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Schwellen, Grenzen und
Übergänge“
Perspektiven und Herausforderungen für Betroffene,
Angehörige, im Versorgungssystem, in der Forschung
und Entwicklung, in der Gesellschaft
Vorträge, Workshops und Posterpräsentationen
11. Dreiländerkongress Pflege in der Psychiatrie in Bern
Herausgeber:
Sabine Hahn, Anna Hegedüs, Udo Finklenburg, Ian Needham,
Harald Stefan, Michael Schulz, Susanne Schoppmann
Verlag Forschung & Entwicklung / Dienstleistung Pflege,
Fachbereich Gesundheit, Berner Fachhochschule
Murtenstrasse 10, 3008 Bern
Oktober 2014
„Schwellen, Grenzen und
Übergänge“
Perspektiven und Herausforderungen für Betroffene,
Angehörige, im Versorgungssystem, in der Forschung
und Entwicklung, in der Gesellschaft
Vorträge, Workshops und Posterpräsentationen
11. Dreiländerkongress Pflege in der Psychiatrie in Bern
Herausgeber:
Sabine Hahn, Anna Hegedüs, Udo Finklenburg, Ian Needham,
Harald Stefan, Michael Schulz, Susanne Schoppmann
Verlag Forschung & Entwicklung / Dienstleistung Pflege,
Fachbereich Gesundheit, Berner Fachhochschule
Murtenstrasse 10, 3008 Bern
Oktober 2014
„Schwellen, Grenzen und Übergänge“
Perspektiven und Herausforderungen für Betroffene, Angehörige,
im Versorgungssystem, in der Forschung und Entwicklung, in der Gesellschaft
11. Dreiländerkongress Pflege in der Psychiatrie in Bern
Hrsg.: Sabine Hahn, Anna Hegedüs, Udo Finklenburg, Ian Needham,
Harald Stefan, Michael Schulz, Susanne Schoppmann
Verlag Berner Fachhochschule, Fachbereich Gesundheit
Forschung & Entwicklung / Dienstleistung Pflege,
Oktober 2014
ISBN 978-3-033-04686-3
Druck und Verarbeitung: resch druck - Thomas Resch KG,
Rosinagasse 19, A-1150 Wien, [email protected]
4
Vorwort der Veranstaltenden:
11. Dreiländerkongress Pflege in der Psychiatrie
„Schwellen, Grenzen und Übergänge“
Perspektiven und Herausforderungen für Betroffene,
Angehörige, im Versorgungssystem, in der Forschung und
Entwicklung, in der Gesellschaft
Sabine Hahn, Anna Hegedüs, Udo Finklenburg, Ian Needham,
Harald Stefan, Michael Schulz, Susanne Schoppmann
Liebe Leserinnen und Leser
Liebe Kolleginnen und Kollegen,k
Nach einem inspirierenden und unvergesslichen Kongress zum zehnjährigen
Jubiläum in Bielefeld, freuen wir uns auf den elften Dreiländerkongress und
laden herzlich nach Bern ein.
Schwellen und Übergänge sind uns aus unserem Lebensalltag bestens be-
kannt. In jeder Biographie gibt es Übergänge zu bewältigen - vom Kind zum
Jugendlichen, zum Erwachsenen, zum Teil einer Partnerschaft oder zur El-
ternschaft usw. Viele dieser Übergänge erfolgen zwangsläufig und konfron-
tieren uns manchmal plötzlich oder treffen uns unvorbereitet. Manche ge-
hen unbemerkt vorüber jedoch allen gemeinsam ist: Es geht etwas zu Ende
und etwas Neues beginnt. Herausfordernd kann es sein, dass das Alte nicht
mehr den Gegebenheiten entspricht und das Neue noch gewöhnungsbe-
dürftig ist. Schwellen zu überschreiten bedeutet Grenzen zu überwinden
und sich kontinuierlich weiter zu entwickeln.
In der psychiatrischen Versorgung überschreiten Pflegende, Psychiatrieer-
fahrene und Angehörige unterschiedliche Schwellen, ermöglichen Übergän-
ge, schaffen Raum für Entwicklungen und Neues. Sie können dabei aber
5
auch ins Stolpern geraten, an der Schwelle stehen bleiben und an Grenzen
stossen. Grenzen zwischen Berufsgruppen, wie z.B. unterschiedliche Sicht-
weisen auf die Behandlung und Pflege können als bereichernd aber auch
herausfordernd erfahren werden. Übergänge zwischen den Versorgungsbe-
reichen zu meistern und mit den begrenzten Ressourcen umzugehen for-
dern Mut und Erfindungsgeist. Große Anforderungen an Betroffene stellen
gesellschaftliche Schwellen und Hürden dar, die aufgrund von Stigmatisie-
rung psychischer Erkrankungen aufgebaut wurden. Die Übergänge, die hier
geschaffen wurden, gilt es zu bewahren und auszubauen. Auch Fachperso-
nen in der Pflegeentwicklung/-forschung kennen die hohen zu meisternden
Schwellen um beispielsweise die Entwicklung und Erforschung evidenzba-
sierter Pflegeinterventionen sicher zu stellen. Last but not least gilt es im
lebenslangen Lernen Übergänge zwischen Bildungsabschlüssen zu schaffen
und sich nicht von der Komplexität des Bildungsdschungels aufhalten zu
lassen.
Das diesjährige Thema „Schwellen, Grenzen und Übergänge“ fordert auf,
mutig zu sein um Gewohntes zu verlassen und Neues zu betreten. Die Phase
des Überganges ist häufig gekennzeichnet durch Verunsicherung. Hebt man
ein Bein an um den nächsten Schritt zu tun, steht man nur noch auf einem
Bein. Dies zeigt bildlich, dass der Übergang in einen neuen Bereich nur dann
möglich wird, wenn man bereit ist seinen herkömmlichen Stand zu verlas-
sen.. Schwellen zu überschreiten bedeutet etwas Neues zu entdecken, neu-
gierig zu sein aber vielleicht auch an Grenzen zu stossen. Dieser Schritt be-
nötigt Mut, Zuversicht, Kreativität, Kompetenz und Risikobereitschaft.
Die Beiträge in diesem Band zeigen eindrücklich auf, welche Grenzen über-
schritten wurden, wie Übergänge geschaffen werden und wo es gilt Barrie-
ren zu überwinden. Praxisprojekte, Fachbeiträge aus dem Management,
Erfahrungsberichte aus der Betroffenenarbeit sowie Forschungsarbeiten
und die aus all diesen Arbeiten gewonnenen Erkenntnisse, ermöglichen
einen Austausch und eine vielschichtige Diskussion zum diesjährigen Kon-
gressthema Schwellen, Grenzen und Übergänge. Die Vorträge, Workshops,
6
Symposien, Posterpräsentationen und insbesondere die ausgewählten Key-
notes fördern den Diskurs und ermöglichen eine Denkpause, um herausfor-
dernde Übergänge zu reflektieren, voneinander zu lernen, Fachwissen auf-
zufrischen, Erfahrung auszutauschen, Unterstützung durch Gleichgesinnte
zu erfahren und von unterschiedliche Sichtweisen zu profitieren. Der Drei-
länderkongress bietet somit Gelegenheit die psychiatrische Gesundheits-
und Krankenpflege voranzutreiben und von grenzüberschreitende Netz-
werkarbeit zu profitieren.
Wir bedanken uns herzlich bei allen Organisationen und Einzelpersonen aus
Deutschland, aus Österreich und aus der Schweiz, welche diesen Kongress
unterstützt haben, und bei den Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge zu
diesem Kon-gressband. Ein grosses Dankeschön geht an das Team von Sabi-
ne Hahn, der angewandte Forschung und Entwicklung, der Berner Fach-
hochschule. Dieses Jahr haben Caroline Gurtner, Sabine Seiler und Mirjam
Wolffers, die Beiträge zum Kongressband sorgfältig aufbereitet.
Wir freuen uns Sie in Bern begrüssen zu dürfen und wünschen Ihnen einen
ereignisreichen Aufenthalt sowie viel Freude bei der Lektüre dieses Kon-
gressbandes.
Das Kongresskomitee
Sabine Hahn, Anna Hegedüs, Udo Finklenburg, Ian Needham,
Harald Stefan, Michael Schulz, Susanne Schoppmann
7
Inhaltsverzeichnis
Präsentationen und Workshops 16
1. Recovery und recoveryorientiertes Handeln als Herausforderung in der ambulanten psychiatrischen Pflege 17
Dorothea Ambrosio
2. Erfahrungen mit den Schulungsunterlagen zur Kurzintervention „Übergangsbegleitung“ 21
Stefanie Bachnick, Anna Hegedüs, Bernd Kozel, Manuela Grieser
3. Übergang begleitetes Wohnen – Psychiatrie und zurück – Literaturbericht und qualitative Evaluation 25
Markus Berner, Franziska Boinay, Dirk Richter
4. Entzugserscheinungen: Entwicklung einer NANDA-International-Pflegediagnose 28
This Dändliker, Nina Kolbe
5. Psychiatrie geht neue Wege 30
Thomas Dech, Grit Landua
6. Selbstpflegekompetenz fördern und Selbstfürsorge stärken durch Aromapflege 33
Jürg Dinkel, Brigit Ott, Hans-Jürgen Ott
7. „The missing link“ - Der Einsatz als Genesungsbegleiterin auf einer akutpsychiatrischen Station – ein Praxisprojekt 38
Hatice Düzenli, Helmut Lerzer
8. Resilienzförderung von Dipl. Pflegefachpersonen in der Psychiatrie aus dem Fokus des obersten Pflegemanagements 40
Urs Ellenberger, Dirk Richter
9. Wie gesund ist der APP Klient und was kann er dafür tun? 47
Udo Finklenburg
10. Psychoedukation: Angst- und Panik-Bewältigungsprogramm 53
Barbara Frey
8
11. Rollenprofil der Advanced Practice Nurse Mental Health Care (APN MHC) 58
Sonja Freyer, Günter Gantschig, Katrin Thissen, Peter Ullmann
12. Qualität in der freiberuflichen ambulanten psychiatrischen Pflege: Eine besondere Herausforderung für Pflegefachpersonen 60
Béatrice Gähler-Schwab
13. Vielfalt und Übergänge gestalten – Anforderungen an die Personalentwicklung in der Psychiatrie 62
Wolfram Gießler
14. Neue Erkenntnisse aus EX-IN Weiterbildungen in der Schweiz: Evaluation der zwei Studiengänge an der Fachhochschule 67
Anna Hegedüs, Stefanie Bachnick, Regine Steinauer
15. Soteria-Elemente in der stationären psychiatrischen Pflichtversorgung 72
Bruno Hemkendreis, André Nienaber
16. Pflegerische Interventionen bei suizidgefährdeten Menschen in der Psychiatrie – Eine Übersicht der Empfehlungen aus bestehenden Leitlinien 75
Susanne Hirschi, Manuela Grieser-Kozel, Anna Hegedüs, Stefan Kunz, Bernd
Kozel
17. Skill und Grademix der Schweizer Psychiatrie - Bestandsaufnahme 2013 78
Peter Ullmann, Manuela Grieser Kozel, Günter Gantschnig, Gerda Malojer,
Sven Hoffmann, Eduard Felber 78
18. Was kann Recovery-Arbeit, ausgeführt durch Peers, inner- und ausserhalb einer psychiatrischen Klinik bewirken? 84
Lukas Hohl
19. Advanced Practice Nursing (APN) im stationär-psychiatrischen Setting: Eine Delphi-Studie 89
Majbritt Jensen, Petra Metzenthin
20. Angehörigenarbeit mit Suchtfamilien – Neue Wege mit dem Projekt Familienklub 96
9
Wolfram Kämmer
21. Evidenzbasierte Pflegeinterventionen im Kontext des Pflegephänomens „Schlafstörung“ im höheren Lebensalter im stationären Setting 102
Stefan Klees, André Nienaber
22. „Den bad boys Pool pflegen“ - Eine phänomenografische Studie zur Pflege langfristig untergebrachter Patienten im Maßregelvollzug aus Sicht Pflegender 109
Harald Joachim Kolbe
23. Roy und Neuman „on the road“: Pflegetheoretische Betrachtung der Patientensituation in den ersten Tagen nach der Entlassung aus der stationären Psychiatrie. 112
Bernd Kozel, Stefan Scheydt, Anna Hegedüs
24. Bewegung bei Demenz 115
Sandra Kunz, Bernd Kozel, Anna Hegedüs
25. "Ich weiss nicht, was in dieser Nacht passiert ist, ich weiss es bis heute nicht.“ Das Erleben von Zeitlücken als Folge einer Suchtmittelabhängigkeit: Eine Grounded Theory Studie. 121
Sabrina Laimbacher, Ian Needham, Claudia Mischke
26. „Neue Medien, Neue Freiheiten, Neue Probleme“ - Über Mediennutzung und Medienregelung im LWL Maßregelvollzug 126
Woldemar Lange, Michael Rüpp
27. Das „Safewards Model“ von L. Bowers als Beispiel zur Reduktion von herausfordernden Situationen in akutpsychiatrischen Settings 128
Michael Löhr, Malte Husemann, André Nienaber
28. Klettern als Therapie? 131
Peter Lorenz
29. „Was tun? –Umgang mit psychisch belasteten Menschen in Schule und Betrieb“ – Ein Pilotprojekt aus dem Kanton Thurgau (CH) 134
Regula Lüthi, Roger Gartenmann
30. Patenschaften für Kinder psychisch kranker Eltern: Ein Handlungsfeld auch für die psychiatrische Pflege? 136
10
Katja Makowsky, Sabine Roebers
31. Die Psychiatrische Patientenverfügung PPV 141
Gerda Malojer
32. „Vergesse uns nicht!“oder „Über zwei Jahrzehnte Einblicke in eine psychiatrische Klinik in Rumänien seit dem Fall des eisernen Vorhangs.“ 143
Werner Mayr
33. Sinnespflege – Sinnesschulung - Eine Chance für Gesundung und Selbstentwicklung 146
Martina Menne
34. Geschichte der Pflege 148
Günter Meyer
35. Der Einfluss von pflegerischen Interventionen auf den Türstatus einer akutpsychiatrischen Station mit dem Schwerpunkt Bipolare Erkrankungen 151
Aline Montandon, Tamara Romer
36. Das Erleben von Pflegenden und Angehörigen bei der Anwendung von freiheitsbeschränkenden Massnahmen 157
Mirjam Müller, Monique Regula Schudel
37. Das Verständnis von Reizüberflutung aus Expertensicht 163
Ian Needham, Stefan Scheydt
38. „[…] wenn irgendwie Probleme sind kann man sich drauf verlassen, dass die dann auch kommen!“ – Evaluation eines Modellprojektes psychiatrischer Versorgung – Home Treatment in der LWL-Klinik Lengerich 169
André Nienaber, Michael Schulz, Johann Behrens 169
39. Praxisanleitung – Innovation und Perspektive zur Ausbildung in der psychiatrischen Pflege 173
Jean-Pierre Phan, Harald Stefan
40. Welches sind die ethisch relevanten Themen im psychiatrischen Berufsalltag? Erhebung bei Mitarbeitenden verschiedener Berufsgruppen 179
11
Franziska Rabenschlag, Regine Steinauer, Lilian Suter, Clergia Gaudenz,
Beatrice Gehri, Sebastian Hollwich, Regine Heimann, Stella Reiter-Theil
41. Expertinnen und Experten durch Erfahrung in der Pflegeausbildung – praktische Erfahrungen aus zwei Kliniken 181
Fabio Razzai, Maya Locher
42. Landesweite Patienten – und Angehörigenbefragung in den luxemburgischen psychiatrischen Kliniken 186
Wolfgang Reifenberg, Thierry Fleischhauer
43. Zielorientierte psychiatrische Pflege (ORIENT) – Hintergründe, Ziele und Methoden der Pilotinterventionsstudie 189
Dirk Richter, Thomas Schwarze, Gianfranco Zuaboni, Peter Wolfensberger,
Sabine Hahn
44. Mutterschaft und psychische Störungen. Ansatzpunkte zur Selbstmanagementförderung bei pflegenden Angehörigen chronisch psychisch kranker Mütter minderjähriger Kinder 191
Sabine Roebers, Katja Makowsky
45. Von der Arbeit mit stimmenhörenden Menschen im Gruppen- und Einzelsetting – Übergänge gestalten, Grenzen erweitern 195
Stefan Rogge, Claudia Rogge
46. Motivational Interview – eine komplementäre Intervention im Case Management 199
Eckhard Rolle
47. Expositionstraining in der Praxis: Pflegerischer Beitrag bei Betroffenen mit einer Zwangsstörung 201
Volker Röseler
48. Forensische Pflegediagnosen – Notwendigkeit und Nutzen für die forensisch-psychiatrische Pflege 205
Thomas Ross
49. „Geht nicht gibt’s nicht!“ Kreative Familienarbeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie 211
Alexandra Schäfer, Bernhard Prankel, Carmen Nüssler, Ursula Hamann,
Jürgen Rohde
12
50. Case Management und Community Reinforcement Approach 213
Christiane Schätz
51. Reizüberflutung (sensorische Überstimulation) im Kontext schizophrener Störungen. Theoretische Hintergründe und Veranschaulichung anhand praktischer Fallbeispiele 215
Stefan Scheydt, Ian Needham
52. iNQUIRE: Nurses qualification impact on quality and resources in falls prevention 221
Arndt Schlubach
53. Wegfall der PsychPV: Mögliche Auswirkungen auf den Pflegedienst psychiatrischer Krankenhäuser 224
Michael Schulz
54. Berufstätig mit psychisch kranken Angehörigen: Ein Kurzfilm und Einführung ins Thema „Work & Care“ 226
Peter Schwarz
55. Zielorientierte psychiatrische Pflege (ORIENT) – Quantitative Ergebnisse 230
Thomas Schwarze, Gianfranco Zuaboni, Peter Wolfensberger, Sabine Hahn,
Dirk Richter
56. Psychoedukation bei älteren Menschen mit Depression 232
Heidi Sommer
57. Patientenergebnisse nach Konsultationen bei psychiatrischen Fachpersonen in einem psychiatrischen Schweizer Ambulatorium: PEKSA - Eine prospektive Beobachtungsstudie 236
Manuel Stadtmann
58. „Psychiatrisches Case Management“ 238
Hermann-T.Steffen
59. "Denn sie können was sie tun..." Bildung, Qualifizierung und Kompetenzentwicklung in der Psychiatrie 240
Monika Stich, Brigitte Schero, Harald Joachim Kolbe
60. Psychoedukation: Gruppenangebot Depression 243
Lucia Strehler, Edeltraud Kühner, Mischa Felber und Fabienne Zander
13
61. Welche Empfehlungen geben Betroffene bezüglich Entlassungsmanagement 248
Simone Tschanz
62. Case Management in der gerontopsychiatrischen Arbeit mit demenziell erkrankten Klienten 253
Benjamin Volmar
63. Sporttherapie im psychiatrischen Krankenhaus – eine Zusammenführung von psychiatrischer Pflege und Sportwissenschaft 255
Robert Weitz
64. Verhaltensänderung kann Spass machen. Ein Praxisprojekt zur Selbsteinschätzung mit dem Instrument: „The Outcomes Star for Alcohol Recovery
TM“ bei Abhängigkeitserkrankten im Psychiatriezentrum
Münsingen (PZM). 262
Helmut Weninger
65. Langeweile in der stationären Psychiatrie. Ergebnisse einer Querschnittstudie 267
Pamela Wersin, Ian Needham
66. Die Bedeutung von Fehl- und Mangelernährung in der stationären psychiatrischen Pflege: Masterthesis zur Bedeutung von Fehl- und Mangelernährung in der Pflege von Menschen mit psychischer Erkrankung 269
Katharina Wolf – Grauwiler
67. Zielorientierte psychiatrische Pflege (ORIENT) – Qualitative Ergebnisse 275
Peter Wolfensberger, Thomas Schwarze, Gianfranco Zuaboni, Sabine Hahn,
Dirk Richter
68. Kompetenz im selbstbestimmten Substanzkonsum (KISS) 277
Roman Wyss, Ron Adi
69. Kongruente Kommunikation in der psychiatrischen Pflege 281
Roman Wyss, Ron Adi, Linda Graber
70. Intensivbetreuung zwischen Kontrolle und Therapie: Aktive Auseinandersetzung mit den persönlichen Haltungen und den damit verbundenen Konsequenzen 286
14
Ursina Zehnder, Franziska Rabenschlag, Katharina Abplanalp
71. Der Zeitstrahl: Ein Instrument für die recovery-orientierte Praxis 290
Gianfranco Zuaboni
72. Evaluation des Schulungskonzeptes „Recovery praktisch!“ in Deutschland und der Schweiz 292
Gianfranco Zuaboni, Michael Löhr, Rüdiger Noelle, Michael Schulz
73. Zielorientierte psychiatrische Pflege (ORIENT) – Schlussfolgerungen für Forschung und Praxis 294
Gianfranco Zuaboni, Peter Wolfensberger, Thomas Schwarze, Sabine Hahn,
Dirk Richter
74. Ver-rückter Sex! Sexualität in der Psychiatrie - wie kann sie ihren Platz finden? 295
Rahel Zurbrügg, Christian Burr und Peter Briggeler
Posterpräsentationen 301
75. Elementarisierung eines Handbuchs für eine Recoverygesprächsgruppe (Erstellen eines Lehrplans) 302
Lukas Hohl
76. Didaktische Vorlage zur Vermittlung von Recovery 304
Martin Holzke, Anna Heinsch
77. „Recovery in der Praxis – Was hat sich verändert? Ein Praxisprojekt“ 307
Ralf Körber, Jens Losse
78. Recovery – Orientierung im Behandlungszentrum für Psychosen, Station A2, verankern 311
Dajana Liechti, Nanja Schlup, Michele Schuierer
79. Familien in psychosozial belastenden Lebenslagen beim Übergang zur Elternschaft begleiten – welche subjektiven Vorstellungen von Qualität leiten das Handeln von Familienhebammen? 315
Katja Makowsky & Petra Wallmeyer-Andres
80. Wer bekommt in Deutschland 1:1 Betreuung? 318
André Nienaber, Michael Schulz, Michael Löhr
15
81. „Was meine Rolle im Team angeht so sehe ich mich in der Rolle des Vermittlers zwischen Theorie und Praxis und am ehesten in der Rolle der Praxisentwicklung.“ 321
Rüdiger Noelle, Sabine Noelle
82. „Die Erfahrungen von Patientinnen und Patienten in Langzeitunterbringung im Maßregelvollzug in Deutschland. Eine phänomenographische Studie.“ 323
Daria Olsen
83. Expertinnen und Experten durch Erfahrung in der Pflegeausbildung – Gewinn oder nur zusätzlicher Aufwand? 326
Fabio Razzai
84. Die Phasenuhr - ein integratives Modell der Eskalations- und Deeskalationsentwicklung 329
Cornelia Schindler, Erich Hoffmann
85. Aufsuchender Gerontopsychiatrischer Interdisziplinärer Liaison-Dienst – ein Projekt von hochspezialisierter psychiatrischer Pflege 332
Ruth Schmid, Heidi Sommer
86. Versorgungsforschung in der stationären psychiatrischen Krankenhausbehandlung in Deutschland anhand des VIPP-Projektes 334
Michael Schulz, Michael Löhr, André Nienaber
87. Gerontopsychiatrie in Bewegung 337
Andrea Trost
Autorinnen und Autoren 342
16
Präsentationen und Workshops
Hinweise
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autorinnen und Autoren verantwortlich.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden die Autorinnen und Autoren
der Beiträge meist nur die männliche Form. Selbstverständlich sind immer
beide Geschlechter angesprochen.
Die von der deutschen und österreichischen abweichende S-Schreibweise der
Schweiz wurde bei den Beiträgen von Schweizer Autorinnen und Autoren
beibehalten.
17
1. Recovery und recoveryorientiertes Handeln als Herausfor-
derung in der ambulanten psychiatrischen Pflege
Dorothea Ambrosio
Hintergrund
In der ambulanten psychiatrischen Pflege (APP) ist die Arbeit mit recovery-
orientierter Haltung sinnvoll, da sie die Autonomie der Betroffenen fördert.
Ist das so? Wenn ja, warum? Wie lässt es sich umsetzen?
Einleitung
Die APP gehört heute selbstverständlich in unsere Pflegelandschaften. Sie
arbeitet mit den Betroffenen in deren ureigensten Umfeld, ihrem Zuhause,
und unterstützt sie, ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben zu
finden, zu erreichen und zu führen.
Dazu ermöglicht das neue Kinder- und Erwachsenenschutzgesetz vermehrte
Autonomie der Betroffenen[1]. Autonomie ist also ein wichtiger Faktor in
einem sinnerfüllten, gesundheitsorientierten Leben. Autonomie will aber
erlernt sein, besonders, wenn krankheitsbedingte Einschränkungen von
vielen Dingen abhängig machen[2]. So muss es also Ziel der APP sein, diese
Autonomie zu ermöglichen und zudem anhand eines strukturierten und
strukturierenden Modells und einer hoffnungsfördernden Haltung unter-
stützend zu pflegen und zu begleiten. Recovery-orientierte Haltung gekop-
pelt mit einem entsprechenden Instrument können beiden Parteien Sicher-
heit bieten.
Ziel
Ambulant Pflegende sind mit Recovery und recoveryorientiertem Handeln
vertraut und können so individuell und ressourcenorientiert unterstützen.
Sie erfahren, wie wichtig diese auf die Gesundung ausgerichtete Haltung für
die Betroffenen sein kann und das eigene Handeln positiv ausrichtet. Das
18
Handbuch „Das Leben wieder in den Griff bekommen" kann das für diesen
Weg geeignete Instrument darstellen, wenn es für die Bedürfnisse der APP
modifiziert werden kann[3].
Vorgehen
In der ambulanten Praxis wird das Handbuch „Das Leben wieder in den Griff
bekommen“mit Betroffenen ausgearbeitet und auf seine Stärken und
Schwächen ausgelotet. Die „Probanden“ erarbeiten schrittweise mit den
Pflegenden die einzelnen Kapitel. Dies nicht linear, sondern den aktuellen
Interessen und Vorstellungen entsprechend. Zudem wird eine Schulung des
Pflegefachteams auf Basis der Schulungsunterlagen „Recovery praktisch“ [4]
durchgeführt.
Ergebnisse/ Erfahrungen
Recovery, aus der heutigen Psychiatriepflege nicht mehr wegzudenken,
meint die grundlegende Haltung der Zuversicht und des Vertrauens in die
eigenen Fähigkeiten der Betroffenen. Besonders der Fähigkeit, durch Akzep-
tanz der krankheitsbestimmenden Anteile und dem Aufwerten und Stärken
der gesunden Anteile ein wertvolles, sinngebendes Leben führen zu können.
Wo erhält dies mehr Bedeutung als im unmittelbar ureigensten Umfeld der
Betroffenen, in deren Zuhause. Genau hier erfährt die APP ihre Herausfor-
derung des recovery-orientierten Handelns. Hier müssen wir die Autonomie
der Betroffenen suchen, finden und stärken[5]. Hier müssen wir die Hände
in der Tasche behalten und aushalten. Hier wird die eigene Haltung wichtig.
Im Rahmen der Projektarbeit (s.o.) zeigte sich, dass denjenigen, die bereits
in der Klinik Erfahrung mit dem Handbuch machen konnten, die Arbeit da-
mit zu kompliziert war. Andere fanden es nur bedingt hilfreich, wobei die
meisten aber gerne damit arbeiteten, wenn wir gemeinsam einige Abschnit-
te anpassten. Mehr Fragen zur Beschreibung der eigenen Person und zu den
eigenen Wünschen, Zielen, Träumen werden gewünscht, weniger Fragen
zum Krisenmanagement. Grundsätzlich wird aber die Auseinandersetzung
mit der eigenen Geschichte positiv gewertet. Auch das schriftliche Arbeiten
19
mit der Möglichkeit nachzulesen, nachzubessern und selbst zu formulieren,
wird sehr geschätzt. Erfolg wird so sichtbar.
Für das ambulante Setting wurde deshalb eine adaptierte Form des Hand-
buches erstellt und mit verschiedenen Betroffenen erarbeitet. Es ist in Form
eines Fragebogens zur individuellen Gesundheitsförderung gestaltet und
wird in einem Erstgespräch und einem Folgegespräch nach ca. sechs Wo-
chen durchgearbeitet. Es wird von den Betroffenen in meinem Arbeitsbe-
reich als sinnvoll und leicht zu verstehen erachtet. Da es sich um ein indivi-
duelles Format für meinen Arbeitsbereich handelt, ist es noch ein weiter
Weg, bis ein allgemeingültiges Instrument vorgestellt werden kann.
Als weiterer Faktor spielt die Schulung der Pflegefachpersonen eine bedeu-
tende Rolle. Nicht jedem ist „Recovery-orientiertes Handeln“ ein Begriff,
aber alle wissen um die Wichtigkeit der autonomiefördernden Beglei-
tung[6]. So wird die recoveryorientierte Schulung anhand des Schulungsbu-
ches „Recovery praktisch“ sehr geschätzt, um eine gemeinsame Haltung zu
erlangen, um durch die gemeinsame Sprache die Wirksamkeit zu fördern[4].
Diskussion
Viele Faktoren der Individuellen Gesundung der Betroffenen sprechen für
ein Arbeiten mit recoveryorientierter Haltung. Es fördert ihre Autonomie
und unterstützt ihre Entstigmatisierung. Die Betroffenen arbeiten selbstbe-
stimmt an der eigenen Identität und werden hier durch die Pflegefachper-
sonen unterstützt. Diese Haltung erfordert einen neuen Umgang der Pflege-
profis mit den eigenen Einstellungen und ein Neuorientieren, bzw. Überprü-
fen der Berufsauffassung. Offen bleiben die Erarbeitung und Handhabung
eines geeigneten Instrumentes und die Möglichkeit zum Einbezug der Peers
in die ambulante Pflege.
Fazit
Warum Recovery zum Thema „Schwellen, Grenzen und Übergänge“? Mit
der neuen „Spar“-Politik und dem neuen Kinder- und Erwachsenenschutz-
20
recht wird die ambulante Psychiatriepflege immer bedeutungsvoller. Es ist
notwendig, hier eine gute Qualität zu ermöglichen und zu sichern.
Des Weiteren gewinnen gesundheitsorientierte Pflegemodelle immer mehr
Bedeutung. Recovery verfolgt neben Empowerment und Salutogenese seit
seiner Entwicklung sehr erfolgreich diese Ziele[7]. Ein Implementieren dieses
Pflegemodells in der ambulanten Psychiatriepflege wirkt deshalb fast wie
ein Versprechen an die Gesundung der Betroffenen. Sollte es deshalb mög-
lich sein, mit einem Handbuch für die ambulante recovery-orientierte Pflege
und der parallel dazu geförderten Schulung der Pflegeprofis zu recovery –
orientiertem Handeln die APP zu stabilisieren, dann wäre dies sicher auch
ein Schritt zur Qualitätssicherung im ambulanten Bereich.
Literatur
1. Bridler, R., Gassmann, J.,(2012). Das neue Erwachsenenschutzrecht. Schwerpunkt
2. Amering, M., Schmolke, M.(2012). „Recovery, das Ende der Unheilbarkeit.“ (5. Auflage).Psychiatrie Verlag, Köln
3. Abderhalden, Ch., Bern., Schulz, M., Bielefeld; Stefan, H., Wien; Winter, A. (2011), „Das Leben wieder in den Griff bekommen. Ein Handbuch zur Planung der eige-nen Recovery“; deutsche Ausgabe 3.Auflage. UPD Bern
4. Zuaboni, G., Abderhalden, Ch.,Schulz, M., Winter, A.,(2012). Recovery praktisch Schulungsunterlagen; G., für die deutsche Ausgabe, Verlag UPD
5. Barker,P., Das Gezeiten – Modell, http://www.tidal-model.com
6. Sauter,D. Abderhalden, Ch., Needham,I., Wolff, S.(2011) Lehrbuch Psychiatrische Pflege. 3. Auflage. Verlag Hans Huber, Bern
7. Burr, Ch., Schulz, M., Winter, A., Zuaboni, G.(2013).Recovery in der Praxis (1. Auflage). Psychiatrie Verlag
21
2. Erfahrungen mit den Schulungsunterlagen zur Kurzinter-
vention „Übergangsbegleitung“
Stefanie Bachnick, Anna Hegedüs, Bernd Kozel, Manuela Grieser
Hintergrund
In den kommenden Jahren wird in Deutschland das Entgeltsystem für Psy-
chiatrie und Psychosomatik (PEPP) eingeführt. In der Schweiz erfolgt die
Einführung des Tarifsystems in der Psychiatrie (TARPSY) 2018. Durch sinken-
de Tagespauschalen kann von einer Verkürzung der stationären Aufenthalts-
und Therapiedauer [1], und damit von einer kürzeren Zeit für die Stabilisie-
rung der psychischen Gesundheit der Betroffenen ausgegangen werden.
Der lückenlosen Nachbetreuung der Patienten in Ambulatorien, Tagesklini-
ken oder durch die häusliche Pflege kommt somit eine notwendige und
bedeutungsvolle Rolle zu. Auch bei einem reibungslosen Entlassungsma-
nagement kann zwischen dem Austritt aus der psychiatrischen Akutstation
und der Aufnahme in einer weiterbehandelten Einrichtung Zeit vergehen, in
der Patienten ohne Ansprechpartner bzw. Versorgung sind und Schwierig-
keiten entstehen können. Mögliche Probleme nach dem Austritt sind die
Rehospitalisierung innerhalb der ersten 30 Tage [2], unregelmäßige bzw.
keine Medikamenteneinnahme [3], Substanzmissbrauch [4], suizidale Hand-
lungen sowie soziale Isolation und Einsamkeit [5].
Die an den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern (UPD) entwickelte
Kurzintervention „Übergangsbegleitung“ dient als Brücke zwischen Instituti-
on und der Rückkehr nach Hause [5]. Der Patient wird nach der stationären
Entlassung und vor Beginn der ambulanten Weiterversorgung von vertrau-
tem Pflegefachpersonal der stationären Versorgung kurzfristig weiterbe-
treut. Somit schließt sich die Versorgungslücke beim Übertritt vom stationä-
ren in das ambulante Setting.
22
Problemstellung
Für die Entwicklung und Gestaltung einer Schulung ist eine fundierte Ausbil-
dung in Pädagogik erforderlich. Die (Pflege-)Didaktik beschäftigt sich neben
der Beschreibung von Paradigmen und Begründungs-zusammenhängen
auch mit Modellen, Theorien und Konzepten, die für die fachdidaktische
Planung, Durchführung und Evaluation von Lernsituationen benötigt wer-
den. „Das Anliegen der Pflegedidaktik ist die Generierung von Begründungs-,
Orientierungs- und Reflexionsrahmen zur zielgerichteten und strukturierten
Gestaltung von Lern- und Bildungsprozessen (…).“ [6, S. 46] Da in der Ausbil-
dung zur Pflegefachperson die Vermittlung von Kompetenzen in den Berei-
chen Psychoedukation, Beratung und Schulung eine untergeordnete Rolle
zukommt, muss beratungsspezifisches Wissen und Fertigkeiten in der Schu-
lung der Kurzintervention Übergangsbegleitung vermittelt und vertieft wer-
den. Damit die Kurzintervention Übergangsbegleitung von Pflegfachperso-
nen professionell, zielsicher und effektiv umgesetzt werden kann, sind die
Entwicklung einer strukturierten Schulungsintervention sowie die kompe-
tente Schulung des Pflegepersonals erforderlich.
Ziele
Ziel ist die theoriebasierte Entwicklung, Durchführung und Evaluation eines
Schulungsinstrumentes zur Durchführung der Kurzintervention Übergangs-
begleitung und die Beantwortung der Forschungsfrage: Wie muss eine Schu-
lung für professionell Pflegende der Akutpsychiatrie konzipiert sein, um:
- alle Komponenten der Kurzintervention Übergangsbegleitung zu kennen,
- die Intervention in ihrer Vollständigkeit fachkompetent und selbststän-
dig durchzuführen und
- die Intervention professionell zu beenden?
23
Methode
Im Rahmen einer Masterarbeit wurde ein Schulungsprogramm zur Kurzin-
tervention Übergangsbegleitung theoriebasiert erarbeitet. Als didaktisches
Modell wurde der Strukturgitteransatz von Greb angewendet. Im Struktur-
gitter werden die verschiedenen Perspektiven der beteiligten Akteure (Pati-
ent, Angehörige, Pflegepersonen, Institution) auf fünf Sachebenen (Selbst-
bestimmung, Beziehungsdynamik, Strukturierung, Zwang, Gesundheitswe-
sen) dargestellt. Die Ebenen sind nicht einzeln zu betrachten, sondern ste-
hen in Wechselbeziehungen zueinander[7, S. 9]. Dadurch sichtbare unter-
schiedliche Perspektiven und Interessen der Akteure zeigen pflegerische
Handlungssituationen auf. Weitere inhaltliche Überlegungen orientierten
sich an den fünf Grundfragen (Gegenwartsbedeutung, Zukunftsbedeutung,
Struktur des Inhalts, exemplarische Bedeutung und Zugänglichkeit) der di-
daktischen Analyse von W. Klafki [8]. Zusammen mit dem Strukturgitter von
Greb wurden relevante Schulungsinhalte identifiziert und legitimiert.
Als didaktischen Ansatz wurde der erfahrungsbezogene Unterricht von Ingo
Scheller [9] genutzt. Er ist praxisnah entwickelt, nicht fachgebunden [8] und
eignet sich somit für die Schulung einer Intervention, die in den Alltag der
psychiatrischen Pflege implementiert werden soll. Ein Schulungsvideo und
Manual wurden unterstützend für die Vermittlung der Schulungsinhalte
genutzt. In Form eines Rollenspiels wurde das Übergangsgespräch von den
Teilnehmern erprobt. Mit einem Fragebogen (sechs-Punkte Likert-Skala und
offene Fragen mit Freitextfeld) wurden Daten zur Beantwortung de For-
schungsfrage in zwei Evaluationen erhoben.
Ergebnisse
Erste Ergebnisse im Rahmen einer formativen Evaluation bezüglich des
Schulungsaufbaus, der Anwendung der Schulungsunterlagen sowie der
Durchführung der Intervention waren positiv.
Die ausführlichen Evaluationsergebnisse, das Manual zur Kurzintervention
sowie die Schlussfolgerungen werden auf dem Kongress vorgestellt.
24
Literatur
1. Häring, B., M. Kutschis, and S. Bleich, Das neue Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik-Herausforderungen, Chancen und Risiken einer neuen Leistungsvergütung. Fortschr Neurol Psychiat Georg Thieme Verlag, 2014. 82: p. 30-38.
2. Vigod, S.N., et al., Transitional interventions to reduce early psychiatric readmissions in adults: systematic review. Br J Psychiatry, 2013. 202(3): p. 187-94.
3. Beebe, L.H., et al., Telenursing intervention increases psychiatric medication adherence in schizophrenia outpatients. J Am Psychiatr Nurses Assoc, 2008. 14(3): p. 217-24.
4. Mellesdal, L., et al., Suicide risk and acute psychiatric readmissions: a prospective cohort study. Psychiatr Serv, 2010. 61(1): p. 25-31.
5. Hegedüs, A., et al., Brücken bauen. Entlassungs- und Überleitungsmanagement. Psych Pflege, 2013. 19: p. 99-103.
6. Ertl-Schmuck, R. and W. Fichtmüller, Pflegedidaktik als Disziplin. Eine systematische Einführung. Pflegepädagogik, ed. J. Falk2009, Weinheim, München: Juventa Verlag.
7. Greb, U., Der Strukturgitteransatz in der Pflegedidaktik, in Modelle der Pflegedidaktik, C. Olbrich, Editor 2009, Elsevier Urban & Fischer: München. p. 23-43.
8. Jank, W. and H. Meyer, Didaktische Modelle. Vol. 10. Auflage. 2008, Berlin: Cornelsen.
9. Scheller, I., Erfahrungsbezogener Unterricht. Vol. 2. Auflage. 1987, Frankfurt am Main: Scriptor Verlag GmbH.
25
3. Übergang begleitetes Wohnen – Psychiatrie und zurück –
Literaturbericht und qualitative Evaluation
Markus Berner, Franziska Boinay, Dirk Richter
Hintergrund
Die Kontinuität in Beziehungen zwischen Betreuenden und Patientin-
nen/Patienten sind bei Übergängen von der stationären Psychiatrie nach
Hause oder ins begleitete Wohnen wichtig. Diskontinuitäten unter Betreu-
enden, Ärzten und Sozialarbeitenden erleben Patientinnen/Patienten als
verwirrend, macht sie hilflos und isoliert sie. Im Wechsel der professionellen
Unterstützung entstehen kommunikative Lücken und dieser Umstand, gera-
de in Krisensituationen zu Hause, wirkt sich erschwerend auf Patienten und
Betreuende aus. Für viele Patientinnen/Patienten steht nach der Entlassung
die Krankheit im Mittelpunkt, sie sind dadurch sozial verletzlicher und sind
auf Unterstützung von professioneller Seite angewiesen, um einem Wieder-
eintritt entgegenwirken zu können.
Fragestellung
- Kann der Übergang nach Hause oder in eine begleitete Wohnform durch
die Übergangspflege aus Sicht der Patientinnen und Patienten verbessert
werden?
- Wie kann dem Drehtüreffekt begegnet werden?
Ziele
Es sollen theoretische und praktische Grundlagen erarbeitet werden, um die
Organisation des Übergangs zwischen Klinik und (betreutem) Wohnen zu
Hause wirksam planen und gestalten zu können.
26
Methode
Theoretische Grundlagen wie Behandlungskonzepte zu Übergangspflege
und bereits vorhandene Forschungsergebnisse werden in Form einer Litera-
turreview generiert. In einer aktuell noch laufenden Studie wird ein Über-
gangspflegeprojekt evaluiert, das von den St. Gallischen Psychiatrischen
Diensten Nord (Wil) und dem St. Gallischen Hilfsverein für Gemütskranke
etabliert worden ist. In diesem Projekt werden folgende Personen inter-
viewt: Patientinnen und Patienten, die durch eine Pflegefachperson im
Übertritt begleitet werden, klinikinterne und ambulant tätige Pflegende,
Psychiater und Sozialarbeitende, die mit der Übergangspflege in Berührung
kommen. Die Fokusgruppen- und Einzelinterviews werden inhaltsanalytisch
ausgewertet.
Ergebnisse
In der Literatur werden verschiedene Konzepte aus der ‚Transitional Care‘
beschrieben. Zentrale Inhalte sind die nahtlose Begleitung der Patientinnen
und Patienten im Übergang von der Klinik nach Hause oder in eine begleite-
te Wohnform. Interventionen wie das Medikamentenmanagement, Symp-
tommanagement, Unterstützung in sozialen Anforderungen und sozialen
Kontakten, telefonische Beratung usw. kommen zum Tragen. Im Zentrum
steht der kontinuierliche und professionelle Beziehungsaufbau. Patientinnen
und Patienten, die im Rahmen einer Übergangspflege begleitet wurden,
berichten über eine Verbesserung der Krankheitssymptome , verbesserten
Umgang mit Symptomen, verbesserte soziale Kontakte und Integration in
die Gesellschaft, Gefühl von höherer Sicherheit, Reduktion von Angst und
Gefühlen der Hilfs- und Hoffnungslosigkeit. Die Wiedereintrittsrate wird in
einigen Studien signifikant tiefer beschrieben, wenn Austritte geplant und
ein Nachsorgeprogramm mit Begleitung von Professionellen installiert wird.
Erste Ergebnisse aus den Interviews zeigen ähnliche Resultate auf. Patien-
tinnen/Patienten erleben die Übergangspflege als hilfreich, fühlen sich ge-
stützt und schätzen den Rat und die Hilfestellung der Betreuenden im Alltag.
27
Wichtig ist ihnen auch, dass jemand da ist, regelmässige Treffen vereinbart
werden und eine kontinuierliche Beziehung aufgebaut werden kann. Ver-
schiedene Unterstützungsbereiche wie:
- Hilfe bei der Bewältigung der Post und bei Zahlungen
- Kontakte mit Ämtern und Arbeitgebern
- Unterstützung bei persönlichen Schwierigkeiten und Krisen
- stehen im Zentrum der Aussagen.
Schlussfolgerungen
Es zeichnet sich ab, dass die Übergangspflege eine gute und hilfreiche Un-
terstützung bietet, damit Patientinnen/Patienten zu Hause oder im begleite-
ten Wohnen wieder Fuss fassen können. Auf organisatorischer und organi-
sationaler Ebene ist es wichtig, dass Konzepte aus dem Bereich ‚Transitional
Care‘ sorgfältig eingeführt und im interdisziplinären Setting, stationär und
ambulant, klar kommuniziert werden.
28
4. Entzugserscheinungen: Entwicklung einer NANDA-
International-Pflegediagnose
This Dändliker, Nina Kolbe
Ziel
Die Analyse des Begriffs Entzugserscheinungen aus der Perspektive der Pfle-
ge hatte das Ziel, eine derzeit noch nicht existente Pflegediagnose zu diesem
Phänomen entsprechend der Regeln und Normen der NANDA-International
vorzuschlagen.
Methode und Material
Das methodische Vorgehen orientierte sich an der Begriffsanalyse nach
Clark, Craft-Rosenberg und Delaney (2000). Mit einer systematisierten Lite-
raturrecherche wurden aktuelle Originalarbeiten (2008-2013) zum Thema
Entzug aus pflegerischer Sicht identifiziert. Nach kritischer Würdigung und
Selektion wurden die geeigneten Studien der qualitativen Inhaltsanalyse
nach Mayring (2010) zugeführt.
Ergebnisse
Sechs Studien wurden erkannt. Sie repräsentieren mehr als 1917 Patientin-
nen und Patienten, vom neugeborenen bis zum betagten Menschen. Ver-
schiedene pflegerische Settings sowie eine breite Auswahl von psychotro-
pen Substanzen werden darin beschrieben. In der Begriffsanalyse kristalli-
sierten sich die beiden Phänomene Entzugserscheinungen und Gefahr für
Entzugskomplikationen heraus. Entzugserscheinungen können vorüberge-
hend bei einem Individuum auftreten, durch Beenden oder abruptes Redu-
zieren der Einnahme einer psychotropen Substanz, die zuvor anhaltend und
in schädlichem Mass zugeführt wurde. Durch 22 bestimmende Merkmale
wird dieses Phänomen sichtbar, acht Faktoren beeinflussen es. 12 Risikofak-
toren – zum Beispiel eine hohe Substanzdosis vor dem Entzug – begünstigen
29
Komplikationen wie Krampfanfälle, gestörte Denkprozesse, akute Verwirrt-
heit, Rückfälle oder Raptusse.
Diskussion
Pflegende sind aufgrund ihrer hohen Präsenzzeit bei der Patientin oder dem
Patienten ausgezeichnet positioniert, Entzugserscheinungen zeitnah zu
erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Pflegediagnosen können
dabei orientierend durch einen Prozess leiten, der Leiden mindert und Kom-
plikationen vorbeugt. Durch die angestrebte Publikation in der NANDA-
International könnte das Thema viele Pflegende und mit ihnen Betroffene
erreichen. Zuvor sollten die Begriffe Entzugserscheinungen und Gefahr für
Entzugskomplikationen jedoch ihre Validität empirisch unter Beweis stellen,
nachfolgende Forschung ist wünschenswert.
Schlussfolgerung
Die entwickelten Diagnosen bedürfen der breiten Diskussion. Das NANDA-
International-Diagnoseentwicklungskomitee wird ersucht, die vorgeschlage-
nen Pflegediagnosen zu prüfen. Implikationen für Lehre und Praxis aus den
Resultaten zu folgern ist – auf der Grundlage einer einzelnen Untersuchung
– verfrüht.
30
5. Psychiatrie geht neue Wege
Thomas Dech, Grit Landua
Hintergrund
Gesellschaftliche Veränderungen haben zunehmend Auswirkungen auf psy-
chiatrische Institutionen. Bedürfnisse von Betroffenen und Angehörigen
gewinnen vermehrt Einfluss auf politische Entscheidungen und damit auch
auf die Rahmenbedingungen der Psychiatrie. Auch in unserer täglichen Ar-
beit sehen wir, dass eine erfolgreiche Behandlung nur unter aktiver Beteili-
gung der Betroffenen und ihrer Angehörigen gelingen kann.
Problemstellung/ Grenzen
Der Veränderungsprozess in der Psychiatrie bedarf einer grundlegenden
Neuorientierung aller Beteiligten. Grenzen sind hier nicht nur knappe perso-
nelle und finanzielle Ressourcen, sondern oft auch eingefahrene Verhal-
tensmuster bei Betroffenen und Behandlern.
Eine wichtige Rolle spielen auch gesellschaftliche Grenzen und Erwartungs-
haltungen. Die Politik weitet Patientenrechte aus und Rahmenbedingungen
sowie Akzeptanz des „Andersseins“ durch die Gesellschaft können nach
unseren Erfahrungen bisher in diesem Tempo nicht mithalten.
Psychiatrisch erkrankte Menschen finden derzeit noch wenig Behandlung
außerhalb von Institutionen. Der Grundsatz „ambulant vor stationär“ krankt
an unseren Versorgungstrukturen. Stationäre Therapie scheint nach wie vor
die erste Wahl im Behandlungsprozess zu sein.
Ziele
Unser Ziel ist es, eine bedarfsgerechte Versorgung auch unter zunehmend
schwierigen Bedingungen zu erreichen. Dazu ist es entscheidend, über die
Entlassung aus der Klinik hinaus eine Unterstützung der Betroffenen zu
gewährleisten.
31
Die Menschen müssen gestärkt werden, ihre eigenen Ressourcen zu nutzen
(Hilfe zur Selbsthilfe). Wir wollen sie in diesem Prozess anleiten und beglei-
ten.
Vorgehen
In einem Workshop mit Nutzern fand zunächst ein Austausch über den Be-
darf aus deren Sicht statt. Daraus konnten wir folgende Veränderungen und
Ausweitungen unserer Angebote ableiten:
- Psychoseseminare
- Patientenstammtisch
- Selbsthilfe in der Klinik
- Erweiterte Leitungskonferenz unter Einbindung von Betroffenen- und
Angehörigenvertretern
- Inklusionsprojekt: Etablierung einer Cafeteria in der Klinik, betrieben
durch ein Dienstleistungsunternehmen der Alten- und Behindertenhilfe
- Wiederholung des Workshops mit Nutzern zum Thema „was brauchen
psychisch Kranke“
- Anschluss an örtliche Vereine (Wanderungen mit Wanderverein)
- Aktuelles Projekt: Ausbildung von GenesungsbegleiterInnen unter Trä-
gerschaft des Klinikums in Kooperation mit dem LVPE
- Landfrauenprojekt (Gemeinde ins Boot holen, Entstigmatisierung)
- Aufklärung zu psychiatrischen Erkrankungen an regionalen Schulen unter
Einbindung Betroffener
- Schaffung von Übergängen zu Selbsthilfegruppen (Vermittlung von Kon-
takten, Vorstellung der Gruppen in der Klinik bei Betroffenen und Perso-
nal)
- Selbsthilfe in der Klinik durch eine Betroffene in fester Anstellung organi-
siert und angeboten
Zur Realisierung dieser Ideen und Projekte wurde eine Stabsstelle für den
Aufbau gemeindepsychiatrischer Angebote geschaffen.
32
Ergebnisse/ Erfahrungen
Die Ergebnisse haben in vielfacher Weise unsere Erwartungen übertroffen.
Eine sehr gute Resonanz und positive Rückmeldungen auf verschiedenen
Ebenen zeigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Insbesondere wird
die Selbsthilfe auf Station als sehr effektiv erlebt. Oft erreicht uns ein
Wunsch der Betroffenen nach einem „Mehr“ dieser Angebote. Auch eine
Anbindung an verschiedenste Angebote im Netzwerk der psychiatrischen
Versorgung und Hilfe gelingt immer öfter.
Diskussion/Schlussfolgerungen
Trotz unserer positiven Erfahrungen ist uns bewusst, dass dies nur die ers-
ten Schritte sind. Es gilt noch viele Hürden (auch in den eigenen Köpfen) zu
überwinden. Es scheint uns aber wichtig, den Veränderungsprozess behut-
sam und bedarfsorientiert voranzutreiben, um den Beteiligten ein Mitgehen
und eine Mitgestaltung zu ermöglichen. Auch bei unserer Berufsgruppe gibt
es festgefahrene Denktraditionen. Zu schnelle Veränderungen können die
Motivation nachhaltig schädigen und das Vorhaben frühzeitig zum Scheitern
bringen.
33
6. Selbstpflegekompetenz fördern und Selbstfürsorge stär-
ken durch Aromapflege
Jürg Dinkel, Brigit Ott, Hans-Jürgen Ott
Hintergrund
Akutpsychiatrisch erkrankte Menschen leiden erfahrungsgemäß häufig an
Selbstpflegedefiziten und/oder an einem Mangel an Selbstfürsorge. Gründe
für die Vernachlässigung zur Selbstfürsorge notwendiger Handlungen kön-
nen die psychiatrische Erkrankung selber sein, kognitive oder funktionelle
Beeinträchtigungen, stark belastende Lebensereignisse u.a. [1, 2].
Es gehört zu den wichtigen Aufgaben der Pflegenden, Selbstpflegedefizite zu
erkennen und den Wunsch nach Stärkung der Selbstfürsorge wahrzuneh-
men. Des Weiteren sollen die Patientinnen und Patienten in ihrer Selbst-
pflegekompetenz unterstützt und mit geeigneten Interventionen in ihrer
Fürsorge sich selbst gegenüber gestärkt werden [1].
Eine mögliche Intervention ist dabei die Aromapflege, das heisst die Anwen-
dung von ätherischen Ölen. Viele psychiatrisch erkrankte Menschen haben
den Wunsch, sich mit Methoden der Phytotherapie (Pflanzenheilkunde)
behandeln zu lassen, bzw. selbständig nutzen zu können [3]. Die Aromapfle-
ge als ein Teilgebiet der Phytotherapie hat ein grosses Potential an Anwen-
dungsmöglichkeiten im Bereich der Befundebene (Symptome und Be-
schwerden) wie auch des Befindens (Förderung und Sensibilisierung der
eigenen Wahrnehmung sowie des körperlichen und seelischen Gleichge-
wichts, Wecken von Interesse, Steigerung des Wohlbefindens, Stärkung der
Selbstheilungskräfte und Hilfe zur Selbsthilfe) [4-7].
Fragestellung
Ätherische Öle sind auf der somatischen wie auch auf neuropsychologischer
Ebene wirksame Substanzen [6-9]. Ihre Nutzung bedingt, dass neben dem
Kennen der Indikationen und der korrekten Anwendungsformen auch mög-
34
liche Risiken beachtet werden. Sie können Haut, Augen und Schleimhäute
reizen, phototoxische und allergische Reaktion auslösen, bei versehentlicher
Einnahme schwere Vergiftungen hervorrufen oder leberschädigend wirken
[10, 11]. Durch ätherische Öle können erfahrungsgemäß frühere traumati-
sche Erlebnisse reaktiviert und starke Emotionszustände hervorgerufen
werden.
Die Pflegenden stehen vor der Frage, mit welchen Interventionen sie die
Patientinnen und Patienten edukativ unterstützen können, um ätherische
Öle im Bereich der Selbstpflege und Selbstfürsorge kompetent zu nutzen.
Ziele
Patientinnen und Patienten benötigen Kompetenzen im Bereich des Wis-
sens, der Fähigkeiten und Fertigkeiten, damit sie bereits während ihrer Hos-
pitalisation und nach Klinikaustritt aromapflegerische Massnahmen selb-
ständig, zielgerichtet und sicher anwenden können.
Vorgehen
Im Rahmen der klinikinternen Schulungseinheiten zur Phytotherapie werden
durch die Zweitautorin und den Drittautor regelmässig Grund- und Auffri-
schungskurse zur Aromapflege für die Pflegefachpersonen angeboten. Im
Vademecum Phytotherapie [12] ist unter anderem das Sortiment an ätheri-
schen Ölen mit Anwendungsformen, Indikationen und Wirkungen aufgelis-
tet. Der Standard Aromapflege [13] gibt Auskunft zu Grundsätzen der Aus-
wahl, Anwendungen, Vorsichtsmassnahmen und Dokumentation auf.
Für die klinische Anwendung der Aromapflege bestehen zwei Konzepte,
nämlich die Anwendung von ätherischen Ölen im Einzelsetting, sowie ein
aromapflegerisches Gruppenangebot.
Einzelsetting
Auf den Stationen stehen verschiedene aromapflegerische Anwendungs-
formen zur Verfügung. Die Station mit Behandlungsschwerpunkt Depressio-
nen beispielsweise bietet Trockeninhalation, Inhalation mit Wasserdampf,
35
Aromamassagen, Einreibungen, sowie Fußbäder, Armbäder und Vollbäder
an. In einer ersten Phase lernen die Patientinnen und Patienten diese Me-
thoden kennen und erfahren ihre Wirkungen. In einer zweiten Phase wählen
sie die für ihre Selbstpflege idealen Anwendungsformen wie auch die ihnen
zusagenden und für ihre Beschwerden und ihr Befinden wirkungsvollen
ätherischen Öle aus. In der dritten Phase üben sie die selbständige korrekte
Nutzung unter sorgfältiger Anleitung und Begleitung ihrer pflegerischen
Bezugspersonen.
Für die Patientinnen und Patienten steht die „Naturheilkundliche Hausapo-
theke“ für die Selbsthilfe nach Klinikaustritt zur Verfügung [14]. Sie ist eine
Anleitung für verschiedene phytotherapeutische Anwendungen. Hierbei
nehmen die Anwendungen mit ätherischen Ölen eine wichtige Rolle ein.
Eine Heilpflanzentabelle mit Selbsthilfemitteln für wichtige Beschwerden auf
psychischer und somatischer Ebene hilft bei der Auswahl.
Aromapflegegruppe
Alle 14 Tage findet auf der Station 50+ für Stressfolgeerkrankung und ganz-
heitliche Medizin die Aromapflegegruppe statt. In dieser erhalten die Pati-
entinnen und Patienten genaue Informationen über die Herkunft, Herstel-
lung und Verwendung der ätherischen Öle. Der Ablauf einer Aromapflege-
gruppe kann am Beispiel des Rosmarins dargestellt werden: Nachdem das
Rosmarinöl von allen Gruppenteilnehmenden beschnuppert worden ist oder
eine Tasse Rosmarintee degustiert wurde, werden auftauchende Assoziatio-
nen gesammelt wie „Sonntagsbraten“, „Wanderung in den italienischen
Alpen“, „Sommer am Mittelmeer“ etc. Die Pflanze wird mit ihren botani-
schen Eigenschaften vorgestellt, ihre Geschichte als Kultur- und Heilpflanze
dargelegt. Die Verwendungsmöglichkeiten werden in ihrer ganzen Breite
diskutiert und Anwendungsmöglichkeiten für den Gesundheitsbereich auf-
gezeigt. Eine weitere Form der Aromapflegegruppe kann die Arbeit mit den
vier Kardinaldüften und deren Hauptwirkrichtungen sein: Rosmarin („Ener-
gie“), Bergamotte („Leichtigkeit“), Rosengeranium („Herznote“) sowie
Patchouli („Erdung/Trost“). Dazu wird ein Arbeitsblatt „Riechtest“ abgege-
36
ben und bearbeitet. Die vier Düfte werden vorerst blind gerochen. Anschlie-
ßend werten die Teilnehmenden ihre Ergebnisse aus. Es werden bekannte
Anwendungs- und Verwendungsformen gesammelt sowie neue Möglichkei-
ten durch die Pflegefachpersonen empfohlen. Zielsetzungen dieser Gruppe
liegen einerseits in der Förderung der Selbstpflegekompetenzen der Teil-
nehmenden und im Miteinbezug der persönlichen Ressourcen im Erfah-
rungsaustausch sowie auch im gemeinsamen Erleben einer angenehmen
Gruppensituation.
Ergebnisse / Erfahrungen
Die aromapflegerischen Angebote finden bei vielen Patientinnen und Pati-
enten hohen Zuspruch und werden sehr geschätzt. Einerseits können beim
aromapflegerischen Einzelsetting den individuellen Bedürfnissen der Patien-
tinnen und Patienten bezüglich Informationsbedarfs, Auswahl der Öle und
Anwendungsübungen optimal Rechnung getragen werden. Das Gruppenan-
gebot findet bei den meisten Teilnehmenden eine hohe Akzeptanz durch
den Miteinbezug ihrer eigenen Erfahrungen und Ressourcen bei gleichzeiti-
gem Erleben und Erlernen neuer, sehr lebenspraktischer An- und Verwen-
dungsmöglichkeiten.
Aus Rückmeldungen ehemaliger Patientinnen und Patienten kann entnom-
men werden, dass ätherische Öle auch zuhause weiterhin als Möglichkeit
der Selbstpflege im normalen Alltag wie auch zur Selbstfürsorge in erneuten
Krisensituationen angewendet werden.
Schlussfolgerung
Ätherische Öle haben ein breites somatisches und neuropsychologisches
Wirkungsspektrum, das sowohl auf der Befund- wie auf der Befindensebene
eingesetzt werden kann. Aromapflege entfaltet, wenn sorgfältig eingesetzt,
durch seine vielfältigen Anwendungsformen bei vielen Patientinnen und
Patienten mit einer psychischen Erkrankung eine gute und nachhaltige Un-
terstützung ihrer Selbstpflege und Selbstfürsorge. Allerdings darf der hohe
Schulungsaufwand bei den Pflegefachpersonen zur Etablierung der für die
37
Erreichung dieser angestrebten Ziele notwendigen Kompetenzen nicht un-
terschätzt werden, ebenso der für einzelne Anwendungen nötige zusätzliche
Zeitaufwand im klinischen Alltag.
Literatur
1. Sauter, D. et al (Hrsg.)(2011) Lehrbuch Psychiatrische Pflege. Bern; Huber Ver-lag.
2. Doenges, M. et al (2013) Pflegediagnosen und Pflegemassnahmen. Bern; Huber Verlag.
3. Melzer, J. & Keck, M.E. (2011). Phytotherapie in der Psychiatrie – gestern , heu-te, morgen. Ars Medici, 101(1):16-20.
4. Dinkel, J. & Ott, H.J. (2010) Phytotherapie. Psych Pflege. 16(5): 256-261.
5. Fintelmann, V. & Weiss, R.F. (2006) Lehrbuch der Phytotherapie. Stuttgart; Hippokrates Verlag.
6. Stefltsch, W., Wolz, D. & Buchbauer, G. (2013) Aromatherapie in Wissenschaft und Praxis. Wiggensbach; Stadelmann Verlag.
7. Perry, N. & Perry, E. (2006) Aromatherapy in the Management of Psychiatric Disorders. Clinical and Neuropharmacological Perspectives. CNS Drugs. 20 (4): 257-280.
8. Wabner, D. & Beier, C. (Hrsg.) (2009) Aromatherapie: Grundlagen - Wirkprinzi-pien – Praxis. München; Urban & Fischer.
9. Dobetsberger, C. & Buchbauer, G. (2010) Actions of essential oils on the central nervous system: An updated review. Flavour and Fragrance Journal. 26: 300-316.
10. Lis-Balchin, M. (2010) Aromatherapy with Essential Oils. In: Baser K.H.C. & Buchbauer, G.(Hrsg.) Handbook of Essential Oils. Boca Raton; CRC Press.
11. Bundesamt für Gesundheit (2012) Ätherische Öle. Factsheet. www.bag.admin.ch/themen/chemikalien/00228/04325/ Stand 10.07.2014.
12. Vademecum Phytotherapie. 7. Auflage (2013) Unveröffentlichte Broschüre. Oetwil am See; Clienia Privatklinik Schlössli.
13. Standard Aromapflege (2012) Unveröffentlichtes Dokument. Oetwil am See; Clienia Privatklinik Schlössli.
14. Grässle, Y. et al (2012) Naturheilkundliche Hausapotheke. Unveröffentlichte Broschüre. Oetwil am See; Clienia Privatklinik Schlössli.
38
7. „The missing link“ - Der Einsatz als Genesungsbegleiterin
auf einer akutpsychiatrischen Station – ein Praxisprojekt
Hatice Düzenli, Helmut Lerzer
Hintergrund und Problemstellung
Die Klinik Königsfelden ist als Teil der Psychiatrischen Dienste Aargau (PDAG)
für die stationäre psychiatrische Versorgung des Kantons verantwortlich. Die
Zielsetzungen der PDAG wurden für die nächsten Jahre auf den Schwer-
punkt Patientenorientierung gelegt. In diesem Zusammenhang wird im
Schwerpunkt Psychose-Erkrankungen eine recovery-unterstützende Haltung
in der Behandlung und Pflege der Patienten vertieft. Seit Januar 2014 arbei-
ten zwei Genesungsbegleiterinnen zu einem Pensum von je 20% auf den
Stationen.
Aufgabe der Genesungsbegleiterinnen ist es, eine fehlende Verbindung
(missing link) zwischen den Erfahrungswelten der Betroffenen und der Pro-
fessionellen zu schliessen. Die fehlende Verbindung ist darauf zurück zu
führen, dass die Mitarbeitenden psychiatrischer Dienste zwar über professi-
onelles Rüstzeug verfügen, sie aber in der Regel keine eigenen Erfahrungen
mit seelischen Erschütterungen und deren Bewältigung verfügen. Diese
Lücke kann durch eine Genesungsbegleiterin gefüllt werden.
