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Klaus Kohlgrüber, Engelskirchen Schweißen von Stahlguss Bauteile aus Stahlguss werden in großem Umfang in den verschiedensten technischen Bereichen wie zum Beispiel im Maschinen- und Anlagenbau, in der Pumpenindustrie, im Werkzeugbau und im Automobilbau eingesetzt. Der Anwendungsbereich, in dem Stahlguss eingesetzt wird, ist mit entscheidend für die Qualität und die Werkstoffauswahl der Produkte. Die hohe Vielfalt der Anforderungen an unterschiedliche Herstellungsverfahren für Stahlguss be- züglich Oberflächen- und Volumengüten sowie an die Geometrie und die Maß- haltigkeit der Produkte zwingt dazu, immer häufiger konstruktive Veränderungen vorzunehmen oder aber Oberflächen- und Volumengüten zu verbessern. Hierzu ist es unumgänglich, Verfahren anzuwenden, wie zum Beispiel das Schweißen, damit auch die Wirtschaftlichkeit gewährleistet wird. Klaus Kohlgrüber, Dörrenberg Edelstahl GmbH, Engelskirchen; www. doerrenberg.de 1 Grundlagen für das Schweißen an Stahl- guss Nach den gängigen Regelwerken, zum Beispiel der DIN EN 1559 „Gießereiwe- sen, technische Lieferbedingungen“, ist das Schweißen an Stahlgussstücken grundsätzlich erlaubt und als Produktions- schweißung definiert. Laut dortiger De- finition schließt das Produktionsschwei- ßen das Fertigung- und Verbindungs- schweißen ein. Unter Berücksichtigung des Werkstoffs und der Form des Guss- teils sind Produktionsschweißungen so durchzuführen, dass die im Schweißwerk- stoff und in der Schweißzone relevanten Eigenschaftswerte den Anforderungen an die Eigenschaften des Grundwerkstoffs ausreichend entsprechen. Die Bereiche, wo Produktionsschwei- ßungen durchgeführt werden sollen, sind so vorzubereiten und zu prüfen, dass eine einwandfreie Schweißung sichergestellt ist. Die Dokumentation dieser Bereiche kann nach DIN EN 1559 vereinbart wer- den. Danach sind unter angemessener Berücksichtigung des Werkstoffs und der Form des Gussstücks Produktionsschwei- ßungen so durchzuführen, dass die im Schweißwerkstoff und in der Schweißzone relevanten Eigenschaftswerte den Anfor- derungen an die Eigenschaften des Grundwerkstoffes ausreichend entspre- chen. Die Dokumentation von Produk- tionsschweißungen sollte deshalb ver- einbart werden. Ebenso bedarf es der Vereinbarung zwi- schen Kunde und Lieferant/Hersteller, Schweißverfahrens-Prüfungen zum Bei- spiel nach DIN EN 288-3 oder Schwei- ßerqualifikationen nach DIN EN 287 zum Nachweis, dass der Hersteller die Pro- duktionsschweißungen korrekt, gegebe- nenfalls in Verbindung mit einer Wärme- behandlung nach dem Schweißen, aus- führen kann (Bild 1a, b). Der Anhang A von 2006 (Änderung A2: 2006 der EN 287-1:2004) enthält einen informativen Vorschlag, wie eine Schwei- ßerprüfbescheinigung aufgebaut sein sollte (Bild 1c). Eine Stahlguss spezifische Schweißver- fahrensprüfung wie zum Beispiel nach SEW 110 ist in den meisten EN-Regelwer- ken nicht vorgesehen. a) b) c) Bild 1: Beispiele für einen Bericht über eine Verfahrensprüfung (links), eine Schweißerqualifikation (Mitte) und den aktuellen Gestaltungsvorschlag (Formular) nach EN 287-1, Anhang A2 (rechts)

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Klaus Kohlgrüber, Engelskirchen

Schweißen von StahlgussBauteile aus Stahlguss werden in großem Umfang in den verschiedenstentechnischen Bereichen wie zum Beispiel im Maschinen- und Anlagenbau, inder Pumpenindustrie, im Werkzeugbau und im Automobilbau eingesetzt. DerAnwendungsbereich, in dem Stahlguss eingesetzt wird, ist mit entscheidendfür die Qualität und die Werkstoffauswahl der Produkte. Die hohe Vielfalt derAnforderungen an unterschiedliche Herstellungsverfahren für Stahlguss be-züglich Oberflächen- und Volumengüten sowie an die Geometrie und die Maß-haltigkeit der Produkte zwingt dazu, immer häufiger konstruktive Veränderungenvorzunehmen oder aber Oberflächen- und Volumengüten zu verbessern. Hierzuist es unumgänglich, Verfahren anzuwenden, wie zum Beispiel das Schweißen,damit auch die Wirtschaftlichkeit gewährleistet wird.

