.

Zusätzlich wurden dann in der Türkei 100 Flüchtlinge aus dem Irak ausgesucht. Sie gehören in der Regel zu Minderheiten, die im Irak keine eigenen Organisationen und Milizen unterhalten und deshalb zwischen Sunniten, Schiiten und den beiden kurdischen Parteien nicht bestehen können. Die Türkei hat nur die Genfer Flüchtlingskon-vention unterzeichnet, die sich ausschließlich auf Flüchtlinge aus Eu-ropa bezog, nicht aber das Zusatzprotokoll, das die Anwendung auf die ganze Welt ausgedehnt hat. Deshalb gibt es in der Türkei Auf-nahmeverfahren für Flüchtlinge aus Bosnien und dem Kosovo, nicht aber für Flüchtlinge aus dem Iran, Irak oder Syrien. Diese werden einige Zeit geduldet, in der sie vom UNHCR registriert und an andere Aufnahmeländer vermittelt werden können, ansonsten können sie jederzeit abgeschoben werden.

2013 und 2014 sollen ebenfalls jeweils 300 Flüchtlinge aufgenom-men werden, die Herkunftsländer stehen noch nicht fest.

Kritik

Deutschland hat Anfang der 90er Jahre jährlich 500.000 Flüchtlinge aufgenommen – und etliche von ihnen auch wieder abgeschoben. Jetzt sind die Grenzkontrollen immer engmaschiger geworden, die Nachbarländer in die EU aufgenommen. Die Kontrollen an den Au-ßengrenzen zwingen die Flüchtlinge, immer gefährlichere Umwege

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zu suchen, Tausende sterben inzwischen jährlich beim Versuch, die Menschenrechte Europas in Anspruch zu nehmen, vor allem im Mit-telmeer.

Inzwischen erreichen nicht einmal mehr 50.000 Flüchtlinge im Jahr Deutschland. Viele von ihnen schaffen es nicht einmal, Asyl zu be-antragen – längst vorher werden sie nach Polen, Malta oder Italien zurückgeschickt, weil sie angeblich von dort kamen. Viele Flücht-lingsheime aus den 90er Jahren sind inzwischen geschlossen, nur die Arbeitsverbote sorgen noch für hohe Kosten bei der Sozialhilfe.

In dieser Situation eine Obergrenze von 2.500 Aufnahmen in einer einmaligen Resettlement-Aktion festzulegen, dann 300 jährlich in ei-nem dauerhaften Programm ist peinlich. Rund 30 Millionen Flüchtlin-ge gibt es weltweit, die Innenminister diskutieren über die Auswahl von einem von 100.000. Deutschland exportiert weltweit jährlich für über 500 Milliarden Euro Waren in alle Welt, hat einen Anteil von 10 Prozent am Welthandel und dem Gewinn, der auch zu den Flücht-lingsströmen beträgt. Anständig wäre es, auch einen 10-Prozent-Anteil an den Flüchtlingen zu akzeptieren.

Zur Erinnerung: 1979 wurden 26.000 vietnamesische Boat-People aufgenommen, also fast hundertmal so viele wie heute, und es gab keine Probleme mit der Integration dieser Menschen.

Aufgabe von „LotsInnen“ der Resettlement-Kampagne

Die LotsInnen sollen Kontaktperson, Ansprechpartnerin / Ansprech-partner für die neu ankom-menden Flüchtlinge sein. Dabei ist es nicht wichtig, ob die LotsInnen alles wissen und kennen. Sie müssen vor allem wissen, an wen Fra-gen weiter gegeben werden können.

Die ankommenden Flücht-linge sprechen zur Zeit vor allem Arabisch, viele auch ein wenig bis gutes Englisch, einige können schon ein bisschen Deutsch – besu-

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chen dann aber bald einen Deutsch-Kurs, so dass die Verständigung von Monat zu Monat einfacher wird. Es wird auch LotsInnen geben, die Arabisch sprechen und gelegentlich einspringen können, um zu dolmetschen. Das kann auch telefonisch organisiert werden.

Für die meisten Flüchtlinge geht es darum, ihren Stadtteil kennen zu lernen, die richtigen Behörden zu finden (Ausländerbehörde, Job-center), sich zum Deutschkurs anzumelden, die Kinder in den Kin-dergarten oder zur Schule anzumelden. Außerdem suchen sie Ein-kaufsmöglichkeiten und Freizeitangebote. Vielleicht suchen sie auch Kontakt, um Deutsch-Sprechen zu üben.

Wie die Erfahrung aus anderen Städten gezeigt hat, freuen sich die Flüchtlinge auch, gemeinsam einen Ausflug zu machen; wenn Not am Mann ist, mal die Kinder abgenommen zu bekommen oder wenn bei alltäglichen Schwierigkeiten mal etwas repariert oder gemeinsam handwerkliche Hilfe gesucht wird. Letztlich ist vor allem praktische Alltagshilfe gefragt.

Die Stadt Kiel hat einen Integrationslotsen fest eingestellt, der feste Sprechzeiten hat, Deutsch und Arabisch spricht und die wichtigsten Behörden kennt. Er steht für Rückfragen zur Verfügung.

Die LotsInnen bekommen darüber hinaus eine Sammlung von Adres-sen und Telefonnummern an die Hand, wo sie nachfragen können.

Es gibt die Möglichkeit, dass eine Lotsin / ein Lotse für einen Flücht-ling / eine Familie zuständig ist.

Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass eine Lotsin oder ein Lotse für eine bestimmte Aufgabe oder ein Angebot zuständig ist: Kindern für Hausaufgabenhilfe zur Verfügung zu stehen, einen Ausflug in den Landtag organisieren etc.

Offen für andere Gewohnheiten

Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, kommen aus einem anderen Land, einer anderen Kultur. Sie haben andere Werte und Normen, andere Familienstrukturen, andere Gewohnheiten.

Davor muss niemand Angst haben.

„Anders“ bedeutet aber auch: Auch Irakerinnen und Iraker, die lan-ge in Kiel wohnen, haben andere Gewohnheiten als die, die frisch kommen. IrakerInnen und Schleswig-HolsteinerInnen verhalten sich

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ja auch nicht gleich, je nachdem, welchen Schulabschluss sie haben, ob sie in der Stadt oder auf dem Land groß geworden sind und wel-che Hobbies und Interessen sie haben.

Vergessen Sie am besten alles, was Sie über „die Araber“ im Allge-meinen gehört haben. Als LotsIn haben Sie es nie mit „allen“ Irake-rInnen zu tun, sondern mit einer Person oder einer Familie.

Seien Sie einfach offen und lernen Sie „ihre“ Familie kennen. Wenn sich Werte und Normen, Gewohnheiten oder Strukturen unterschei-den: Es geht darum, die andere / den anderen kennen zu lernen und zu respektieren. Es geht nicht darum, andere Gewohnheiten „gut“ oder „schlecht“ zu finden.

Wenn Sie selbst andere Gewohnheiten haben, stellen Sie diese ger-ne ebenfalls vor, ohne gleich zu werten, was besser oder schlechter ist.

Wenn Sie glauben, dass bestimmte mitgebrachte Gewohnheiten hier nicht passend sind, z. B. im Umgang mit Behörden, weisen Sie die Flüchtlinge darauf hin, ohne sie zu bevormunden. Für jemanden, die oder der neu in Deutschland ist, ist oft unklar, welche mitge-brachten Verhaltensweisen hier sinnvoll und akzeptiert sind und wel-che nicht. Einwandernde brauchen Zeit, andere Verhaltensweisen kennen zu lernen, bevor sie diese beurteilen können.

Mit Geduld und Respekt lässt sich mit solchen Unterschieden gut umgehen.

Die Kampagne bietet den „LotsInnen“ ein regelmäßiges Treffen an, wo die Möglichkeit besteht, sich über solche Fragen auszutauschen. Diese Treffen können auch von den neu ankommenden Flüchtlingen besucht werden, soweit Interesse besteht.

Wir treffen uns am letzten Mittwoch im Monat in der Gaststätte des TUS Gaarden (Flüchtlingssolidarischer Stammtisch, siehe Termine bei www.frsh.de).

Traumatisierung?

Flüchtlinge haben oft Erlebnisse hinter sich, die nicht leicht zu ver-arbeiten sind. Dabei geht es einmal um die Diskriminierung oder Verfolgung, die zur Flucht führte. Dann kann es während der Flucht die Trennung oder gar der Tod von Angehörigen sein, aber auch eine zermürbende Wartezeit bis zu einer Aufnahme.

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Es gibt keine generellen Regeln, welche Erlebnisse zu einer Traumatisierung füh-ren. Anzeichen dafür können auch viel später auftreten, wenn man sich eingelebt hat und zur Ruhe kommt – dann kommt plötzlich „alles wieder hoch“.

Traumatisierungen zeigen sich daran, dass Erlebtes wieder erlebt wird, in Träu-men oder in Erinnerungen, die man nicht „wegdrücken“ kann. Traumatisierte vermei-den bestimmte Orte oder Eindrücke, die sie an Schlimmes erinnern.

Traumatisierte können über-erregt, unruhig, unkonzentriert sein. Sie können auch unnatürlich ruhig wirken. Traumatisierungen können zu Lernschwierigkeiten führen, aber auch zu Suchttendenzen (Alkohol, Nikotin etc.). Kinder können als „Bettnässer“ auffallen, Aggressio-nen gegen andere zeigen etc.

Als Laiin oder Laie können Sie eine Traumatisierung nicht „heilen“. Sie können aber einiges tun:

• DasSelbstwertgefühlstärken–weisenSiedenFlüchtlingaufeigene Leistungen und Erfolge hin. Zeigen Sie Anerkennung für Kenntnisse und Fähigkeiten.

• Normalitätherstellen–unterstützenSiedenFlüchtlingbeimHer-stellen eines normalen, regelmäßigen Alltags.

• Zuhörenhilft!–HörenSiezu.HabenSieauchGeduld,wennet-was mehrfach erzählt wird.

Es gibt Beratungsstellen und spezialisierte Behandlungseinrichtun-gen. Ermuntern Sie Flüchtlinge, dort auch hinzugehen und offen über seine Situation zu sprechen.

»Safe Haven« - Kampagne

In Schleswig-Holstein haben sich Organisationen und Wohlfahrts-verbände zur Kampagne zusammengefunden. Auf einer Fachtagung

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im Sommer 2008 wurden die Voraussetzungen eines Resettlement-Programmes geklärt. Auch Innenminister Lothar Hay erklärte Anfang September 2008 seine grundsätzliche Unterstützung. Die Gründung der Kampagne „safe haven - Kampagne für ein Resettlementpro-gramm in Schleswig-Holstein“ erfolgte dann am 3. Oktober, dem Tag des Flüchtlings 2008.

