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© Springer-Verlag 2010 wobl Rechtsprechung/WEG – ABGB 175 2010, Heft 6 Juni der Mehrheit der Wohnungseigentümer nach § 29 Abs 1 WEG 2002 handlungsberechtigt, allerdings auch ver- pflichtet. Meiner Ansicht nach wäre die Passivlegitima- tion auch bei den Maßnahmen der ordentlichen Verwal- tung noch derart einzuschränken, dass der Verwalter nur dann passivlegitimiert ist, wenn die unzulässige Immis- sion durch eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung verhindert werden kann, die dem Verwalter nicht wirksam aus seiner Entscheidungskompetenz entzogen wurde. Es ist durchaus zulässig, dass die Eigentümer- gemeinschaft durch Beschluss einzelne Bereiche der ordentlichen Verwaltung dem Verwalter entzieht und Entscheidungen über diese Maßnahmen ausdrücklich einer Beschlussfassung der Mehrheit vorbehält. In diesem Aufgabenbereich ist der Verwalter dann gar nicht mehr alleine entscheidungsbefugt, sodass die diesbezüglichen Ausführungen des OGH zur Passivlegitimation des ge- meinsamen Verwalters einer Eigentumsanlage bezogen auf die Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung ent- sprechend einzuschränken sind. Der Verwalter muss sich eine solche Einschränkung seines Kompetenzbereiches gefallen lassen (vgl E. M. Hausmann in Hausmann/ Vonkilch, WohnR § 20 WEG 2002 Rz 30), außer er wird dadurch zu einer gesetzwidrigen Passivität (bezogen auf seine Verwalterpflichten) gezwungen. Mit der zuletzt erwähnten Einschränkung ist der E des OGH vollinhaltlich zuzustimmen. RA Dr. Alexander Illedits ABGB 81. Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre durch einstweilige Verfügung DOI 10.1007/s00719-010-1500-6 § 16, § 1328 a ABGB; § 382 g EO; § 107 a StGB: Das beiläufige und absichtslose Hinaussehen aus den Fenstern des eigenen Hauses, die Einblick in ein Nach- bargrundstück gewähren, stellt keinen Eingriff in die Privatsphäre dar. Auch das kurze, nicht ganz so absichts- lose, auf Neugier basierende Hinausblicken, das manch einer pflegt, kann je nach Empfindlichkeit unangenehm sein, muss aber im Rahmen des „Üblichen“ hingenom- men werden. Dies hat seine Grenze bei der Intensität, durch die sich im konkreten Einzelfall auch ein anderer durchschnittlich empfindender Nachbar dauernd beob- achtet und verfolgt fühlen würde. OGH 27. 1. 2010, 7 Ob 248/09k (LGZ Salzburg 22 R 245/09x; BG Salzburg 11 C 854/09w) Die kl und gefährdeten Parteien (in der Folge: Kl) und die bekl P und Gegnerin der gefährdeten Parteien (in der Folge: Bekl) sind Miteigentümer (Wohnungseigentümer) einer Liegenschaft, auf der Reihenhäuser errichtet sind. Ihre beiden Reihenhäuser grenzen aneinander. Die Kl be- gehren zur Sicherung ihres gleich lautenden Unterlas- sungsbegehrens die Erlassung einer einstweiligen Verfü- gung (= eV) gem § 382 g EO des Inhalts, dass die Bekl es zu unterlassen habe, die Kl durch Belauschen, Anstarren und Beobachten sowie gegen die Kl gerichtete Äußerun- gen und Bemerkungen, insb hinsichtlich ihres beobachte- ten Verhaltens oder des geplanten Verhaltens der Bekl, beharrlich zu verfolgen und in ihrer Privatsphäre zu beeinträchtigen. Die Bekl verfolge die Kl „beharrlich“ seit einigen Monaten und störe sie dadurch im Gebrauch ihres Eigentums. Die Terrasse des Hauses der Kl liege „zwischen den Liegenschaftsanteilen“ der Streitteile. Die Bekl spioniere die Kl in völlig unnatürlicher und dem normalen Gebrauch nicht entsprechender Weise auffällig und für die Kl wahrnehmbar aus, belausche sie und beobachte sie in auffälligster und unangenehmer Art und Weise minutenlang von ihrem