Klaus Kohlgrüber, Dörrenberg Edelstahl GmbH,Engelskirchen; www. doerrenberg.de

1 Grundlagen für das Schweißen an Stahl- gussNach den gängigen Regelwerken, zumBeispiel der DIN EN 1559 „Gießereiwe-sen, technische Lieferbedingungen“, istdas Schweißen an Stahlgussstückengrundsätzlich erlaubt und als Produktions-schweißung definiert. Laut dortiger De-finition schließt das Produktionsschwei-ßen das Fertigung- und Verbindungs-schweißen ein. Unter Berücksichtigungdes Werkstoffs und der Form des Guss-teils sind Produktionsschweißungen sodurchzuführen, dass die im Schweißwerk-stoff und in der Schweißzone relevanten

Eigenschaftswerte den Anforderungen andie Eigenschaften des Grundwerkstoffsausreichend entsprechen.

Die Bereiche, wo Produktionsschwei-ßungen durchgeführt werden sollen, sindso vorzubereiten und zu prüfen, dass eineeinwandfreie Schweißung sichergestelltist. Die Dokumentation dieser Bereichekann nach DIN EN 1559 vereinbart wer-den. Danach sind unter angemessenerBerücksichtigung des Werkstoffs und derForm des Gussstücks Produktionsschwei-ßungen so durchzuführen, dass die imSchweißwerkstoff und in der Schweißzonerelevanten Eigenschaftswerte den Anfor-derungen an die Eigenschaften desGrundwerkstoffes ausreichend entspre-chen. Die Dokumentation von Produk-tionsschweißungen sollte deshalb ver-einbart werden.

Ebenso bedarf es der Vereinbarung zwi-schen Kunde und Lieferant/Hersteller,Schweißverfahrens-Prüfungen zum Bei-spiel nach DIN EN 288-3 oder Schwei-ßerqualifikationen nach DIN EN 287 zumNachweis, dass der Hersteller die Pro-duktionsschweißungen korrekt, gegebe-nenfalls in Verbindung mit einer Wärme-behandlung nach dem Schweißen, aus-führen kann (Bild 1a, b).

Der Anhang A von 2006 (Änderung A2:2006 der EN 287-1:2004) enthält eineninformativen Vorschlag, wie eine Schwei-ßerprüfbescheinigung aufgebaut seinsollte (Bild 1c).

Eine Stahlguss spezifische Schweißver-fahrensprüfung wie zum Beispiel nachSEW 110 ist in den meisten EN-Regelwer-ken nicht vorgesehen.

a) b) c)

Bild 1: Beispiele für einen Bericht über eine Verfahrensprüfung (links), eine Schweißerqualifikation (Mitte) und den aktuellenGestaltungsvorschlag (Formular) nach EN 287-1, Anhang A2 (rechts)

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2 SchweißeignungUnter den Gusswerkstoffen zeichnet sichStahlguss neben seinen gleichmäßigenmechanischen Eigenschaften in allenRichtungen durch seine gute Schweißbar-keit aus. Dieser besondere Vorteil kannbei der konstruktiven Gestaltung von hochbeanspruchten Teilen vorteilhaft genutztwerden (Bilder 2 - 5).