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein (www.frsh.de) hat die Koordi-nierung der Aktivitäten übernommen und die Ergebnisse der Fachta-gung in einer Dokumentation zusammen gestellt.

Im Jahre 2009 bis heute gab es verschiedene Veranstaltungen zur Vorstellung der Kampagne – öffentliche Veranstaltungen in Lübeck und Kiel, aber auch die Teilnahme an Anhörungen in Stadtvertretun-gen. Ziel war und ist die Verabschiedung von Resolutionen (Appell an die Bundesregierung und die Innenministerkonferenz) und letztlich die Durchsetzung der Forderungen der Kampagne.

Die Kampagne fordert:

• ResettlementnichtzumErsatzfürAsylzumachen.Flüchtlingemüssen weiterhin Asyl erhalten, Resettlement soll zusätzlich sein.

• dieAuswahlderaufgenommenenFlüchtlingedemUNHCRzuüberlassen. Die Entscheidung durch das Bundesamt birgt immer die Gefahr, dass die Flüchtlinge nach „Nützlichkeit“ (jung, ge-sund, ausgebildet, Sprachkenntnisse) ausgewählt werden.

• denaufgenommenenFlüchtlingennichteinebefristeteAufent-haltserlaubnis, sondern eine unbefristete Niederlassungserlaubnis zu geben. Der § 23 Aufenthaltsgesetz ermöglicht beides.

• ResettlementzurdauerhaftenEinrichtungzumachen.Regelmä-ßig eine angemessene Anzahl von Flüchtlingen dauerhaft aufneh-men.

Dazu ist es hilfreich und nützlich, wenn einzelne Städte und Kommu-nen durch Beschluss der Ratsversammlung, des Kreistages oder der Gemeindeversammlung ihre Bereitschaft zur Aufnahme von Flücht-lingen erklären und das dem Innenminister in Kiel und Berlin auch mitteilen.

Reinhard Pohl ([email protected])

safe haven – Kampagne für ein Resettlementprogramm in Schleswig-Holstein c/o Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V., Oldenburger Str. 25, D-24143 Kiel Tel.: 0431-735000, Fax: 0431-736077, [email protected] Informationen über weitere Initiativen bundesweit: www.save-me-kampagne.de

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––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Resettlement –––––

Beschluss der Landeshauptstadt Kiel, Ratsversammlung, 15. Januar 2009

Die Ratsversammlung begrüßt die Initiative der Bundesregierung, 2500 irakische Flüchtlinge aus Syrien und Jordanien aufzunehmen. Zu deren Unterstützung wird

Die Oberbürgermeisterin beauftragt, sich beim Innenminister des Landes SH dafür einzusetzen, dass die Flüchtlinge, die nach Schleswig-Holstein kommen werden, nicht in Sammelunterkünf-ten untergebracht, sondern in den Städten aufgenommen und integriert werden.

die Oberbürgermeistert aufgefordert, für die mögliche Aufnahme der Flüchtlinge ein Konzept zu erarbeiten, mit dem diese in ihre neue Lebenswelt integriert werden und an den Maßnahmen zur Integration teilnehmen können.

Die Ratsversammlung fordert die Bundesregierung auf, ab sofort Flüchtlinge im „Resettlement-Verfahren“ im Sinne des Konzeptes des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UN-HCR) regelmäßig aufzunehmen. Die Oberbürgermeisterin wird gebeten, zur Unterstützung dieser Forderung bei der Landesregie-rung und dem Städteverband Schleswig-Holstein für dieses Anlie-gen zu werben.

Wenn sich die Bundesregierung entschließen sollte, über die Auf-nahme eines Flüchtlingskontingents von 2500 irakischen Flücht-lingen weitere Flüchtlingskontingente aufzunehmen, erklärt sich die Landeshauptsstadt Kiel bereit, ebenfalls eine höhere Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen.

Die Oberbürgermeisterin wird aufgefordert, mit dem regionalen Netzwerk Safe Haven Kontakt aufzunehmen und gemeinsam zu beraten, wie die Stadt die Arbeit der „Save me - Kampagne“ un-terstützen kann. Dem Sozialausschuss ist über die Ergebnisse der Beratung zu berichten.

(angenommen mit den Stimmen von SPD, Grünen, SSW, FDP, Linken gegen die Stimmen von CDU und NPD)

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–––– Resettlement ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

Landtagsbeschluss September 2009:

Der Landtag begrüßt die Aufnahme irakischer Flüchtlinge im Rah-men des „Resettlement-Programms“ des Hohen Flüchtlingskom-missars der Vereinten Nationen (UNHCR).

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich bei der Bundes-regierung dafür einzusetzen, dass in Zukunft regelmäßig Flüchtlin-ge im „Re-settlement-Verfahren“ aufgenommen werden. Dabei sollen folgende Bedingungen berücksichtigt werden:

Schutzbedürftigkeit soll das einzige Auswahlkriterium sein,

das Resettlement Programm soll zusätzlich zur normalen Asylpoli-tik erfolgen und diese nicht ersetzen,

den Flüchtlingen sollen dauerhafte Lebensperspektiven in Deutschland ermöglicht werden,

es muss eine Regelung über die finanzielle Förderungen der Kom-munen durch das Land, den Bund oder die EU erstellt werden.

Der Innenminister wird aufgefordert, mit dem Netzwerk Safe Ha-ven und den Kommunen gemeinsam zu beraten, wie die Aufnah-me der Flüchtlinge von Anfang an so gestaltet werden kann, dass die schnelle Integration der Flüchtlinge in den Kreisen und Städten sichergestellt wird. Dem Innen- und Rechtsausschuss ist über die Ergebnisse der Beratung zu berichten.

(angenommen mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP, SSW ge-gen die Stimmen der CDU)

Beschluss der Stadtvertretung Glinde, 29.10.2009

Die Stadtvertretung begrüßt die Initiative der Bundesregierung, 2500 irakische Flüchtlinge aus Syrien und Jordanien aufzunehmen.

Die Verwaltung wird gebeten, sich beim Innenminister des Landes SH dafür einzusetzen, dass die Flüchtlinge, die nach SH kommen werden, nicht in Sammelunterkünften untergebracht, sondern in den Städten aufgenommen und integriert werden.

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––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Resettlement –––––

Die Verwaltung wird gebeten zu prüfen, ob eine Aufnahme in Glin-de grundsätzlich möglich ist und welche Voraussetzungen geschaf-fen werden müssen, um die Flüchtlinge zu integrieren.

Die Stadtvertretung unterstützt alle Maßnehmen, die eine soforti-ge Aufnahme von Flüchtlinge im Resettlement-Verfahren im Sinne des UNHCR erreichen. Wir bitten die Landesregierung und den Städtebund Schleswig-Holstein um entsprechende Unterstützung.

Zur weiteren Information und evtl. Unterstützung / Zusammenar-beit mit dem regionalen Netzwerk „Safe Haven“ wird um Kontakt-aufnahme mit demselben gebeten.

(Abstimmung: 13 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme, 7 Enthaltungen)

Lübeck: Sitzung der Bürgerschaft am 25. Febru-ar 2010

Die Bürgerschaft hat zu Punkt 4.3 mit Drs. Nr. 168 den nachstehend aufgeführten Antrag der Fraktion „Bündnis 90 / Die Grünen“ mit Mehrheit in geänderter Fassung angenommen:

(Resettlement-Verfahren)

Die Lübecker Bürgerschaft begrüßt die Initiative der Bundesregie-rung, 2500 irakische Flüchtlinge aus Syrien und Jordanien aufzuneh-men.

Die Lübecker Bürgerschaft fordert die Bundesregierung auf, ab sofort Flüchtlinge im „Resettlement-Verfahren“ im Sinne des Kon-zeptes des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) regelmäßig aufzunehmen.

Wenn sich die Bundesregierung entschließen sollte, über die Auf-nahme eines Flüchtlingskontingents von 2500 irakischen Flüchtlin-gen weitere Flüchtlings kontingente aufzunehmen, erklärt sich die Hansestadt Lübeck bereit, den erhöhten Quoten bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu entsprechen. *

Der Bürgermeister wird gebeten, mit dem schleswig-holsteinischen Netzwerk Safe Haven Kontakt aufzunehmen und gemeinsam zu beraten, wie die Stadt die Arbeit der bundesweiten Kampagne „Save me“ unterstützen kann. Dem Sozialausschuss ist über die Ergebnis-se der Beratung zu berichten.

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Darüber hinaus wird Herr Saxe gebeten, Inhalt und Abstimmungs-ergebnis dieses Antrags der Landesregierung zur Kenntnis zu geben und für die Umsetzung einzutreten.

*Im Zuge des Resettlement-Programms 2009 nimmt Lübeck ein-malig acht Flüchtlinge auf.

Nordfriesland: Gemeinsamer Antrag der Frak-tionen von Grünen, Linken, WG NF, CDU, SSW und SPD zu TOP 21 zum Kreistag am 4.6.2010 (dort angenommen)

Beratung und Beschlussfassung:

Auch Nordfriesland soll ein sicherer Zufluchtsort („Safe Haven“) für Flüchtlinge werden

Der Kreistag Nordfriesland begrüßt die Initiative der Bundesregie-rung, 2.500 irakische Flüchtlinge aus Syrien und Jordanien aufzu-nehmen.

Der Kreistag fordert die Bundesregierung auf, ab sofort Flüchtlinge im „Resettlement-Verfahren“ im Sinne des Konzeptes des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) regelmä-ßig in einem bestimmten Kontingent aufzunehmen. Der Landrat wird gebeten, zur Unterstützung dieser Forderung bei der Lan-desregierung und dem schleswig-holsteinischen Landkreistag für dieses Anliegen zu werben.

Der Kreis Nordfriesland erklärt sich bereit, gleichfalls regelmäßig Flüchtlinge im Rahmen des „Resettlement-Verfahrens“ aufzu-nehmen. Im Vorfeld der Ansiedlung soll geklärt werden, dass die Menschen bereit sind, längerfristig in Nordfriesland zu leben.

Der Kreistag bittet die Verwaltung gemeinsam mit den Kommunen zu prüfen, wie die Aufnahme der Flüchtlinge von Anfang an so gestaltet werden kann, dass eine schnelle Integration der Flüchtlin-ge in den Städten und Gemeinden sichergestellt wird. Der Arbeits- und Sozialausschuss ist über die Ergebnisse der Beratungen zu informieren.