Toilettenfenster aus, wel- ches Ausblick auf die Terrasse der Kl gewähre. Dazu müsse sie allerdings auf den Klodeckel steigen. Dadurch sei es auch für die Kl möglich zu sehen, dass die Bekl lau- sche, weil sie nur unter diesen Umständen die Bekl im Raum sehen könnten. Es sei zwischen den Streitteilen im- mer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen, welche von der Bekl ausgegangen seien. Gleichsam als „Revan- che“ belagere die Bekl nunmehr die privaten Lebensbe- reiche der Kl. Sie tätige dabei auch nicht nur für die Kl, sondern auch für Besucher hörbare Äußerungen zu ihrem Sohn in der Art wie: „Im Sommer kann ich die Nachbarn wieder ausspionieren und belästigen“. Das Verhalten der Bekl, nämlich das ständige Beobachten, Ausspionieren und Lauschen, somit das Verfolgen der Kl, habe bereits gesundheitliche Konsequenzen. Es sei für die Kl nervlich untragbar und belaste ihre körperliche und auch psy- chische Gesundheit schwer. Diese beharrliche und unzu- mutbare Verfolgung verstoße nicht nur gegen zivilrechtli- che Bestimmungen wie § 16 ABGB, sondern auch gegen § 107 a StGB. Zum Schutz der Privatsphäre der Kl werde die einstweilige Verfügung gem § 382 g EO beantragt. Die Kl boten ihre Einvernahme als Auskunftspersonen an und legten auch diverse Urkunden vor. (. . .) Das ErstG wies den Antrag ohne Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens ab. (. . .) Das RekursG bestätigte den Beschluss des ErstG. (. . .) Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt. Aus den Entscheidungsgründen des OGH: Mit 1. 7. 2006 trat der durch das Strafrechtsände- rungsgesetz 2006, BGBl I 56/2006, geschaffene § 382 g EO in Kraft. Er regelt den Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen in die Privatsphäre, ohne zu definieren, was unter „Privatsphäre“ zu verstehen ist. Der zivilrechtliche Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre war aber bereits vor dem Inkrafttreten dieser Gesetzesbestimmung durch § 16 ABGB und den später durch BGBl I 91/2003 geschaffenen § 1328 a ABGB gewährleistet. § 382 g EO schafft daher keine neue Anspruchsgrundlage, sondern setzt diese vielmehr voraus (RIS-Justiz RS0121886). Zweck der „Anti-Stalking-Regelung“ des § 382 g EO ist die Verbesserung des Schutzes für Opfer, denen rasche Abhilfe gegen Belästigungen durch Stalker geboten werden soll (2 Ob 82/08k mwN). Voraussetzung für die Erlassung einer eV nach § 382 g EO ist nur die Bescheini- gung des Unterlassungsanspruchs. Mit der Anspruchs- bescheinigung sind gleichzeitig auch die Anforderungen des § 381 Z 2 EO erfüllt (RIS-Justiz RS0121887; Kodek in Angst 2 § 382 g EO Rz 6). Es kann also zur Beurteilung, was zur Privatsphäre nach § 382 g EO gehört, auf die bisherigen Grundsätze zurückgegriffen werden. Aus § 16 ABGB wird – ebenso wie aus anderen durch die Rechtsordnung geschützten Grundwerten wie Art 8 MRK – das jedermann angebo- rene Persönlichkeitsrecht auf Achtung seines Privat- bereichs und seiner Geheimsphäre abgeleitet. Zur Privat- sphäre gehören – soweit hier von Interesse – auch private Lebensumstände, die nur einem eingeschränkten Kreis von Personen bekannt und nicht für eine weite Öffent- lichkeit bestimmt sind (Rummel in Rummel 3 § 1328 a ABGB Rz 3). Entscheidend für den jeweiligen Schutz ist eine Güter- und Interessenabwägung (7 Ob 89/97g, 6 Ob 6/06k, 4 Ob 98/92, 6 Ob 2401/96y; Wolfrum/Dimmel, Das „Anti-Stalking-Gesetz“ – Neuerungen im Straf- und Zivilrecht zum Schutz vor „Stalking“, ÖJZ 2006/29; Graf, Die einstweiligen Verfügungen nach § 382 g EO zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre [„Stal-

Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre durch einstweilige Verfügung

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© Springer-Verlag 2010

woblRechtsprechung/WEG – ABGB 1752010, Heft 6

Juni

der Mehrheit der Wohnungseigentümer nach § 29 Abs 1WEG 2002 handlungsberechtigt, allerdings auch ver-pflichtet. Meiner Ansicht nach wäre die Passivlegitima-tion auch bei den Maßnahmen der ordentlichen Verwal-tung noch derart einzuschränken, dass der Verwalter nurdann passivlegitimiert ist, wenn die unzulässige Immis-sion durch eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltungverhindert werden kann, die dem Verwalter nichtwirksam aus seiner Entscheidungskompetenz entzogenwurde. Es ist durchaus zulässig, dass die Eigentümer-gemeinschaft durch Beschluss einzelne Bereiche derordentlichen Verwaltung dem Verwalter entzieht undEntscheidungen über diese Maßnahmen ausdrücklicheiner Beschlussfassung der Mehrheit vorbehält. In diesemAufgabenbereich ist der Verwalter dann gar nicht mehralleine entscheidungsbefugt, sodass die diesbezüglichenAusführungen des OGH zur Passivlegitimation des ge-meinsamen Verwalters einer Eigentumsanlage bezogenauf die Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung ent-sprechend einzuschränken sind. Der Verwalter muss sicheine solche Einschränkung seines Kompetenzbereichesgefallen lassen (vgl E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, WohnR § 20 WEG 2002 Rz 30), außer er wirddadurch zu einer gesetzwidrigen Passivität (bezogen aufseine Verwalterpflichten) gezwungen.

Mit der zuletzt erwähnten Einschränkung ist der E desOGH vollinhaltlich zuzustimmen.

RA Dr. Alexander Illedits

ABGB81.

Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre durcheinstweilige Verfügung

DOI 10.1007/s00719-010-1500-6

§ 16, § 1328a ABGB; § 382g EO; § 107a StGB:Das beiläufige und absichtslose Hinaussehen aus den

Fenstern des eigenen Hauses, die Einblick in ein Nach-bargrundstück gewähren, stellt keinen Eingriff in diePrivatsphäre dar. Auch das kurze, nicht ganz so absichts-lose, auf Neugier basierende Hinausblicken, das mancheiner pflegt, kann je nach Empfindlichkeit unangenehmsein, muss aber im Rahmen des „Üblichen“ hingenom-men werden. Dies hat seine Grenze bei der Intensität,durch die sich im konkreten Einzelfall auch ein andererdurchschnittlich empfindender Nachbar dauernd beob-achtet und verfolgt fühlen würde.OGH 27. 1. 2010, 7 Ob 248/09k (LGZ Salzburg 22 R 245/09x; BG Salzburg11 C 854/09w)

Die kl und gefährdeten Parteien (in der Folge: Kl) unddie bekl P und Gegnerin der gefährdeten Parteien (in derFolge: Bekl) sind Miteigentümer (Wohnungseigentümer)einer Liegenschaft, auf der Reihenhäuser errichtet sind.Ihre beiden Reihenhäuser grenzen aneinander. Die Kl be-gehren zur Sicherung ihres gleich lautenden Unterlas-sungsbegehrens die Erlassung einer einstweiligen Verfü-gung (= eV) gem § 382g EO des Inhalts, dass die Bekl es zuunterlassen habe, die Kl durch Belauschen, Anstarrenund Beobachten sowie gegen die Kl gerichtete Äußerun-gen und Bemerkungen, insb hinsichtlich ihres beobachte-ten Verhaltens oder des geplanten Verhaltens der Bekl,beharrlich zu verfolgen und in ihrer Privatsphäre zubeeinträchtigen. Die Bekl verfolge die Kl „beharrlich“seit einigen Monaten und störe sie dadurch im Gebrauchihres Eigentums. Die Terrasse des Hauses der Kl liege„zwischen den Liegenschaftsanteilen“ der Streitteile. DieBekl spioniere die Kl in völlig unnatürlicher und demnormalen Gebrauch nicht entsprechender Weise auffällig