Bezüglich der Schweißeignung von Stahl-guss gelten die gleichen Kriterien wie fürWalz- und Schmiedestahl. Es wird des-halb darauf verzichtet, näher auf die werk-stoffbedingte Schweißeignung beispiels-weise durch Definition des Kohlenstoff-äquivalents einzugehen. Sie wird imwesentlichen durch die Eigenschafts-änderungen in der Wärmeeinflusszone(WEZ) bestimmt, die ihrerseits bei ge-gebener chemischer Zusammensetzungdurch die Wanddicke sowie die Schweiß-parameter, zum Beispiel Vorwärm- undZwischenlagentemperatur, und/oderWärmeeinbringung bedeutend beein-flussen kann. Die Erfahrungen aus dem

Bild 2: Aus sechs Gussteilen zusammengeschweißtes Kugelventilaus GX10NiCrNb32-20 für die Petrolchemie (Bild: ZGV Düsseldorf)

Bild 4: Austrittsammler für Reformofen aus mehreren Formguss-und Schleudergussstücken verschiedener hitzebeständigerStahlgusssorten zusammengeschweißt (Bild: ZGV, Düsseldorf)

Bild 5: Schweißarbeiten an einem Gussknoten aus G18NiMoCr36 (W-Nr.1.6759) für ein Stahltragwerk (Bild: ThyssenKrupp Stahlbau, Hannover)

Bild 3: Etylenofen aus verschweißten Schleudergussrohren derStahlsorte GX40NiCrSiNb35-25 (Bild: ZGV, Düsseldorf)

Bereich der Walz- und Schmiedetechnikkönnen dabei als wesentliche Richtlinienübernommen werden.

Den im Allgemeinen größeren Wanddi-cken ist durch eine entsprechende Tem-peraturführung vor und nach dem Schwei-ßen Rechnung zu tragen. Dabei sind diebei Stahlguss im Vergleich zu äquivalen-ten Knetwerkstoffen oft etwas höherenKohlenstoff- und Legierungsinhalte zuberücksichtigen.

3 SchweißvorbereitungDie zum Schweißen vorbereiteten Be-reiche sind grundsätzlich durch eineSichtprüfung und, wenn möglich, zusätzlichmittels der Farbeindring- oder Magnet-pulverprüfung zu beurteilen. Die Kriterienfür die Beurteilung der Schweißbereichesollten mindestens denjenigen des Guss-teils beziehungsweise der Gussteilzoneentsprechen. Im Allgemeinen sollten je-doch verschärfte Kriterien angelegt werden.Lineare Anzeigen, die auf Risse schließenlassen, sind grundsätzlich zu beseitigen.

Zu beachten ist, dass die zum Schweißenvorbereitete Mulde oder Schweißflankevor dem Schweißen frei von Schmutz, Öloder Prüfmittel ist und keine scharfkanti-gen Ausschleifungen hat (Bilder 6 und 7).

4 Vorgaben und Regel- werke für das Schwei- ßen an StahlgussDie Schweißzusatz-Werkstoff-Herstel-ler informieren auf den Schweißzusatz-Werkstoff-Verpackungen, zum Beispielbei E-Hand-Elektroden, umfangreich überStromstärke, Stromart oder Vorwärmtem-peraturen. Zusätzlich können viele wich-tige Informationen aus den Hersteller-katalogen entnommen werden. Da diemeisten Stahlgusssorten in Regelwerkenenthalten sind, zum Beispiel in DIN 17182oder DIN EN 10283 oder SEW 410, erhältder Anwender auch hier die notwendigenInformationen, die für eine fachgerechteSchweißung notwendig sind (Tabelle 1) .

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Bild 6: Farbeindringprüfung von Gussteilenvor dem Schweißen (Bild: Dörrenberg, En-gelskirchen)

5 Stahlgusstypische SchweißverfahrenIn den letzten Jahren konnte durch dieErzeugung von Fülldrähten für das Metall-schutzgasschweißen (MSG) die Ange-botspalette an den verschiedenstenSchweißzusatzwerkstoffen deutlich er-höht werden. Zur Herstellung dieserDrähte lassen sich kostengünstige Stan-dardgrundwerkstoffe einsetzen, wodurchein wirtschaftliches Schweißen möglichwird. Durch Einbringen der verschieden-sten Legierungselemente in Pulverformentsteht ein Draht mit genau definierterZusammensetzung. Hierdurch wurde derAnteil an Schweißelektroden für das E-Hand-schweißen deutlich reduziert (Bild 8).

Stark auf den Markt drängen zudem dieHersteller von Elektronenstrahl- oder La-serschweißmaschinen. Mit den steigen-den Anforderungen an die Technik wach-sen auch die Anforderungen an denSchweißer und den Mechanisierungs-grad. Serienteile zum Beispiel aus demAutomobilbau lassen sich so wirtschaft-lich schweißen (Bild 9).