Der Landrat wird aufgefordert, mit dem schleswig-holsteinischen Netzwerk „Safe haven“ Kontakt aufzunehmen und gemeinsam zu beraten, wie der Kreis die Arbeit der Kampagne unterstützen kann.

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Adressen für Informationen und Unterstützung

Safe haven - Kampagne, c/o Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e. V. Oldenburger Str. 25, 24143 Kiel, Tel. 0431/735000, [email protected], www.save-haven.org

ZBBS e. V., Migrationsberatung Sophienblatt 64 a, 24114 Kiel, Tel. 0431 / 200 11 50, [email protected] Beratung: Montag & Donnerstag 9.00 bis 12.00 Uhr und nach Verein-barung.

Lübecker Flüchtlingsforum e. V., Hüxstraße 79 – 83, 23552 Lübeck, Migrationssozialberatung: Tel.: 0451 / 7072299, Fax: 0451 / 6130548. Sprachkenntnisse: arabisch, englisch, kurdisch

Der Kreistag appelliert an die Entscheidungsträger der Verwaltung, schon jetzt im Rahmen des geltenden Rechts bei der Entschei-dung über Aufnahmen im Zuge von Familienzusammenführung aus humanitären Gründen eine großzügige Ermessensauslegung zu praktizieren.

Bei den anzuwendenden Maßnahmen ist das Konnexitätsprinzip zu beachten.

Für die Fraktionen

T. Hanke (CDU) T. Nissen (SPD)

J. Jungclaus (WG-NF) U. Stellfeld-Petersen (SSW)

U. Schwalm (Bündnis 90 / die Grünen) P. Burmeister (Die Linke)

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Einführung in das Asylrecht

Asylantrag

Bei jeder deutschen Behörde kann ein Asylantrag gestellt werden. Wer es an der Grenze macht, wird allerdings nach der „Drittstaaten-Regelung“ sofort zurückgeschickt und darf gar nicht erst einreisen.

Grundgesetzänderung 1993: Kein Asyl erhält, wer über einen „si-cheren Drittstaat“ nach Deutschland einreist. „Sichere Drittstaaten“ sind alle Nachbarstaaten.

Wer sich im Landesinnern meldet, wird zur nächsten Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Hauptsitz: Nürn-berg) geschickt. Jedes Bundesland hat mindestens eine Aufnahme-stelle für Flüchtlinge, in der eine Außenstelle des Bundesamtes sitzt. Für Schleswig-Holstein ist dies eine ehemalige Kaserne in Neumüns-ter. Diese Aufnahmestellen sind miteinander über ein Computernetz verbunden. In jeder Aufnahmestelle werden die Anträge von Flücht-lingen aus zwanzig bis dreißig Herkunftsländern bearbeitet, und jedes Bundesland muss eine festgelegte Quote neu ankommender Flüchtlinge aufnehmen.

Wenn sich ein Flüchtling in der Aufnahmestelle meldet, wird zu-nächst festgestellt, ob der Asylantrag dort auch bearbeitet werden kann, d. h. ob das Herkunftsland dort bearbeitet wird und ob das Bundesland am gleichen Tag schon mehr oder weniger Flüchtlinge, als es der Quote entspricht, aufgenommen hat. Dann wird entschie-den, ob der Flüchtling in dieser Einrichtung aufgenommen wird oder in ein anderes, möglichst benachbartes Bundesland weitergeschickt wird.

Schleswig-Holstein nimmt zur Zeit (2012) etwa 1.600 Flüchtlinge im Jahr auf. Allerdings melden sich hier mehr Flüchtlinge, viele von ih-nen, nachdem sie vergeblich versucht haben, die Grenze nach Däne-mark oder Schweden zu überschreiten.

Viele melden sich in dem Moment als Asylsuchende, in dem sie kontrolliert werden. Sie werden dann registriert und erhalten die Adresse der Erstaufnahmeeinrichtung (Kaserne) in Neumünster. Sie müssen sich dort innerhalb von zwei Wochen melden und ihren Asyl-antrag stellen. Melden sie sich in dieser Zeit nicht, dürfen sie später keinen Asylantrag mehr stellen, sondern nur noch einen „Asylfol-geantrag“.

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Der Asylantrag wird formlos gestellt. Das Bundesamt lädt dann, meistens innerhalb einer Woche, zu einer mündlichen Anhörung ein.

DÜ-Verfahren

Nach dem Schengener Vertrag (1990) und dem Dubliner Überein-kommen (1997), heute abgelöst durch eine EU-Verordnung (18. Februar 2003) ist EU-weit vereinbart, welcher Mitgliedsstaat für ein Asylverfahren zuständig ist. Zuständig für die Entscheidung über einen Asylantrag ist das Mitgliedsland, das dem Flüchtling ein Visum ausgestellt hat. Reist der Flüchtling ohne Visum ein, ist das Land zu-ständig, in dem er sich zuerst aufgehalten hat. Dieses Land ist auch für spätere Folgeanträge zuständig.

Manchmal gibt es einen Konflikt zwischen zwei Grundsätzen: Fami-lien sollen durch das Asylverfahren nicht getrennt werden, es kom-men aber häufig Familienmitglieder in verschiedenen EU-Staaten an. Dann sollen sie nach bestimmten Verfahren in einem Land zu-sammengeführt werden. Probleme treten oft bei der Definition von „Familie“ auf: wenn ein Mann und eine Frau vielleicht gemeinsam Kinder haben, aber keine Heiratsurkunde, oder nach einem religiösen Ritus verheiratet sind, der hier nicht als Heirat anerkannt wird, oder als Angehörige von Minderheiten die von der Mehrheit geführten Behörden nicht aufsuchen können.

Das größte Problem in der Praxis ist der Nachweis eines Aufenthal-tes in einem anderen EU-Land (wobei auch Norwegen und Island zum Dubliner Übereinkommen gehören). Wer in Deutschland Asyl beantragt und nicht mit dem Flugzeug gekommen ist, wird in einem anderen Land gewesen sein. Es können auch mehrere Länder sein (z. B. Griechenland - Italien - Österreich - Deutschland). Die Verstän-digung der Länder untereinander, wer „zuständig“ ist, kann aber Monate dauern.

Wer sich in Deutschland, z. B. in Neumünster meldet und Asyl be-antragt, wird erst mal erkennungsdienstlich behandelt. Mit Hilfe von Fotos und Fingerabdrücken versucht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge festzustellen, ob diese Person in einem anderen EU-Land bereits registriert ist. Ist dies der Fall, dann wird die „Rück-schiebung“ eingeleitet, d. h. diese Person bleibt in der Kaserne, bis das andere Land der Rückübernahme zugestimmt hat, und wird dann dorthin abgeschoben. Eine „freiwillige Ausreise“ ist nicht mög-lich.Dasbetrifftca.jedendrittenAsylantrag!DieseAnträgewerdeninNeumünsternichtbearbeitet!Allerdingswerdenlängstnichtalle

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„Rückübernahmeersuchen“ positiv beantwortet, so dass später der Asylantrag doch hier bearbeitet werden kann.

Seit dem 1. Mai 2004 sind Estland, Lettland, Litauen, Polen, die Tschechische Republik, die Slowakische Republik, Ungarn und Slo-wenien Mitglied der EU, seit 2007 auch Rumänien und Bulgarien. Damit sind sie automatisch auch dem Schengener Vertrag beigetre-ten, für sie gilt das Dubliner Übereinkommen. Seit dem Beitritt stei-gen dort die Zahlen der Asylanträge, allerdings noch auf sehr niedri-gem Niveau. Viel öfter als früher werden dort allerdings Flüchtlinge auf dem Weg nach Westeuropa kontrolliert und gestoppt. Dadurch werden auch Familien getrennt. Außerdem gibt es Flüchtlinge, die trotzdem später nach Deutschland kommen, um hier Asyl zu bean-tragen. Die frühere Kontrolle in einem der neuen EU-Mitgliedsländer führt dann zu einer Rückschiebung.

Insbesondere, wenn Familien getrennt werden, müssen Bera-tungsstellen auch Kontakt mit Behörden der neuen EU-Mitglieder aufnehmen. Insofern kommt es künftig häufiger vor, dass nicht nur DolmetscherInnen mit den Sprachen der Herkunftsländer, sondern auch DolmetscherInnen mit den Sprachen von Transitländern ge-braucht werden. Meistens wollen die betroffenen Flüchtlinge eine Vereinigung der Familie hier in Deutschland erreichen, die deutschen Behörden wollen aber die Rückschiebung der hier befindlichen Fami-lienmitglieder nach Polen, Estland etc.

Das gilt auch umgekehrt: Wer sich in Neumünster meldet, um Asyl zu beantragen, dann aber dort verschwindet und später in Schweden Asyl beantragt, wird von dort aus nach Deutschland zurückgescho-ben.

Anhörung

Bei der Anhörung sitzt der Flüchtlinge einer / einem Angestellten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gegenüber, die / der das Gespräch mit Hilfe einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers führt. Dabei geht das Bundesamt nach einem Katalog von 25 Fragen vor, die die Personalien und den Fluchtweg feststellen sollen. Erst nachdem diese 25 Fragen beantwortet sind, wird der Flüchtling auf-gefordert, die Verfolgung und die Gründe für die Flucht zu schildern.

Dabei soll die Anhörerin / der Anhörer feststellen, ob eine staatliche, politisch motivierte, individuelle Verfolgung vorliegt, die den Flücht-ling in eine ausweglose Situation gebracht hat, aus der sie oder er

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dann direkt nach Deutsch-land geflohen ist. Allgemeine Gefahren, auch wenn sie lebensgefährlich sind, führen nicht zu einer Anerkennung des Asylantrages. Auch z. B. Folter oder Vergewal-tigung sind kein Grund für eine Anerkennung, wenn beispielsweise im Herkunfts-land allgemein gefoltert oder häufig vergewaltigt wird.

Bei dieser Anhörung, die nor-malerweise 45 Minuten bis 3 Stunden dauert, muss alles angegeben werden, was den Asylantrag begründen soll. Später Vorgetragenes kann nach dem Asylverfahrensge-setz ignoriert werden.

Die Entscheidung über den Asylantrag wird von der Anhörerin oder dem Anhörer formuliert, muss aber außer-dem vom örtlichen Chef des Bundesamtes mit unterzeich-net werden. Dazu gibt dieser Leiter der Außenstelle oder die Zentrale des Bundesam-tes in Nürnberg Richtlinien heraus, in welchen Fällen anerkannt und in welchen abgelehnt wird.