Ziele
Durch den Einsatz der Genesungsbegleiterinnen soll eine stärkere Beziehung
zu den Betroffenen auf Augenhöhe und dadurch eine höhere Patientenori-
entierung erreicht werden. Der zunächst auf den Schwerpunkt Psychose-
Erkrankungen beschränkte Einsatz von Genesungsbegleiterinnen wird bei
einem positiven Verlauf evtl. auf weitere Bereiche und Departemente erwei-
tert. Für diese Erweiterung sollen Empfehlungen für den Einsatz von Gene-
sungsbegleiterinnen formuliert werden.
39
Vorgehen
Per Stelleninserat wurden Menschen mit der Erfahrung einer psychischen
Erkrankung für den Einsatz als Genesungsbegleiterin gesucht. Gemeinsam
mit interessierten Pflegefachpersonen, die sie in der Praxis begleiten, wur-
den sie anhand der 6-tägigen Weiterbildung „Recovery praktisch“ geschult.
Die Genesungsbegleiterinnen übernehmen auf der Station verschiedene
Aufgaben, wie z.B. Gespräche und Aktivitäten mit Betroffenen im Gruppen-
und Einzelsetting. Die Auswirkung des Einsatzes von Genesungsbegleiterin-
nen soll auch in der regelmässigen Patientenzufriedenheitsbefragung (POC
18 = perceptions of care) erkennbar sein.
Ergebnisse und Erfahrungen
Im Rahmen des Vortrags werden aus Sicht der Genesungsbegleiterin und
des Managements Erfahrungen im praktischen Einsatz auf einer akutpsychi-
atrischen Station aufgezeigt. Berücksichtigt werden sollen dabei einerseits
die persönlichen Erfahrungen der Mitarbeitenden, andererseits aber auch
die Rückmeldungen von Betroffenen und die Auswirkungen auf die interdis-
ziplinäre Zusammenarbeit auf der Station.
40
8. Resilienzförderung von Dipl. Pflegefachpersonen in der
Psychiatrie aus dem Fokus des obersten Pflegemanage-
ments
Urs Ellenberger, Dirk Richter
Hintergrund
Die moderne Arbeitswelt ist einer Arbeitsbeschleunigung, andauernden
Veränderungen, ökonomischem Druck, mehr geforderter Präsenz und höhe-
ren Qualitätsanforderungen sowie steigenden Kundenerwartungen ausge-
setzt [1]. Die Pflegefachpersonen in der Psychiatrie sind noch zusätzlichen
Spannungsfeldern wie Arbeitsintensivierung, Sparmassnahmen, Aggression
und Gewalt, steigenden Absenzen sowie Fachkräftemangel ausgesetzt und
erfahren eine stetige Steigerung von psychischen Belastungen in ihrem Ar-
beitsumfeld. Fachpersonen plädieren, die Gesundheit aller Mitarbeitenden
systematisch zu fördern. Sie sehen im Resilienzkonzept einen Lösungsansatz,
also in der Steigerung der psychischen Widerstandsfähigkeit von Führungs-
personen (Einzelpersonen oder auch ganze Teams). Mit diesem Konzept
lässt sich den steigenden psychischen Belastungen auf die Mitarbeitenden
entgegen wirken [2]. Das Forschungswissen über Resilienz ist durch mehrere
Längsschnittstudien gut belegt. Wenig bekannt sind jedoch die Bedeutung
sowie die Umsetzung von Massnahmen zur Förderung der Resilienz bei Dipl.
Pflegefachpersonen in psychiatrischen Kliniken aus Sicht der Pflegedienstlei-
tungen.
Fragestellung
Im Rahmen einer Masterthese (Master of Advanced Studies) an der Berner
Fachhochschule wurde folgender Fragestellung nachgegangen: Wie wird die
psychosoziale Gesundheit/ die Resilienz bei Dipl. Pflegefachpersonen in den
psychiatrischen Kliniken aus Sicht des obersten Pflegemanagements geför-
dert?
41
Methode
Forschungsdesign und Sample
Es wurde der qualitative Forschungsansatz mit Durchführung von Einzelin-
terviews bei fünf Pflegedienstleitungen in psychiatrischen Kliniken der
Deutschschweiz gewählt. Die Studienteilnehmenden waren mind. 3 Jahre in
der obersten Führung tätig und bei der Auswahl der Kliniken wurde auf eine
heterogene Zusammensetzung geachtet (Grösse, Lage, öffentlich, privat).
Datensammlung
Aufgrund der Erkenntnisse aus dem theoretischen Rahmen wurden Leitfra-
gen zu Massnahmen in der allgemeinen Gesundheitsförderung und der
spezifischen Resilienzförderung von Pflegenden erstellt. Die Datensammlung
erfolgte mit halbstrukturierten, leitfadengestützten Einzelinterviews.
Datenauswertung
Der transkribierte Text wurden mit den Techniken der Inhaltsanalyse nach
Philipp Mayring ausgewertet [3]. Die Auswertung erfolgte aus einer Mi-
schung von induktivem und deduktivem Vorgehen. Hintergrund für die Ent-
scheidung der Kategorienbildung waren die Erkenntnisse aus dem theoreti-
schen Rahmen sowie eine zusätzliche Kategorie aus den Ergebnissen der
Inhaltsanalyse.
Qualität / Ethik
Im Vorfeld wurde ein Interview mit einer Pflegedienstleitung als Pre-Test zur
Verbesserung des Interviewablaufs durchgeführt. Es erfolgte eine kommuni-
kative Validierung der transkribierten Inhalte und der Ergebnisse, um mögli-
che Differenzen zu bereinigen. Alle Studienteilnehmenden unterzeichneten
vor dem Interview eine Studieninformation sowie eine schriftliche Einver-
ständniserklärung (Informed Consent). Datenschutz und Schweigepflicht
wurden eingehalten.
42
Ergebnisse
Sehr eindrücklich waren die Schilderungen der Pflegeleitungen bezüglich der
Führungsaufgaben zum Thema Resilienzförderung, welche in allen Berei-
chen und Hierarchiestufen zu finden waren. Es wurden die folgenden
Hauptkategorien gebildet:
- Bedeutung von Resilienz
- allgemeine Gesundheitsförderung
- umgebungsbezogene Förderung der Resilienz
- Förderung der personalen Resilienz
- unterstützende Massnahmen nach Traumatisierung
- zusätzliche Managementaufgaben
Resilienz und Resilienzförderung wurden als bedeutsame und zentrale The-
men erachtet und hauptsächlich als Führungsaufgabe angesehen. Hauptmo-
tiv zur Umsetzung von Massnahmen zur Resilienzförderung war die Ge-
sundheit der Mitarbeitenden.
Hauptsächliche Massnahmen zur allgemeinen Gesundheitsförderung waren
vielfältige Angebote an körperlichen Aktivitäten, aber auch das Absenzen-
management. In den Betrieben fanden sich grosse Unterschiede in der prak-
tischen Umsetzung des Absenzenmanagement bezüglich der Standardisie-
rung.
Als Schwerpunkte zur umgebungsbezogenen Resilienz wurde die Förderung
einer guten Teamkultur mit einem hohen Gruppenzusammenhalt sowie
einer positiven Fehlerkultur und Gefässe zum Austausch über Arbeitsbelas-
tungen genannt. Eine fundierte spezifische Grundausbildung der Pflege im
Lernortsprinzip wurde als wichtig erachtet.
Massnahmen zur Förderung der personalen Resilienz der Mitarbeitenden
bezogen sich überwiegend auf die Entwicklung der fachlichen und sozialen
Kompetenzen durch Methoden und Konzepte. Speziell herausgehoben wur-
de die Befähigung der Pflegenden im Umgang mit Aggression und Gewalt
mittels Schulungen des Aggressionsmanagements. Bei der Entwicklung der
43
persönlichen Ressourcen wurden die jährlichen Mitarbeitergespräche sowie
ein gezieltes Coaching der Schutzfaktoren Problemlösen, Selbstwirksamkeit,
Bewältigung und Verantwortungsübernahme genannt.
Bei der Resilienzförderung nach Traumatisierung waren die direkte Füh-
rungsunterstützung mit zeitnahen Gesprächen und kontinuierlicher Beglei-
tung und das Nachsorgemanagement im Vordergrund. Augenfällig waren
die Unterschiede der Nachsorge bei Suizid oder Aggressionen / Gewalt,
hinsichtlich der Standardisierung und Individualisierung in der praktischen
Umsetzung.
Zu Resilienzförderung von Pflegenden fanden sich verschiedene Führungs-
aufgaben. Als wesentlich wurden die Führungsstruktur der dualen Führung,
die Vorbildfunktion der Führungspersonen und die gezielte Kaderförderung
hervorgehoben. Bei der direkten Mitarbeiterführung waren die Hauptpunk-
te Vertrauen, Entlastung und Unterstützung sowie Balance.
Diskussion
Forschung und Theorie werden durch verschiedene Ergebnisse bestätigt. Die
Wichtigkeit einer guten Zusammenarbeit, eines guten Gruppenzusammen-
haltes im Team, wie auch eine positive Führungskultur, wurden bei den
Ergebnissen herausgehoben und bestätigen die Forschungsergebnisse [4].
Von den personalen Schutzfaktoren aus der Theorie wurden vier der Schlüs-
selfaktoren explizit genannt. Die Schutzfaktoren Problemlösen, Selbstwirk-
samkeit, Bewältigung und Übernahme von Verantwortung wurden allesamt
im Zusammenhang mit der Förderung der sozialen und personalen Kompe-
tenzen erwähnt. Verschiedene Schlussfolgerungen aus Studien [5] bezüglich
der Integration von Resilienzthemen in Aus- und Weiterbildungen wurden
mit den vorliegenden Ergebnissen bestärkt.
Bei der Untersuchung konnten spezifische Ergebnisse gewonnen werden.
Die Führungsstruktur der dualen Führung in Gesundheitsinstitutionen er-
möglicht eine Gleichwertigkeit in der Führung und stärkt die Pflege als res-
pektierte Berufsgruppe. Bei der Förderung der personalen Resilienz würden
44
die Pflegenden befähigt durch die praktische Anwendung von Konzepten
und Methoden, die hohen Anforderungen im Pflegealltag besser zu erfüllen.
Die Unterschiede der Nachsorge in der praktischen Umsetzung bei den
Themen Suizid und Aggression / Gewalt widersprechenden den theoreti-
schen Kenntnissen, da die traumatisierenden Folgen für die Mitarbeitenden
sich nicht grundsätzlich unterscheiden [6].
Schlussfolgerungen
In den Kliniken besteht das grösste Verbesserungspotential in den Bereichen
Absenzenmanagement, Fachentwicklung der Pflege, Kaderförderung und
Nachsorgemanagement. Im Bildungssystem der Pflege sollen die Themen
der Resilienz und Resilienzförderung in die Aus- und Weiterbildung inte-
griert und die Umsetzung des Lernortsprinzips auf HF-Stufe gefördert wer-
den. Aufgrund der Ergebnisse werden, eingeteilt nach drei Bereichen, fole-
gende Empfehlungen gemacht:
Allgemeine Gesundheitsförderung
- Massnahmen zur allgemeinen Gesundheitsförderung in einem Gesamt-
kontext durchführen.
- Die Umsetzung eines systematischen betrieblichen Gesundheitsmana-
gements forcieren.
- Das Absenzenmanagement sollte ausgebaut, systematisiert und stan-
dardisiert werden.
Umgebungsbezogene Resilienzförderung
- Die Führungsstruktur der dualen Führung wird nachdrücklich empfohlen.
- Die Stationsleitungen sollen ihren Fokus auf die Stärkung des Gruppen-
zusammenhalts und der interprofessionellen Zusammenarbeit legen.
- Ein professionelles und systematisiertes Nachsorgemanagement soll
aufgebaut und gleichermassen bei Suizid oder Aggression / Gewalt an-
gewendet werden.
45
Förderung der personalen Resilienz
- Die Leitungspersonen sollen in ihren Führungskompetenzen gestärkt und
in Resilienzthemen geschult werden.
- Die fachliche Entwicklung der Pflegenden in den Kern- und Spezialkom-
petenzen durch Methoden und Konzepte soll stark gefördert werden.
- Die Stärkung der natürlichen Abgrenzung, Problemlösen, Selbstwirksam-
keit, Bewältigung, Verantwortung und Zukunftsplanung sollen gefördert
und als integrale Themen in die jährlichen Mitarbeitergesprächen aufge-
nommen werden.
- Programme zur Förderung von Wissen und Können bei Pflegenden nach
Ausbildung oder Neueinsteigende in der psychiatrischen Pflege werden
ausdrücklich empfohlen.
- Die Benutzung von Modellen als Hilfestellung zur Resilienzförderung von
Pflegefachpersonen in der Psychiatrie wird empfohlen:
- Road to Resilience (http://www.apa.org/helpcenter/road-
resilience.aspx)
- Modell nach Thomet & Richter (2012) [7]
- Ebenen nach McAllister & Lowe (2013) [8]
Literatur
1. Götze, G. (2013). Resilienzentwicklung im Personalmanagement. Angebote zur
2. Steigerung psychischer Widerstandsfähigkeit von MitarbeiterInnen. Wiesbaden: Springer VS
3. Wellensiek, S. K. (2011). Handbuch Resilienz-Training. Widerstandskraft und
4. Flexibilität für Unternehmen und Mitarbeiter. Weinheim und Basel: Beltz Verlag
5. Mayring, P. (2010). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. (11. Auflage). Weinheim und Basel: Beltz Verlag
6. Larrabee, J. H., Wu, Y., Persily, C. A., Simoni, P. S., Johnston, P. A., Marcischak, T. L., &Gladden, S. D. (2010). Influence of stress resiliency on RN job satisfaction and intent to stay. West J Nurs Res, 32(1), 81-102
7. Jackson, D., Firtko, A., & Edenborough, M. (2007). Personal resilience as a strate-gy for surviving and thriving in the face of workplace adversity: a literature re-view. J Adv Nurs, 60(1), 1-9
46
8. Richter, D. (2007). Patientenübergriffe – Psychische Folgen für Mitarbeiter. Theo-rie, Empirie, Prävention. Bonn: Psychiatrie-Verlag
47
9. Wie gesund ist der APP Klient und was kann er dafür tun?
Udo Finklenburg
Hintergrund
Menschen mit anhaltenden psychiatrischen Krankheiten haben, im Ver-
gleich zu der Allgemeinbevölkerung eine deutlich schlechtere körperliche
Gesundheit und eine zwischen 10 – 30 Jahre geringere Lebenserwartung,
welche zu 92% auf eine natürliche Todesursache zurückzuführen sind [1].
Neben einem ungesunderen Lebensstil des psychiatrischen Klienten (einsei-
tige Ernährung, Nikotinabusus, Bewegungsmangel) tendieren Hausärzte und
Psychiater zur Vernachlässigung der körperlichen Gesundheit ihrer psychiat-
rischen Klienten [2]. In Einzelfällen musste ich beobachten, wie Hausärzte
Klienten als „Psychosomatisch“ abwimmelten.
Das GepPsy
wurde in Grossbritannien unter dem Namen „Health Improve-
ment Profile“ (HIP) entwickelt und von Sahlis und Schmid ins Deutsche über-
setzt und an den schweizerische Kontext angepasst. Es wurden 2 ge-
schlechtsspezifische Fragebögen mit je 27 Items entwickelt und bei 23 am-
bulanten Klienten getestet. Das beteiligte Pflegepersonal wurde speziell
geschult [1].
Die Entwickler des GepPsy
haben folgende Ziele:
- Eventuell bestehende Risiken bei Klienten / Klientinnen sollen frühzeitig
erkannt werden.
- Durch die Beratung soll das Gesundheitsverhalten des Klienten / der
Klientin positiv beeinflusst werden
- Mit dem GepPsy (Gesundheitsförderungsprofil Psychiatrie) bietet sich
die Möglichkeit, den Gesundheitszustand der APP-Klienten (Ambulante
Psychiatrische Pflege) besser zu erfassen und ihre Motivation zu gesund-
heitsförderndem Verhalten zu erhöhen.
48
Problemstellung
- Ist ein flächendeckender Einsatz des GepPsy mit sinnvollem Aufwand
möglich?
- Wer muss mit einbezogen werden, wie können diese Gruppen motiviert
werden?
- Braucht es zusätzliche Tools (z.B. Einladungsbriefe an Hausärzte)?
Zielsetzung
Das GepPsy soll auf Anwendbarkeit geprüft werden und es soll erfasst wer-
den, welche Stärken, welche Schwächen dieses Instrument im freiberuflich
ambulanten Bereich zeigt. Geht es den Freiberuflern leicht von der Hand?
Sind die vorgeschlagenen Interventionen für die Klienten umsetzbar? Letzt-
lich sollte eine Basis erreicht sein, in der das Instrument für den freiberuflich
ambulanten Bereich angepasst werden kann.
Vorgehen
Die Items 1.1 und 1.2 beziehen sich auf Laborwerte, welche beim Hausarzt
erhoben werden müssten, die Items 1.3 – 2.4 könnten gegebenenfalls von
der Pflegefachperson erhoben werden (nicht jeder besitzt ein Blutdruck –
und Blutzuckergerät).
Beim bestehenden GepPsy
wäre eine Zusammenarbeit mit dem Hausarzt
wünschenswert, doch im Beziehungsdreieck Klient / Arzt / Pflege ergab sich
keine sinnvolle Schnittmenge. Der Focus wurde deshalb nicht auf die Haus-
ärzte, sondern auf die Pflege gelegt und ihnen wurde der Kontakt zu den
entsprechenden Hausärzten überlassen.
Sechs freiberufliche Pflegefachpersonen wurden angefragt, mindestens 5
ihrer Klienten mit dem GepPsy
zu befragen und anschliessend einen Feed-
backfragebogen auszufüllen. Dieser beinhaltete unter anderem Fragen zur
Anzahl der befragten Klienten, zur Zusammenarbeit mit den Hausärzten,
zum Inhalt und der Anwendbarkeit des Fragebogens in der Praxis und liess
auch Raum für Anregungen und Bemerkungen.
49
Ergebnisse und Erfahrungen
Insgesamt nahmen neun Klienten von drei Freiberuflern an der Befragung
teil (vier Frauen / fünf Männer). Die Idee des GepPsy
in Verbindung mit dem
Fragebogen wurde als einleuchtend und sinnvoll beschrieben. Die Idee lässt
sich gut vermitteln, wenn auch zum Teil die Klientenden den Eindruck erhiel-
ten, gefährdet zu sein. Der Bogen schien jedoch aufgrund der Rückmeldun-
gen nicht für alle Klienten geeignet.
Bei den Freiberuflern besteht trotz der Bereitschaft zur Zusammenarbeit
mit den Hausärzten auch eine Hemmschwelle, diese überhaupt beizuzuzie-
hen. Gewisse Prbloeme lassen sich im Gespräch Klient / Pflege effizienter
lösen.
Alle Beteiligten bemerkten, dass sie keine neuen Erkenntnisse über ihre
Klienten erhielten. Das GepPsy
gab das bekannte Bild wieder.
Häufig waren die Klienten in den als „rot“ markierten Fragen schon aktiv
oder es waren schon bekannte Themen („ja, ich weiss, ich sollte mehr trin-
ken…“). Und doch entwickelte sich in Einzelfällen eine differenzierte Diskus-
sion, in welcher die Klienten die Eigenverantwortung für ihre Gesundheit
spürten.
Der Fragebogen wird als „handlich“ bewertet, er lässt sich innerhalb einer
Stunde ausfüllen und diskutieren, diese Zeit lässt sich über das KLV 7 A2
(Beratung des Klienten) abrechnen. Als einschränkend und schwierig wurde
erlebt, dass das GepPsy
die eigenen Ideen des Klienten oder schon bestehen-
de Massnahmen zu wenig würdigt. Es wurden 2 zusätzlich Rubriken ge-
wünscht: Bestehende Massnahmen und „to do – Liste“ für die nächsten
Schritte.
Die Teilnehmenden können sich vorstellen, das GepPsy
als pauschales Asses-
smenttool zu nutzen als auch als eine Möglichkeit, die bei Bedarf eingesetzt
werden kann (z.B. bei wenig reflektierten Klienten oder mit wenig Eigenini-
tiative)
50
Wenn das GepPsy
an die genannten Anregungen angepasst wird, wird es als
hilfreiches Tool beschrieben, welches nicht nur die Klienten, sondern auch
die Pflegenden für Gesundheitsfragen sensibilisiert.
Diskussion
Bezugnehmend auf die Ergebnisse ist das GepPsy
ein handliches, gut einsetz-
bares Tool, wobei allerdings die geringe Anzahl befragter Klienten vermuten
lässt, das die Integration in den Arbeitsalltag doch gewisse (nicht definierte)
Schwierigkeiten mit sich bringt.
Um den Sinn des GepPsy
den Klienten näher zu bringen, wurden Unsicherhei-
ten spürbar. Durch eine konkrete Instruktion könnte dies gebessert werden,
was aber infolge der dezentralen zeitlich / örtlichen Struktur der APP nicht
im Rahmen einer Weiterbildung, sondern durch ein gezieltes Manual durch-
geführt werden müsste. Darüber hinaus scheinen keine weiteren Instruktio-
nen nötig zu sein.
Obwohl eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit seitens der Hausärzte er-
kennbar ist, ist fraglich, ob deren unmittelbarer Einbezug notwendig ist.
Häufig stellte sich heraus, dass die Hausärzte ohnehin regelmässige Labor-
kontrollen durchführen resp. der Klient bereit ist, eine Laborkontrolle durch-
führen zu lassen, wenn die letzte schon eine Weile her ist.
Es entsteht so eine grössere Selbstverantwortung des Klienten, die Ergeb-
nisse des Fragebogens selber umzusetzen.
Als Konsequenz sollten die Items 1.1 und 1.2 durch die Frage „letztes gros-
ses Labor: > / < 3 Monate“ ersetzt werden.
Der Umstand, dass das GepPsy
bei der Pflege keine neuen Erkenntnisse oder
Überraschungen brachte, und das viele als „ROT“ erkannten Themen vom
Klienten bereits bearbeitet wurden, weist auf die spezielle Situation der APP
hin:
Der Freiberufler ist sehr nah am Klienten, weiss um dessen Stärken und
Schwächen. Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass das GepPsy
im Alltag mit
jedem Klienten nicht zwingend sinnvoll ist. Sondern vielmehr als Assessmen-
51
tinstrument bei Neuklienten oder bei Bedarf, z.B. bei Klienten, die ihre Ge-
sundheit unrealistisch (zu gesund / zu krank) einschätzen.
Neben der schon erwähnten Korrektur (Laborwerte) drängt sich noch eine
weitere auf: In Wertschätzung der Eigeninitiative des Klienten sollte Raum
für eigene Ideen, schon in Angriff genommene Massnahmen und was als
nächstes zu tun ist geschaffen werden.
Durch die Individualisierung (losgelöst von bestimmten Strukturen) ist ein
flächendeckender Einsatz möglich und andere Dienste müssen vorrangig
nicht beigezogen werden. Abgesehen von der erwähnten Änderung und
dem spezifischen Manual braucht es keine Kurse oder weitere Tools.
Schlussfolgerung
Nachdem sich das GepPsy
im institutionell – ambulanten Rahmen (Ambulato-
rien, Tageskliniken) in der vorliegenden Form bewährt hatte (nicht zuletzt
weil alle benötigten Dienste wie Ärzte und Labor in der Nähe sind), benötigt
es für den Nicht - Institutionellen Rahmen (Spitex, freiberufliche APP) kleine-
re Anpassungen.
- Überarbeitetes Manual
- Aufheben der Items 1.1 und 1.2
- Einsetzen des Items „letztes Labor < /> 3 Monate
- Rubrik „schon erfasst und im Focus“
- „to do“ Liste
- Rubrik „Klientenvorschläge“
Dann wird es ein hilfreiches Tool im Assessment und im Gespräch mit Klien-
ten, die wenig selbstreflektiert, eigenverantwortlich oder initiativ sind.
Es ist aber auch zu bemerken, dass die gesundheitliche Situation der inner-
halb der APP betreuten von der zu Grunde liegenden Studie abweicht [1].
Die meisten somatischen Risiken sind erkannt, sowohl der Klient als auch
der Arzt respektive die Pflegefachperson beobachten und unterstützen die
Entwicklung.
52
Diese Erkenntnis darf aber nicht dazu führen, die somatische Situation zu
vernachlässigen, sondern gerade Instrumente wie das GepPsy
können uns
helfen, diesen Standard zu halten.
Literatur
1. Giananovits; Sahli; Bänziger, Abderhalden Gesundheitsförderungsprofil Psychi-atrie (GepPsy) – Ein Projekt zur körperlichen Gesundheit, Dreiländerkongress Pflege in der Psychiatrie, Kongressband 2012, S. 101 – 105
2. Sulin Bänziger, Dr. Christoph Abderhalden Benachteiligt: Werden psychisch Kranke anders behandelt? Heilberufe, November 2011, Volume 63, Issue 12, pp 14-16
53
10. Psychoedukation: Angst- und Panik-
Bewältigungsprogramm
Barbara Frey
Hintergrund
Angsterkrankungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen
und gehen oft einher mit einer Chronifizierung. Dies führt zu weiteren
schwerwiegenden Erkrankungen (Depression, Suchtprobleme, körperliche
Störungen, usw.), Problemen in sozialen Beziehungen und beruflichen Funk-
tionseinschränkungen. Neben dem hohen individuellen Leidensdruck der
Betroffenen können auch die sozialen Folgen gravierend sein. Aufgrund
dessen wurde an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich im Zentrum
für Depressionen, Angsterkrankungen und Psychotherapie im März 2014 ein
psychoedukatives Angst- und Panik-Bewältigungsprogramm implementiert.
Das eingeführte Programm basiert auf dem Manual von Alsleben et al.
(2004) „Psychoedukation Angst- und Panikstörungen“[1].
Nach einer mehrtägigen internen Fortbildung durch die Berner Fachhoch-
schule wurde eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe (Pflege, Ärztin) zusam-
mengestellt und das Programm als Einzel-Psychoedukation für den Bedarf
der psychotherapeutischen Station C0 für Frauen adaptiert. Daraus resul-
tierte ein Arbeitsordner mit allen nötigen Arbeitsunterlagen.
Psychoedukation
Die Psychoedukation ist eine pädagogisch-therapeutische (verhaltensthera-
peutische) Intervention und kann durch verschiedene Professionen ange-
wendet werden. Zumeist handelt es sich um ein strukturiertes Programm
mit Informationsvermittlung und Trainings zu einem umschriebenen Krank-
heitsbild oder Problem. Ziel der Psychoedukation ist es in erster Linie, dass
die Patientin das Krankheitsgeschehen besser versteht und positiv beein-
flussen kann. Der Fokus dieses Angst- und Panik-Bewältigungsprogramms ist
54
einerseits die Vermittlung von Informationen zur Entstehung und Aufrecht-
erhaltung von Angsterkrankungen sowie deren Behandlungsmöglichkeiten –
insbesondere der Selbsthilfe – und andererseits das Training zur besseren
Bewältigung der Krankheit. Die Wirksamkeit der Psychoedukation bei Angst-
und Panikstörung ist wissenschaftlich breit abgestützt und das Manual von
Alsleben [1] wird als ein ausgereiftes, mit dem Wissen vieler Experten ver-
sehenes, von Patienten akzeptiertes und in seiner Wirksamkeit überprüftes,
Selbsthilfe förderndes Programm angesehen.
Einzelpsychoedukation: Angst- und Panik-Bewältigung
Das Programm wird auf der Frauenstation C0 im stationären Rahmen Pati-
entinnen mit einer Angsterkrankung (Phobien & Panikstörungen) angeboten
und setzt eine Motivation zur Auseinandersetzung mit ihrer Erkrankung und
Übungsbereitschaft voraus.
Das Programm besteht aus den folgenden Therapiebestandteilen:
Die einzelnen Therapien werden durch ein interdisziplinäres Team (Pflege,
Ärztinnen, Psychologinnen, Bewegungs- und Ergotherapeutinnen) durchge-
führt. Das Therapie-Programm der Patientin wird zusätzlich durch individu-
elle weitere Therapien ergänzt.
Angeboten wird das Programm als Einzelpsychoedukation, weil es bei der
geringen Anzahl von Angst-Patientinnen auf einer Station nicht möglich
wäre, eine Gruppe zu bilden. Für die Durchführung werden ca. 4 Wochen
benötigt – abhängig von der Schwere der Erkrankung, Vorerfahrung und
Belastbarkeit der Patientin. Als Einstieg in die spezifische Angst-
Psychoedukation erstellt die Patientin ein persönliches Angst-Inventar sowie
55
eine Angst-Hierarchie und Zielliste. Anhand dieser Unterlagen und aufgrund
einer ersten Verhaltensanalyse wird gemeinsam mit der Patientin die The-
rapie-Planung vorgenommen und im Verlauf immer wieder abgesprochen.
Informationsvermittlung
Die Informationsvermittlung wird mit einem Intervall von 1-2x wöchentlich
(ca. 60 Min.) durchgeführt. Dieser theoretische Teil beinhaltet:
- Was ist Angst?
- Wie entstehen Angsterkrankungen?
- Welche Angsterkrankungen gibt es?
- Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
- Was kann man selber dagegen tun?
Dabei wird mit Arbeitsblättern und visuellen Hilfen basierend auf dem Ma-
nual/Ratgeber [1, 2] und eigenen Unterlagen als aktivierende Lerninhalte
gearbeitet. Wichtige Modelle, die während des gesamten Programms immer
wieder besprochen werden, sind: Angst-Teufelskreis, Angst-Intensitäts-
Skala, Stress-Modell, 10 goldenen Regeln, u.a.
Expositionstraining
Das Expositionstraining [1, 3] basiert auf der (kognitiven) Verhaltenstherapie
und bedeutet für die Patientin eine Konfrontation mit den angstauslösenden
Situationen. Die Angst kann nur reduziert werden, wenn neue Erfahrungen
gemacht werden können, d.h. die Angst muss durchlebt werden. Dabei
werden hauptsächlich Selbst-Expositionen eingesetzt, aber auch begleitete
Expositionen können indiziert sein. Die Expositionen sollten von der Patien-
tin möglichst täglich durchgeführt und jeweils mit der Therapeutin sorgfältig
vor- und nachbesprochen werden. Diese Besprechungen sind immer in Ver-
knüpfung mit den zugrundliegenden theoretischen Modellen.
Zur Dokumentation füllt die Patientin spezifische Übungsprotokolle aus und
wird angeleitet, mit deren Hilfe und Angstreaktionsanalysen zu Körper, Den-
56
ken, Fühlen, Verhalten ihre Krankheit besser zu verstehen und beeinflussen
zu können.
Entspannungstraining
Angststörungen gehen meistens einher mit einem chronisch erhöhten
Stressniveau und dadurch anhaltenden Spannungszuständen. Daher ist das
Erlernen von Entspannungstechniken ein weiterer wichtiger Faktor zur
Krankheitsbewältigung. Die Patientin nimmt in der Regel an der 2x wöchent-
lich stattfindenden stationsübergreifenden Entspannungsgruppe teil, wo
verschiedene Entspannungstechniken vermittelt werden – ein Angebot der
Bewegungs- und Physio-Therapie. Zudem wird die Patientin einzel zur Pro-
gressiven Muskelentspannung nach Jacobson (PMR) [4] angeleitet. Danach
gehört das tägliche Üben ebenfalls zum Therapieprogramm für die Patientin.
Hilfsmittel
Als Hilfsmittel für die Durchführung wird mit dem Manual von Alsleben et al.
[1] sowie dem davon abgeleiteten Arbeitsordner und den Arbeitsblättern
gearbeitet. Den Patientinnen wird der entsprechende Ratgeber von Rufer et
al. [2] empfohlen.
Als Grundhaltung wird eine offene, aktivierende Arbeitshaltung angestrebt.
In der Durchführung wird grossen Wert auf die Eigenverantwortung (Res-
sourcenorientierung) der Patientin gelegt und das Programm mit der Ausar-
beitung einer Selbstmanagement-Strategie beendet.
Der Nutzen der Einzelpsychoedukation auf der Station C0 wird mit einer Prä-
und Post-Einschätzung durch die Patienten und Therapeuten erfasst und
später auch anhand derer evaluiert.
Zu diesem Beitrag gibt es zusätzlich ein Poster.
Literatur
1. Alsleben, Heike et al. (2004). Psychoedukation Angst- und Panikstörungen. München: Urban & Fischer.
57
2. Rufer, Michael et al. (2011). Stärker als die Angst. Ein Ratgeber für Menschen mit Angst- und Panikstörung und deren Angehörige. Bern: Huber.
3. Hoffmann, Nicolas et al. (2008). Exposition bei Ängste und Zwängen. Praxis-handbuch. Weinheim: Beltz.
4. Schwarz, Anja et al. (2013). Progressive Muskelentspannung nach Jacobson. Stress abbauen – die Gesundheit stärken. München: BLV.
58
11. Rollenprofil der Advanced Practice Nurse Mental Health
Care (APN MHC)
Sonja Freyer, Günter Gantschig, Katrin Thissen, Peter Ullmann
Abstract
Im Rahmen der Weiterentwicklung, Akademisierung und somit Professiona-
lisierung der Pflege steht die Berufsgruppe der Pflegenden vor Schwellen,
Grenzen und Übergängen. Mit der Umsetzung des internationalen Ansatzes
von Advanced Practice Nursing leisten Pflegende einen Beitrag zu Übergän-
gen in der pflegerischen Versorgung.
Im Zentrum des Konzeptes Advanced Practice Nursing (APN) steht die hoch-
qualitative Versorgung der PatientInnen mit komplexen Bedarfen. Die Ad-
vanced Practice Nurses (APN´s) sind auf akademischen Master Niveau aus-
gebildete Pflegende [2]. Für den deutschsprachigen Raum erfolgte eine
Rollenentwicklung der Advanced Practice Nurse in Anlehnung an das Modell
von Hamric, Spross & Hanson [1] mit der Beschreibung von sieben Subrol-
len. Diese sieben Subrollen beinhalten die Beraterin, Expertin, Forscherin,
Praktikerin, Lehrerin, Leiterin und Vertreterin.
Fragestellung, Methode und Material
Um zu klären, welche unterschiedlichen Aufgaben und Aspekte die genann-
ten Subrollen der APN`s MHC im internationalen und nationalen Kontext
ausüben bzw. beinhalten wird eine systematische Literaturrecherche durch-
geführt.
Im Erhebungszeitraum Januar bis März 2014 werden in Datenbanken nach
englisch- und deutschsprachigen Artikeln, Projekten, Konzepten und Stu-
dien, die sich mit dem Thema Advanced Practice Nursing und Mental Health
Care in den vergangenen zehn Jahren beschäftigen, recherchiert.
Es erfolgt eine Auswertung der Literatur mit der Verknüpfung zu den defi-
nierten Rollenprofilen.
59
Ziel ist es, das Profil der Advanced Practice Nurses Mental Health Care auf
die konkreten Aufgaben und Handlungsfelder herauszuarbeiten, um die
Möglichkeiten und Chancen, die sich bei der Implementierung von APN
ergeben, sichtbar zu machen.
Erste Ergebnisse werden im April/Mai 2014 vorliegen und im Oktober 2014
auf dem Kongress präsentiert.
Literatur
1. Hamric, A. B.; Spross, J. A. & Hanson, C. M. (2009). Advanced nursing practice: An integrative approach (4th ed.). St.Louis: Elsevier.
2. International Council of Nurses, Advanced Practice Nursing Network (2002): Advanced Practice Definition. http://icn-apnetwork.org/
60
12. Qualität in der freiberuflichen ambulanten psychiatrischen
Pflege: Eine besondere Herausforderung für Pflegefach-
personen
Béatrice Gähler-Schwab
Hintergrund
Jede Pflegefachperson, die freiberuflich ambulante psychiatrische Pflege
anbietet, hat eigene für sich definierte Qualitätsmerkmale, die sie in den
Alltag einbringt. Sie geht davon aus, dass genau diese Merkmale richtig und
fachlich abgesichert sind. Im besten Fall ist ein schriftliches Konzept verfasst
worden, welches die Handlungsweise und die Haltung in der psychiatrischen
Pflege abstützt. Jedoch lässt sich Qualität nicht einfach mit einem Konzept
erfassen und zudem würde ein solches nichts über Fachlichkeit oder Ent-
wicklungsbereitschaft der Pflegefachperson aussagen.
Hört man sich in der Pflegelandschaft bei den freiberuflichen Pflegefachper-
sonen um, wird deutlich, dass es als mühsam und schwierig empfunden
wird, dass ausgerechnet die Krankenkassen eine Überprüfung der erbrach-
ten Leistungen fordern. Einerseits gehe es da vor allem um Kosten, die zu-
gunsten des Klienten eingespart werden, andererseits können die Kranken-
kassen nicht beurteilen, was der Klient braucht.
Leider vergessen freiberuflich tätige Pflegefachpersonen häufig, dass sie sich
verpflichtet haben, die Qualität ihrer Leistungen auszuweisen. Qualität wur-
de bis ende 2013 sehr individuell angeschaut und interpretiert.
2014 kommt eine neue Herausforderung auf die Pflegenden zu. Basierend
auf festgelegten Qualitätsnormen, soll die Pflegefachperson ihre Tätigkeit
weiterentwickeln um den geforderten Anforderungen gerecht werden.
Dieses hohe Ziel löst bei Pflegefachpersonen grosse Angst und Unsicherhei-
ten aus. Aktuell ist es für viele nicht nachvollziehbar, dass ein Qualitätspro-
gramm wichtig zur Überprüfung der eigenen Pflege-Qualität ist. Die Einfüh-
61
rung eines einheitlichen Verständnisses von Qualität ermöglicht freiberufli-
chen psychiatrischen Pflegefachpersonen in der Zukunft wichtige Schritte in
der Entwicklung der Psychiatrischen Pflege und dient auch stationär tätigen
als Wegweiser, wenn es darum geht, eine qualifizierte Pflegefachperson zur
Nachbetreuung zu finden.
Zielsetzung
Aufzeigen, dass die freiberufliche psychiatrische Pflege sich mit Qualität
auseinander setzt und diese Veränderungen sich positiv für die ambulante
psychiatrische Pflege auswirken kann. Vor allem, wenn es darum geht, wei-
tere optimierte Zusammenarbeit zu fördern.
Vorgehen
Referat
Schlussfolgerungen
Unsicherheiten und Grenzen können überwunden werden, aber erst dann,
wenn ambulant tätigen Pflegefachperson bewusst wird, dass die Auseinan-
dersetzung mit Qualität unumgänglich ist und eine Weiterentwicklung in-
nerhalb der Pflegelandschaft nur so möglich wird.
62
13. Vielfalt und Übergänge gestalten – Anforderungen an die
Personalentwicklung in der Psychiatrie
Wolfram Gießler
Hintergrund
Personalentwicklung bedeutet, über Bildung, Förderung und Arbeitsgestal-
tung die Ziele eines Unternehmens mit der persönlich-beruflichen Entwick-
lung der Mitarbeiter zu verbinden. Lernen wird so zur Klammer für die Or-
ganisationsentwicklung und die persönliche Entwicklung für Mitarbeiter in
der Psychiatrie. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird das
Thema „Vielfalt und Übergänge“ immer bedeutsamer. Die Altersgruppe der
45- 55jährigen („Babyboomer Generation“) macht zunehmend den größten
Teil der Beschäftigten in Kliniken aus [1]. Ab 2018 wird der Eintritt dieser
Altersgruppe in den Ruhestand stetig wachsen. Erfahrungswissen wird damit
in vielen Arbeitsbereichen verloren gehen, wenn es nicht systematisch gesi-
chert wird. Auf diese wachsende Zahl älterer Beschäftigte treffen jüngere
Beschäftigte mit Erwartungen an ihre berufliche Entwicklung, welche Offen-
heit, Flexibilität, Sinn und Spaß in der Arbeit ermöglichen sollen. Ebenso
wird die soziokulturelle Prägung der Mitarbeiter vielfältiger, allein durch die
Fülle von Migrationserfahrungen, die jüngere Bevölkerungsgruppen mit-
bringen [2]. Die mittleren Altersgruppen zwischen 35 und 44 Jahren stehen
häufig vor der Herausforderung, wie sie Familie und Arbeit miteinander
vereinbaren können. Dies zeigt: eine Personalentwicklung, die sich in erster
Linie auf ein jährliches Mitarbeitergespräch und ein innerbetriebliches Fort-
bildungsprogramm konzentriert, wird den Anforderungen aus wachsender
Vielfalt und veränderter Altersstruktur nicht gerecht. Notwendig ist eine
Personalentwicklung, die Talente entdeckt und fördert, Kompetenzen defi-
niert und entwickelt und daraus Bedarfe ableitet, die durch ein ermöglichtes
integriertes Lernen in der psychiatrischen Arbeit gedeckt werden. Bezugs-
punkte für eine solche Talent- und kompetenzbasierte Personalentwicklung
63
sind die Strategie des psychiatrischen Trägers, die konkreten Veränderungen
der Altersstruktur und der soziokulturellen Differenzierung der Beschäftig-
ten (Diversity), die Laufbahngestaltung, die Förderung der Arbeitsfähigkeit
und die Work-life-Kompetenz.
Projektbeispiel
Am Beispiel eines durchgeführten Projekts in mehreren psychiatrischen
Kliniken des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) wird aufgezeigt,
wie diese Form der Personalentwicklung aussehen kann. Zunächst wurden
in den Kliniken die Kompetenzen bestimmt, die für die Klinik und ihre ein-
zelnen Fachabteilungen entscheidend für die psychiatrische Versorgung
sind. Als Ergebnis liegen Kompetenzprofile vor, die operationalisierte fach-
lich-methodische, sozial-kommunikative und personale Kompetenzen ent-
halten. Anhand der Kompetenzprofile gab es in jedem Team eine Selbstein-
schätzung im Rahmen einer strukturierten Qualifizierungsbedarfsanalyse,
die von dafür eigens geschulten Moderatoren aus der Klinik mit dem Team
durchgeführt wurden. Die Ergebnisse der Selbsteinschätzung ergaben einen
großen Bedarf für Handlungswissen im Umgang mit Patienten bei verschie-
denen Krankheitsbildern, Umgang mit belastenden Situationen im Team,
Gestaltung von Veränderungen im Team, Kommunikation, Feedback, und
Konfliktlösungen im Team. Gleichzeitig wurde in der Auswertung der Stär-
ken eine Fülle von Expertisen und hochwertigem Erfahrungswissen einzelner
Mitarbeiter und ganzer Teams sichtbar, die in dieser Form in der Klinik noch
nie erfasst wurden.
Um die ermittelten Bedarfe zu decken und Ressourcen weiter zu nutzen,
wurde das Konzept der Lernpartnerschaft entwickelt, dass zwischen einzel-
nen Mitarbeitern und Teams durchgeführt wurde. Inhalte der Lernpartner-
schaft umfassten Austausch und Anleitung bei spezifisch therapeutischen
Verfahren, Hospitationen oder Erfahrungsaustausch zwischen älteren und
jüngeren Mitarbeitern. Zur Unterstützung bei evtl. Lernblockaden und zur
Ergebnissicherung wurden die Lernpartnerschaften durch einen Coach be-
gleitet.
64
In allen Teams wurden Teamentwicklungsmodule von externen Trainern
und klinikinternen Moderatoren durchgeführt. In der Evaluation mit Befra-
gung und Workshops konnte nachgewiesen werden, dass Mitarbeiter aus
diesem Ansatz der Personalentwicklung einen hohen Nutzen für ihre tägli-
che Arbeit ziehen.
Projektergebnisse
In den drei Kliniken ist in allen Abteilungen mit den Teams jeweils eine QBA
durchgeführt worden, auf deren Grundlage teaminterne Lern- und Verände-
rungsprozesse initiiert wurden. So konnten viele ermittelte Bedarfe in den
Teams selbst durch arbeitsplatznahe Lernformen wie Anleitung, Fallbespre-
chungen, Lernpartnerschaften, teaminterne Fortbildungen abgedeckt wer-
den. Auf diese Weise wurde die Verantwortung der direkten Leitung für
Maßnahmen der Personal- und Teamentwicklung gestärkt. Die QBA wurde
in den Rückmeldungen von den Mitarbeitern als hilfreiche Unterstützung für
die Reflexion des Zusammenspiels von Aufgaben, Kompetenz und Zusam-
menarbeit im Team erlebt. Andererseits wurden durch die QBA auch Prob-
leme und Konflikte im Team sichtbar und manchmal erstmals ausgespro-
chen, was die weitere Bearbeitung dieser Konflikte oft erst ermöglichte.
Es liegen klinikspezifische Kompetenzkataloge vor, mit denen Kompetenz-
profile erstellt wurden, die sowohl für die Personalauswahl wie auch für die
Mitarbeitergespräche genutzt werden können. In einer Klinik wurde in der
Abteilung Sucht und Rehabilitation ergänzend untersucht, welchen Stellen-
wert einzelne Kompetenzen für die Arbeit haben. Demnach haben aus Sicht
der Beschäftigten folgende Kompetenzen den höchsten Stellenwert (> 97 %)
für ihre Tätigkeit:
- Einfühlungsvermögen
- Kommunikationsfähigkeit
- Normativ-ethische Einstellung
- Organisationsfähigkeit
- Beurteilungsvermögen
65
Bei den folgenden Kompetenzen sahen 20 % und mehr der Befragten Unter-
stützungsbedarf:
- Belastungsfähigkeit
- Ganzheitliches Denken
- Organisationsfähigkeit
- Konfliktfähigkeit
- Beziehungsfähigkeit
In der Abteilung werden aktuell die Ergebnisse auf der Leitungsebene bera-
ten und Maßnahmen zur Förderung der Kompetenzen mit Unterstützungs-
bedarf entwickelt. Insgesamt sind die Fort- und Weiterbildungsangebote
durch die QBA und die Kompetenzdefinitionen stärker am Bedarf der Klinik
und der persönlich-beruflichen Entwicklung der Mitarbeiter orientiert, was
sich in einer erhöhten Teilnahme, gerade auch älterer Beschäftigter nieder-
schlägt.
Ausblick und Verstetigung der Projekte
In den drei Kliniken sind mit den Projekten Strukturen für eine bedarfsge-
rechte, einrichtungsspezifische Qualifizierungsplanung und –angebotsform
geschaffen worden. Insbesondere das Verfahren der QBA kann bei einer
kontinuierlichen Anwendung flexibel für Veränderungsprozesse in Abteilun-
gen, bei personellen Veränderungen oder auch prospektiv für zukünftig zu
erwartende Anforderungen eingesetzt werden. Vor dem Hintergrund des
PEPP können mit der QBA die Lernbedarfe bei angestrebten Aufgabenver-
änderungen flexibel und passgenau sowohl für Mitarbeitergruppen, als auch
von einzelnen Abteilungen ermittelt werden. Leitungen können mit ihren
Teams gemeinsam überprüfen, ob die durchgeführten Lern- und Fortbil-
dungsangebote zu den gewünschten Veränderungen geführt haben. Team-
übergreifende Bedarfe geben der Qualifizierungsplanung eine klinik- und
praxisorientierte Kontur, die dort ansetzt, wo neues Wissen, Können und
Kompetenz auch tatsächlich gebraucht wird. Die Kompetenzprofile können
66
weiter für die Umsetzung des Mitarbeitergesprächs genutzt oder auch Ori-
entierung für die Personalauswahl geben.
Die drei Kliniken sind aktuell in der Planungs- und Entscheidungsphase, wie
die Methoden und Projektstrukturen für eine nachhaltige Organisation und
Verantwortung für die Personalentwicklung in der Klinik gesichert werden
können. Für den Träger und den Personalrat bieten sich hier gute Anknüp-
fungspunkte, die Projekte für die grundlegende Konzeption und Umsetzung
einer trägerweiten Personalentwicklung zu nutzen.
Literatur
1. Gießler, W., Scharfenorth, K.; Winschuh, T.(2013):
2. Aktive Personalentwicklung im Krankenhaus. Grundlagen und Praxis der Aufga-benbezogenen Qualifizierungsbedarfsanalyse. Kohlhammer, Stuttgart.
67
14. Neue Erkenntnisse aus EX-IN Weiterbildungen in der
Schweiz: Evaluation der zwei Studiengänge an der Fach-
hochschule
Anna Hegedüs, Stefanie Bachnick, Regine Steinauer
Hintergrund
In Deutschland schon weit verbreitet, fand in der Schweiz zwischen 2012
und 2014 der Weiterbildungsstudiengang Experienced Involvement (EX-IN)
zum zweiten Mal an der Berner Fachhochschule Gesundheit statt. Der Kern-
punkt der EX-IN-Ausbildung ist der Austausch über Krisen- und Bewälti-
gungserfahrungen, über Empowerment und Recovery, auf dessen Basis
Erfahrungswissen entwickelt wird [1]. EX-IN hat zum Ziel, Betroffene für die
Tätigkeit als „Experte/Expertin durch Erfahrung“ systematisch vorzuberei-
ten.
Der Pilotstudiengang 2010 in Bern wurde als erste EX-IN-Weiterbildung
systematisch und wissenschaftlich evaluiert und lieferte wichtige Daten zu
den Auswirkungen von EX-IN auf die Studierenden. Die Ergebnisse verdeut-
lichen zum Beispiel, dass sich die berufliche Situation der AbsolventInnen
ein Jahr nach Abschluss deutlich verbesserte. 75% der Teilnehmenden hat-
ten ein Jahr nach dem Studiengang eine Teilzeit-Anstellung in einer psychi-
atrischen Institution in der Rolle eines Experten/Expertin durch Erfahrung
[2].
Aufgrund der Erfahrungen aus dem Pilotstudiengang wurde die Weiterbil-
dung EX-IN 2012 strukturell leicht angepasst. Zum Beispiel wurde die Dauer
der Weiterbildung um ein halbes Jahr verlängert, so dass mehr Zeit zwischen
den Modulen für die Verarbeitung der Themen zur Verfügung stand. Um
weitere Veränderungen bei den Teilnehmenden festzustellen, wurde die
neue EX-IN Weiterbildung erneut evaluiert.
68
Fragen
- Verändern sich Lebensqualität, Gesundheitszustand, Recoveryorientie-
rung, Stigmaresistenz, Selbstbeobachtung, Selbstwirksamkeit und Hoff-
nung während der Teilnahme am Weiterbildungsstudiengang?
- Welche beruflichen Perspektiven erarbeiten die Studierenden während
des Studiengangs und wie unterscheiden sich diese von jenen der Stu-
dierenden des Weiterbildungsstudiengangs von 2010?
Methode
Die Evaluation des Weiterbildungsstudiengangs EX-IN erfolgte in einer Kom-
bination quantitativer und qualitativer Erhebungsmethoden (Mixed-
methods-Ansatz), die an die Evaluation des Pilotstudienganges 2010 ange-
passt war. Neben einer schriftlichen Befragung zu zwei verschiedenen Zeit-
punkten (vor Beginn t1 und nach Abschluss des Studiengangs t2) fanden
zwei Fokusgruppen-Interviews mit den Teilnehmenden statt. Außerdem
wurden die Praktika seitens der Institutionen und der EX-IN Studierenden
schriftlich evaluiert.
Zu den standardisierten Fragebögen gehörten die RAS (Recovery Assess-
ment Scale) zur Erfassung der Recoveryorientierung, die Subskala „Stigma-
resistenz“ des ISMI (Internalized Stigma of Mental Illness Inventory), das SF-
12 (ein Fragebogen zum allgemeinen Gesundheitszustand) und der FERUS
zur Erfassung von Selbstbeobachtung, Selbstwirksamkeit und Hoffnung. Die
individuelle Lebensqualität (LQ) wurde mit dem SEIQoL-Fragebogen erfragt.
Dabei identifizierten die Studierenden in geleiteten Gruppengesprächen
jene Bereiche, die für ihre Lebensqualität am bedeutendsten waren und
schätzten deren momentane Erfüllung/Zufriedenheit ein. Ein selbst entwi-
ckelter Fragebogen erhob zudem demografische Daten sowie Informationen
zu Beschäftigung und Einkommen.
Die quantitativen Daten der Fragebögen wurden mittels Excel und SPSS 17
erfasst und deskriptiv ausgewertet. Die Textantworten sowie die Fokus-
gruppengespräche wurden qualitativ mittels eines kategorisierenden Ver-
69
fahrens durch drei Mitarbeitende der Abteilung Forschung & Entwicklung
der UPD Bern und UPK Basel ausgewertet.
Ergebnisse
18 von 24 Studierenden (75%) haben den EX-IN Studiengang abgeschlossen.
Zum Zeitpunkt t1 retournierten 18 Personen die Fragebögen, zum Zeitpunkt
t2 waren es 16.
Lebensqualität
Die Lebensqualität wurde durchschnittlich recht hoch eingeschätzt (62 auf
einer Skala von 0-100), veränderte sich aber während dem Studiengang
nicht. Häufig genannte Bereiche, die für die individuelle Lebensqualität
wichtig sind, waren soziale Beziehungen, Wohnen und Freizeit/Hobby. Wäh-
rend die Studierenden vor der Weiterbildung vor allem die Gesundheit als
wichtigen Bestandteil der Lebensqualität nannten, gaben sie am Ende des
Studiengangs deutlich häufiger Beruf/Beschäftigung an.
Gesundheitszustand, Recovery, Stigmaresistenz
Die psychische und körperliche Gesundheit sowie die Recoveryorientierung
verbesserten sich während der Weiterbildung leicht, aber nicht signifikant.
Signifikant besser schätzten die Studierenden ihre Stigmaresistenz ein.
Max. MW t1 MW t2 p-wert
Körperliche Gesundheit 100 52.2 54.4 0.23
Psychische Gesundheit 100 42.9 44.4 0.69
Recovery 120 91 93.5 .213
Stigmaresistenz 20 14.1 16.9 .014
Tabelle 1: Mittelwertvergleich der Fragebögen SF12, RAS und ISMI
70
Selbstbeobachtung, Selbstwirksamkeit, Hoffnung
Die Einschätzungen der Selbstbeobachtung, Selbstwirksamkeit und Hoff-
nung veränderten sich kaum und nicht signifikant während der Weiterbil-
dung.
Max. MW t1 MW t2 p-wert
Selbstbeobachtung 35 29.4 28.4 .552
Selbstwirksamkeit 45 29.8 28 .358
Hoffnung 50 36.9 35.6 .676
Tabelle 2: Mittelwertvergleiche des Fragebogens FERUS
Vergleiche mit dem Studiengang von 2010 erbrachten ebenfalls keine signi-
fikanten Ergebnisse. Die Werte der Studierenden beider Studiengänge ver-
änderten sich ähnlich in den Bereichen körperliche/psychische Gesundheit,
Selbstwirksamkeit, Hoffnung und Selbstbeobachtung.
Berufliche Perspektiven
Die Frage nach der beruflichen Perspektive wurde vor und nach der Weiter-
bildung gestellt. Vor Beginn wollten 72% der Studierenden eine geringfügige
Stelle (weniger als 50% Beschäftigungsgrad) in der Rolle eines Peers erlan-
gen. Nach Abschluss sank dieser Wert auf 38%. Die Anzahl der Studieren-
den, die eine Anstellung von mehr als 50% anstrebten, änderte sich nur
geringfügig. Große Unterschiede zeigten sich bei der aktuellen Beschäfti-
gungssituation und dem hauptsächlichen Einkommen. Nach Abschluss war
eine höhere Anzahl Personen angestellt (17% vs. 25%) oder erwerbstätig
(33% vs. 50%) und bei einer Mehrzahl an Studierenden stellte der Lohn das
hauptsächliche Einkommen dar (17% vs. 44%).
71
Diskussion und Schlussfolgerungen
Die signifikante Erhöhung der Stigmaresistenz lässt sich durch die intensive
Auseinandersetzung mit der eigenen psychischen Erkrankung während des
Studienganges erklären. Dabei lag der Fokus neben der individuellen Ent-
wicklung (ICH) vor allem auch am WIR-Erleben der Studierenden.
Die anfänglich hohe Erwartung, eine geringfügige Stelle nach Abschluss von
EX-IN zu erhalten, hat sich während der Weiterbildung relativiert. Diejenigen
Studierenden, welche eine Peeranstellung anstrebten, haben diese jedoch
direkt nach Abschluss des Studienganges gefunden. Dies war beim Pilotstu-
diengang im Jahre 2010 noch nicht der Fall [2]. Es zeigt sich, dass in den
vergangenen Jahren eine Entwicklung hin zu einer Etablierung von Peers in
der psychiatrischen Versorgung erfolgt ist. Die Auswirkungen und der Nut-
zen davon muss in weiteren Forschungsprojekten erwiesen werden.
Die berufliche Situation spiegelt sich auch in den Bereichen der individuellen
Lebensqualität der Studierenden wider. Die Arbeit/Beschäftigung ist bei
vielen ein Teil der Lebensqualität geworden und hat an Bedeutung gewon-
nen.
Literatur
1. Utschakowski, J., EX-IN-Ausbildungen: Experienced Involvement – Pro & Kontra. Psychiatr Prax, 2012. 39(5): p. 202.
2. Hegedüs, A. and R. Steinauer, Auswirkungen der EX-IN Weiterbildung auf die Studierenden und ihre berufliche Situation, in "Blick zurück und nach vorn" Zu-rückgehen um besser springen zu können. 10 Jahre Praxis, Management, Ausbil-dung und Forschung, S. Hahn, et al., Editors. 2013, Berner Fachhochschule, Fachbereich Gesundheit, Forschung & Entwicklung / Dienstleistung Pflege: Bern. p. 130-135.
72
15. Soteria-Elemente in der stationären psychiatrischen
Pflichtversorgung
Bruno Hemkendreis, André Nienaber
Hintergrund
Der aus dem griechischen stammende Begriff Soteria bedeutet übersetzt so
viel wie Rettung oder Bewahrung, und beschreibt ein alternatives therapeu-
tisches Behandlungsangebot, dass in den USA von Mosher und Menn in den
1970 Jahren begründet wurde [1]. Die Idee für das Soteria-Konzept geht auf
die zahlreichen Versuche zur Entwicklung alternativer therapeutischer und
gemeindenaher Angebote für Menschen mit der Diagnose Schizophrenie in
den späten 1960 und frühen 1970 Jahre zurück [2]. Im Zentrum des Konzep-
tes stehen u. a. die subjektiven Erfahrungen der Personen in ihrer Psychose
und eine Begleitung in der Entwicklung eines Verständnisses davon durch
„dabei sein“ (being with) und „gemeinsames Tun“ (doing with) [2,3].
Problemstellung
Lässt sich der Soteria- Gedanke auf psychiatrische Akutstationen mit regio-
naler Pflichtversorgung übertragen? Ist das in den1970er Jahren entwickelte
Konzept noch zeitgemäß?
Ziele
Erfahrungsbericht über eine Akutstation mit integrierten Soteria – Elemen-
ten.
Ergebnisse / Erfahrungen
Erste Erfahrungen mit der Soteria bzw. der Integration von Soteria-
Elementen liegen im LWL-Klinikum Gütersloh schon mehr als 15 Jahre zu-
rück [1]. Das ehemalige Fritz-Leßner-Haus II war als psychiatrische Akutsta-
tion bis 2004 im LWL Klinikum Gütersloh zuständig für die regionale Pflicht-
73
versorgung für den Kreis Herford. Die konzeptionelle Ausrichtung der Stati-
on war davon geprägt, möglichst viele Soteria- Elemente zu integrieren.
Neben Faktoren wie konsequenter Bezugspflege von Beginn der Behand-
lung, personelle Kontinuität, offensives Angebot von Behandlungsvereinba-
rungen, Einbeziehung der Angehörigen und des sozialen Umfeldes und mög-
lichst offener Stationstür, war die therapeutische Haltung ein wichtiger
Behandlungsaspekt. „Soteria beginnt im Kopf“. Zentrale Behandlungsmerk-
male stellen dabei sein, Hoffnung, Zuversicht und positive Zukunftserwar-
tungen vermitteln, aber auch authentische Beziehungsangebote dar. Zusätz-
lich wurde versucht, das therapeutische Milieu der Station so zu gestalten,
dass die Patienten sich wohlfühlen, deren Ängste und Unsicherheiten mini-
miert und notwendige Regeln tatsächlich verstanden werden.
Diskussion
Sehr deutlich wurde in dem Projekt, dass der Ansatz nur funktioniert, wenn
die Hierarchien flach gestaltet sind und die Teammitglieder der verschiede-
nen Berufsgruppen bei unterschiedlichen Aufgaben gleichberechtigt zu-
sammenarbeiten. Nur so kann auch eine Beziehung „auf Augenhöhe“ mit
den Patienten funktionieren.
Schlussfolgerung
Der Soteria- Ansatz ist nach wie vor absolut aktuell und komplettiert hervor-
ragend neuere Konzepte wie Recovery, Empowerment oder Adherence [4].
Literatur
1. Kroll, B. (1998). Mit Soteria auf Reformkurs – Ein Alternativprojekt bewegt die Akutpsychiatrie. Gütersloh: Verlag Jakob von Hoddis
2. Calton, T.; Ferriter, M.; Huband, N. & Spandler, H. (2008). A Systematic Review of the Soteria Paradigm for the Treatment of People Diagnosed With Schizo-phrenia. Schizophrenia Bulletin, 34 (1), 181-192.
3. Ciompi, L. & Hoffmann, H. (2004). Soteria Berne: an innovative milieu therapeu-tic approach to acute schizophrenia based on the concept of affect-logic. World Psychiatry, 3(3), 140-146.
74
4. Hemkendreis, B. (2012). ›Behandeln, wie ich selbst behandelt werden möchte‹ Soziale Psychiatrie, 4, 16-18.
75
16. Pflegerische Interventionen bei suizidgefährdeten Men-
schen in der Psychiatrie – Eine Übersicht der Empfehlun-
gen aus bestehenden Leitlinien
Susanne Hirschi, Manuela Grieser-Kozel, Anna Hegedüs, Stefan Kunz, Bernd
Kozel
Hintergrund
Suizide und Suizidversuche gehören international zu den grössten Gesund-
heitsproblemen. In der Schweiz nehmen sich beispielsweise jährlich etwa
1300 Menschen das Leben. Dabei sind die Suizidraten bei Menschen mit
einer psychischen Erkrankung im Vergleich zur Gesamtbevölkerung wesent-
lich höher. Die Begleitung von suizidalen Menschen stellt somit eine häufige
Praxissituation für Pflegepersonen in der Psychiatrie dar, die sehr an-
spruchsvoll ist und ein hohes Mass an Verantwortung erfordert.
Suizidale Menschen befinden sich meist in einer Krise, in der sie Verzweif-
lung, Hoffnungslosigkeit, Selbsthass, psychische Schmerzen und Ausweglo-
sigkeit erleben. Eine Erfahrung, die als so unerträglich empfunden werden
kann, dass einzig der Suizid als „erlösende“ Handlung bleibt.
Psychiatrische Pflegepersonen benötigen für die Zusammenarbeit mit suizi-
dalen Menschen neben Erfahrung und Intuition auch aktuelles Fachwissen.
Dies ist eine wesentliche Voraussetzung, um mit Hilfe interdisziplinärer Kon-
zepte und Instrumente, suizidale Menschen betreuen zu können.
Aktuelles und anerkanntes Fachwissen zu spezifischen Themen der Gesund-
heitsversorgung ist beispielsweise in sogenannten Leitlinien zu finden. Leit-
linien sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für bestimmte
Krankheiten (z.B. Schizophrenie) oder Phänomene (Sturz, Suizidalität) des
klinischen Alltages.
76
Unsere Untersuchung verfolgt das Ziel, eine Übersicht der Massnahmen zur
sekundären und tertiären Suizidprävention zu geben, die in klinischen Leitli-
nien empfohlen werden.
Fragestellung
Welche Interventionen empfehlen Leitlinien für den Umgang mit akut sui-
zidgefährdeten Patienten in der Psychiatrie (Sekundärprävention)?
Welche Interventionen empfehlen Leitlinien für den Umgang mit Suizidalität
nach einem Suizidversuch oder einer akuten suizidalen Krise (Tertiärpräven-
tion)?
Methode und Material
Zur Beantwortung der beiden Fragestellungen werden wir zunächst eine
systematische Literaturrecherche in verschiedenen Datenbanken durchfüh-
ren. Danach werden wir die Recherche auf das World Wide Web und die
Literaturverzeichnisse der zuvor gefundenen Leitlinien ausweiten. Einge-
schlossen werden alle Leitlinien, die sich auf das Thema Suizidgefährdung
beziehen und die in Englisch oder Deutsch verfasst sind. Ausgeschlossen
werden Leitlinien, die für Kinder und Jugendliche entwickelt wurden (Ziel-
gruppe unter 18 Jahren).
Eingeschlossene Leitlinien werden von uns zunächst hinsichtlich ihrer Quali-
tätsstufe nach dem System der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen
Medizinischen Fachgesellschaft (AWMF) klassifiziert.