Bild 8: Auftragschweißen mit dem Metall-schutzgasschweißen (Bild: Dörrenberg,Engelskirchen)

fehler usw. ist das Laserschweißen vonHand. Dieses Verfahren kommt bevor-zugt zum Einsatz, wenn kleinste Schwei-ßungen notwendig sind, wo möglichstkein Maßverzug auftreten soll.

Tabelle 1: Schweißbedingungen für legierten Stahlguss nach DIN EN 10283

Bild 7: Hinweise zur Schweißflankenvorbereitung bei StahlgussAnmerkungen:- Die Schweißbereiche sind gundsätzlich einer Sichtprüfung zu unterziehen;- Zusätzlich kann eine Farbeindring- oder Magnetpulverprüfung vereinbart werden (Die Kriterien sollten mindestens dejenigen des Gussteils entsprechen, lineare Anzeigen, die auf Risse schließen lassen, sind grundsätzlich zu entfernen);- Die vorbereitete Mulde oder Flanke muss frei von Schmutz, Öl oder Prüfmittelresten sein;- Schweißgeeignete Ausmuldungen sind zu beachten!

Inzwischen wird auch hier das Laser-schweißen eingesetzt und perfektioniert.Ein Multitalent für Auftrags- und Verbin-dungsschweißungen oder auch für dasBeseitigen kleiner Poren, Schwindungs-

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Von den Oberflächen blanker Metalle wirddie Laserstrahlung selbst bei senkrech-tem Auftreffen mindestens zur Hälfte re-flektiert. Dabei besteht ein Zusammen-hang zwischen der elektrischen Leit-fähigkeit des Werkstoffs und dem Refle-xionsgrad. Die Strahlenquelle, beispiels-weise ein ND:YAK-Laser (die Buchstabenstehen für Neodym - Yttrium - Aluminium- Granat) hat eine Wellenlänge im Infra-rotbereich von 1064 mm. Dies ist bei vie-len metallischen Werkstoffen ausrei-chend, um die Energieübertragung vomLaserstrahl auf das Werkstück zu über-tragen. Zum Einsatz kommen Schweiß-drähte mit einer Abmessung von etwa0,4 mm in den unterschiedlichsten Werk-stoffsorten (Bild 10).

Auch Kombiverfahren wie das Laserhy-bridverfahren, werden genutzt. Mit diesemVerfahren lassen sich die Vorteile vomLichtbogen- und Laserschweißen ver-binden. Beim Laserhybridschweißen trifftdie mit Lichtgeschwindigkeit transportierteEnergie des Laserstrahls mit dem Plasmades Lichtbogens zusammen. Sie wirkengleichzeitig in dieselbe Schweißzone undverstärken ihre Wirkung. Die Ergebnisseder Kombination gegenüber den Einzel-verfahren sprechen für sich:

- größere Spaltüberbrückbarkeit beigleichzeitig höherer Fügegeschwin-digkeit,

- tieferer Einbrand und schmale Nahtbei geringerem Wärmeeinbringen,

- höhere Zähigkeit der Naht, Festigkeitder Verbindung und Gefügebeein-flussbarkeit über den Zusatzwerkstoff,

Bild 9: Roboter gestütztes Werkzeughandling beimautomatisiertem Laserstrahlschweißen (Bild: Kuka,Schweißtechnik, Augsburg)

Bild 10: Manuelles Laserstrahlschweißen im Miniaturbereich mit Hilfe einesMikroskops (Bild: Dörrenberg, Engelskirchen)

- größere Prozessstabilität und Anla-genverfügbarkeit,

- geringerer Aufwand für die Nahtvor-bereitung und Nacharbeit,

- kürzere Fertigungszeiten und -kos-ten sowie große Produktivität,

- geringere Investitionskosten, bezo-gen auf die Gesamtleistung,

- bessere optische Gestaltungsmög-lichkeiten.

