Upload
others
View
4
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Schwache Strahlen – Harte Fakten Prof. Dr. Alfred Böcking
em. Direktor des Instituts für Cytopathologie an der Universität
Düsseldorf
Couven-Gymnasium Aachen, 05.02.2013
Alpha-, Beta- und Gamma-Strahlung
Spektrum
elektro-
magnetischer
Strahlung
Dosimetrie
Energiedosis:
die in 1 kg Materie absorbierte Energie
1Gray (Gy) früher rad, 100 rad = 1 Gy
Äquivalentdosis:
mit der biologischen Wirksamkeit der Strahlenart
bewertete Energiedosis (x20)
1 Sievert (Sv), früher rem, 100 rem = 1 Sv
W.C. Röntgen entdeckte 1895 die „ X-Strahlen“ Fertigte am 22.12.1895 von der Hand seiner Frau
die erste Röntgen-Aufnahme an
Marie Curie untersuchte die von Henri Bequerel 1896 entdeckte radioaktive Strahlung Sie erlitt mehrere Strahlen-bedingte Verbrennungen, die „Strahlenkrankheit“ und starb 1934 an aplastischer Anämie Bis 1924 waren 140 Radioaktivitäts-Forscher an Strahlenfolgen gestorben
Tricho-System zur Haar-Entfernung mit Röntgenstrahlung ab 1910 in US-amerikanischen Schönheits-Salons Ab 1930 ca. 20.000 Todesfälle Des Erfinders A.C. Geysers linker Arm und rechte Hand wurden wegen Krebs amputiert
E. Mc Burney-Byers (1880 – 1932) trank 1.400 Fläschchen „Radiothor“, Ober-, Unterkiefer und Teile seines Schädeldaches zerfielen,
wurde im Bleisarg bestattet
„Schuh-Fluoroskope“ durchleuteten mit Röntgen-Strahlen Kinderfüße (1920 – 1970)
1.Seit wann weiß man über die krankmachende
Wirkung ionisierender Strahlen Bescheid?
1. Im Prinzip seit Madame Curie über Radioaktivität forschte und 1898 eine
„Strahlenkrankheit“ entwickelte
2. In öffentlicher Wahrnehmung erst seit der Atombombe von Hiroshima,
1945
3. Nach Atombombentest der USA auf dem Bikini Atoll, 1946
4. Nach Atombombentests in der Wüste von Nevada, 1951
5. Nach Reaktorkatastrohe von Harrisburg, USA, 1979
6. Nach Reaktorkatastrohe von Tschernobyl, 1986
3. 4.
Atombomben-Explosion („little boy“)
am 12.12 1945 über Hiroshima, Japan
92.000 Tote sofort, 130.000 später
Hiroshima nach der Atombomben-Explosion
Leukämien
nach der
Atombombe
von
Hiroshima
Cancer incidence in an area of radioactive fallout down-
wind from the Nevada test site.
C. J. Johnson, JAMA, 1984
Tumoren Erwartet Beobachtet Faktor Signifikanz
Alle 179 288 1,6 **
Magenkrebs 1,8 9 5,0 **
Brustkrebs 14,2 27 1,9 **
Schilddrüsenkrebs 3,1 20 6,5 **
Leukämie 7,0 31 4,4 **
Malignes Melanom 2,6 9 3,5 **
Knochenkrebs 0,7 8 11,4 **
Hirntumoren 1,6 5 3,1 *
Effekte vorgeburtlicher Strahlenexposition
• Totgeburt
• Mißbildungen
• Wachstumsstörungen
• Funktionelle Störungen
• Störungen der Fruchtbarkeit
• Krebs
• Leukämien
• Erbkrankheiten
Kindersterblichkeit nach
Atomkraftwerks-Unfall 1979
in Harrisburg, USA
Totgeburten nach
radioaktivem
Fallout in den USA
Schilddrüsenkrebs in Weißrußland nach Tschernobyl
Schilddrüsenkrebs im Oblast Gomel, Belarus nach der Tschernobyl-Katastrophe 1986
Alter 1973-1985 1986-1998 Zunahme
0 - 18 7 407 x 58
19 -34 40 211 x 5,3
35 - 49 54 326 x 6.0
50 - 64 63 314 x 5,0
> 64 56 146 x 2,6
Folgen und Lehren der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl.