Die meisten Flüchtlinge sind nicht ausreichend darüber informiert, welche Bedeutung diese Anhörung hat. Auch wissen sie häufig nicht, worauf es ankommt. Wer verdeckt politisch gearbeitet hat, ist es gewohnt, bei „Verhören“ keine Einzelheiten zu nennen – genau diese sind aber bei der Anhörung durch das Bundesamt wichtig. Viele schildern die Verhältnisse im Herkunftsland, die ein Bleiben un-möglich machten, gehen aber zu wenig auf das persönliche Schick-sal ein.

Die Anhörung findet mit Hilfe einer Dolmetscherin oder eines Dol-metschers statt. Hier bemüht sich das Bundesamt, eine Dolmet-scherin oder einen Dolmetscher zu finden, mit der / dem die Ver-ständigung klappt. Dennoch gibt es häufig Probleme: Flüchtlinge aus

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dem Kaukasus (Tschetschenien, Dagestan, Inguschetien) werden fast immer auf Russisch gedolmetscht, für Flüchtlinge aus dem Iran werden DolmetscherInnen aus Afghanistan (Dari) bestellt und umge-kehrt. Auch ist bei kurdischen Flüchtlingen nicht immer klar, ob sie besser Türkisch oder Kurdisch (und welchen Dialekt) sprechen.

Die 25 Fragen einer Anhörung

1. Sprechen Sie neben der / den angegebenen Sprache(n) noch weitere Dialekte?

2. Besitzen oder besaßen Sie noch weitere Staatsangehörigkei-ten?

3. Gehören Sie zu einem bestimmten Stamm / einer bestimmten Volksgruppe?

4. Können Sie mir Personalpapiere wie z.B. einen Pass, Passer-satz oder Personalausweis vorlegen?

5. Haben Sie in Ihrem Heimatland Personalpapiere wie z.B. einen Pass, Passersatz oder einen Personalausweis besessen?

6. Aus welchen Gründen können Sie keine Personalpapiere vor-legen?

7. Können Sie mir sonstige Dokumente (z.B. Zeugnisse, Geburts-urkunde, Wehrpass, Führerschein) über Ihre Person vorlegen?

8. Haben oder hatten Sie ein Aufenthaltsdokument / Visum für die Bundesrepublik Deutschland oder ein anderes Land?

9. Nennen Sie mir bitte Ihre letzte offizielle Anschrift im Heimat-land. Haben Sie sich dort bis zur Ausreise aufgehalten? Wenn nein, wo?

10. Nennen Sie bitte Familiennamen, ggf. Geburtsnamen, Vorna-men, Geburtsdatum und -ort Ihres Ehepartners sowie Datum und Ort der Eheschließung.

11. Wie lautet dessen Anschrift (falls er sich nicht mehr im Hei-matland aufhält, bitte die letzte Adresse dort und die aktuelle angeben)?

12. Haben Sie Kinder (bitte alle, auch volljährige mit Familienna-men, Vornamen, Geburtsdatum und -ort angeben)?

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13. Wie lauten deren Anschriften (falls sich Kinder nicht mehr im Heimatland aufhalten, bitte die letzte Adresse dort und die aktuelle angeben)?

14. Nennen Sie mir bitte Namen, Vornamen und Anschrift Ihrer Eltern.

15. Haben Sie Geschwister, Großeltern, Onkel oder Tante(n), die außerhalb Ihres Heimatlandes leben?

16. Wie lauten die Personalien Ihres Großvaters väterlicherseits?

17. Welche Schule(n) / Universität(en) haben Sie besucht?

18. Welchen Beruf haben Sie erlernt? Bei welchem Arbeitgeber haben Sie zuletzt gearbeitet? Hatten Sie ein eigenes Ge-schäft?

19. Haben Sie Wehrdienst geleistet?

20. Waren Sie schon früher einmal in der Bundesrepublik Deutschland?

21. Haben Sie bereits in einem anderen Staat Asyl oder die Aner-kennung als Flüchtling beantragt oder zuerkannt bekommen?

22. Wurde für einen Familienangehörigen in einem anderen Staat der Flüchtlingsstatus beantragt oder zuerkannt und hat dieser dort seinen legalen Wohnsitz?

23. Haben Sie Einwände dagegen, dass Ihr Asylantrag in diesem Staat geprüft wird?

24. Bitte schildern Sie mir, wie und wann Sie nach Deutschland gekommen sind. Geben Sie dabei an, wann und auf welche Weise Sie Ihr Herkunftsland verlassen haben, über welche anderen Länder Sie gereist sind und wie die Einreise nach Deutschland erfolgte.

25. Dem Antragsteller wird nun erklärt, dass er zu seinem Verfol-gungsschicksal und den Gründen für seinen Asylantrag ange-hört wird. Er wird aufgefordert, die Tatsachen vorzutragen, die seine Furcht vor politischer Verfolgung begründen. Frage: Welches sind die Gründe dafür, dass Sie ... (Heimat-land) verlassen haben?

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Die Entscheidung

Die Entscheidung über den Asylantrag besteht aus drei Teilen:

Zunächst wird geprüft, ob der Asylantrag anerkannt wird. Haupthin-dernis ist immer die Flucht auf dem Landweg. Auch wenn es nicht gelingt, die genaue Fluchtroute zu rekonstruieren, wird die Durch-querung eines „sicheren Drittstaates“ angenommen und der Asylan-trag abgelehnt. Einzige Ausnahme ist: Wenn der Flüchtling ein Visum für Deutschland hat, ist Deutschland für die Bearbeitung des Asylan-trages unabhängig von der Reiseroute zuständig. Theoretisch ist es auch möglich, die Einreise auf dem Luftweg nachzuweisen, aber die wenigsten Flüchtlinge halten die geforderten Beweise in Händen.

Wird der Asylantrag abgelehnt, wird trotzdem geprüft, ob eine poli-tische Verfolgung vorliegt. Denn unabhängig von der Anerkennung oder Ablehnung des Asylantrages verbietet die Genfer Flüchtlings-konvention eine Abschiebung in einen Verfolgerstaat. Wird die poli-tische Verfolgung geglaubt, wird die Abschiebung nach § 60, 1 des Aufenthaltsgesetzes (drohende politische Verfolgung) verboten. Diese Kombination aus Ablehnung des Asylantrages bei Abschiebe-verbot führt dazu, dass diese Flüchtlinge wie anerkannte Flüchtlinge für zunächst drei Jahre hier bleiben dürfen.

Wenn nach Meinung des Bundesamtes keine politische Verfolgung droht, werden sonstige Abschiebehindernisse (§ 60, Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes) geprüft. Das wäre zum Beispiel eine drohen-de Todesstrafe, drohende Misshandlung und Folter, eine schwere (lebensgefährliche) Erkrankung, die im Herkunftsland nicht behan-delt werden kann – das führt dann auch zu einem Abschiebeverbot, allerdings nur für drei Monate. Danach muss die örtlich zuständige Ausländerbehörde entscheiden, ob die Abschiebung weiterhin nicht in Frage kommt. Für die Betroffenen kann das nach einigen Jahren ebenfalls zu einem Bleiberecht führen, es kann aber auch der Beginn einer jahrelangen Ungewissheit sein.

Familienangehörige bekommen normalerweise einen „abhängigen“ Aufenthaltsstatus, d. h. die Familie bleibt zusammen. Das gilt aber nur für Paare und minderjährige Kinder – Eltern mit einer 19-jähri-gen Tochter (oder Sohn) werden vom Bundesamt wie zwei Familien behandelt, auch bei einem Bleiberecht für die Eltern kann die Tochter (der Sohn) alleine abgeschoben werden. Ebenso gilt: Wenn Vater, Mutter oder Kind wegen einer Erkrankung nicht angeschoben wer-den, dürfen die übrigen Familienangehörigen ebenfalls bleiben. Wird der oder die Kranke gesund, müssen alle das Land verlassen.

Zur Zeit (Ende 2012) werden ungefähr 28 % der Asylanträge aner-kannt, ungefähr 50 % abgelehnt, der Rest wird nicht entschieden

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– meistens, weil die Betroffenen Meldefristen versäumen, unter-tauchen, heiraten oder anderes. Wenn keine politische Verfolgung geschildert wurde, wird der Asylantrag als „offensichtlich unbegrün-det“ abgelehnt. Dann hat der Flüchtling eine Woche Zeit, dagegen zu klagen, kann aber trotzdem sofort abgeschoben werden. Wird eine politische Verfolgung geschildert, die aber nicht geglaubt oder für nicht so schwerwiegend gehalten wird, wird der Asylantrag als „un-begründet“ abgelehnt. Dann hat der Flüchtling zwei Wochen Zeit, dagegen zu klagen. Wenn die Klage pünktlich beim Verwaltungsge-richt eingeht, bekommt der Flüchtling ein Aufenthaltsrecht bis zur endgültigen Entscheidung.

Viele Flüchtlinge verstehen den Bescheid nicht und bitten Dol-metscherInnen, ihn zu übersetzen. Das können sie meistens nicht bezahlen. Wichtig: Auch beim Abschiebehindernis nach § 60 Auf-enthG heißt es, „Der Asylantrag wird abgelehnt“ und ggf.: „Sie werden aufgefordert, innerhalb von vier Wochen die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen.“

Anerkennung

Flüchtlinge, deren Asylantrag anerkannt wurde oder denen Abschie-beschutz wegen drohender politischer Verfolgung zuerkannt wurde, erhalten einen blauen Pass und eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Danach können sie eine Niederlassungserlaubnis beantragen, auch wenn sie Sozialhilfe / ALG II bekommen. Die Ausländerbehörde muss das Bundesamt fragen, ob sich die Voraussetzungen für die Anerkennung geändert haben. Nur wenn dies nicht der Fall ist, wird die Niederlassungserlaubnis erteilt.

Wurde ein Abschiebehindernis wegen einer Erkrankung festgestellt, das ist häufig eine psychische Erkrankung aufgrund erlittener Folter und Verfolgung, wird nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis gege-ben, zunächst für drei Monate. Diese wird von der Ausländerbehörde bei Bedarf, wenn also die Erkrankung noch besteht, verlängert. Hier ist es regional sehr unterschiedlich, nach welcher Zeit der Aufenthalt „verfestigt“ werden kann. Nach sieben Jahren kann eine Niederlas-sungserlaubnis beantragt werden, die Flüchtlinge müssen dann aber normalerweise ohne Sozialhilfe / Arbeitslosengeld II leben.