Das Wolfram-Inertgas-Schweißverfahren(WIG) hat nicht zuletzt wegen sehr guterZähigkeitswerte im Schweißgut, bedingtdurch einen niedrigen Gehalt an oxidi-schen Einschlüssen, ebenfalls in denletzten Jahren an Bedeutung gewonnen.Die hohe Zuverlässigkeit hinsichtlich derFehlerfreiheit ist ein weiterer Vorteil. Diegeringere Abschmelzleistung im Bezugauf die anderen Verfahren ist dagegenals nachteilig anzusehen.

Für große Konstruktionsschweißungenkommen nach wie vor die weitgehendmechanisierten Verfahren UP (Unter Pul-ver) oder ES (Elektroschlacke) zum Ein-satz (Bilder 11 und 12).

6 Thermische Behand- lung vor und nach dem SchweißenJe nach Art und Größe der Schwei-ßungen wird niedrig legierter bis marten-sitischer Vergütungsstahl entweder imgeglühten oder vergüteten Zustand ge-

schweißt. Sofern im geglühten Zustandgeschweißt wird, muss danach die Ver-gütung erfolgen. Andererseits ist es mög-lich, dass vor dem Schweißen vergütetund nach dem Schweißen angelassenoder entspannt wird. Hierbei ist zu beach-ten, dass die Anlass-/Spannungsarm-Glüh-temperatur etwa 20 bis 30 °C unterhalbder gewählten Anlasstemperatur liegt, da-mit die eingestellten, mechanisch-techno-logischen Werte nicht verändert werden.

Austenitischer Stahlguss wird grund-sätzlich im abgeschreckten Zustand ge-schweißt. Bezüglich eines erneuten Lö-sungsglühens nach dem Schweißenmuss in die Standardaustenite mit C-Gehalten bis 0,07 % ohne Niob/Titan undin mit Niob/Titan stabilisierte beziehungs-weise mit C-Gehalten unter 0,3 % unter-schieden werden. Grund hierfür ist bei-spielsweise die Gefahr von interkristalli-ner Korrosion in der Wärmeeinflusszone,die durch chemischen Angriff entlang derKorngrenzen entstehen kann. Hierbeiwird das Gefüge aufgelockert und dermetallische Zusammenhang gestört.

Bei den Standardausteniten scheidet sichdurch das hohe Wärmeeinbringen beimSchweißen Chromcarbid aus, der Chrom-mindestgehalt für die Passivierung derOberfläche in der Matrix nahe den Korn-grenzenbereichen wird unterschritten undes entsteht interkristalline Korrosion. Umdies zu verhindern, werden häufig soge-nannte Low- Carbon-Austenite oder Niob-und Titan-Varianten eingesetzt. Hierdurchkönnen längere Verweilzeiten im kriti-schen Temperaturbereich zwischen 600bis 700 °C gefahrlos durchlaufen werden,oder es erfolgt ein Post weld heattreat-ment, ein Lösungsglühen.

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Neuentwicklungen bei den Werkzeug-stahl- und Gusswerkstoffen haben dazugeführt, dass das Schweißen dieser Werk-zeuge durchaus im Rahmen des Mög-lichen liegt. Seitens der Anwender, die oftteure Werkzeuge einsetzen, kommt zudemdie Forderung, diese Werkzeuge zu schwei-ßen. Das Einsatzgebiet der Werkzeug-stähle umfasst Druckgießformen, Kunst-stoffformen, Schmiedegesenke, Karos-serie-, Schneid- und Umformwerkzeuge.

Die Gründe für das Schweißen, das meistan fertigen Werkzeugen erfolgt, sind viel-fältig. Reparaturen, bedingt durch Kon-struktionsänderungen oder Fehlstellen inder Prägefläche, sind eine sehr attraktive,wirtschaftliche Alternative, verglichen mitden Kosten für die Herstellung eines neu-en Werkzeuges.

Das Hauptproblem beim Schweißen vonWerkzeugstählen liegt in deren hoher

Härtbarkeit. Die geschweißte Stelle kühltschnell ab, sobald die Energiequelle ein-mal entfernt wird, und die Schweißnahtund ein Teil der wärmebeeinflussten Zonewerden gehärtet. Diese Umwandlungführt zu Spannungen, da die geschweißteZone durch das umliegende kalte Gefügeeingezwängt ist. Daher können Risse ent-stehen, und große Vorsicht ist geboten,um diese zu vermeiden. Werkzeugstählewerden deshalb hauptsächlich im geglüh-ten oder vergüteten Zustand geliefert.