Lengfelder, E., Frenzel, C. In: Nebenwirkungen der Atomenergie,
IPPNW, Berlin 2002, 9-19
2. Welche gesundheitlich relevanten Strahlen-
Quellen gibt es?
Natürliche Strahlung 1. Kosmische Strahlung (aus dem Weltall) 2. Terrestrische Strahlung (Gesteine) 3. Strahlung in Nahrung 4. Strahlung in Atemluft (Radon) Künstliche Strahlung 1. Medizin (Röntgen-Diagnostik, Strahlen-Therapie, Diagnostik und Therapie) 2. Atomwaffentests (Nevada, Pazifik ...) 3. Atomreaktor-Katastrophen (Harrisburg, Tschernobyl, Fukshima) 4. Atomkraftwerke im Normalbetrieb (auch in Deutschland) 5. Berufliche Exposition
3. Welche Krankheiten werden durch
schwache / starke ionisierende Strahlen
verursacht?
Schwache 1. Tot- / Fehlgeburten 2. Angeborene Missbildungen 3. Angeborene Stoffwechselkrankheiten 4. Tscherobyl-Aids 5. Vorzeitiges Altern 6. Diverse Krebsarten 7. Diverse Leukämien Starke 1. Verbrennungen 2. Strahlenkrankheit verschiedener Schweregrade
Zunahme Strahlen-bedingter Krankheiten in hochbelasteten Gebieten der Ukraine 1986-1990 gegenüber 1982-85
Erkrankung Erhöhungsfaktor
Absterben des Embryo x 1,5
Fehlgeburten x 1,7
Frühgeburten x 3,0
Totgeburten x 1,5
Fehlbildungen x 3,0
Unfruchtbarkeit bei Männern x 3,0
Genetische Störungen x 15.0
Folgen und Lehren der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Lengfelder, E., Frenzel, C. In: Nebenwirkungen der Atomenergie, IPPNW, Berlin 2002, 9-19
Risiko an Brustkrebs zu erkranken steigt mit Zahl der Röntgen-
Aufnahmen pro Patient
Akute Strahlenkrankheit
Symptome:
Schock, Koma, Durchfälle, Blutungen, Entzündungen
Tschernobyl:
100% der 134 Arbeiter vom 1. Tag tot (4 -16 Sv)
18% der 600 Arbeiter vom 2. Tag krank, 3,2% tot
1. Mitose-Stop Vor Geburt: • Totgeburten (Aborte) • Fehlgeburten • Mißbildungen Nach Geburt: • Strahlen-Krankheit • Tschernobyl-Aids • Anämie • Vorzeitiges Altern
2. Chromosomen-Aberrationen Vor Geburt: • Mißbildungs-Syndrome (Down-S.) Nach Geburt: • Diverse Krebse • Leukämien
4. Über welche biologischen Mechanismen
entstehen diese Krankheiten?
Strahlung hemmt die Zellteilung (Mitose)
Angeborene Mißbidungen bei Maus und Mensch in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Bestrahlung währen der Schwangerschaft
Nur Leute, die nie dabei waren, wenn eine
Mißgeburt ins Dasein trat, nie ihr Wimmern hörten,
nie Zeugen des Entsetzens der armen Mutter
waren, Leute, die kein Herz haben, vermögen den
Wahnsinn der Atomspaltung zu befürworten.
Albert Schweitzer
„Tschernobyl-AIDS“
durch strahlenbedingte Hemmung der Zellteilung im
Immunsystem
von 830.000 Liquidatoren 94% erkrankt
10-1000 m Sv
Nervenzellen in der Hirnrinde von Kindern und Jugendlichen verzweigen sich noch. Strahlung behindert dies.