Viele Flüchtlinge brauchen DolmetscherInnen beim Anwalt, bei der Ausländerbehörde oder bei der Beratungsstelle, können aber meis-tens nichts bezahlen.

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Wenn sie allerdings nach einer Anerkennung arbeiten dürfen, die Ju-gendlichen weiterführende Schulen besuchen oder eine Ausbildung beginnen, sind häufig auch Dokumente (Schulzeugnisse, Diplome etc.) zu übersetzen. Das dürfen nur ermächtigte ÜbersetzerInnen, die ein Siegel führen dürfen (beglaubigte Übersetzung). Üblich sind hier Preise ab 1 Euro pro Zeile, die meisten ÜbersetzerInnen verlan-gen als Mindestpreis eine „Auftragspauschale“ von 20 bis 40 Euro (Gesetz: mindestens 15 Euro). Allerdings ist es auch üblich, die wirt-schaftlichen Verhältnissen der AuftraggeberInnen zu berücksichtigen.

Ablehnung

Auf die Ablehnung eines Asylantrages folgt immer die Aufforderung, Deutschland zu verlassen. Meistens wird dafür eine Frist von vier Wochen gesetzt. Nur wenn „Abschiebehindernisse“ festgestellt worden sind, darf man trotz der Abschiebeandrohung bleiben. Die Ausreise aus Deutschland darf, wenn es nach den deutschen Behör-den geht, in jedes beliebige Land erfolgen. Problem für die meisten Flüchtlinge ist allerdings, dass sie für die Weiterreise (oder Weiter-flucht) ein Visum benötigen, das sie als abgelehnte AsylbewerberIn-nen nur in Ausnahmefällen bekommen können.

Viele abgelehnte AsylbewerberInnen reisen tatsächlich nach der Aufforderung aus. Denn eine selbstorganisierte Rückkehr in ihr Her-kunftsland ist eine gute Möglichkeit, nicht die Aufmerksamkeit der Heimatbehörden zu erregen und gleich eine neue Verfolgung auszu-lösen. In vielen Ländern sind Grenzübergänge für Busse und Autos nicht mit Computern ausgerüstet, so dass eigene Staatsangehörige mit gültigen Papieren dort unauffällig einreisen können.

Eine Abschiebung wird erst eingeleitet, wenn die gesetzte Frist zur freiwilligen Ausreise abgelaufen ist. Die Abschiebung setzt voraus, dass eine Reiseverbindung besteht und gültige Papiere vorliegen.

Eine Abschiebung bedeutet immer, dass auch eine „Wiedereinrei-sesperre“ verhängt wird, die europaweit („Schengen-Staaten“) gilt. Wenn der / die Abgeschobene irgendwann wieder ein Visum zur Einreise in ein europäisches Land beantragen will, muss sie / er erst bei der letzten zuständigen Ausländerbehörde eine „Befristung“ der Wiedereinreisesperre beantragen und bekommt dann eine Rech-nung für die Kosten der Abschiebung. Da die Ausländerbehörden für Abschiebungen meistens Linienflüge buchen, sind diese Rechnun-gen sehr hoch. Aber auch wenn die Wiedereinreisesperre befristet ist, braucht man einen guten Grund, um ein Visum zu bekommen.

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Ist eine Abschiebung angeordnet, kann sie aber zum Beispiel wegen fehlender Papiere nicht durchgeführt werden, bekommen die Betrof-fenen eine „Duldung“. Dieses Papier zeigt an, dass kein Aufenthalts-recht besteht, eine Abschiebung aber im Moment nicht möglich ist. Wenn die Hinderungsgründe wegfallen, kann die Abschiebung sofort stattfinden, unabhängig davon, für welchen Zeitraum die Duldung ausgestellt wurde. Hier wird – durch ein zusätzliches Schreiben – un-terschieden, ob die / der abgelehnte AsylbewerberIn für die Abschie-behindernisse verantwortlich ist oder objektive Umstände. Wird die / der Flüchtling selbst verantwortlich gemacht, weil er z.B. falsche Angaben zu seiner Person macht, darf sie / er nicht arbeiten und die Sozialleistungen können auf ein Mindestmaß gekürzt werden. Herrscht im Herkunftsland aber Krieg, so dass der Flugverkehr einge-stellt wurde, kann während der Laufzeit der Duldung eine Arbeitser-laubnis erteilt werden.

Mit der Durchführung der Abschiebung beauftragt die Ausländer-behörde häufig das „Landesamt für Ausländerangelegenheiten“ in Neumünster. Dieses bemüht sich um die Personalpapiere und bucht Flüge. Die Betroffenen werden häufig kurz vor der Ausreise aufgefordert, die Wohnung aufzugeben und wieder in die Kaserne in Neumünster zu ziehen. Wer freiwillig ausreisen will, aber keine Personalpapiere hat, kann auch die Unterstützung des Landesamtes in Anspruch nehmen.

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Jugendliche erhalten in der Regel eine Duldung, bis sie 18 sind. Ist dann die Ausreise oder Abschiebung möglich, muss die Ausländer-behörde handeln.

Die Klage vor dem Verwaltungsgericht

Für die Klage gegen eine Entscheidung des Bundesamtes ist das Verwaltungsgericht des jeweiligen Bundeslandes zuständig, für Schleswig-Holstein ist dies das Verwaltungsgericht Schleswig. Die verschiedenen Kammern haben die Herkunftsgebiete unter sich aufgeteilt, die Wartezeiten bis zu einem Prozesstermin sind sehr un-terschiedlich. In der Regel werden verschiedene Asylverfahren von Angehörigen einer Familie in einer mündlichen Verhandlung zusam-mengefasst. Dabei ist es so, dass minderjährige Kinder ab 16 Jah-ren „asylmündig“ sind und damit ein eigenes Verfahren betreiben, Ehepaare betreiben meistens ein Verfahren, haben aber zwei Anhö-rungsprotokolle und möglicherweise zwei verschiedene Entschei-dungen. Die Verfahren können jederzeit getrennt werden. Sind die Familienangehörigen zu verschiedenen Zeiten gekommen, betreiben sie in der Regel zwei verschiedene Verfahren.

Die Klage muss von einer Rechtsanwältin / einem Rechtsanwalt eingereicht und begründet werden. Es gibt vom Gericht aus zwar keinen Anwaltszwang, aber alleine die Pflicht, die Begründung auf Deutsch innerhalb von ein oder zwei Wochen einzureichen, macht eine Klage durch den Flüchtling alleine chancenlos. Dabei erlauben Richterinnen und Richter unterschiedlich großzügig das Nachreichen von Begründungen und Material dazu.

Auch für hier geborene Kinder wird laut Gesetz ein Asylantrag ge-stellt. Tun die Eltern das nicht, machen es nach dem Asylverfah-rensgesetz die Behörden. Einerseits legen die örtlichen Behörden (Ausländerbehörde, Sozialamt) Wert darauf, da die Kosten zur Unter-bringung und Versorgung von AsylbewerberInnen zu 70 Prozent vom Land erstattet werden. Andererseits kann eine Abschiebeandrohung durch das Asylverfahren des Kindes zumindest verzögert werden, wenn der Zeitpunkt der Asylantragstellung den Eltern überlassen wird. Deshalb wurde dem Eltern mit dem neuen Aufenthaltsgesetz seit dem 1. Januar 2005 die Möglichkeit genommen, über einen Asylantrag später zu entscheiden. Die Eltern können allerdings auf die Durchführung eines Asylverfahrens für das Baby verzichten.

Das Verfahren wird auf die zuständige Kammer des Verwaltungsge-richtes übertragen, dort übernimmt es eine Einzelrichterin oder ein

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Einzelrichter. Das Bundesamt als Prozessgegner tritt meistens nicht in Erscheinung.

Die Verhandlung ist öffentlich und findet mit einer Dolmetscherin / einem Dolmetscher statt. Allerdings kommt selten Publikum, manch-mal werden Asylbewerberinnen / Asylbewerber von Freunden be-gleitet.

Meistens sagt der Richter / die Richterin am Ende der ein- bis zwei-stündigen Verhandlung, wie das Urteil ausfällt, ansonsten bekommt man innerhalb einer Woche eine Information von der Geschäftsstel-le. Bis das schriftliche Urteil kommt, können allerdings bis zu sechs Monate vergehen.

Für die Vorbesprechung mit dem Rechtsanwalt / der Rechtsanwältin benötigen viele Flüchtlinge eine Dolmetscherin oder einen Dolmet-scher, die sie allerdings meistens nicht bezahlen können.

Das Verwaltungsgericht Schleswig bestellt DolmetscherInnen und bezahlt nach dem Justizvergütungsgesetz.

Oberverwaltungsgericht / 2. Instanz

Nur Fälle von „grundsätzlicher Bedeutung“ können vor dem Ober-verwaltungsgericht nochmals verhandelt werden. Für die meisten Flüchtlinge ist das Verfahren daher nach der 1. Instanz bereits zu Ende.

Eine Revision ist nur möglich, wenn klare Fehler im Verfahren nach-gewiesen werden. Dann weist das Oberverwaltungsgericht das Verwaltungsgericht an, das Verfahren vor einer anderen Kammer zu wiederholen.

Eine Berufung ist nur möglich, wenn es um eine Entscheidung von „grundsätzlicher Bedeutung“ geht, wenn also im Urteil Feststellun-gen getroffen werden, die für eine Vielzahl von Flüchtlingen gelten oder die von der gängigen Rechtsprechung des Gerichtes abwei-chen.

Einen Revisionsantrag oder Antrag auf Zulassung der Berufung (bzw. Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung) können grund-sätzlich der Flüchtling und das Bundesamt stellen. Es gilt eine Frist von zwei Wochen nach Zustellung des schriftlichen Urteils, in dieser Zeit muss der Antrag beim Gericht eingehen. Die übrigen Prozess-

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teilnehmerInnen erfahren vom Gericht erst nach drei oder vier Wo-chen, ob ein solcher Antrag eingegangen ist.

Erst wenn die Frist verstrichen ist, wird das Urteil „rechtskräftig“.

Abschiebungshaft

Abschiebungshaft wird beantragt, wenn sich die / der AusländerIn il-legal in Deutschland aufhält oder der Verdacht besteht, sie / er wolle sich der Abschiebung entziehen. Das wird insbesondere angenom-men, wenn frühere Abschiebeversuche gescheitert sind bzw. die Betreffenden schon mal untergetaucht waren.