Im Bild 13 ist erläutert, wie sich derGrundwerkstoff, das Schweißgut und dieWärmeeinflusszone nach dem Schweiß-vorgang verhalten. Das Schweißgut liegtim „Gusszustand“ vor, das durch die schnel-le Erstarrung ein feinkörniges Gefügeaufweist. Darunter liegt die kombinierteAnschmelz- und Neuhärtezone, in derkurzfristig sehr hohe Austenitisierungs-temperaturen aufgetreten sind. Größere

Bild 13: Schweißnahtbildung bei Werkzeugstählen im geglühten (a) und angelassenen (b) Zustand sowie Teilaustenitisierung undHärteverlauf in der Schweißnahtumgebung (c)

7 Schweißen von Werk- stoffen mit höherem KohlenstoffgehaltWerkzeugstähle mit einem Kohlenstoff-gehalt von 0,3 bis 2,0 % galten lange alsnicht oder nur schwer schweißbar. Daherwurde in der Vergangenheit meist vomSchweißen dieser Werkstoffe von denStahl- beziehungsweise Gusslieferantenabgeraten. Inzwischen ist jedoch einWandel eingetreten, auf den nachfolgendeingegangen wird.

7.1 Schweißen von Werkzeug- stahlgussDiverse Verbesserungen zum Beispiel inder Schweißtechnik, bei den Schweißzu-satzwerkstoffen und den Schweißanlagensowie insbesondere Verbesserungen und

Bild 11: Zentrifugaltrommel, aus zwei Schleudergusszylindern nach dem UP-Verfahren verschweißt (Werkstoff GX5CrNiMoCuN26-6-3)

Bild 12: Horizontal durch die Schaufeln geteiltesLaufrad einer Francisturbine, verschweißt nachdem ES-Verfahren (Werkstoff GX5CrNi13-4)

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Unterschiede entstehen im angrenzendenBereich bei der geglühten (Bild 13a) odervergüteten Variante (Bild 13b). Währendbei der geglühten Ausführung noch eineTeilaustenitisierung erfolgt, tritt bei dergehärteten und angelassenen Ausführungdes Werkzeugwerkstoffes neben der Teil-austenitisierung auch eine höhere An-lassbehandlung auf, so dass die Härteabfällt (Bild 13c).

Sehr große Unterschiede hinsichtlich desHärteverlaufs ergeben sich natürlichauch, wenn die unterschiedlichen Aus-gangszustände „geglüht“ beziehungswei-se „gehärtet und angelassen“ betrachtetwerden. Wie dem Bild 14 zu entnehmenist, sind beim Schweißen von geglühten

Bild 14: Härteverlauf für die Ausgangszu-stände „geglüht“ (a) sowie „gehärtet undangelassen“ (b)

Materialien auf jeden Fall Härtesteigerun-gen in Teilbereichen zu verzeichnen. DieHärte im Bereich der Schweiße ist hoch,da aufgrund der Überhitzung höhere Rest-austenitgehalte auftreten. Im Anschlussan diesen Bereich liegt die Zone mit nor-maler Austenitisierung. Wegen der Mar-tensitbildung sind sehr hohe Härtewertevorhanden, die dann kontinuierlich auf denWert der geglühten Ausführung abfallen.

Große Unterschiede hinsichtlich der Här-te treten beim Schweißen der gehärtetenund angelassenen Ausführung auf. Fürden Bereich des Schweißzusatzwerkstof-fes beziehungsweise der ersten Zone gel-ten die Aussagen, wie sie auch für diegeglühte Ausführung gemacht wurden.Darunter kommt es dann zum Abfall derUrsprungshärte, da die Anlasstemperaturbei der Abkühlung aus der schmelzflüs-sigen Phase höher liegt als die ursprüng-liche Anlasstemperatur. Von hier aussteigt die Härte dann auf den Härtewertan, der bei der Wärmebehandlung einge-stellt wurde. Resultierend aus den unter-schiedlichen Gefügezuständen und Här-tewerten ist abzuleiten, dass auch extre-me Spannungen auftreten.