und für die Kl wahrnehmbar aus, belausche sie undbeobachte sie in auffälligster und unangenehmer Art undWeise minutenlang von ihrem Toilettenfenster aus, wel-ches Ausblick auf die Terrasse der Kl gewähre. Dazumüsse sie allerdings auf den Klodeckel steigen. Dadurchsei es auch für die Kl möglich zu sehen, dass die Bekl lau-sche, weil sie nur unter diesen Umständen die Bekl imRaum sehen könnten. Es sei zwischen den Streitteilen im-mer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen, welchevon der Bekl ausgegangen seien. Gleichsam als „Revan-che“ belagere die Bekl nunmehr die privaten Lebensbe-reiche der Kl. Sie tätige dabei auch nicht nur für die Kl,sondern auch für Besucher hörbare Äußerungen zu ihremSohn in der Art wie: „Im Sommer kann ich die Nachbarnwieder ausspionieren und belästigen“. Das Verhalten derBekl, nämlich das ständige Beobachten, Ausspionierenund Lauschen, somit das Verfolgen der Kl, habe bereitsgesundheitliche Konsequenzen. Es sei für die Kl nervlichuntragbar und belaste ihre körperliche und auch psy-chische Gesundheit schwer. Diese beharrliche und unzu-mutbare Verfolgung verstoße nicht nur gegen zivilrechtli-che Bestimmungen wie § 16 ABGB, sondern auch gegen§ 107a StGB. Zum Schutz der Privatsphäre der Kl werdedie einstweilige Verfügung gem § 382g EO beantragt. DieKl boten ihre Einvernahme als Auskunftspersonen anund legten auch diverse Urkunden vor. (. . .)

Das ErstG wies den Antrag ohne Durchführung einesBescheinigungsverfahrens ab. (. . .)

Das RekursG bestätigte den Beschluss des ErstG. (. . .)Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist aber nicht

berechtigt.

Aus den Entscheidungsgründen des OGH:Mit 1. 7. 2006 trat der durch das Strafrechtsände-

rungsgesetz 2006, BGBl I 56/2006, geschaffene § 382g EOin Kraft. Er regelt den Anspruch auf Unterlassung vonEingriffen in die Privatsphäre, ohne zu definieren, wasunter „Privatsphäre“ zu verstehen ist. Der zivilrechtlicheSchutz vor Eingriffen in die Privatsphäre war aberbereits vor dem Inkrafttreten dieser Gesetzesbestimmungdurch § 16 ABGB und den später durch BGBl I 91/2003geschaffenen § 1328a ABGB gewährleistet. § 382g EOschafft daher keine neue Anspruchsgrundlage, sondernsetzt diese vielmehr voraus (RIS-Justiz RS0121886).Zweck der „Anti-Stalking-Regelung“ des § 382g EO istdie Verbesserung des Schutzes für Opfer, denen rascheAbhilfe gegen Belästigungen durch Stalker gebotenwerden soll (2 Ob 82/08k mwN). Voraussetzung für dieErlassung einer eV nach § 382g EO ist nur die Bescheini-gung des Unterlassungsanspruchs. Mit der Anspruchs-bescheinigung sind gleichzeitig auch die Anforderungendes § 381 Z 2 EO erfüllt (RIS-Justiz RS0121887; Kodek inAngst2 § 382g EO Rz 6).

Es kann also zur Beurteilung, was zur Privatsphärenach § 382g EO gehört, auf die bisherigen Grundsätzezurückgegriffen werden. Aus § 16 ABGB wird – ebensowie aus anderen durch die Rechtsordnung geschütztenGrundwerten wie Art 8 MRK – das jedermann angebo-rene Persönlichkeitsrecht auf Achtung seines Privat-bereichs und seiner Geheimsphäre abgeleitet. Zur Privat-sphäre gehören – soweit hier von Interesse – auch privateLebensumstände, die nur einem eingeschränkten Kreisvon Personen bekannt und nicht für eine weite Öffent-lichkeit bestimmt sind (Rummel in Rummel3 § 1328aABGB Rz 3). Entscheidend für den jeweiligen Schutz isteine Güter- und Interessenabwägung (7 Ob 89/97g, 6 Ob6/06k, 4 Ob 98/92, 6 Ob 2401/96y; Wolfrum/Dimmel, Das„Anti-Stalking-Gesetz“ – Neuerungen im Straf- undZivilrecht zum Schutz vor „Stalking“, ÖJZ 2006/29;Graf, Die einstweiligen Verfügungen nach § 382g EOzum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre [„Stal-

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wobl176 Rechtsprechung/ABGB 2010, Heft 6

Juni

king“], Zak 2006/521, 303; Kodek aaO Rz 4). Diese hatsich an den Umständen des Einzelfalls zu orientieren.