Der Haftbefehl wird beim zuständigen Amtsgericht beantragt, er muss sofort nach der Festnahme beantragt werden. Der Haftbefehl wird normalerweise für zwei oder drei Monate ausgestellt. Dabei muss die / der Festgenommene gehört werden, sie / er kann auch eine „Vertrauensperson“ benennen. Diese „Vertrauensperson“ muss dann alle Beschlüsse des Amtsgerichts, zunächst also das Pro-tokoll der Anhörung und den Haftbefehl, zugestellt bekommen und hat das Recht, selbständig Beschwerden einzureichen.

Für die meistens sehr kurze Verhandlung über den Haftbefehl wird meistens eine Dolmetscherin / Dolmetscher hinzugezogen, und zwar vom zuständigen Amtsgericht.

Die Haft wird für Männer in der Abschiebungshaftanstalt Rendsburg vollstreckt. Hier sind 56 Plätze vorgesehen, von denen zwischen 25 und 45 belegt werden. Die Häftlinge dürfen telefonieren (selbst anru-fen mit Telefonkarten, die sie kaufen können, und angerufen werden) sowie besucht werden und Post bekommen. Es gibt eine (Sozial-) Beratung der Diakonie und eine Verfahrensberatung des Flüchtlings-rates.

Frauen werden in Gefängnisse in anderen Bundesländern (Eisenhüt-tenstadt / Süd-Brandenburg) geschickt.

Folgeantrag

Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurde, können jederzeit einen neuen Asylantrag stellen. Dieser heißt „Folgeantrag“ und

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wird grundsätzlich von der gleichen Außenstelle des Bundesamtes bearbeitet wie der erste Asylantrag. Das ist unabhängig davon, wo der Folgeantrag gestellt wird. Diese Regelung gilt in allen Schengen-Staaten.

Im Folgeantrag dürfen nur neue Gründe vorgebracht werden, die sich seit der rechtskräftigen Ablehnung des ersten (bzw. vorigen) Asylantrages ergeben haben. Das können sein:

• neueBeweisefürdieursprünglicheSchilderungderVerfolgung,wenn diese Schilderung nicht geglaubt wurde (das können auch zusätzliche Informationen sein, die durch eine therapeutische Behandlung ans Licht kommen),

• neueAsylgründe,z.B.durcheinepolitischeBetätigunghier,mitder ein politisches Engagement aus dem Herkunftsland fortge-setzt wird (bei Jugendlichen auch erstmalige politische Betäti-gung),

• eineÄnderungderVerhältnisseimHerkunftsland,z.B.Regie-rungswechsel,

• eineÄnderunginDeutschland,z.B.GesetzesänderungenoderVeränderung der obersten Rechtsprechung (Urteile vom Bundes-verwaltungsgericht oder Bundesverfassungsgericht).

Sobald diese Gründe „zur Kenntnis gelangt“ sind, muss der Asylan-trag innerhalb von drei Monaten gestellt werden. Wichtig: Seit dem 1. Januar 2005 kann eine politische Betätigung hier „in der Regel“ nicht mehr zur Anerkennung eines Folgeantrages führen.

Der Asylfolgeantrag muss in der Regel persönlich bei der zuständi-gen Außenstelle des Bundesamtes gestellt werden. Normalerweise läuft das so ab, dass eine Anwältin / ein Anwalt den Folgeantrag formuliert, die Belege beifügt und der Flüchtling diesen Umschlag in der Außenstelle des Bundesamtes in Neumünster persönlich abgibt.

In weit mehr als 90 Prozent der Fälle lehnt das Bundesamt es ab, ein neues Asylverfahren durchzuführen. Das wird häufig formell begrün-det: Die Gründe seien bereits im ersten Asylverfahren vorgetragen und geprüft worden, der Antrag sei nicht fristgerecht eingegangen oder die Begründung sei, als wahr unterstellt, nicht ausreichend, um Asyl zu bekommen. Wird ein Asylfolgeverfahren durchgeführt, führt das fast immer zur Anerkennung, zumindest zur Anerkennung von Abschiebehindernissen.

Die häufigsten Irrtümer bei Flüchtlingen sind, es handele sich um ei-nen „zweiten“ Asylantrag, bei dem man alle Gründe aus dem ersten Asylantrag noch mal vorbringen und prüfen lassen könnte. Das ist

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falsch. Es gelten nur neue Gründe, die höchsten drei Monate alt sein dürfen. Außerdem glauben viele, sie könnten durch einen Folgean-trag wieder ein Aufenthaltsrecht bekommen, aus der Abschiebehaft entlassen werden oder die drohende Abschiebung abwenden. Auch das ist falsch. Fast immer wird die Durchführung eines Asylverfah-rens abgelehnt, Abschiebeandrohung oder Abschiebehaftbefehl blei-ben in Kraft. Die Ablehnung dauert meistens nur wenige Tage. Wer aus der Abschiebehaft heraus einen Folgeantrag stellt, bleibt in Haft.

Unterbringung

Wenn AsylbewerberInnen sich bei einer Behörde melden, werden sie von Anfang an „verteilt“, ohne dass sie selbst viel Einfluss darauf haben. Die einzige Einschränkung ist, dass Familien (Ehepaare und minderjährige Kinder) zusammen bleiben, allerdings nur, wenn sie gemeinsam eingereist sind.

Zunächst besteht die Pflicht, bis zu drei Monate lang in einer Erstauf-nahmeeinrichtung zu wohnen. Eine Erstaufnahmeeinrichtung muss zur Unterbringung von mindestens 500 Menschen vorgesehen sein, in jedem Bundesland muss es eine EAE geben. Welches Bundes-land aufnimmt, entscheidet das Computerprogramm EASY. Diese Pflicht endet nur vorzeitig, wenn der Asylantrag anerkannt wird oder ein Aufenthaltsrecht aus einem anderen Grund (z. B. Heirat) erreicht wird.

Das Bundesland kann allerdings vorher umverteilen, die Unterbrin-gung während des Asylverfahrens soll „in der Regel“ in einer Ge-meinschaftsunterkunft (mindestens 50 Plätze) erfolgen. Das kann in Schleswig-Holstein die ZGU in Neumünster sein, also das gleiche Zimmer wie bei der Erstaufnahme. Die Verteilung kann dann auf einen Kreis erfolgen. Diese Weiterverteilung geschieht nach einer festgelegten Quote, über den Zeitpunkt entscheidet allerdings das Landesamt. Flüchtlinge haben nur das Recht, an einen bestimmten Ort verteilt zu werden, wenn dort EhepartnerInnen oder – bei min-derjährigen Kindern – die Eltern oder ein Elternteil wohnen. Ansons-ten kann das Landesamt Wünsche berücksichtigen, muss dies aber nicht.

Die Kreise bringen die Flüchtlinge nach einer Umverteilung selbst unter oder verteilen sie an Ämter oder Gemeinden weiter. Auch darauf haben die Flüchtlinge kaum einen Einfluss. Wer in einer Ge-meinschaftsunterkunft untergebracht ist, kann beantragen, in eine Wohnung umziehen zu dürfen. Einen Anspruch darauf haben nur

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diejenigen, die ein ärztliches Gutachten oder Ähnliches haben, also beweisen können, dass sie nicht in der Gemeinschaftsunterkunft bleiben können. Solche Gutachten werden häufig durch ein zweites Gutachten vom Gesundheitsamt / Amtsarzt überprüft.

Wenn Flüchtlinge in einer Wohnung wohnen dürfen, müssen sie Wohngeld beantragen, wenn sie Sozialhilfe oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen. Das Wohngeld geht allerdings an das Sozialamt, und das Sozialamt überweist meistens die Miete direkt an die VermieterInnen.

AsylbewerberInnen im Asylverfahren sind grundsätzlich nicht „wohnberechtigt“, weil noch nicht feststeht, dass sie hier ihren „dauerhaften Wohnsitz“ haben. Deshalb können sie keinen Wohnbe-rechtigungsschein bekommen und keine Sozialwohnung beziehen. Das geht nur,

• wenndieAusländerbehördebescheinigt,dasssienachAbschlussdes Asylverfahrens voraussichtlich eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen oder

• wennVermieterInnenkeineMieterInnenmitWohnberechtigungs-schein finden, die Wohnung somit leer steht. Dann können Ver-mieterInnen eine „Freistellung“ beantragen, also die Erlaubnis bekommen, die Sozialwohnung an MieterInnen ohne Wohnbe-rechtigungsschein zu vermieten.

Umziehen dürfen AsylbewerberInnen nur mit Erlaubnis der Behör-den und meistens nur innerhalb des zugewiesenen Wohnortes. Eine Ausnahme ist manchmal, wenn sie außerhalb eine Arbeitsstelle fin-den. Dann müssen sie aber meistens zurückkehren, falls die Arbeit verloren geht und wieder Sozialleistungen bezogen werden.

Es kann auch sein, dass AsylbewerberInnen nach einer Ablehnung bis zur Ausreise in der Kaserne bleiben, also nicht auf einen Kreis verteilt werden.

Leben in der Gemeinschaftsunterkunft / Bera-tung

In der ehemaligen Kaserne in Neumünster ist die Erstaufnahme-einrichtung untergebracht, in der alle Asylsuchenden wohnen müs-sen. Laut Gesetz ist die Mindestgröße 500 Plätze, der Aufenthalt höchstens drei Monate. Auf dem gleichen Gelände ist aber eine

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„Zugeordnete Gemeinschaftsunterkunft“ untergebracht, in der der anschließende Aufenthalt theoretisch unbegrenzt ist – d. h. bis zur Anerkennung oder bis zur Ausreise. Insgesamt werden in Neumüns-ter 360 bis 400 Flüchtlinge untergebracht.

Auf dem Gelände der Kaserne in Neumünster befinden sich:

• BundesamtfürMigrationundFlüchtlinge zuständig für das Asylverfahren

• LandesamtfürAusländerangelegenheiten zuständig für die Aufnahme und Unterbringung von AusländerIn-nen in Schleswig-Holstein

• DeutschesRotesKreuz im Auftrag des Landesamtes zuständig für das „Betreiben der Unterkunft“, also Zimmerverteilung, Ausgabe von Wäsche und Kleidung, Verwaltung der Waschmaschinen, Essen, Angebote für die Freizeitgestaltung.

• ÄrztlicherDienstdesGesundheitsamtesNeumünster zuständig für die vorgeschriebene Einganguntersuchung (z. B. Früherkennung ansteckender Krankheiten) und die ärztliche Ver-sorgung der untergebrachten Flüchtlinge, aber auch für die „Flug-tauglichkeitsuntersuchung“ vor einer Abschiebung.