Im nächsten Schritt führen wir eine Qualitätsbeurteilung der einzelnen Leit-
linien mit dem Bewertungsinstrument DELBI durch. Die Qualitätsbeurteilung
wird mindestens von zwei Personen unabhängig voneinander durchgeführt,
am Ende wird ein Konsens über die beurteilte Qualität der einzelnen Leitli-
nien gebildet.
Die Empfehlungen aus den verschiedenen Leitlinien in Bezug auf die zwei
Fragestellungen werden zusammengefasst und in einer Tabelle übersichtlich
dargestellt.
77
Ergebnisse
Die Ergebnisse werden im Rahmen des Vortrages am Dreiländerkongress in
Bern präsentiert.
Diskussion und Schlussfolgerung
Die Ergebnisse werden kritisch vor dem Hintergrund der Qualitätsstufen und
der Qualitätsbeurteilungen der Leitlinien mit dem Instrument DELBI disku-
tiert. Daraus werden Schlussfolgerungen für die klinische Praxis abgeleitet.
78
17. Skill und Grademix der Schweizer Psychiatrie - Bestands-
aufnahme 2013
Peter Ullmann, Manuela Grieser Kozel, Günter Gantschnig, Gerda Malojer,
Sven Hoffmann, Eduard Felber
Hintergrund und Fragestellung
In den psychiatrischen Institutionen der Schweiz ist – spätestens seit Einfüh-
rung der FaGe-Ausbildung im 2002 – der Einsatz von Pflegepersonen mit
unterschiedlichen Ausbildungen (Grades) und Fähigkeiten (Skills) ein wichti-
ges Thema. Als Skill- und Grademix wird das Verhältnis von Personalqualifi-
kationen, Kompetenzlevel, Fähigkeiten, Fachwissen und Erfahrungen ver-
standen, welches nötig ist, um einen angestrebten Standard von Pflegequa-
lität zu erreichen [1; 2]. Dabei geht es um den Einsatz von Pflegefachperso-
nen mit verschiedenen Abschlüssen wie FaGe- oder HF-Ausgebildete Pfle-
gende, als auch um den Einsatz Pflegender mit Weiterbildungen auf Fach-
hochschulebene wie CAS, DAS und MAS oder Zusatzausbildungen wie Ba-
chelor oder Master.
Bisher gibt es in der Schweiz noch keine systematische Erhebung, wie der
Stand der Entwicklung im Bereich Skill- und Grademix ist, in welcher Form
dieser umgesetzt, oder welche Methodik bei der Konzeptumsetzung ange-
wandt wird. Mit der vorliegenden Untersuchung soll die Wissenslücke an-
hand einer Bestandsaufnahme an schweizer Psychiatrien verringert werden.
Hierzu wurde folgenden Fragestellungen nachgegangen:
- Wie sind die verschiedenen Qualifikationen (Grades) in den psychiatri-
schen Kliniken der Schweiz verteilt?
- Welche Aktivitäten zum Thema Skill- und Grademix werden in psychiatri-
schen Kliniken der Schweiz durchgeführt? Welches methodische Vorge-
hen wird dabei verwendet?
79
- Welche Bedeutung wird dem Thema Skill- und Grademix für die zukünf-
tige Gesundheitsversorgung gegeben?
Methode und Material
Methode
Eine telefonische Umfrage mit Hilfe eines halbstrukturierten Fragebogens
wurde im Zeitraum von September 2012 bis April 2013 durchgeführt. Mit-
tels Fragebogen wurden qualitative und quantitative Daten erhoben.
Rekrutierung und Stichprobe
Die Arbeitsgruppe Skill- und Grademix bildete sich bestehend aus Pflegewis-
senschaftlern der Akademischen Fachgesellschaft Psychiatrische Pflege des
Vereins für Pflegewissenschaften (VFP) und einem Pflegedirektor der Konfe-
renz Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren Psychiatrischer Institutionen
der Schweiz (KPP). In Kooperation mit der KPP, die von der Arbeitsgruppe
über Ziele, Durchführung und Hintergrund der Untersuchung informiert
wurde, benannten die Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren innerhalb
ihrer Organisation Expertinnen und Experten, welche für die Umfrage ange-
fragt werden konnten. Von den 39 angefragten Personen erklärten sich 32
zu einem Telefoninterview bereit. Als Experten gelten Fachpersonen, welche
Erfahrung mit der Projektplanung und Implementierung von Skill- und
Grademixkonzepten haben. Pro Institution wurde ein Experteninterview
durchgeführt. Von den 32 Teilnehmern arbeiten 9 in einer Privatklinik und
20, in einer öffentlich-rechtlich geführten Klinik. Drei machten dazu keine
Angaben. Bei 25 Kliniken wurde die Pflegedienstleitung bzw. Pflegedirekto-
rIn interviewt, bei einer Klinik eine Bereichsleitung, bei drei Kliniken ein(e)
Pflegeexperte/In, einmal eine Pfledienstleitung zusammen mit dem Pflege-
experten, bei zwei Befragten ist die Funktion nicht bekannt.
80
Datenerhebung
Die Interviews wurden in deutscher, französischer und italienischer Sprache
durchgeführt und dauerten 20-30 Minuten. Als Basis diente ein halbstruktu-
rierter Fragebogen mit 16 Items. Da es für unsere Fragestellungen kein ent-
sprechendes Instrument gibt, wurde der Fragebogen in der Projektgruppe
entwickelt und durch Expertendiskussion innerhalb der Akademischen Fach-
gesellschaft angepasst. Der Fragebogen setzt sich aus drei Teilen zusammen:
Im Teil A wurde die Verteilung von Grades in den Institutionen erfasst. Im
Teil B wurde die Methodik beim Implementieren von Skill- und Grademix
erfragt und im Teil C wurde nach der Bedeutung von Skill- und Grademixes
in der psychiatrischen Versorgung gefragt. Der Fragebogen wurde den Inter-
viewpartnern im Voraus zugesandt.
Datenaufbereitung und Analyse
Die Daten des halbstrukturierten Fragebogens wurden in Excel 2010 und
SPSS Statitics 21 eingegeben und mittels üblicher deskriptiver statistischer
Verfahren analysiert. Die qualitativen Daten wurden transkribiert und inhalt-
lich zusammengefasst.
Ergebnisse
Wie sind die verschiedenen Qualifikationen (Grades) in den psychiatrischen
Kliniken der Schweiz verteilt?
Von den Gesamtstellenprozent im Pflegebereich aller 32 teilnehmenden
Kliniken fällt bei den Grades, welche man im Ausbildungsbereich erwerben
kann, die Mehrheit auf Pflegefachpersonen mit Höherer Fachausbildung HF
(72%). Deutlich weniger Stellen werden von FaGe-Ausgebildeten (5%) be-
setzt. Bachelor sind in der psychiatrischen Praxis nur mit 2% vertreten. Gra-
des, welche man im Weiterbildungsbereich erreichen kann, sind mit CAS-
(6%) und HöFa-1-Weiterbildungen (5%) vertreten. Nur wenige Stellen wer-
den von Pflegefachpersonen mit einem Höfa-2 (1%), MAS (1%), MNS-
abschluss (unter 1 %) oder einem PhD (unter 1 %) besetzt.
81
Die häufigsten Stellenbeschreibungen sind im Bereich HF und FaGe zu fin-
den, während solche für Bachelor(n=9), FaBe (n=7) oder Assistenzberufe
(N=7) bei den befragten Institutionen eher selten sind. Zu den Grades, wel-
che man über Weiterbildungen erreicht, bestehen Stellenbeschreibungen
am ehesten für HöFas (n=28), seltener für CAS, DAS, MAS oder PhD.
Welche Aktivitäten zum Thema Skill- und Grademix werden in psychiatri-
schen Kliniken der Schweiz durchgeführt? Welches methodische Vorgehen
wird dabei verwendet?
Auf die Frage nach der verwendeten Methode bei der Stellenberechnung
antwortete die Hälfte der Teilnehmer, dass in ihrer Klinik die Umsetzung des
Skill- und Grademixes in Projektform angegangen wurde, knapp ein Fünftel
verwendete einen konzeptionellen Rahmen und in 2 Kliniken wurde eine
Studie zur Umsetzung von Skill- und Grademix durchgeführt. Für die Umset-
zung eines Skill- und Grademixes werden einerseits Tätigkeitsanalysen, Auf-
gabenanalysen und Prozessanalysen, Curriculare und Expertenbefragungen
verwendet.
Welche Bedeutung wird dem Thema Skill- und Grademix für die zukünftige
Gesundheitsversorgung gegeben?
Es gibt Befürchtungen, dass HF- bzw. FH-Ausgebildete Pflegende aus Kos-
tengründen vermehrt durch FaGe-Ausgebildete ersetzt werden könnten.
Viele Teilnehmer gaben an, dass wirtschaftliche Überlegungen, ein effizien-
ter Einsatz des Personals und eine höhere Qualität in der Behandlung eine
immer grössere Rolle für den Einsatz von Pflegenden mit unterschiedlichen
Grades spielen. Sie gaben an, dass die Aufgaben immer komplexer werden
und daher nicht mehr alle alles machen können. So gibt es eine Tendenz
vom Generalisten zum Spezialisten.
82
Diskussion
Zur Verteilung der Qualifikationen zeigt sich ein Schwerpunkt auf dem Ein-
satz von HF-Absolventen und Absolventinnen. Fachpersonen mit Bachelor
und Masterabschluss finden sich kaum in der Praxis. FaGe und Abschlüsse
aus dem Weiterbildungsbereich sind in der Praxis minimal mit jeweils 5-6%
vertreten. Der im „Nationalen Versorgungsbericht der Gesundheitsberufe
2009“ [3] beschriebene Bedarf an Professionalisierung und Akademisierung
des Pflegeberufes liegt im psychiatrischen Pflegebereich noch unter 10%.
Die Aktivitäten zum Thema Skill- und Grademix beschränken sich auf einen
intraprofessionellen, also rein pflegebezogenen Mix nach Grades und Skills
[4]. Der Einbezug anderer Berufsgruppen (Mediziner, Psychologen und Ho-
telservicekräften) ist selten. Dem Thema Skill und- Gradmix wird grosse
Bedeutung beigemessen. Aktuell ist das Interesse am intraprofessionellen
Grademix am stärksten. Man ist der Auffassung, dass früher oder später auf
Grund des drohenden Personalmangels und im Sinne der Kostenoptimie-
rung ein interdisziplinärer Skill-und Grade notwendig wird.
Schlussfolgerung
Skill- und Grademix ist in der Praxis ein Thema und wird angegangen, es
fehlt ein Monitoring zur Entwicklung in diesem Bereich. Die Aktivitäten zur
Implementierung von Skill- und Grademix sind nur teilweise systematisch,
es braucht praktikable evidenzbasierte Konzepte, Referenzwerte und An-
satzpunkte, auf welche die Praxis zurückgreifen kann.
Literatur
1. OdA Gesundheit beider Basel (2007) Der richtige Mix bringt’s.
2. Currie, V.et al. (2005). Relationship between quality of care, staffing levels, skill mix and nurse autonomy: literature review. Journal of Advanced Nursing, 51 (1), 73-82.
3. Grünig A., Dolder P. (2009): Nationaler Versorgungsbericht für die Gesundheits-berufe 2009. Personalbedarf und Massnahmen zur Personalsicherung auf natio-naler Ebene. Bern: GDK und OdASanté.
83
4. Dubois CA & Singh D (2009): From staff-mix to skill-mix and beyond: towards a systemic approach to health workforce management. Human Resources for Health.
84
18. Was kann Recovery-Arbeit, ausgeführt durch Peers, inner-
und ausserhalb einer psychiatrischen Klinik bewirken?
Lukas Hohl
Hintergrund: Praxis als Peer
Nach meiner schweren depressiven Episode 2001 war mein Interesse an
psychischen Erkrankungen geweckt. Bald stiess ich auf die Begriffe "Peer"
und "Empowerment". Ich lernte sie durch Prof. Hans Dieter Brenner durch
ein Referat am Jahreskongress der "Pro Mente Sana" kennen. 2001 war ich
kurz Professor Brenners Patient in der UPD Waldau Bern gewesen. Die neu-
en Ideen begeisterten mich! Schon 2004 wollte ich als Peer arbeiten und
nahm Kontakt mit H. D. Brenner auf. Ich traute mir einiges zu, weil ich eine
Ausbildung als Berater nach dem personzentrierten psychologischen Ansatz
(C. Rogers) hatte und auch Pfarrer mit Erfahrung in der Seelsorge war. Ich
wusste aber nichts über die Pflegeforschung in Bern von Chris Abderhalden,
der wohl schon damals dort arbeitete.
Dass 2010 die "Ex-In"-Weiterbildung in Bern geschaffen wurde, kam mir wie
die Erfüllung eines Traums vor. Von 2003 bis 2010 habe ich an vielen Orten
praktische Erfahrungen im psychischen Bereich sammeln können, so in einer
9jährigen Tätigkeit in der Selbsthilfe, in der Online-Beratung und auch im
Vorstand der Kantonalen Behindertenkonferenz Bern (kbk).
Seit zwei Jahren kann ich nun meine Vorstellungen über die Peer-Arbeit im
Sanatorium Kilchberg auf zwei Stationen umsetzen, vor allem in einer
Recoverygesprächsgruppe.
Problemstellung
In der "Experienced Involvement"-Weiterbildung entstand für die praktische
Tätigkeit ein Mix aus den bestehenden beruflichen Qualifikationen und
Neuem. Der Bezug zu "Recovery" wurde hergestellt. Ich orientiere mich vor
allem an Prof. Michaela Amering aus Wien und ihrem Buch "Recovery – das
85
Ende der Unheilbarkeit" [1]. Für die Gesprächsführung in Gruppen oder in
Einzelgesprächen richte ich mich auf den personzentrierten Ansatz mit fol-
genden Grundhaltungen: Empathie, Akzeptanz, Authentizität und Kongruenz
[2]. Auch der Recovery-Ansatz will ja personzentriert sein.
In der praktischen Arbeit benutze ich das bei den UPD Bern übersetzte
Handbuch "Das Leben wieder in den Griff bekommen" als Unterlage [3].
Dieses Handbuch habe ich in einem "Lehrplan" erfasst. Der Kurs umfasst
zwölf Treffen. Diese Arbeit gleicht mehr derjenigen eines Erwachsenenbild-
ners oder Lehrers als einer pflegerischen Tätigkeit (wobei ja die Pflege viele
Aspekte umfasst). Mir liegen auch pädagogische Elemente wie zum Beispiel
eine gute Vorbereitung und Zeitplanung, sowie Abwechslung bei den ange-
wandten Methoden am Herzen (beispielsweise gelegentlich in Kleingruppen
arbeiten).Vordergründig versuche ich die Teilnehmenden zur eigenen Mit-
arbeit anzuregen (Ausfüllen von Arbeitsblättern und Gesprächsbeiträge). Ich
achte auch darauf, nicht zu viel von mir zu sprechen.
Das Handbuch "Das Leben wieder in den Griff bekommen" stammt aus Eng-
land. Aber mich dünkt es wichtig, auch einen schweizerischen Weg zu fin-
den, und sich nicht nur an den Beispielen aus dem englischen Sprachraum
zu orientieren. Ich habe beispielsweise aus England einen Artikel erhalten
über "Recovery Colleges" als Alternative zu Tageskliniken. Das ist dort
machbar und finanzierbar. Wenn wir das nachmachen wollten, wäre eine
lange Aufbauarbeit nötig. Vielleicht ist aber die Recoverygesprächsgruppe
im Sanatorium Kilchberg ganz gut, ähnlich einem "Recovery College". So
können wir ebenfalls Leute in die Gruppe aufnehmen, die die Klinik bereits
verlassen haben (normalerweise sind das etwa 50 % der Teilnehmer).
Ziele: Was soll im Zentrum der Peer-Arbeit stehen?
Ich denke, die Vermittlung von Wissen an andere kommt erst in zweiter
Linie. Ich bezeichne als Kern meiner Arbeit die Stärkung des Vertrauens in
die eigene Selbstwirksamkeit. Es geht darum, zu erkennen, wo man steht
und wohin die Entwicklung führen soll. Das stimmt auch mit der wissen-
schaftlichen Forschung über "Empowerment" überein [4]. Man kann immer
86
überlegen, was anderen (seien es Peers oder andere Erkrankte) geholfen hat
und was sie in einer ähnlichen Lage gemacht haben. Aber oft sind solche
Erfahrungen nicht vom einem zum anderen übertragbar.
Vorgehen
In der Recoverygesprächsgruppe arbeite ich mit Pflegenden und mit Psycho-
logInnen zusammen. Deshalb kann die Teilnahme an der Gesprächsgruppe
als normales Therapie-Angebot bei den Krankenkassen gemeldet werden. In
einem weiteren Bereich (Freizeitgruppe) arbeite ich auch mit der Pflege
zusammen. Ich kann aber nicht so einen kontinuierlichen Kontakt zu den
Teilnehmenden halten wie die MitarbeiterInnen der Pflege. An diesen liegt
es, Themen aus der Gesprächsgruppe weiterzuführen und die positiven
Effekte zu stärken. Es gibt immer wieder PatientInnen, für die die
Recoverygesprächsgruppe eine grosse Bedeutung hat. Das sind häufig auch
die, die nach Schluss des Klinikaufenthalts gerne weiter an der Gruppe teil-
nehmen, um in Verbindung mit anderen Teilnehmenden zu bleiben. Auch
wird in der Gesprächsgruppe die Fähigkeit gestärkt, die Lösung von Proble-
men selbst in Angriff zu nehmen. Es geht darum, dass sie mit anderen über
die nächsten Schritte, die sie unternehmen wollen, sprechen. Diese Rolle
kann ich übernehmen, aber auch Pflegende oder MitpatientInnen, die für
viele die wichtigsten Gesprächspartner sind.
Ergebnisse/Erfahrungen aus der praktischen Arbeit
Es hat sich bewährt, das Handbuch wie in einem Erwachsenenbildungskurs
durchzuarbeiten. Die Arbeit am Recoveryplan mit den Themen "Stabil blei-
ben", "Umgang mit deinen Höhen und Tiefen", "Wie es nach einer Krise
weitergehen kann" und "Deine Ziele und Träume verfolgen" steht im Zent-
rum der Gesprächsgruppe. Das Handbuch an sich und die Vorausverfügung
kommen erst in zweiter Linie. Vielerorts wird das Handbuch zwar abgege-
ben, aber nur kurz vorgestellt. Das ist viel weniger wirksam als die gemein-
same Erarbeitung in der Gruppe. Immer wieder ist es mit dem Recoveryplan
möglich, dass Teilnehmende ihre aktuellen Probleme (z. B. Re-Integration
87
am Arbeitsplatz) in die Gruppe einbringen und nach einer Lösung suchen
können. Ich bringe auch zusätzliche Materialien in die Gruppe ein. Da muss
ich jedoch aufpassen, dass die Inputs nicht zu theoretisch sind. Wichtig ist
auch, nicht immer dieselben Arbeitsformen zu brauchen und manchmal mit
überraschenden Ideen zu kommen (z. B. ein Papierflugzeug falten und die
"Ziele und Träume" darauf schreiben).
Ich finde es besser, einen "Lehrplan" zu haben und nicht ein "Konzept", das
über Jahre unverändert bleibt. Ich habe schon auf Teilnehmer-Wunsch hin
ein Zusatzthema eingefügt.
Diskussion
Um etwas in Bewegung zu bringen, sind meines Erachtens Einfühlung das
Gegenüber und das vorbehaltlose Akzeptieren des Anderen am wirksams-
ten. Das entspricht den Grundhaltungen des personzentrierten Ansatzes [2].
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es meine "KlientInnen" stärkte, wenn
ich ihnen viel zutraute. Die Gestaltung der Recoverygesprächsgruppe zeigt
den Teilnehmenden, dass sie ernst genommen werden. Das wird auch durch
die Forschung über "Best Practice" als wichtig bestätigt [5]. Ferner gehört
eine positive Einstellung, dass die entstandenen Schwierigkeiten zu bewälti-
gen sind, dazu.
Schlussfolgerung
Ich habe mehr Nähe zu den Teilnehmenden als eine Fachperson. So getrau-
en sich manche eher, mir etwas mitzuteilen, als einem Fachmann oder einer
Fachfrau. Es gibt aber auch PatientInnen, die sich an den Fachleuten orien-
tieren.
Es ist gut, wenn die Peers eine zusätzliche Möglichkeit bieten, ins Gespräch
zu kommen. Mir fällt auf, dass manche schon von "Recovery" gehört haben
und gerne in eine entsprechende Gesprächsgruppe kommen, während an-
dere sich nie dafür melden würden. Für manche ist es nützlich, dass sie von
einem Peer eine Stellungnahme zu einem Problem aus anderer Sicht als vom
Fachpersonal erhalten.
88
Schlussbemerkung:
Bei der Präsentation wird Moser, Elsy B., Selbständige Peerworkerin in Zü-
rich seit 2005, Absolventin Ex-In Studium Bern, ihre praktische Tätigkeit
ausserhalb der Klinik ebenfalls vorstellen.
Literatur
1. Amering, M. & Schmolke, M. (2010). Recovery – Das Ende der Unheilbarkeit (3. Auflage). Bonn: Psychiatrieverlag.
2. Rogers, C. (1998). Entwicklung der Persönlichkeit. Psychotherapie aus der Sicht eines Therapeuten (12. Aufl.). Stuttgart: Klett-Cotta, S. 275–278
3. Winter, A. (2011). Das Leben wieder in den Griff bekommen (3. Aufl.). Bern: UPD (Übersetzung von Perkins et al. 2007)
4. Richter D., Schwarze T., Hahn S. Merkmale guter psychiatrischer Pflege und Betreuung: Vorläufige Ergebnisse einer Literatursynthese. Psych. Pflege Heute 2010; 16: 17 –21
5. Richter D., Schwarze T., Hahn S. Was ist gute Psychiatrische Pflege? Ergebnisse eines Forschungsprojekts. Psych. Pflege Heute 2014; 20: 125 –131
89
19. Advanced Practice Nursing (APN) im stationär-
psychiatrischen Setting: Eine Delphi-Studie
Majbritt Jensen, Petra Metzenthin
Hintergrund
Die demographische Entwicklung und die damit verbundene Zunahme der
chronischen Erkrankungen stellt auch die psychiatrische Versorgung vor
Herausforderungen. Hierzu kommen der steigende Mangel an qualifiziertem
Personal und die Einführung der Fallpauschalen, dessen Auswirkungen noch
ungewiss sind. Eine weiterhin qualitativ hochstehende Behandlung innert
kürzerer Zeit und unter abnehmenden Ressourcen ist gefordert. Daher ist
eine kritische Überprüfung der bisherigen Versorgungsstrukturen notwen-
dig.
Advanced Practice Nurses (APNs) sind Pflegefachpersonen mit ausgeprägter
Expertise, Fähigkeiten zur Entscheidungsfindung bei komplexen Sachverhal-
ten und mit klinischen Kompetenzen für eine erweiterte Pflegepraxis [1] und
könnten daher zukünftig eine zentrale Rolle spielen. Das APN-Modell nach
Hamric [2] beschreibt die Grundvoraussetzungen (Primärkriterien), die
Kompetenzen, sowie die beeinflussenden Kontextfaktoren (Tab. 1) der APN-
Rolle.
Primärkriterien Master of Science oder Doktorat in Pflege
Spezialisierung
Tätigkeit fokussiert auf Patienten/Familien
Zentralkompetenz Direkte klinische Tätigkeit (Umsetzung erweiterte Kompe-
tenzen)
Kernkompetenzen Coaching und Führung
Beratung und Konsultation
Forschungsfähigkeiten
Klinisches und professionelles Leadership
90
Zusammenarbeit
Ethische Entscheidungsfindung
Kontextfaktoren Gesundheitspolitische Überlegungen
Kostenerstattungs- und Finanzierungsmechanismen
Regulierungs- und Zulassungsbedingungen
Ergebnisevaluation und Leistungssteigerung
Marketing und Vertragsabschlüsse
Organisationsstruktur und -kultur
Unternehmerische Aspekte
Tabelle 1: Inhalte des APN-Modells nach Hamric et al. (2009)
Studien zu diesem Modell zeigen, dass der Einsatz von APNs zur Reduktion
der Patientenaufenthaltsdauer beitragen kann. Weiter konnte eine effizien-
te und qualitativ hochstehende Pflege und damit verbundene Verbesserung
der Patientenbehandlung festgestellt werden [3]. Studien aus der Psychiat-
rie zeigen zudem, dass die APNs kompetent beinflussende Faktoren für die
Symptomkontrolle sind und zudem das Selbstmanagement im Umgang mit
psychischen Erkrankungen erkennen und definieren können [4].
Die Implementierung der APN-Rolle in der Schweiz steht noch am Anfang.
Erste Projekte mit dem Einsatz von APNs im somatischen Bereich zeigen
jedoch ähnliche Resultate, welche die Ergebnisse vom englischsprachigen
Raum bestätigen [5]. In der Psychiatrie gibt es bisher kaum Beispiele von
APNs und daher ist es notwendig zu untersuchen, wie diese Rolle in der
zukünftigen stationär-psychiatrischen Praxis konkret umgesetzt werden
kann.
Fragestellung
Für eine Implementierung von APNs in der psychiatrischen Praxis braucht es
zunächst eine Klärung der möglichen Aufgaben- und Verantwortungsberei-
che. Diese Studie legt den Schwerpunkt auf das stationär-psychiatrische
Setting und sucht Antworten zu folgenden Fragen:
91
- Welche Spezialisierungen benötige die APNs?
- Welche konkreten Aufgaben können in der stationär-psychiatrischen
Pflege von den APNs in der klinischen Praxis in Bezug auf die Kernkom-
petenzen des Hamric-Modells übernommen werden?
- Welches sind mögliche zukünftige Aufgabengebiete der APNs in der
stationären Psychiatrie
Methode und Material
Zur Beantwortung der Fragestellungen wurde die Delphi-Technik nach Hä-
der [6] durchgeführt. Literaturbasiert und anhand der Ergebnisse eines Fo-
kusgruppeninterviews mit Expertinnen und Experten aus der Akademischen
Fachgesellschaft Psychiatrische Pflege (AFG PP) wurden die Fragen für die
erste Befragungsrunde generiert.
Insgesamt folgten zwei Fragerunden, welche in elektronischer Form an die
Zielgruppe gesendet wurden. Die Zielgruppe bestand aus Mitgliedern der
AFG PP, der Konferenz der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren Psychi-
atrischer Institutionen der Schweiz (KPP) und des Netzwerks Pflegefor-
schung Psychiatrie (NPFP). Beide Fragebogen bestanden aus dichotomen
Trendfragen, Fragen mit mehreren Antwortmöglichkeiten und offenen Fra-
gen. Für die Analyse wurde ein Konsens der dichotomen Fragen bei 75%
Übereinstimmung festgelegt 7. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der
ersten Runde wurde in der zweiten Runde integriert und Konsensfragen
wurden nicht wiederholt.
Ergebnisse
Stichprobe
In der ersten Befragungsrunde nahmen 55 Personen, in der zweiten 54 Per-
sonen teil. Die Aufteilung der beruflichen Funktionen ist Tab. 2 zu entneh-
men.
92
Runde 1 Runde 2
Management 17 17
Pflegeexpertise 19 20
Forschung und Entwicklung 11 8
Aus- und Weiterbildung / Qualitätsmanagement 8 9
Total 55 54
Tabelle 2: Anzahl Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Berufliche Funktion
Ergebnisse in Bezug auf das Hamric-Modell
Primärkriterien: Eine Spezialisierung ist zwingend notwendig (94.00%) und
kann nur als Kombination von Praxis und Theorie erreicht werden (80.00%,
94.00%). Es ergab keine klaren Hinweise, welche Spezialisierung zukünftig
die wichtigste sein wird.
Zentralkompetenz: Die direkte Patientenpflege beträgt 25-50% der Arbeits-
zeit der APNs (Trend=51.02%). Die Umsetzung von den erweiterten Kompe-
tenzen in der direkten Pflege, innerhalb der Spezialisierung, wurde kontro-
vers diskutiert. Konsens ergab die Durchführung von symptomfokussierten
Assessments (97.96%), Psychostatus (83.67%) und Fallführung. Kein Konsens
ergab beispielsweise die Durchführung von körperlichen Untersuchungen
(56.25%).
Kernkompetenzen: Es gab Übereinstimmungen, dass die APNs beispielswei-
se:
- Pflegende bei der Umsetzung von evidenzbasierter Pflege coachen
(95.35%)
- Patientinnen/Patienten und deren Angehörige, Mitarbeitende der Pflege
und anderer Berufe innerhalb der Spezialisierung beraten (88.37%,
100.00%)
93
- aktiv an Forschungsprojekten teilnehmen und dabei die Profession Pfle-
ge vertreten sollen (95.35%)
- Pflegende fachlich in Veränderungsprozessen begleiten (95.35%)
- die pflegerische Sichtweise (Expertise) in der Behandlung vertreten
(97.62%)
- Fallbesprechungen bei kritischen Patientensituationen initiieren
(97.62%).
Kontextfaktoren: Es gab eine Übereinstimmung (92.68%), dass die APNs
selbstständig innerhalb eines festgelegten Zuständigkeitsbereichs arbeiten
sollen und weisungsbefugt bei Pflegenden sind. Es zeigt sich eine Tendenz,
dass die APNs im interdisziplinären Team arbeiten (Trend=70.73%) und der
Pflegedirektion direkt unterstellt sind (Trend=46.15%).
Aufgabengebiete: Es konnten zwei übergeordnete Aufgabengebiete gebil-
det werden:
- „Direkte Patientenpflege“ (Tätigkeiten in Bezug auf die Exper-
tise/Spezialisierung; die Fallführung/Case (Care)-Management und Be-
zugspflege sowie in Bezug auf erweiterte Kompetenzen)
- „Entwicklung“ (Tätigkeiten in Bezug auf Fachverantwortung und Quali-
tätssicherung; Theorie-Praxis-Transfer und Forschung, sowie auf strate-
gischer Ebene).
Diskussion
Die Ergebnisse, die dem Hamric-Modell zugeordnet werden konnten, stellen
Beschreibungen der APN-Rolle aus Sicht von Expertinnen und Experten dar.
Die Fragestellung nach Spezialisierungsart konnte nicht abschliessend be-
antwortet werden. Zu den Kernkompetenzen konnten konkrete Aufgaben
formuliert werden. Die Aufgabengebiete kann mit den Differenzierungen,
welche in anderen Gesundheitssystemen verwendet werden, verglichen
werden: „Clinical Nurse Specialist (CNS)“ und „Nurse Practitioner (NP)“ am
häufigsten verwendet werden. Ausgehend von einem Kontinuum 8 stehen
bei den NPs eher die klinische Tätigkeiten und bei den CNSs eher die über-
94
geordnete Entwicklungstätigkeiten im Vordergrund. In der schweizerischen
Psychiatrie werden diesbezüglich noch keine solchen Differenzierungen für
die APN-Rolle verwendet.
Schlussfolgerung
Die Praxis erhält erste Ansatzpunkte für die Umsetzung der APN-Rolle im
stationär-psychiatrischen Setting. Weitere Klärungen, insbesondere in Bezug
auf Spezialisierungen und der direkten Patientenpflege, sind notwendig. Um
eine optimale psychiatrische Versorgung zu sichern, sollte zunächst der
zukünftige Versorgungsbedarf näher definiert werden. Weiter sollen
Schnittstellen- und Kooperationsbereiche innerhalb des Berufs, zwischen
Institution und im ambulanten Bereich beschrieben werden. Auf dieser
Grundlage kann die APN-Rolle in der psychiatrischen Versorgung weiterent-
wickelt werden. Hierzu kann das Hamric-Modell als theoretischer Bezugs-
rahmen verwendet werden. Für weitere Differenzierung könnte das Konti-
nuum 8 verwendet werden.
Literatur
1. Hamric, A. B., Spross, J. A., Hanson, C. M. (2009). Advanced Practice Nursing. An Integrative Approach. 4th Edition. Missouri: Saunders Elsevier
2. SwissANP (2012). Arbeitspapier – Advanced Nursing Practice in der Schweiz. IG Swiss ANP
3. Newhouse et al. (2011) Advanced Practice Nurse Outcomes 1990-2008: A Sys-temativc Review. Nursing Economics$, 29, No. 5
4. Santos, J. C., Amaral, A. F. (2011). Effectiveness of psychiatric mental health nurses: can we save the core of the profession in an economically constrained world? Arch Psychiatr Nurs, 25(5), 329-338
5. Ulrich, A., Hellstern, P., Kressig, R. W., Eze, G., Spirig, R.(2010). Advanced Nursing Practice (ANP) im direkten Pflegealltag: Die pflegerische Praxisentwick-lung eines akutgeriatrischen ANP-Teams. Pflege, 23(6), 403-410.
6. Häder, M. (2009). Delphi-Befragungen. Ein Arbeitsbuch, 2. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden: GWV Fachverlage GmbH
7. Diamond et al. (2014). Defining consensus: A systematic review recommends methodologic criteria for reporting of Delphi studies. Journal of Clinical Epidemi-ology, 67(4), 401-409
95
8. Donald et al. (2010). Clinical Nurse Specialist and Nurse Practitioner: Titel Con-fusion and Lack of Role Clarity. Nursing Leadership, Vol. 23, 2010, 189-210
96
20. Angehörigenarbeit mit Suchtfamilien – Neue Wege mit
dem Projekt Familienklub
Wolfram Kämmer
Hintergrund
Obwohl nach einer Schätzung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen
allein in Deutschland bis zu sieben Millionen Menschen als Angehörige von
Substanzabhängigen direkt von den negativen Auswirkungen der Abhängig-
keit betroffen sind, bietet das professionelle Suchthilfesystem vergleichs-
weise wenig Angebote, die sich speziell an den Bedürfnissen dieser Gruppe
orientieren. Das Konzept der „Co-Abhängigkeit“, das Angehörige pathologi-
siert, scheint immer noch weit verbreitet. Obwohl der positive Einfluss, den
Angehörige durch gezielte Interventionen auf die Therapie- bzw. Absti-
nenzmotivation von Abhängigen haben können, nachgewiesen ist, wird
dieses Potential in der Behandlung von Abhängigen bislang wenig genutzt
[1].
Das von dem kroatischen Psychiater Vladimir Hudolin bereits 1969 entwi-
ckelte und heute vor allem in Italien weit verbreitete, systemische Konzept
der „Familienklubs“ ist ein Modell zur besseren Integration von Angehörigen
in die Suchtarbeit. Es bietet Angehörigen und Abhängigen die Möglichkeit, in
der Gruppe gemeinsam neue, funktionale, abstinenzfördernde und absti-
nenzerhaltende Verhaltensweisen und Strategien zu entwickeln [2]. Im
Rahmen eines geförderten Projekts der Guttempler wurde das Konzept des
Familienklubs für das deutsche Suchthilfesystem adaptiert. Sowohl Mitar-
beitende des professionellen Suchthilfesystems, als auch Freiwillige aus der
Selbsthilfe wurden als Moderatoren von Familienklubs (so genannte Klub-
Assistenten) geschult. Neben Grundlagen der Motivierenden Gesprächsfüh-
rung [3] waren im Schwerpunkt Module des „Community Reinforcement
and Family Training“ (CRAFT) Ausbildungsschwerpunkte.
97
CRAFT ist ein evidenzbasiertes, speziell auf Angehörige von Suchtkranken
ausgerichtetes Interventionsprogramm, das den Einfluss von Angehörigen
für die Behandlung effektiv nutzt und gleichzeitig einen Fokus auf die oft
vernachlässigten Bedürfnisse der Angehörigen selbst legt. In schnell erlern-
baren Modulen werden Abhängige und Angehörige gemeinsam unter ande-
rem in positiver Kommunikation, Problemlösungsstrategien und Methoden
zur systematischen Erfassung und Verbesserung der eigenen Zufriedenheit
geschult. [4]
Problemstellung
Die Behandlung von Abhängigkeitskranken im Evangelischen Krankenhaus
Bielefeld (EvKB) basiert auf dem Konzept des „Community Reinforcement
Approach“ (CRA), aus dem auch CRAFT hervorgegangen ist. CRA basiert auf
der Grundannahme, dass Verstärker aus dem sozialen Umfeld von Abhängi-
gen einen entscheidenden Einfluss auf deren Konsumverhalten haben [5].
Um diese Verstärker optimal nutzen zu können, wird in Bielefeld modellhaft
versucht, das CRA-Prinzip sektor- und berufsgruppenübergreifend zu ver-
breiten [6].
Ziele
Durch die Etablierung eines ambulanten, CRA-basierten Gruppenangebotes
in Form des Familienklubs sollen Abhängige und ihre Angehörigen auch
außerhalb einer zeitlich begrenzten, stationären, teilstationären oder ambu-
lanten Therapie die Möglichkeit bekommen, gemeinsam an einem besseren
Funktionsniveau zu arbeiten.
Vorgehen
Zwei Pflegefachkräfte der Abteilung Abhängigkeitserkrankungen des EvKB
wurden 2011 im Rahmen des Guttempler Projektes in der ersten von drei
Schulungsreihen als Klub-Assistenten ausgebildet. Nach einer Vorstellung
des Konzeptes in der Abteilungskonferenz und Klärung der Finanzierung der
98
Stellenanteile für zunächst ein Jahr wurde beschlossen, das Behandlungsan-
gebot um einen Familienklub zu erweitern.
Das Angebot richtet sich primär an Patienten und Angehörige, die im Rah-
men einer Behandlung oder einer Beratung bereits Kontakt zum EvKB haben
und wird nur intern beworben. Der Familienklub trifft sich wöchentlich für
zwei Stunden von 18:00 bis 20:00 Uhr in den Räumen der Tagesklinik für
Abhängigkeitserkrankungen. Diese bietet sowohl eine gute Erreichbarkeit
mit öffentlichen Verkehrsmitteln, als auch geeignete Gruppen- und Sozial-
räume.
Nach einem persönlichen Vorgespräch, in dem ein Klub-Assistent intensiv
über Inhalte und Konzept informiert und vor allen Dingen das Gefährdungs-
potential, das für Angehörige von konsumierenden, nicht therapiemotivier-
ten Abhängigen durch die Teilnahme am Familienklub bestehen könnte,
erfragt, können Interessenten jederzeit an den Gruppentreffen teilnehmen.
Während Angehörige auch alleine teilnehmen können, werden Abhängige
nur in Begleitung von Angehörigen aufgenommen. Die Gruppengröße ist auf
maximal 16 Teilnehmende beschränkt. Die Teilnahme ist nicht zeitlich be-
fristet.
Zu Beginn jedes Gruppentreffens berichten die Teilnehmer von den positi-
ven und negativen Erlebnissen der letzten Woche und den Auswirkungen
auf das Konsumverhalten bzw. die Abstinenz. Die Gruppe entscheidet im
Anschluss, welche Themen dann besprochen werden. Die Aufgabe der Klub-
Assistenten besteht darin, auf die Einhaltung von Kommunikationsregeln zu
achten, bei Bedarf in lösungszentrierte CRAFT-Module einzuführen und
fachliche Fragen zur Sucht und Nutzung und Struktur des Suchthilfesystems
zu beantworten, bzw. die Teilnehmer an entsprechende Stellen zu verwei-
sen.
99
Erfahrungen
Der Familienklub ist innerhalb kurzer Zeit sehr gut angenommen worden.
Teilnehmende kommen in allen denkbaren Familienkonstellationen. Die
erste Kontaktaufnahme erfolgt in der Regel während der tagesklinischen
Behandlung des Abhängigen. Patienten und Angehörige werden nach eige-
nen Angaben sowohl von pflegerischen Bezugspersonen, als auch von Sozi-
alarbeitern, Therapeuten und Ärzten auf den Familienklub hingewiesen.
Gruppenmitglieder berichten, dass der persönliche Kontakt zu mindestens
einem der beiden Klubassistenten während der klinischen Behandlung hilft,
Ängste bezüglich einer Gruppenteilnahme abzubauen.
Bei zunehmender Durchmischung der Gruppe mit Teilnehmern, die sich
bereits gut mit den Gruppeninhalten auskennen, diese anwenden und posi-
tive Veränderung erlebt haben und neuen Teilnehmern, beschränkt sich die
Rolle des Klub-Assistenten vermehrt auf die im Konzept vorgesehene Mode-
ration und Beratung, während in den ersten Monaten der Schwerpunkt in
der inhaltlichen Anleitung und Interventionen lag.
Eine interessante Beobachtung während der Gruppentreffen ist, dass Ver-
änderungen insbesondere von destruktiven Kommunikationsmustern oder
wenig hilfreichen Problemlösungsstrategien oft über viele Monate geübt
und besprochen werden müssen, bevor sie sich verfestigen. Gruppenmit-
glieder berichten, dass das positive Beispiel von anderen Gruppenmitglie-
dern in diesem oft sehr mühevollen Prozess stark motivationssteigernd
wirkt. Die Teilnehmer stellen verhältnismäßig viele Fragen zur Struktur und
Funktionsweise des Suchthilfesystems und beschreiben den Zugang zu dem
in Bielefeld außergewöhnlich dichten Netzwerk mit vielfältigen Angeboten
überraschenderweise als sehr hochschwellig. Die Klub-Assistenten werden
hier als Lotsen und Vermittler genutzt und stehen innerhalb ihrer Dienstzei-
ten auch zwischen den Gruppentreffen telefonisch zur Verfügung. Dies trägt
nach Aussagen der Teilnehmer gerade in Krisensituationen zu einem Gefühl
der Sicherheit bei und wird als einer der Haupteffekte der Teilnahme am
Familienklub beschrieben.
100
Die Teilnahme erfolgt mit hoher Verbindlichkeit. Obwohl die Teilnahme
nicht zeitlich befristet ist, nutzen die meisten Teilnehmer den Familienklub
gezielt zur Unterstützung bei der Therapiemotivation oder Stabilisierung der
Abstinenz und beenden die Teilnahme geregelt, wenn diese Unterstützung
nicht mehr gebraucht wird. Über die Teilnahme am Familienklub bilden sich
auch immer wieder private Netzwerke, die nach einer aktiven Klubmitglied-
schaft weiter stabilisierend wirken.
Diskussion und Schlussfolgerung
Der Familienklub vereint Elemente der klassischen Suchtselbsthilfe, wie die
wechselseitige Unterstützung der teilnehmenden Gruppenmitglieder, und
Elemente der professionellen Gruppenarbeit mit Abhängigen, sowie die
Nutzung evidenzbasierter Verfahren zur Problemlösung. Im Unterschied zur
klassischen Suchtselbsthilfe gelingt es durch die Vernetzung mit dem beste-
henden Behandlungsangebot der Klinik vergleichsweise gut, Interessenten
auf das Angebot aufmerksam zu machen. Ungeklärt ist aktuell die Frage
nach einer Erweiterung des Angebotes bei hoher Nachfrage durch Interes-
senten. Da die Arbeitsleistung der als Klub-Assistenten fungierenden Pflege-
fachkräfte nicht gegenfinanziert werden kann, sind die personellen Ressour-
cen hier begrenzt. Das Konzept der Guttempler sieht in einem solchen Fall
die Teilung der Gruppe und die Übernahme der Klub-Assistenten-Funktion
durch ein erfahrenes Gruppenmitglied vor. Da aber die Funktion der Klub-
Assistenten als Lotsen und Vermittler ins professionelle Suchthilfesystem
besonders geschätzt und genutzt werden, scheint es fraglich, ob erfahrene
Gruppenmitglieder diese Funktion als Laien erfüllen können.
Trotz der offenen Fragen ist der Familienklub eine funktionierende Ergän-
zung des bestehenden Behandlungsangebotes. Der verstärkende Einfluss
von Angehörigen in der Suchtbehandlung wird im Sinne von CRA funktional
genutzt. Gleichzeitig erfahren Angehörige Entlastung und Unterstützung.
101
Literatur
1. Bischof, G., Freyer, J.(2006) Angehörigenarbeit bei Personen mit substanzbezo-genen Störungen. Suchttherapie. 7: p. 52-57
2. Piani, F., Gosparini, P. (2007) Familientherapie und der „Club alkoholabhängiger Menschen in Behandlung“. Wiener Zeitschrift für Suchtforschung. 4: p. 27-30
3. Meyers, R..J., Smith, J.E. (2009) Mit Suchtfamilien arbeiten/CRAFT. Psychiatrie Verlag
4. Kremer, G., Schulz, M. (2012) Motivierende Gesprächsführung in der Psychiatrie. Psychiatrie Verlag
5. Meyers, R.J., Smith, J.E. (2007) CRA-Manual zur Behandlung von Alkoholabhän-gigkeit. Psychiatrie Verlag
6. Reker, M. (2011) Suchtbehandlung vom Patienten aus konzipiert. Der Communi-ty Reinforcement Approach. Psych Pflege. 17: p. 309-314
102
21. Evidenzbasierte Pflegeinterventionen im Kontext des Pfle-
gephänomens „Schlafstörung“ im höheren Lebensalter im
stationären Setting
Stefan Klees, André Nienaber
Hintergrund
Eine Diagnosegruppe, die zunehmend in der psychiatrischen Versorgung in
den Fokus rückt, ist die Gruppe der Schlafstörungen. Nach Sauter & Georg
[1] klagen etwa ein Drittel der Menschen in den westlichen Industrienatio-
nen über Schlafbeschwerden. Neben den Kopfschmerzen zählen sie zu den
häufigsten gesundheitlichen Belastungen [2]. Etwa jeder zehnte Bundesbür-
ger erlebt seinen Schlaf als nicht erholsam oder gestört [3]. Einzelbeschwer-
den wie Tagesmüdigkeit und Durchschlafstörungen wurden bei 30 % der
Bevölkerung festgestellt [4].
Das Risiko, eine Schlafstörung zu erleiden, steigt mit zunehmendem Alter
an. So treten diese bei den alten und älteren Menschen doppelt so häufig
auf wie bei Jüngeren [5]. Dabei sind Schlafstörungen keine natürliche Folge
des Alterungsprozesses, sondern vielmehr eine Erkrankung, die durch fal-
sche Einstellungen zum Schlaf und ungünstigen Schlafbedingungen hervor-
gerufen wird. Im Alter nehmen Schlafstörungen deutlich häufiger einen
chronischen Verlauf [5]. Nach Staedt [6] ist die Population der über 65-
jährigen die größte Risikogruppe für die Entwicklung einer primären Insom-
nie. Dies kann im höheren Lebensalter durch vielfältige Veränderungen der
motorischen, kognitiven, somatischen oder psychischen Ebene begründet
werden. Alte Menschen sind nicht selten sensorisch weniger sensibel und
weniger körperlich aktiv als jüngere Menschen. Auch kann es vorkommen,
dass sie Medikamente ohne ärztliche Rücksprache einnehmen, die Einnah-
me verweigern oder Medikamente selbständig absetzen. Zudem nimmt zum
Ende des Lebens hin die Schlafdauer ab.
103
Schlafstörungen werden von den Betroffenen häufig als sehr qualvoll mit
einem hohen Leidensdruck erlebt [1]. Trotzdem sind Schlafstörungen ein zu
wenig beachtetes und häufig vernachlässigtes Problem in der Behandlung
von stationären Patienten und Bewohnern [7]. In einem stationären Kontext
sind alte Menschen signifikant häufiger von Schlafstörungen betroffen als in
der Allgemeinbevölkerung. Hier ist es die Profession der Pflege, welche als
erstes mit Schlafstörungen und Schlaflosigkeit konfrontiert wird. Pflegende
können die Schlafumgebung beeinflussen und die Schlafqualität verbessern,
jedoch ergreifen sie nach Morgan & Closs [8] in der Praxis zu selten die Initi-
ative. Im stationären Kontext wird die Verabreichung von Hypnotika bei
Schlafstörungen von Pflegenden teilweise als Selbstverständlichkeit und
ohne Reflexion gesehen [9].
Fragestellung
Welche nichtmedikamentösen, evidenzbasierten Pflegeinterventionen sind
für das Pflegephänomen „Schlafstörung“ bei der Population der über 65-
jährigen im stationären Kontext bekannt und wissenschaftlich fundiert?
Methode
Zur Beantwortung der Fragestellung wurde eine systematische Literatur-
recherche in den wissenschaftlichen Datenbanken Medpilot, Pubmed, Ci-
nahl, Cochrane und Psyndex durchgeführt. Die verwendeten Schlagwörter
waren: Primary Insomnia, Sleep Disorders, in the elderly, older adults, Sleep
disturbance, Treatment, Intervention, non-drug, non-pharmacological, Ther-
apy, Nursing Intervention, Clinical und evidence based. In einem weiteren
Schritt erfolgte die Suche nach geeigneter Literatur in Fachbüchern, Stan-
dardwerken und per Schneeballsystem. Einschlusskriterien zur Literatur-
recherche waren deutsch- und englischsprachige Publikationen, die sich auf
primäre und / oder den nicht organisch bedingten Insomnien bezogen und
die Population der Alten und Hochbetagten fokussierten. Als untere Alters-
grenze wurde das Erreichen des 60.Lebensjahr als Einschlusskriterium fest-
gelegt.
104
Ergebnisse
Anhand der festgelegten Suchkriterien konnten u. a. zwölf relevante Studien
(Tab.1) zu nichtmedikamentösen Interventionsmöglichkeiten bei Schlafstö-
rungen identifiziert werden. Die Studien sind hinsichtlich ihrer Evidenz hete-
rogen. Die eingeschlossenen Studien, welche einen hohen Evidenzgrad auf-
weisen, setzen sich zusammen aus fünf randomisiert-kontrollierten Studien,
zwei systemischen Reviews und zwei Meta-Analysen. Die weiteren verwen-
deten Studien weisen eine mittlere bis geringe Evidenzstufe auf.
Die folgenden Interventionen wurden gefunden:
- Aufklärung und Psychoedukation
- Schlafhygiene
- Stimuluskontrolle
- Schlafrestriktion
- Progressive Muskelrelaxation
- Autogenes Training, Tai Chi, Akupressur
- Schlafförderung durch Atemstimulierende Einreibung
- Musiktherapie
- Kognitive Verhaltenstherapie
- Paradoxe Intention
- Gedankliche Entspannung
- Lichttherapie
- Kombinationsprogramme
105
Autor Design Studienqualität
Buysse et al., 2011 RCT, Interviews, Fragebögen, Mess-verfahren
EG:1b
De Niet et al., 2009 Metaanalyse EG: 1a
Epstein et al., 2012 RCT, Follow-up, Studie EG: 1b
Espie et al., 2007 RCT , Follow-up, Studie EG: 1b
Irwin et al., 2006 Metaanalyse EG: 1a
Heba et al., 2011 Querschnitts-studie EG: 4
Li et al., 2004 RCT Studie EG: 4
Montgomery & Dennis,
2003
Metaanalyse EG: 1b
Morin et al., 2006 Systematisches Review von 1998-
2004
EG: 1b
Schiff, 2006 Systematisches Review EG: 5
Schiff, 2009 Interventionsstudie
Quasi-experimentell im Crossover-
Design
EG: 3b
Sun et al., 2009 RCT, Follow-Up EG: 4
Tabelle 1: Eingeschlossene Studien
Diskussion
In den vergangenen Jahrzehnten sind zahlreiche Strategien, Techniken und
Therapiemöglichkeiten zur effektiven Behandlung von Schlafstörungen ent-
wickelt und empirisch nachgewiesen worden [10]. Leider werden diese zu
selten im stationären Kontext angewandt [8]. Viele Jahre war die Applikati-
on von Hypnotika der Goldstandard in der Behandlung der Insomnie. Dies
scheint heute noch unverändert zu sein. Nach Riemann [11] nehmen die
106
alten Menschen, welche in stationären Einrichtungen behandelt werden,
deutlich häufiger Hypnotika ein als die Allgemeinbevölkerung. Dabei führen
die Einnahme von Benzodiazepinen und Benzodiazepinderivaten, den so
genannten Z-Substanzen, durch ihre muskelrelaxierende Wirkung zu Ein-
schränkung der Aktivitäten hinsichtlich der Bewegung [12] und demzufolge
zu vermehrten Stürzen und Oberschenkelhalsfrakturen [11]. Aktuell gibt es
kein Medikament, das die Kriterien eines idealen Schlafmittels erfüllt, da sie
alle den physiologischen Schlafablauf beeinflussen und zu Tagesmüdigkeit
oder Hangover-Effekten führen [13]. Warum werden die nichtmedikamen-
tösen Interventionen, obwohl sie bereits mittelfristig den pharmakologi-
schen bei der Behandlung der Insomnie überlegen sind, so selten ange-
wandt [12]?
Ein mangelndes Problembewusstsein im Umgang mit Medikation herrscht
auch bei den Pflegenden. Dabei obliegt das Medikamentenmanagement mit
Sicherung der Einnahme und Überprüfung der Wirksamkeit, das Auftreten
von Nebenwirkungen und Missbrauch in ihren Händen [9]. Trotzdem wird
der Einsatz von Hypnotika als Selbstverständlichkeit gesehen und das Risiko
einer Medikamentenabhängigkeit bewusst oder unbewusst in Kauf genom-
men [9]. Dies mag in den defizitären Aus- und Weiterbildungsinhalten der
medizinischen und pflegerischen Professionen begründet sein [5]. Zukünftig
müssen in Ausbildungsberufen und Studiengängen vermehrt wissenschaftli-
che Inhalte bezüglich Schlafstörungen und evidenzbasierter Interventionen
vermittelt werden. Fehlende Wissensvermittlung in der Ausbildungspraxis
ist nach Hermann et al. [12] der Grund dafür, dass die medikamentöse In-
terventionsform durch den Hausarzt favorisiert wird. Dabei wünscht sich die
Mehrheit der Insomniker eine Behandlung ohne medikamentöse Interven-
tionen.
Schlussfolgerung
Die dargestellten evidenzbasierten Interventionen können bis auf die kogni-
tive Verhaltenstherapie von examinierten Pflegekräften durchgeführt wer-
den. Hierzu bedarf es einer deutlichen Intensivierung der Wissensvermitt-
107
lung von bestehenden und angewandten evidenzbasierten Pflegeinterven-
tionen in Aus- und Weiterbildungen. Dies schließt einen Evidenznachweis
zur Wirksamkeit von nichtmedikamentösen Pflegeinterventionen in Pflege-
lehrbüchern implizit mit ein [9].
Die Literaturanalyse ergab, dass eine Vielzahl von wissenschaftlich fundier-
ten Interventionen vorliegt. Pflegerische Interventionen, welche in der Pra-
xis angewandt werden, sind hingegen empirisch nicht belegt. Demnach lässt
sich schlussfolgern, dass evidenzbasierte Interventionen zur nichtmedika-
mentösen Behandlung von Schlafstörungen existieren. Diese sind verstärkt
in die Pflegepraxis zu integrieren. Es besteht zudem Handlungsbedarf zur
weiteren Forschung, um die Wirksamkeit derzeit angewandter Pflegeinter-
ventionen im stationären Kontext nachzuweisen. In den Aus- und Weiterbil-
dungen sowie Studiengängen ist dringend eine Intensivierung der Wissens-
vermittlung zum Thema Schlafstörungen erforderlich.
Literatur
1. Sauter D., Georg J.(2011): Schlaf. In Sauter D., Abderhalden C., Needham I., Wolff S.(Hrsg.), Lehrbuch der Psychiatrischen Pflege, 3., vollständig überarbeite-te und erweiterte Auflage, Bern: Huber Verlag.
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3. Robert Koch-Institut (2005): Schlafstörungen, Gesundheitsberichterstattung des Bundes), Heft 27, Berlin: Robert Koch Institut.
4. Bunke, D.(2000): Insomnie in der Allgemeinarztpraxis, Eine epidemiologische Studie in Freiburg und Göttingen, Inaugural-Dissertation, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
5. Spiegelhalder K., Backhaus J., Riemann D.(2011): Schlafstörungen, Fortschritte der Psychotherapie, Band 7, 2.,überarbeitete Auflage, Göttingen: Hogrefe Verlag
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7. Garms-Homolova V., Flick U.(2013): Schlafstörungen im Alter, Risikofaktoren und Anforderungen an Behandlung und Pflege, Göttingen: Hogrefe Verlag
108
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9. Flick U., Röhnsch G.(2013): Handlungsmöglichkeiten von Pflegenden bei Schlaf-störungen im Heim. In Garms-Homolova V., Flick U. (Hrsg.), Schlafstörungen im Alter, Risikofaktoren und Anforderungen an Behandlung und Pflege, Göttingen: Hogrefe Verlag
10. Riemann D., Baglioni C. Feige B., Spiegelhalder K. (2014): Insomnien- Stand der Forschung, Der Nervenarzt, Heft 85, 1. Ausgabe, Seite 43- 49, Berlin, Heidelberg: Springer Verlag
11. Riemann D.(2011): Schlafstörungen. In Linden M., Hautzinger M.(Hrsg.): Verhal-tenstherapiemanual, Seite 631-634, Berlin, Heidelberg: Springer Verlag
12. Hermann E., Gassmann D., Munsch S.(2009): Schlafstörungen. In Margraf J., Schneider S.(Hrsg.): Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Band 2, 3.,vollständig be-arbeitete und erweiterte Auflage, Seite 187-224, Berlin, Heidelberg: Springer Verlag
13. Schröder J.(2013): Pharmakotherapie bei Schlafstörungen von älteren Men-schen, Deutsche Medizinische Wochenschrift, Heft 138, Seite 2550- 2553, Stutt-gart, New York: Georg Thieme Verlag
109
22. „Den bad boys Pool pflegen“ - Eine phänomenografische
Studie zur Pflege langfristig untergebrachter Patienten im
Maßregelvollzug aus Sicht Pflegender
Harald Joachim Kolbe
Hintergrund
In Deutschland korrelieren kontinuierlich steigende Unterbringungszahlen
und Verweildauern im Maßregelvollzug mit einem höheren Lebensalter,
Multimorbidität und steigender Mortalität der im Maßregelvollzug unterge-
brachten forensischen Patienten. Die Pflegenden werden vor zahlreiche
Herausforderungen gestellt, die nicht nur fachliche, sondern auch ethische
sowie rechtliche Fragen betreffen. Obwohl viele Experten darin überein-
stimmen, dass der Bedarf an spezialisierter medizinisch-pflegerischer Ver-
sorgung, die sich nicht nur auf Sicherung und psychiatrische Therapie der
Anlasserkrankung bezieht, gestiegen sind und die Langzeitversorgung foren-
sischer Patienten kein Sonderfall, sondern viel eher der Regelfall ist, existiert
bis heute wenig pflegewissenschaftliche Forschung die der Frage nachgeht,
wie Pflegende die Pflege langfristig im Maßregelvollzug untergebrachter
Patienten erleben und gestalten? Diese Forschungslücke wurde durch eine
phänomenografische Studie geschlossen.
Vorgehen
Zunächst wurde eine systematische Literaturrecherche im englisch- und
deutschsprachigen Raum und eine Bewertung relevanter Publikationen
vorgenommen. Nach dem ethischen Clearing wurden Daten in Form von 19
narrativen Interviews und 2 Fokugsgruppeninterviews mit 24 Pflegenden
und Erziehern, 65 unstrukturierten Beobachtungssequenzen und 102 Me-
mos erhoben. Sämtliches Datenmaterial wurde transkribiert bzw. protokol-
liert und über das qualitative Analyseprogramm MAXQDA© nach dem me-
thodischen Vorgehen von Sjöström und Dahlgren (2002) sowie Larsson und
110
Holmström (2007) ausgewertet. Der Analyseprozess der Phänomenographie
umfasste acht Phasen:
- Eingewöhnung in das empirische Material durch Lesen,
- Sammlung relevanter Textpassagen,
- Kondensierung und Reduktion zentraler Textstellen,
- Benennung von Kategorien und Gruppierung,
- Ausschluss von Kodierungen,
- Vergleich von Kategorien in den Interviews und Hierarchisierung der
- Themen mit ihren Variationen,
- kontrastierender Vergleich von Kategorien und
- Spektrum sämtlicher empirisch festgestellter Verständnisse.
Während des gesamten Forschungsprozesses erfolgte der regelmäßige und
intensive Austausch mit einer aus 4 Personen bestehenden Peer-Group.
Ergebnisse
Acht für die Pflegenden bedeutsame Phänomene wurden identifiziert. Im
Analyseverfahren wurden sie einer hierarchischen Einstufung unterzogen:
„Der bad boys pool“, Mensch-Patient-Täter, Anerkennung jenseits von Ver-
stehen, Ordnung-Wiederholung-Konsequenz, Sinn durch Lebensqualität,
Macht und Ohnmacht, Pflege als Lebensbegleitung, Warten.
Weitere thematische Variationen, welche von der Bedeutung her weiter
unten angesiedelt sind, bilden: Beschäftigungsangebote, Motivation, Per-
spektiven, räumliche Unterbringung, Kontakte und Beziehung zu weiteren
Personen außerhalb der forensischen Einrichtung.
Lernziele
Die Phänomene werden im Rahmen eines kontrastierenden Vergleiches und
mittels des Outcome Spaces dargestellt, welcher das kollektive Verständnis
von Pflegenden in Bezug auf Erfahrungen in der Langzeitunterbringung in
seinen Variationen bildet.
111
Die Erkenntnisse sollten in Curricula zur Aus-, Fort- und Weiterbildung von
Beschäftigten aufgenommen und zu deren Sensibilisierung genutzt werden.
112
23. Roy und Neuman „on the road“: Pflegetheoretische Be-
trachtung der Patientensituation in den ersten Tagen nach
der Entlassung aus der stationären Psychiatrie.
Bernd Kozel, Stefan Scheydt, Anna Hegedüs
Hintergrund
Die erste Zeit nach der stationären psychiatrischen Behandlung stellt für
viele Betroffene eine extreme Belastung dar. Die generelle Verkürzung der
stationären Behandlungen führt dazu, dass Patienten oft in einem noch
wenig stabilisierten Zustand entlassen bzw. an weiterbehandelnde teilstati-
onäre oder ambulante Einrichtungen überwiesen werden: sie gehen immer
häufiger „kränker und schneller“ nach Hause. In den ersten Tagen nach der
Entlassung können dadurch Probleme auftreten, die sogar zu Rückfällen und
Wiedereintritten führen können. Aus der Literatur lassen sich verschiedene
Bereiche identifizieren, die von Betroffenen, Angehörigen oder Klinikmitar-
beitenden als problematisch beschrieben werden und denen durch entspre-
chende Konzepte zur Entlassungsplanung entgegengetreten werden soll.
In den 1960er- und 1970er-Jahren entstanden die ersten Pflegetheorien im
Zusammenhang mit der Einführung der Pflegewissenschaft an amerikani-
schen Universitäten. Damals entstanden vor allem die sogenannten (abs-
trakten) Theorien grosser Reichweite, die das Ziel verfolgten, Pflegewissen-
schaft und –praxis theoretisch zu erfassen und als eigene Disziplin zu legiti-
mieren. Theorien sind wichtige handlungsleitende Fundamente einer Diszip-
lin, sie definieren bspw. den Gegenstandsbereich der Pflegepraxis, der Pfle-
geausbildung und der Pflegewissenschaft.
Problemstellung
Viele Pflegetheorien sind aufgrund ihres Abstraktionsgrades kaum für eine
direkte Verwendung in der Pflegepraxis geeignet, obwohl sie wertvolle Hin-
113
weise zu bestimmten Pflegesituationen – bspw. die Entlassung aus der Psy-
chiatrie - liefern können.
Ziele
Das Ziel unserer Arbeit ist es, einen pflegetheoretisch fundierten Rahmen
vorzulegen, der sich explizit auf die ersten Tage nach der Entlassung eines
Patienten aus der stationären psychiatrischen Behandlung bezieht. Damit
soll ermöglicht werden, dass
- die Situation, in der sich die Patienten befinden, besser erklärt werden
kann
- praxisnahe Pflegeinterventionen abgeleitet werden können
- pflegewissenschaftliche Untersuchungen zur Entlassungssituation der
Patienten aus der Psychiatrie durchgeführt werden können (z.B. Theo-
riebestätigung oder -widerlegung, Hypothesenbildung, Wirksamkeit von
Pflegeinterventionen).
Vorgehen
Wir haben eine systematische Sichtung der in der einschlägigen Literatur
beschriebenen Pflegetheorien vorgenommen. Anhand des von Fawcett
entwickelten Schemas zur Analyse und Evaluation von Pflegetheorien wurde
eine Auswahl relevanter Pflegetheorien vorgenommen. Unter anderem
wurde darauf geachtet, dass eine Theorie präzise und klar formuliert, über-
prüfbar, empirisch abgesichert und praktisch umsetzbar ist.
Unser weiteres Vorgehen beinhaltet die Konkretisierung der ausgewählten
Pflegetheorien, um den spezifischen Charakter der Patientensituation in den
ersten Tagen nach der Entlassung aus der Psychiatrie auf einer praxisnahen
Ebene zu beschreiben. Dabei gehen wir exemplarisch anhand der NANDA-
Pflegediagnose Suizidgefahr (00150) und dem Phänomen der Reizüberflu-
tung (sensorische Überstimulation) vor.
114
Zu erwartende Ergebnisse
Die Pflegetheorien von Neumann und Roy sind hervorragend dazu geeignet,
die Entlassung aus der Psychiatrie und die damit verbundenen pflegerele-
vanten Aspekte zu beschreiben. Beide Pflegetheorien können thematisch als
„Anpassungstheorien“ kategorisiert werden. Im Rahmen unseres Kongress-
beitrages werden wir ein detailliertes, pflegetheoretisch fundiertes und
praxisnahes Modell zur Patientensituation in den ersten Tagen nach der
Entlassung aus der stationären Psychiatrie präsentieren.