Jährlicher Rückgang der SAT-Ergebnisse pro High-Schul-Abschlussjahr, verglichen mit der Kilotonnen-Zahl des 18 Jahre zuvor in Nevada gezündeten Nuklearsprengstoffes
Numerische Chromosomenaberrationen
vor Befruchtung
entstanden:
Mißbildungssyndrome
(z.B. Trisomie 13, 18, 21,)
Trisomie 18 (Edwards-Syndrom)
Chromosomen bei Trisomie 21: Down Syndrom
Syndrom
Kerala, Indien, Region mit geologisch bedingter hoher Hintergrundstrahlung
Studie Kontrolle__
1500-300 mrad/a 100 mrad/a
n = 12918 n = 5938
Insgesamt 0,270% 0,067%
n = 35 n = 4
Kochupillai et al., Nature 262, 60-61, 1976
Mongolismus und verwandte Anomalien in
einer Gegend mit hohe Hintergrundstrahlung
im Küstengebiet von Kerala (Indien)
α-Strahlen ionisieren 20 x mehr Atome als β- und γ-Strahlen. Wenn Zellkern getroffen wird: genetische Effekte
(v.a. Chromosomenbrüche)
α-Strahlen β- und γ-Strahlen
Kern
Kern
Zellen
Wirkung
ionisierender
Strahlung
auf DNA
49
Chromosomen
einer Krebszelle
Karyotyp einer diploiden
menschlichen
Körperzelle
Chromosomen
einer normalen Zelle
Atypische Mitose in Krebszelle
mit chromosomaler Aneuploidie
Strahlenempfindlichkeit während des Zellzyklus
Dosis-Wirkungs-Beziehung Stahlen-verursachter Chromosomen-Schäden geht durch den Nullpunkt, steigt zunächst stark an-
Die Dosis-Wirkungs-Beziehung der stochastischen Strahlenwirkungen geht durch den Nullpunkt (A richtig, D falsch)
5. Gibt es eine Schwellendosis für die
krankmachende Wirkung ionisierender
Strahlen?
• Für nicht stochastische Wirkungen (Strahlenkrankheit, Missbildungen)
Ja • Für stochastische Wirkungen (Krebs, Leukämien, Erbkrankheiten) Nein
Latenzzeiten zw. Bestrahlung und Krebs
Verschiedene Organisationen nehmen verschiedene Beziehungen zwischen Strahlendosis und dadurch verursachten Tumoren an
Interessenkollision WHO (=UN) mit IAEA
(Internationale Atomenergie Behörde)
durch Abkommen von 1959:
WHO ist bzgl. Radioaktivität an IAEO
gebunden
IAEO, Organisation zur Förderung der friedlichen
Nutzung der Atomenergie und zum technisch
wissenschaftlichem Erfahrungsaustausch
40
Case-control study on childhood cancer in the vicinity of nuclear power plants in Germany 1980-2003 Europ- J. Cancer 44 (2008) 275-284 Deutsches Kinderkrebs-Register, Universität Mainz
Leukemia in young children living in the vicinity of German nuclear power plants
Kaatsch et al., Int. J. Cancer: 1220, 721-726 (2008). Deutsches Kinderkrebsregister, Universität Mainz
Anstieg des Risikos von Kindern < 5 Jahren an Leukämie zu erkranken, die im Umkreis von 5 km von 16 deutschen
Atomkraftwerken lebten um 120%.
N = 5.936 mit Leukämie in der Nähe von Atomkraftwerken & 1.766 in Nachbarregionen
Case-control study on childhood cancer in the vicinity of nuclear power plants in Germany 1980-2003
Europ- J. Cancer 44 (2008) 275-284. Deutsches Kinderkrebs-Register, Universität Mainz
Anstieg des Risikos an Krebs zu erkranken für Kinder unter 5 Jahren , die im Umkreis von 16 deutschen Atomkraftwerken
lebten um 47%.
N = 1.592 mit Krebs in Studiengebiet + 4.735 Kontrollen außerhalb.
7. Warum wird die Öffentlichkeit darüber nicht besser aufgeklärt?
1. Mediziner „sitzten im Glashaus“, wollen nicht „mit Steinen werfen“ „Maulkorb“ für kritischen Arzt nach Katastrophe von Tscherobyl 1986 durch Aachener Universitätsklinikums-Direktor und Chef der Klinik für Radiologie
2. Fakten sprechen gegen Interessen der Atomkraftwerks-Industrie Schaltete 1986 gemeinsame Anzeigen mit der Ärztekammer
3. WHO hat „Maulkorb“ durch IAEO IAEO vertritt Interessen der Atomkraft-Industrie
Facit
Atomkraft ethisch nicht zu verantworten.
Mögliche Reduktion an Wohlstand ist gegen Millionen Tote und
missgebildeter Kinder abzuwägen
Öffentlichkeit über medizinische Zusammenhänge
informieren. Schüler durch Ärzte, nicht Physiker
Wir versündigen uns an unseren Kindern,
wenn wir nicht Gebrauch von unserem Wissen um
krankmachende und tödliche Folgen radioaktiver Strahlung
machen. der Geißel
technisch frei gesetzter radioaktiver Strahlung befreien, ggf. auch
auf Kosten von Wohlstand heute.