7.2 Schweißen mit Puffer- lagenSehr oft wird bei größeren Schweißungen,zumindest in der Tiefe, das Schweißenmittels Pufferlagen angewendet. Dannwird nicht mit einem artähnlichen oderartgleichen Schweißzusatzwerkstoff ge-arbeitet, sondern mit einem austeniti-schen Schweißzusatzwerkstoff mit 29 %Cr und 9 % Ni. Dieser austenitische Be-reich hat den Vorteil, dass er verhältnis-mäßig weich und zäh ist, so dass Riss-bildung praktisch unterdrückt wird. Soferndieses Material in den Funktionsbereichragt, kommt es dort zu einem sehr unter-

Bild 15: Härteausbildung im Schweißnahtumfeld bei gehärtetem und angelas-senem Stahlguss

Bild 16: Prozessführung beim Anlassen (a) und Weich-glühen (b) von Stahlguss

schiedlichen Verschleißverhalten. Ande-rerseits ist natürlich bei der Pufferung zubeachten, dass das Substratmaterialauch hier mit der Schweißwärme beauf-schlagt wird und die Umwandlungen ingenau gleicher Art und Weise auftreten,wie schon aufgeführt.

Die Temperaturführung beim Schweißenund nach dem Schweißen ist sehr wichtig.Diese ist unter anderem abhängig vomvorliegenden Gefügezustand des zuschweißenden Teiles. Sofern es sich umweich geglühtes Material handelt, kannvon der Schweißtemperatur sofort aufGlühtemperatur aufgeheizt und die Glü-hung durchgeführt werden. Von der Glüh-temperatur wird natürlich bis auf Raum-temperatur abgekühlt. Sofern der gehär-tete und angelassene Zustand vorliegtund keine weitere Wärmebehandlung mitAustenitisierung vorgesehen ist, muss zu-erst auf etwa 100 °C abgekühlt werden,um eine teilweise martensitische Um-wandlung zu erreichen, und erst dannkann das erste Anlassen nach demSchweißen erfolgen. Sofern nicht einAbfall der Temperatur auf rund 100 °Cstattfindet, bleibt der austenitischeZustand bestehen und beim Abkühlen vordem ersten Anlassen würde Martensitentstehen, der entsprechend spröde ist.Die praktischen Hinweise sind in denBildern 15 und 16 aufgeführt.

8 Zerstörungsfreie Prü- fungen von Produkt- schweißungenJe nachdem welche Anforderungen an einBauteil gestellt werden, sind diezerstörungsfreien Prüfverfahren auszu-wählen. Zu den gängigsten Oberflächen-prüfverfahren zählen die Magnetpulver-

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konstruieren + giessen 32 (2007) Nr. 38

und die Farbeindringprüfung. Für dieVolumenprüfung kann die Ultraschall-und die Durchstrahlungsprüfung einge-setzt werden.

Üblicherweise sind die gleichen Kriterienwie sie an den Grundwerkstoff gestelltwerden auch auf die Produktionsschwei-ßungen zu übertragen. Vor Anwendungder verschiedenen Prüfverfahren stehtjedoch grundsätzlich eine visuelle Prü-fung von Produktionsschweißungen, beider neben der Suche nach Fehlstellenauch Handlingfehler beim Schweißenoder Absätze, Nahtüberlappungen, Ein-brände usw. ermittelt werden können.

Folgende Prüfverfahren kommen beiSchweißungen zur Anwendung (Bild 17):

- die Magnetpulverprüfung nach DINEN 1369 (Das Verfahren ist auf fer-romagnetische Stahlgussorten be-schränkt. Austenitische und teilaus-tenitische Stähle sind nur schwachmagnetisierbar und daher nicht mitdiesem Verfahren prüfbar),

- die Farbeindringprüfung nach DINEN 1371 (Diese Norm ist bei allenStahlgussorten anwendbar, wird je-doch üblicherweise nur bei austeni-tischem und austenitisch-ferritischemStahlguss vorgesehen. Die Anforde-rungen an die Oberfläche sind dabeihöher als bei der Magnetpulverprü-fung),

- die Ultraschallprüfung nach DIN EN12680 (Teil 1 gilt bei Stahlgussstü-cken für allgemeine Verwendung, Teil2 enthält verschärfte Anforderungenfür hoch beanspruchte Bauteile, zumBeispiel für bestimmte Turbinenkom-ponenten),

- die Durchstrahlungsprüfung nachDIN EN 12681.