Der OGH hatte zu 7 Ob 89/97g den Fall zu beurteilen,dass Nachbarn zwei Überwachungskameras so montier-ten, dass sie auf die Liegenschaft des Kl ausgerichtetwaren, um „Abschreckungsmaßnahmen gegen die Fami-lie des Kl zu setzen, allenfalls auch durch das durch dieKamera vermittelte Gefühl des Beobachtetseins“. DieKameras waren nicht funktionstauglich. Die Bekl teiltenaber dem Kl mit, dass sie mit einem Bewegungsmeldergekoppelt seien und dadurch aktiviert würden, sodassder Kl konkret die Befürchtung haben konnte, dass dieBekl die Kameras jederzeit von ihm unbemerkt anschlie-ßen und in Betrieb setzen könnten. Der OGH billigte demKl unter diesen Umständen ein berechtigtes Interesse da-ran zu, dass Teile seiner Liegenschaft und Fenster seinerHausfront nicht vom Blickwinkel der Kameras erfasstwürden. Dem stehe kein erkennbares Interesse der Beklgegenüber, weil ein die Liegenschaft des Kl nicht erfas-sender Blickwinkel der Kameras ihr Sicherungsbedürf-nis genauso wahre. Der E 6 Ob 6/06k lag zu Grunde, dassmittels Videokamera oder auch nur Kameraattrappe einTeil des Hauses des Kl erfasst wurde. Es wurde dieRechtsansicht vertreten, der Kl habe davon ausgehenmüssen, dass der Bekl zumindest bei bestimmten Gele-genheiten zum Mittel der Videoaufzeichnung greifenwürde und sei deshalb einem ständigen Überwachungs-druck ausgesetzt gewesen. In der E 6 Ob 2401/96y wurdeein Eingriff in die Privatsphäre des Mieters durch eineauf seine Wohnungseingangstür gerichtete Kamera be-jaht, die lückenlos die Personen aufzeichnete, die seineWohnung betraten oder verließen, und die zur Wahrungdes Interesses des Vermieters an Schutz vor Einbrechernim Hinblick auf andere mögliche Kamerapositionennicht notwendig war.

Aus den E ist als allgemeiner Grundsatz (unabhängigvon der Bestimmung des § 50a DSG) abzuleiten, dassdurch das Vermitteln des Gefühls des potentiell mögli-chen ständigen Überwachtseins in die Privatsphäre ein-gegriffen wird.

Es ist den Vorinstanzen zuzustimmen, dass das beiläu-fige und absichtslose Hinaussehen aus den Fenstern deseigenen Hauses, die Einblick in ein Nachbargrundstückgewähren, keinen Eingriff in die Privatsphäre darstellenkann. Auch das kurze, nicht ganz so absichtslose, aufNeugier basierende Hinausblicken, das manch einerpflegt, kann je nach Empfindlichkeit unangenehm sein,muss aber im Rahmen des „Üblichen“ hingenommenwerden. Dies hat seine Grenze bei der Intensität, durchdie sich im konkreten Einzelfall auch ein anderer durch-schnittlich empfindender Nachbar dauernd beobachtetund verfolgt fühlen würde.

Das bei gleichzeitiger Gartenbenützung bei angren-zenden Grundflächen nicht zu vermeidende und oft ge-nug unfreiwillige Mithören von Gesprächen, die auf einerTerrasse oder im Garten von Nachbarn geführt werden,ist, selbst wenn bewusst den Gesprächen gelauscht wird,für sich allein, ohne Hinzutreten besonderer Umstände,kein Eingriff in die Privatsphäre.

Die Kl haben vorgebracht, dass sie die Bekl beobachte,um sie auszuspionieren und zu belästigen. Sie benehmesich dabei so, dass dies die Kl auch wahrnehmen müsstenund unterstreiche dies mit den oben dargelegten Äuße-rungen. Ausgehend vom Vorbringen der Kl – ein Be-scheingungsverfahren wurde nicht durchgeführt – be-lässt es die Bekl also nicht beim beiläufigen „Hinaus-schauen“, sondern überwindet sogar Hindernisse, diedem zufälligen Einsehen in die Liegenschaft der Nach-barn entgegenstehen. So soll sie, um aus einem hoch gele-genen Fenster, aus dem man ohne Hilfsmittel nicht hi-nausschauen könnte, auf den Klodeckel steigen, und es