Vorläufige Diskussion und Schlussfolgerungen
Wir werden unser Modell im Vortrag anhand der bestehenden Literatur und
in Bezug auf die NANDA-Pflegediagnose Suizidgefahr (00150) bzw. dem
Phänomen der Reizüberflutung (sensorischen Überstimulation) diskutieren.
Weiterer Bestandteil unserer Diskussion werden Überlegungen zu mögli-
chen, auf den beschriebenen Pflegetheorien basierende Pflegeinterventio-
nen sein.
115
24. Bewegung bei Demenz
Sandra Kunz, Bernd Kozel, Anna Hegedüs
Einleitung
Die ICD-10 bezeichnet die Demenz als ein Syndrom, welches die Folge einer
chronischen, fortschreitenden Krankheit des Gehirns ist [1]. Weltweit leben
36 Millionen Menschen mit einer Demenz und jährlich kommen 7.7 Millio-
nen Neuerkrankungen hinzu [2].
Zur Behandlung von demenziellen Erkrankungen eignen sich neben Medi-
kamenten auch nichtmedikamentöse Therapien, wie bewegungs- und wahr-
nehmungstherapeutische Methoden oder psychomotorische Aktivierung
[3]. Bewegungsangebote, welche auf das Trainieren von motorischen Leis-
tungen abzielen, die für Alltagsbewegungen von Bedeutung sind (beispiels-
weise Aufstehen von einem Stuhl, Gehen, Gleichgewichtsfunktion), sind
besonders geeignet [4].
Fragestellung
Welche Auswirkungen haben körperbezogene Interventionen bei älteren
Menschen mit einer demenziellen Erkrankung?
Methode
Zur Beantwortung der Forschungsfrage führten wir eine Literaturrecherche
in den Datenbanken Pubmed, Cochrane, CINAHL, PsycInfo, Web of Science
und PEDro durch. Dabei wurden die englischen Suchbegriffe „dementia“,
„exercise“ und „exercise therapy“ verwendet. Eingeschlossen wurden alle
Publikationen aus den letzten zehn Jahren, welche dem Evidenzlevel 1a oder
1b nach Polit & Beck [5] entsprechen.
116
Ergebnisse
Die Literaturrecherche ergab 438 Treffer. Die Tabellen zeigen alle einge-
schlossenen Publikationen mit den wichtigsten Ergebnissen:
Autor /Jahr Eingeschlossene
Studien Signifikant positive Ergebnisse
Blankevoort et al., 2010 [6]
10 RCT und 6 Fall-studien (642 Teil-nehmende (TN))
Funktionelle Mobilität: Vier von acht Studien zeigten signifikante Verbesse-rungen auf (4/8)
Gleichgewicht: In vier von fünf Studien zeigte sich eine signifikante Verbesserung (4/5)
Christofoletti et al., 2007 [7]
10 Studien (Design unklar) (1400 TN)
Keine signifikant positiven Ergebnisse.
Heyn et al., 2004 [8]
29 RCT und 1 kon-trollierte Studie (2020 TN)
Körperliche Leistung: Das Training hatte einen positiven Einfluss auf die körperli-che Leistung (mittlere Effektstäke)
Flexibilität: Es zeigte sich ein Effekt bei den TN in der Interventionsgruppe (gros-se Effektstäke)
Kraft: Die TN der Interventionsgruppe profitierten signifikant mehr als die TN der Kontrollgruppe (mittlere Effektstäke)
Kognition: Es zeigte sich eine signifikante Verbesserung in den kognitiven Aufgaben bei den TN in den Interventionsgruppen (mittlere Effektstäke)
Pitkälä et al., 2012 [9]
20 RCT (575 TN) Mobilität: positive Auswirkungen auf Mobilität, funktionelle Einschränkungen (6/20) und Funktionsfähigkeit (2/20).
Funktionelle Einschränkun-gen/körperliche Funktionsfähigkeit: Sechzehn Studien zeigten die Effektivität der Interventionen auf (16/20)
117
Autor /Jahr Eingeschlossene
Studien Signifikant positive Ergebnisse
Potter et al., 2011 [10]
13 RCT (886 TN) Mobilität: Eine Verbesserung im „Timed get up and go (TUG) Test“ konnte nach-gewiesen werden (2/4)
Gehgeschwindigkeit: signifikante Verbes-serung (3/6)
Kraft der unteren Extremitäten: signifi-kante Verbesserung (3/6)
Tabelle 3: Systematische Reviews
Autor /Jahr Intervention/Kontrolle Signifikant positive Ergebnisse
Roach et al., 2011 [11]
Aktivitätsprogramm: Kraft,
Flexibilität, Gleichgewicht
und Ausdauer; 5x/Woche,
4 Monate
Geh-Programm: 15-30 min
Konversation: beiläufige 1:1 Gespräche mit Fach-person
Keine signifikant positiven Ergebnisse
Suttanon et al., 2012 [12]
Intervention: individuelles,
Training (Steh-, Geh-,
Gleichgewichts- und Kraft-
übungen) mit Physiothera-
peut, zu Hause, 6 Monate
Kontrolle: Hausbesuche und Anrufe von Beschäfti-gungstherapeuten
Sturzereignisse: Es zeigte sich ein Rückgang von 33% nach sechsmona-tigem Aktivitätsprogramm, während die Messung bei der Kontrollgruppe um 89% anstieg
Mobilität: Die TN der Interventions-gruppen verbesserten signifikant ihre funktionelle Reichweite im Vergleich zur Kontrollgruppe
Vreugdenhil et al., 2011 [13]
Intervention: Übungen zu
Kraft der oberen und unte-
ren Extremitäten, Gleich-
gewicht und 30 Minuten
zügiges Gehen; zu Hause; 4
Mobilität: Eine signifikante Verbesse-rung in der Interventionsgruppe im Vergleich mit der Kontrollgruppe war in folgenden Variablen ersichtlich: Mobilität und Kraft der unteren Ext-remitäten
118
Autor /Jahr Intervention/Kontrolle Signifikant positive Ergebnisse
Monate
Kontrolle: Standardpflege
Kognition: Der Mini-Mental-Status der TN in der Interventionsgruppe wuchs um 2.6 Punkte
ATL: Die Unabhängigkeit in den ATLs verbesserte sich bei der Interventi-onsgruppe in Relation zu der Kon-trollgruppe signifikant
Yàgüez et al., 2010 [14]
Intervention: BrainGym®:
Bewegungsübungen, die
Gleichgewicht und Mus-
keln aktivieren
Kontrolle: Psychologische Unterstützung, welche die TN ermutigte, an Gruppen-aktivitäten teilzunehmen
Kognition: Im Test „visueller Muster-Erkennungsspeicher“ zeigte sich nach der Trainingsdauer eine signifikante Verbesserung bei den TN der Inter-ventionsgruppe
Hauer et al., 2012 [15]
Interventionsgruppe: Indi-
viduelles Training mit
progressiven Kraftübungen
und funktionellen Übun-
gen; 2x/Woche, je 2h, 3
Monate
Kontrollgruppe: beaufsich-tigtes, motorisches Grup-pentraining mit Inhalten wie Flexibilitätsübungen, Gymnastik oder Ballspie-len; 2x/Woche, je 1h, 3 Monate
Kraft: In beiden Gruppen zeigten sich signifikante Verbesserungen bei der maximalen Kraft
Funktionelle Leistung: Beide Gruppen wiesen signifikante Verbesserungen auf
Körperliche Aktivität: Ebenfalls wuchs die Aktivität in beiden Gruppen signi-fikant, wobei die Interventionsgruppe eine ausgeprägtere Aktivität zeigten
Tabelle 4: Randomisiert kontrollierte Studien
Diskussion
Diese Arbeit konnte aufzeigen, dass körperliche Bewegung positive Auswir-
kungen auf die ATL, Kognition, Mobilität, Gleichgewicht und Kraft haben
kann. Die Wirksamkeit ist aber nicht bei allen Ergebnisvariablen gleicher-
119
massen belegt. Es besteht aber ausreichend Evidenz, um darzulegen, dass
die kognitiven Fähigkeiten und die Mobilitätsfunktionen der Personen mit
einem demenziellen Krankheitsbild durch körperliche Bewegung positiv
beeinflusst werden können. Durch die verbesserte und dadurch auch siche-
rere Gehfähigkeit ist auch das Sturzrisiko für diese Population geringer. All
diese Ergebnisvariablen beeinflussen ausserdem auch die ATL. Kognitiv ein-
geschränkte Menschen können durch körperliche Bewegung mehr Selb-
ständigkeit in den ATL erlangen.
Empfehlungen für die Praxis und die Forschung
Um körperliche Bewegungsprogramme für die Menschen mit einer Demenz
anwendbar zu machen, sind individuelle Trainingsprogramme ratsam. Inter-
ventionen, die auf eine Verbesserung der Kraft, Flexibilität, Ausdauer und
des Gleichgewichtes abzielen, scheinen am sinnvollsten zu sein. Die besten
Ergebnisse erzielten Bewegungsprogramme, welche zwei bis drei Mal pro
Woche, während mindestens drei Monaten durchgeführt werden, [6; 8; 9;
15].
Damit die Wirksamkeit von körperlicher Bewegung evidenzbasiert nachge-
wiesen werden kann, ist vermehrte Forschung unerlässlich. Interventions-
studien mit ausreichenden Populationsgrössen sind eminent. Die Auswir-
kungen eines Bewegungsprogramms auf einzelne Ergebnisvariablen können
somit am besten nachgewiesen werden.
Literatur
1. ICD-10. ICD-10-GM-2013. ICD-Klassifikation. [Online] 2013. [Zitat vom: 21. Juni 2013.] http://www.icd-code.de/suche/icd/code/F03.html?sp=Sdemenz.
2. WHO. World Health Organisation . [Online] April 2012. [Zitat vom: 6. Juni 2013.] http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs362/en/index.html.
3. DEGAM. Demenz DEGAM (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V.) Leitlinie Nr. 12. Düsseldorf : omikron publishing, 2008.
4. Bewegung bei Demenz. Bewegung bei Demenz. [Online] Mai 2013. [Zitat vom: 21. Juni 2013.] http://www.bewegung-bei-demenz.de/.
120
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6. Blankevoort, C. G., et al. Review of Effects of Physical Activity on Strength, Bal-ance, Mobility and ADL Performance in Elderly Subjects with Dementia. Demen-tia and Geriatric Cognitive Disorders. 2010, S. 392-402.
7. Christofoletti, G., et al. Effects of Motor Intervention in Elderly Patients With Dementia - An Analysis of Randomized Controlled Trials. Topics in Geriatric Re-habilitation. 18. April 2007, S. 149-154.
8. Heyn, P., Abreu, B. C. und Ottenbacher, K. J. The Effects of Exercise Training on Elderly Persons With Cognitive Impairment and Dementia: A Meta-Analysis. Ar-chives of Physical Medicine and Rehabilitation. 10. Oktober 2004, S. 1694-1704.
9. Pitkälä, K., et al. Efficacy of physical exercise intervention on mobility and physi-cal functioning in older people with dementia: A systematic review. Experimen-tal Gerontology. 31. August 2012, S. 85-93.
10. Potter, R., et al. A systematic review of the effects of physical activity on physical functioning, quality of life and depression in older people with dementia. Inter-national Journal of Geriatric Psychiatry. 6. Januar 2011, S. 1000-1011.
11. Roach, K. E., et al. A Randomized Controlled Trial of an Activity Specific Exercise Program for Individuals With Alzheimer Disease in Long-term Care Settings. Journal of GERIATRIC Physical Therapy. April 2011, S. 50-56.
12. Suttanon, P., et al. Feasibility, safety and preliminary evidence of the effective-ness of a home-based exercise programm for older people with Alzheimer's dis-ease: a pilot randomized controlled trial. Clinical Rehabilitation. 18. August 2012, S. 427-438.
13. Vreugdenhil, A., et al. A community-based exercise programm to improve func-tional ability in people with Alzheimer's disease: a randomized controlled trial. Scandinavian Journal of Caring Sciences. 28. Februar 2011, S. 12-19.
14. Yàgüez, L., et al. The effects on cognitive functions of a movement-based inter-vention in patients with Alzheimer's type dementia: a pilot study. International Journal of Geriatric Psychiatry. 27. September 2010, S. 173-181.
15. Hauer, K., et al. Physical Training Improves Motor Performance in People with Dementia: A Randomized Controlled Trial. Journal of the American Geriatrics Society. Januar 2011, S. 8-15.
121
25. "Ich weiss nicht, was in dieser Nacht passiert ist, ich weiss
es bis heute nicht.“ Das Erleben von Zeitlücken als Folge
einer Suchtmittelabhängigkeit: Eine Grounded Theory
Studie.
Sabrina Laimbacher, Ian Needham, Claudia Mischke
Hintergrund
Für die Konstitution eines intakten Zeiterlebens sind das Bewusstsein von
Gegenwärtigkeit sowie die Fähigkeit der Erinnerung, eine lückenlose Abfolge
biographischer Ereignisse und die Wahrnehmung von Zeitlichkeit als ein
fliessender Prozess grundlegend. Dabei spielt die Identifikation von objekti-
ven Zeitstellen eine zentrale Rolle 1,2. Die Vergangenheit kann nicht ein-
fach als geschehen und auf diese Weise als beendet betrachtet werden.
Vielmehr kann die bisher gelebte Zeit mit einer bedeutsamen Präsenz und
Einflussnahme auf das Erleben der Gegenwart einwirken 3. Das individuel-
le Zeiterleben wird immer durch den emotionalen Zustand beeinflusst 4.
Eine langjährige Suchtmittelabhängigkeit kann zu Einschränkungen im Erle-
ben von Zeit führen und Zeitlücken in der Biographie hinterlassen. Diverse
Studien berichten über Einschränkungen in der Erinnerungsfähigkeit, Auf-
merksamkeit und Ausübung exekutiver Funktionen im Zusammenhang mit
chronischem Suchtmittelkonsum 5,6,7,8. Die Pflege von Menschen mit
einer Abhängigkeitserkrankung bedeutet eine Begegnung mit deren Le-
benswelt sowie einer individuellen Zeit- und Realitätswahrnehmung. Die
Untersuchung des Erlebens von Zeitlücken als Folge einer Abhängigkeitser-
krankung erscheint als pflegerisch relevant, um eine Vorstellung über die
existierende Lebenswelt der Betroffenen zu gewinnen, auf diese Thematik
eingehen und die Pflege an den damit verbundenen Bedürfnissen ausrichten
zu können. In der Literatur wird das Phänomen Erleben von Zeitlücken im
Kontext einer Abhängigkeitserkrankung vorwiegend aus einer externen
122
Perspektive beschrieben und in der Pflegepraxis ist das Thema zum gegen-
wärtigen Zeitpunkt noch wenig existent.
Fragestellung
Um ein vertieftes Verständnis zum subjektiven Erleben von Zeitlücken bei
Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung und der Bedeutung für das
Heute zu gewinnen wurden folgende Forschungsfragen formuliert: Wie
erleben Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung Zeitlücken als Folge
einer Suchtmittelabhängigkeit? Worauf führen die Betroffenen etwaige
Zeitlücken zurück? Welche Bedeutung haben die wahrgenommenen Zeitlü-
cken für das Heute? Welche Bedürfnisse drücken die Betroffenen im Zu-
sammenhang mit Zeitlücken aus?
Methode
Für die Untersuchung des Erlebens von Zeitlücken als Folge einer Suchtmit-
telabhängigkeit diente der qualitative Ansatz der Grounded Theory. Die
Datengewinnung erfolgte durch qualitative Einzelinterviews mit Menschen
mit einer Abhängigkeitserkrankung. Die Teilnehmenden wurden mithilfe des
theoretischen Samplings über die Selbsthilfegruppe Narcotic Anonymous
sowie über eine Station für Suchttherapie rekrutiert. Die Daten wurden im
Rahmen des iterativen Prozesses anhand des offenen, axialen und selek-
tiven Codierens analysiert 9. Vorangehend an den Forschungsprozess wur-
de die Studie durch die zuständige Ethikkommission bewilligt.
Ergebnisse
Es wurden sechs offene Interviews mit vier Männern und zwei Frauen mit
einer Abhängigkeitserkrankung durchgeführt. Alle Teilnehmenden haben
während mehrerer Jahre ihres Lebens einen multiplen Suchtmittelkonsum
betrieben und lebten zum Zeitpunkt der Interviews suchtmittelabstinent. In
der Analyse kristallisierten sich zwei Achsenkategorien heraus: „Erlebte
Phasen der Isolation, Einsamkeit und „Sich fehl am Platz fühlen“ leiten die
Zeiterinnerung“ sowie „In eine andere Welt eintauchen - Sucht schafft eige-
123
ne Lebens- und Zeitrealität“. Der Versuch durch Suchtmittelkonsum dem
Erleben der Isolation, Einsamkeit und „Fehl am Platz sein“ zu entkommen,
resultierte schlussendlich in einer Wiederholung dieses Erlebens sowie auch
in einer subjektiv erlebten Veränderung der eigenen Lebens- und Zeitreali-
tät. Die Achsenkategorien beschreiben einerseits den Weg in die Sucht und
andererseits auch die Zeit während des aktiven Konsums. Verschiedene
Charakteristika erlebter Zeitlücken wie Amnesien, Filmrisse, Erinnerungslü-
cken, die Schaffung eigener Lebens- und Zeitrealitäten, das Gefühl, in der
eigenen Entwicklung stehengeblieben zu sein sowie auch ein verändertes
Normalitätsempfinden konnten identifiziert werden. Die Teilnehmenden
führten diese vorwiegend auf ihre Suchmittelabhängigkeit, weiter aber auch
auf traumatisierende Erlebnisse und ihre Biographie zurück. Das Erleben von
Zeitlücken und die Erfahrungen der eigenen Suchtvergangenheit bedeuteten
für die Teilnehmenden prägende Erfahrungen, welche nachhaltige Konse-
quenzen in ihrer Lebenswelt verursachten und sich bis in die heutige Ge-
genwart auswirkten. Als zentrales Phänomen kristallisierte sich heraus, dass
das Erleben von Zeitlücken eine Betroffenheit hinterliess und die Integration
der Vergangenheit in die heutige Gegenwart und Biographie sowie einen
Sinn im Heute zu finden wichtig war. Durch die Auseinandersetzung mit der
eigenen Geschichte kann eine Akzeptanz dieser erreicht werden. Der Verän-
derungsprozess hin zu einem abstinenzorientierten Leben und ein Neube-
ginn in der heutigen Gegenwart ermöglichte die Schaffung von neuen Per-
spektiven für die Zukunft und unterstützte die Suche nach Sinn. Die kom-
munikative Validierung durch die Teilnehmenden bestätigte die Ergebnisse.
Diskussion & Schlussfolgerung
Die Studie erlaubt erste Hinweise zum Erleben von Zeitlücken im Kontext
einer Abhängigkeitserkrankung und deren Bedeutung für die Gegenwart.
Die Erkenntnisse können Pflegefachpersonen helfen, Betroffene im Verän-
derungsprozess hin zu einem sinnmachenden, abstinenten Leben gezielter
zu begleiten, indem einerseits dem Erleben von Isolation, Einsamkeit und
„Sich fehl am Platz fühlen“ sowie anderseits dem Erleben von Zeitlücken und
124
der damit verbundenen Betroffenheit Raum gegeben werden kann. Weiter
kann eine Unterstützung in der Auseinandersetzung mit der eigenen Ver-
gangenheit und auch in der Sinnfindung während des Genesungsprozesses
Unterstützung angeboten werden. In diesem Zusammenhang nimmt auch
die Erfassung bestehender Ressourcen, Zielen, Wunschvorstellungen und
Träumen für die weitere Zukunft eine besondere Bedeutung ein. Die Erfah-
rungen der Studienteilnehmenden können sich auf Menschen mit einer
aktiven Suchtmittelabhängigkeit motivierend für den eigenen Verände-
rungsprozess auswirken und der direkte Einsatz von Betroffenen in der Pra-
xis in Form von Peers kann als zusätzliche Unterstützung in Betracht gezo-
gen werden.
Literatur
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8. Yücel, M., Lubman, D. I., Solowij, N., & Brewer, W. J. (2007). Understanding drug addiction: a neuropsychological perspective. Australian and New Zealand Journal of Psychiatry, 41, 957-968.Literaturverzeichnis
125
9. Mey, G., & Mruck, K. (2011). Grounded-Theory-Methodologie: Entwicklung, Stand, Perspektiven. In G. Mey & K. Mruck (Eds.), Grounded Theory Reader (2th. ed., pp. 11-50). Wiesbaden: VS Verlag.
126
26. „Neue Medien, Neue Freiheiten, Neue Probleme“ - Über
Mediennutzung und Medienregelung im LWL Maßregel-
vollzug
Woldemar Lange, Michael Rüpp
Hintergrund
In der Forensischen Psychiatrie wächst der Anspruch auf Einsatz so genann-
ter „neuer Medien“. Einerseits haben die Patientinnen und Patienten die-
sen, um sich Geräte aus dem Medienbereich anzuschaffen, andererseits
zeigt sich die Notwendigkeit, Patientinnen und Patienten gezielt, auch in-
haltlich, an den Umgang mit diesen Medien heranzuführen. Dabei stehen
die Pflegenden vor der schweren Problematik der Abwägung zwischen den
therapeutischen und rechtlichen Ansprüchen und zusätzlich den Sicher-
heitsanforderungen.
Einleitung
Die so genannten „Neuen Medien“ eröffnen nicht nur neue Freiheiten son-
dern sorgen auch für neue Probleme. Mißbrauchsmöglichkeiten, Ausschluss
von kriminellen Aktivitäten und vor allem das technische Hochrüsten der
Patientinnen und Patienten auf den Stationen stellt eine riesige Herausfor-
derung für die handelnden Personen dar. Diese Herausforderung wird noch
dadurch vergrößert, dass die Behandlerinnen und Behandler wiederum dem
technischen Fortschritt stetig Rechnung tragen müssen.
Thema
In diesem Workshop beschreiben Herr Lange und Herr Rüpp den vom LWL
beschrittenen Weg in dieser Frage auf.
127
Ziele
Schon seit 2011 arbeitet der LWL in allen sechs Kliniken mit einer Medienre-
gelung, welche gemeinsam zwischen Trägerabteilung und Praktikern in den
Kliniken erarbeitet wurde. Im Vortragsteil wird nicht nur die LWL Medienre-
gelung vorgestellt, sondern es werden auch die inhaltlichen, technischen
sowie Sicherheits- Gesichtspunkte der Mediennutzung beleuchtet.
Gestaltung
In moderierten Kleingruppen werden Gefahren der Mediennutzung aufge-
zeigt und diese im Widerspruch zum therapeutischen und rechtlichen An-
spruch beleuchtet. Dabei werden auch konkrete juristische Bewertungen
der Probleme, aber auch konkrete Gefahren einzelner Medien herausge-
stellt.
Der Vortrag soll einen Überblick über die Ansprüche, Möglichkeiten und
Grenzen verschaffen und im Dialog mit den TeilnehmerInnen Anregungen
zum Umgang damit geben.
128
27. Das „Safewards Model“ von L. Bowers als Beispiel zur Re-
duktion von herausfordernden Situationen in akutpsychi-
atrischen Settings
Michael Löhr, Malte Husemann, André Nienaber
Hintergrund
Die Gewährleistung einer sicheren Umgebung bzw. eines schützenden Mili-
eus für Menschen in psychiatrischen Krisensituationen stellt ein wichtiges
Ziel stationärer psychiatrischer Behandlung dar [1]. Eine besondere Heraus-
forderung stellt die Begleitung von Menschen in akuten Krisensituationen
dar, bei denen die Gefahr für eine selbst- oder auch fremdgefährdende
Gewalttätigkeit diagnostiziert ist. Untersuchungen, die sich mit dem Thema
beschäftigen, zeigen, dass gewalttätige Vorfälle in der psychiatrischen Ver-
sorgung zu einem großen Teil auf Interaktionen zwischen Mitarbeitenden
und Patienten zurückzuführen sind. Im Zentrum stehen dabei Einschränkun-
gen der Patienten im Hinblick auf ihre Freiheit, Restriktionen oder die Ab-
lehnung von Wünschen [2,3].
Fragestellung
Vor dem dargestellten Hintergrund lautet die Fragestellung des Projektes:
Wie lassen sich herausfordernde Situationen im Kontext einer akutpsychiat-
rischen Behandlung vermeiden oder reduzieren?
Methode und Material
Die Fragestellung wird mit Hilfe einer Literaturrecherche zum Umgang mit
herausfordernden Situationen in der stationären psychiatrischen Versor-
gung beantwortet. Dabei bildet die Darstellung von Möglichkeiten der Dees-
kalation und Bewältigung solcher Situationen auf der Grundlage des am
Institute of Psychiatry am Kings College London entwickelten „Safewards
Model“ [4] den Schwerpunkt.
129
Ergebnisse
Das „Safewards Model“ von Bowers [4] wurde innerhalb der Literatur-
recherche in verschiedenen Datenbanken als tragfähiges, aktuelles und auf
Grundlage hoher Evidenz erstelltes Konzept im Hinblick auf den Umgang mit
Konflikten und der Beherrschung konflikthafter Situationen in der psychiat-
rischen Versorgung identifiziert. Innerhalb dieses Konzeptes wurde auf
Grundlage von Untersuchungen ein wissenschaftlich fundiertes und evalu-
iertes Modell entwickelt, welches sechs ursächliche Bereiche für das Auftre-
ten von Konfliktsituationen im Rahmen einer stationären psychiatrischen
Versorgung identifiziert. Zur Vermeidung einer Eskalation, die dem Modell
zufolge durch die identifizierten Bereiche wesentlich beeinflusst wird, wur-
den gezielte Interventionen mit dem Ziel entwickelt, ein respektvolles, ver-
ständnisvolles und auf gegenseitiger Wertschätzung basierendes Behand-
lungssetting psychiatrischer Versorgung zu realisieren. Neben den theoreti-
schen Hintergründen und der wissenschaftlichen Grundlage des Modells,
werden erste Ergebnisse der praktischen Anwendung der entwickelten In-
terventionen im akut psychiatrischen Kontext dargestellt. Abschließend
werden aus den Ergebnissen Entwicklungsmöglichkeiten für den stationären
Alltag abgeleitet.
Diskussion
Innerhalb der Literaturrecherche wurde deutlich, dass sich die Daten bezüg-
lich des Auftretens und der Häufigkeit herausfordernder Situationen in Form
von aggressiven oder autoaggressiven Ereignissen im Vergleich zwischen
einzelnen Einrichtungen deutlich unterscheiden. Diese Unterschiede bei
vergleichbaren Krankheitsbildern und Fallzahlen weisen auf einen Zusam-
menhang zwischen individuellen Faktoren der Einrichtung einschließlich der
Mitarbeitenden und herausfordernden Situationen hin.
130
Schlussfolgerung
Aus Sicht des Autors verdeutlicht das Safewards-Konzept die Notwendigkeit,
Behandlungsangebote und Institutionen in Einklang mit den individuellen
Interessen der Patienten zu bringen. Herausfordernden Situationen wie
verbalen oder körperlichen Drohungen geht häufig ein Prozess voraus, der
von Missverständnissen geprägt ist oder bei dem Entscheidungen als pater-
nalistisch wahrgenommen werden. Innerhalb des „Safewards Model“ wird
die Wirksamkeit von Interventionen mit wissenschaftlicher Evidenz belegt.
Diese Interventionen zeichnen sich nicht durch Komplexität und notwendi-
ges Fachwissen aus, sondern vielmehr durch die Haltung und das professio-
nelle Selbstverständnis der Mitarbeitenden.
Literatur
1. Bowers, L. (2005). Reasons for admission and their implications for the nature of acute inpatient psychiatric nursing. Journal of Psychiatric and Mental Health Nursin, 12 (2), 231-236.
2. Papadopoulos, C., Ross, J., Stewart, D. et al. (2012). The antecedents of violence and aggression within psychiatric in-patient setting. Acta Psychiatrica Scandina-vica, 125, 425-439.
3. Bowers, L. (2009). Association between staff factors and levels of conflict and containment on acute psychiatric wards in England. Psychiatric Services. 60, S. 231-239.
4. Bowers, L., Alexander, J., Bilgin, H. et al. (2014). Safewards: the empirical basis of the model and a critical appraisel. Journal of Psychiatric and Mental Health Nursing, 21, 354-364.
131
28. Klettern als Therapie?
Peter Lorenz
Hintergrund
Von einer Extremsportart zur Therapie. Chance oder Illusion? Laut einer
Studie [1] befindet sich die Behandlungsindikation des therapeutischen
Kletterns (TK) für psychische Erkrankungen in Deutschland auf dem dritten
Platz. Recherchen bezüglich des TK in Verbindung mit Diagnosen nach ICD-
10/ DSM- IV unterstützen aktuell die mangelnde wissenschaftliche Grundla-
ge. Orthopädische Erkrankungen stellen nicht nur eine deutlich höhere wis-
senschaftliche, sondern auch praktische Relevanz dar. Jedoch haben beide
Indikationen eines gemeinsam: Die zielgerichtete,systematische Arbeit am
Patienten.
Problemstellung
Dem TK wird eine Vielzahl von Wirkungsbereichen (WB) unterstellt. Der
wohl bekannteste beschriebene WB des TK ist die Steigerung der Konzentra-
tionsfähigkeit. Jedoch begründet der aktuelle Forschungsstand den inflatio-
nären Einsatz der therapeutischen Maßnahme nur unzureichend [2]. Auch
das methodische Vorgehen erfährt in der derzeitigen Literatur nur ansatz-
weise eine Vorstellung.
Ziele
Vorrangig ist eine klare Definierung und Hintergrundrecherche von Therapie
und Klettern vorzunehmen. Dadurch wird deutlich, dass eine Synergie aus
medizinischen, psychologischen und pädagogischen Konzepten erarbeitet
werden muss. Erst wenn dies eine Umsetzung erfährt, kann vom „therapeu-
tischen“ Klettern gesprochen werden. Ist dies nicht der Fall, reduziert sich
der Wert einer Therapie auf eine einfache Formel: „Hat gut getan und Spaß
gemacht“ (Lukowski. T). Ein weiteres Ziel muss die Transferleistung in den
132
Alltag der Patienten und der Erziehungsberechtigten sein. Auch die inhaltli-
che und methodische Herangehensweise ist gleichrangig zu betrachten.
Vorgehen
Auf einer Kinderpsychiatrischen Station (stationäre Patienten) wird das TK
zweimal wöchentlich zu je 45 Minuten in einer Kleinstgruppe angeboten.
Darüber hinaus werden Erziehungsberechtigte (Eltern, Angehörige, Bezugs-
personen) im Rahmen der Eltern-Kind-Therapie mit in das TK eingebunden.
Gerade im Bereich der elternbegleitenden Therapie wird auf die Wahrneh-
mung von Gefühlen und das Beeinflussen derer eingegangen. Des Weiteren
soll durch methodische Reihen der beschriebene Alltagstransfer für Patient
und Erziehungsberechtigte erreicht werden.
Erfahrungen
Viele Patienten bekommen eine andere Wahrnehmung für ihren Kletter-
partner, nehmen zunehmend positive Eigenschaften von sich und dem An-
deren wahr, erkennen eigene Grenzen und die des Gegenübers. Erziehungs-
berechtigte nehmen Anstöße/Ideen für den Alltag mit nach Hause. Durch
den hohen Aufforderungscharakter des Kletterns, wird eine zunehmende
Therapiecompliance auf beiden Seiten wahrgenommen.
Diskussion
Obwohl keine gesicherte Datenbasis zur Wirksamkeit des TK vorhanden ist,
wird es bei den verschiedensten Erkrankungen als Intervention eingesetzt.
Die offensichtlichen Erfolge sollen als Chance und Forschungsanreiz für die
Durchführungen systematischer /zielgerichteter Untersuchungen aufgefasst
werden.
Schlussfolgerung
Der Grad zwischen theoretischem, fundamentiertem Wissen und der prakti-
schen, therapeutischen Umsetzung ist derzeit zu schmal, um ein zielgerich-
tetes, inhaltliches, sowie klares Vorgehen bei psychiatrischen Krankheitsbil-
133
dern zu ermöglichen. „Der wichtigste Muskel des Menschen, ist das Gehirn“
(W. Güllich)
Literatur
1. Trinks S, Kern C, Peters C. Therapeutisches Klettern in der Rehabilitation. Praxis Physiotherapie 2010
2. Grzybowski C, Elis E. Therapeutic Climbing – Barely Explored but Widley used. Sportverl Sportschad 2011
134
29. „Was tun? –Umgang mit psychisch belasteten Menschen
in Schule und Betrieb“ – Ein Pilotprojekt aus dem Kanton
Thurgau (CH)
Regula Lüthi, Roger Gartenmann
Ausgangslage
Psychisch belastete Menschen sind in allen Lebensbereichen beeinträchtigt
– auch am Arbeitsplatz. Arbeit hat aber für die psychische Gesundheit einen
zentralen Stellenwert. Zu späte oder ungenügende Versorgung ist ein Risiko
für die Entwicklung chronischer Krankheitsverläufe und soziale Isolierung.
Personalverantwortliche spielen daher eine wichtige Schlüsselrolle, wenn es
um das Ansprechen von Veränderungen im Verhalten oder der Leistung
geht und wenn es um die Inanspruchnahme von fachlicher Hilfestellung
geht. Sie wissen bis heute zu wenig über psychische Erkrankungen und
scheuen sich davor, Mitarbeitende, die sich in ihrem Verhalten und ihrer
Leistung verändern, auf eventuelle psychische Belastungen anzusprechen.
Der Kanton Thurgau (CH) hat CHF 25`000.- gesprochen, damit eine Arbeits-
gruppe, bestehend aus verschiedenen Personen aus Schulen, Wirtschaft,
Politik, Psychiatrie, in einem Pilotprojekt testen kann, ob Personalverant-
wortliche im direkten Gespräch mit psychisch Kranken profitieren könnten,
in dem sie den Mut zum Dialog praktisch üben und damit Ängste und Vorur-
teile überwinden. Die Leitung des Piloptrojekts übernimmt eine Pflegefach-
frau Psychiatrie.
Zielsetzung
- Für Personalverantwortliche und Schulleitungen im Kanton Thurgau (CH)
ist ein „Wissens- und Begegnungspaket“ für den Umgang mit psychisch
belasteten Menschen erstellt.
- Personalverantwortliche und Schulleitungen werden befähigt, im direk-
ten Kontakt mit Betroffenen in einen offenen Dialog zu treten.
135
- Durch das Vermitteln von Basiswissen zu häufigen psychischen Krankhei-
ten und das zur Verfügung stellen von Informationsmaterial zu nieder-
schwelligen Fachstellen/-personen wird der Anreiz geschaffen, präven-
tiv, schnell und unkompliziert Unterstützung zu holen.
Geplantes Vorgehen (Stand Januar 2014)
- Erarbeitung eines Fortbildungsprogramms von zwei Nachmittagen: Ers-
ter Nachmittag:„Facts and Figures“ / Zweiter Nachmittag:“Im direkten
Gespräch mit Betroffenen”
- Durchführung eines Pilotprogramms im Frühling 2014
- Auswertung des Pilotprojekts und Anpassungsarbeiten im Sommer 2014
- Vorstellung des Angebots an der Gesundheitstagung vom 11.11.2014
- Überführung des Angebots in ein Regelangebot im Kanton
- Zugesagt haben neben den Fachpersonen auch drei Betroffene
Diskussion und Schlussfolgerung
Am Kongress werden wir als Pflegefachfrau Psychiatrie und als Betroffener
zu zweit über die gemachten Erfahrungen berichten. Das Pilotprojekt ist bis
dann durchgeführt und ausgewertet. Besonderen Wert wird darauf gelegt,
aufzuzeigen, ob sich durch die direkten Auseinandersetzungen mit Betroffe-
nen das angestrebte Ziel der grösseren Selbstverständlichkeit, miteinander
über psychische Belastungen zu sprechen, auch wirklich erreicht werden
konnte.
Das Referat soll aufzeigen, dass Psychiatriepflegefachpersonen und Be-
troffene gemeinsam den Weg aus den psychiatrischen Institutionen heraus
machen müssen, wenn in der Allgemeinbevölkerung und dort speziell bei
den Arbeitgebern wirklich ein Umdenken bezüglich Umgang mit psychisch
Kranken erreicht werden soll.
136
30. Patenschaften für Kinder psychisch kranker Eltern: Ein
Handlungsfeld auch für die psychiatrische Pflege?
Katja Makowsky, Sabine Roebers
Hintergrund und Problemstellung
Mittlerweile ist bekannt, dass Kinder psychisch kranker Eltern ein erhöhtes
Risiko haben, selbst psychisch krank oder verhaltensauffällig zu werden [1;
2]. Ein Teil dieser Kinder und Jugendlichen entwickelt sich trotz der vorlie-
genden Belastungen gesund [3]. Retrospektive Studien haben gezeigt, dass
Kinder, die nicht erkrankten, über eine konstante Bezugsperson außerhalb
der engeren Familie verfügten [4]. Im psychiatrischen Versorgungssystem
wurde in Deutschand die Situation von Kindern psychisch kranker Eltern
lange Zeit nicht systematisch berücksichtigt. Erst seit einigen Jahren werden
unterschiedliche Präventionsprogramme zur Entlastung dieser Kinder ange-
boten [5]. Ein verhältnismäßig junges Konzept, das an den nachgewiesenen
positiven Einfussmöglichkeiten durch eine konstante Bezugsperson ansetzt,
[4] sind Patenschaften für Kinder psychisch kranker Eltern. Sie sollen einen
Beitrag leisten, um Belastungen abzupuffern [6] und zielen auf die alltags-
nahe Unterstützung und Entlastung der Heranwachsenden ab [7]. Eine mög-
liche Beteiligung der psychiatrischen Pflege an diesen Angeboten wird der-
zeit noch wenig diskutiert. In diesem Beitrag wird, anknüpfend an ausge-
wählten Ergebnissen der qualitativen Evaluation eines Patenschaftsangebots
für Kinder psychisch kranker Eltern in der Region Osnabrück [8] , auch der
Frage einer Beteiligung der psychiatrischen Pflege an diesem Angebot nach-
gegangen.
137
Fragestellung
Im Rahmen der Studie fand eine Orientierung an Fragestellungen zum ziel-
führenden und langfristigen Gelingen von Patenschaftsangeboten sowie zu
Voraussetzungen und zum subjektiven Nutzen aus der Perspektive beteiliter
Familien statt.
Methoden
Zur Datenerhebung kamen qualitative problemzentrierte Interviews mit 10
ehrenamtlichen Patinnen und 4 psychisch erkrankten Müttern zum Einsatz.
Die Auswertung erfolgte in Anlehnung an die inhaltlich strukturierende qua-
litative Inhaltsanalyse nach Mayring [9].
Ergebnisse
Entscheidend für das Zustandekommen und den Verlauf einer Patenschaft
sind auf der Seite der Patinnen die Motive, die zur Übernahme einer Paten-
schaft führen. Hierbei steht soziales Engagement und der Wunsch, sich mit
Kindern zu beschäftigen im Vordergrund: „(…) und insofern hab ich gedacht
ok, wenn ich helfen kann solang ich=s noch kann: ich hab Freude dran und
Kindern; ich hab Freude an Menschen (…).“ (P3f, 71). Auch eigene Erfahrun-
gen werden als Grund für die Übernahme einer Patenschaft angegeben:
„.Ja. Ich hab gedacht äh(.) für mich ist es interessant weil ich selber auch aus
so=n Haus-Familie komme, meine Mutter war (…) Ich bin also mit ner (…)-
kranken Mutter wa- aufgewachsen (…) und weiß auch daher jetzt (…) was
so=n Kind so äh eben dann auch für Sorgen hat (…)“ (P1f, 74). Die Ausgestal-
tung der Patenschaft sowie Erwartungen an die Patenfamilie sind durch
Themen wie Nähe und Distanz geprägt. Während beschrieben wird, dass die
Kinder jederzeit einen Ansprechperson erhalten sollen, wird im Unterschied
dazu auch eine gegenläufige Tendenz deutlich: „(…) ich möchte z.B. kein
Kind aus der Nachbarschaft haben, irgendwie, weil ich finde, so eine gewisse
Distanz finde ich ganz gut (…)“ (P7f, 106). Betrachtet man Vorstellungen zur
Ausgestaltung einer Patenschaft, werden an die Patenfamilien Anforderun-
138
gen hinsichtlich des Verhaltens gestellt. Bezogen auf ein Patenkind be-
schreibt eine Patenperson beispielsweise: „(…) Problematik mit meinem
Patenkind, (…) das war so=n kleines Prinzesschen, auf der Erbse, (.) u:nd es
hat immer wieder Schwierigkeiten gegeben mit Absprachen, mit Treffen, mit
äh Vereinbarungen, einhalten“ (P9f, 41).
Für die befragten Mütter stehen das Vertrauen in die beteiligten Mitarbeite-
rinnen sowie der Wunsch, den Kindern positive Erfahrungen zu ermöglichen,
im Vordergrund. Das Zustandekommen einer Patenschaft gelingt, weil die
befragten Mütter Vertrauen in die Mitarbeiterinnen des Kinderschutzbun-
des sowie die ehrenamtlichen Patenpersonen setzen. „(…) ich hab gesagt ich
will das wohl gerne machen, (…) ich will sie [die potenzielle Patin, d. V.] mir
auch vorher angucken, (…) wenn sie mir gefällt, dann könnt=ich mir das gut
vorstellen, (…) ich hab sie kennengelernt, (…) sie hat halt zu mir gesagt dass
sie selber ganz viel schlechte Dinge durchgemacht hat, (…) der erste Ein-
druck, äh muss bei mir eigentlich passen (…).“ (E2f, 45) Als Motiv, diesem
Angebot zuzustimmen, lässt sich der Wunsch, etwas zur Verbesserung des
kindlichen Wohlbefindens beitragen zu können, analysieren. In diesem Zu-
sammenhang wird auch die familiäre Situation aus der Perspektive befragter
Mütter reflektiert: „(…) er musste ja eigentlich immer (.) der hat meine Mut-
terrolle in dem Sinne übernommen. //mhm// so manchmal. //mhm// der
muss halt wieder lernen dass er einfach Kind ist.“ (E2f, 62).
Diskussion
Die Ergebnisse der Osnabrücker Studie bestätigen, dass das Patenschaftsan-
gebot für befragte Patinnen und psychisch erkrankte Elternteile als alltags-
nahe Unterstützung und Entlastung für die Kinder gesehen wird. Eine nähe-
re Betrachtung von Aspekten, die auf Seiten der Ehrenamtlichen zur Über-
nahme und Ausgestaltung einer Patenschaft führen, ist in bisherigen Studien
selten vorgenommen worden. Die in diesem Zusammenhang deutlich ge-
wordenen ergänzenden Aspekte können einen Beitrag leisten, um die Be-
gleitung der Ehrenamtlichen gezielt und systematisch durchzuführen. Der
aus der Perspektive der befragten Mütter deutlich gewordene hohe Stel-
139
lenwert des Vertrauens in die Mitarbeiterinnen und Patenpersonen bestä-
tigt Ergebnisse anderer Studien. So wurde beispielsweise bei der Befragung
von Frauen in psychosozial belastenden Lebenslagen hinsichtlich der
Aktzeptanz von Angeboten einer Familienhebamme dieser Aspekt ebenfalls
deutlich [10].
Eine besondere Schwierigkeit besteht darin, Familien mit einem psychisch
kranken Elternteil durch präventiv orientierte Unterstützungsangebote für
die Kinder zu erreichen. Die Familien mit einem psychisch kranken Elternteil,
die im Rahmen des Osnabrücker Patenschaftsangebots unterstützt werden,
hatten bereits vor ihrer Teilnahme am Programm Kontakt zum Jugendhilfe-
system. Die Erwachsenenpsychiatrie, die ebenfalls eine ergänzende Vermitt-
lungsinstanz darstellen könnte, wurde bislang im Kontext von Patenschafts-
angeboten für Kinder psychisch kranker Eltern kaum berücksichtigt.
Schlussfolgerungen
Es erscheint sinnvoll, Familien mit einem psychisch kranken Elternteil bereits
präventiv, z. B. während eines stationären Aufenthalts des erkrankten El-
ternteils, über das Patenschaftsangebot zu informieren, da Familien hier-
durch alltagsnahe Entlastung und Unterstützung erfahren können. Insbe-
sondere der professionellen psychiatrischen Pflege könnte hier eine Schlüs-
selposition zukommen. Diese Berufsgruppe verfügt gerade im Rahmen der
Bezugspflege aufgrund der hohen Kontaktdichte und der Nähe zu den Pati-
entinnen und Patienten über gute Einblicke in die familiären Strukturen und
Problemlagen.
Literatur
1. Ravens-Sieberer, U., et al. (2007) Psychische Ge-sundheit von Kindern und Ju-gendlichen in Deutschland. Ergebnisse aus der BELLA-Studie im Kinder- und Ju-gendgesundheitssurvey (KiGGS). Bundes-gesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 50 (5-6), S. 871–878.
2. Mattejat, F.; Lisowsky, B. (Hg.) (2008) Nicht von schlechten Eltern. Kinder psy-chisch Kranker. Bonn: BALANCE buch + medien verlag.
140
3. Rutter, M.; Quinton, D. (1984) Parental psychiatric disorder: effects on chil-dren. Psychological medicine 14 (4), S. 853–880.
4. Tress, W. (1986) Die positive frühkindliche Bezugsperson – Der Schutz vor psy-chogenen Erkrankungen. Psychotherapie medizinische Psychologie 36, S. 51-57.
5. Reinisch, A., et al. (2011) Präventionsangebote und -projekte für Kinder psy-chisch kranker Eltern in Deutschland - ein Überblick. In: S. Wiegand-Grefe, F. Mattejat und A. Lenz (Hg.) Kinder mit psychisch kranken Eltern. Klinik und For-schung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 62–83.
6. Lenz, A. (2005) Kinder psychisch kranker Eltern. Göttingen: Hogrefe.
7. Trepte, H.-V (2008) Patenschaften und Psychoedukation für Kinder psychisch kranker Eltern. In: A. Lenz und J. Jungbauer (Hg.) Kinder und Partner psy-chisch kranker Menschen. Belastungen, Hilfebedarf, Interventionskonzepte. Tübingen: dgtv-Verlag, S. 81–90.
8. Roebers, S., Makowsky, K. (accepted): Entlastung und Unterstützung für Kinder psychisch kranker Eltern durch Patenschaften: Ein Handlungsfeld auch für die psychiatrische Pflege? In: Pflege und Gesellschaft. Weinheim: Juventa Verlag
9. Mayring, P. (2002) Einführung in die qualitative Inhaltsanalyse. Weinheim und Basel: Beltz.
10. Makowsky, K., Schücking, B. (2010) Familienhebammen: Subjektive Auswirkun-gen auf die kindliche und mütterliche Gesundheit aus der Perspektive begleiteter Mütter. Bundesgesundheitsblatt. Leitthema: Frühe Hilfen zum gesunden Auf-wachsen von Kindern 53, S. 1080-1088
141
31. Die Psychiatrische Patientenverfügung PPV
Gerda Malojer
Abstract
Seit Anfang 2013 gilt in der Schweiz das neue Erwachsenenschutzrecht nach
dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch ZGB und dem Einführungsgesetz zur
Bundesgesetzgebung über das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, KES.
Zentrales Anliegen des Gesetzes ist die Entstigmatisierung bzw. das Vermei-
den von Diskriminierung und die Förderung der Selbstbestimmung von
Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Der Dreh- und Angelpunkt ist
dabei die Urteilsfähigkeit bzw. Urteilsunfähigkeit in Bezug auf Fragen der
Behandlung psychischer Erkrankung.
Die Psychiatrische Patientenverfügung ist eine Möglichkeit die eigene psy-
chiatrische Behandlung im Fall einer Urteilsunfähigkeit in Bezug auf Behand-
lungsentscheidungen mitzubestimmen. Dadurch können eigene Erfahrungen
einfliessen um schlechte Erfahrungen zu vermeiden, Zwang zu reduzieren
und Vertrauen in die Behandlung aufzubauen.
Soweit die Theorie. Für eine erfolgreiche Implementierung dieses Instru-
mentes in die Praxis braucht es Hintergrundwissen und einen Entwicklungs-
prozess, in den Fachleute und Patienten involviert sind.
Dieser Vortrag will dazu einen Beitrag leisten.
- Inhalt einer psychiatrischen Patientenverfügung PPV
- Formale Kriterien, Beratung beim Ausfüllen
- Unterschied zu einer somatischen PV
- Wann ist jemand urteilsfähig, bzw. urteilsunfähig?
- Auswirkungen einer PPV auf die Praxis
- Wirksamkeit und Grenzen einer PPV
- Vertretungsberechtigte Person
142
- Patientenverfügung vs. Behandlungsvereinbarung
- Behandlung ohne Zustimmung
- Behandlungsplan
ProMenteSana hat in einem trialogischen Projekt mit der UPD Basel, der
Psychiatrie Obwald/Niedwalden und der Klinik St. Pirminsberg in Pfäfers
eine Vorlage für eine Psychiatrische Patientenverfügung erarbeitet und stellt
diese auf der Homepage zur Verfügung.
143
32. „Vergesse uns nicht!“oder „Über zwei Jahrzehnte Einbli-
cke in eine psychiatrische Klinik in Rumänien seit dem Fall
des eisernen Vorhangs.“
Werner Mayr
Hintergrund
1989 war in Europa ein Jahr des politischen Umbruchs. Die Grenzen nach
Osteuropa öffneten sich, ebenso die Tore auch für westliche Hilfsorganisati-
onen und deren Mitarbeiter in den psychiatrischen Kliniken der jeweiligen
Länder.
In Oberschwaben gab es die Projektidee, eine Pflegekraft nach Rumänien in
eine Klinik mit ca. 140 chronisch psychisch Kranken zu entsenden. Hierzu
habe ich mich für einige Monate gemeldet und war dann 1993 mit einem
Arbeitserzieher erstmals vor Ort.
Problemstellung
Es zeigte sich, dass auch an dieser Einrichtung katastrophale Rahmenbedin-
gungen herrschten, unter denen die kahlgeschorenen, ängstlich wirkenden
und teils ausgehungerten Patienten ihr Dasein fristen mussten und die über-
forderten oder gleichgültig gewordenen Pflegekräfte und der Arzt ihre Ar-
beit zu tun hatten. Elementares wie Wasser, Nahrung, Kleidung Heizung,
und Medikamente war nur unregelmäßig vorhanden oder fehlte zeitweise
gänzlich. Viele Patienten, vor allem die „Unheilbaren“, waren in feuchten,
stickigen und stinkenden Isolierräumen, manche seit Jahren, eingesperrt
und vegetierten teils zu zweit oder zu dritt auf dem verschmutzten rostigen
Betten.
Gelingt mir als Fremden ein Beziehungsaufbau zu Patienten und Mitarbei-
ter?
Wie kann hier psychiatrisch pflegerisches Arbeiten praktiziert werden?
144
Ziele
Kontaktaufnahme zu Patienten und Mitarbeitern und Beginn weiterer auf-
bauender psychiatrisch pflegerischer Arbeit. Kennenlernen der Strukturen
und Bedarfsanalyse vor Ort.
Vorgehen
Im Vortrag wird anhand von Beispielen die bauliche, personelle, wirtschaftli-
che und vor allem die menschliche Situation vor Ort bei der ersten Ankunft,
aber auch die positiven Veränderungen im Laufe der inzwischen 21 Jahre
beschrieben.
Es wird aufgezeigt, wie mit Kreativität und dem Willen zur Veränderung die
Lebensqualität von oft sprachlosen, in sich gekehrten, unter Decken verhar-
renden Patienten mittels pflegerischen Handelns verbessert werden kann.
Ebenso wird deutlich, wie mit der Zeit durch respektvolles Zusammenarbei-
ten mit den dortigen Mitarbeitern Neues entstehen, Vorurteile abgebaut,
auf die Haltung „im Sinne von: Hin zu den Patienten“ ein Einfluss genommen
werden konnte.
Ergebnis
Kontakte zu den Patienten vor Ort wurden geknüpft, professionelle Bezie-
hungsarbeit begonnen und darauf aufbauend gezielt psychiatrische Pflege
durchgeführt. Betroffene konnten ihre eigenen Gaben und Fähigkeiten wie
sprechen, singen und tanzen, wieder reaktivieren. Ein Lachen kehrte oftmals
in ihre Gesichter, Worte der Freude in ihrer Sprache, ein.
Die Zusammenarbeit mit den dortigen Mitarbeitern brachte gegenseitiges
Vertrauen.
Mittels Spendengelder, wurde ein neuer Kliniktrakt gebaut und die Patien-
ten aus den Kellerräumen dort einquartiert.
Impulse für einen menschenwürdigeren Umgang wurden gegeben, Angehö-
rigenarbeit begonnen usw.
145
Diskussion
Sind wir uns in den gut ausgestatteten westeuropäischen Kliniken noch über
die zentrale Bedeutung der professionellen Beziehungsarbeit im Rahmen
der psychiatrischen Pflege bewusst?
Können wir unsere eigenen Rahmenbedingungen, bei aller Verbesserungs-
würdigkeit, noch schätzen?
Schlussfolgerung
In der über zwanzigjährigen, unterschiedlich intensiven Zusammenarbeit
konnten viele gegenseitige Erfahrungen gemacht werden, fand gegenseiti-
ges Lernen statt.
Gemeinsam wurde, bei aller Unregelmäßigkeit, ein Prozess des „den Patien-
ten begegnen statt wegsperren“ in Gang gesetzt.
Letztlich zeigt sich, wie durch ein Überschreiten von geographisch politi-
schen, aber auch eigenen innerer Grenzen oder Schwellen eine Veränderung
zum Wohle der betroffenen Patienten möglich ist. Es lohnt sich darüber zu
berichten.
146
33. Sinnespflege – Sinnesschulung - Eine Chance für Gesun-
dung und Selbstentwicklung
Martina Menne
Abstract
Schauen wir insbesondere in unsere heutige westliche Kultur, aber auch
insgesamt in die Welt, so können wir sehen und erleben, dass die Individua-
lität des Menschen sich deutlich mehr und mehr in den Mittelpunkt stellt.
Traditionen, gesellschaftliche und politische Strukturen brechen zusammen.
Das Individuum mit seinen speziellen Bedürfnissen, aber auch seiner Ver-
letzbarkeit tritt hervor.
Das Ich als Grenzbildner zwischen Aussen- und Innenwelt ist heute enorm
beansprucht. Die Schnelllebigkeit der Welt führt zur Atemlosigkeit und Ner-
vosität. Wir erleben eine Fülle von Reizen, sei es z.B. durch zunehmende
Anforderungen im Berufsalltag: Immer mehr ist zu bewältigen, mit weniger
Personal und in kürzerer Zeit. Oder selbst gewählt im Rahmen der Nutzung
verschiedener Medien. All das geht nicht spurlos an uns vorüber.
Sind wir seelisch eigentlich dabei? Sind wir anwesend? Oder zeigt sich „Be-
wusstlosigkeit“ in der Überwachheit? Führt uns Reizüberflutung in die
„Mangelernährung“: Mangel trotz Überfülle?
Die Sinne sind sozusagen unser „Tor zur Welt“.
Jede Wahrnehmung wirkt auf uns zurück, wird verarbeitet, seelisch und
leiblich.
Die Wahrnehmung gibt mir Orientierung. Sie bestimmt mein Urteilen und
Handeln, ebenso beeinflusst sie meine seelische Stimmung.
Die Sinnesschulung ist aus dieser Perspektive ein Baustein individueller Le-
bensführung. Sie schult Denken, Fühlen und Handeln.
147
Der Workshop beginnt mit einem Einblick in die Sinneslehre aus anthropo-
sophischer Menschenkunde und bietet 2 Übungen zur Sinnesschulung an
mit anschliessender Aussprache.
Durch diese Übungen kann erlebt werden, dass ich selber meine seelischen
Kräfte Denken, Fühlen und Handeln führe, bzw. ausbilde. Und in der Verän-
derung dessen wird mein Verhältnis zu Aussenwelt ein anderes. Aussenwelt
und Innenwelt korrespondieren miteinander und dieses Wechselverhältnis
eröffnet die Möglichkeit für eine innere Stabilisierung, für Selbstvertrauen.
148
34. Geschichte der Pflege
Günter Meyer
Hintergrund
Lassen sich Schwellen, Grenzen und Übergänge aus der historischen Be-
trachtung besser nachvollziehen? Welche Bedeutung könnte eine universi-
tär angelegte Pflegegeschichte einnehmen, um gegenwärtige Schnittstellen
besser verstehen zu können? Beispielhaft an der Thematik: Schwellen,
Grenzen und Übergänge soll dargestellt werden, wie wichtig im wissen-
schaftlichen Kontext die historische Forschung sein kann. Die Pflegewissen-
schaft erlaubt sich bis heute auf eine eigene Geschichtswissenschaft zu ver-
zichten. Besonders die Geschichte der psychiatrischen Krankenpflege ist
kaum erforscht und führt nach wie vor ein Nischendasein. Eine separate
Forschung der Pflegegeschichte ist bislang an deutschsprachigen Universitä-
ten und Hochschulen nicht vorgesehen. Während das Studium der Medizin
obligatorisch ein Studium der Medizingeschichte einschließt, jede medizini-
sche Fakultät ein eigenes Institut für Medizingeschichte unterhält, gestattet
sich die Pflege bei den meisten angebotenen Studiengängen, die historische
Betrachtung gänzlich auszuklammern.
Fragestellung
In dem Vortrag soll herausgearbeitet werden, warum eine eigene, separate
Forschung der Pflegehistorie für die gegenwärtige Pflegeforschung von Be-
deutung sein könnte? Welche Chancen böte eine systematische Geschichts-
forschung der Pflege für die akademische Etablierung der bestehenden
Pflegeforschung insgesamt und welche Gefahren bestehen, falls wir das Feld
anderen Disziplinen oder Laien überlassen. Die Geschichtswissenschaft er-
hebt nicht den Anspruch, bloss vergangene Daten und Ereignisse zu archi-
vieren. Vielmehr möchte sie mit verifizierbaren, wissenschaftlichen Metho-
den vergangene Entwicklungen und Ereignisse erforschen.
149
Vorgehen
Anhand von einigen Beispielen soll dargelegt werden, wie eine wissenschaft-
liche Geschichtsforschung der Pflege funktioniert und welche Auswirkungen
sie auf die Gegenwart ausüben kann. Bezogen auf die Thematik des Kon-
gresses kann beispielhaft dargelegt werden, wie Kontinuitäten und Verän-
derungen die psychiatrische Pflegegeschichte bestimmen und wie Schwellen
und Grenzen aus historischer Sicht sowohl tradiert, als auch neu definiert
wurden.
Ergebnisse
Mit Hilfe der wissenschaftstheoretischen Methode des Mediziners Ludwik
Fleck lässt sich die Notwendigkeit der historischen Forschung auf ein theore-
tisches Fundament setzten. Der Mediziner Ludwik Fleck entwickelte in den
30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine historische Wissenschafts-
theorie und prägt die Begriffe „Denkkollektiv“ und „Denkstile“. Unter Denk-
kollektiv wird die kulturelle, soziale Gemeinschaft der Wissenschaftler ver-
standen. Jeder Wissenschaftler agiert in einer sozialen Einheit der wissen-
schaftlichen Struktur, die ihn auf der einen Seite prägt und auf der anderen
Seite den Rahmen der wissenschaftlichen Untersuchungen bestimmt. For-
schungsbemühungen sind demzufolge immer auch abhängig von vergleich-
baren und benachbarten Forschungsbemühungen innerhalb eines Denkkol-
lektivs. Sowohl neue Erkenntnisse oder Teilergebnisse wie auch Irrtümer
bestimmen den Fortlauf jeder wissenschaftlichen Untersuchung. Vor diesem
Hintergrund ist jede Wissenschaft eingebettet in einem wissenschaftlichen
Kollektiv. Innerhalb eines Kollektivs bestimmen soziologische und histori-
sche Faktoren den „Denkstil“. Dieser Denkstil bestimmt unser Wissen und
damit auch unsere Fähigkeit, zu bestimmten Erkenntnissen zu gelangen.
150
Diskussion
In Anlehnung an diese Methode lässt sich wissenschaftlich begründen, wa-
rum die Pflege eine eigene universitäre Geschichtswissenschaft braucht?
Nur so sind wir in der Lage, gegenwärtige Forschungsergebnisse in der ge-
samten Komplexität zu erfassen und beispielsweise auch den gegenwärtig
vorherrschenden Denkstil von Schwellen, Grenzen und Übergänge in der
Psychiatrie besser analysieren zu können.
151
35. Der Einfluss von pflegerischen Interventionen auf den Tür-
status einer akutpsychiatrischen Station mit dem Schwer-
punkt Bipolare Erkrankungen
Aline Montandon, Tamara Romer
Hintergrund
Die akutpsychiatrische Notfallstation P6-2 der psychiatrischen Dienste des
Kantons Aargaus (PDAG) mit dem Schwerpunkt Bipolare Erkrankungen ist
mit einer Belegung von 20 Patienten und Patientinnen zu 100% ausgelastet.
Bis anhin wurde diese Station stets zur Hälfte geschlossen geführt. Aus un-
terschiedlichen Gründen entschied das interdisziplinäre Team, die Station zu
öffnen. Dadurch wurde der Fokus vermehrt auf die Beziehungsgestaltung,
den Vertrauensaufbau sowie die Eigenverantwortung der Patienten und
Patientinnen gelegt. In diesem Zusammenhang stehen deeskalierende Inter-
ventionen, wie eine erhöhte Interaktionsdichte und die gezielte Anwendung
von pflegerischen Interventionen, im Vordergrund [1].
Problemstellung
Bei einem Wechsel von einer permanent zur Hälfte geschlossenen zu einer
offenen Station müssen grundlegende Aspekte in der Zusammenarbeit im
interdisziplinären Team sowie mit den Patienten und Patientinnen mitein-
bezogen werden. Einerseits braucht eine tragfähige und sich ergänzende
interdisziplinäre Zusammenarbeit eine offene, transparente und wertschät-
zende Kommunikation [2]. Als Basis hierfür ist eine professionelle, fachlich
fundierte und differenziert begründete Auseinandersetzung mit der Thema-
tik von zentraler Bedeutung. Dies erfordert eine gezielte Entwicklung der
Haltung gegenüber den gängigen Strukturen in der Psychiatrie, welche sich
nach wie vor hauptsächlich auf Sicherheit und Schutz fokussieren [3].
152
Ziele
Das Hauptziel des Praxisprojektes ist die Beschreibung eines möglichen
Einflusses von gezielten pflegerischen Interventionen auf den Türstatus.
Aus den Ergebnissen des Praxisprojektes sollen Empfehlungen für die Um-
setzung der Öffnung von akutpsychiatrischen Stationen abgeleitet werden
können.
Vorgehen
Es wurde ein differenziertes Schliessprotokoll erarbeitet. Parallel wurden
acht pflegerische Interventionen [4] protokolliert, welche angewendet wur-
den, um entweder die Station geöffnet lassen zu können oder die Station
wieder öffnen zu können. Konkret wurde interveniert mit
- Ablenkung durch Alltagsgespräche, Spiele, etc.
- Begleitete Spaziergänge einzeln oder in der Gruppe
- Körperliche Entspannung durch Bäder, Düfte, etc.
- Gezielte konfrontierende Gespräche über Stationsregeln, Strukturen und
Gewaltrisiko
- Gezielte deeskalierende Gespräche wie beispielsweise Talk down
- Engmaschige Überwachung (bis 15 Minuten Frequenz) bis hin zu 1:1
Betreuung
- Präventive Einnahme von Reservemedikamenten per os
- Zwangsmassnahmen wie Isolation, Medikation oder Fixation
Ergänzend wurden Entweichungen (Instrument klinikinternes Ausschrei-
bungsformular) und aggressive Vorfälle (Instrument Bröset Violence Check-
list BVC-CH) [5] erfasst. Die Basissuizidalität wurde zwar erhoben (Instru-
ment NGASR) [6], jedoch nicht spezifisch weiter verwendet. Die pflegeri-
schen Interventionen eines suizidalen Menschen bleiben zu einem grossen
Teil dieselben wie bei aggressivem Verhalten. Diesbezüglich lassen sich das
Erhalten einer hohen Interaktionsdichte, der Aufbau einer Beziehung, struk-
turgebende Massnahmen auf der Station und die Teilnahme an Aktivitäten
153
nennen [7]. Die Daten wurden über einen Zeitraum von 21 Wochen erho-
ben. Die Datenerfassung wurde ergänzt durch die Dokumentation der tägli-
chen prozentualen Bettenbelegung und des Grademixes der Pflegefachper-
sonen, wobei dieser Teil der Daten für das aktuelle Projekt nicht weiter
verwendet wurde.
Ergebnisse
Die Ergebnisse aus der Datenerhebung über 21 Wochen lassen sich in ver-
schiedene Bereiche unterteilen. Im Folgenden werden jeweils die drei häu-
figsten Interventionen genannt.