Die Verfahren zur Prüfung der innerenBeschaffenheit ergänzen sich gegen-seitig. Die Verfahren werden daher häufigmiteinander kombiniert. Die Ultraschall-prüfung wird bevorzugt bei größerenWanddicken, ferritischen Werkstoffen

oder in der Serienfertigung angewendet.Die Durchstrahlungsprüfung wird ent-sprechend bei dünnwandigen Teilen, beiaustenitischen und austenitisch-ferriti-schen Werkstoffen oder in Kombinationmit der Ultraschallprüfung angewendet.

Weitere Informationen zur zerstörungs-freien Prüfung von Gussteilen und Schwei-ßungen sind bei der ZGV erhältlich [1], [2].

9 QualitätsmanagementZur Sicherung einer fachgerechten Pro-duktionsschweißung an Stahlgussteilenbedarf es natürlich auch einer umfassen-den Qualitätssicherung, die möglichstBestandteil eines Qualitätsmanagement-systems nach DIN EN ISO 9001 sein soll-te.

Für Unternehmen, die Schweißtätigkei-ten durchführen, ist es ratsam, darüberhinaus eine Zertifizierung nach DIN ISO3834-2 anzustreben. Hier werden spezifi-sche schweißtechnische Aspekte be-trachtet. Ausführlich ist diese Thematik in[3] behandelt.

10 ZusammenfassungZusammenfassend kann festgestellt wer-den, dass Produktionsschweißungeneinen festen Platz in der Fertigung vonStahlgusskomponenten eingenommenhaben, wie die Tabelle 1 für die legiertenStahlgusssorten nach DIN EN 10283zeigt. Unterschiedliche Parameter sind füreine gute, fachgerechte Schweißung ver-antwortlich. Hierzu zählen auch die Vorbe-reitung der Schweißzone und das Hand-ling des Schweißers sowie die Werkstoff-prüfung und Qualitätssicherung.

Schrifttum[1] Zerstörungsfreie Gussteilprüfung. Magnet-

und Eindringprüfverfahren, Durchstrah-lungsprüfung. Sonderdruck der ZGV,Düsseldorf.

[2] Europäische Normung. Prüfung der Ober-flächenrauheit mit Hilfe von Vergleichsmus-tern und visuelle Bestimmung von Oberflä-chenfehlern an Stahl-Sandgussstücken.Sonderdruck der ZGV, Düsseldorf.

[3] konstruieren + giessen 29 (2004) Nr. 1, S.21 - 26.

Seit 1995 ist das bei FWH angewandteVerfahren zum artfremden Schweißen vonGusseisen mit Kugelgraphit (Lichtbogen-handschweißen 111 nach ISO 6947 mitartfremden Schweißzusatzwerkstoffen)durch unabhängige Gesellschaften aner-kannt. Das Schweißverfahren beruht vorallem auf der Auswahl des Schweißzu-satzwerkstoffes, der verwendeten Strom-stärke und Polung, einer geringen Zwi-schenlagentemperatur, dem Abhämmern,

Artfremdes Schweißen von Gusseisen

Bürsten und Saugen der gerade aufge-brachten Schweißraupen. Das Gussstückmuss nicht vorgewärmt werden, eineWärmebehandlung nach dem Schweißenist optional. Auch ohne Wärmebehand-lung werden die mechanischen Eigen-schaften des Grundwerkstoffs in Schweiß-gut und -übergang nahezu erreicht. DieSchweißung wird durch ein Schweißproto-koll dokumentiert. Im Vergleich zum art-gleichen Schweißen wird in vielen Anwen-

dungsfällen bei akzeptablen mechani-schen Eigenschaften ein wesentlichwirtschaftlicheres Schweißen durchge-führt. Durch zerstörungsfreie Prüfungendes Grundwerkstoffs wird die Basis für ei-ne erfolgreiche Schweißung geschaffen.Nach Abschluss des Schweißens lässtsich die einwandfreie Ausführung mittelsSichtprüfung, Farbeindringprüfung, Mag-netpulverprüfung, Ultraschall- und Durch-strahlungsprüfung nachweisen und in 3.1-Zeugnissen dokumentieren.

Bild 17: Genormte Prüfverfahren und technische Lieferbedingungen für Stahlguss