darauf anlegen, dass sie von den Kl beim Beobachtengesehen wird. Nach dem Vorbringen der Kl geht es alsonicht um ein nur „zufälliges“ und „absichtsloses“ ausdem Fenster schauen, sondern um ein ungewöhnlichesVerhalten, das nach dem Vorbringen den Kl das Gefühlder ständigen Überwachung geben soll und auch gibt unddas in die Privatsphäre der Kl eingreifen würde, auchwenn „nur“ Alltägliches, aber eben nicht für die Öffent-lichkeit bestimmtes Privatleben von Nachbarn beobach-tet würde. Sollte die Bekl durch ihr Gesamtverhalten denKl das Gefühl des dauernden Beobachtetseins vermitteln,so stellt dies einen Eingriff in die Privatsphäre dar, auchwenn dabei keine technischen Hilfsmittel wie Kameraseingesetzt werden. Insofern kann der Rechtsmeinung derVorinstanzen nicht gefolgt werden. Demgegenüber be-steht nach dem Vorbringen der Parteien kein schützens-wertes Interesse der Bekl daran, die Kl in massiver Artund Weise zu beeinträchtigen.

Das Begehren der Kl ist aber aus einem anderen Grundunschlüssig. Die Kl lassen es damit bewenden, bestimmtestörende Verhaltensweisen der Bekl anzuführen und zubehaupten, dass sie „beharrlich“ gesetzt würden, ohne zupräzisieren, welches Verhalten von welchen Haus-/Lie-genschaftsteilen in welchen Zeiträumen (Tag/Wochen/Monate) in welcher Dauer (Minuten/Stunden) gesetztwird. Dies ist aber notwendig, um die Rechtsfolge ablei-ten zu können, dass das behauptete Verhalten, weil es so„beharrlich“ und auffällig ist und deshalb in die Privat-sphäre der Kl – gemessen am subjektiven Empfinden desdurchschnittlichen Nachbarn – eingreift, zu unterlassenist. Nur wenn das Tatsachenvorbringen substanziiert ist,kann geprüft werden, ob das Begehren schlüssig ist. Erstwenn sich das Begehren schlüssig aus dem Vorbringen ab-leiten lässt, stellt sich die Frage seiner Beweisbarkeit. Daes dem Wesen des auf rasche Entscheidung abgestelltenProvisorialverfahrens widerspricht, eine Entscheidungaufzuheben, um den Parteien in einem zweiten Rechts-gang die Möglichkeit zu geben, weiteres Vorbringen zu er-statten oder ein unbestimmtes Sicherungsbegehren zuverbessern (vgl RIS-Justiz RS0005433), ist den Entschei-dungen der Vorinstanzen im Ergebnis zuzustimmen.

(. . .)

**

*

Nach aktueller Judikatur ist Voraussetzung eines Un-terlassungsanspruches eine drohende Gefährdung derPrivatsphäre des Opfers, nicht aber ein Verschulden desGegners oder, dass sein Verhalten gem § 107a StGBstrafbar wäre. Ein zivilrechtlicher relevanter Eingriff istauch in jenen Fällen möglich, in denen die Schwelle des§ 107a StGB noch nicht überschritten ist (1 Ob 61/08i).Nach aktueller Lit zu § 107a StGB ist die Beobachtungder Wohnung des Opfers mit einem Fernglas nicht straf-bar (Wach in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, SalzburgerKommentar zum StGB, § 107a Rz 28), woraus zu schlie-ßen ist, dass das Beobachten des Gartens des Nachbarnohne technische Hilfsmittel wie zB Fernglas oder Kamerakeinesfalls strafrechtlich relevant ist.

Zivilrechtlich ist von einem unzulässigen Eingriff indie Privatsphäre auszugehen, wenn zur Beobachtung desNachbargrundes technische Hilfsmittel wie Kameras ein-gesetzt werden, auch wenn es sich um Kameraattrappenhandelt und es dem Opfer nicht erkennbar ist, ob es sichbei dem verwendeten Gerät um eine Videokamera odernur um eine reine Kameraattrappe handelt (vgl dazu6 Ob 6/06k).