Häufigkeit der angewendeten pflegerischen Interventionen
- Engmaschige Überwachung (bis 15 Minuten Frequenz) bis hin zu 1:1
Betreuung 30 %
- Gezielte konfrontierende Gespräche über Stationsregeln, Strukturen und
Gewaltrisiko 21 %
- Gezielte deeskalierende Gespräche wie beispielsweise Talk down 14
%
Prozentualer Anteil des Türstatus‘über den Erhebungszeitraum
Die Station wurde zu 92 % offen und zu 8 % geschlossen geführt.
Einfluss der angewendeten pflegerischen Interventionen auf den Türstatus
Die Tür blieb offen oder konnte geöffnet werden nach folgenden Interven-
tionen:
- Gezielte konfrontierende Gespräche über Stationsregeln, Strukturen und
Gewaltrisiko 27 %
- Präventive Einnahme von Reservemedikamenten per os 22 %
- Engmaschige Überwachung (bis 15 Minuten Frequenz) bis hin zu 1:1
Betreuung 19 %
154
Beschreibung der Variablen „Durchschnittliche Bettenbelegung“ – „Kriti-
sche Ereignisse“ – „Anteil der geschlossenen Tür“
Es konnte festgestellt werden, dass in der Woche der höchsten durch-
schnittlichen Bettenbelegung (117 %) sowohl die meisten kritischen Ereig-
nisse (n 7), wie auch der Anteil der geschlossenen Tür am höchsten ausfiel
(26 %). Diesbezüglich lässt sich die Hypothese aufstellen, dass nicht nur die
Bettenbelegung und die kritischen Ereignisse einen Einfluss auf den Türsta-
tus haben, sondern auch der Grademix des diensthabenden Pflegepersonals
einen Einfluss bildet. Die Frage nach der Korrelation sowie nach der statisti-
schen Signifikanz im Zusammenhang mit den übrigen Daten kann an dieser
Stelle nicht beantwortet werden.
Diskussion
Die häufigste der angewendeten Interventionen war die engmaschige
Überwachung Nr. 6, welche jedoch nicht als die wirksamste angesehen wer-
den kann. Diese Intervention wird kontinuierlich über einige Zeit angewen-
det, um einen Effekt zu erzielen. Im Vergleich dazu lassen sich alternativ die
präventive Einnahme von Reservemedikamenten Nr. 7 oder gezielte kon-
frontierende Gespräche über Stationsregeln, Strukturen und Gewaltrisiko
Nr. 4 nennen, welche durchaus mit einer einmaligen Durchführung effektiv
sein können. So stellt sich die Frage, ob ein höherer Personalbestand bezie-
hungsweise eine höhere Interaktionsdichte überbewertet wird.
Demgegenüber ist die Anzahl der kritischen Ereignisse in jenen Wochen am
höchsten, in denen die prozentuale Überbelegung sehr hoch war und gleich-
zeitig nicht mehr Personalressourcen zur Verfügung standen.
In der Erhebung der Daten existieren einige Wochen, in denen die prozen-
tuale Bettenbelegung zwar hoch ist, jedoch keine kritischen Ereignisse zu
verzeichnen waren und die Türe offen gelassen werden konnte. Äquivalent
hierzu gab es Wochen, in denen viele kritische Vorfälle passiert sind, die
Türe jedoch trotzdem meist offen gelassen werden konnte. Zu den genann-
155
ten Kriterien wäre weiterführend die Frage nach der statistischen Signifikanz
zu beantworten.
Es wird davon ausgegangen, dass einzelne Interventionen weniger wirksam
sind als die gezielte Kombination von verschiedenen Massnahmen. Das
macht es wiederum schwierig zu eruieren, welche Interventionen schluss-
endlich wirksam waren.
Die Fehlerquelle in der in der Erhebung der Daten darf nicht unterschätzt
werden. Man kann davon ausgehen, dass Diskrepanzen entstanden sind,
weil psychiatrisch Pflegende nicht nach Schema funktionieren, dementspre-
chend unterschiedlich wahrnehmen und protokollieren.
Schlussfolgerung
Wahrnehmung, Interpretation und daraus abgeleitete Interventionen der
Pflegenden sind hoch komplexe Vorgänge. Pflegerische Interventionen wir-
ken, es lässt sich jedoch nicht differenziert eruieren, wieso sie das tun.
Es ist durchaus möglich, eine teilweise geschlossene akutpsychiatrische
Notfallstation zu öffnen und mehrheitlich offen zu führen. Die Vorausset-
zungen hierfür finden sich weder in strukturellen, noch in patientenbezoge-
nen Faktoren. Vielmehr bedarf die Öffnung einer intensiven Auseinander-
setzung des interdisziplinären Teams mit sich selbst, mit den Ängsten und
Befürchtungen jedes Einzelnen, mit den Kommunikationsmustern und der
Haltung untereinander und gegenüber den Patienten. Schlussendlich be-
ginnt und endet dieser Prozess aber vor allem mit dem Fokus auf den Auf-
bau und auf den Erhalt der Beziehung zu den einzelnen Patienten.
Literatur
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156
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7. Abderhalden, C., & Kozel, B. (2011). Suizidalität. In D. Sauter, C. Abderhalden, I. Needham, & S. Wolff (Hrsg.), Lehrbuch Psychiatrische Pflege (S. 1025-1038). Bern: Hans Huber.
157
36. Das Erleben von Pflegenden und Angehörigen bei der An-
wendung von freiheitsbeschränkenden Massnahmen
Mirjam Müller, Monique Regula Schudel
Hintergrund
Unter freiheitsbeschränkenden Massnahmen (fbM) werden Interventionen
verstanden, welche die Bewegungsfreiheit eingrenzen und gegen den er-
klärten oder mutmasslichen Willen der Betroffenen erfolgen [1]. In der Psy-
chiatrie zeigen sich folgende Prävalenzen für physische fbM: Schweiz 3.1%,
Deutschland 8.0%, Österreich 35.6% [3]. FbM werden oft zum Schutz ange-
wendet, bergen jedoch erhebliche Risiken. Werden die Betroffenen in ihrer
Bewegungsfreiheit eingeschränkt, verstärkt sich ihre Unruhe. Daraufhin
folgt eine medikamentöse fbM, welche zu Verwirrung und erhöhter Sturzge-
fahr führt. Daraus resultiert, dass die Mobilität eingeschränkt ist und das
Risiko für Komplikationen steigt. Psychische Folgen wie Angst, Aggression
und vermindertes Wohlbefinden sind möglich. Deshalb ist es nötig, nach
Alternativen von fbM zu suchen [1]. Bei der Anwendung von fbM konkurrie-
ren die ethischen Prinzipien (Autonomie, Gutes tun, Nicht-Schaden, Gerech-
tigkeit). Kenntnisse über die Eindrücke von Pflegenden sind für einen unter-
stützenden Umgang mit moralischen Konflikten bei fbM relevant [4]. FbM
stellen einen Eingriff in die Grundrechte jeder Person dar. Deshalb erlaubt
das schweizerische Gesetz eine Anwendung nur, falls Selbst- oder Fremdge-
fährdung oder schwerwiegende Störungen des Gemeinschaftslebens zu
verhindern sind [5]. Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht der
Schweiz (Jan. 2013) legt fest, dass vertretungsberechtigte Personen und
nahestehende Dritte in die Entscheidung bezüglich fbM einbezogen werden
müssen [1]. Kenntnisse zum Erleben Angehöriger ermöglichen einen empa-
thischen Umgang sowie eine unterstützende Informationsabgabe.
158
Fragestellung
Wie erleben Pflegefachpersonen und Angehörige die Anwendung von physi-
schen sowie medikamentösen freiheitsbeschränkenden Massnahmen?
Methode
Die Fragestellung wird anhand einer systematischen Literaturrecherche
beantwortet. Die Suche erfolgte zwischen Januar und Juni 2014 auf den
Datenbanken PubMed, Cinahl, The Cochrane Library, Medline und PsychIn-
fo. Artikel aus der Psychiatrie, Geriatrie, Rehabilitation und aus dem Akut-
spital wurden eingeschlossen. Limiten der Suche waren: Englisch, Deutsch,
Französisch, Abstract, 2003-2014 und das Mindestalter der Studienbeteilig-
ten musste 18 Jahre betragen. Anhand der Abstracts wurden 14 Literaturar-
beiten selektioniert.
Ergebnisse: Das Erleben von Pflegenden
Generell zeigen die Resultate der verschiedenen Settings ähnliche Tenden-
zen auf. Fünf Kategorien umschreiben das Erleben von Pflegenden:
Erleben von Sicherheit und Vorteilen
Pflegende erleben die Anwendung von fbM als sicher, da sie erwarten, dass
Stürze und Verletzungen verhindert werden können. Neben der Sicherheit
der Betroffenen steht der Selbstschutz der Pflegenden im Vordergrund.
Weiter werden fbM therapeutische Vorteile zugeschrieben, indem sie Stö-
rungen des Gemeinschaftslebens verhindern, Betroffene beruhigen und von
Reizen abschirmen. Diese Aspekte zeigen, dass Pflegende die Anwendung
von fbM als angemessen erleben [6, 7, 11, 12, 14-19].
Erleben von negativen Emotionen
In der Psychiatrie äussern Pflegende, dass sie Angst empfinden [16, 13].
Weitere negative Gefühle sind: Schuld, Unbehagen, Furcht, Frustration,
159
Trauer, Mitleid und Enttäuschung [11, 13, 14, 18]. Die meist genannte Co-
ping-Strategie ist das Unterdrücken der negativen Gefühle [6, 13, 16].
Fehlen von Alternativen
Pflegende äussern, dass sie keine Alternativen kennen oder nicht auf deren
Wirksamkeit vertrauen [6, 9, 11, 12, 16, 19].
Erleben von ethischen Dilemmata
Bei der Anwendung von fbM resultieren ethische Konflikte. Diese zeigen sich
am häufigsten zwischen Sicherheit / Schutz und der Beachtung der Autono-
mie [6, 7, 11, 13, 16]. Der Vergleich verschiedener fbM verdeutlicht, dass
körpernahe Freiheitsbeschränkungen und die Zwangsmedikation ethisch
problematischer erscheinen als körperferne Interventionen [9, 19].
Einfluss der Pflegekultur auf das Handeln und Erleben
Pflegende erleben eine Kultur, welche das Hinterfragen von fbM nicht er-
laubt. Das Management wird als wenig unterstützend empfunden, was sich
in fehlenden Richtlinien und einem ungenügendem Personalschlüssel zeigt
[6, 11, 12, 14, 18].
Ergebnisse: Das Erleben von Angehörigen
Das Erleben von Angehörigen kann in vier Kategorien eingeteilt werden:
Erleben von Sicherheit und Vorteilen
Angehörige erleben fbM als nützlich und angemessen, da sie zur Sicherheit
der Betroffenen beitragen [7, 10, 12, 15, 17, 19].
Erleben von negativen Emotionen
Folgende negative Emotionen wurden geäussert: Wut, Unsicherheit,
Schuldgefühle, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Unbehagen und Angst. Wei-
160
ter wird die Anwendung von fbM als entwürdigend erlebt. Negative Gefühle
werden verstärtk, da Angehörige die Gründe für fbM nicht kennen [7,17].
Fehlen von Alternativen
Das Fehlen von Alternativen wird ebenfalls durch die Angehörigen erlebt
[10, 12, 19]. Es gibt jedoch Studien, in denen sie alternative Möglichkeiten
nennen [10, 17]. Die physichen fbM werden den medikamentösen vorgezo-
gen [17].
Erleben der Beziehung zum Pflegepersonal
Angehörige erleben den Umgang mit Pflegenden als distanziert [10,14].
Zudem fühlen sie sich zu wenig ins Geschehen miteinbezogen und bedauern
eine mangelnde Information bezüglich der Anwendung von fbM [12, 14, 17].
Diskussion
Die bearbeitete Thematik weist eine hohe Pflegerelevanz auf und die Resul-
tate sind konsistent. Durch den Einbezug zweier Personengruppen und drei
unterschiedlichen Settings werden mehrere Perspektiven aufgezeigt, jedoch
ist die Vergleichbarkeit nicht garantiert. Durch den Einbezug der medika-
mentösen fbM wurde ein wenig erforschtes Gebiet aufgedeckt. Eine Schwä-
che stellt den Einschluss von vier Reviews dar, in welchen der systematische
Ansatz nicht nachgewiesen ist. Zudem sind qualitative und quantitative
Daten einbezogen worden, obwohl sie nicht vergleichbar sind.
Schlussfolgerung
Die Ergebnisse zeigen, dass Schulungen und Informationen zu Alternativen
nötig sind. Das Management sollte diese Ansätze unterstützen und praxis-
nahe Richtlinien implementieren. Voraussetzung dafür ist eine offene Pfle-
gekultur, welche kritisches Hinterfragen und das Äussern von Emotionen
erlaubt. Ethische Dilemmata und negative Empfindungen können durch eine
strukturierte Entscheidungsfindung minimiert werden. Eine umfassende
Information Angehöriger ist wichtig, damit eine informierte Entscheidung
161
möglich ist. Weitere Forschung in den Bereichen der medikamentösen fbM
und der Alternativen ist empfohlen.
Literatur
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162
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163
37. Das Verständnis von Reizüberflutung aus Expertensicht
Ian Needham, Stefan Scheydt
Hintergrund
Das Konzept Reizüberflutung wird im deutschen Sprachraum sowohl im
Allgemeinen, als auch im fachlichen Sprachgebrauch häufig verwendet, um
Situationen zu beschreiben, in denen alles „einfach zu viel“ ist. Auf Evidenz
basierende Definitionen, ätiologische Faktoren und definierende Kennzei-
chen von Reizüberflutung bzw. sensorischer Überstimulation konnten in
einer ersten, Übersicht verschaffenden Literaturrecherche nicht gefunden
werden. Daher wurde eine Delphi-Studie durchgeführt, um das breite The-
mengebiet enger einzugrenzen und auf dieser Grundlage ein erstes, auf
klinischer Expertise beruhendes Verständnis von Reizüberflutung generieren
zu können.
Fragestellung
Inwieweit gibt es zwischen den Expertinnen und Experten der psychiatri-
schen Praxis und der Wissenschaft aus Pflege und Medizin einen Konsens
bzgl. Verständnis, Ursachen und charakteristischen Merkmalen von etwai-
gen Massnahmen und Strategien im Zusammenhang mit Reizüberflutung?
Methode
Allgemeines zur Delphi-Methode
Die Delphi-Methode wird allgemein definiert als “eine Methode, mit der
Beurteilungen aus einem Panel von Experten ermittelt werden. Die Experten
werden individuell befragt, und eine Zusammenfassung der individuellen
Stellungnahmen wird dem gesamten Panel zugestellt. Die Experten werden
wieder befragt und es werden weitere Befragungsrunden durchgeführt, bis
ein gewisser Konsens erreicht ist.”[1]. Im Falle dieser Untersuchung wurde
die Variante der Delphi-Befragung zur Konsensbildung gewählt. Diese ver-
164
folgt das Ziel, ein möglichst hohes Maß an Konsens unter den Teilnehmen-
den zu erreichen (Gruppenkonsens)[2].
Konsensdefinition und Abbruchkriterium
In Anlehnung an van der Bruggen [vgl.3] wurde in vorliegender Untersu-
chung Konsens wie folgt definiert (Tabelle 1):
Zustimmender Konsens Positivbewertungen (4 oder 5) ≥ 70%, Median ≥ 4 und Standardabweichung ≤ 1.2
Ablehnender Konsens Negativbewertungen (1 oder 2) ≥ 70%, Median ≤ 2 und Standardabweichung ≤ 1.2
Tabelle 5: Konsensdefinition der vorliegenden Delphi-Studie
Alle Abweichungen von dieser Definition wurden als „kein Konsens“ klassifi-
ziert und bedurften somit einer erneuten Bewertung durch das Delphi-
Panel. Als Abbruchkriterium wurde festgelegt, dass mindestens zwei Drittel
der zu bewertenden Items übereinstimmend von den Panelmitgliedern
angenommen oder abgelehnt worden sind (66.7%).
Datenerhebung und Datenanalyse
Da es sich bei der Untersuchung zu Reizüberflutung um einen eher unsiche-
ren Sachverhalt handelte, wurde eine qualitative Fragerunde mit kleinerer
Stichprobe vorgeschaltet, um Basis-Aussagen für die weiteren quantitativen
Runden gewinnen zu können. Diese wurden mit inhaltsanalytischen Techni-
ken [3] zu Items zusammengefasst und zur Generierung des Fragebogens
der zweiten Runde verwendet [4]. Die Items der nachfolgenden Runde wur-
den von den TeilnehmerInnen – unter Verwendung einer Likert-Skala – auf
ihre Zustimmung hin eingeschätzt. Die Likert-Einschätzungen wiederum
wurden mit deskriptiver Statistik zusammengefasst und dienten als Grund-
lage des Feedbacks bzw. der Fragebogengenerierung der darauf folgenden
dritten Befragungs-Runde.
165
Ergebnisse
Nachfolgend werden die Ergebnisse der Delphi-Studie dargestellt. Die Er-
gebnisse basieren auf dem eingereichten Manuskript in Psychiatrischer
Praxis [5] und der Darstellung im Forschungsbericht des Forscherteams. Es
handelt sich hierbei lediglich um die Ergebnisse mit Konsens. Eine detaillier-
te Darstellung der Ergebnisse erfolgt im Rahmen des Vortrages auf dem 11.
Dreiländerkongress Pflege in der Psychiatrie (Bern).
Grundlegendes zum Verständnis von Reizüberflutung
Als Synonyme von Reizüberflutung wurden folgende von den Experten des
Delphi-Panels akzeptiert: sensorische Überstimulation sowie sensorische
Überreiztheit. Abgelehnt wurden hingegen folgende Umschreibungen von
Reizüberflutung: Überforderung, Überlastung sowie Reizkonfrontation. Als
mögliche Übersetzungen von Reizüberflutung wurden folgende Begriffe von
den Experten akzeptiert: sensory overstimulation sowie sensory overload.
Die Begriffe arousal und flooding wurden von den Panel-Mitgliedern nicht
als mögliche englischsprachige Umschreibungen von Reizüberflutung akzep-
tiert.
Reizüberflutung wurde von den Experten des Delphi-Panels folgendermas-
sen umschrieben:
- (a) Verminderte bzw. inadäquate Fähigkeit einer Person, einwirkende
Reize bzw. Impulse zu filtern (Reiz-Filter-Störung)
- (b) verminderte bzw. inadäquate Fähigkeit einer Person, die einwirken-
den (ungefilterten) Reize zu verarbeiten (Reiz-Verarbeitungs-Störung)
- (c) fehlende oder mangelhafte Möglichkeit/Fähigkeit einer Person, sich
den einströmenden Reizen zu entziehen (ineffektives Coping)
Als beeinflussende Faktoren akzeptiert das Delphi-Panel, „dass sowohl Aus-
senreize […] als auch innere Impulse […] inklusive durch Halluzinationen
hervorgerufene Reize als beeinflussende Faktoren einer Reizüberflutung
anzusehen sind“ [5]. Hierbei gelten als Bedingungsfaktoren die Reizqualität
166
sowie die Reizquantität, häufig in Verbindung mit einer Vulnerabilität der
betreffenden Person.
Merkmale einer Reizüberflutung: Auswirkungen und Folgen
Die Analyse der Ergebnisse zu den Auswirkungen bzw. Folgen einer Reiz-
überflutung lieferte eine grosse Anzahl solcher möglicher Merkmale. Durch
unterschiedliche Synthesemethoden konnte allerdings folgende Liste an
definierenden Kennzeichen der Reizüberflutung zusammengefasst werden
(siehe Tabelle 2, aus [5]):
Kategorie Definierende Kennzeichen
Physiologische Reakti-
onen:
physiologische Stressreaktion (u.a. gesteigerte Herz-
frequenz, gesteigerter Blutdruck, gesteigerte Atemfre-
quenz), körperliche Unruhe
Psychische Reaktio-
nen:
Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen (hohe
Ablenkbarkeit), formale Denkstörungen (Desorganisa-
tion und Verworrenheit (inkohärent und zerfahren),
Ideenflucht), Störungen der Affektivität (Nervosität
(innerlich unruhig), Gereiztheit, Ambivalenz, Angst),
sonstige Störungen (Schlafstörungen, Angespanntheit,
Stress, Verunsicherung)
Verhaltensreaktionen: Vermeidungsverhalten, im Kontakt schwer zu errei-
chen, blockiert in Sprache und Aktivität, Aggressivität
(Fremd-, Auto-, Sachaggression), Rückzugsverhalten,
spezifische Symptomverstärkung/-veränderung
Tabelle 6: Definierende Kennzeichen der Reizüberflutung nach Expertenmeinung
(untergliedert in physiologische, psychische und Verhaltensreaktionen)
Im Zusammenhang mit Reizüberflutung im Kontext schizophrener Störungen
wurde von den Mitgliedern des Delphi-Panels folgende Symptom-Liste be-
schrieben und akzeptiert:
167
- „Verstärkung der vorherrschenden bzw. zugrundeliegenden Plus- und
Minussymptomatik
- Steigerung des allgemeinen Erregungsniveaus bis hin zu aggressiven
Durchbrüchen inklusive Gereiztheit und Gewalttätigkeit
- Innere Anspannung bzw. Unruhe inklusive Agitiertheit, Nervosität und
gesteigerte Angetriebenheit
- Sonstige Symptomatik wie beispielsweise. Konzentrationsstörungen,
Überforderung, Verunsicherung, ‚Versagen im sozialen Gefüge‘“ [5].
Massnahmen und Strategien im Umgang mit Reizüberflutung (Interventio-
nen)
Als mögliche, auf Erfahrung basierende Massnahmen zum Umgang mit Reiz-
überflutung werden folgende von den Panel-Mitglidern akzeptiert: professi-
onelle Betreuung, Rückzug, Medikation, Sport/Bewegung/Ablenkung, Mili-
eugestaltung, Psychoedukation und Training, Entspannung, Reizredukti-
on/-selektion und sonstige Massnahmen wie z.B. Begleitmassnahmen des
Personals. Zu Reizabschirmung als Massnahme bestand kein Konsens inner-
halb des Panels, was darauf zurückzuführen sein kann, dass dieses Konzept
in einer separaten Delphi-Studie [6] durchgeführt wurde. Die Ergebnisse
wurden bereits auf dem 10. Dreiländerkongress Pflege in der Psychiatrie
(Bielefeld) präsentiert.
Schlussfolgerung
Es konnte zu einigen Aspekten Konsens gefunden werden und somit eine
Eingrenzung des Themengebietes basierend auf klinischer Expertise erzielt
werden. Dennoch sind einige Aspekte weiterhin unklar und neue Fragen
haben sich eröffnet. Beispielsweise hat sich eine Verbindung zur Hypothese
einer Störung der Reiz-Filterung im Gehirn bestätigt, welche ebenfalls in der
Fachliteratur postuliert wird. Ferner konnten gewisse Elemente des „Reiz-
überflutungskonzeptes“ erfasst und nun spezifischer betrachtet werden: z.B.
Reiz/Stimulus, welche external oder internal auftreten können oder die
168
Störung der Informationsverarbeitunsprozesse im Gehirn, welche entweder
als Ursache bzw. Bedingung oder als Folge einer Reizüberflutung beschrie-
ben werden.
Die Darlegung der Eingrenzung und der Unstimmigkeiten führen zu folgen-
den neuen Fragen: Welches sind mögliche Ursachen einer Reizüberflutung?
Welches sind die bestimmenden Merkmale einer Reizüberflutung? Sind
diese messbar bzw. beobachtbar? Welcher Zusammenhang besteht zwi-
schen Reizüberflutung und Schizophrenie? Diese Fragen müssen durch wei-
tere Forschung geklärt werden.
Literatur
1. Polit DF, Beck TC (2003) Nursing Research. Priciples and Methods. 7th
ed. Phila-delphia: Lippincott, William & Wilkins.
2. Häder M (2009) Delphi-Befragungen. Ein Arbeitsbuch. 2. Aufl. Wiesbaden: VS-Verlag.
3. Mayring P (2010) Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 11. Aufl. Weinheim: Beltz.
4. Abderhalden C, Needham I (1999) Das Verständnis von Bezugspflege in der stati-onären psychiatrischen Pflege der deutschsprachigen Schweiz. Ergebnisse einer Delphi-Studie. Masterarbeit, Universität Maastricht.
5. Scheydt S, Needham I, Wenger A, Laimbacher S (2014) Reizüberflutung aus medi-zinischer und pflegerischer Expertensicht. Ergebnisse einer Delphi-Studie. Manu-skript eingereicht bei der Zeitschrift Psychiatrische Praxis.
6. Needham I, Scheydt S, Laimbacher S, Wenger A (2014) Das Verständnis von „Reizabschirmung“ in der stationären Psychiatrie. Eine Delphi-Studie mit medizi-nischen und pflegerischen Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Manuskript eingereicht bei der Zeitschrift Psychiatrische Praxis.
169
38. „[…] wenn irgendwie Probleme sind kann man sich drauf
verlassen, dass die dann auch kommen!“ – Evaluation ei-
nes Modellprojektes psychiatrischer Versorgung – Home
Treatment in der LWL-Klinik Lengerich
André Nienaber, Michael Schulz, Johann Behrens
Hintergrund
Der Schwerpunkt der psychiatrischen Versorgung in Deutschland liegt nach
wie vor im stationären Bereich [1]. Die S3-Leitlinie „Psychosoziale Therapien
bei schweren psychischen Störungen“ fordert, dass psychiatrische Versor-
gung auch über akute Krankheitsphasen hinaus aufsuchend und nachge-
hend im direkten Lebensumfeld der Klientinnen und Klienten stattfinden
muss [2].
Vor diesem Hintergrund ist im Jahr 2011 das Modellprojekt [3]„Home Trea-
tment – Behandlung zu Hause“ in der LWL-Klinik Lengerich gestartet. Ziel
des Projektes ist es, eine bessere Versorgung für Klienten mit schweren
psychischen Erkrankungen (SMI) [4] in ihrem direkten Lebensumfeld zu
gewährleisten und häufige und lang andauernde stationäre Behandlungen
zu verkürzen bzw. ganz abzuwenden.
Fragestellung
Im Sinne einer Erfassung subjektiver Evaluationskriterien [5] ist es das Ziel
der vorliegenden Untersuchung, die Sichtweisen der Klientinnen und Klien-
ten im Hinblick auf Ihre Versorgung im Rahmen des Projektes zu erfassen
und diese für die Evaluation des Projektes zu nutzen.Die Forschungsfrage,
die der Arbeit zu Grunde liegt, lautet: Wie erleben die Klientinnen und Klien-
ten des Modellprojekts „Home Treatment“ ihre Behandlung?
170
Methode und Material
Bei der Untersuchung handelt es sich um eine Arbeit aus dem Bereich der
qualitativen Evaluationsforschung. Neben einem Fragebogen zur sozialen
Situation wurden offene, leitfadengestützte Interviews mit den Klientinnen
und Klienten geführt, wörtlich transkribiert und nach der Methode der qua-
litativen Inhaltsanalyse nach Mayring [6] ausgewertet. Ein positives Votum
der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-
Universität Halle-Wittenberg zur Durchführung der Untersuchung lag vor.
Ergebnisse
Es wurden acht Interviews mit den Klientinnen und Klienten im Alter zwi-
schen 24 und 57 Jahren durchgeführt (Median: 47 Jahre). Sieben Teilneh-
mende wurden zum Zeitpunkt des Interviews noch im Rahmen des Projektes
behandelt, eine Teilnehmende hatte die Behandlung bereits abgeschlossen.
Insgesamt konnten sieben Kategorien aus den erhobenen Daten generiert
werden:
1. Home Treatment im Anschluss an stationäre Behandlung,
2. Behandlung im eigenen Lebensumfeld,
3. Zeit und Aufmerksamkeit,
4. Vertrauensvolle Beziehung,
5. Individualität und Selbstbestimmung,
6. Serviceleistungen als Nebeneffekt,
7. Kritik / Wünsche / Erwartungen
Diskussion
Die Untersuchung beschreibt ausschließlich die Sichtweise von acht Perso-
nen zu ihrer Behandlung im Rahmen des Modellprojektes. Sieben Personen
befanden sich zum Zeitpunkt der Untersuchung noch in der Behandlung. Aus
den erhaltenen Ergebnissen lassen sich keine generalisierbaren Aussagen
ableiten. Die Intercoder-Reliabilität wurde nicht durch eine komplett unab-
171
hängige Analyse aller acht Interviews getestet. Sowohl ein Interviewer-Bias
im Hinblick auf die gestellten Fragen als auch ein Gefälligkeits-Bias im Hin-
blick auf die gegebenen Antworten sind ebenfalls nicht auszuschließen. Im
Sinne des Einbezugs unterschiedlicher Beurteilungsperspektiven in die Eva-
lutation von Versorgungsangeboten ist es zukünftig erforderlich, zusätzlich
die Angehörigen der Klientinnen und Klienten, die gesetzlichen Betreuungs-
personen und die Mitglieder des Behandlungsteams ebenfalls zu ihren
Sichtweisen zu Befragen. Zusätzlich zu den qualitativen Daten sollten quanti-
tative Daten bereits ab Beginn der Behandlung mit Hilfe standardisierter
Messinstrumente erhoben werden.
Schlussfolgerung
Aus Sicht der befragten Klientinnen und Klienten scheint eine aufsuchende
Behandlung zu Hause insgesamt gute Rahmenbedingungen für eine indivi-
duelle und an den Bedürfnissen der Klientinnen und Klienten orientierte
Behandlung zu bieten. Damit stützt die vorliegende Untersuchung Ergebnis-
se anderer Studien zu einer aufsuchenden Behandlung im direkten Lebens-
umfeld, die ebenfalls von einer höheren Behandlungszufriedenheit der Kli-
entinnen und Klienten berichten. Besonders der aufsuchende Charakter der
Behandlung und die in diesem Rahmen zur Verfügung stehende Zeit für
Gespräche im direkten Lebensumfeld wurden von den Klientinnen und Kli-
enten als wichtige Elemente ihrer individuellen Behandlung beschrieben.
Geäußerte kritische Rückmeldungen, wie z. B. ein gewünschter Einbezug der
Angehörigen oder die verständlichere Abstimmung über Therapieziele bie-
ten Hinweise für eine Weiterentwicklung des Angebots.
Literatur
1. Melchinger, H., Rössler, W. & Machleidt, W. (2006). Ausgaben in der psychiatri-schen Versorgung. Nervenarzt, 77 (1), 73-80.
2. DGPPN (2013). S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen. Berlin, Heidelberg: Springer.
3. Spöhring, W. (1995). Evaluation psychiatrischer Versorgung als ein Beitrag zur Qualitätssicherung. In: Hermer, M., Pittrich, W., Spöhring, W. & Trenckmann, U.
172
(Hrsg.). Evaluation der psychiatrischen Versorgung in der Bundesrepublik [S.11-27]. Opladen: Leske + Budric.
4. Ruggeri, M., Leese, M., Thornicroft, G., Bisoffi, G. & Tansella, M. (2000). Defini-tion and prevalence of severe and persistent mental illnes. British Journal of Psy-chiatry, 177, 149-155.
5. Priebe, S., Gruyters, T., Heinze, M., Hoffmann, C. & Jäkel, A. (1995). Subjektive Evaluationskriterien in der psychiatrischen Versorgung –Erhebungsmethoden für Forschung und Praxis. Psychiat Praxis, 22, 140-144.
6. Mayring (2010). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. 11., aktualisierte und überarb. Auflage. Weinheim (u.a.): Beltz
173
39. Praxisanleitung – Innovation und Perspektive zur Ausbil-
dung in der psychiatrischen Pflege
Jean-Pierre Phan, Harald Stefan
Vorwort
Psychiatrische Pflege ist lebensbejahende Pflege und beruht auf einer res-
pektvollen und paktfähigen Beziehung zwischen den zu betreuenden Men-
schen und Pflegenden. Sie erfolgt in Zusammenarbeit mit den betreuten
Menschen, pflegenden Angehörigen und Mitgliedern von Assistenzberufen
im multiprofessionellen Team. Für Auszubildende im Pflegebereich ist es oft
schwer, das erlernte theoretische Wissen in die Praxis umzusetzen. Erlerntes
theoretisches Wissen wirkt für die Auszubildenden manchmal in der Praxis
nicht umsetzbar. Hierbei ist sowohl von den MitarbeiterInnen der Prakti-
kumsstellen als auch von den Auszubildenden Flexibilität und Übersicht
gefordert. Erfahrene PflegeexpertInnen schaffen es oft leicht, den Spagat
zwischen Praxis und Theorie durch Erfahrungswissen zu schließen. Aus die-
sem Grund ist Praxisanleitung ein wichtiges Bindeglied zwischen Theorie
und Praxis. Theoretisches und praktisches Wissen wird hier in einer homo-
genen Form vereint. Genau diese Einheit aus Wissen, Theorie, Erfahrung
und Praxis gilt es den Auszubildenden zu vermitteln. Dies erfolgt aus unter-
schiedlichen Gründen nicht immer in einer gleichbleibenden Kontinuität,
was zur Folge hat, dass den Auszubildenden in manchen Situationen not-
wendige Lehrinhalte nicht vermittelt werden. Die Auszubildenden verrichten
ihren Praktikumseinsatz nach bestem Wissen und Gewissen, häufig jedoch
nur mit einem geringen fachlichen Wissenszuwachs. Folglich kann es am
Ende ihrer Ausbildung und am Anfang ihrer Berufslaufbahn zu Überforde-
rung kommen. AbsolventInnen der psychiatrischen Pflegeaus- und/oder
Weiterbildung werden sehr rasch nach der Ausbildung in den Arbeitsprozess
integriert und müssen laut Berufsgesetz die Verantwortung einer ausgebil-
deten examinierten Pflegeperson übernehmen. Eine eventuell nicht zielge-
174
richtete Anleitung durch die Praktikumsstellen im Laufe der Ausbildung kann
diese Überforderung potenzieren. Aus diesem Grunde scheint es umso
wichtiger, dass sich die Praktikumsstellen aktiv mit der qualitativen Praxisan-
leitung auseinandersetzen.
Rahmenbedingungen
Um eine möglichst optimale Anleitung in der Praxis gewährleisten zu kön-
nen, bedarf es Rahmenbedingungen und Voraussetzungen, unter denen
eine professionelle Praxisanleitung durchgeführt werden kann.
Unterstützung und Wertschätzung durch die Leitung
Es bedarf eines hohen Maßes an Flexibilität, um die Praxisbegleitung zeitlich
und mit den Ablaufprozessen der Station zu koordinieren. Praxisanleitungen
sind gefordert, eine bestmögliche Begleitung speziell zu Praktikumsbeginn
und/oder in der Prüfungsvorbereitung zu bewerkstelligen. Daraus resultie-
rend entstehen Veränderungen in den Stationsabläufen und PatientInnen-
zuteilungen. Die Unterstützung durch die Stationsleitung ist hier eine we-
sentliche Voraussetzung.
Unterstützung durch ArbeitskollegInnen
Wichtig ist, dass sowohl bei den „Willkommensgesprächen“ der Auszubil-
denden eine Situation geschaffen wird, welche frei von Hektik ist. Informati-
onen können so bestmöglich aufgenommen, verarbeitet und gespeichert
werden. Dies setzt voraus, dass die Praxisanleitung in dieser Zeit von Routi-
netätigkeiten an der Station entlastet wird. Hier ist die Unterstützung der
ArbeitskollegInnen gefordert. Die MitarbeiterInnen an den Stationen sind
auch gefordert, ihre fachliche Meinung über die Auszubildenden in Zwi-
schengesprächen und Feedbackrunden mit dem Praxisanleiter zu reflektie-
ren. Sie kennen die erbrachten Leistungen und die Wirkung, welche die
Auszubildenden im direkten PatientInnenkontakt erbringen.
Bei Erfüllung der vereinbarten Zielvorgaben des Auszubildenden spielen
MitarbeiterInnen ebenfalls eine wichtige Rolle. In Abwesenheit des Praxis-
175
anleiters versuchen sie, nach vorhergehender Absprache mit diesem, die
Erfüllung der Zielvorgaben voranzutreiben (z.B.: das Verfassen einer Auf-
nahmesituation).
Multiprofessionelle Zusammenarbeit
Die multiprofessionelle Zusammenarbeit ist im psychiatrischen Stationsall-
tag eine wesentliche Säule, da die PatientInnen erst im multiprofessionellen
Setting eine Situation vorfinden, die es ihnen ermöglicht, optimal zu gene-
sen. Daher ist es wichtig, dass die Auszubildenden einen Einblick in die ver-
schiedenen Berufsgruppen und deren Tätigkeiten bekommen. Aktives „Hin-
einschnuppern“ begünstigt dies um ein vielfaches. Die verschiedenen Be-
rufsgruppen sind auf diese Rolle von der Praxisanleitung vorzubereiten.
Inhalt und Ablauf der Praxisanleitung
Besonders der erste Tag an der Praktikumsstelle ist wichtig. Nicht umsonst
heißt es: „Der erste Eindruck ist wichtig“. Der Auszubildende wird um acht
Uhr an der Station begrüßt. Danach erfolgt die Aushändigung der Willkom-
mensmappe. Diese bietet einen Überblick über Station, Behandlungsange-
bot, sowie Personal und deren Funktionen. Danach erfolgt das Erstgespräch.
In diesem wird eruiert, ob es bereits Vorerfahrungen auf psychiatrischen
Stationen gibt. Anschließend erfolgt die Vorstellung des Lernangebotes.
Dieses beinhaltet u.a.:
- Pflegeassessment (Durchführung/Evaluierung)
- Pflegebericht (Detailliertheit, Relevanz) bezugnehmend auf Pflegediag-
nosen
- Aufnahmesituationserfassung/Entlassungen /Administration
- Psychiatrische Krankheitsbilder im allgemeinen + Relevanz für die Pflege
- elektronische Krankengeschichte
- Selbsterfahrung 4Pkt. Fixierung+PIB.-> Nachbesprechung
- Verhalten in Akutsituationen (Nothorn, telefonische Verständigung des
Sicherheitsdienstes)
176
Nach der Vorstellung des Lernangebotes wird der Auszubildende gefragt, in
welcher Art und Weise er für sich am besten die bereitgestellte Information
verarbeitet (Lerntyperuierung). Diese kann, wenn der Auszubildende sich
nicht sicher ist, während des Praktikums näher betrachtet werden. Weiter
werden Zielsetzungen in Abstimmung mit der Kompetenzmappe getroffen.
Zeitpunkte der Zwischenbeurteilung, des Zwischengesprächs und der End-
beurteilung, sowie die Dienstplaneinteilung folgen. Danach erfolgt die Be-
sichtigung der Station, um sich mit den Räumlichkeiten vertraut zu machen.
Qualifikationsnachweis
Dieser Nachweis stellt einen Teil der Benotungsgrundlage des Auszubilden-
den dar. Er unterteilt sich in:
- Fachkompetenz
- Sozial- Kommunikative Kompetenz
- Selbstkompetenz
Kompetenzmappe
Diese Mappe ist der zweite Teil der Beurteilungsgrundlage. Die Kompe-
tenzmappe gliedert noch einmal alle Kompetenzbereiche und deren Punkte
im Detail. Dies bedeutet, dass nachvollziehbar ist, welche Art von Leistungen
benotet werden können und was genau damit gemeint ist. Für den Auszu-
bildenden dient die Mappe als Leitfaden, da damit Zielsetzungen vereinbart
werden.
Während des Praktikums
In der Praktikumszeit ist es wichtig, dass der Auszubildende lernt, sich zu
dem Anleitungssequenzen auch Raum und Zeit bekommt sich in der Arbeit
entfalten und Verantwortung zu übernehmen. „Learning by doing“ wird
systematisch und strukturiert eingesetzt. Der Schritt, theroretisch erlerntes
Wissen, welches unter Supervision ausgeführt wird, in „praktisches Tun“
umzuwandeln, soll nun erfolgen. Die unmittelbare Auswirkung der eigenen
Interventionen, des eigenen praktischen Handelns wird spürbar und erleb-
177
bar gemacht. Generell ist darauf zu achten, dass der Auszubildende in der
Zeit des Praktikums dort „abgeholt“ wird, wo er sich mit seinem Wissens-
und Ausbildungsstand befindet. Wird dies nicht berücksichtigt, besteht das
Risiko, dass der Praxisanleiter eine erhöhte Erwartungshaltung einnimmt,
welche nicht erfüllt werden kann. Bei der Erfüllung der Lernziele geht es
nicht nur darum, dass der Praxisanleiter die Pflicht hat, diese zu vermitteln.
Der Auszubildende ist auch gefordert, sich aktiv um seinen Lernfortschritt zu
bemühen.
Eskalation/Gewalt
In einer akut psychiatrischen Einrichtung kommt es nicht selten vor, dass der
Auszubildende mit Patienten konfrontiert wird, die einer medizinischen
Behandlung bzw. einem Krankenhausaufenthalt ablehnend gegenüberste-
hen. Es kann dabei vorkommen, dass der Patient Handlungen vornimmt, die
zu einer Gefährdung des Personals führen könnten (z.B.: Schlagen). Um die
Sicherheit des Personals und des Patienten zu gewährleisten, kann es unter
Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften auch gegen den Willen des Patien-
ten zu einer medizinischen Akutversorgung kommen. Diese kann im
schlimmsten Fall zu einer Freiheitsbeschränkung, kombiniert mit einer me-
dikamentösen Versorgung führen. Darauf sind Auszubildende besonders
vorzubereiten und in einer solchen Situation zu begleiten. In einer Nachbe-
sprechung wird die Situation nochmals erläutert und besprochen.
Nachwort
Praxisanleitung ist ein sehr zeitaufwändiges aber auch sehr wichtiges Gebiet
in der Ausbildung. Erst in der Praxis wird das theoretische Wissen umge-
setzt. Wichtig ist es, dem Auszubildenden im Praktikum Sicherheit zu vermit-
teln und gleichzeitig auch seinen Wissenshorizont zu erweitern, um schließ-
lich seine Kompetenz als diplomierter Gesundheits- und Krankenpflegeper-
son voll entfalten zu können. Wesentlich ist, dass die Auszubildenden die
zukünftigen ArbeitskollegInnen sind. Je besser diese in der Praxis begleitet
und ausgebildet sind, umso eher stellen sie eine vollwertige Unterstützung
178
im Stationsalltag dar. Dadurch können sie der Rolle besser gerecht werden,
die psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege professionell nach au-
ßen hin zu repräsentieren.
179
40. Welches sind die ethisch relevanten Themen im psychiat-
rischen Berufsalltag? Erhebung bei Mitarbeitenden ver-
schiedener Berufsgruppen
Franziska Rabenschlag, Regine Steinauer, Lilian Suter, Clergia Gaudenz,
Beatrice Gehri, Sebastian Hollwich, Regine Heimann, Stella Reiter-Theil
Fragestellung
Die Klinische Ethik sowie die Ethikkonsultation stehen in der Psychiatrie in
Europa am Beginn einer dynamischen Entwicklung. «Ethik in der Klinik» soll
als eine integrative Disziplin wirken, die dabei hilft, über die verschiedenen
Gebiete und Professionen hinweg eine gemeinsame Orientierung an Werten
und Normen zu praktizieren. Forschungsresultate zu ethischen Aspekten
und spezifischen Herausforderungen der psychiatrischen Versorgung sind
kaum vorhanden, obwohl eine vielfältige philosophisch-ethische Literatur
zur Psychiatrie besteht. Um Klinische Ethik und Ethikkonsultation in einer
psychiatrischen Institution zu entwickeln, wurde die Wahrnehmung ethi-
scher Aspekte von Mitarbeitenden mit direktem Patientenkontakt erhoben.
Methode
Vorangehende explorative schriftliche Erhebung mit qualitativer (Coding,
Inhaltsanalyse) und quantitativer (deskriptive) Auswertung der Daten. Ver-
tiefende Leitfaden-Interviews (halbstrukturiert) und qualitative Auswertung.
Ergebnisse
Die vorausgehende Erhebung bei Mitarbeitenden aller Berufsgruppen mit
direktem Patientenkontakt (n=150) zeigte, dass ethische Schwierigkeiten
nicht nur Psychiatrie- oder Störungs-spezifische Praxissituationen betreffen,
sondern ebenso strukturelle Aspekte der Arbeit wie personelle oder räumli-
che Ressourcen, die Kooperation der Berufsgruppen sowie mit den Angehö-
rigen der Patientinnen und Patienten. Die Resultate der vertiefenden Folge-
180
studie (aktuell in Bearbeitung) betreffen die Problemwahrnehmung zum
Respekt des Patientenwillens sowie zu Zwangstherapie und Erfahrungen mit
ethischer Unterstützung in Zweifelsfragen.
Diskussion
Freitextantworten des Fragebogens bestätigten die Annahme, dass ethische
Fragestellungen in einem beachtlichen Ausmass wahrgenommen werden.
Die nachfolgende qualitative Befragung vertieft v.a. ethische Fragen zum
direkten Patientenkontakt, auch im Lichte von Erfahrungen mit dem neuen
Erwachsenen- und Kinderschutzgesetz.
Schlussfolgerung
Zum Spektrum der Klinischen Ethik in der Psychiatrie gehören neben psychi-
atriespezifischen Fragen auch die Beziehungsgestaltung und Kommunikation
sowie strukturelle Aspekte, die interprofessionelle Zusammenarbeit sowie
der Umgang mit den Angehörigen.
181
41. Expertinnen und Experten durch Erfahrung in der Pflege-
ausbildung – praktische Erfahrungen aus zwei Kliniken
Fabio Razzai, Maya Locher
Hintergrund
in einem Praxisprojekt Expertinnen und Experten durch Erfahrung in die
Pflegeausbildung mit einzubeziehen, dazu hat sich die psychiatrische Klinik
Sanatorium Kilchberg vor fünf Jahren, die Clienia Schlössli AG vor zwei Jah-
ren, entschieden.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Europa erwähnt in ihrem europäi-
schen Aktionsplan für psychische Gesundheit unter anderem folgendes: „die
Erfahrung und das Wissen der Betroffenen ... ist als wichtige Grundlage für
die Planung und Entwicklung von Diensten anzuerkennen [3].
In diesem Zusammenhang werden in der Schweiz Menschen mit psychiatri-
schen Krankheitserfahrungen vermehrt als Expertinnen und Experten durch
Erfahrung in diverse Bereiche der Gesundheitsversorgung einbezogen. Die-
ser Trend ist auch in der Pflegeausbildung angekommen. Publikationen aus
dem englischen Sprachraum zeigen auf, dass der Einbezug von Erfahrungs-
Experten in die Pflegeausbildung eine Bereicherung ist. Im deutschen
Sprachraum wurden erste erfolgversprechende Erfahrungen gemacht, es
wurde jedoch wenig zu diesem Thema publiziert.
Der Anspruch der Projektverantwortlichen im Sanatorium Kilchberg und in
der Clienia Schlössli AG war, die Psychiatrie-Erfahrenen als Expertinnen und
Experten ihres Erfahrungswissens aktiv und partnerschaftlich in die Ausbil-
dung zu integrieren. Anders als zu Zeiten von Freud, als die psychisch Kran-
ken zu Lernzwecken „vorgeführt“ wurden, werden Psychiatrie-Erfahrene als
Experten ihrer Krankheit und ihrer Erfahrungen angesehen. Dabei sollen sie
eine Rolle der Beratung und Vermittlung von ihrem Erfahrungswissen über-
nehmen.
182
Vorgehen
Damit der Einbezug sinnvoll und effizient gestaltet werden konnte, wurden
folgende Schritte umgesetzt:
Entscheid der Institution über Vorgehen und wie Psychiatrie-Erfahrene
miteinbezogen werden sollen
Kontaktaufnahme zu Expertinnen und Experten durch Erfahrung für die
Rekrutierung
Anstellung mit Klärung der Erwartungen, Bezahlung, Begleitung und
Grenzen
Gemeinsame Unterrichtsvorbereitung (Lehrperson und Expertinnen und
Experte durch Erfahrung)
Durchführung des Unterrichtes
Evaluation mit den Beteiligten
Erfahrungen und Diskussion
Die Erfahrungen, welche in den letzten Jahren in der psychiatrischen Klinik
Sanatorium Kilchberg und in der Clienia Schlössli AG gemacht wurden, sind
vielfältig und vielversprechend. Verschiedenste Expertinnen und Experten
durch Erfahrung konnten angestellt werden. Die Akzeptanz bei den Verant-
wortlichen der beiden Institutionen für einen Einbezug in die Pflegeausbil-
dung ist gross. Die Rückmeldungen der Studierenden, der Expertinnen und
Experten durch Erfahrung und der Lehrpersonen sind sehr positiv.
Vier unterschiedliche Ansätze, welche im folgenden Abschnitt kurz vorge-
stellt werden, wurden umgesetzt:
Forschendes Lernen
Das forschende Lernen (Enquiri based learning EBL) wurde mit dem Einbe-
zug von Psychiatrie-Erfahrenen kombiniert. In der Clienia Schlössli AG wurde
das Projekt von Rush und Barker [2] weiterentwickelt und den lokalen Ge-
gebenheiten angepasst. Dabei werden in einer ersten Unterrichtssequenz
anhand der Erlebnisse und dem Erfahrungswissen einer Expertin oder einem
183
Experten Themen generiert, wie zum Beispiel der Umgang mit Psychophar-
maka, Stimmen hören, Stigmatisierung, Behandlungsvereinbarungen. Die
Studierenden haben zwei bis fünf Wochen Zeit, in denen sie ihre ausgewähl-
ten Themen anhand eines Lernplanes während dem Praktikum bearbeiten.
Die Resultate werden anschliessend in der Klasse vorgestellt, die Expertin
oder der Experte durch Erfahrung gibt ein Feedback. Für die Begleitung war
jeweils eine Lehrperson anwesend, welche die Beteiligten unterstützte. Die
ersten Erfahrungen zeigen, dass diese Form des Lernens bei den Studieren-
den auf hohe Akzeptanz stösst. Es ist wichtig, dass die Erfahrungs-Experten
gut über ihre Aufgabe instruiert werden.
Begleitung in der Praxis (BIP)
Lernbegleitungen in der Praxis haben in der schweizerischen Pflegeausbil-
dung eine lange Tradition. Dabei beobachten Lehrpersonen oder Berufsbild-
nerinnen und Berufsbildner Studierende in ihrer täglichen Arbeit und geben
zielgerichtet Feedbacks.
Der Ansatz der Begleitung in der Praxis (BIP) wurde im Sanatorium Kilchberg
weiterentwickelt und umgesetzt, in dem Expertinnen und Experten durch
Erfahrung die Rolle der lehrenden Person übernehmen. Sie beobachten
einmal pro Semester die Studierenden in ihrem täglichen Handeln und ge-
ben ihnen anschliessend Rückmeldung. Für die professionelle Implementie-
rung und Sicherstellung des Angebotes war eine Einführungsphase durch die
projektleitende Lehrperson notwendig. Die Rückmeldungen der Beteiligten
zeigen, dass das praktische Lernen durch den Einbezug bereichert wird. Die
Studierenden schätzen das Feedback der Psychiatrie-Erfahrenen und die
Form der Begleitung hat eine hohe Akzeptanz. Weiterführend wird ein
recoveryorientiertes Feedbackraster entwickelt, welches die Betroffenen-
perspektive in der Ausbildung stärken soll.
Reflecting together – Gemeinsames Reflektieren
In der Clienia Schlössli AG wurde in Anlehnung an die Methode von
McAndrew und Samonciuk [1] eine Gruppe von Experten durch Erfahrung
184
und Studierenden gebildet. Das Ziel war, gemeinsam Fragen rund um psy-
chische Krankheit und Gesundheit zu reflektieren, wie selbstverletzendes
Verhalten, Sucht, Drehtürpsychiatrie, etc. Es wurde erwartet, dass Studie-
rende Erfahrungen aus ihrer Praxis einbringen und die Betroffenen ihre
Erlebnisse als Patientinnen und Patienten beschrieben.
Vorgängig wurden Grenzen aufgezeigt und es wurden Abmachungen getrof-
fen, welche Themen auf welche Art diskutiert werden. Die Leitung der
Gruppe lag abwechslungsweise bei verschiedenen Studierenden. Die Lehr-
person war zur Unterstützung mit dabei. Es zeigte sich, dass die Anforde-
rungen an die Leitung hoch sind und die Studierenden zusätzlich Unterstüt-
zung in der Vorbereitung und punktuell bei der Durchführung brauchen.
Diese Form von Unterricht löste intensive Diskussionen aus, die Rückmel-
dungen am Ende des Unterrichtes waren sehr positiv.
Einbezug im Unterricht
Psychiatrie-Erfahrene werden in beiden Kliniken zu verschiedenen Themen
als Erfahrungs-Experten mit in den Unterricht im Klassenzimmer einbezo-
gen. In beiden Kliniken wird das Thema Recovery behandelt. Im Sanatorium
Kilchberg werden zusätzlich die Themen Hoffnung, Hoffnungsförderung,
Krisenintervention und einzelne Krankheitsbilder bearbeitet.
Die Rückmeldungen und Erfahrung zeigen, dass Expertinnen und Experten
durch Erfahrung als eine grosse Ressource angesehen werden.
Schlussfolgerung
Der Einbezug von Expertinnen und Experten durch Erfahrung in die Pflege-
ausbildung wird von den Beteiligten als Bereicherung erlebt. Es lohnt sich,
weiterführende Erfahrungen zu sammeln, zu evaluieren und zu publizieren.
Damit der Einbezug gelingt, ist die Unterstützung der Vorgesetzten und die
Überzeugung der Lehrperson eine wichtige Voraussetzung. In beiden Klini-
ken werden auch Angehörige von Betroffenen im Sinne des Trialoges mit
einbezogen. Die Erfahrung der Angehörigen bringt eine zusätzliche Dimensi-
185
on und eine erweiterte Sichtweise auf das Erleben der Krankheit und hilft
mit, dass Studierende und Pflegefachpersonen ihr Handeln differenzierter
und empathischer wahrnehmen können. Die Vernetzung mit Dachorganisa-
tionen wie der Stiftung Pro Mente Sana und dem Verein EX-IN Bern bringt
gegenseitige Unterstützung. Als weitere denkbare Bereiche für den Einbezug
in die Aus- und Weiterbildung bieten sich Möglichkeiten wie: Mitarbeit bei
der Kurs- und Modulplanung und in der Programmleitung, bei der Rekrutie-
rung und Selektion der Studierenden, bei der Beurteilung von Studierenden,
in der Kursevaluation sowie als Studierende in der Pflegeausbildung.
Literaturangaben:
1. McAndrew, S. & Samociuk, G. A. (2003). Reflecting together: developing a new strategy for continuous user involvement in mental health nurse education. Jour-nal of Psychiatric and Mental Health Nursing, 10(5), 616–621.
2. Rush, B. & Barker, J. H. (2006). Involving mental health service users in nurse education through enquiry-based learning. Nurse Education in Practice, 6(5), 254–260.
3. Weltgesundheitsorganisation Europa (2005). Europäischer Aktionsplan für psy-chische Gesundheit Herausforderungen annehmen, Lösungen schaffen. Weltge-sundheitsorganisation Europa. http://www.bag.admin.ch/themen/medizin/00683/01916/ (besucht am 20.02.2013)
186
42. Landesweite Patienten – und Angehörigenbefragung in
den luxemburgischen psychiatrischen Kliniken
Wolfgang Reifenberg, Thierry Fleischhauer
Hintergrund
Luxemburg hat bei 550.000 Einwohnern und 160.000 Grenzgängern, die in
Luxemburg sozialversichert sind, vier psychiatrische Akutkliniken mit jeweils
45 Planbetten und 15 tagesklinischen Behandlungsplätzen sowie eine psy-
chiatrische Akutklinik mit 14 Planbetten. Ein Landeskrankenhaus mit rehabi-
litativem Charakter ergänzt das psychiatrische Angebot.
Im Jahr 2005 entwickelte sich nach einer persönlichen Initiative von zwei
pflegerischen Mitarbeitern unterschiedlicher Kliniken das Bedürfnis eines
regelmäßigen, fachlich qualitativen Austauschs zwischen den luxemburgi-
schen psychiatrischen Kliniken. Dieser findet viermal im Jahr im Rahmen
einer 2 – stündigen Sitzung statt.
Fragestellung / Problemstellung
- Wie können wir landesweit die Zufriedenheit der stationären und tages-
klinischen Patienten messen?
Im Auftrag des Gesundheitsministeriums wurde 2008 eine landesweite Zu-
friedenheitsumfrage aller nichtpsychiatrischen Patienten durchgeführt.
Daher entwickelte die spitalübergreifende Arbeitsgruppe einen auf die Be-
dürfnisse der psychiatrischen Patienten angepassten Fragebogen.
Ziele
Es sollen Stärken und Schwächen der einzelnen Kliniken herausgefunden
werden. Im gegenseitigen Austausch sollen sowohl klinikinterne Strategien,
als auch gemeinsame landesweite Strategien entwickelt werden.
187
Vorgehen
Vorbereitung eines einheitlichen Fragebogens
Die Stationsleiter und Qualitätsbeauftragten der psychiatrischen Kliniken
haben zusammengearbeitet, um einen einheitlichen Patientenfragebogen
auszuarbeiten. Der Fragebogen musste in Deutsch und Französisch verfasst
werden. Schwerpunkte waren:
- Behandlung und Information
- Soziales Umfeld
- Geborgenheit
- Mitbestimmung
- Therapeutische Angebote
- Individuelle Fragen
Durchführung
Um eine gemeinsame Methodologie der Fragestellung und der Auswertung
der Resultate zu gewährleisten, wurden gemeinsame Regeln schriftlich fest-
gelegt. Es werden die Resultate eines Monats verglichen, wobei der Zeit-
raum gemeinsam festgelegt wird.
Diese Zusammenarbeit wurde zwischen den einzelnen Krankenhäusern per
Konvention geregelt. Die erste Umsetzung in die Praxis erfolgte im Jahr
2009, danach jährlich.
Ergebnisse / Erfahrungen
Die Resultate der jeweiligen Krankenhäuser werden intern errechnet und
auf eine gemeinsame Tabelle übertragen. Die Resultate, sowie die Rücklauf-
rate, werden von den einzelnen Krankenhäusern auf einer Versammlung auf
nationaler Ebene analysiert und verglichen. Klinikintern werden die Resulta-
te in den einzelnen multidisziplinären Gruppen diskutiert. Bei der Analyse
der Resultate werden allgemeine Tendenzen zu den einzelnen Schwerpunk-
ten analysiert.
188
Die ersten Resultate im Jahre 2009 dienten als Basis für die Tendenzen. Ab
dem 3. Jahr der Patientenbefragung wurde es möglich, einzelne Schwer-
punkte mit problematischen Tendenzen zu ermitteln. Dies ermöglicht uns
heute, Projekte auf nationaler Ebene auszuarbeiten.
Die Vergleichsanalyse einzelner Resultate ermöglicht einen regen Erfah-
rungsaustausch von „Best Practices“ der einzelnen Abteilungen.
189
43. Zielorientierte psychiatrische Pflege (ORIENT) – Hinter-
gründe, Ziele und Methoden der Pilotinterventionsstudie
Dirk Richter, Thomas Schwarze, Gianfranco Zuaboni, Peter Wolfensberger,
Sabine Hahn
Fragestellung
Die Pilotinterventionsstudie ORIENT zielte auf die Implementierung und
Ergebniserfassung einer Schulung für Pflegende in psychiatrischen Kliniken.
Der Beitrag geht der Frage nach, welche Inhalte und Methoden in der Ge-
samtstudie angewendet wurden.
Methode
Gegenstand der jeweils vier halbtägigen Schulungen war: Recovery- und
Empowermentorientierung, Grundlagen der Motivierenden Gesprächsfüh-
rung, Anwendung der Intervention im Klinikalltag und in Abstimmung mit
anderen Berufsgruppen. Im Rahmen der Schulung wurde auch das Goal
Attainment Scaling eingeführt, ein Instrument, auf dessen Basis Ziele für die
Patientinnen/Patienten gemeinsam mit den Pflegenden ermittelt werden
konnten.
Das Projektdesign sah vor, die Ergebnisse der Intervention auf bestimmten
Stationen mit Kontrollstationen zu vergleichen, die keine Intervention er-
hielten.
Ergebnisse:
Über mehrere Monate hinweg wurden die geschulten Inhalte durch die
Pflegenden auf den Interventionsstationen angewendet. Die Effekte der
Interventionen wurden anhand diverser standardisierter Instrumente sowie
mittels Fokusgruppen mit Pflegenden und Patientinnen/Patienten unter-
sucht. Es wurde angestrebt, dass 120 Patientinnen/Patienten sowie 60 Pfle-
gende an der Studie teilnehmen.
190
Diskussion und Schlussfolgerungen
Die Daten der Studie werden zum Zeitpunkt der Abstractabfassung ausge-
wertet und liegen zum Kongress vor. Es werden allgemeine Schlussfolgerun-
gen zur Durchführbarkeit von Interventionsstudien in der psychiatrischen
Pflege gezogen.
191
44. Mutterschaft und psychische Störungen. Ansatzpunkte zur
Selbstmanagementförderung bei pflegenden Angehörigen
chronisch psychisch kranker Mütter minderjähriger Kinder
Sabine Roebers, Katja Makowsky
Hintergrund
Schwangerschaft, Geburt und die frühe Familienphase stellen Übergänge im
Lebenslauf von Frauen dar, die mit vielfältigen Veränderungen einhergehen
und neue Entwicklungsaufgaben stellen [1]. Frauen, die an schweren und
dauerhaften psychischen Störungen leiden, erleben die mit der Mutter-
schaft verbundenen, neuen Anforderungen unter erschwerten gesundheitli-
chen Bedingungen [2]. Im Kontext der Mutterschaft dieser Frauen lag der
Forschungsfokus bislang vor allem auf der Mutter-Kind-Dyade und den Aus-
wirkungen der mütterlichen Psychopathologie auf die Gesundheit und Ent-
wicklung der minderjährigen Kinder [3]. In den letzten Jahren wurde der
Blick auch verstärkt auf das subjektive Erleben der psychisch erkrankten
Mütter gelegt [2]. Die psychische Störung der Mutter betrifft und belastet
aber immer die gesamte Familie. Die Betreuung und Pflege psychisch kran-
ker Familienmitglieder konfrontiert die Angehörigen nicht nur mit störungs-
spezifischen [4], sondern auch mit beziehungsspezifischen Herausforderun-
gen [5]. Durch die Mutterschaft psychisch erkrankter Frauen sind die Ange-
hörigen häufig zusätzlich in die Versorgung der minderjährigen Kinder ein-
gebunden [6]. Schließlich bedeutet die Geburt des Kindes auch für die An-
gehörigen eine eigene Transition im Lebenslauf, die bewältigt werden muss
[7]. Angehörige der Mutter, wie Partner, Eltern, Geschwister oder Personen
aus anderen verwandtschaftlichen Beziehungen, stehen vor komplexen
Aufgaben, die mit hohen Anpassungsherausforderungen verbunden sind.
Bislang fehlt es an pflegewissenschaftlichen Untersuchungen bezüglich des
Grads an informeller familiärer Hilfe für psychisch erkrankte Mütter und ihre
Kinder durch Angehörige. Ebenso ist wenig darüber bekannt, wie Angehöri-
192
ge die frühe Familienphase unter den erschwerten gesundheitlichen Bedin-
gungen der Mutter wahrnehmen und welche Strategien des Selbstmanage-
ments sie unternehmen, um die Situation zu bewältigen und das familiale
Versorgungsarrangement für Mutter und Kind aufrechtzuerhalten. Das vor-
liegende Forschungsvorhaben ist ein Teilprojekt der Forschungskooperation
„Nutzerorientierte Versorgung bei chronischer Krankheit und Pflegebedürf-
tigkeit (NuV)“ zwischen der Universität Bielefeld und der Fachhochschule
Bielefeld. Die finanzielle Förderung erfolgt durch das Ministerium für Inno-
vation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen.
Zielsetzung
Das Forschungsinteresse des Vorhabens besteht darin, einen umfassenden
Einblick in die Situation, die Gestaltung der zwischenmenschlichen Bezie-
hungen sowie das Bewältigungshandeln von pflegenden Angehörigen chro-
nisch psychisch kranker Mütter minderjähriger Kinder zu erhalten und ihren
Bedarf an Unterstützung für ein erfolgreiches Selbstmanagement zu erhe-
ben. Damit soll die Studie dazu beitragen, das theoretische Wissen über
diesen Themenbereich zu erweitern und praktische Handlungsempfehlun-
gen für einen nutzerorientierten, pflegerischen Versorgungsansatz zur För-
derung des Selbstmanagements dieser pflegenden Angehörigen abzuleiten.
Fragestellungen
- Wie erleben und bewältigen pflegende Angehörige von Müttern, die
schwer und dauerhaft an psychischen Störungen leiden, ihren durch die
mütterliche Erkrankung erschwerten Familienalltag mit Kindern?
- Wie werden existierende professionelle Hilfs- und Unterstützungsange-
bote von den pflegenden Angehörigen erlebt?