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Nicht in der Unterkunft, sondern gegenüber:

• Kontakt-undBeratungscaféVis-à-VisdesDiakonischenWerkesAltholstein Beratung für Flüchtlinge im Asylverfahren, DÜ-Verfahren, Vertei-lung auf die Kreise, ggf. Anträge auf Familienzusammenführung. Ort: Dietrich-Bonhoeffer-Kirche, Tizianstr. 9-11.

Im ersten Halbjahr 2012 kamen die Flüchtlinge, die Schleswig-Hol-stein in Neumünster aufnahm, aus folgenden Ländern:Afghanistan 277Iran 168Syrien 111Irak 81Serbien 29Türkei 28Kosovo 25Mazedonien 16Jemen 7ungeklärt 6Japan 1staatenlos 1

Im 2. Halbjahr kamen tendenziell mehr Flüchtlinge aus Syrien, Ser-bien und Mazedonien, wobei geplant wird, die Flüchtlinge aus Ser-bien und Mazedonien nach Ablehnung des Asylantrages direkt in die Herkunftsländer zurück zu schicken und nicht auf die Kreise zu verteilen (mit einem „Winter-Abschiebestopp“ vom Dezember bis Ende März).

Landesamt in Neumünster: Umorganisation 2009/10

In der Kaserne in Neumünster stehen 500 Plätze zur Verfügung. Dort werden untergebracht:

• AsylantragstellerInneninderErstaufnahmeeinrichtung(höchstensdrei Monate) und der „Zugeordnete Gemeinschaftsunterkunft“ (ZGU) bis zur Anerkennung oder Verteilung auf einen Kreis oder Ausreise / Abschiebung.

• Illegale,dienachderFeststellungnichtabgeschobenwerdenkönnen und bundesweit verteilt werden.

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• AussiedlerInnen(Neumünster:Erstaufnahme)meistensfüreinigeTage bis zur Weiterverteilung in einen Kreis.

• JüdischeMigrantInnenausderehemaligenSowjetunion.Diesekommen zur Zeit fast gar nicht mehr, weil sie nach der letzten Ge-setzesverschärfung erst ein Visum bekommen können, wenn sie Deutschkenntnisse und Arbeitsplatz bzw. berufliche Perspektiven in Deutschland nachgewiesen haben.

• Ausreisepflichtige,dievondenKreisenindieKaserneeingewie-sen werden, um hier die nötigen Angaben zur Person zu bekom-men, um die Ausreise oder Abschiebung vorzubereiten.

Die Flüchtlinge werden zur Zeit (Ende 2012) nach ein bis zwei Mo-naten auf die Kreise verteilt. Das richtet sich nach der Kreisquote. Wenn rund 1000 Flüchtlinge im Jahr Asyl beantragen, werden in die „großen“ Kreise Pinneberg, Rendsburg-Eckernförde, Kiel und Lü-beck jeweils 100 Flüchtlinge verteilt.

Residenzpflicht

Der Aufenthalt von AsylbewerberInnen ist bei der Unterbringung in der Erstaufnahme in Neumünster auf den Kreis beschränkt, also auf das Stadtgebiet Neumünster. Nach der Verteilung ist er auf Schles-wig-Holstein beschränkt. Nach der Ablehnung eines Asylantrags und Erteildung einer Duldung bleibt er normalerweise auf Schleswig-Hol-stein beschränkt, kann aber auch auf den Kreis beschränkt werden. Dieser Kreis oder das Bundesland heißt im Gesetz „zugewiesener Aufenthaltsbereich“. Das Verlassen des Landes muss bei der Aus-länderbehörde beantragt und schriftlich erlaubt werden. Davon gibt es einige Ausnahmen:

• TerminebeiGerichtenundbeiBehördendürfenohneErlaubniswahrgenommen werden.

• BesuchebeiRechtsanwältInnen,beiBeratungsstellenoderbeimUNHCR sollen „unverzüglich“ erlaubt werden.

Ansonsten kann die Erlaubnis zum Verlassen des Landes (oder Krei-ses) „aus zwingenden Gründen“ gegeben werden, wenn die Verwei-gerung eine „unbillige Härte“ bedeutet. Das legen die Ausländerbe-hörden sehr verschieden aus.

Meistens müssen Flüchtlinge persönlich zur Ausländerbehörde gehen, um die Erlaubnis zu bekommen. Das führt zu Ungerechtigkei-

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ten, weil Flüchtlinge in Flensburg zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Ausländerbehörde können, Flüchtlinge aus Glücksburg müssen nach Schleswig, Flüchtlinge aus Sylt müssen nach Husum – das kann einen Großteil des Taschengeldes für den Monat kosten.

Wer das Land Schleswig-Holstein (oder den Kreis) unerlaubt verlässt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Im Wiederholungsfall handelt es sich um eine Straftat. Die Strafe für die Ordnungswidrigkeit ist ein Bußgeld bis zu 2500 Euro, die Strafe für die Straftat ebenfalls eine Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr.

Sozialhilfe / Asylbewerberleistungsgesetz

Flüchtlinge im Asylverfahren haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe, sondern nur auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Seit Sommer 2012 entspricht das fast dem Hartz-IV-Satz.

Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind in den Landesunterkünften Sachleistungen: Unterbringung, Essen, Klei-dung, Möbel werden insgesamt als Sachleistungen gestellt, nur ein Taschengeld von etwas über 25 Euro pro Woche (134 Euro im Monat bei Alleinstehenden) wird bar ausgezahlt. EhepartnerInnen bekom-men je 120 Euro, Kinder 78 bis 86 Euro, in Neumünster in vier Raten.

Nach der Verteilung in die Kreise gibt es meistens die monatlichen Leistungen (Alleinstehende: 346 Euro) als Bargeld oder Barscheck, allerdings wird bei Flüchtlingen, die in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind, eine Pauschale für Strom und Wasser abgezo-gen. Andere Leistungen (Kleidung, Möbel) gibt es auch hier meistens als Sachleitungen, Bezugsscheine für Kleiderkammern und Möbella-ger, Gutscheine für Elektrogeräte etc.

Anspruch auf Leistungen in Höhe der Sozialhilfe (ab 1.1.2013: 382 Euro im Monat) besteht nur nach 48 Monaten Bezug von Asylbewer-berleistungen, wenn die AsylbewerberInnen zu diesem Zeitpunkt nicht ausreisepflichtig sind, z. B. weil der Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurde und kein neues Asylverfahren eingeleitet wurde. Sozialhilfe bekommen sie aber tatsächlich frühestens nach 48 Mona-ten Bezug von Asylbewerberleistungen: Wer drei Jahre Leistungen bezieht, dann ein Jahr arbeitet und sich selbst ernährt, dann aber ar-beitslos wird, kann keine Sozialhilfe beantragen, obwohl 48 Monate verstrichen sind. Er oder sie muss erst ein weiteres Jahr Asylbewer-berleistungen beziehen.

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Flüchtlinge haben zwölf Monate ein Arbeitsverbot, danach können sie eine Arbeitserlaubnis beantragen. Das bedeutet, dass sie nach 48 Monaten Leistungsbezug nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld II haben.

Wer ausreisepflichtig ist, bekommt dann (weiterhin oder wieder) nur Asylbewerberleistungen und keine Sozialhilfe. Das gilt für alle, nicht nur die, die mal einen Asylantrag gestellt haben. Ausreisepflichtig sind auch alle Menschen ohne Aufenthaltsrecht, EhepartnerInnen gescheiterter Ehen, ausstudierte StudentInnen oder diejenigen, die das Studium abgebrochen haben, Au-Pair-Mädchen am Ende des Vertrag oder nach einer Kündigung... Wer an den Vorbereitungen zur Ausreise oder Abschiebung nach Ansicht der Behörden nicht ausrei-chend mitarbeitet, z. B. eine falsche Identität angibt, Formulare der Heimatbotschaft nicht richtig ausfüllt etc., muss damit rechnen, dass auch die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz weiter gekürzt werden. Darüber entscheidet jede Ausländerbehörde selbst-ständig. Es kann auch sein, dass die Leistungen nicht mehr in Form von Bargeld, sondern in Form von Einkaufsgutscheinen ausgezahlt werden.

Da die Leistungen durch Entscheidung des Bundesverfassungsge-richts nach dem Asylbewerberleistungsgesetz den Hartz-IV-Sätzen angeglichen wurden, haben Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes (und der Paral-lelverwaltung) vorgeschlagen.

Gesundheit / ärztliche Versorgung

Wer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezieht, hat auch auf die ärztliche Versorgung nur einen eingeschränkten Anspruch. Behandelt werden nur akute Erkrankungen und Schmerz-zustände.

Die Abgrenzung zwischen akuten und chronischen Krankheiten ist nicht einfach und hängt häufig vom guten Willen und einer geschick-ten Formulierung durch den behandelnden Arzt ab. Das Sozialamt kann allerdings jederzeit das Gesundheitsamt (Amtsarzt) mit einer Überprüfung beauftragen und ein Zweitgutachten erstellen lassen. Bei größeren Zahnbehandlungen ist das an vielen Orten üblich. Generell ist es schwerer, die Erhaltung von Zähnen durchzusetzen, wenn das Ziehen von Zähnen billiger ist. Auch ist es schwer, Hilfs-mittel wie Prothesen, einen Rollstuhl, eine Brille, einen Blindenstock etc. zu bekommen.

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Schwangere haben einen Anspruch auf Leistungen ähnlich wie Deutsche, also auf Vorsorgeuntersuchungen, Untersuchungen im Labor, die vollen Entbindungskosten und ärztliche Versorgung bis zum 6. Tag nach der Geburt, allerdings keinen Anspruch auf Entbin-dungsgeld und Mutterschaftsgeld. Sie sollten rechtzeitig, also sobald die Schwangerschaft bekannt ist, über eine Beratungsstelle Kontakt mit der Stiftung „Mutter und Kind“ aufnehmen, die besondere Hilfen geben kann.

Nach § 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes gibt es aber auch „sonstige Leistungen“:

• DolmetscherInnen-bzw.SprachmittlungskostenalsTeilderKran-kenhilfe

• Kosten,dienotwendigmitderWahrnehmungdesreligiösenExis-tenzminimums entstehen, z. B. Kosten der männlichen Beschnei-dung

• HilfezurFamilienplanung:Verhütungsmittel,imAusnahmefallauch Sterilisation und

• KostenfürdieAIDS-Vorsorge.