Die vorliegende E bejaht erstmals, dass von einem un-zulässigen Eingriff in die Privatsphäre auch dann auszu-gehen ist, wenn zum Beobachten des Nachbargrundeskeine technischen Hilfsmittel verwendet werden, aber

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woblRechtsprechung/ABGB 1772010, Heft 6

Juni

aus dem Gesamtverhalten des Klägers bzw des Tätersdem Nachbarn das Gefühl des dauernden Beobachtet-seins vermittelt wird. Interessant ist die vom OGH vorge-nommene Differenzierung zwischen dem noch hinzuneh-menden üblichen Beobachten des Nachbarn und demzu untersagenden Eingriff in die Privatsphäre. Währendein „zufälliges“ und „absichtsloses“ aus dem FensterSchauen nicht zu untersagen sein wird, auch wenn dasFenster direkt auf den Nachbargrund gerichtet ist unddamit zwangsläufig einen Einblick in die gesamte Gar-tenfläche des Nachbarn ermöglicht, ist das Beobachtendes Nachbargartens über ein hochgelegenes WC-Fenster,aus dem man ohne Hilfsmittel nicht hinausschauen kann,weil man dazu auf den Klodeckel steigen muss, ein unzu-lässiger Eingriff in die Privatsphäre des Nachbarn.

Abgestellt wird bei der Zulässigkeitsprüfung des Ver-haltens auf das Empfinden eines durchschnittlich empfin-denden Nachbarn, wobei das Verhalten zu untersagenist, wenn sich die diesbezügliche Maßfigur durch dasgegenständliche Verhalten dauernd beobachtet und ver-folgt fühlen würde. Dieses Differenzierungskriteriumwirft im Einzelfall sicher schwierige Beurteilungsfragenauf. Während die bisherige Judikatur auf die Verwendungtechnischer Hilfsmittel Bezug nahm und der Einsatz die-ser Mittel entsprechend gewürdigt wurde, sodass ein Un-terlassungsbegehren auch hinsichtlich einer Kameraat-trappe bejaht wurde, weil der möglicherweise beeinträch-tigte Nachbar nicht erkennen konnte, ob nun von diesemtechnischen Hilfsmittel eine zu unterbindende Gefahr aus-gehen kann, ist das menschliche Verhalten des Sehenseine angeborene Sinneswahrnehmung, die bei jedemMenschen unterschiedlich ausgeprägt ist. Während einMensch seine Umgebung in wenigen Sekunden wahr-nimmt, benötigt der andere ein Vielfaches dieser Zeit, umalle optischen Eindrücke auf sich wirken zu lassen, vonkrankhaften Wahrnehmungsverlangsamungen ganz abge-sehen. Ist etwa der Epileptiker, der bei Öffnen des Fens-ters zum Nachbargrund einen medizinisch relevanten An-fall erleidet und zwei Minuten starr auf den Nachbargrundblickt mit einer Unterlassungsklage konfrontiert, weil esauf ein Verschulden bzw eine Vorwerfbarkeit des Verhal-tens des Täters ja nicht ankommt, um hier ein Extrembei-spiel zu strapazieren? Ist der vom Klodeckel aus über dasWC-Fenster auch auf den Nachbargrund blickende um dieSicherheit seines Heimes und seines Gartens besorgte Ei-gentümer zur Unterlassung zu verhalten, obwohl er sichdurch seinen Kontrollblick nur vergewissern will, ob überden Nachbargrund keine Einbrecher auf seinen Grundeindringen oder auch nur den Nachbargrund und dasNachbarhaus heimsuchen und dies auch dann, wenn es fürdas diesbezügliche Verhalten berechtigten Anlass gibt (zBmehrere Einbruchsversuche in der Nachbarschaft).

Die vorliegende E öffnet für die im Einzelfall zuständi-gen Gerichte ein weites Betätigungsfeld, in dem jeweilsim Einzelfall zwischen nicht friktionsfrei lebenden Nach-barn ein Verhalten als möglicher Eingriff in die Privat-sphäre zu beurteilen ist, das an sich als menschliche Sin-neswahrnehmung nicht zu beanstanden ist, kann dochnicht allen Ernstes von einem Menschen verlangt werden,dass er seine Sinneswahrnehmung nur auf den eigenenGrund bzw die eigene Wohnung beschränkt. Das Wahr-nehmen eines störenden Geruches, ausgehend vom Nach-bargrund und die Zuordnung zu einer bestimmen Ge-ruchsquelle ebenso die Zuordnung eines ortsunüblichenund unzumutbaren Lärms zu einer nachbarlichen Lärm-quelle muss zulässig sein, ohne dabei Persönlichkeits-rechte des Nachbarn zu verletzen.