Methode und Material
Fragestellung, Zielsetzung und Erkenntnisinteresse des Forschungsvorha-
bens legen ein qualitatives Vorgehen nahe [8,9]. Im Mittelpunkt der empiri-
schen Untersuchung stehen die subjektiven Wahrnehmungen und Bedürf-
193
nisse sowie Handlungsstrategien zur Alltagsbewältigung und zum Selbstma-
nagement der pflegenden Angehörigen chronisch psychisch kranker Mütter
minderjähriger Kinder. Den Bezugsrahmen für die Studie bilden die Grund-
gedanken des symbolischen Interaktionismus. Diese sozialpsychologisch
orientierte Theorierichtung erklärt individuelles Verhalten und Bewusstsein
aus dem sozialen Prozess heraus [10]. Demnach wird davon ausgegangen,
dass die Lebenswelt der pflegenden Angehörigen nur aus ihrer Perspektive
heraus zu verstehen und zu rekonstruieren ist. Auf Basis des gewählten
methodischen Grundverständnisses und den Grundgedanken des symboli-
schen Interaktionismus kommen für die Gestaltung der Datenerhebung und
-analyse ausgewählte Strategien der Methodologie der Grounded Theory [9]
zum Einsatz. Zur Datengewinnung werden mit pflegenden Angehörigen
chronisch psychisch kranker Mütter minderjähriger Kinder episodische In-
terviews im Wohnumfeld der Familie geführt. Die genaue Anzahl und Aus-
wahlkriterien für die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer orientieren
sich an den Strategien des theoretischen Samplings mit dem Ziel, zuneh-
mend eine theoretische Sättigung zu erreichen. Entsprechend erfolgen die
Datenerhebung und -analyse in einem wechselseitigen Prozess. Vor der
Durchführung der Studie wurde das positive Votum der Ethikkommission
der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft e.V. eingeholt.
Erwartete Ergebnisse
Über die Ableitung von Handlungsempfehlungen für nutzerorientierte, pfle-
gerische Interventions- und Versorgungsstrategien zur Förderung des
Selbstmanagements von pflegenden Angehörigen chronisch psychisch kran-
ker Mütter minderjähriger Kinder hinaus, sollen die gewonnen Erkenntnisse
eingesetzt werden, um bestehende Theorien, zum Beispiel zur Bewältigung
chronischer Erkrankung, zu modifizieren und/oder neue Theorien bzw. theo-
retische Skizzen zu generieren.
194
Diskussion und Schlussfolgerung
Die psychiatrische Versorgungsforschung hat der Bedeutung des Angehöri-
gen im Kontext der Mutterschaft psychisch kranker Frauen bislang zu wenig
Beachtung gewidmet. Das Wissen über die Bedürfnisse der Angehörigen in
dieser speziellen Lebenssituation ist eine wichtige Voraussetzung, um be-
troffene Familien in der psychiatrischen Versorgungspraxis, im Sinne der
Nutzerorientierung, bei ihren Selbstmanagementstrategien zu unterstützen.
Literatur
1. Schücking, B. A. (2003) Kinderkriegen und Selbstbestimmung. In: B. A. Schücking (Hg.) Selbstbestimmung der Frau in Gynäkologie und Geburtshilfe. Göttingen: V & R Verlag (Frauengesundheit, 3): S. 21–35.
2. Dolman, C.; et al. (2013) Pre-conception to parenting: a systematic review and meta-synthesis of the qualitative literature on motherhood for women with se-vere mental illness. Archives of Women`s Mental Health. 16: p. 173–196.
3. Lenz, A. (2005) Kinder psychisch kranker Eltern. Göttingen: Hogrefe.
4. Jungbauer, J., et al. (2001) Belastungen von Angehörigen psychisch Kranker. Entwicklungslinien, Konzepte und Ergebnisse der Forschung. Psychiatrische Pra-xis. 28: S. 105-114.
5. Wittmund, B., et al. (2005) Alltagsbelastungen von Partners psychisch Kranker – Ansätze für eine nutzerorientierte Angehörigenarbeit. Psychiatrische Praxis. 32: S. 233-238.
6. Gamache, G., et al. (1995) Childcare as a neglected dimension of family burden. In: Greenley, J. R. (Hg.) Research in Community and Mental Health, Vol. 8. The family and mental illness. Greenwich, CT: JAI Press, S. 63-90.
7. Matthey, S., et al. (2000) Paternal and maternal depressed mood during the transition to parenthood. Journal of affective disorders. 60: S. 75–85.
8. Przyborski, A.; Wohlrab-Sahr, M. (2010) Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeits-buch. 3., korrigierte Auflage. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH.
9. Strauss, A. L.; Corbin, J. M. (1996) Grounded theory. Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz, PsychologieVerlagsUnion.
10. Blumer, H. (1973) Der methodologische Standort des symbolischen Interaktio-nismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hg.) Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit. Bd. 1: Symbolischer Interaktionismus. Reinbek: Rowohlt, S. 80-146.
195
45. Von der Arbeit mit stimmenhörenden Menschen im Grup-
pen- und Einzelsetting – Übergänge gestalten, Grenzen
erweitern
Stefan Rogge, Claudia Rogge
Hintergrund
Therapieangebote, welche während einer stationären klinischen Behand-
lung von den Nutzern angenommen und als hilfreich empfunden wurden,
enden häufig mit der Entlassung und werden somit im ambulanten Rahmen
nicht mehr fortgesetzt. Hierfür gibt es vielfältige Gründe. Oftmals werden
Informationen zu pflegetherapeutischen Interventionen bei einer Entlassung
des Patienten in sein ambulantes Setting nicht weiter gegeben, da Entlas-
sungsbriefe häufig ärztlich orientiert sind und das Frageverhalten der ambu-
lanten Fachkräfte auch eher auf Medikamenteninformationen, etc. abzielt.
Problemstellung
Ausgehend von dem Wunsch des „Ambulant betreuten Wohnens für psy-
chisch kranke Menschen (BeWo)“, Ratschläge und Tipps im Umgang mit
langjährig erkrankten stimmenhörenden Patienten zu erhalten, welche sich
häufig im Hinblick auf ihre Symptomatik verschließen und deren Zustand
sich hierdurch verschlechtert, wurde ein Konzept zur Arbeit mit stimmenhö-
renden Menschen erarbeitet und umgesetzt, welches zunächst als Grup-
penarbeit erfolgt und schließlich ambulant, als Einzelmaßnahme fortgeführt
werden kann. Grundlage dieses Konzeptes sind die wissenschaftlichen Ar-
beiten von M.Romme und S. Escher [1].
Ziele
Ziel war es, einen Behandlungsansatz in die Praxis zu implementieren, wel-
cher für alle Beteiligten auf Augenhöhe stattfindet und im stationären und
ambulanten Rahmen umgesetzt werden kann. Dabei sollte sich dem Phä-
nomen Stimmenhören aus einem nichtmedikamentösen Blickwinkel heraus
196
angenähert werden. Die oftmals mystisch erlebten Inhalte der Halluzination
sollen entmystifiziert werden, ein individuelles Symptommanagement ent-
wickelt und schließlich erfahren werden, dass man die Stimmen in das tägli-
che Leben integrieren kann. Hierdurch sollten Patienten in die Lage versetzt
werden, ihre Stimmen und die damit assoziierten Begleitphänomene best-
möglich in ihren Alltag zu integrieren und den Stimmen somit die „Macht“
zu nehmen.
Gleichzeitig sollten sowohl die klinischen als auch die ambulant Helfenden
bestärkt und motiviert werden, dass Thema „Stimmen hören“ gemeinsam
mit den Betroffenen „mutiger“ zu bearbeiten.
Vorgehen
Zunächst wurden durch Gespräche mit Betroffenen, sowie klinisch und am-
bulant Tätigen die Wünsche und Bedürfnisse im Hinblick auf einen solchen
Behandlungsansatz erfragt. Im Anschluss fand die Konzepterstellung, auf
Basis der vorab erarbeiteten Informationen, statt. Schließlich wurde die
Gruppe mit zunächst 7 Gruppensitzungen eingeführt. In den einzelnen Sit-
zungen ging es um Themen wie „Was habe ich für eine Erklärung für meine
Stimmen“, „Was hilft mir“, „Was erwarte ich von anderen und auch von mir
selbst, wenn es mir schlechter geht“, etc.. Flankierend kamen dabei Hilfsmit-
tel wie der Maastrichter Fragebogen zum Einsatz.
Ein zentraler Gedanke aller Sitzungen war und ist dabei, dass nicht das
Stimmenhören als solches „krank“ macht oder ist, sondern die Reaktionen
hierauf, wie z.B. soziale Isolation, Aggressivität, massive Ängste, u.ä. eine
psychische Erkrankung konstituieren.
Zum Ende hin entstand jeweils eine individuelle Stimmenbiographie/-
analyse welche von den Betroffenen und deren ambulanten Betreuungsper-
sonen als Grundlage für die weitere Arbeit, wie Ausbau der Bewältigungs-
strategien aber auch einfach „nur“ zum darüber reden, genutzt wurde.
197
Ergebnisse/Erfahrungen
Als Ergebnis lässt sich nach erfolgter Evaluation der stattgefundenen Durch-
läufe in unterschiedlichen Ausgangssettings (allgemeinpsychiatrische Akut-
phase, Langzeitbehandlung, tagesklinische Behandlung, Ambulant) festhal-
ten, dass durch diese Art der Intervention die Betroffenen offener und
selbstbewusster mit dem Phänomen Stimmenhören umgehen, die professi-
onell Tätigen ihre Scheu abgelegt haben, tiefergehend mit den Betroffenen
über deren Stimmen zu reden und ein engerer Austausch zwischen allen
Beteiligten stattfindet.
Mittleweile konnte diese Art der Arbeit auch in andere Behandlungssettings,
in teilweise modifizierter Form, implementiert werden. So findet innerhalb
der forensischen Abteilung der LVR Klinik Köln eine „symptomorientierte
Psychoedkukationsgruppe“ für stimmenhörende Patienten statt, welche
sich nicht an einem Manual sondern an den tatsächlichen Problemstellun-
gen der jeweiligen Teilnehmer orientiert.
Diskussion
Um einen langfristigen Erfolg mit diesen und ähnlichen Behandlungsstrate-
gien zu haben, muss eine leider häufig erlebte Denkweise unter den profes-
sionell Tätigen, nämlich „Wenn ich mit den Patienten darüber rede, wird es
schlimmer“, abgebaut werden. Die Betroffenen selbst wünschen sich näm-
lich gerade dieses „darüber reden“.
Schlussfolgerung
Die systemisch-biographisch orientierte Arbeit im Umgang mit dem Phäno-
men Stimmenhören stellt eine hilfreiche Unterstützung dar, welche gleich-
ermaßen im stationären und ambulanten Setting angewandt werden kann,
da ihre wichtigste Maßnahme das „offen sein und drüber reden“ ist. Im
Vordergrund stehen dabei die Verbesserung des nichtmedikamentösen
Symptommanagements und damit eine Steigerung der Lebensqualität.
198
Literatur
1. Romme M., Escher S. (2008) Stimmenhören verstehen. Der Leitfaden für die Arbeit mit Stimmenhörern
199
46. Motivational Interview – eine komplementäre Interventi-
on im Case Management
Eckhard Rolle
Hintergrund
In vielen Bereichen der psychiatrischen Versorgung hat sich die Methode
des Motivational Interview etabliert. Bei Menschen mit Angststörungen,
Phobien und Abhängigkeiten wird diese Methode in der Therapie und den
Versorgungsstrukturen bereits nachweislich erfolgreich angewandt. Dabei
zeigt sich diese Intervention, als zentrale Technik, insbesondere bei der
Versorgung von Menschen mit einer Abhängigkeit als förderlich, das Em-
powerment des Betroffenen zu stärken.
Einleitung
Motivational Interview ist mehr als nur eine Technik der Gesprächsführung.
Zentrales Element ist, der „Spirit“, die Grundhaltung des Beraters. Sie drückt
sich in einem partnerschaftlichem Umgang und der Achtung der Autonomie
des Klienten aus.
Thema
Motivational Interview stützt die Annahme des Behandlers zu der Bereit-
schaft und Fähigkeit einer Veränderung des Klienten. An dieser Stelle wer-
den die Anknüpfungspunkte zwischen Motivational Interview und Case
Management sichtbar. Das prozesshafte Geschehen und die Struktur des
Behandlungsaufbaus sind vergleichbar. Wo bei Case Management effektiv
der Unterstützungsbedarf erschlossen wird und Netzwerke gesteuert wer-
den, fehlt die Beziehungsgestaltung und Motivationsförderung in seiner
Struktur. Diese Lücke wird mit dem Motivational Interview geschlossen.
200
Ziele
In einem Modellprojekt der „Heroinstudie“ im Zeitraum von 2002 und 2006
wurde das erste Mal in Deutschland eine systematische Verknüpfung zwi-
schen Motivational Interview und Case Management hergestellt. Die Studie
belegt, dass die Klienten eine höhere Therapietreue entwickelten. Entschei-
dend dafür waren die Bedingungen und damit die Vollständigkeit, in der
Case Management und Motivational Interview durchgeführt wurden. Das
belegt, wie anspruchsvoll beide Methoden sind und es einer umfassenden
Schulung und Unterstützungsbedarf.
Gestaltung
Im Rahmen des Vortrags sollen nun Chancen und Grenzen der Verknüpfung
beider Ansätze ausgeleuchtet und deren Realisierung in der psychiatrischen
Versorgungslandschaft bewertet werden.
201
47. Expositionstraining in der Praxis: Pflegerischer Beitrag bei
Betroffenen mit einer Zwangsstörung
Volker Röseler
Hintergrund
Das Expositionstraining mit Reaktionsmanagement (EMR) ist ein Therapie-
verfahren aus der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT), dessen Wirksamkeit
wiederholt wissenschaftlich belegt wurde. Bis zu 70% der Betroffenen konn-
ten damit anhaltend ihre Zwangsgedanken und Zwangshandlungen reduzie-
ren [1]. Angewandt wird es vor allem bei Angst- und Zwangsstörungen, fin-
det aber auch überall dort Einsatz, wo die bestehende Störung eine Kon-
frontation mit aversiv besetzten Situationen verhindert und so die Teilnah-
me an alltäglichen sozialen Situationen erschwert oder unmöglich macht.
Bei Essstörungen wäre dies z.B. das Einnehmen von Mahlzeiten in der Grup-
pe, bei Alkoholabhängigkeit der Besuch von Feierlichkeiten, Bars etc.
Ziel des Expositionstrainings als therapeutisches Verfahren ist es, die Erfah-
rung zu machen, dass das angenommene oder auch in der Vorgeschichte
tatsächlich wahrgenommene, unangenehme Gefühl (meistens Angst, aber
auch Ekel oder eine diffuse Unvollkommenheit) trotz Konfrontation und
trotz Weglassens der neutralisierenden Zwangshandlung abnimmt. Durch
mehrmalige Wiederholung der Exposition tritt eine Habituation ein, die
Betroffenen nehmen eine Neubewertung des tatsächlichen Risikos vor,
erlangen neue Verhaltensmöglichkeiten und festigen diese.
Einleitung
Ausgehend vom Kognitiven Modell von Salkovski dient die Zwangshandlung
der Neutralisierung eines unangenehmen Gefühls oder einer Befürchtung,
die durch eine übertriebene Bewertung eines Gedankens entsteht. Diese
Gedanken können einerseits alltäglicher Natur sein wie: „Ich könnte mich
schmutzig machen, mich anstecken, etwas falsch machen“ etc. Andererseits
202
können sie einschiessenden Charakter haben und aggressive, religiöse oder
sexuelle Inhalte haben. In jedem Fall sind sie Teil der normalen Gedanken-
produktion des Gehirns und haben für sich gesehen keine pathologische
Bedeutung. Es kann sich um Gedanken handeln, die sich auf eine bereits
geschehene Situation beziehen („ Ich habe…“) oder um zukunftsgerichtete
Befürchtungen („Ich könnte ...“). Die entsprechenden Zwangshandlungen
haben dann entweder einen nachträglich neutralisierenden oder einen vor-
beugenden, vermeidenden Charakter.
Im Expositonstraining wird nun die Situation gezielt aufgesucht, in der übli-
cherweise die Zwangsgedanken entstehen und es wird gezielt auf die neut-
ralisierenden Rituale, die Zwangshandlungen, verzichtet.
Leider findet jedoch das korrekte Umsetzen des Expositionstrainings, also
das Anwenden von lege artis in Planung, Durchführung und Evaluation, mit
all seinen Bestandteilen laut Böhm et al in 70% der als kognitiv verhaltens-
therapeutisch deklarierten Therapieangeboten nicht statt [2]. Wesentliche
Elemente fehlen oder werden nur ungenügend umgesetzt.
Ein möglicher Grund dafür kann im grossen zeitlichen Aufwand liegen, den
das Verfahren vor allem am Anfang mit sich bringt. Das Erklären des Vorge-
hens, das Erstellen der Zwangshierarchie und das Planen der ersten Exposi-
tion nimmt bereits einige Stunden in Anspruch. Die tägliche Wiederholung
der Exposition bis zum Eintreten der ersten Habituationseffekte verlangt
ebenfalls mehrere Stunden. Dies kann häufig zum Behandlunsbeginn einer
Zwangsstörung im ambulanten Setting nicht gewährleistet werden. Bei einer
stationären Therapie hingegen ist es durch Beteiligung der Pflegefachkräfte
an der Behandlung möglich. Voraussetzung hierfür ist das entsprechende
fachliche Wissen bei den Pflegefachkräften.
Thema
In der praktischen Umsetzung können Expositionen sowohl in Gedanken (in
sensu), als auch in realen, möglichst alltagsnahen Situationen (in vivo)
durchgeführt werden. Sie können in Eigenregie von den Betroffenen oder in
203
Begleitung durch eine Fachperson vorgenommen werden. Man unterschei-
det graduiertes Vorgehen, bei dem auf mittlerem Hierarchieniveau mit einer
gezielten Situation begonnen wird, vom Flooding, bei dem auf höchstem
Hierarchieniveau mit mehreren Zwangssituationen gleichzeitig gearbeitet
wird.
Auf der Psychotherapiestation im Sanatorium Kilchberg wird überwiegend
das graduierte Vorgehen angewendet, das in vivo von einer Fachperson
begleitet wird. Der Ablauf erfolgt nach dem ausführlichen Erklären des The-
rapieverfahrens über das Erstellen einer Zwangshierarchie, das Auswählen
einer geeigneten ersten Expositionsübung auf mittlerem Hierarchieniveau
und das begleitete Durchführen bis zu einem deutlichen Spannungsabfall.
Danach führen die Betroffenen diese Übung sebstständig weiter durch, um
die Habituation zu festigen. Parallel dazu wird mit einer weiteren Exposition
begonnen, die ebenfalls eine Zeit lang begleitet wird, bis auch diese in Ei-
genregie weitergeführt wird. Auf diese Weise arbeitet man sich gemeinsam
bis zur Spitze der Zwangshierarchie vor.
Aufgaben der Pflegefachkräfte sind: Lenken der Aufmerksamkeit auf die
aufkommenden unangenehmen Gefühle, Unterstützung beim Verbalisieren,
Klärung von Vermeidungs- und Neutralisierungsversuchen und Motivation
zu möglichst hoher Spannungskonfrontation. Nach dem begleiteten Teil der
Exposition versuchen die Betroffenen, die Anspannung ohne Rituale auszu-
halten und die Pflegefachkräfte stehen für eventuelle Kriseninterventionen
zur Verfügung. Wenn die hervorgerufene Anspannung deutlich abgesunken
ist, gönnen sich die Betroffenen zum Abschluss eine im Voraus geplante
Belohnung.
Ziele
Die Teilnehmenden erhalten vertieftes Wissen über Planung, Durchführung
und Evaluation von Expositionsübungen und können häufig auftretende
Schwierigkeiten erkennnen und mit konkreten Massnahmen darauf reagie-
ren.
204
Gestaltung
Anhand von konkreten Fallbeispielen wird der gesamte Ablauf eines Exposi-
tionstrainings vom Erstellen der Hierarchie bis zur Belohnung durchgespro-
chen. Das Mitbringen von eigenen Fallbeispielen und konkreten Fragestel-
lungen ist ausdrücklich gewünscht.
Literatur
1. Althaus David, Niedermeier Nico, Niescken Svanja: Zwangsstörungen – Wenn die Sucht nach Sicherheit zur Krankheit wird. C.H. Beck, München (2008)
2. Böhm Karsten et al: Versorgungsrealität bei Zwangsstörungen: Werden Expositi-onsverfahren eingesetzt? Verhaltenstherapie 18/01/08, Seite 18-24
205
48. Forensische Pflegediagnosen – Notwendigkeit und Nutzen
für die forensisch-psychiatrische Pflege
Thomas Ross
Hintergrund
In den Pflegewissenschaften wird die Notwendigkeit einer standardisierten
Erfassung und Bearbeitung pflegerelevanter Probleme bei psychiatrischen
Patienten bereits seit den 1950 er Jahren diskutiert. Die ersten Pflegediag-
nosen im engeren Sinne, die dieser Vorgabe gerecht wurden, sind zwischen
1960 und 1970 publiziert worden. 1982 entstand mit NANDA in den USA
eine einflussreiche wissenschaftliche Fachgesellschaft, die sich seither mit
der Erstellung einer Taxonomie zur Einteilung der Pflegediagnosen befasst
und Weiterentwicklungen auf diesem Gebiet vorantreibt [1].
Problem
Das mittlerweile mehrfach überarbeitete amerikanische Standardwerk der
Pflegediagnosen liegt seit 2010 in einer deutschsprachigen Fassung vor [2].
Insgesamt gibt es einen guten Überblick über die wesentlichen pflegerischen
Probleme in der Allgemeinpsychiatrie. Jedoch enthält es bis auf ganz wenige
Ausnahmen, z.B. der Gefahr einer fremdgefährdenden Gewalttätigkeit (risk
for other-directed violence), welche in diesem Buch übrigens in unmittelba-
rer Nachbarschaft zum „beeinträchtigten Zahnstatus“ aufgeführt wird, keine
weiteren Pflegediagnosen, die den besonderen Behandlungserfordernissen
forensisch-psychiatrischer Patienten gerecht werden. Zwar gibt es bezüglich
des Pflegebedarfs dieser Patienten Überschneidungen mit anderen psychi-
atrischen Patientengruppen, aber dem für die Forensik herausragenden
Problem, nämlich dem Zusammenspiel von spezifischen psychiatrischen
Störungen und einer daraus resultierenden, vergleichsweise als deutlich
höher wahrgenommenen Fremdgefährdung durch forensisch-psychiatrische
Patienten, wurde bislang nicht Rechnung getragen.
206
Ziele
In Anerkenntnis des oben genannten Mangels wurde 2009 am Zentrum für
Psychiatrie Reichenau eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich mit der Ent-
wicklung von spezifischen forensischen Pflegediagnosen befasste.
Vorgehen
Während des Entwicklungsprozesses wurde Wert darauf gelegt, dass die
Pflegediagnosen sich an den spezifischen Bedürfnissen forensischer Patien-
ten sowie der behandelnden Pflegeteams orientieren. Aber auch, dass sie in
den forensischen Pflegeprozess eingebettet, und vor allem praxistauglich
sind. Formal sind sie in Aufbau und Gliederung an die NANDA-Taxinomie
angelehnt, d.h. sie enthalten jeweils eine Definition, eine Aufstellung beein-
flussender Faktoren und Merkmale sowie Vorschläge zu pflegerischen Zielen
und konkreten pflegerischen Maßnahmen. Konzeptualisiert wurden die
Pflegediagnosen als grundlegende Klassifikationseinheiten, die Gesund-
heitsprobleme und Gesundheitszustände beschreiben, auf welche die Pflege
jeweils einwirkt: vorbeugend, beeinflussend oder fördernd.
Status Quo
Insgesamt liegen nun vierundzwanzig forensische Pflegediagnosen vor. Ge-
meinsame Vorbedingung für die Arbeit mit den Diagnosen ist der Aufbau
eines tragfähigen Arbeitsbündnisses mit dem betreffenden Patienten. Wie
der Aufbau und die Erhaltung eines Arbeitsbündnisses praktisch umgesetzt
werden kann, wird in einem gesonderten Formular, auf das in den jeweili-
gen Pflegediagnosen regelmäßig verwiesen wird, beschrieben.
Die Pflegediagnosen im engeren Sinne sind nach übergeordneten Problem-
bereichen gegliedert.
207
Riskantes Sozialverhalten:
Sicherheitsverstöße bzw. Störverhalten auf Station, Aggressives- und/oder
gewalttätiges Verhalten, Selbstverletzungen, soziale Aggressivität, Übergrif-
figkeit
Einsicht:
auffällig unrealistische Selbstdarstellung, Wahrnehmung von innerer An-
spannung und deren Ursachen, Anerkennung von negativen Gefühlen oder
Wut
Soziale Interaktion:
Schwierigkeiten mit der Kontaktaufnahme bzw. der Kontaktgestaltung, Ver-
bale und nonverbale Kommunikation, soziale Ansprechbarkeit, soziale Inter-
aktion, (soziales) Problemlöseverhalten, sozialer Rückzug
Arbeit und Freizeit:
Verlässlichkeit bei der Arbeit, allgemeine Leistungsfähigkeit- und Leistungs-
bereitschaft, Freizeitverhalten
Selbstunterhalt:
Gesundheitsfürsorge, Selbstpflege, Ernährungsfürsorge, Haushaltsführung,
Aspekte der Mobilität im geschlossenen forensischen Setting
Empathie:
Opferempathie, Interesse an anderen
Inhaltlich orientieren sich die genannten Pflegediagnosen sowie deren Ord-
nungsprinzip (Einteilung nach Hauptgruppen bzw. übergeordneten Prob-
lembereichen) an allgemeinen lebenspraktischen Fertigkeiten von psychisch
kranken Rechtsbrechern, die im BEST-Index [3] [4] detailliert aufgeschlüsselt
sind. Hierbei handelt es sich um ein mittlerweile gut untersuchtes und in
208
einer Reihe von forensischen Fachkliniken europaweit angewendetes
Fremdbeobachtungsinstrument, mit dessen Hilfe eine reliable und klinisch
relevante Abbildung von Einstellungs- und Verhaltensänderungen in Abhän-
gigkeit therapeutischer Interventionen vorgenommen werden kann. Es geht
darum, zu bestimmen, in wie weit ein Patient sich von der Norm spezifischer
sozialer Verhaltensweisen, kognitiv-emotionaler Fähigkeiten und lebens-
praktischer Fertigkeiten entfernt hat. Auch geht es darum, herauszufinden,
wo Verhaltensressourcen liegen könnten.
150 lebenspraktische Fertigkeiten sind auf sechs klinisch relevanten Skalen
(Riskantes Sozialverhalten, Einsicht, Kommunikation und soziale Fertigkei-
ten, Arbeits- und Freizeitaktivitäten, Selbst- und Familienunterhalt und Em-
pathie) abgebildet. Diese Skalen beschreiben wesentliche, sich gegenseitig
beeinflussende und miteinander interagierende Komponenten menschli-
chen Sozialverhaltens und erlauben die Identifizierung von Problemverhal-
ten und prosozialen Verhaltensressourcen. Sie können somit für die Behand-
lungsplanung nutzbar gemacht werden.
Erfahrungen während des Entwicklungsprozesses
Die Arbeitsgruppe setzte sich aus Vertretern aller forensischen Stationen
zusammen. Diese Konstellation erwies sich als hilfreich, zumal verschiedene
Stationen in der Regel auch verschiedene Patientengruppen mit recht unter-
schiedlichen psychiatrischen und pflegerischen Anforderungsprofilen be-
handeln. Die resultierenden Diagnosen wurden in einen internen Begutach-
tungsprozess gegeben und es wurde über mehrere Rückmeldungsschleifen
sichergestellt, dass die zunächst theoretisch überfrachteten Inhalte an die
Erfordernisse der Praxis angepasst wurden. Als besonders hilfreich stellte
sich die Verwendung von Beispielen heraus, die auch den wichtigsten Unter-
schied zu der von NANDA verwendeten Nomenklatur bilden. Die Beispiele
werden nicht nur von Novizen in der forensischen Pflege geschätzt, sondern
auch von Personen mit erheblicher Berufserfahrung, Durch Anschaulichkeit
und Griffigkeit der Inhalte vermittelt sich Praxisnähe, die für die Anwender-
motivation unerlässlich ist. Die Erfahrung lehrt eindeutig, dass sich praxis-
209
fremde Evaluationsinstrumente nicht dauerhaft durchsetzen lassen, und
dieser Lehrsatz gilt für alle Berufsgruppen.
Aktuelle Entwicklungen
Ab Herbst 2012 wurden die Pflegediagnosen im EDV-System des Zentrums
für Psychiatrie Reichenau implementiert. Nach erfolgreichem Abschluss der
Pilotphase werden derzeit Daten generiert, die nach einem internen Aus-
wertungsschema aufbereitet und analysiert werden können. Unterstützt
werden die Pflegekräfte von einer Doktorandin, die bei der Eingabe be-
obachtungsbezogener Inhalte in das KIS-System Hilfestellung leistet. Die
Einträge, die idealerweise von einer, und besser noch von zwei bzw. mehre-
ren Personen, die den betreffenden Patienten gut kennen, vorgenommen
werden sollten, werden bei Besprechungen als Diskussionsgrundlage ge-
nutzt. Es hat sich als sehr nützlich erwiesen, die Pflegediagnostik auf diese
Weise aufzuwerten. Möchte man vermeiden, dass die Pflegediagnosen den
Mühlen des Stationsalltags zum Opfer fallen, kann man unserer Erfahrung
nach nicht anders vorgehen. Als motivationsfördernd gilt auch eine regel-
mäßige Rückmeldung der Ergebnisse an das Pflegepersonal.
Ausblick
Das strategische Hauptziel dieses Ansatzes liegt in der Bereitstellung perso-
nen-, bzw. gruppenbezogener Ergebnisse der pflegerischen Tätigkeit mit
forensischen Patienten. Zudem auch die Schaffung einer Schnittstelle mit
weiteren patientenbezogenen forensisch-psychiatrischen Eckdaten wie z.B.
Rechtsgrundlage der Unterbringung, Hauptdelikt, Schuldfähigkeit, psychiat-
rische Diagnosen bzw. mit biografischen Merkmalen wie Familienstand,
Schul- und Berufsausbildung, Migrationsstatus, usw. Diese Daten liegen aus
der Forensischen Basisdokumentation vor, die seit 2009 die Kerndaten aller
in Baden-Württemberg untergebrachten forensisch-psychiatrischen Patien-
ten vorhält.
Im Kern dieser unseres Wissens im deutschsprachigen Raum einzigartigen
Initiative steht die Idee, pflegerisches Handeln in psychometrisch darstellba-
210
rer Form abzubilden und unter Einbeziehung „harter“ forensisch-
psychiatrischer Daten so aufzubereiten, dass alle forensisch-psychiatrischen
Akteure und nicht zuletzt die Patienten einen Nutzen davon haben. Schließ-
lich geht es immer darum, die therapeutischen Interventionsmöglichkeiten
im Allgemeinen zu erweitern und alle Möglichkeiten der prosozialen Beein-
flussung individueller Verläufe, die während einer Behandlung zutage tre-
ten, weitestgehend auszuschöpfen.
Literatur
1. Townsend, M.C. (2008). Nursing Diagnoses in Psychiatric Nursing, 7th ed. Phi-ladelphia, PA: F.A. Davis Company.
2. NANDA International (2010). Pflegediagnosen: Definitionen & Klassifikation 2009-2011. Kassel: RECOM GmbH.
3. Reed V, Woods P, Collins M, Almvik R, van Erven A, Ross T, Pfäfflin F, & Doenisch-Seidel U (2008). Behavioural Status Index (BEST-Index). Ein Instrument zur Erfas-sung lebenspraktischer Fähigkeiten psychisch kranker Patienten mit dem Ziel der Therapieplanung und Evaluation. Deutsche Manualbearbeitung (Ross, Pfäfflin & Doenisch-Seidel), zweite überarbeitete Auflage, Ulmer Textbank, Universität Ulm.
4. Ross, T., Reed, V., Fontao, M. I., & Pfäfflin, F. (2012). Assessing reliability, validity, and clinical utility of the BEST-Index in measuring living skills among forensic in-patients. International Journal of Offender Therapy and Comparative Criminolo-gy, 56(3), 385-400.
211
49. „Geht nicht gibt’s nicht!“ Kreative Familienarbeit in der
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Alexandra Schäfer, Bernhard Prankel, Carmen Nüssler, Ursula Hamann,
Jürgen Rohde
Hintergrund
Freude auf der Jugendstation: Die 16-jährige Jennifer, eine ehemalige Pati-
entin, kommt unangemeldet mit ihrem Lebensgefährten Tim und dem ge-
meinsamen Baby Max zu Besuch. Sie berichten von ihrem Familienleben –
das in dieser Art und Weise vor einem Jahr noch unvorstellbar schien. Ein
Rückblick auf eine nicht ganz alltägliche Familienarbeit.
Problemstellung
Jennifer war vor zwei Jahren in Obhut genommen worden, weil sie die Schu-
le schwänzte, Drogen nahm und immer wieder entwich; sie hielt sich täglich
bei ihrem sechs Jahre älteren Freund Tim auf; es schien, dass sie ihm regel-
recht ‚hörig‘ war. Wenig später wurde sie in unserer Klinik vorgestellt und
zur stationären Behandlung aufgenommen. Anfangs verboten wir den Kon-
takt zu ihrem Freund, der Drogen nahm, arbeitslos und straffällig war. Jenni-
fer arbeitete engagiert mit und wurde bald in ein Heim entlassen. Dort fiel
sie rasch in alte Gewohnheiten zurück. Unvermittelt wurde sie von ihrem
Freund schwanger. Als sie erneut begann, zu ihrem Freund zu entweichen,
nahmen wir sie wieder auf. Jennifer war diesmal trauriger und machte we-
niger mit als vorher. Sie sorgte sich um ihre Zukunft mit dem Kind. Schließ-
lich entwich sie auch aus der Klinik zu ihrem Freund. Wir standen vor einem
Patt.
Ziele
Jennifer und Tim waren davon überzeugt, sie könnten ihr Kind auch allein
aufziehen. Die professionellen Helfer waren sich hingegen einig, dass dies
212
nicht funktionieren würde: Den sehr jungen Eltern fehlten die grundlegen-
den erzieherischen Fähigkeiten, die sie für ihr Baby alsbald dringend benö-
tigten; sie waren zudem jeder für sich in ihrer Persönlichkeit noch unreif und
wenig stabil, und dies galt auch für ihre Paarbeziehung. – Es galt, den Fall zu
überdenken und die ‚Widerstände‘, die sich uns boten, neu zu bewerten.
Ergebnisse und Erfahrungen
Vor diesem Hintergrund überdachten alle Beteiligten noch einmal die Be-
handlungsziele und das Setting. Unsere Klinik schlug den Eltern und dem
Jugendamt vor, Tim nicht länger auszuschließen, sondern ausdrücklich mit
einzubeziehen. Nachdem alle Beteiligten ihre erheblichen Bedenken zurück-
stellen konnten, nahmen wir Tim auf Jennifers Station mit auf. Dort ließen
wir die beiden anhand eines gestuften Behandlungsplans sehr konkret die-
jenigen Fähigkeiten und Fertigkeiten üben, die sie für eine gedeihliche zu-
künftige Elternschaft und ein Zusammenleben als Familie benötigten. Wir
konnten schließlich Jennifers Mutter und auch das Jugendamt dafür gewin-
nen, Jennifer und Tim zu dessen Vater in eine Einliegerwohnung ziehen zu
lassen. Dieser hatte sich bereit erklärt, die weitere Entwicklung der beiden
aktiv zu begleiten und zu unterstützen.
Diskussion und Schlussfolgerung
Klienten und ihre Familien profitieren von einem wachen Team, das sich
selbst reflektiert, die Blickwinkel der Betroffenen wertschätzt und für indivi-
duelle und kreative Behandlungsmethoden offen ist.
213
50. Case Management und Community Reinforcement Ap-
proach
Christiane Schätz
Hintergrund
In diesem Beitrag wird das Konzept des Community Reinforcement Ap-
proach als Methode suchttherapeutischer Interventionen im Rahmen von
Case Management dargestellt.
Einleitung
Community Reinforcement Approach (CRA) ist ein verhaltenstherapeutisch
angelegtes Konzept, dass die Interessen von Menschen mit einer Abhängig-
keitserkrankung in den Vordergrund stellt. Das Behandlungskonzept mit
seinen modularisierten Elementen kann einen innovativen Ansatz zu der
Tätigkeit der psychiatrischen Pflege im suchttherapeutischen Setting darstel-
len.
Thema
In besonderer Weise ist die Berufsgruppe der psychiatrisch Pflegenden ge-
fragt, innovative Konzepte in der Auseinandersetzung mit suchterkrankten
Menschen in den Arbeitsalltag zu implementieren. Systematische Einschät-
zungen der aktuellen Bedarfslagen von Patienten sind ein wesentlicher Be-
standteil psychiatrischer Arbeit und setzten ein professionelles Handeln
voraus. Mögliche Zielsetzungen und Interventionen, die Patientenpräferen-
zen mit einbeziehen, machen dabei den Problemlösungsprozess zu einem
gemeinsamen Projekt. Systembedingte Faktoren und klinische Erfahrungen
müssen dabei berücksichtigt werden. Hierbei liegen die Parallelen zu der
konzeptionellen Auseinandersetzung zur Case Management Methode auf
der Hand. Aus professioneller Sicht sind die Übernahme von Verantwortung
und die Überwindung sektoraler Grenzen zwischen ambulanter und statio-
214
närer Versorgung eine besondere Chance für die psychiatrische Pflege. Da-
bei ist eine Verbindlichkeit in der Behandlung sicher zu stellen, wobei auch
die Koordination des Behandlungsprozesses zu gewährleisten ist. Erforder-
lich sind hierbei auch ein hohes Maß an Flexibilität der eigenen Tätigkeit und
eine intensive Netzwerkarbeit.
Ziele
Ressourcenorientierung und Patientenpartizipation sollten einen hohen
Stellenwert bei der Unterstützung durch professionelle Helfer haben. Es
geht grundsätzlich darum, die Patienten zu befähigen, sich unter Anleitung
selbst in den Prozess mit ein zu bringen. Hier stellt Community Reinforce-
ment Approach (CRA) eine Methode dar, die neben anderen Therapiever-
fahren wie Motivational Interviewing, Training sozialer Kompetenzen, Case
Management, verhaltenstherapeutische Paartherapie, eine starke Evidenz
bezüglich ihrer Effektivität hat ( Meyers/Smith, 2011 S. 34f. ). Ein beruflicher
Wandel der psychiatrischen Pflege im suchttherapeutischen Setting und die
damit verbundene Neupositionierung der beruflichen Identität können hier-
bei an die wachsenden Ansprüche der Gesellschaft anknüpfen.
Eine innerberufliche und keinesfalls marginale Änderung des Selbst- und
Aufgabenverständnisses wird als dringlicher Teilschritt zur Veränderung
gesehen.
215
51. Reizüberflutung (sensorische Überstimulation) im Kontext
schizophrener Störungen. Theoretische Hintergründe und
Veranschaulichung anhand praktischer Fallbeispiele
Stefan Scheydt, Ian Needham
Einleitung
Das Konzept Reizüberflutung wird im deutschen Sprachraum sowohl im
Allgemeinen als auch im fachlichen Sprachgebrauch häufig verwendet, um
Situationen zu beschreiben, in denen alles „einfach zu viel“ ist. Im englisch-
sprachigen Raum ist das Konzept „overload“ jedoch der Oberbegriff für viele
verschiedene Arten der „Überflutung“, wie bspw. sensory overload, infor-
mation overload, urban overload, performance bzw. work overload, affecti-
ve overload usw. Aufgrund dieser Begriffsvielfalt ist es wichtig, sich der kon-
zeptuellen Analyse und Abgrenzung von Reizüberflutung zu widmen, damit
eine Transparenz im Zusammenhang mit der Verwendung des Begriffes
erfolgen kann. Schliesslich sollte gerade im Gesundheitswesen jeder das
gleiche unter einem Konzept verstehen, um z.B. Fehlentscheidungen bzgl.
der Interventionswahl zu vermeiden. Da in der Literatur im Zusammenhang
mit psychischen Störungen v.a. die sensorische Überstimulation erwähnt
wird, liegt hierauf der Fokus der Konzeptanalyse.
Methode
Zur Analyse des Konzeptes Reizüberflutung (sensorische Überstimulation)
wurde die Methode der Konzeptanalyse nach Walker und Avant [1] ange-
wandt. Laut Walker und Avant [1] ermöglicht es die Konzeptanalyse, die
charakteristischen Eigenschaften eines Begriffes zu entschlüsseln, zwischen
den wesentlichen und den unwesentlichen Eigenschaften zu differenzieren
und somit häufig verwendete, jedoch vage Begriffe, welche relevant für die
pflegerische Praxis sind, näher zu erläutern, sodass jeder das selbe unter
dem Konzept versteht.
216
Ergebnisse
Definition von sensorischer Überstimulation (Problem)
Im Rahmen der Konzeptanalyse [2] wurden insgesamt elf Definitionen von
sensorischer Überstimulation analysiert. Auf dieser Grundlage kann allge-
mein folgende Definition beschrieben werden: Sensorische Überstimulation
ist ein Zustand geringen psychischen und/oder physiologischen Wohlbefin-
dens aufgrund ineffektiver Anpassungs-Reaktionen auf übermässige sensori-
sche Stimulation.
Bestimmende Attribute von sensorischer Überstimulation
Es konnten folgende fünf bestimmende Attribute von sensorischer Übersti-
mulation bestimmt werden: Vorhandensein sensorischer (physikalischer)
Reize, Vorhandensein von psychischem Unbehagen und/oder psychischer
Erschöpfung bzw. psychischen Stress, Vorhandensein subjektiver, nicht
direkt beobachtbarer (dennoch ggf. erfragbarer) Reaktionen auf sensorische
Überstimulation, Vorhandensein von objektiv beobachtbaren Zeichen und
Symptomen sensorischer Überstimulation sowie wahrgenommene Unfähig-
keit der effektiven Bewältigung bzw. des effektiven Copings.
Ätiologische Faktoren einer sensorischen Überstimulation
Weiter konnten folgende fünf Vorbedingungen einer sensorischen Übersti-
mulation aus der Literatur extrahiert werden [2]: Vorhandensein eines oder
mehrerer sensorischer Reize; es muss sich um eine Person handeln, welche
in der Lage ist, sensorische Reize wahrzunehmen und somit sensorische
Überstimulation erleben zu können; Vorübergehende oder andauernde
Übersensibilität im Zusammenhang mit sensorischen Reizen; Bewertung der
einwirkenden sensorischen Reize als aversiv bzw. persönliche Bedrohung;
Anpassungsprobleme bzw. ineffektives Coping.
217
Definierende Kennzeichen (Symptome) einer sensorischen Überstimulation
Auf Grundlage einer einschlägigen Übersicht über die deutsch- und englisch-
sprachige Literatur [3] können die in Tabelle 1 dargestellten kategorisierten
definierenden Kennzeichen (empirische Referenten) von sensorischer Über-
stimulation beschrieben werden.
Kategorie (Cluster) Definierende Kennzeichen (Symptome)
Aufmerksamkeits-
und Konzentrations-
störungen
hohe Ablenkbarkeit
fehlender Aufmerksamkeitsfokus
schlechtes Konzentrationsvermögen
Wahrnehmungs-
störungen
Illusionen
Halluzinationen
Körperschemaveränderungen
Veränderung der Zeitwahrnehmung/ Störung des Zeiterlebens
Stressreaktionen Körperlich: Anstieg der Herzfrequenz, des Blutdru-ckes, der Atemfrequenz, körperliche Unruhe
Psychisch: psychische Erschöpfung, geringes psychi-sches Wohlbefinden
Gestörte Denk-
prozesse
Formale Denkstörungen: z.B. Inkohärenz bzw. Zer-fahrenheit, Ideenflucht, Abnahme der Problemlöse-fähigkeit
Inhaltliche Denkstörungen: v.a. Bildung von Wahn-ideen
Affekt- und Verhal-
tensauffälligkeiten,
ineffektives Coping
Stimmungsschwankungen in den Bereichen Aggres-sion, Angst und Traurigkeit
Erhöhte und teilweise anhaltende Erregbarkeit
Vermeidungsverhalten (z.B. Meiden von Men-schenansammlungen o.Ä.)
Rückzugsverhalten (z.B. Rückzug in Zimmer auf einer Feier)
Aussagen darüber, sich nicht abgrenzen oder ab-schirmen zu können
Tabelle 7: Definierenden Kennzeichen von sensorischer ÜBerstimulation [3]
218
Fallbeispiel
Nachfolgend werden zwei Fälle beschrieben, wovon der erste als Modellfall
für eine sensorische Überstimulation und der zweite Fall als Grenzfall einzu-
ordnen sind.
Modellfall
Ein junger Mann mit schizophrener Störung ist seit drei Monaten in statio-
närer psychiatrischer Behandlung. Ständig wird er von seiner „Heimatstati-
on“ aufgrund von dekompensiertem Verhalten auf die Akutaufnahmestation
verlegt. Er kann sich so schlecht konzentrieren, dass er nicht einmal einen
Fragebogen ohne größere Hilfe ausfüllen kann. Immer wieder ist er aufge-
regt, angespannt und redet lauter als gewöhnlich. Er entwickelt Wahnideen,
hat Derealisationserlebnisse, ist ängstlich und innerlich unruhig. Vor allem
merkt man laut Aussage der Pflegekraft daran, dass er sich in einer Art Reiz-
überflutung befindet, dass er sich sowohl motorisch unruhig als auch gereizt
bis sehr aggressiv verhält. Diese Symptome bessern sich zwar, bringt man
ihn in einer Umgebung unter, in welcher sensorische Reize so weit wie mög-
lich reduziert sind. Doch bekommt er in einer solchen Umgebung Angst.
Diese Angst lässt nach einiger Zeit zwar nach und er fängt an sich zu beruhi-
gen bzw. zu entspannen, doch wird er aufgrund der von den Ärzten verord-
neten regelmäßigen pflegerischen Kontrollen immer wieder aus der mühe-
voll gefundenen Ruhe herausgerissen. Entweder manifestieren sich erneute
Ängste oder er wird aggressiv und unruhig. Möchte man ihn in normales
Stationsmilieu überführen, muss er nach spätestens 20 Minuten erneut in
die „reizreduzierte Umgebung“, da ihn die Umgebungsreize (Mitpatienten,
Hektik, Lärm, Licht) „überfordern“: Es manifestiert sich eine erneute senso-
rische Überbelastung.
Grenzfall
Ein 29-jähriger Patient, welcher unter einer schizoaffektiven Störung leidet,
ist zum ersten Mal in stationärer psychiatrischer Behandlung. Er wirkt ange-
219
spannt und unruhig, läuft ständig hin und her und sucht oft den Kontakt mit
den Pflegekräften. Es wird davon berichtet, dass er „kein Empfinden für
Reizüberflutung“ habe. Kommen jedoch viele Dinge zusammen, wie bspw.
mehrere Therapietermine hintereinander, wäre der Patient sogar schon im
Vorhinein „reizüberflutet“. Auch eine berufliche Tätigkeit mit einem hohen
Stellenanteil löse laut Pflegekraft entsprechende Symptome der “Reizüber-
flutung“ aus, weshalb empfohlen wurde, dass er seine Stellenprozente re-
duzieren solle. Zu Beginn des Aufenthaltes sei dem Patient in Situationen
der „Reizüberflutung“ ein Rückzug in sein Zimmer angeboten worden. Da er
jedoch „uneinsichtig“ gewesen sei, wurde diese Maßnahme als nicht erfolg-
reich eingestuft.
Schlussfolgerungen
Es konnte eine erste Annäherung an ein Konzept der Reizüberflutung im
Sinne einer sensorischen Überstimulation erarbeitet werden. Hierbei han-
delt es sich um ein Konzept, welches in der Psychiatrie vor allem im Zusam-
menhang mit schizophrenen Störungen hohe Relevanz aufweist. Es ist je-
doch anzumerken, dass es sich um einen ersten theoretischen, noch nicht
empirisch geprüften Entwurf handelt, welchen es zu diskutieren und durch
Forschung weiterzuentwickeln gilt. Somit könnte ein heuristisches Modell
entwickelt werden, welches Relevanz für Praxis, Lehre und Forschung hätte.
Die weitere Entwicklung des Konstruktes und darauf aufbauendes Wissen
könnte es ermöglichen, den in der psychiatrischen Praxis tätigen Professio-
nellen ein Werkzeug zu liefern, mit Reizüberflutung adäquat umzugehen,
um die Versorgung gerade psychisch kranker Menschen auf ein patien-
tenorientierteres und fachlich höheres Qualitätsniveau zu bringen.
Literatur
1. Walker LO, Avant KC (2011) Strategies for theory construction in nursing (5th ed.). Norwalk: Prentice Hall.
2. Scheydt S, Müller-Staub M, Frauenfelder F, Nielsen G, Behrens J, Needham I (2014) Sensory overload: a concept analysis. Manuskript zur Einreichung in Inter-national Journal of Nursing Knowledge.
220
3. Scheydt S, Müller-Staub M, Needham I (2014) Defining characteristics of sensory overload: a review of the literature. Manuskript zur Einreichung in Journal of Ad-vanced Nursing.
221
52. iNQUIRE: Nurses qualification impact on quality and re-
sources in falls prevention
Arndt Schlubach
Einleitung
Eine katamnestische Längsschnittanalyse von Sturzereignissen im Kranken-
haus und Heimbereich zum möglichen Einfluss der Qualifikation der Pflege-
personen für Sturzfolgeerkrankungen und Ressourcenverbrauch.
Ein Sturz ist jedes Ereignis, in dessen Folge eine Person unbeabsichtigt auf
dem Boden oder auf einer tieferen Ebene zu liegen kommt (Kellogg Interna-
tional Work Group, 1987). Neben dem alltäglichen Sturzrisiko aus Unacht-
samkeit oder bei sportlicher Aktivität gibt es Stürze, deren Ursache im Ver-
lust der Fähigkeit zur Vermeidung eines Sturzes liegt und häufig Folge einer
Verkettung und Häufung von Risikofaktoren sind. Physische Auswirkungen
von Stürzen reichen von schmerzhaften Prellungen über Wunden, Verstau-
chungen und Frakturen bis hin zum Tod. Psychische Folgen können vom
Verlust des Vertrauens in die eigene Mobilität, über die Einschränkung des
Bewegungsradius, bis hin zur sozialen Isolation führen.
In Deutschland ereignen sich pro Jahr insgesamt vier bis fünf Millionen
Stürze. Stürze zählen neben den Folgeerscheinungen medikamentöser
Verordnungen zu den häufigsten unerwünschten Ereignissen innerhalb der
ambulanten wie stationären Patientenversorgung (Groves et al., 1993;
Heinze et al., 2002). Diese zu verhindern und somit die Patientensicherheit
zu verbessern, sind gegenwärtige multidisziplinäre Bemühungen der
Qualitätssicherung in der Gesundheitsversorgung.
Fragestellung
Die Untersuchung verfolgt zwei wesentliche Ziele. Zum einen wird
analysiert, ob anhand der in den Einrichtungen vorliegenden Daten und der
verwendeten Kriterien (durchgeführte Interventionen, Qualifikationsniveau
222
der verantwortlichen Mitarbeiter und dem Outcome für den Patienten) der
Prozess der Sturzprophylaxe fortlaufend erhoben und dargestellt werden
kann.
Zum anderen sollen bestehende Zusammenhänge zwischen den Variablen
statistisch nachgewiesen werden.
Methode und Material
Mittels einer multizentrischen, retrospektiven Längsschnittanalyse wer-
den in vorhandenen Patientendokumentationen pflegetherapeutische Leis-
tungen zur Prävention von Stürzen und sturzbedingter Folgeschäden, un-
terschiedliche Qualifikationscluster (Berufserfahrung / Fort-und Weiterbil-
dung) der planenden Pflegepersonen sowie der Sturzfolgen für den Patien-
ten analysiert. Durch das Verfahren der Korrelationsanalyse sollen mögliche
Interdependenzen gefunden werden.
Die Daten wurden in 11 psychiatrischen Krankenhäusern und in 5 Einrich-
tungen der stationären Altenhilfe erhoben. Untersucht wurden 1920 Sturz-
geschehen der Jahre 2009 -2010.
Ergebnisse
Die Daten der INQUIRE Studie werden aktuell noch erhoben und ausgewer-
tet. Die Auswertung der 700 Fälle der Vorstudie hat ergeben, dass eine Ab-
bildung des Leistungsgeschehens differenziert möglich ist. Signifikante Zu-
sammenhänge sind zwischen der Berufserfahrung und den ausgewählten
Interventionen eindeutig nachweisbar. Der Ressourcenverbrauch
(€/Pflegeminute) sturzpräventiver Maßnahmen ist darstellbar. Die für diese
Multicenter-Studie erstellte Projektdatenbank ermöglicht eine effiziente
und dezentrale EDV-gestützte Eingabe der Daten und ermöglicht eine Da-
tengewinnung aus analoger und digitaler Patientendokumentation.
223
Diskussion
Die Dokumentationsqualität im Bereich der Pflegeinterventionen ist deutlich
verbesserungswürdig. Eine Leistungserfassung findet in den teilnehmenden
Einrichtungen nicht statt. In der ökonomischen Auswertung musste auf die
Leistungserfassung einer fremden, mit LEP arbeitenden Klinik, zurückgegrif-
fen werden. Dennoch wird die ökonomische Bedeutung der Maßnahmen-
planung erkennbar.
Schlussfolgerung
Die Arbeit zeigt, dass mit der vorgenommenen Analyse die Prozesse und
deren Ergebnisse transparent dargestellt werden können. Zusammenhänge
werden deutlich. Es bleibt abzuwarten, ob durch die Auswertung der lau-
fenden INQUIRE Studie, die Ergebnisse der Vorstudie auf einer breiteren
Datenbasis bestätigt oder wiederlegt werden können. Die Auswertung wird
im Oktober vorliegen.
224
53. Wegfall der PsychPV: Mögliche Auswirkungen auf den
Pflegedienst psychiatrischer Krankenhäuser
Michael Schulz
Fragestellung
In Deutschland sind seit 1991 in der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-
PV) qualitative und quantitative Anforderungen der Behandlung in der psy-
chiatrischen Versorgung formuliert. Zum 01. Januar 2017 soll die Psych-PV
im Zusammenhang mit der Einführung des neuen Entgeltsystems in der
Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) wegfallen. Mit diesem Wegfall be-
steht der Verdacht, dass ein Ressourcenabbau im Bereich der Pflege eintre-
ten wird. Vor diesem Hintergrund lautet die dieser Arbeit zugrunde liegende
Fragestellung: Wie haben sich die Personalstellen in der Psychiatrie in den
Bereichen Pflege und Medizin in den letzten Jahren entwickelt und welche
Schlussfolgerungen sind aus dieser Entwicklung abzuleiten?
Methode und Material
Die Analyse erfolgte auf der Grundlage von Daten des Statistischen Bundes-
amtes. Als Basisjahr gelten die Angaben aus dem Jahr 1998.
Ergebnisse
Bis zum Jahr 2001 ist eine Reduktion der Betten bzw. ein Abbau der Behand-
lungsplätze in der Psychiatrie deutlich zu erkennen. Ein Anstieg bzw. eine
Erweiterung der Bettenanzahl in den Jahr 2002 bis 2005 von 30.000 Betten
ist u. a. auf die Veränderung der Zählweise (Inklusion von neurologischen
Betten) zurückzuführen. Im Hinblick auf die Entwicklung der Personalstellen
zeigt sich, dass im Zeitraum 2002 bis 2005 ein Zuwachs im Bereich der Pflege
von 2,8% und im ärztlichen Dienst von 24,7% verzeichnet werden kann. Im
Vergleich des Jahres 2011 zum Basisjahr 1998 ergibt sich ein Zuwachs von
15% im pflegerischen und 59% im ärztlichen Dienst. Im Untersuchungszeit-
225
raum stieg die Anzahl der behandelten Fälle (Fallzahl) von 360.014 Fällen im
Jahr 1998 auf 559.833 Fälle im Jahr 2011 (Steigerung um 55%) und auf
599.474 Fälle im Jahr 2012. Setzt man die Anzahl der Fälle und die Entwick-
lung der Personalstellen in Relation zueinander, ergibt sich im pflegerischen
Dienst eine Zunahme der Belastungen im Vergleich zum Basisjahr.
Diskussion
In der vorliegenden Arbeit wurde Datenmaterial des Statistischen Bundes-
amtes verwendet. Von daher stellen die Ergebnisse im Hinblick auf den
ärztlichen und pflegerischen Dienst einen wertfreien empirischen Befund
dar. Um ein vollständiges Bild zu erhalten braucht es hier aber weitere Un-
tersuchungen. So müsste hier auch ein Zusammenhang mit den empirischen
Veränderungen bei den Patienten im psychiatrischen Krankenhaus aufge-
worfen werden. Auch die Frage: „Welchen Personalmix brauchen wir?“
bleibt unbeantwortet.
Schlussfolgerung
Mit der Psych-PV geht eine Richtlinie zur Stellenbesetzung in psychiatrischen
Kliniken verloren, die zwar keine Leistungsgerechtigkeit herstellen konnte,
jedoch einen uferlosen Abbau der Stellen in der Pflege verhindern konnte.
Vor dem skizzierten Hintergrund und den analysierten Daten ist zurzeit Vor-
sicht geboten. Wenn kein Personalbemessungsinstrument mehr vorhanden
ist, scheint die Gefahr eines weiteren ökonomischen Anreizes zum Personal-
abbau vorhanden zu sein.
226
54. Berufstätig mit psychisch kranken Angehörigen: Ein Kurz-
film und Einführung ins Thema „Work & Care“
Peter Schwarz
Hintergrund
Im Zusammenhang des soziodemographischen Wandels kommt es neben
der Zunahme des Lebensalters auch zu einem starken Anstieg von chroni-
schen somatischen und psychischen Erkrankungen sowie zu veränderten
Anforderungen in der Arbeitswelt. Derzeit sind weltweit mehr als 450 Milli-
onen Menschen von psychischen, neurologischen oder Verhaltensproble-
men betroffen, 350 Millionen davon betreffen allein die depressiven Erkran-
kungen [1].
Ein Grossteil der familialen Betreuungs- und Pflegeleistungen wird von er-
werbstätigen Angehörigen erbracht, welche deshalb mit einer schwierigen
Vereinbarkeitsproblematik konfrontiert sind. Man kann davon ausgehen,
dass in der Schweiz rund 4% aller Erwerbstätigen - das sind rund 160.000
Arbeitsnehmende - in irgendeiner Form von der Work & Care -Situation
betroffen sind [2].
Im Gegensatz zu gesellschaftlich meist akzeptierten somatischen Erkrankun-
gen erleiden Personen mit psychischen Störungen oft Ausgrenzung durch
ihre Mitmenschen. Aber nicht nur die erkrankten Menschen selbst leiden
unter sozialer Distanz und Ausgrenzung sondern auch deren Angehörige,
denn das mit der psychischen Störung einhergehende Stigma weitet sich auf
das nähere Umfeld der erkrankten Person aus [3]. Dieses als Stigmatisierung
erlebte Phänomen bedeutet für die Betroffenen und auch ihre Angehörigen
eine gravierende zusätzliche Belastung und wird mitunter auch als „zweite
Krankheit“ bezeichnet [4], welche negative Folgen auf das Berufs- und Pri-
vatleben dieser Angehörigen haben kann. Ein solches ablehnendes Verhal-
ten der Bevölkerung ist bei Schizophrenie, Alkoholismus und Drogenabhän-
gigkeit grösser als bei Depression und Angststörungen [5].
227
Problemstellung
Aus der Sicht von Angehörigen psychisch kranker Menschen ist ihre eigene
Stigmatisierung einerseits oft die Folge von Wissens- und Informationsman-
gel und andererseits von Ängsten und Unsicherheiten in der Bevölkerung
[6]. Viele dieser Angehörigen scheuen sich aus Scham und anderen Gründen
bereits bestehende Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen. Im
Kontext von psychischen Erkrankungen fehlen derzeit noch gezielte psycho-
soziale Unterstützungsangebote sowie Sensibilisierungsmassnahmen.
Während in der Schweiz in den letzten Jahren schon diverse Projekte zu
Work & Care, vor allem im Zusammenhang mit somatischen Erkrankungen,
lanciert wurden, sind solche Projekte im psychiatrischen Umfeld noch kaum
existent.
Aus diesem Grund lanciert der Autor ein Forschungsprojekt zu „Belastungen
erwerbstätiger Angehöriger psychisch kranker Menschen im Spannungsfeld
zwischen Beruf und familialer Pflege“ sowie ein Praxisprojekt mit dem Ziel,
einen Leitfaden für HR-Verantwortliche und Angehörigenberatungen zu
entwickeln. Erste Ergebnisse sind im Dezember 2014 zu erwarten.
Ziele
Durch Aufführungen des Kurzfilms an Fachhochschulen, Kongressen, Fach-
tagungen, in Vereinen, Angehörigen-Beratungen, Selbsthilfegruppen, etc.
sollen daraus Diskussionen resultieren, um zum Thema Work & Care, gerade
im Kontext psychischer Erkrankungen, Sensibilisierungs- und Unterstüt-
zungsmöglichkeiten zu erschliessen. Diese wiederum sollen zu Verbesserun-
gen in der (Pflege-)Praxis anregen. Der Kurzfilm porträtiert berufstätige
Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen, zeigt erste Lö-
sungsansätze und soll die Notwendigkeit herausstreichen, auch auf die eige-
ne Gesundheit zu achten. Des Weiteren dient der Kurzfilm als Werbemedi-
um für die oben erwähnten Forschungs- und Praxisprojekte.
228
Vorgehen
Nach eingehender Literaturrecherche und Begründung der Relevanz wurde
das Projekt "Berufstätig mit psychisch kranken Angehörigen" mit dem Ziel,
einen Lehrfilm zu machen, gestartet.
Als erster Schritt entstand die Dramaturgie des Filmes in drei Akten. Der
erste Akt sollte auf das Thema mit nötigen Hintergrundinformationen einlei-
ten, der zweite Akt sollte durch Fallbeispiele einen realitätsnahen Bezug
herstellen und der dritte Akt Unterstützungs- und Lösungsmöglichkeiten
aufzeigen.
Die Ein- und Ausgangsszenen symbolisieren einen beginnenden und enden-
den Arbeitstag. Die drei Fallbeispiele und die Beratungsszene wurden mit
Laiendarsteller/innen gedreht.
Für eine optimale Umsetzung des Filmprojektes wurden ein Drehbuch mit
Drehplan erstellt, die Drehorte sowie die Rollen bestimmt und die benötig-
ten Requisiten aufgelistet.
Erfahrungen
Der Kurzfilm wurde erstmals am SBK-Kongress 2014 in Basel im Rahmen
eines Workshops öffentlich gezeigt, ist dabei auf breite Resonanz gestossen
und hat zu konstruktiven Diskussionen angeregt. Mehrere Teilnehmer/innen
wollten weitere Informationen sowie den Kurzfilm für eigene Sensibilisie-
rungskampagnen und/oder Schulungen erwerben.
Diskussion
Sowohl von Seiten der Betriebe und Unternehmen als auch von den Kanto-
nen und Gemeinden existieren bereits finanzielle und arbeitsorganisatori-
sche Unterstützungsangebote, welche aber kaum genutzt werden. Bei be-
rufstätigen Angehörigen psychisch kranker Menschen sind zusätzliche psy-
chosoziale Unterstützungsangebote zu entwickeln. Arbeitgeber, Politik,
Institutionen und die Gesellschaft müssen auf die Thematik „work & care“
sensibilisiert werden.
229
Schlussfolgerung
Die heutige Gesellschaft akzeptiert somatische Erkrankungen weitgehend.
Bei psychischen Störungen tun sich aber viele schwer. Auch Angehörige
erleben Stigmatisierung, Tabuisierung und Ausgrenzung. Dies beeinflusst ihr
Privat- wie auch ihr Berufsleben. Arbeitgeber und erwerbstätige pflegende
Angehörige müssen auf die Thematik sensibilisiert werden und brauchen
hierfür mehr Aufklärung und Informationen. Zudem sind innovative Lö-
sungsmodelle zur besseren Vereinbarkeit von Beruf- und Angehörigenpflege
notwendig.
Literatur
1. WHO, 2014: Zugriff am 28.03.2014 auf: http://www.who.int/mental_health/en/
2. Bischofberger, I., Höglinger, M. ( 2008). Herausforderungen für die Vereinbarkeit. Schweizer Arbeitgeber. 20: S. 36-39.
3. Schulze, B. (2005) Praxiserfahrungen, in: Gaebel, W., Möller, H.J., Rössler, W. (Hrsg.) Stigma – Diskriminierung – Bewältigung. Der Umgang mit sozialer Aus-grenzung psychisch Kranker, Stuttgart, W. Kohlhammer Verlag. S.122-154.
4. Fuchs, G., (2010). Entstigmatisierung psychisch kranker Menschen. In: Amberger, S., Roll, S. (Hrsg.) (2010). Psychiatriepflege und Psychotherapie. S. 50. Stuttgart: Thieme.