Wichtig ist, dass diese Leistungen immer vorher beantragt und genehmigt werden müssen. Den Antrag z. B. auf Übernahme von Dolmetsch-Kosten für einen Arztbesuch muss immer die oder der Betroffene stellen, also der Flüchtling selbst. Möglicherweise kann das mit Hilfe einer Beratungsstelle oder des Arztes geschehen. Wenn das Sozialamt die Übernahme von Dolmetscherkosten bewil-ligt, entscheidet auch das Sozialamt, welche Dolmetscherin oder welcher Dolmetscher beauftragt wird. Der Flüchtling selbst, die Beratungsstelle oder die Ärztin / der Arzt kann sicherlich einen Vor-schlag machen.

In der Kaserne in Neumünster ist das Landesamt für Ausländerange-legenheiten gleichzeitig „Ausländerbehörde“ und „Sozialamt“, ent-scheidet also Aufenthaltsrecht und Kostenübernahme bei Krankheit.

Arbeit und Arbeitserlaubnisrecht

Flüchtlinge, die einen Asylantrag stellen, erhalten für die ersten zwölf Monate ihres Aufenthaltes ein generelles Arbeitsverbot. (Nicht: zwölf MonateabAsylantrag,sondernzwölfMonateabEinreise!)Fallssichdie Personen schon länger in Deutschland aufhalten und den Asyl-

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antrag erst später stellen, gilt das Arbeitsverbot mindes-tens für die Zeit, in der sie in der Erstaufnahmeeinrichtung wohnen (müssen).

Nach zwölf Monaten Aufent-halt dürfen Flüchtlinge eine Arbeitserlaubnis beantragen. Davon befreit sind nur aner-kannte oder mit Deutschen verheiratete Flüchtlinge. Der Antrag wird bei der Aus-länderbehörde gestellt, die wiederum (intern) die Agen-tur für Arbeit fragt. Die Ar-beitserlaubnis muss für eine bestimmte Arbeit in einer bestimmten Firma und mit bestimmten Arbeitszeiten beantragt werden. Arbeiten „auf Abruf“, wie z.B. in der Gastronomie üblich, ist nicht erlaubnisfähig. Eine Arbeits-erlaubnis kann nur beantragt werden, wenn der übliche Lohn bezahlt wird. Außerdem hat das Arbeitsamt „Negativ-listen“: Das sind Listen von Tätigkeiten, für die grundsätz-lich keine Arbeitserlaubnis gegeben wird.

Der Antrag muss von den ArbeitgeberInnen gestellt werden. Er muss dabei angeben, dass es sich um eine freie Stelle handelt und die Agentur für Arbeit auch andere BewerberInnen vermitteln darf. Die Arbeitsagentur führt dann eine „Vorrangprüfung“ durch – sie prüft, ob es „bevorrechtigte“ BewerberInnen gibt: Deutsche, EU-BürgerInnen, AusländerInnen mit Daueraufenthalt. Diese Prüfung kann bei geringfügiger Beschäftigung Tage oder nur Stunden dauern, bei „richtigen“ Stellen vier bis sechs Wochen, oft bis zu drei Mo-naten. Dabei kann die Arbeitsagentur auch Arbeitslose auffordern, sich auf die Stelle zu bewerben – und diejenigen, die das nicht tun, mit Leistungskürzung oder Leistungssperre bestrafen. Die künftigen ArbeitgeberInnen können deutsche und andere bevorrechtigte Be-werberInnen nur ablehnen, wenn es überzeugende Gründe gibt.

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Hilfreich ist es, wenn die Flüchtlinge im Betrieb schon ein Praktikum (aber:auchmitArbeitserlaubnis!)absolvierthabenoderbestimmteFremdsprachenkenntnisse für die Stelle erforderlich sind, die andere BewerberInnen nicht haben.

Nur wer eine schriftliche Arbeitserlaubnis hat, darf dann auch genau in diesem Betrieb und genau zu den angegebenen Arbeitszeiten ar-beiten. Eine Verlängerung der Arbeitserlaubnis ist meistens einfacher möglich. Nach zwölf Monaten Tätigkeit wird die Verlängerung ohne Vorrangprüfung gegeben.

Ausnahme: Wer eine Aufenthaltserlaubnis und einen deutschen Schulabschluss hat oder eine Aufenthaltserlaubnis und vier Jahre er-laubten oder geduldeten Aufenthalt, darf ohne besondere Erlaubnis Arbeit annehmen.

Der Verdienst muss beim Sozialamt angegeben werden. Ca. 40 Euro dürfen zusätzlich zu den Leistungen nach dem Asylbewerberleis-tungsgesetz oder der Sozialhilfe verdient werden (vorher genaue Beträgeerfragen!).Wirdmehrverdient,wirddieSozialhilfeentspre-chend gekürzt.

Einen festen Aufenthaltstitel können vor allem diejenigen Flüchtlinge bekommen, ob sie anerkannt oder nur mit Abschiebeschutz oder „Unmöglichkeit der Abschiebung“ hier sind, die keine Sozialhilfe mehr beziehen. Deshalb ist es auf jeden Fall sinnvoll zu arbeiten, auch wenn nur wenig mehr Geld als durch die Sozialhilfe erwirt-schaftet wird. Meistens ist es aber auch sinnvoll, vorher einen Schul-abschluss bzw. einen Deutschkurs zu machen, weil dann besser bezahlte Arbeitsstellen gefunden wrden können.

Wer eine Duldung hat, darf nur eine Arbeitserlaubnis beantragen, wenn die Ausländerbehörde zusätzlich eine Bestätigung gibt, dass „Abschiebehindernisse nicht selbst zu vertreten“ sind.

Abgelehnte Flüchtlinge: Von der Duldung zur Aufenthaltserlaubnis

Nach dem Aufenthaltsgesetz sollen „Kettenduldungen“ vermieden werden. Deshalb „soll“ die Ausländerbehörde eine Aufenthaltser-laubnis geben, wenn jemand 18 Monate lang geduldet war und in der Zeit nicht abgeschoben werden konnte. Ausnahme: Die Person hat die Abschiebung selbst verhindert, z. B. indem falsche Angaben

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zur Person gemacht oder Anträge auf Passersatzpapiere nicht (rich-tig) ausgefüllt wurden.

In Schleswig-Holstein haben seit Frühjahr 2005 rund 1.000 geduldete Menschen dadurch eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Diskussi-onspunkt mit der Ausländerbehörde ist oft, ob die Abschiebehinder-nisse selbst verschuldet waren, ob der / die AusländerIn dabei „mit-gewirkt“ hat, Papiere für eine Ausreise zu bekommen.

Problematisch ist es auch, wenn Papiere beantragt, aber von der Botschaft abgelehnt werden. Oft hat die Ausländerbehörde dann den Verdacht, die Anträge wären absichtlich falsch ausgefüllt wor-den. Es gibt viele Staaten, die die Rückkehr von Flüchtlingen nicht wollen und deshalb Papiere verweigern. Zur Begründung sagen die Botschaften dann oft, die Angaben im Antragsformular wären nicht vollständig oder sie wären falsch. Das kann ein geduldeter Flüchtling schwer widerlegen.

Härtefallantrag

Eine andere Möglichkeit ist eine Eingabe (wie ein Antrag) bei der Härtefallkommission beim Innenministerium. Diese Eingaben können diejenigen stellen, die „vollziehbar ausreisepflichtig“ sind, also kein Asyl- oder Klage-Verfahren mehr laufen haben, für die aber eine Aus-reise eine außergewöhnliche Härte bedeutet. Sie müssen darlegen, weshalb das bei ihnen eine größere Härte als bei anderen darstellt.

Eine solche Eingabe dürfen die betroffenen Personen selbst stel-len, sie können auch Freunde oder einen Anwalt damit beauftragen. Wenn es ein Freund, eine Freundin, eine Beratungsstelle oder ein/e DolmetscherIn macht, muss die betroffene Person dafür eine Voll-macht haben.

Chancen haben diejenigen, die mindestens fünf Jahre hier sind, gut integriert sind (d. h. Deutsch sprechen, von der eigenen Arbeit leben und sich gesellschaftlich engagieren). Außerdem müssen sie dar-legen, dass sie bei einer Rückkehr in das Herkunftsland dort keine Chance haben, wieder Fuß zu fassen.

Die Härtefallkommission berät über alle eingereichten Unterlagen alle zwei Monate und ist die einzige Einrichtung, die den Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis stellen darf. Diesen Antrag stellt die Här-tefallkommission beim Innenminister. Dieser entscheidet darüber. Entscheidet er positiv, geht eine Weisung an die zuständige Auslän-derbehörde, eine Aufenthaltserlaubnis auszustellen. Entscheidet er negativ, wird das der betroffenen Person ohne Begründung mitge-teilt. Eine Klage dagegen ist nicht möglich.

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Härtefallkommission beim Innenministerium Düsternbrooker Weg 92, 24105 Kiel Michael Bestmann Tel. 0431 / 988-3299 [email protected]

Infoveranstaltungen im Café Vis-à-Vis

Für das Jahr 2013 sind sechs Infoveranstaltungen geplant.

• 24.Januar2013,19bis21Uhr:Gesundheitsversorgung

• 21.März2013,15bis17Uhr:DasAsylverfahren

• 18.April2013,15bis17Uhr:ArbeitserlaubnisundAnerkennungvon Abschlüssen

• 13.Juni2013,15bis17Uhr:ArbeitserlaubnisundAnerkennungvon Abschlüssen

• 24.Oktober2013,19bis21Uhr:DasAsylverfahren

• 21.November2013,15bis17Uhr:Gesundheitsversorgung

Es ist möglich, dass sich Termine oder Themen noch ändern. Es ist auch möglich, dass noch Veranstaltungen dazu kommen.

Die Begegnungsabende sollen die Interesse der Flüchtlinge berück-sichtigen, also ihre Fragen beantworten, sie über ihre Situation und ihre Rechte informieren, ihnen Gelegenheit zur Darstellung ihrer Wünsche und Forderungen bieten.

Andererseits wollen wir „Einheimische“ zu diesen Begegnungsaben-de einladen. Das können Nachbarn der Kaserne sein. Es wäre aber auch möglich, zu einem Abend Abgeordnete einzuladen, zu einem anderen Abend Rechtsanwälte, zu einem dritten Abend Mitglieder des „Runden Tisches Migration“ in Neumünster.

Es sind jeweils bis sechs oder sieben DolmetscherInnen anwesend, die die wichtigsten Sprachen der Herkunftsländer dolmetschen kön-nen.

• CaféVis-a-Vis,Tizianstr.9-11,Neumünster

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