So führt der OGH in der gegenständlichen E aus, dassdas bei gleichzeitiger Gartenbenützung bei angrenzendenGrünflächen nicht zu vermeidende und oft genug unfrei-willige Mithören von Gesprächen, die auf einer Terrasse

oder im Garten vom Nachbarn geführt werden, selbstwenn bewusst ein Gespräch belauscht wird, für sich al-leine, ohne Hinzutreten besonderer Umstände, kein Ein-griff in die Privatsphäre des Nachbarn darstellt. Klettertder Nachbar aber dann bspw auf einen Baum oder durch-dringt Gebüsch auf seinem Grund, um sich längere Zeitdirekt an der Grundstücksgrenze aufzuhalten, so wirddies beim durchschnittlich empfindenden Nachbarn wohlden Eindruck des dauernden Beobachtetwerdens bzwVerfolgtseins erwecken. Wie soll aber der erkennendeRichter zwischen phantasievollen Ausflüchten (der Stö-rer behauptet, sich deshalb unmittelbar am Zaun aufhal-ten zu müssen, um die Hecke ständig zu pflegen) und be-rechtigten Verhaltensweisen (der Störer bewirtschaftettatsächlich in intensivem Ausmaß seinen Garten und diezum Nachbargrund angelegte Hecke) im Einzelfall zutref-fend unterscheiden, wird es doch kaum einen Störergeben, der sein Störungsverhalten zugibt und nicht ver-sucht, sein Verhalten als aus anderen Gründen notwendigund mit dem Nachbarn gar nicht im Kontext stehend zurechtfertigen. Auf die Gerichte wird durch den ausufern-den Anwendungsbereich in Bezug auf Eingriffe in die Pri-vatsphäre eine erhebliche Mehrbelastung zukommen.

RA Dr. Alexander Illedits

82.Übernahme des Hausbesorgerdienstverhältnissesdurch Fruchtnießer

DOI 10.1007/s00719-010-1510-4

§ 509, § 1120 ABGB; § 18 Abs 6 HBG; § 2 Abs 1 MRG:Arbeitgeber eines Hausbesorgers iSd HBG ist grund-

sätzlich nur der Eigentümer eines Hauses. Dies schließtaber die analoge Anwendung des HBG in Fällen, in deneneine andere Person als der Hauseigentümer Vertragspart-ner des Hausbesorgers ist, nicht aus. Auch ein Arbeits-verhältnis zu dem, der die Rolle des Hauseigentümerseinnimmt – wie etwa zum Gesamtmieter eines Hauses,der sich „in der vollständigen Herrschaft über den Be-standgegenstand wie der Eigentümer befindet“ –, unter-liegt den Vorschriften des HBG. Nichts anderes kann imFall des Fruchtnießers gelten.OGH 30. 9. 2009, 9 ObA 16/09g (OLG Wien 7 Ra 113/08a; ASG Wien 1 Cga150/07w)

Die Kl ist seit 1. 3. 1986 Hausbesorgerin einer Liegen-schaft in Wien. Der Hausbesorgerdienstvertrag wurdemit den damaligen Hauseigentümern, einem Ehepaar, ge-schlossen. Für die Dauer des Dienstverhältnisses wurdeihr eine Wohnung im Haus zugeteilt. Mit Schenkungsver-trag vom 29. 11. 1993 schenkten die Eigentümer der Lie-genschaft ihre daran bestehenden Hälfteanteile ihrerTochter, der Bekl; sie behielten sich aber das Frucht-genussrecht an der Liegenschaft vor. Das Eigentum derBekl an der Liegenschaft und das daran bestehendeFruchtgenussrecht der vormaligen Eigentümer wurdengleichzeitig bücherlich einverleibt.

Die Kl begehrte in erster Instanz von der Bekl letztlich1.323,22 E sA. Die Bekl habe während des gesamtenDienstverhältnisses die Sozialversicherungsbeiträgenicht vom Lohn der Kl abgezogen. Dadurch sei eine kon-kludente Vertragsänderung eingetreten, sodass die Kleinen Rechtsanspruch auf das Unterbleiben dieses Ab-zugs habe. Ab Jänner 2007 habe die Bekl jedoch denDienstnehmerbeitrag einseitig einbehalten. Die Bekl be-antragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie sei nichtpassiv klagelegitimiert. Zwar sei sie grundbücherlicheEigentümerin der Liegenschaft; passiv klagslegitimiertseien aber die beiden Furchtgenussberechtigten, die auchVertragspartner des Hausbesorgerdienstverhältnisses ge-