5. Angermeyer, M.C., Dietrich, S. (2006). Public beliefs about and attitudes towards people with mental illness: a review of population studies. Acta Psychiatr Scand. 113: p. 163-79.
Schulze, B., Angermeyer, M.C. (2002) Perspektivenwechsel: Stigma aus der Sicht schizophren Erkrankter, ihrer Angehörigen und von Mitarbeitern in der psychiat-rischen Versorgung. In: Neuropsychiatrie. 16: S.78-86.
230
55. Zielorientierte psychiatrische Pflege (ORIENT) – Quantita-
tive Ergebnisse
Thomas Schwarze, Gianfranco Zuaboni, Peter Wolfensberger, Sabine Hahn,
Dirk Richter
Hintergrund:
Die Studie ‚Zielorientierte psychiatrische Pflege (ORIENT)‘ hat untersucht, ob
eine Recovery-orientierte Schulung für Psychiatriepflegende sich implemen-
tierten lässt und ob mit einer Schulung relevante Ergebnisse erzielt werden
können.
Fragestellung
Welche Ergebnisse wurden im Rahmen der quantitativen Erhebungen ge-
funden?
Methode
Die quantitative Erfassung der Studienresultate sah Messungen zu verschie-
denen Zeitpunkten vor. Mittels des Recovery Self Assessment (RSA) wurde
die Recovery-Orientierung der jeweiligen Einrichtung vor und nach der In-
tervention gemessen, und zwar von Mitarbeitenden und von Patientin-
nen/Patienten. Die individuelle Einschätzung, auf welcher Recovery-Stufe
sich Patientinnen/Patienten befinden, wurde mit dem Stages of Recovery
Instrument (STORI) gemessen. Die Umsetzung der Bezugspersonenorientie-
rung wurde mit dem Instrument zur Erfassung von Pflegesystemen (IzEP)
analysiert. Zusätzlich wurden die zwischen Pflegenden und Patientin-
nen/Patienten vereinbarten Ziele für den Aufenthalt während der Behand-
lung untersucht, diese wurden mit dem Goal Attainment Scaling (GAS) ent-
wickelt.
231
Ergebnisse
Die Daten werden zum Zeitpunkt der Abstractabfassung analysiert, die Er-
gebnisse liegen zum Kongress vor.
Diskussion und Schlussfolgerungen
Die quantitativen Ergebnisse werden vor dem Hintergrund des Studienziels
und der Methoden diskutiert.
232
56. Psychoedukation bei älteren Menschen mit Depression
Heidi Sommer
Hintergrund
Immer mehr ältere Menschen entwickeln eine Depression und nehmen zur
Behandlung ein stationäres Angebot an. Die Depression ist häufig nur eine
von verschiedenen Erkrankungen, welche Personen im höheren Lebensalter
erleiden. Die Behandlung ist zunehmend auf eine kurze stationäre Aufent-
haltsdauer ausgerichtet und wird multidisziplinär und multidimensional
gestaltet. Pflegerische Angebote werden gezielt an die Population angepasst
und müssen bezüglich Effizienz und Effektivität Nachweise erbringen.
Psychoedukation bei Depression ist eines der evidenzbasierten pflegeri-
schen Angebote in der psychiatrischen Pflege [1, 2, 3] und ist weit verbrei-
tet.
Problemstellung
Es gibt bis anhin noch wenige Erkenntnisse, wie wirksam Psychoedukation
bei älteren Patientinnen und Patienten mit mittlerer oder schwerer Depres-
sion in der Gerontopsychiatrie ist.
Ziele
Das Angebot der „Psychodedukation nach Pitschel-Walz“ [3] wurde in der
stationären gerontopsychiatrischen Pflege eingeführt, erste Erfahrungen
wurden gesammelt und PatientInnenbefragungen durchgeführt. Dieses
Praxisprojekt wird hier beschrieben.
Vorgehen
Es wurde wie folgt vorgegangen:
- Schulung von 2 Pflegefachpersonen HF und MNSc (Modul Psychoeduka-
tion FH).
233
- Planung der Gruppen-Module von Pitschel-Walz [3] für die Population
durch die geschulten Mitarbeiter (Durchführung: 2 Leitende, Gruppen-
angebot auf Station, 3-8 Teilnehmende). Ein Durchgang der Module
dauert 4 Stunden (je 2 Mal pro Woche) und wird als geschlossene Grup-
pe geführt.
- Umsetzung auf der Station: Die Module werden hauptsächlich von den
Pflegenden durchgeführt, ein Modul zur medikamentösen Behandlung
durch eine Assistenzärztin und eine Pflegende.
- Evaluation: Fragebogen an die Patientinnen und Patienten.
Inhalt und Ablauf der Module
Die vier Module folgen einem festen Ablauf:
- Modul 1: Vorstellen der Psychoedukationsgruppe, Vorstellen der Grup-
penmitglieder, Sammeln von Erwartungen, Sammeln von Symptomen,
Infos zu Epidemiologie und Prognose.
- Modul 2: Infos zu Ursachen von Depression, Vulnerabilitäts-Stress-
Prinzip, Diagnostische Einteilung von Depressionen.
- Modul 3: Behandlung von Depression: Überblick über Behandlungen,
vertieft: Medikamentöse Behandlung.
- Modul 4: Umgang mit Depression: Selbsthilfestrategien, Umgang mit
Suizidgedanken, Krisenplan. Zusammenfassung und Abschluss der Grup-
pe.
Gearbeitet wird in den Modulen in einem interaktiven Stil. Man sitzt im
Kreis, so dass direkter Austausch auch zwischen den Gruppenmitgliedern
möglich ist. Fragen, Inhalte und Rückmeldungen der Teilnehmenden wer-
den auf Flipchart notiert, die Flipcharts in alle Module wieder mitgenommen
und aufgehängt. Zusätzlich wird mit Zeigetafeln gearbeitet. Auf den Tafeln
sind die Modelle nach Pitschel-Waltz aufgezeichnet, welche die Informatio-
nen veranschaulichen oder hervorheben (Zum Beispiel ein Dreieck, das die
gegenseitige Beeinflussung von Denken, Fühlen und Handeln aufzeigt). Die
Zeigetafeln werden auf der Station während eines Modulturnus am Pinn-
234
board aufgehängt, so dass sich die Teilnehmenden, aber auch andere Pati-
entinnen und Patienten, im Thema vertiefen können.
Am Ende jedes Moduls werden die Inhalte nochmals kurz zusammengefasst,
es wird nach auftauchenden Fragen erkundigt und es wird eine „Hausaufga-
be“ abgegeben. Ziel davon ist, die soeben bearbeiteten Themen mit der
eigenen Person in Verbindung zu bringen, einen Abgleich zu machen und
allenfalls etwas Neues zu versuchen. Dazu kann die pflegerische Bezugsper-
son im Stationsalltag zur Unterstützung angefragt werden.
Resultate und Erfahrungen
Erste positive Erfahrungen konnten gemacht werden: Die Module können
gemäss Vorgaben mit jeweils 3-7 Teilnehmenden durchgeführt werden und
werden als hilfreich und ergänzend erlebt. Gemäss Auswertung erster Fra-
gebögen kommt zum Ausdruck, dass die Teilnehmenden vor allem schätzen,
dass sie ausführlich informiert werden über die Krankheit und dass sie von
anderen Teilnehmenden hören, wie diese die Krankheit erleben und was aus
der Depression heraushilft. So sagte ein Teilnehmer, dass für es ihn wichtig
war zu besprechen „wie man unten ist und wie man wieder hinauf kommt“.
Besonderer Informationsbedarf zeigt sich auch bezüglich Medikamenten.
Ein Teil der älteren Menschen scheint sich nicht zu trauen, nach genauen
Informationen zu fragen, welche Medikamente sie verordnet erhalten und
wozu. Es zeigt sich in den Gruppen, dass dazu ein riesiger Mangel besteht
von allen Seiten.
Es zeigen sich auch Stolpersteine, z.B. ist die zeitliche Vorgabe knapp, um die
Erfahrung und Sicht der Teilnehmenden in der Gruppe in genügendem Mas-
se einzubringen. Im Weiteren zeigte sich, dass Gegebenheiten oder Beein-
trächtigungen bei den Patientinnen und Patienten wie zum Beispiel beim
Sehen und Hören berücksichtigt werden müssen.
Das Leiten der Gruppen wird als Bereicherung des pflegerischen Tätigkeits-
feldes angesehen, zeigt aber auch diverse Herausforderung. Die interdiszip-
linäre Durchführung wird als sich ergänzend und einvernehmlich erlebt.
235
Diskussion
Anpassungen der Module müssen geplant werden (inhaltliche Aspekte,
Leitung, Strukturen).
Schlussfolgerung
Psychoedukation sollte als Standardangebot für diese Patientengruppe
etabliert und besser erforscht werden, damit der Nachweis der Effektivität
erbracht werden kann. Die Patientenperspektive ist dabei nicht aus den
Augen zu verlieren.
Literatur
1. Donker, T., et al (2009), Psychoeducation for depression, anxiety and psychologi-cal distress: a meta anlysis. MBC Medicine, 7 (79)
2. Tursi, MF et al (2013) Effectiveness of psychoeducation for depression: A system-atic review. Australian and New Zealand Journal of Psychiatry. 00 (0)1-13
3. Pitschel-Walz, G., et al. (2003) Psychoedukation Depression: Manual zur Leitung von Patienten-und Angehörigengruppen. Urban & Fischer, München
4. S3 Leitlinie Depression der DGPPN (2011) http://www.versorgungsleitlinien.de/themen/depression/pdf/s3_nvl_depression_lang.pdf (25.11.2013)
236
57. Patientenergebnisse nach Konsultationen bei psychiatri-
schen Fachpersonen in einem psychiatrischen Schweizer
Ambulatorium: PEKSA - Eine prospektive Beobachtungs-
studie
Manuel Stadtmann
Hintergrund
Nach der World Health Organization (WHO) werden psychische Störungen
bis im Jahre 2020 weltweit 15 % aller Krankheiten ausmachen. Allein in der
Schweiz ist die Anzahl der in psychiatrischen Ambulatorien behandelten
Patienten zwischen 2006 und 2010 um 18,4 % gestiegen. Die Gesundheits-
versorgung in der Schweiz wird bis ins Jahr 2030 mit einem Ungleichgewicht
zwischen Inanspruchnahme und dem Angebot ambulanter psychiatrischer
Dienstleistungen konfrontiert sein. Falls die Anzahl der angebotenen Be-
handlungen gleich bleibt wie zwischen 2001 und 2006, dürfte die Gesamt-
zahl der Behandlungen um 25 % zurückgehen.
Zielsetzung
Eine Beschreibung der Patientenergebnisse nach ambulanten Konsultatio-
nen hinsichtlich der Anzahl Konsultationen, der verschriebenen Medikamen-
te nach der Behandlung, der Anzahl Rehospitalisationen, der Behandlungs-
kosten, der Patientenzufriedenheit, der Symptombelastung, der zwischen-
menschlichen Beziehungen und der sozialen Integration wurde durchge-
führt. Diese Erfassung kann als Grundlage dienen, um über eine mögliche
erweiterte Rolle der psychiatrischen Pflegefachpersonen in der Schweiz zu
diskutieren.
Methoden
Die Datenerhebung fand im Zeitraum von September 2013 und Juli 2014
statt. Eine deskriptive Datenanalyse (Median, SD, Häufigkeiten, absolute
237
und kumulierte Prozente) von prospektiv erhobenen Daten mit zwei Mess-
zeitpunkten wurde durchgeführt. Zusätzlich wurde eine explorative Daten-
analyse mittels logistischer und multipler Regressionsstatistik, mittels t-Test
und MANOVA durchgeführt. Die Auswertung erfolgte mit Hilfe von SPSS® 20
(Statistical Package for the Social Sciences).
Resultate und Schlussfolgerungen
Werden am Kongress vorgestellt.
238
58. „Psychiatrisches Case Management“
Hermann-T.Steffen
Hintergrund
Case Management als am Einzelfall ausgerichtete Methode zur Steuerung komplexer Hilfeleistungen in regionalen Versorgungszusammenhängen wird allenthalben als probater Ansatz zur Beförderung von Klientenorientierung, Klientenpartizipation und Ergebnisorientierung in der psychiatrischen Ver-sorgung gesehen. Der Handlungsrahmen umschließt dabei sowohl die Ebe-ne des Einzelfalls –auf der Versorgungs-, Hilfe- und Unterstützungsleistun-gen systematisch erhoben, geplant, implementiert, koordiniert, überwacht und evaluiert werden – als auch die Systemebene – auf der formelle und informelle Dienstleister fallbezogen vernetzt und fallübergreifend konsisten-te Kooperationsverbände etabliert werden.
Einleitung
Auf der Fallebene aktiviert Case Management einen iterativen Prozess be-ginnend mit einem Klärungsschritt, der die Kontaktaufnahme und die Einlei-tung von Case Management beschreibt. Sind Zuständigkeits- und Aufnah-memodalitäten hinreichend geklärt und ist der Klient mit der Einleitung von Case Management einverstanden, wird unter dem Fokus von Problem- und Ressourcenlage des Klientensystems einerseits und der konstatierten Be-darfslage andererseits ein mehrdimensionales Assessment durchgeführt. In Kooperation und unter Direktive des Klienten wird alsdann ein – unter Fest-legung von fallzentrierten Zielen – die Hilfe- und Unterstützungsleistungen in einem Serviceplan zusammengefasst.
Thema
Das folgende Liniking beschreibt nun die Vermittlung passgenauer Angebote und deren Implementierung im Rahmen der Versorgungsplanung. In der Folge werden die Versorgungsleistungen gezielt gesteuert und gesichert, um Abbrüche und Krisen zu vermeiden und Beziehungen wie formelle und in-formelle Netzwerke weiter zu stabilisieren. Die abschließende Evaluation des Prozesses dient der Überprüfung und Bewertung der Einzelleistungen
239
sowie des Case Managements, sollten es die Umstände erfordern wird ein erneutes Assessment durchgeführt und ggf. weiterführende Hilfs- und Un-terstützungsangebote eingeleitet. Der Case Management-Prozess findet seinen Abschluss, wenn die konstatierten Ziele erreicht sind und sich kein weiterer Versorgungsbedarf zeigt und dient der gegenseitigen Entpflichtung von Case Manager und Klient.
Auf der Systemebene fokussiert Case Management den Aufbau und die Pflege von institutionellen Netzwerken. Um im Bedarfsfall Hilfeleistungen für den konkreten Einzelfall koordinieren zu können, wird hier eine dauer-hafte Kooperation von professionellen wie non-professionellen Akteuren im Sozialraum angestrebt.
Ziele
Vor den Leitsätzen der Methode Case Management und ihrem Anspruch sich diskret in unterschiedlichen Feldern und Settings gesundheitlicher Ver-sorgung einzufügen wird zu prüfen sein, ob sie diesem gerecht werden kann und welche Potenziale, welchen Zusatznutzen, aber auch welche Limitatio-nen sie in Bezug auf bereits etablierte Ansätzen in der psychiatrischen Ver-sorgung aufweist.
Gestaltung
Im Rahmen der Veranstaltung soll Case Management in der Versorgung demenziell erkrankter Menschen und ihrer Familien, in der Motivationsar-beit mit Suchtkranken wie auch in gemeindeorientierten Ansätzen betrach-tet und bewertet werden.
240
59. "Denn sie können was sie tun..." Bildung, Qualifizierung
und Kompetenzentwicklung in der Psychiatrie
Monika Stich, Brigitte Schero, Harald Joachim Kolbe
Hintergrund
Die hohe fachliche Qualifikation und die Gesundheit Beschäftigter stellt eine
der wichtigsten Ressourcen dar. Der Erhalt der Lern- und Arbeitsfähigkeit
wird insbesondere angesichts des demografischen Wandels zu einer Kern-
aufgabe in der Personalentwicklung. Zugleich wird die Gewinnung von Fach-
kräften und Berufsnachwuchs zunehmend schwieriger.
Um die Handlungsfähigkeit der Beschäftigten in Zeiten des demografischen
Wandels und gesundheitsökonomischer Veränderungen zu gewährleisten
startete am 01.12.2011 das vom Europäischen Sozialfond im Rahmen der
Initiative „weiter bilden“ geförderte Projekt „Kompetenznetz Psychiatrie“.
Projektbeteiligte sind die Kliniken des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe
(LWL) in Dortmund und Warstein und alle Kliniken des LWL-
Maßregelvollzugs. Das BiG Bildungsinstitut im Gesundheitswesen aus Essen
koordiniert und begleitet das Projekt.
Ziele
Ziel des auf drei Jahre angelegten Projektes war es, den Personalentwick-
lungsbedarf in psychiatrischen Einrichtungen systematisch zu ermitteln und
darauf abgestimmte Lern- und Bildungsangebote durchzuführen, die insbe-
sondere auf den Transfer in das alltägliche Arbeitshandeln des einzelnen
Beschäftigten und des multiprofessionellen Teams ausgerichtet sind. Dies
wurde erreicht durch:
- Systematische Einführung von Qualifizierungsbedarfsanalysen, um auch
über den Projektzeitraum hinaus Bedarfsermittlung und darauf basie-
rende Bildungs- und Lernangebote als Regelsystem in den Kliniken zu
verankern.
241
- Entwicklung von Kompetenzprofilen und Erprobung in der Personalfüh-
rung.
- Die Identifikation von übertragbaren „Gute-Praxis-Modellen“ in der
Entwicklung, Konzeption und Angebotsform von Fortbildungen.
In den beteiligten Kliniken wurden folgende Schwerpunkte verfolgt:
Teilprojekt LWL Klinik Dortmund
Das Projekt unterstützte die Umsetzung neuer Behandlungsformen in der
LWL Klinik Dortmund. Ein Schwerpunkt ist die Integration von bewegungs-
und körpertherapeutischen Methoden in die Behandlungsangebote einzel-
ner Abteilungen. Hierzu wurde u. a. eine berufsgruppenübergreifende Wei-
terbildung „Entspannungspädagoge/-pädagogin“ durchgeführt, um in Pflege
und Therapie entsprechende Verfahren einsetzen zu können.
Teilprojekt LWL Klinik Warstein
Vor dem Hintergrund des pauschalierten Entgeltsystems (PEPP) wurde hier
ein Kompetenzatlas für alle Berufsgruppen erarbeitet, mit dem Qualifikati-
onsprofile für die Pflege in der Klinik eingeführt werden. Berufsgruppen-
übergreifend wurden in allen Abteilungen einzelne Beschäftigte als Experten
für Krisenbegleitung qualifiziert, um sowohl präventiv als auch intervenie-
rend in Krisen zu begleiten und Teams und einzelne Mitarbeiter hierbei zu
beraten und zu unterstützen.
Teilprojekt LWL Maßregelvollzug
Grundlagen des Strategischen Bildungsmanagements wurden verbundweit
und klinikspezifisch eingeführt. Die Trägerabteilung, die Klinikleitungen und
die mittlere Führungsebene wurden beraten und qualifiziert. Ein modulares,
berufsgruppen- und klinikübergreifendes Fortbildungskonzept wurde entwi-
ckelt und angeboten, lernförderliche Arbeitsumgebungen geplant und ge-
staltet.
242
Grundlegende Qualifikationen und Kompetenzen wurden vermittelt. Die
Teilnehmer und Teilnehmerinnen wurden im Rahmen ihrer Berufslaufbahn
arbeitgeberunabhängig gefördert und befähigt, wandelnde Anforderungen
in der Psychiatrie zu bewältigen und proaktiv zu gestalten. Durch die klinik-
übergreifende Durchführung einzelner Angebote wird die branchenbezoge-
ne Entwicklung von Weiterbildungsangeboten unterstützt, die am Ende des
Projekts in dem geplanten Handlungsleitfaden „Personalentwicklung in der
Psychiatrie“ für psychiatrische Kliniken und Einrichtungen zur Verfügung
stehen.
Vorgehen
Die Teilprojektleitungen erläutern das Vorgehen bei der Erstellung der oben
benannten Ergebnisse und präsentieren dieselben.
243
60. Psychoedukation: Gruppenangebot Depression
Lucia Strehler, Edeltraud Kühner, Mischa Felber und Fabienne Zander
Hintergrund
Die Spezialstation für Depressions- und Angstbehandlung C1 führte in einem
längeren Praxisprojekt eine Evaluation ihres pflegerischen Gruppenangebo-
tes durch. Sie erarbeitete im Rahmen von evidence-based Practice (EBP)
unter anderem den Umsetzungsvorschlag Psychoedukation, auf dessen
Basis entschieden wurde, ein psychoedukatives Gruppenangebot für De-
pression zu implementieren.
Unter dem Begriff Psychoedukation werden didaktisch-therapeutische In-
terventionen zusammengefasst, um PatientInnen über die Krankheit und die
Behandlung zu informieren, das Krankheitsverständnis und den selbstver-
antwortlichen Umgang mit der Krankheit zu fördern und sie bei der Krank-
heitsbewältigung zu unterstützen.
Ziele
Das psychoedukative Gruppenangebot soll über die Erkrankung und die
Behandlungsmöglichkeiten aufklären, Kompetenzen im Umgang mit der
Erkrankung und mit Krisen vermitteln, die Zusammenarbeit fördern, Selbst-
wirksamkeit und Empowerment erhöhen, emotional entlasten, das subjekti-
ve Befinden verbessern und Hoffnung vermitteln.
Vorgehen
Nach einer mehrtägigen Weiterbildung der Berner Fachhochschule erarbei-
teten die Pflegefachpersonen in einer Arbeitsgruppe ein Gruppenprogramm
für Psychoedukation bei Depressionen. Das Programm basiert auf dem Ma-
nual von Pitschel-Walz et al.: „Psychoedukation Depressionen: Manual zur
Leitung von Patienten- und Angehörigengruppen“[1].
244
In Absprache mit dem ärztlichen Dienst wurde ein Teil des Programms von
dieser Berufsgruppe übernommen.
Umsetzung in die Praxis
Die Arbeitsgruppe entschied sich, die Anzahl der Module wie auch die Zeit-
dauer der einzelnen Module anzupassen, d.h. zu reduzieren.
Die Inhalte des Programms wurden in fünf Module unterteilt. Die Gruppen-
sitzungen finden einmal pro Woche mit einer Dauer von 45 Minuten statt.
Drei Module werden von zwei Pflegefachpersonen als Leitung und Co-
Leitung durchgeführt, zwei Module (Modul 3 und 4) vom ärztlichen Dienst
als Leitung und einer Pflegefachperson als Co-Leitung. Die Inhalte der Modu-
le sind:
1. Modul: Was sind Depressionen?
- Depressionsspirale
Rückzug, Verlust von Aktivität, Isolierung mit noch größerer Passivität usw.:
die Dynamik der nach abwärts gerichteten Depressionsspirale wird erklärt
sowie Möglichkeiten die Spirale wieder umzukehren. Wichtig ist, den Ein-
stieg in die Spirale zu erkennen und wie man sich in der Zukunft schützen
kann.
- Epidemiologie
- Symptome
- Dreieck: Fühlen, Denken, Handeln
Anhand dieses Dreiecks werden die verschiedenen Einflussmöglichkeiten
verdeutlicht: Es ist schwer, das Fühlen direkt zu beeinflussen. Auf das Den-
ken und Handeln kann man einwirken und dadurch indirekt auf das Fühlen
Einfluss nehmen. Weiter lassen sich mit der Veranschaulichung dieser wich-
tigen Zusammenhänge des Denkens, Fühlen und Handelns, Ansatzpunkte für
Selbsthilfestrategien aufzeigen.
245
2. Modul: Was wissen wir über die Ursachen?
- Ursachen einer Depression
- Vulnerabilitäts-Stress-Modell
- Diagnosen
- Reizübertragung (Synapsenmodell)
3. Modul: Wie werden Depressionen behandelt (Teil 1)
Medikamente zur Behandlung von Depressionen
- Wann wird überhaupt ein Medikament eingesetzt?
- Wie schnell wirken Medikamente?
- Welches Medikament sollte man einsetzen?
4. Modul: Wie werden Depressionen behandelt (Teil 2)
Was ist Psychotherapie?
- Wann Psychotherapie?
- Welche Psychotherapie hilft?
Elemente der Kognitiven Verhaltenstherapie mit Bezug zum Dreieck:
Denken-Fühlen-Handeln
Techniken der KVT: Beispiele Tagesprotokoll negative Gedanken und
Aktivitätenkontrolle [2]
5. Modul: Wie soll man mit der depressiven Erkrankung umgehen?
- Was tun bei Suizidgedanken?
- Der „Grübler“ und sein Problemberg
- Der Problemlöser
- Steigerung angenehmer Tätigkeiten
- Krisenplan
Start der ersten Durchführung der Psychoedukationsgruppe war am 21.
März 2014. Vor der Teilnahme wird den PatientInnen eine schriftliche In-
246
formation über den Inhalt und das Ziel der Psychoedukation abgegeben. In
der Psychoedukationsgruppe erhalten sie ein Handout, basierend auf den
fünf Modulen.
In jedem Modul wird auch eine Übung für das nächste Modul mitgegeben,
um etwas konkret umzusetzen, auszuprobieren oder sich auf das nächste
Thema vorzubereiten.
Die Pflegefachpersonen benutzen für die Durchführung einen Arbeitsordner
mit Arbeitsblättern und Folien des abgeleiteten Manuals von Pitschel-Walz
[1].
Zu den didaktischen Überlegungen gehört, die Themenschwerpunkte inter-
aktiv zu erarbeiten: Es soll kein Frontalunterricht wie in der Schule sein,
Fachjargon soll vermieden und die Teilnehmenden aktiviert werden.
Im Vordergrund steht auch die Vermittlung von Hoffnung – als wesentliches
Ziel. Das kann erreicht werden durch:
- erfolgreiche Teilnehmende ermuntern zu berichten, wie sie ein Problem/
eine Krise gemeistert haben
- das Augenmerk auf das richten, was gut läuft (ressourcenorientiert, nicht
defizitorientiert arbeiten)
- immer wieder eine zuversichtliche Haltung deutlich zum Ausdruck brin-
gen
Ergebnisse und Erfahrungen
Die PatientInnnen haben die Möglichkeit an einem wirksamen Therapiean-
gebot teilzunehmen und damit ihren Umgang mit der depressiven Erkran-
kung und den Symptomen zu verbessern.
Die individuelle Pflege-, bzw. Behandlungsplanung kann spezifischer verfolgt
werden.
Die Wirkung des Psychoedukationsprogrammes wird mit einem Fragebogen
nach Abschluss der fünf Module erfasst. Erste Beobachtungen ergaben, dass
die PatientInnen das Angebot schätzen und davon profitieren können. Eine
Evaluation wird im September stattfinden.
247
Mit der Fortbildung und Erarbeitung dieses psychoedukativen Programms
konnten die beteiligten Pflegefachpersonen ihr Wissen in ihrem Fachgebiet
erweitern und dieses systematisch in der Praxis anwenden.
Literatur
1. Pitschel-Walz, G., Bäuml, J., Kissling, W. (2003). Psychoedukation Depressionen: Manual zur Leitung von Patienten- und Angehörigengruppen. München: Urban & Fischer.
2. Hautzinger, M. (2013). Kognitive Verhaltenstherapie bei Depressionen. Wein-heim: Beltz.
248
61. Welche Empfehlungen geben Betroffene bezüglich Entlas-
sungsmanagement
Simone Tschanz
Hintergrund
Der Übergang vom stationären in den nachstationären Bereich stellt eine
besonders sensible Phase im Betreuungsprozess psychiatrisch erkrankter
Klientinnen und Klienten dar. Häufig kommt es zu Versorgungsunterbrüchen
und im schlimmsten Fall zu Widereintritten. Diese Schwachstelle gilt es
unter anderem mit innovativen Pflegeinterventionen zu beeinflussen, die
pflegerische Austrittsarbeit sollte qualitativ und effizient bewältigt werden.
Bei einer verkürzten und gleichzeitig optimierten Versorgung im stationären
Rahmen soll
eine individuelle Pflegeplanung erstellt und eine abgestimmte nachstationä-
re Versorgung mit
dem Patienten erreicht werden [1]. Das Deutsche Netzwerk für Qualitäts-
entwicklung Pflege hat einen Expertenstandard Entlassungsmanagement [4]
entwickelt, welcher strukturierte und systematische Empfehlungen für eine
zielgerichtete und strukturierte Entlassung gibt. Bei allen klientenorientier-
ten Interventionen und Behandlungsplanungen sollte jedoch die Sicht und
Lebenswelt des Betroffenen einbezogen werden [5]. Deshalb hat dieses
Projekt zum Ziel, Erfahrungen und Erlebnisse von Betroffenen bezüglich
ihrer Entlassung mit den im Expertenstandart vorgegebenen Kriterien zu
vergleichen und durch Empfehlungen aus Sicht der Betroffenen zu ergänzen.
Fragestellung
Welche Erfahrungen berichten Betroffene bezüglich der Entlassung aus
psychiatrischen Kliniken?
Welche Empfehlungen werden abgegeben?
249
Methode
Es wurde eine qualitative Erhebung durchgeführt. In einem leitfadengestüt-
zen Fokusgruppeninterview wurden drei Frauen und ein Mann bezüglich
ihrer Erfahrungen mit Entlassungen aus psychiatrischen Kliniken befragt und
gebeten, Empfehlungen abzugeben, wie man die Austrittsplanung optimie-
ren kann. Die Daten wurden mit einem Datenträger aufgezeichnet, inhaltlich
transkribiert und mittels Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring ausgewertet.
Die gewonnenen Daten wurden mit dem Expertenstandart Entlassungsma-
nagement verglichen.
Ergebnisse
Die Erfahrung der Befragten bezüglich des Entlassungsmanagement in den
psychiatrischen Kliniken fiel im Allgemeinen eher negativ aus:
- Fühlten sich mit der Entlassungsplanung allein gelassen
- Kinder wurden in die Entlassungsplanung nicht miteinbezogen, somit
fühlten sich die
- Mütter zu Hause überfordert
- Keine passende Tagesstruktur
Die häufigsten Empfehlungen für die gezielte Entlassungsvorbereitung, um
nach dem Austritt Stabilität zu erhalten, waren: Die gemeinsame Entwick-
lung einer Tagesstruktur, die bedarfsgerechte Unterstützung zur Bewälti-
gung der Entlassungssituation durch Fachpersonen oder Peers, den Einbe-
zug der Kinder bei der Entlassungsplanung, eine systematische Entlassungs-
planung und Fachpersonen in der Psychiatrie sollten sich mehr für die Ent-
stigmatisierung einsetzen.
250
Diskussion
Zur Verdeutlichung der Ergebnisse des Interviews greife ich nochmals den
Ist- und Soll-Zustand der Interventionen im pflegerischen Handlungsbedarf
vom Expertenstandart Entlassungsmanagement [4] auf.
Im Expertenstandard Entlassungsmanagement [4] werden folgende Krite-
rien, welche für Betroffene als Vorbereitung wichtig sind, bereits berück-
sichtigt:
- Einbezug der Angehörigen
- Strukturierte Austrittsplanung mit der Bezugsperson
Folgende Kriterien sind für die Betroffenen in der Psychiatrie zusätzlich rele-
vant:
- Das Bedürfnis besteht, dass der Umgang mit der Stigmatisation themati-
siert wird. Denn einerseits hindert die Stigmatisierung von psychischen
Krankheiten viele Menschen daran, frühzeitig therapeutische oder psy-
chiatrische Hilfe aufzusuchen und andererseits behindert sie den Einstieg
in den Arbeitsmarkt [2].
- Nachbetreuung durch Peers
- Einbezug von Kindern in die Entlassungsplanung. Deutlich wird dies von
den zwei Frauen mit Kindern geschildert, dass bei der Entlassungsvorbe-
reitung zu wenig auf die Situation zu Hause geachtet wurde, wie die Auf-
klärung der Kinder oder zusätzliche professionelle Unterstützung für die
Kinderbetreuung fehlte. Krekel [3] weist in einer Untersuchung darauf
hin, dass dies ein Bereich mit erheblicher Unterversorgung ist. Obwohl
spezialisierte Angebote für die Familienplanung, die Betreuung von
Schwangerschaften und Geburten, als auch die gezielte und spezifische
Unterstützung von Eltern mit psychiatrischen Erkrankungen in Studien
günstige Ergebnisse zeigen.
251
Internationale Studien zeigen auf, dass das Entlassungsmanagement um-
fangreiche Kenntnisse und Kompetenzen erfordert und dafür zuständige
Pflegefachkräfte einer zusätzlichen Qualifizierung bedürfen [4].
Schlussfolgerungen
Die Verwendung des Expertenstandards zur Entlassungsplanung ermöglicht
eine zielgerichtete und strukturierte Entlassungsplanung, zusätzlich müssen
jedoch Themen wie die Versorgung der Kinder nach Rückkehr in die Familie,
Entstigmatisierung und die Integration von Peererfahrenen in die Nachbe-
treuung berücksichtigt werden.
Implikationen für die Praxis
- Pflegekräften mit einer speziellen Qualifizierung im Entlassungsma-
nagement ausbilden.
- Das initiale Assessment sollte durch die Pflegefachkräfte der Stationen
durchgeführt werden und spezialisierte Fachkräfte übernehmen die dif-
ferenzierte Einschätzung für das Entlassungsmanagement.
- Die psychiatrischen Fachkräfte sollten in der Zusammenarbeit mit Be-
troffenen folgende Kernpunkte beachten: Förderung der Selbstverant-
wortung, Recoveryorientiert arbeiten, Einführung des Empowerment-
Modell, Stärkung der Resilienz.
- Gezielte Angehörigenkurse bzw. spezialisierte Kurse für Kinder sollten in
Erwägung gezogen werden.
- Zur Entstigmatisation sollte das Behandlungsteam auch Kontakt zu den
Schulen aufnehmen, auch Lehrer für Gespräche einladen oder Kontakt
mit den zuständigen Sozialarbeiter der Schulen aufnehmen.
- Sensibilisierungskampagnen: Professionelle oder Betroffene Menschen
können mit Betroffenenorganisationen und kantonalen Stellen an Mass-
nahmen zur besseren Information der Bevölkerung und Abbau von
Hemmnissen aktiv mitarbeiten.
252
- Stigmatisierte Personen unterstützen im Wege finden, ein gesundes und
produktives Leben innerhalb dieser Bedingungen zu führen.
- Die Schweiz sollte mehr Chancen der Wiedereingliederung bieten. Einer-
seits in den Arbeitsmarkt, mit geschützten Arbeitsplätzen. Andererseits
mit ambulanter Wohnbegleitung. Bei Müttern sollte man speziell darauf
achten, ob sie kurz nach Austritt, die Betreuung der Kinder gewährleis-
ten können.
- Peer zur Alltagsbewältigung oder Gestaltung einsetzen.
Literatur
1. Islebe, M. (2007). Überleitungspflege, Herausforderungen der Psychiatrie im
Wandel:Praxisbericht. Psych Pflege. 13, 180-187.
2. INSOS-Strategiepapier (Juni 2011). Strategiepapier Entwicklungen im Bereich der
Psychiatrie und der IV und ihre Auswirkungen auf die Institutionen für Menschen
mit psychischer Beeinträchtigung. Abgefragt am 7. März 2013, von
http://www.insos.ch/de/fachbereiche/psychische_beeintraechtigung/index.asp
?navanchor=2110037
3. Krekel, M. (2004). Zur Situation psychisch kranker Mütter. In Krause-Girth, C., &
Oppenheimer, C. (Hrsg.). Lebensqualität und Beziehungen. Geschlechtersensible
Betreuung psychisch Kranker (S. 117-128). Bonn: Psychiatrie Verlag.
4. Schiemann, D., Moers, M., Blumenberg, P., Krebs, M. & Stehling, H. (2009).
Expertenstandard Entlassungsmanagement in der Pflege (2. Aufl.) In Schiemann,
D.,Moers M., Blumenberg, P., Krebs, M. & Stehling, H. (Hrsg.). Deutsches Netz-
werk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) Hochschule, Osnabrück.
5. Schrank, B. & Amering, M. (2007). Recovery in der Psychiatrie. Narrative Litera-
turübersicht. Neuropsychiatrie. 21, 1, 45-50.
253
62. Case Management in der gerontopsychiatrischen Arbeit
mit demenziell erkrankten Klienten
Benjamin Volmar
Hintergrund
Case Management ist in der gerontopsychiatrischen Arbeit ein sinnvoller Baustein, um den Aufbau und die Entwicklung von Versorgungsstrukturen für Klienten zu gestalten. Viele gerontopsychiatrische Klienten erkranken erst im hohen Alter und stellen dann ihr soziales Umfeld vor Problemstel-lungen. Dabei stellen sich häufig Fragen, wie die Übergänge zwischen den Krankheitsphasen und den benötigten Versorgungsstrukturen bewältigt werden können.
Einleitung
Case Management dient hier als Schnittstelle zwischen dem primären und den sekundären Netzwerken, des Klienten. In der partizipativen Entschei-dungsfindung wird erhoben, welcher Hilfebedarf besteht und welche Mög-lichkeiten genutzt werden können, um diese Bedarfe zu befriedigen.
Thema
Ein wichtiger Aspekt des gerontopsychiatrischen Case Managements ist das primäre Netzwerk. Gerade Menschen mit demenziellen Erkrankungen ha-ben hier Ressourcen, die selbst Beratungs-, Entlastungs- und Schulungsbe-darfe benötigen. Des Weiteren sind speziell diese Ressourcen notwendig um eine funktionsfähige Alltagsgestaltung zu ermöglichen. Die nahen Angehöri-gen kennen die Biografie und die Bedürfnisse des Klienten häufig am besten und können diese stellvertretend oder gemeinsam mit dem Klienten formu-lieren.
Ziele
Besonderes Augenmerk fällt dabei auf die Funktionen des „Brokers“ und des „Gate Keepers“, in denen Hilfsmöglichkeiten aus dem sekundären Netzwer-ken vermittelt werden. Vielen Klienten fehlen häufig Kenntnisse, über die
254
ihnen zustehenden Leistungen und über die regional vorhandenen Hilfsan-gebote.
Auch zwischen den Hilfsangeboten fehlen häufig die Verknüpfungen unter-einander, um eine fallorientierte Arbeit zu gestalten. Das Case Management betreibt Netzwerkarbeit und Fallsteuerung. Es stellt, in Zusammenarbeit mit den Klienten, klare Behandlungsaufträge an die einzelnen Dienstleister. Ziel des Case Managements ist es, den Klienten zu einem möglichst empower-ment-orientierten Leben zu bevollmächtigen.
Das Case Management arbeitet prozesshaft und vereinbart mit den Klienten vorab die Ziele und die Dauer des Prozesses.
Es zeigt sich, dass sich Case Management in der Gerontopsychiatrie spezielle Anforderungen stellen muss, da demenziell veränderte Klienten besondere Aufgabenstellungen und Herausforderungen mit sich bringen. Diese liegen insbesondere darin begründet, dass die Bedürfnisse der Patienten häufig nicht hinreichend kommuniziert werden können.
255
63. Sporttherapie im psychiatrischen Krankenhaus – eine Zu-
sammenführung von psychiatrischer Pflege und Sportwis-
senschaft
Robert Weitz
Hintergrund
Gegründet wurde die Sporttherapie im niederösterreichischen Landesklini-
kum Mauer im Jahre 1998, wobei ein Dienstposten in diesem Bereich zur
Verfügung stand. Seit 2006 wird von zwei psychiatrisch diplomierten Pflege-
personen mit staatlich-sportlicher Trainerausbildung mit psychisch kranken
Menschen Sporttherapie durchgeführt. Hierbei werden die Erkenntnisse der
Trainingslehre mit jenen der psychiatrischen Pflege kombiniert. Das heutige
Konzept dazu konnte sich im Laufe der Jahre durch gewachsene Strukturen
entwickeln. Im Jahr 2013 nahmen 1939 Patienten am Spottherapiepro-
gramm teil, es wurden dabei 17.956 Therapieteilnahmen registriert. Das
entspricht 76 Therapieteilnahmen pro Therapietag.
„Unter Sporttherapie versteht man eine bewegungstherapeutische Maß-
nahme, die mit geeigneten Mitteln des Sports gestörte körperliche, psychi-
sche und soziale Funktionen kompensiert, regeneriert, Sekundärschäden
vorbeugt und gesundheitlich orientiertes Verhalten fördert. Sie beruht auf
biologischen Gesetzmäßigkeiten und bezieht besonders Elemente pädagogi-
scher, psychologischer und soziotherapeutischer Verfahren ein und ver-
sucht, eine überdauernde Gesundheitskompetenz zu erzielen [1]“.
„Bewegung, Berührung und Beziehung sind als fundamentale Merkmale des
Lebens selbst zu sehen [2]“.
Prinzipiell kann Sporttherapie bei allen psychischen Krankheitsbildern ange-
wendet werden.
256
Problemstellung
Bei vielen psychischen Erkrankungen kommt es zu einem Verlust des Kör-
pergefühls, einer Verminderung des Antriebes, des Selbstwertgefühls und zu
einem Mangel an sozialen Kontakten.
Ziele
Die wichtigsten Ziele der Sporttherapie sind die körperliche Aktivierung, die
Schulung von Allgemeinbeweglichkeit und Körperhaltung, die Förderung
sozialer Interaktionen, Selbstwahrnehmung und Körpererfahrungen. Auch
das Wiederfinden von Lebensfreude und seelischem Gleichgewicht sowie
gesundheitlich orientiertes Verhalten werden angestrebt.
Der Fokus liegt dabei auf der psychosozialen Ebene und im Gesund-
heitssport, nicht im Leistungsport.
Die Zielsetzungen sind dem Klientel der jeweiligen Stationen angepasst und
daher sehr unterschiedlich.
Auf der Kinder- und Jugend- Neuropsychiatrischen Abteilung liegt der Fokus
auf Sozialverhalten und Kontfliktlösungsfähigkeit. Durch das Einfügen und
Mitarbeiten in einer Gruppe oder im Team werden die Rücksichtnahme und
Akzeptanz gegenüber anderen, das Durchsetzungsvermögen und die Kritik-
fähigkeit geschult.
Schwerpunkte bei Patienten der Drogenentzugsstation sind die Milderung
von Entzugssymptomatik und eine positive Auseinandersetzung mit dem
eigenen Körper.
Bei forensischen Patienten stehen körperliche Aktivierung und sinnvolle
Freizeitgestaltung im Vordergrund.
Voraussetzungen
Die Voraussetzungen für erfolgreiche Sporttherapie sind ein positives thera-
peutisches Milieu und das entsprechende Umfeld basierend auf der Bezie-
257
hung zwischen Patient und Therapeut, welche geprägt ist von positiver Zu-
wendung, bedingungsloser Akzeptanz und Empathie.
Die Sporttherapie wird hauptsächlich als Gruppentherapie durchgeführt,
wobei die Therapeuten durch positive Ausstrahlung, freudvolles und au-
thentisches Handeln die Basis für eine positive Gruppendynamik schaffen
müssen.
Ausschließungsgründe an der Gruppentherapie aus organisatorischen Grün-
den stellen akute Suizidalität und Fluchtgefahr dar. Hier wird im Bedarfsfall
und bei entsprechenden Ressourcen der Therapeuten auch Einzeltherapie
angeboten.
Vorgehen
Die Sporttherapie wird wochentags von 7.00 Uhr bis 17.00 Uhr durchge-
führt, es wird dabei zwischen Morgensport und Sporttherapiegruppe unter-
schieden.
Morgensport wird mit Patienten von drei Aufnahmestationen gemeinsam
durchgeführt, beginnt um 7:00 Uhr, dauert 50 Minuten und findet im Freien
statt. Die Gruppengröße variiert dabei zwischen 20 und 30 Teilnehmern.
Zuerst startet eine 20 minütige Aktivierungsgymnastik mit Schwerpunkt
Gelenksmobilisation und Gleichgewichtstraining. Danach folgt ein Aktivie-
rungsspaziergang, wobei zwischen Schnellgehergruppe (2,2 km) und Lang-
samgehergruppe (1,5 km) unterschieden wird. Die Aktivierungsgymnastik
findet nur bei entsprechender, der Aktivierungsspaziergang bei jeder Witte-
rung statt.
Sporttherapiegruppen werden in Einheiten von 60 bis 90 Minuten stations-
weise durchgeführt. Den einzelnen Stationen sind dabei fixe Therapiezeiten
zugeordnet.
Die Patienten werden von den behandelnden Stationsärzten zugewiesen,
die Teilnahme erfolgt auf freiwilliger Basis. Die erste Kontaktaufnahme findet auf der Station statt.
258
Da sich viel Patienten unter Sporttherapie nichts Konkretes vorstellen kön-
nen und oft noch negative Assoziationen zum Sportunterricht in der Schule
bestehen, ist zu Beginn auch meist Motivationsarbeit zu leisten.
Auf dem Weg zur Turnhalle (ca. 600 m) findet ein erstes Kennenlernen statt.
Dabei werden sportliche Vorkenntnisse und die grundsätzliche Einstellung
zu Bewegung in Erfahrung gebracht.
Auf dem Rückweg zur Station wird in einem Gespräch das Erlebte reflektiert.
Nach der ersten Teilnahme wird ein Anfangsbericht erstellt, vor der Entlas-
sung eine Endbericht.
Bei der Outdoorgruppe werden Spaziergänge von 2 bis 6 km, Nordic Wal-
king, Joggen, Radfahren, Minigolf, Tennis, Asphaltstockschießen und im
Winter Schneeschuhwandern angeboten.
Bei Aktivitäten in der Natur werden alle Sinne aktiviert. Gehen auf unebe-
nen Untergründen, Riechen an Blumen, Kräutern, Blüten, Hören von Vogel-
gezwitscher, Rascheln der Blätter, Sehen der verschiedenen Farben des
Waldes und der Blumen, Schmecken verschiedener Kräuter und Früchte,
Fühlen des Windes, der Sonne, des Regens und verschiedener Oberflächen.
Bei der Indoorgruppe findet der erste Teil gemeinsam in der Turnhalle statt
und wird vom Therapeuten vorgegeben. Allgemeines Aufwärmen, Mobilisa-
tionstraining, Koordinationstraining, Stabilisationstraining und Mannschafts-
spiele stehen hierbei im Vordergrund.
Im zweiten Teil der Einheit können sich die Teilnehmer zwischen Squash
spielen, Training im Fitnesscenter und unterschiedlichen Aktivitäten in der
Turnhalle entscheiden. Der Patient soll sich dabei mit den eigenen Wün-
schen und Bedürfnissen auseinandersetzen, Entscheidungen treffen und so
wieder Eigenverantwortung und Selbstbestimmung erleben.
Die Teilnehmer der Indoorgruppe können jederzeit eine Pause einlegen und
zusehen. Einen wichtigen Aspekt in der Therapie stellen das Erkennen der
Signale des eigenen Körpers und das adäquate Reagieren darauf dar.
Bei der Sporttherapie wird mit den „gesunden Anteilen“ des Menschen
gearbeitet. Die vorhandenen Ressourcen werden genützt und gefördert.
259
Zum Beispiel eignet sich Federballspielen sehr gut, um den Selbstwert auf-
zubauen. Fast jeder hat in seiner Kindheit Federball gespielt. Diese Bewe-
gungsabläufe sind automatisiert und auch nach langer Zeit wieder abrufbar.
Dadurch stellen sich in kürzester Zeit Erfolgserlebnisse ein.
Um Aggressionen abzubauen eignet sich die Sportart Squash sehr gut. Emo-
tionen und Aggressionen werden kanalisiert, ein direkter Gegnerkontakt
wird vermieden und man kann sich richtig auspowern.
Zur Schulung der Selbstwahrnehmung und Körpererfahrung werden Dehn-
und Kräftigungsübungen eingesetzt. Die eigene Belastbarkeit und Leistungs-
grenze soll erkannt und erlebt werden. Ein weiteres Ziel ist das Bewusstma-
chen, dass durch Training körperliche und seelische Funktionen beeinflusst
werden können. So berichten psychotische Patienten, dass sie sich nach
einem Training in der Kraftkammer wieder körperlich wahrgenommen ha-
ben.
Die Teilnehmer werden dazu angehalten, verschiedene Sportarten auszu-
probieren. Sie können einerseits ihr Bewegungsspektrum erweitern, ande-
rerseits neue Sportarten entdecken, die ihnen Spaß machen und in der Zeit
nach dem Klinikaufenthalt als Ausgleich zum Alltag für Entspannung sorgen.
Innerhalb des 95 Hektar großen Klinikgeländes kann folgende Sportinfra-
struktur genützt werden: Turnhalle, Fitnesscenter, Squash-Courts, Tennisan-
lage, Sportkletterwand, Minigolfanlage, Asphaltstockschützenbahn, Fußball-
platz und viele Waldwege sowie eine 5 km lange Lauf- und Walkingstrecke.
Weiters stehen Nordic Walkingstöcke und Fahrräder zur Verfügung.
Erfahrungen
Zu dieser Form der Sporttherapie gibt es noch keine Forschungsarbeiten. Für
ihre Wirksamkeit sprechen jedoch subjektive Wahrnehmungen der Thera-
peuten und der auf den psychiatrischen Stationen tätigen Pflegepersonen.
Die wesentlichsten und aufschlussreichsten Rückmeldungen stammen je-
doch von den Teilnehmern selbst, wie zum Beispiel:
260
„Ich habe gar nicht mehr gewusst, wie schön ein Sonnenaufgang sein kann.“
(nach der Morgenrunde)
„Das Essen schmeckt mir jetzt viel besser.“
„Ich fühle mich nach dem Sport viel ausgeglichener.“
„Jetzt habe ich eine ganze Stunde nicht an meine Probleme gedacht.“
„Ich hätte nie gedacht, dass ich das schaffe. Das glauben mir meine Kinder
nie.“ (Kletterwand)
„Ich wurde meine Wut los. Es ist richtig gut, wenn man sich auspowern
kann.“ (Squash)
„Ich habe nicht geglaubt, dass ich nach 40 Jahren noch Federball spielen
kann.“
„Ich spüre mich jetzt so richtig.“ (Kraftkammer)
„So fit wie jetzt war ich schon lange nicht mehr.“
„Wenn ich nach Hause gehe, will ich weiterhin Sport betreiben.“
Um die subjektiven Aussagen aller Beteiligten zu objektivieren, sind Studien
auf diesem Gebiet wünschenswert.
Schlussfolgerung
Die Kombination aus Sportausbildung und psychiatrischer Pflegeausbildung
der Therapeuten hat sich bewährt.
Es werden Trainingsprinzipien, Trainingsmethoden und Trainingsinhalte
unter anderem mit Beziehungsarbeit, Kommunikation und Gruppenarbeit
ergänzend eingesetzt und so mit den Betroffenen in der Therapie der Er-
werb von Copingstrategien im Umgang mit Krankheit erarbeitet.
Literatur
1. Schüle, K., Deimel, H. (1990): Gesundheitssport und Sporttherapie-eine begriffli-che Klärung. In: Gesundheitssport und Sporttherapie 1 (6): 3. [Definition vom Deutschen Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie (DVGS)]
261
2. Uzarewicz, C. (2003): Das Konzept der Leiblichkeit und seine Bedeutung in der Pflege. In: DV Pflegewissenschaft e. V. (Hrsg.) Das Originäre der Pflege entde-cken. Frankfurth a. M.: Mabuse-Verlag.
262
64. Verhaltensänderung kann Spass machen. Ein Praxisprojekt
zur Selbsteinschätzung mit dem Instrument: „The Outco-
mes Star for Alcohol RecoveryTM“ bei Abhängigkeitser-
krankten im Psychiatriezentrum Münsingen (PZM).
Helmut Weninger
Hintergrund
Patienten mit einer chronisch-psychiatrischen Krankheit vernachlässigen
mehrheitlich einen gesunden Lebensstil und haben demzufolge eine bis zu
20 Jahre kürzere Lebenserwartung als psychisch gesunde Menschen [1]. Mit
der Kommunikations-Technik der „Motivierenden Gesprächsführung“ kann
gezielt das Selbstmanagement des Patienten gefördert werden [2]. Das in
England entwickelte Instrument „The Outcomes Star for Alcohol
RecoveryTM
“ [3], in welchem als Grundlage die „Motivierende Gesprächsfüh-
rung“ integriert ist, unterstützt das Erkennen der notwendigen Verhaltens-
änderung bei Abhängigkeitserkrankten [4]. Im National Health Service (NHS)
in England wird im psychiatrischen Bereich das Instrument erfolgreich von
Advanced Practice Nurses (APN) und Pflegenden angewendet [5].
Problembeschreibung
Im Pflegealltag zeigt sich, dass die „Motivierende Gesprächsführung“ verlo-
ren geht, wenn sie nicht routiniert in konkreten Pflegesituationen angewen-
det wird. Das gemeinsame Ziel des interdisziplinären Teams ist es, die
Selbstwirksamkeit des Patienten zu fördern. Die Patienten können jedoch
oft ihre gesundheitliche Situation kaum einschätzen. Viele haben Mühe,
persönliche Ziele, Massnahmen und einen konkreten Veränderungsplan zu
bestimmen.
263
Projektziel
Einführung des ins Deutsche übersetzten Tools: „The Outcomes Star for
Alcohol RecoveryTM
“ zur Verbesserung des Selbstmanagements bei Abhän-
gigkeitserkrankten.
Vorgehen
Das englische Instrument „The Outcomes Star for Alcohol RecoveryTM
“ wur-
de in die deutsche Sprache übersetzt und face–validiert. Die Pflegenden
erhielten eine Schulung zum Sterninstrument und dessen Möglichkeiten.
Mit der wöchentlichen Sternrunde wurde der Alkoholstern den Anwendern
vorgestellt. In einer ersten Selbsteinschätzung bestimmten die Patienten, in
welcher Stufe sie sich auf dem Weg der Verhaltensänderung befanden. Das
Instrument bietet Auswahlmöglichkeiten, um Massnahmen und Ziele festzu-
legen. Zur Auswertung dienten die Ziele der Therapievereinbarungen als
Baseline und die Ergebnisse der Projektdaten. Alle Beteiligten wurden be-
fragt und das Feedback evaluiert.
Ergebnisse
Bei den 37 Therapie Vereinbarungen waren die Häufigkeit der Ziele: Alkohol
30, Nutzen der Zeit 27, Körperliche Gesundheit 19. Die Mittelwerte waren
bei: Alkohol 5.5, Nutzen der Zeit 5.3, Körperliche Gesundheit 5.3. Dies ent-
spricht sehr gut dem Auftrag der Rehabilitationsstation 45.2 im PZM, denn
zwischen 5 und 6 befindet sich der Anwender zwischen „Ich will eine Ände-
rung machen, es kommt auf mich an“ und „Ich habe konkrete Massnahmen
zur Umsetzung“.
Es wurden 43% des Pflegeteams zwei Stunden zum Instrument geschult. Alle
Teammitglieder erhielten alle Unterlagen. Das Pflegeteam zeigte Interesse
am Projekt.
Einmal pro Woche fand eine eineinhalbstündige Sternrunde zur Einführung
und Diskussion statt. Die Teilnahme war freiwillig und es konnten Fachper-
264
sonen und Patienten teilnehmen. Die Sternrunde fand 9-mal statt mit einer
Teilnehmerzahl zwischen 1 und 13 (Mittelwert=5). Die Teilnehmer fanden
die Einführung hilfreich und informativ.
Es wurden N=17 Sternkarten ausgewertet mit Mittelwerten von 6.2 bis 9.5.
Es zeigte sich, dass neben den 3 häufigsten Bereichen der Baseline auch das
Soziale Netzwerk (Mittelwert=6.6) und die Emotionale Gesundheit (Mittel-
wert=6.3) einen höheren Bedarf an Unterstützung benötigen würden. Der
direkte Vergleich zwischen den Mittelwerten von Baseline und Projekt
machten Ressourcen und Defizite sichtbar.
Das Projekt war für die Patienten freiwillig. Während der zehnwöchigen
Projektphase konnten von 54 Patienten 17 zum Anwenden der Sternkarte
motiviert werden.
Die vier häufigsten Antworten der Anwender zur offenen Feedbackfrage
waren: „Ich muss nachdenken.“ „Es ist emotional, es arbeitet in mir.“ „Ich
kann mich besser einschätzen.“ „Es war sehr hilfreich.“
Eine Auswahl der Feedbacks der Pflegenden zum Projekt: „Ich finde es gut,
dass etwas Neues entsteht.“ „Ich bin gespannt, was für neue Wege sich
zwischen Patient und Pflege auftun.“ „Für die Bezugspersonen Arbeit kann
ich mir den Alkohol Stern als Instrument gut vorstellen, da ist für mich der
Verlauf auch besser überprüfbar. Bei der Anwendung würde ich sicher noch
Hilfe benötigen.“
Ein erfreuliches Feedback vom interdisziplinären Team. „Um ganz ehrlich zu
sein war ich eher skeptisch, ob die Patienten sich für dein Projekt begeistern
können. Kann dir nun aber sagen, dass mich verschiedene Patienten von sich
aus bereits zum Recovery Stern angesprochen haben und mir mitgeteilt ha-
ben, dass es für sie ein sehr unterstützendes Instrument sei. Zwei haben mir
gesagt, es sei äusserst anstrengend, aber durch das Beschäftigen mit diesem
Stern sei ihnen erstmals bewusst geworden, wo sie wirklich mit sich selber
stehen. Von daher scheine ich mich getäuscht zu haben: in der Motivation
der Patienten.“
265
Recovery Veranstaltung vom 8. Mai im PZM.
Recovery lässt sich als Prozess zur Stärkung des Selbstmanagements im
Erlangen von Selbstständigkeit beschreiben [6]. Zwei Anwender stellten
selbständig ihre Arbeit und Erfahrung mit dem Sterninstrument dem inte-
ressierten Publikum an einem Stand vor. Damit konnte der Prozess der
Recovery einem öffentlichen Publikum gezeigt werden.
Schlussfolgerungen
In England ist die APN Rolle (Pflegeexperte mit Masterabschluss) auch in der
Psychiatriepflege etabliert und Standard. Diese sind als Teil des Pflegeteams
auf der Station mit direktem Patientenkontakt tätig.
Es war eine Herausforderung, ein Instrument von einem andern Kulturraum
und der englischen Sprache, das von APN’s verwendet wird, erstmals im
deutschsprachigen Raum für ein Praxisprojekt zu übersetzen und anzuwen-
den. Das positive Feedback und die Begeisterung der Patienten gaben mir
immer wieder die nötige Energie und freuen mich besonders. Bei den Pfle-
genden zeigte sich, dass ohne entsprechenden APN Auftrag und Bereitstel-
len der Ressourcen die Pflegenden nicht zum aktiven Handeln befähigt wer-
den konnten. Das Feedback des interdisziplinären Teams war durchgehend
zustimmend.
Das Instrument hat sich bei den Patienten bewährt. Die Pflege könnte nun
gezielt die Veränderungsmotivation und damit das Selbstmanagement der
Patienten mit „Motivierender Gesprächsführung“ fördern.
Für eine Implementierung müsste eine Pflegeexperten Stelle APN geschaf-
fen werden, welche Edukation, Sternrunde, Support, Entwicklung, Evaluati-
on und Verhandlungen mit England übernehmen könnte.
Für den professionellen Einsatz des Instruments braucht es eine Lizenz und
Ausbildung. Damit will Triangle Consulting eine hohe Qualität sicherstellen
[3].
266
„The Outcomes Star for Alcohol RecoveryTM
“ ist nicht der einzige Stern. Es
gibt über 20 andere Sterne, die das ganze Spektrum der Psychiatrie abde-
cken.
Abschliessende Stimmen der Anwender: „Ist etwas vom Besten, was ich bis
jetzt gemacht habe und ich habe schon viel gemacht.“ „Das hier ist genial.“
„Ich finde es sehr ausgewogen es deckt die wichtigen Gebiete des Lebens ab
und es ist sehr gut verständlich.“
Für diesen Beitrag gibt es zusätzlich ein Poster.
Literatur
1. Bochsler, K. (2013). Psychisch kranke Menschen sterben früher und zwar an kör-perlichen Krankheiten, from http://www.srf.ch/player/radio/wissenschaftsmagazin/audio/psychisch-kranke-menschen-sterben-frueher?id=f490e8eb-8b6d-455e-9acf-3d4b14aeaf20
2. Miller, W. R., & Rollnick, S. (2009). Motivierende Gesprächsführung (3.unveränderte Auflage ed.). Freiburg i.Br.: Lambertus- Verlag.
3. The Outcomes Star for Alcohol RecoveryTM
© Triangle Consulting Social Enterprise Ltd and Alcohol Concern (2014). from www.outcomesstar.org.uk
4. MacKeith, J., & Burns, S. (2010). The Recovery Star: Organization Guide Mental Health Providers Forum(Second Edition).
5. Weninger, H. (2013). Work-Shadowing in England PZM Zytig März 2013. from http://www.pzm.gef.be.ch/pzm_gef/de/index/ueber_das_pzm/ueber_das_pzm/aktuell.assetref/content/dam/documents/GEF/PZM/de/Dokumente/Aktuelles/2013/PZM-Zytig%20M%C3%A4rz%202013.pdf
6. Gagne, C., White, W., & Anthony, W. A. (2007). Recovery: a common vision for the fields of mental health and addictions. [Review]. Psychiatr Rehabil J, 31(1), 32-37.
267
65. Langeweile in der stationären Psychiatrie. Ergebnisse einer
Querschnittstudie
Pamela Wersin, Ian Needham
Hintergrund
Langeweile ist ein Phänomen, das sowohl gesunde als auch (psychisch)
kranke Menschen betrifft. Es ist nach der Studienlage sowohl in situati-
ver/banaler als auch in existenzieller Form anzutreffen (vgl. Doehlemann
1991, Kast 2003). Fünf Faktoren beeinflussen das Entstehen oder Empfinden
von Langeweile: externe Stimulation, interne Stimulation, emotionale Reak-
tionen, Zeitwahrnehmung und Zwang/Einschränkung (vgl. Vodanovich/Kass,
1990). Psychische Erkrankungen gehen meist mit der Beeinträchtigung min-
destens einer dieser Faktoren einher. Da für die Wahrnehmung der sozialen
Verantwortung gegenüber dem Patienten Einschränkungen seiner Autono-
mie angezeigt sein können, kann die Entstehung von Langweile begünstigt
sein. Auch das Milieu des stationären Settings in der Psychiatrie kann beein-
flussend wirken (vgl. Barton, 1974).
Fragestellung
Sind stationär behandelte Patienten von Langeweile betroffen? Gibt es Un-
terschiede hinsichtlich der Empfindung von Langeweile bei der Behandlung
auf verschiedenen Stationstypen? Erklären individuelle Faktoren (z.B. Ge-
schlecht, Aufenthaltsdauer, psychiatrische Diagnose) Unterschiede in der
Empfindung von Langeweile im stationären psychiatrischen Setting?
Methode und Material
Um die Fragestellungen zu beantworten, wurde eine quantitative Quer-
schnitterhebung bei psychiatrischen PatientInnen aus drei Stationstypen
(akute Aufnahme, weiterführende Stationen, Suchtstationen) durchgeführt.
Es handelte sich um eine Gelegenheitsstichprobe mit einer Zielgrösse von 30
Probanden in jeder Gruppe. Die Teilnahme war für die PatientInnen freiwil-
268
lig; ausgeschlossen waren Personen, die über zu geringe Kenntnisse der
deutschen Sprache verfügten oder die nach Ansicht der behandelnden Ärzte
kognitiv oder emotional nicht in der Lage waren, an der Befragung teilzu-
nehmen. Zur Erhebung wurde die 28 Items umfassende Boredom Proneness
Scale (Farmer & Sundberg, 1986) mit fünfstufiger Likert-Skala sowie die 10
Items umfassende Boredom Susceptibility Scale (Zuckerman, 1994) verwen-
det. Diese wurden um fünf Fragen zur Einschätzung von Zeit und aktiver
Beschäftigung während des aktuellen Klinikaufenthalts ergänzt. Erhoben
wurden ausserdem folgende Daten der TeilnehmerInnen: Geschlecht, Ge-
burtsjahr, Station, Eintrittsdatum, Erhebungsdatum, Austrittsdiagnose nach
ICD 10.
Ergebnisse
Der Zeitraum der Erhebung endet Mitte Mai 2014. Anschliessend erfolgt die
Auswertung der Daten (deskriptive Datendarstellung; Vergleich der Stati-
onstypen und Vergleich entlang der diagnostischen Kategorien mit studien-
externen Ergebnissen).
Diskussion und Schlussfolgerungen
Als mutmasslicher Nutzen wird erwartet: (a) Sensibilisierung der behan-
delnden Teams für das Phänomen der Langeweile (Nachweis positiver Effek-
te für das psychotherapeutische Setting durch Schubert (1978) nachgewie-
sener Zusammenhang mit der Neigung zu Aggressivität); (b) Möglichkeit der
Reflexion beeinflussender Faktoren, um die Qualität der stationären Versor-
gung anzupassen oder zu verbessern; (c) Möglichkeit auf der Basis weiterer
Forschung Unterstützungsangebote für bestimmte Patientengruppen zu
entwickeln, falls konkrete Unterschiede erkennbar sind.
269
66. Die Bedeutung von Fehl- und Mangelernährung in der sta-
tionären psychiatrischen Pflege: Masterthesis zur Bedeu-
tung von Fehl- und Mangelernährung in der Pflege von
Menschen mit psychischer Erkrankung
Katharina Wolf – Grauwiler
Hintergrund
In der Schweiz sind bis zu 40% der Spitalpatientinnen und -patienten bei
Spitaleintritt mangelernährt und es ist davon auszugehen, dass sich deren
Ernährungszustand im Laufe der Hospitalisation verschlechtert [1]. Zu Fehl-
und Mangelernährung (FE/ME) in psychiatrischen Kliniken fehlen entspre-
chende Zahlen. Allgemein sind körperliches Wohlbefinden, Gesundheitsför-
derung und Ernährung in der stationären Akutpsychiatrie noch wenig beach-
tete Themen. Es geht im Behandlungsauftrag vorerst um die Stabilisierung
akuter, dekompensierter psychischer Zustandsbilder. FE/ME als Folge von
dementiellen Erkrankungen, akuten oder chronischen Psychosen sowie
Depressionen oder deren Behandlung werden wenig thematisiert. Jüngste
Studien weisen jedoch auf eine erhebliche Bedeutung von Ernährungsfragen
für die erfolgreiche Pflege und Behandlung von psychisch erkrankten Men-
schen hin [2].
Bänziger, Sahli und Abderhalden [3] zeigen anhand eines Reviews von 2001
bis 2011 auf, dass vor allem bei chronisch psychisch erkrankten Menschen
dringender Handlungsbedarf in Bezug auf Gesundheitsförderung und Prä-
vention im somatischen Bereich besteht. Ein wichtiges Thema in der Ge-
sundheitsförderung und Prävention ist die Ernährung. In der Literatur sind
die Risikofaktoren für Folgeerkrankungen von Übergewicht, wie Diabetes
Typ 2 oder das metabolische Syndrom, hinlänglich beschrieben. Auch die
Folgen von Mangelernährung, wie beispielsweise Energielosigkeit, Ver-
schlechterung des psychischen Zustandsbildes sowie körperliche Gesund-
270
heitsrisiken, wie messbare Veränderungen der vitalen Körperfunktionen bis
hin zu erhöhter Morbidität und Mortalität, sind gut belegt [4]. In der psychi-
atrischen Versorgung ist vor allem die von Weiden, Mackell und McDonell
[5] beschriebene massive Gewichtszunahme, wie sie zum Beispiel unter
Neuroleptika oder Antidepressiva erfolgen kann, ein grosses Problem. Sie
beeinflusst die Compliance zur weiteren Medikamenteneinnahme bei den
Betroffenen negativ und kann im schlimmsten Fall zu einem vorzeitigen
Absetzen der Medikation führen. Die Autoren kommen zum Schluss, dass
rechtzeitiges Implementieren von pflegerischen Interventionen zum Ge-
wichtsmanagement ausschlaggebend ist, um die Compliance der Medika-
menteneinnahme und den damit verbundenen Therapieerfolg zu sichern.
Trotz der Wichtigkeit des Themas zeigte sich anhand einer Literaturrecher-
che im deutschsprachigen Raum, dass bezüglich Gewichtsüberwachung und
Gewichtsmanagement in der stationären Psychiatrie wenig Evidenz zu fin-
den ist.
Ziele
Das Ziel der Arbeit war es, eine Situationsbeschreibung des aktuellen Um-
gangs mit den Themen „Fehl- und Mangelernährung von Menschen mit
psychischen Erkrankungen in der stationären psychiatrischen Betreuung“
und „Pflege in der deutschsprachgien Schweiz“ zu erarbeiten. Es sollten die
erschwerenden sowie die unterstützenden Faktoren zum Gewichtsmonito-
ring evaluiert werden. Zudem sollte eine Sensibilisierung der Pflegenden auf
das Thema FE/ME sowie auf die Anwendung eines spezifischen, pflegegelei-
teten Ernährungsscreenings im stationären, psychiatrischen Kontext erfol-
gen.
Die Ergebnisse sollten die Grundlage bilden, um erste Handlungsstrategien
zur Unterstützung eines standardisierten Umgangs mit FE/ME in der statio-
nären psychiatrischen Pflege zu entwickeln sowie Empfehlungen für vertie-
fende Forschungsarbeiten zu formulieren.
271
Fragestellung
Ausgehend von der Zielsetzung wurden folgende Forschungsfragen formu-
liert:
- Welche Bedeutung haben die Pflegeprobleme Fehl- und Mangelernäh-
rung (FE/ME) für die psychiatrisch Pflegenden im stationären Alltag?
- Welche Barrieren und Promotoren beeinflussen die Pflegefachpersonen
dabei, FE/ME mittels eines spezifischen Screenings einzuschätzen und
entsprechende Interventionen einzuleiten oder anzuwenden?
- Welche vertiefenden Untersuchungen zum Thema sollten als Nächstes
angegangen werden?
Methode
Die Daten wurden mittels einer retrospektiven Querschnittsstudie erhoben.
Beim Erhebungsinstrument handelte es sich um den Fragebogen „Mangel-
ernährung in der klinischen Praxis“ der Berner Fachhochschule Gesundheit
[6]. Die Datenerhebung erfolgte mittels eines standardisierten Fragebogens
zum Thema „Promotoren und Barrieren im klinischen Gewichts- und Ernäh-
rungsscreening“. Die Antwortkategorien gliederten sich in binominale Ska-
len und fünfteilige Likertskalen. Der Fragebogen wurde mittels Content
Validity Index getestet und verfügte über gute Face Validity. Er wurde von
Hahn et al. der aktuellen Fragestellung angepasst und in einem Pretest auf
Verständlichkeit und zeitlichen Aufwand hin getestet. Es wurden ausgewähl-
te Pflegende befragt, welche im stationären Bereich der psychiatrischen
Versorgung der deutschsprachigen Schweiz arbeiten. Die Umfrage wurde
sowohl in elektronischer Form mittels eines internetbasierten Befragungs-
tools wie auch als Fragebogen in Papierform durchgeführt.
Es wurden Pflegende mit Führungs- und/oder Fachverantwortung (Stufe
Stationsleitung, Schlüsselpersonen) im stationären Bereich in 27 psychiatri-
schen Kliniken der deutschsprachigen Schweiz befragt.
272
Ergebnisse
Das Thema FE/ME scheint bei den Pflegenden auf individueller Ebene einen
hohen Stellenwert einzunehmen. So ist ein Grossteil der befragten Pflege-
fachpersonen in psychiatrischen Kliniken der Ansicht, ihre Patientinnen und
Patienten könnten von einem Screening bezüglich Fehl- und Mangelernäh-
rung profitieren und widersprechen der Aussage, die Patientinnen und Pati-
enten könnten nur minimal vom Erkennen einer FE/ME profitieren Die Pfle-
genden sind sich mehrheitlich darin einig, dass Patientinnen und Patienten
von Massnahmen zur Überwachung von Essverhalten und Gewichtsverän-
derungen sowie entsprechenden Interventionen, die daraus abgeleitet wer-
den, einen gesundheitlichen Nutzen haben. Mehr als die Hälfte der befrag-
ten Pflegenden sagen, sie könnten selbst vom standardisierten Erkennen
von FE/ME bei ihren Patientinnen und Patienten profitieren und verspre-
chen sich von der Auseinandersetzung mit der Thematik eine Zunahme ihrer
fachlichen Kompetenz. Dieser Einstellung steht eine grosse Unsicherheit
bezüglich der klinischen Relevanz von FE/ME-Screening in der Institution
gegenüber. So zweifelten über die Hälfte der Pflegenden daran, ob das
Thema FE/ME durch die Leitungen Pflegedienst und die Chefärzteschaft
unterstützt wird.
Bei der Mehrheit der Befragten gab es im Betrieb eine Fachperson Ernäh-
rungsberatung. Gleichzeitig gaben zwei Drittel der Befragten an, in ihrer
Institution gäbe es keine klar definierte Ansprechperson zum Thema FE/ME
im Bereich des Pflegepersonals und ebenso viele verneinten, eine gute fach-
liche Instruktion zum Erkennen von FE/ME erhalten zu haben.
Diskussion
Eine Limitation der Arbeit besteht darin, dass die Rücklaufquote nicht präzi-
se erfasst werden konnte. Im Weiteren war in der ursprünglichen Konzepti-
on der Arbeit eine Ergebnisdiskussion mit einer Pflegeexpertin vorgesehen.
Dies konnte aus zeitlichen Gründen jedoch nicht mehr durchgeführt werden.
273
Da es sich bei dieser Arbeit um eine erste Situationsbeschreibung handelt,
kann der Einbezug der Fachexpertise zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.
Schlussfolgerungen
Die Pflegenden in der stationären psychiatrischen Versorgung sind sich der
Relevanz der Pflegeprobleme FE/ME bewusst. Die Gründe, weshalb das
Thema in den untersuchten psychiatrischen Kliniken nicht den entsprechen-
den Stellenwert innehat, sind vielschichtig. Zu erkennen sind Wissenslücken
in der Anwendung, der erschwerte Zugang zu evidenzbasiertem Hinter-
grundwissen, mangelnde Unterstützung durch die Organisation und Unklar-
heiten bezüglich der interdisziplinären Aufgabenverteilung. Daraus folgt,
dass das Thema FE/ME kein spezifisches Pflegeproblem ist, sondern in den
Kliniken interdisziplinär angegangen werden muss. Interdisziplinäre Stan-
dards und Richtlinien sollten erarbeitet, eingeführt, umgesetzt und hinsicht-
lich ihrer Wirksamkeit evaluiert werden. Hier sind auch die Fachexpertisen
aus Pflegewissenschaft und Ernährungswissenschaft gefordert, neben medi-
zinischem Fachwissen ihren Beitrag zu einer niederschwelligen, praxisorien-
tieren Unterstützung der behandelnden Teams zu leisten. Weiterführende
Forschung zu Richtlinien und Standards zur Erkennung und Behandlung von
FE/ME unter Einbezug aller beteiligten Berufsgruppen kann dazu beitragen,
die Fachexpertise im interdisziplinären klinischen Umfeld weiter zu entwi-
ckeln.
Zukünftig sollte sowohl die pflegerische wie auch die ernährungswissen-
schaftliche Fachexpertise zu FE/ME vermehrt in den Klinikalltag eingebun-
den werden. Die interdisziplinäre Klärung der berufsspezifischen Rollen,
Aufgaben und Verantwortlichkeiten ist eine unabdingbare Voraussetzung
für die Positionierung der Thematik FE/ME im klinischen Alltag.
Im Weiteren steht die wissenschaftliche Befragung der Pflegenden in der
Praxis an. Sie sollten nach ihrer Einschätzung zum Thema sowie nach ihrem
Bedarf an Unterstützung, Weiterbildung und Anleitung befragt werden.
274
Letztendlich ist die erfolgreiche Implementierung von FE/ME-Screenings im
klinischen Alltag unabdingbar von der aktiven Unterstützung durch die ärzt-
liche und die pflegerische Leitung abhängig. Zum Wohle der Patientinnen
und Patienten mit psychischen Erkrankungen können sie deren Implemen-
tierung lancieren.
Literatur
1. Iff Samuel, (2008). Prevalence and predictors of malnutrition in a general internal hospital caucasian population.Retrieved from https://webmail.breitband.ch/download.php?
2. Lowe, T., & Lubos, E. (2008). Effectiveness of weight management interventions for people with serious mental illness who receive treatment with atypical antipsychotic medications. A literature review. Journal of psychiatric and mental health nursing, 15(10), 857–863.
3. Bänziger, S., Sahli, A., & Abderhalden, C. (2011). Gesundheitsförderung. Körperlich krank in der Psychiatrie [Health promotion. Physically ill in psychiatry]. Krankenpflege. Soins infirmiers, 104(12), 24–25.
4. Keller Ulrich, (2007). Mangelernährung im Spital: Stellungnahme einer Expertengruppe des Europarates, und Empfehlungen der Eidgenössischen Ernährungskommission. Retrieved from https://webmail.breitband.ch/download.php?
5. Weiden, P. J., Mackell, J. A., & McDonnell, D. D. (2004). Obesity as a risk factor for antipsychotic noncompliance. Schizophrenia research, 66(1), 51–57.
6. Hahn S., Thilo, F., Boinay F., B. Heckemann B., Conca A.,. Scura N., Zimmermann I., Kurmann S. (2012) Schlussbericht Screening Mangelernährung: Barrieren und Promotoren zur konsequenten Verwendung von Screeninginstrumenten für Mangelernährung im Spital. Berner Fachhochschule Gesundheit. Bern.
275
67. Zielorientierte psychiatrische Pflege (ORIENT) – Qualitative
Ergebnisse
Peter Wolfensberger, Thomas Schwarze, Gianfranco Zuaboni, Sabine Hahn,
Dirk Richter
Hintergrund
Die Studie ‚Zielorientierte psychiatrische Pflege (ORIENT)‘ hat untersucht, ob
eine Recovery-orientierte Schulung für Psychiatriepflegende sich implemen-
tierten lässt und ob mit einer Schulung relevante Ergebnisse erzielt werden
können.
Fragestellung
Welche Ergebnisse wurden im Rahmen der qualitativen Erhebungen gefun-
den?
Methode
Neben der quantitativen Datenerfassung wurden jeweils vier Fokusgruppen
mit Pflegenden sowie mit Patientinnen/Patienten durchgeführt, getrennt
nach Interventions- und Kontrollstationen. Diese Fokusgruppen fanden nach
der Interventionsphase an den Standorten der Kliniken statt, in der die Stu-
die stattfand. Mit den Pflegenden der Interventionsstationen wurde über
ihre Erfahrungen während der Studienphase gesprochen. Darüber hinaus
wurden verschiedene Aspekte des beruflichen Alltags, der Arbeitszufrieden-
heit, der Möglichkeit, Ziele mit den Patientinnen/Patienten zu vereinbaren
sowie potenzielle Nachholbedarfe bezüglich Aus- und Weiterbildung thema-
tisiert. Mit den Patientinnen/Patienten wurde thematisiert, welche Erfah-
rungen sie auf den Stationen gemacht haben, ob und inwieweit Ziele mit
ihnen vereinbart wurden, auf welche Bereich sich diese Ziele bezogen haben
und ob auf ihre Wünsche und Bedürfnisse eingegangen wurde. Die Daten
wurden inhaltsanalytisch ausgewertet.
276
Ergebnisse
Die Daten werden zum Zeitpunkt der Abstractabfassung analysiert, die Er-
gebnisse liegen zum Kongress vor.
Diskussion und Schlussfolgerungen
Die qualitativen Ergebnisse werden vor dem Hintergrund des Studienziels
und der Methoden diskutiert.
277
68. Kompetenz im selbstbestimmten Substanzkonsum (KISS)
Roman Wyss, Ron Adi
Hintergrund
Die Wahlfreiheit von Menschen, welche an einer Abhängigkeitserkrankung
leiden, ist nach Erfahrungen des Projektteams in der Praxis weitgehend auf
die Abstinenz begrenzt. Allerdings sind viele der betroffenen Menschen
nicht bereit oder nicht in der Lage, abstinent von allen illegalen oder legalen
Substanzen zu leben [1]. KISS ist ein evidenzbasiertes Selbstmanagement-
programm, welches genau an diesem Punkt ansetzt [2].
Problemstellung
Rückfälle nach Austritt aus dem stationären Setting, Beikonsum während
einer Substitutionsbehandlung oder Konsum z.B. trotz (oder gerade wegen)
einer erlebten Psychose sind häufig. Die Schwelle, die Stabilität aus dem
stationären Setting „zurück in den Alltag“ zu übertragen, ist nach Erfahrung
des Projektteams für die Betroffenen oft zu hoch.
Ziele
Mit KISS wird ein alternativer Weg aufgezeigt, auf welchem die Betroffenen
ihren Substanzkonsum selbstbestimmt kontrollieren, regulieren und/oder
reduzieren können. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen trotz Kon-
sum Stabilität erfahren können [3]. Das Programm richtet sich an abhängige
Menschen, die etwas an ihrem Substanzkonsum ändern möchten, jedoch
nicht abstinent leben können oder möchten [4].
Vorgehen
Bereits im stationären Setting werden Patientinnen und Patienten infor-
miert und können an Vorbereitungsgruppen teilnehmen sowie den Umgang
mit den KISS-Arbeitsinstrumenten üben. Die zwölf strukturierten KISS-
278
Gruppensitzungen finden im Suchtambulatorium statt. Die Teilnehmerinnen
und Teilnehmer bestimmen wöchentlich die maximale Konsummenge pro
Tag, die maximale Konsummenge pro Woche, sowie die Anzahl konsumfreie
Tage. In jedem der zwölf Gruppenmodule wird zudem ein suchtspezifisches
Thema vermittelt, wie z.B. Risikosituationen erkennen, Ausrutscher meis-
tern, Nein-sagen lernen, Freizeit gestalten.
Ergebnisse / Erfahrungen
Die Implementierung eines nicht-abstinenzorientierten Programms im stati-
onären Setting gelang auch durch einen Wandel in der Haltung der Professi-
onellen. Hierfür wurden zwölf Personen des interdisziplinären Teams zu
KISS-Trainerinnen und Trainern ausgebildet und zusätzlich vertieft in Moti-
vierender Gesprächsführung geschult - einer Gesprächstechnik, welche der
Zieloffenheit eine grosse Relevanz zuschreibt. Das Behandlungsprogramm
KISS wird seit Januar 2014 auf den Suchtstationen und im Suchtambulatori-
um angeboten und auf den verschiedenen Stationen innerhalb der Instituti-
on vorgestellt und diskutiert.
Im Verlauf des Jahres 2014 sind insgesammt sechs Gruppen geplant. Diese
starten in einem Abstand von ca. 6 Wochen. Dadurch kann einerseits ge-
währleistet werden, dass die interessierten Patientinnen und Patienten
keine langen Wartezeiten haben und gleichzeitig ermöglicht es den Behan-
lungsteams die fristgerechte Zuweisung in eine Gruppe und eine synchroni-
sierte Planung des Austrittes.
Die Koordiniation stationär – teilstationär - ambulant bietet einige Heraus-
forderungen. Ein transparenter Kommunikationsfluss ist elementar. Nur
durch enge Zusammenarbeit gelingt es, für die Betroffenen die Lücke nach
Klinikaustritt und Übertritt ins ambulante Setting möglichst klein zu halten.
Die Beziehung zwischen Trainerinnen und Trainer und Patientinnen und
Patienten wird durch die zieloffene Haltung, welche KISS zugrunde liegt
verändert. Es wird offener und ehrlicher über Konsum gesprochen. Dysfunk-
tionale Vermeidungsstrategien wie Bagatellisieren, Verdrängen oder Exter-
279
nalisieren nehmen ab. Die Zusammenarbeit mit Patientinnen und Patienten
gestaltet sich spürbar authenthischer.
Für ein gelungenes Erlangen der Kompetenzen im selbstbestimmten Kon-
sum erachten wir auf struktureller Ebene folgende Punkte als relevant:
- Zieloffene Haltung im Behandlungsteam (beginnt bereits im stationären
Setting)
- Kennenlernen und einüben der KISS Arbeitsinstrumente bereits im stati-
onären Setting
- Frühes explorieren der Veränderungsmotivation (beginnt bereits direkt
nach der Entgiftungsphase)
- Kontinuität in der Behandlungskette, sprich überlappende Angebote
stationär – teilstationär - ambulant und umgekehrt
- Wechselseitiges Feedback zwischen Station und Sucht-Ambulatorium
- Unkomplizierte Zuweisung aus stationärem Setting
- Therapie- und Notfallverträge mit Patientinnen, welche Rückfälle thema-
tisieren und vorbeugen sowie individuelle Massnahmen bei einem mas-
siven Rückfall deklarieren.
Diskussion
In den KISS-Gruppen findet im geschützten Rahmen eine offene Diskussion
über Konsum, Substanzen, Wirkung und Motivation statt. Die Teilnehmerin-
nen und Teilnehmer profitieren von diesem authentischen Rahmen, in dem
es erlaubt und erwünscht ist, über Konsum zu sprechen. Veränderungsmoti-
vation wird von Teilnehmerinnen und Teilnehmern selber ausgedrückt und
nicht von aussen aufgedrückt.
Schlussfolgerung
Ein nicht abstinenzorientiertes Konsumreduktionsprogramm erweitert bei
Patientinnen und Patienten, wie auch bei uns professionellen Helfern, den
Horizont, steigert die Selbstwirksamkeit und schafft Erfolge anhand kleiner,
realistisch gesteckter Ziele. Das Projektteam stellt fest, dass eine Diskussion
280
über die Grenzen und die Sinnhaftigkeit von Abstinenz wichtig ist, diese aber
oftmals aufgrund von Alternativen kaum geführt wird. Denn durch das ab-
sehen des Alleinziel „Abstinenz“ eröffnet sich die Ebene der allgemeinen
Lebensführung und der damit verbundenen Lebensqualität. Diese Schwelle
will das Projektteam KISS mit dem vorgestellten neuen Behandlungsangebot
überbrücken. Durch die Arbeit mit KISS entsteht zwischen Professionellen
und Betroffenen ein echter Dialog, welcher auf einer partnerschaftlichen
Ebene geführt wird.
Literatur
1. Al-Otaiba, Z.; Worden,B.; McCrady, B- S.; Epstein, E. (2008) Accounting for self-selected drinking goals in the assessment of treatment outcome. Psychology of Addictive Behaviors, Vol 2: P. 439-443.
2. Körkel, J. (2006) Behavioural self-management with problem drinkers: One-year follow-up of a controlled drinking group treatment approach. University of Ap-plied Sciences in Nuremberg, Bavaria, Germany: Vol. 14, No. 1, Pages 35-49.
3. Hodgins DC; Leigh G.; Milne R, Gerrish R. (1997) Drinking goal selection in behav-ioral self-management treatment of chronic alcoholics. Addictive Behaviors: Vo-lume 22, Issue 2.
4. Booth, P.; Dale, B.; Slade, P.; Dewey, M. (1992) A Follow-Up Study of Problem Drinkers Offered a Goal Choice Option. Journals of Studies on Alcohol and Drugs, Volume 53, Issue 6: 594-600.
281
69. Kongruente Kommunikation in der psychiatrischen Pflege
Roman Wyss, Ron Adi, Linda Graber
Hintergrund
Pflege kommuniziert häufig nach Grundsätzen der Empathie. Die Theorie
von Carl Rogers, welche Empathie breit im Pflegealltag verwurzelt hat, ent-
hält neben Empathie auch Kongruenz auf gleicher Stufe[1].
Problemstellung
Nach Ansicht der Autoren wird im pflegerischen Alltag Kongruenz häufig
zugunsten der Empathie verdrängt.
Ziele
Kongruenz soll im pflegerischen Alltag eine höhere Gewichtung erhalten,
Empathie dadurch differenzierter betrachtet und gelebt werden. Die Auto-
ren wollen eine evidente Grundlage kreieren und das Wissen in Weiterbil-
dungen und Schulungen an Pflegefachpersonen aus dem Bereich der Psychi-
atrie weitergeben. Die Grenze zwischen Forschung und Praxis soll über-
brückt werden.
Der therapeutische Aspekt, welcher in pflegerischen Gesprächen vorhanden
ist (z. B. in Bezugspersonengesprächen), soll gestärkt werden. Dadurch soll
auch die Profession Pflege aufgewertet werden[2].
Die Ziele der Weiterbildung sind, dass die TeilnehmerInnen mit Hilfe von
Selbstreflexion Kongruenz zum Ausdruck bringen können. Durch Übungen
soll Kongruenz sowohl in Krisensituationen als auch in Alltagssituationen als
pflegetherapeutisches Instrument anwendbar gemacht werden; Differen-
zen, Tabus und Ekel sollen im Team leichter und authentischer angespro-
chen werden.
282
Vorgehen
Kongruenz erscheint den Autoren als ebenso relevant für die Praxis wie
Empathie. Dies war der Ansporn zur Durchführung einer systematischen
Literaturrecherche im Rahmen der Bachelorthesis mit folgender Fragestel-
lung: Welche Auswirkungen hat eine kongruente Kommunikation der Pflege-
fachpersonen auf die Selbstkonzept der Patientinnen und Patienten in ei-
nem akutpsychiatrischen, stationären Setting.
Die Ergebnisse der Literaturrecherche wurden – zusammen mit diversen
Erkenntnissen aus der hinzugezogenen Fachliteratur - in mehreren Schritten
in Präsentationsblöcke aufgeteilt und in praktisch vermittelbare Inhalte
gewandelt. Dabei wurde mit Projekt-Meilensteinen gearbeitet.
Die Weiterbildung legt den Schwerpunkt auf praktische Übungen. Hier wer-
den zwischenmenschliche Interaktionen geübt und die Wirkung von echten,
bzw. kongruenten Begegnungen zwischen Menschen auf spielerische Weise
selbst erlebt.
Die TeilnehmerInnen bringen eigene Erfahrungen und schwierig erlebte
Situationen mit ein und können alternative Massnahmen erproben. Es ent-
stand eine Fortbildung - von der Pflege für die Pflege.
Ergebnisse / Erfahrungen
In der Literaturrecherche konnten drei Schwerpunkte der kongruenten
Kommunikation erhoben werden: Bewusstes Inneres Erleben, Beziehung
sowie Erkennen und Erleben von Kongruenz. Für die Gestaltung der Weiter-
bildung wurde eine Zusammenarbeit mit Pflegefachpersonen aufgenom-
men, die in provokativer Therapie ausgebildet sind. Wir zeigen gemeinsam
auf, dass kongruente Kommunikation nicht nur in Verbindung mit Empathie
umgesetzt werden kann.
Um eine problematische Situation aus einem anderen Blickwinkel zu sehen,
hilft es oft, diese provokativ zu überzeichnen – zu karikieren[3]. Für solch
eine Intervention ist nach Ansicht der Autoren Empathie und Kongruenz
unabdingbar, da sonst der Kontakt – die Beziehung - zum Gegenüber scha-
283
den nimmt. Ist jedoch Kongruenz vorhanden, so spürt dies das Gegenüber,
wie die Resultate unserer Literaturrecherche zeigen. Die Beziehung verfes-
tigt sich und die Patientinnen und Patienten erweitern ihr Selbstbild.
Allerdings muss hierfür auch das Rollenbild der Pflege selbst erweitert wer-
den, sowie auch das Pflegeverständnis. Eine kontinuierliche, bewusst ge-
führte Auseinandersetzung mit dem eigenen Pflegeverständinis ist hierfür
unerlässlich. Ängste und persönliche Grenzen in der pflegerischen Tätigkeit
können so erkannt werden. Wenn diese Ängste und Grenzen einem Bewusst
werden, gelingt es auch, eine kongruente und gleichzeitig empathische
Beziehung zum Patient herzustellen. Auch die Angst vieler Pflegefachperso-
nen vor der Zerbrechlichkeit der PatientInnen wird thematisiert und ent-
schärft.
Um unseren Ansprüchen zur Erweiterung des Selbstbildes auch bei den
Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu genügen, greifen wir auf ein vielfälti-
ges Programm zurück. Darin sind kleine und grosse Übungen mit Rollenspie-
len, Filmen, Diskussionen, etc. vorhanden. So befasst sich etwa eine der
Übungen mit den eigenen Grenzthemen. Gestank - Ekel (was hilft? Professi-
onell Abgrenzen – Verdrängen – Distanzieren?).
In der Weiterbildung werden zudem auch die Erfahrungen der einzelnen
Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutiert. Wir gehen davon aus, dass viele
Pflegefachpersonen bereits ein vertieftes Verständnis von (psychiatrischer)
Pflege haben, sich darüber im Alltag jedoch kaum austauschen.
Wir haben den Anspruch an uns, der Verschiedenartigkeit und Vielfältigkeit
der psychiatrischen Institutionen gerecht zu werden. Wir passen unsere
Inhalte daher individuell den vorhandenen Settings an. Wir gehen davon
aus, dass wir Kongruenz am besten vor Ort verankern können – daher die
Option, die Weiterbildung in jeweils mehreren Schritten in der Institution
durchzuführen. Wir möchten in der Weiterbildung die vielen Erfahrungen
der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufgreifen, um diese dynamisch mit
den Inhalten der Weiterbildung zu vernetzen. Dadurch soll psychiatrische
284
Pflege für die TeilnehmerInnen auch bewusster, greifbarer und ihre Inter-
ventionen begründbar machen.
Diskussion
Aus der systematischen Literaturrecherche wird ersichtlich, dass zur Thema-
tik der kongruenten Kommunikation nur wenig Forschung betrieben wurde.
Es konnten keine Studien gefunden werden, welche Kongruenz in der Pflege
erforscht haben. Dies ist erstaunlich, da der Begriff der Empathie, der aus
demselben Modell stammt, stark verbreitet und auch tief in der pflegeri-
schen Grundausbildung verwurzelt ist. Die Autoren können nachweisen,
dass kongruent kommunizierende Professionelle das Selbstbild der Patien-
tinnen und Patienten beeinflussen können. Auch ist nachweisbar, dass Pati-
entinnen und Patienten bemerken, ob ihr Gegenüber in seinen Äusserungen
kongruent ist oder nicht.
Fragen, welche sich aus dem vertieften Studium der kongruenten Kommuni-
kation ergeben, sind etwa:
- Darf Pflege überhaupt das Selbstbild der PatientInnen erweitern?
- Ist kongruente Kommunikation auch im interdisziplinären Team sinnvoll
und umsetzbar?
- Gehören Inhalte, etwa aus Rapporten, direkt vor die PatientInnen?
- Braucht kongruente Kommunikation weniger oder mehr Energie?
Schlussfolgerung
Evidenz in den Pflegealltag miteinfliessen zu lassen und konkret umzuset-
zen, ist Antrieb und Herausforderung zugleich. Den Autoren gelang es, eine
praxisrelevante Fragestellung zu erarbeiten und die daraus gewonnenen
Ergebnisse in Form einer Weiterbildung an Berufskolleginnen und -kollegen
weiterzugeben.
In den bislang abgehaltenen Weiterbildungen zeigt sich, dass Echtheit für
Pflegefachpersonen einerseits als Instrument in der Beziehungsarbeit sehr
relevant ist, andererseits die Verbindung zwischen kongruenter Kommuni-
285
kation und deren Möglichkeiten zur Beeinflussung des Selbstbildes der Pati-
entinnen und Patienten noch zu wenig bekannt ist. Hier sehen die Autoren
noch grosses Potenzial zur Weiterentwicklung.
Literatur
1. Rogers, C. R. (2012). Therapeut und Klient (21. Aufl.). München: Kindler Verlag.
2. Cameron, D., Kapur, R., & Campbell, P. (2005). Releasing the therapeutic poten-tial of the psychiatric nurse: a human relations perspective of the nurse-patient relationship. Journal of psychiatric and mental health nursing, 12(1), 64–74.
3. Farrelly, F.; Brandsma, J. (2008). Provocative Therapy (10. Aufl.). Capitola USA: Meta Publications
286
70. Intensivbetreuung zwischen Kontrolle und Therapie: Akti-
ve Auseinandersetzung mit den persönlichen Haltungen
und den damit verbundenen Konsequenzen
Ursina Zehnder, Franziska Rabenschlag, Katharina Abplanalp
Hintergrund
Die stationäre psychiatrische Akutversorgung hat den Auftrag, Menschen in
psychischen Ausnahmesituationen vor sich selbst und Anderen zu schützen
[1]. Zur Gewährleistung der Sicherheit werden Schutz- und Sicherungsmass-
nahmen angewendet. Dabei handelt es sich um freiheitseinschränkende
Maßnahmen, teilweise gegen den Willen der Betroffenen. Eine alternative
Möglichkeit, die Betroffenen vor sich selbst und Anderen zu schützen, ist die
intensive Betreuung rund um die Uhr. Intensivbetreuung kann in Form von
1:1 Betreuung, Sitzwache, Einzelbetreuung oder durch Sichtkontakt und
Kontaktaufnahme in regelmäßigen zeitlichen Abständen durchgeführt wer-
den [2]. Im deutschsprachigen Raum können keine einheitlichen Bezeich-
nungen identifiziert werden und inhaltliche Konzepte zur Überwachung
existieren nicht. Aufgrund des schwerwiegenden Eingriffs in die Privatsphäre
und einer hohen Ressourcen- und Kostenintensität sind weitere Untersu-
chungen notwendig für die Sicherstellung einer sach- und fachgerechten
Durchführung. Für weitere Forschung bezüglich Qualität, Indikation und
Wirksamkeit ist eine wissenschaftliche Konzeptualisierung von Intensivbe-
treuung notwendig. Ohne ein definiertes Konzept besteht die Gefahr, spezi-
ell in der Diskussion um „evidence-based-practice“, dass die Verwendung
des Begriffs zu einer fragwürdigen und unkoordinierten Praxis führen kann
[3].
Einleitung
Konzepte sind abstrakte, zusammenfassende Darstellungen von Phänome-
nen, die beeinflusst werden durch Wissen, Erfahrung und den Kontext [4].
287
Basierend auf Literatur und Praxisrichtlinien wurde mittels der Methode der
evolutionären Konzeptanalyse ein einheitliches Verständnis von Intensivbe-
treuung erarbeitet, das nun für weitere Forschung verwendet werden kann.
Thema: Kontrolle & Therapie / Sicherheit & Absicherung
Die Untersuchung zeigt auf, dass sich das Konzept in einem Spannungsfeld
zwischen Kontrolle und Therapie sowie Sicherheit und Absicherung bewegt.
Dabei lassen sich zwei abweichende Interventionen identifizieren. Eine the-
rapeutische Intervention, die den Respekt vor der Patientenautonomie ins
Zentrum stellt und eine auf Traditionen beruhende, kontrollierende Inter-
vention, die der Fürsorgepflicht der Profession sowie dem Bedürfnis nach
Absicherung gerecht wird.
Überwachung
Die kontrollierende Form der Überwachung, also die ständige Beobachtung
der Betroffenen, kann als traditionelle Aufgabe der Pflege bezeichnet wer-
den, für deren Durchführung wenig Wissen notwendig ist. Diesem „Starren“
liegt ein panoptischer Mechanismus zu Grunde, der mit einer Entmenschli-
chung und Freiheitseinschränkung verbunden ist [5]. Laut Foucault, einem
französischen Philosophen, stellt der panoptische Mechanismus einen effek-
tiven Weg zur Kontrolle und Überwachung sowie Disziplinierung der Gesell-
schaft dar [6]. Auch der Psychiatrie als Disziplin liegen solche Mechanismen
zu Grunde und es stellt sich die Frage, ob diese einer patientenorientieren
Psychiatrie angemessen sind?
Intensivbetreuung
Eine intensive und engagierte Form der Betreuung zeichnet sich durch den
bewussten Einsatz von Interventionen aus, welche Sicherheit bieten und
trotzdem Privatsphäre und Autonomie ermöglichen. Die Betreuungsperso-
nen sind qualifiziert und gewährleisten Patientenorientierung. Die Entwick-
lung von Intensivbetreuung ist beeinflusst durch moderne Konzepte der
Psychiatrie wie das Konzept von Recovery [7].
288
Konsequenzen für die Praxis
Gesellschaft und Disziplin haben das Konzept der Intensivbetreuung über
die Zeit hinweg beeinflusst. Sie erzeugen ein Spannungsfeld von Kontrolle
und Therapie sowie von Sicherheit der Betroffenen und Absicherung der
Professionellen.
Eine Abgrenzung des Konzeptes Intensivbetreuung von der traditionellen
Form der Überwachung wird empfohlen. Die klassische Überwachung wird
kritisiert und eine Verstärkung des therapeutischen Potenzials wird gefor-
dert [7]. Doch trotz Ressourcenintensität und hohen Kosten beider Ansätze
fehlt externe Evidenz und es muss auf interne Evidenz zurückgegriffen wer-
den. Pflegende in der Praxis stehen so vor der Herausforderung, die Durch-
führung von Intensivbetreuung vor dem jeweiligen biographischen und
professionellen Hintergrund in einem interprofessionellen Kontext zu gestal-
ten. Unterstützend für die Ausarbeitung und Gestaltung von Intensivbetreu-
ung in der Praxis ist es, die persönlichen Haltungen und Ziele bei Initiierung
und Durchführung von Überwachung zu reflektieren und damit verbundene
Konsequenzen zu überdenken.
Ziele
- Kritische Evaluation und Validierung des Konzepts der Intensivbetreuung
mit Fachexperten aus Praxis, Erfahrung und Forschung
- Neue Erkenntnisse für weitere Untersuchungen des Konzepts hinsichtlich
Qualität, Indikation und Wirksamkeit
Gestaltung
Eingeleitet wird der Workshop durch einen kurzen theoretischen Input zum
Konzept und einen Erfahrungsbericht. Im Fokus stehen sollen die Darstel-
lung der Spannungsfelder (Kontrolle und Therapie / Sicherheit und Absiche-
rung) und die Bedeutung persönlicher Haltungen. Anschliessend werden die
Workshop-Teilnehmenden in zwei Gruppen aufgeteilt und aufgefordert, die
vorbereiteten Fragen aus einer bestimmten Sichtweise zu beleuchten. In
289
einem inneren Kreis von 4-5 Personen, geleitet durch eine Moderatorin,
werden Fragen diskutiert. Die Teilnehmenden im äusseren Kreis machen
sich Notizen auf dem Auswertungsbogen. Ein Stuhl im inneren Kreis bleibt
frei und kann bei Bedarf von Teilnehmenden aus dem äusseren Kreis belegt
werden. Eine Auswertung zum Schluss der Diskussion ermöglicht die Über-
prüfung der Ziele und die Beantwortung von offenen Fragen.
Lernziele
- Persönliche Haltungen bezüglich Überwachungsmassnahmen und den
damit verbundenen Konsequenzen in der Diskussion erkennen
- Unterschied zwischen Intensivbetreuung und Überwachung verstehen
und benennen können
Literatur
1. Sturny I, Hell D. Psychiatrie, Psychotherapie, Psychologie. In: Kocher G, Og-gier W, Hrsg. Gesundheitswesen Schweiz 2007-2009 Bern: Hans Huber; 2007
2. Nienaber A, Schulz M, Hemkendreis B et al. Die intensive Überwachung von Patienten in der stationären psychiatrischen Akutversorgung - Eine Litera-turübersicht. Psychiat Prax 2013; 40: 14-20
3. Cutcliffe JR, McKenna HP. The essential concepts of nursing. Philadelphia: Eslevier; 2005
4. Rodgers BL. Concept Analysis: An Evolutionary View. In: Rodgers BL, Knafl KA, ed. Concept Development in Nursing: Foundations, Techniques, and Applications. 2nd. ed. Philadelphia: Saunders; 2000
5. Hamilton B, Manias E. The power of routine and special observations: producing civility in a public acute psychiatric unit. Nurs Inq 2008; 15: 178-188
6. Foucault M. Überwachen und Strafen: die Geburt des Gefängnisses. 14. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp; 1994
7. Amering M, Schmolke M. Hoffnug - Macht - Sinn Recovery Konzepte in der Psychiatrie. Manag Care 2006; 1: 20-22
8. Cutcliffe JR, Barker P. Considering the care of the suicidal client and the case for 'engagement and inspiring hope' or 'observations'. J Psychiatr Ment Health Nurs 2002; 9: 611-621
290
71. Der Zeitstrahl: Ein Instrument für die recovery-orientierte
Praxis
Gianfranco Zuaboni
Hintergrund
Aktuell ist für die psychiatrische Pflege die Auseinandersetzung mit dem
Recovery-Ansatz von grosser Bedeutung. Dabei stellt sich die Frage, wie
Patientinnen und Patienten in ihrer Recovery unterstützt und begleitet wer-
den können. Das Instrument „Zeitstrahl“ kann zur Förderung einer recovery-
orientierten Arbeitsweise eingesetzt werden.
Einleitung
Für Betroffene ist das Lernen aus Krisensituationen ein notwendiges, aber
anspruchsvolles Unterfangen. Dieser Lernprozess kann als Grundlage die-
nen, um die Selbstmanagement-Kompetenzen kontinuierlich zu erweitern.
Durch gewonnene Erkenntnisse können Massnahmen abgeleitet werden,
welche zukünftige Krisen positiv beinflussen oder sie im besten Fall ver-
meidbar machen.
Mittels dem Zeitstrahl erkunden die Pflegefachperson gemeinsam mit der
Patientin, dem Patient auf der Basis einer therapeutischen Arbeitsbeziehung
relevante Lebensabschnitte, beispielsweise der Zeitraum vor einem Klinik-
eintritt. Dadurch können Erfahrungen gemeinsam ergründet und gedeutet
werden, wobei der Fokus auf Stärken und Ressourcen gelegt wird. Die dar-
aus gewonnenen Erkenntnisse können für die weitere Zusammenarbeit
genutzt werden und zukünftige Entscheidungen und Handlungen positiv
beeinflussen. Der Zeitstrahl ist ein Instrument, welches in der kognitiven
Verhaltenstherapie eingesetzt wird [1]. Die kooperative Vorgehensweise bei
der Erarbeitung des Zeitstrahls und dessen grafische Darstellung zeichnen
diese Methode aus. Sie fördert bei den beteiligten Personen die Übersicht
291
über Ereignisse, trägt zur Klärung von Situationen bei, hilft Stärken und Po-
tentiale aufzuspüren und die therapeutische Beziehung zu vertiefen.
Thema
Recovery-orientierte Intervention
Ziele
Die Teilnehmenden lernen ein hilfreiches Praxisinstrument kennen, welches
in der täglichen pflegerischen Arbeit einsetzbar ist.
Ablauf
Zu Beginn des Workshops wird ein theoretischer Überblick zum Zeitstrahl
vermittelt und die praktische Anwendung anhand eines konkreten Praxis-
beispiels erläutert. Danach erhalten die Teilnehmenden die Möglichkeit,
praktische Erfahrungen bei der Anwendung zu sammeln, welche danach in
einer Diskussionsrunde zusammengetragen und besprochen werden.
Gestaltung
Die theoretischen Inhalte werden anhand eines Inputreferats vermittelt. Die
in der Diskussionsrunde gewonnenen Erkenntnisse der Teilnehmenden
werden auf Flipchart visualisiert.
Lernziele
- Kennenlernen des Zeitstrahls
- Die Bedeutung von Selbstmanagement und Recovery erkennen
- Praktische Erfahrungen bei der Anwendung sammeln
- Mögliche Verwendung für die eigene Praxis einschätzen
Literatur
1. Turkington, D. (2009). Back to Life, Back to Normality: Cognitive Therapy, Recovery and Psychosis. Cambridge: Cambridge University Press.
292
72. Evaluation des Schulungskonzeptes „Recovery praktisch!“
in Deutschland und der Schweiz
Gianfranco Zuaboni, Michael Löhr, Rüdiger Noelle, Michael Schulz
Ausgangslage
Ein wesentliches Element, um bestehende psychiatrische Dienstleistungen
mehr in Richtung Recovery-Orientierung auszubauen, ist die Schulung der
Fachpersonen.
Zielsetzung
Diese Studie untersucht die Wirksamkeit eines recoveryorientierten Trai-
ningsprogramms im Hinblick auf gewonnenes Wissen, aber auch auf die
Einstellungen zu psychischen Krankheiten von Teilnehmenden aus psychiat-
rischen Gesundheitsberufen. Das Trainingsprogramm wird an sechs Tagen
durchgeführt und von einem Tandem aus Fachpersonen und Experten aus
Erfahrung mit entsprechender Ausbildung (Ex-In) durchgeführt.
Methoden
Sechs Durchführungen dieses Trainingsprogrammes, welche in der Schweiz
und in Deutschland stattfanden, wurden in die Studie aufgenommen. Es
wurde eine Prä- Postmessung durchgeführt. Zum Einsatz kamen eine über-
setzte Version des Recovery in Practice Evaluation Tool [1] und der Recovery
Self Assessment Scale (RAS-D) [2].
Ergebnisse
Die Auswertungen ergaben positive Veränderungen der Einstellungen und
Haltungen der Teilnehmenden bezüglich Recovery.
293
Diskussion
Mittels dem Trainingsprogramm „Recovery praktisch!“ lässt sich die Einstel-
lung von Professionellen positiv beeinflussen.
Schlussfolgerungen
Recovery-orientierte Schulungsprogramme können das Wissen vermehren
und die Haltung von Professionellen positiv beeinflussen. Dafür sollten sie
interdisziplinär ausgerichtet sein und Betroffene, aber auch Teilnehmende in
der Moderation mit einbeziehen.
Literatur
1. Gordon, J. (2010). Evaluation of Recovery in Practice Training. Jacki Gordon & Associates.
2. Zuaboni, G, Kozel, B., Glavanovits, K., Degano Kieser, L., Utschakowski, J., Beh-rens, J. Recovery Self Assessment: Übersetzung der Recovery Self Assessment Sca-le (RSA-D). In Press
294
73. Zielorientierte psychiatrische Pflege (ORIENT) – Schlussfol-
gerungen für Forschung und Praxis
Gianfranco Zuaboni, Peter Wolfensberger, Thomas Schwarze, Sabine Hahn,
Dirk Richter
Hintergrund
Die Studie ‚Zielorientierte psychiatrische Pflege (ORIENT)‘ hat untersucht, ob
eine Recovery-orientierte Schulung für Psychiatriepflegende sich implemen-
tierten lässt und ob mit einer Schulung relevante Ergebnisse erzielt werden
können.
Fragestellung
Welche Schlussfolgerungen lassen sich für Forschung und Praxis aus dem
Gesamtprojekt ziehen?
Methode/Ergebnisse
Da es sich bei der ORIENT-Studie um eine der ersten Interventionsstudien in
der deutschsprachigen psychiatrischen Pflege handelte, war eines der
Hauptziele, Erfahrungen in der Umsetzung eines solchen Vorhabens zu
sammeln. Auf der Basis der Beobachtungen und Einschätzungen der in den
Kliniken vorhandenen Koordinationspersonen sowie mit Unterstützung der
Ergebnisse der Fokusgruppen sollen erste Schlussfolgerungen für Forschung
und Praxis gezogen werden. Thematisiert werden die Komplexität und Logis-
tik eines derartigen Forschungsprojekts, die Motivation der Mitarbeitenden
und der Patientinnen/Patienten sowie positive und negative Erfahrungen.
295
74. Ver-rückter Sex! Sexualität in der Psychiatrie - wie kann sie
ihren Platz finden?
Rahel Zurbrügg, Christian Burr und Peter Briggeler
Hintergrund
Sexualität gehört zu den menschlichen Grundbedürfnissen und ist Teil der
Gesundheit. Alle Menschen haben ein Recht auf sexuelle Informationen [1].
Für die meisten Menschen gehört Sexualität zum normalen Leben und be-
deutet Lebensqualität [2; 3; 4; 5].
Bis zu 67% der Menschen mit einer psychischen Krankheit leiden an sexuel-
len Problemen [6]. Die Diagnose einer Krankheit kann auf die sexuelle Ent-
wicklung und dem Ausleben der Sexualität Auswirkungen haben [7; 8]. Für
Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung ist es aufgrund des sozia-
len Stigmas schwieriger, sexuelle Erfahrungen zu sammeln. Gerade wenn die
Erkrankung während der Jugendzeit beginnt, hat dies Auswirkungen auf die
psychosexuelle Entwicklung. Einige Betroffenen haben ihre erste sexuellen
Erfahrungen erst später und eignen sich kaum Wissen oder nur wenige Fä-
higkeiten an, die für das Erfüllen der sexuellen Rollen und Beziehungen
notwendig sind [9; 10]. Psychopharmaka haben Auswirkungen auf die Sexu-
alität. Im Vergleich zu anderen Nebenwirkungen, wie Müdigkeit oder Ge-
wichtszunahme, werden sexuelle Funktionsstörungen von den Betroffenen
als die, die am meisten stören, eingestuft [11].
Einleitung und Thema
Pflegende schenken der sexuellen Gesundheit noch wenig Beachtung. Dafür
gibt es verschiedene Gründe: Keine Zeit, Mangel an Privatsphäre, Thema hat
keine Priorität, fehlendes Wissen, es gehöre nicht zur Rolle, Gespräche über
Sexualität würden bei Betroffenen Ängste verursachen, Schwierigkeiten
sexuelle Themen anzusprechen und Betroffene seien zu krank, um darüber
zu sprechen [6; 9; 12; 13; 14].
296
Vor allem im englischsprachigen Raum gab es seit den 80er Jahre verschie-
dene Studien und Projekte, die zum Ziel hatten, den Betroffenen Informati-
onen zur Anatomie und sexuellen Entwicklung, zu Geschlechtsverkehr, safer
sex und sexuellem Risikoverhalten, wie auch zu Auswirkungen der Krankhei-
ten und der Medikamente auf die Sexualität, zukommen zu lassen. Die Er-
gebnisse dieser Arbeiten zeigten, dass die Betroffenen von diesen Angebo-
ten profitierten, so konnten sie zum Beispiel ihr sexuelles Wissen erweitern
oder gingen weniger sexuelle Risikosituationen ein [3].
Nach Kenntnissen der Autoren gab es in den letzten Jahren im deutschspra-
chigen Raum der Schweiz einzelne Veranstaltungen zum Thema Sexualität
und Psychiatrie. Eine systematische Schulung der Fachpersonen, sowie fort-
laufende Programme für Betroffenen fehlen.
Ziele und Massnahmen
Deshalb erarbeiteten die Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD)
und die Aids Hilfe Bern, sowie eine Expertin aus Erfahrung ein Projekt mit
dem Ziel, Fachpersonen zu unterstützen, ihr Fachwissen und ihre Beratungs-
kompetenz zur Sexualität zu erweitern, sowie die sexuelle Gesundheit der
Betroffenen zu verbessern. Unter Verbesserung der sexuellen Gesundheit
wird verstanden, dass die Betroffenen Möglichkeiten kennen, wie sie die
sexuellen Probleme angehen können, wo sie Beratung und Informationen
erhalten und darin bestärkt werden, ihre Sexualität selbst zu gestalten.
Es wurden Workshops für Betroffene, sowie eine Weiterbildung für Fach-
personen entwickelt.
Workshops
Es gab drei Workshops, die im Abstand von je einer Woche durchgeführt
wurden. Die Teilnahme war kostenlos und erfolgte ohne Anmeldung. Es war
möglich nur einen einzelnen Workshop zu besuchen. Angekündigt wurden
die Workshops auf einem Flyer, der an die Ambulatorien und Abteilungen
der UPD versandt wurde. Die Flyer wurden Betroffenen direkt abgebeben
297
oder lagen auf. Die Workshops fanden an unterschiedlichen Orten der UPD
statt. Am besten besucht waren die Workshops im Ambulatorium.
Themen der einzelnen Workshops:
- Liebe, Partnerschaft, Kinder! Wie gestalte ich das?
- Medikamente! Lust auf Sex?
- Sexualität - ohne Risiken und unerwünschte Nebenwirkungen
In den Workshops wurde mit unterschiedlichen Methoden und Materialien
gearbeitet. Wir benutzten Anschauungsmaterial, wie Comics oder Bilder.
Informationen präsentierten wir stichwortartig auf Flipcharts und legten
Handouts, wie auch eine Zeitschrift zum Thema auf.
Methodisch arbeiteten wir von Einzelarbeit über Kleingruppe bis zur Diskus-
sion im Plenum. Dabei wurden zum Beispiel Fragen bearbeitet oder über
Themen wie Umgang mit sexuellen Problemen diskutiert.
Zudem war an den Workshops immer eine Expertin aus Erfahrung anwe-
send, die auch ihre Sichtweise einfließen ließ.
Weiterbildung
Die Weiterbildung richtete sich ans Fachpersonal der UPD und wurde ins
Weiterbildungsprogramm aufgenommen. Sie wurde vorwiegend von Pfle-
genden besucht.
In der Weiterbildung stellten wir Inhalte aus den Workshops vor und berich-
teten über das laufende Projekt. Dann folgte ein fachlicher Input zur sexuel-
len Entwicklung und Auswirkungen der Erkrankungen, sowie der Medika-
mente auf die Sexualität. Handouts wurden ebenso abgegeben. Anschlie-
ßend wurden die Teilnehmenden in Gruppen aufgeteilt und an Tischgesprä-
chen dazu angeregt darüber zu diskutieren wie sie zum Beispiel über Sexua-
lität sprechen oder konkret in der Arbeit mit den Betroffenen damit umge-
hen können.
298
Evaluation und Ausblick
Die Workshops und die Weiterbildung wurden mehrfach durchgeführt.
Eine Auswertung der Feedbackbogen von den Workshops ergab, dass die
Teilnehmenden ihr Wissen erweitern konnten und den inhaltlichen Nutzen
als Groß einstuften. Zudem würden die meisten Teilnehmenden die Work-
shops weiterempfehlen.
Die Weiterbildung wurde insgesamt positiv bewertet. Der individuelle Wis-
senszuwachs fiel unterschiedlich aus. Die meisten Teilnehmenden wollen
sexuelle Themen vermehrt ansprechen. Das zeigt, dass eine Sensibilisierung
stattgefunden hat. Inwieweit sie dies in der Praxis umsetzen können und
wollen ist offen.
Um das Angebot der Workshops für Betroffenen sowie die Weiterbildung
für Fachleute einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen und diese
dafür zu sensibilisieren, sollten weitere Publikationen sowie das Erstellen
von Unterlagen zur Anleitung und Durchführung von Workshops und Wei-
terbildungen in Betracht gezogen werden.
Gestaltung
Der Workshop beginnt mit einem kurzen Theorieinput zum Thema. An-
schliessend lernen die Teilnehmenden (TN) durch eine kurze Vorstellung die
Weiterbildung für Fachleute sowie Workshops für Betroffene kennen. Da-
nach haben die TN die Möglichkeit zwei bis drei kurze Sequenzen aus der
Weiterbildung für Fachpersonen ‚live‘ mitzumachen. Am Schluss werden
Möglichkeiten diskutiert, wie dieses Angebot in den jeweiligen Institutionen
oder Dienstleistungen durchgeführt werden kann.
Lernziele
- Die TN kennen die wichtigsten Aspekte zur Sexualität und psychiatri-
schen Behandlung und erkennen die Problematik, die dahinter steht.
- Die TN kennen die Inhalte der Workshops für Betroffene und der Wei-
terbildung für Fachleute.
299
- Die TN lernen zwei bis drei Sequenzen der Weiterbildung für Fachleute
kennen, sowie die methodischen Möglichkeiten Sexualität und die Prob-
lematik darin zu thematisieren.
- Die TN haben Ideen, wie sie das Thema in ihrer Institution oder Dienst-
leistung einbringen können.
Literatur
1. World Health Organization (2001) Gender and reproductive rights (Cited 26. June 2014) Available from: http://www.who.int/reproductivehealth/topics/gender_rights/sexual_health/en/
2. Crouch, S. (1999). Sexual health 1: Sexuality and the nurses' role in sexual health. The British Journal of Nursing, 8 (9), 601-606.
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4. Katz, A. (2005). Do ask, do tell. Why do so many nurses avoid the topic of sexuali-ty. American Journal of Nursing, 105 (7), 66-68
5. McInnes, R. A. (2003). Chronic illness and sexuality. The Medical Journal of Aus-tralia, 179 (5), 263-266.
6. McCann, E. (2003). Exploring sexual and relationship possibilities for people with psychosis: A review of the literature. Journal of Psychiatric an Mental Health Nursing, 10, 640-649.
7. Peck, S. A. (2001). The importance of the sexual health history in the primary care setting. Journal of Obstetric, Gynaecologic and Neonatal Nursing, 30, 269-274.
8. Warner, P. H., Rowe, T. & Whipple, B. (1999). Shedding light on sexual history. American Journal of Nursing, 99 (6), 34-41.
9. Shield H., Fairbrother, G. & Obmann, H. (2005). Sexual health knowledge and risk behaviour in young people with first episode psychosis. International Journal of Mental Health Nursing, 14, 149-154.
10. Volman, L. & Landeen, J. (2007). Uncovering the sexual self in people with schizo-phrenia. Journal of Psychiatric an Mental Health Nursing, 14 (4), 411-417.
11. National Schizophrenia Foundation (2000). A Question of Choice. National Schi-zophrenia Foundation, London.
12. Cort, E. M., Attenborough, J. & Watson, J. P. (2001). An initial exploration of community mental health nurses' attitudes to and experience of sexuality-related issues in their work with people experiencing mental health problems. Journal of Psychiatric and Mental Health Nursing, 8 (9), 601-606.
300
13. Higgins, A. Barker, P. & Begley, C. (2005). Neuroleptic medication and sexuality. The forgotten aspect of education and care. Journal of Psychiatric an Mental Health Nursing, 12, 439-446.
14. Woolf, L. & Jackson, B. (1996). Coffee and condoms: the implementation of a sexual health programme in acute psychiatry in an inner city area. Journal of Ad-vanced Nursing, 16, 1048-1054.
301
Posterpräsentationen
302
75. Elementarisierung eines Handbuchs für eine Recoveryge-
sprächsgruppe (Erstellen eines Lehrplans)
Lukas Hohl
Hintergrund
Für die gemeinsame Recoverygesprächsgruppe der Stationen B2/1 und D3
im Sanatorium Kilchberg wurde von Anfang an (Sommer 2012) das Hand-
buch "Das Leben wieder in Griff bekommen" benutzt. Auf Teilnehmer-
Wunsch hin ergab es sich auch rasch, dass die Tabellen im Recoveryplan
gemeinsam in der Gruppe ausgefüllt wurden. Zu Beginn war jedoch die
Planung der einzelnen Treffen (zuerst 10 Treffen, später 12) den jeweiligen
Leitungsverantwortlichen überlassen und nicht systematisch.
Einleitung
Auf Anregung einer Pflegefachperson hin habe ich im Verlauf der 4. Durch-
führung der Gruppe seit ich daran beteiligt war, einen Lehrplan für das Ab-
halten der Gruppe erstellt. Dieser konnte formuliert werden, weil während
der 3. Durchführung immer ein Protokoll erstellt wurde, so dass ich wusste,
welche Inhalte in den 12 Treffen in der Praxis behandelt worden waren.
Thema
Es ging darum, den Inhalt des Handbuches (siehe Kapitel nach Inhaltsver-
zeichnis) auf 12 Treffen aufzuteilen. Es gibt im Lehrplan also 12 Themen für
die 12 Zusammenkünfte (Themenliste) und die benutzten Medien werden
teilweise auch angegeben (Medienliste). Die Medienliste ist jedoch nicht
abschliessend, sondern als Anregung zu betrachten.
Ziele
Ich möchte zeigen, dass es möglich ist, ein Handbuch als Grundlage für eine
erfolgreiche Recoverygesprächsgruppe zu benutzen. Der Vorteil eines sol-
303
chen Lehrmittels ist, dass die zu vermittelnden Inhalte und das am Schluss
des Kurses zu erreichende Ziel genau bekannt sind. Ausserdem schätzen die
Teilnehmenden das gemeinsame Ausfüllen von Tabellen während der Grup-
pe und die anschliessende Diskussion darüber. Das schliesst nicht aus, dass
im Laufe der Zeit zusätzliche Impulse, die nicht mit dem Buch in Verbindung
stehen, eingebracht werden. Das Buch ist jedoch das "Gerüst", mit dessen
Hilfe gebaut wird.
Gestaltung
Mit meinem Poster möchte ich die der Recoverygesprächsgruppe zugrunde-
liegenden Materialien zugänglich machen, also die Kapitel des Recovery-
Handbuches, die in Tabellenform zusammengestellten Protokolle des 3.
Durchgangs, den auf dieser Grundlage erstellten Lehrplan und die ergän-
zende Medienliste. So möchte ich einen Überblick geben, wie die heutige
systematische Arbeitsweise in der Recoverygesprächsgruppe entstanden ist.
Lernziele
Ich möchte zeigen, dass es keine Hexerei ist, eine Recoverygesprächsgruppe
systematisch aufzubauen, sondern fundierte, agogische Arbeit. Zugleich
möchte ich zur Nachahmung anregen, da das Handbuch ja vorhanden ist
und bestellt werden kann.
Literatur
1. Perkins, R.; Rinaldi, M. (2007). Taking back control: A guide to planning your own recovery (2. Aufl.). London: South West London und St. George’s Mental Health NHS Trust
2. Winter, A. (2011). Das Leben wieder in den Griff bekommen (3. Aufl.). Bern: UPD (Übersetzung von Perkins et al. 2007)
304
76. Didaktische Vorlage zur Vermittlung von Recovery
Martin Holzke, Anna Heinsch
Hintergrund
In der strategischen Ausrichtung des Unternehmens wurde festgelegt, dass
die Unterstützung des Recovery Prozesses zukünftig eine zentrale Rolle des
Versorgungsangebots einnehmen soll. Um dies ermöglichen zu können,
müssen entsprechende Schulungs- und Unterstützungselemente generiert
und implementiert werden.
Problemstellung
Es existieren mittlerweise mehrere Manuale zur Schulung der Recovery
Grundlagen [7, 6]. Diese bilden die Basis zur Entwicklung einer Recovery
orientierten Haltung der professionellen Helferinnen und Helfer, sowie die
Möglichkeit für Betroffene, sich mit dem Thema Recovery auseinanderzu-
setzen. Neben diesen Manualen sind die eindrücklichen Erlebnisse von Be-
troffenen selbst [4, 5], wichtige Quellen, die dazu beitragen ein Verständnis
für die Idee von Recovery zu entwickeln.
In den letzten Jahren hat das Thema Recovery im deutschsprachigen Raum
zunehmend an Beachtung gewonnen. Der von Betroffenen entwickelte
Ansatz, wird als wertvolle Bereicherung für die psychiatrische Pflege wahr-
genommen. Für viele Pflegende bedeutet dies – obwohl viele der grundle-
genden Ideen von Recovery bereits in den „Grand Theories“ der Pflegetheo-
retikerinnen enthalten waren – eine massive Veränderung ihrer Arbeitsin-
halte und Arbeitsstrukturen.
Recovery ist nicht lediglich eine neue Pflegetechnik, die durch eine Fortbil-
dung vermittelt werden kann, Recovery ist eine Haltung, die Pflegende und
alle am Recovery Prozess beteiligten Personen verinnerlichen müssen. Da es
bekanntermaßen häufig ein Problem ist, das durch Fortbildungen vermittel-
te Wissen, tatsächlich in die Pflegepraxis zu implementieren [1, 2], wirft dies
305
beim Thema Recovery erst recht die Frage auf, mit welchen Mitteln ein
nachhaltiger Transfer in die Pflegepraxis gelingen kann.
Ziele
Entwicklung einer didaktischen Vorlage, zur Implementierung der Recovery
Schlüsselelemente im pflegerischen Alltag.
Vorgehen
Visualisierung, Recovery förderlicher sowie hemmender Faktoren und Auf-
arbeitung der Inhalte der Recovery Schulungsmaterialien, mittels eines di-
daktischen Elements, das sich in den Recovery Prozess integrieren lässt.
Ergebnisse / Erfahrungen
Die Ergebnisse werden in Form einer Spielvorlage visualisiert, die sowohl als
didaktische Vorlage für Pflegende sowie für Betroffene verwendet werden
kann. Dadurch können die Schlüsselelemente des Recovery Prozesses im
pflegerischen Alltag thematisiert und integriert werden.
Diskussion
Die Vorlage kann für Pflegende eine Möglichkeit sein, sich niederschwellig
mit dem Thema Recovery auseinanderzusetzen und Recovery Elemente in
den pflegerischen Alltag zu integrieren. Dabei können die Spielelemente wie
z. B. die Ereignisfelder sowohl für Betroffene als auch für Pflegende Denkan-
stöße liefern, welche Angebote zur Unterstützung des individuellen
Recovery Prozesses hilfreich sein könnten. Weiter bieten die Spielelemente
eine Möglichkeit auf einfache Weise sowohl förderliche als auch hinderliche
Recovery Faktoren gemeinsam zu thematisieren.
Schlussfolgerung
Derzeit befindet sich die Spielvorlage in der Entwicklung und Testung. Es
wird interessant sein, ob sie einen Beitrag zum Theorie-Praxis-Transfer lie-
306
fern kann und ob sie ein Element sein wird, um die Zielsetzung der Unter-
nehmensstrategie erfolgreich umsetzen zu können.
Literatur
1. Arnold, Doris: „Aber in die Praxis umzusetzen ist es dann halt schwierig“. Eine qualitative Studie zur Theorie-Praxis-Vermittlung in der Pflege am Beispiel von Kinästhetik. In: Pflege Nr. 13, 2000, S. 53-63.
2. Brandenburg, Hermann: Pflegewissenschaft zwischen Theorie und Praxis. In: Brandenburg, Hermann; Panfil, Eva-Maria; Mayer, Herbert: Pflegewissenschaft 2. Lehr- und Arbeitsbuch zur Einführung in die Pflegeforschung. Bern: Verlag Hans Huber, 2007, S. 229-245.
3. Brandenburg, Hermann; Panfil, Eva-Maria; Mayer, Herbert (Hrsg.): Pflegewissen-schaft 2. Lehr- und Arbeitsbuch zur Einführung in die Pflegeforschung. Bern: Hu-ber, 2007.
4. Deegan Patricia: Recovery as a journey of the heart. Psychosocial Rehabilitation Journal 1996; 19:91-97.
5. Prins, Sybille: Vom Glück. Wege aus psychischen Krisen. Bonn: Psychiatrie Verlag, 2003.
6. Slade, Mike: 100 Wege um Recovery zu unterstützen. Schulz Michael, Zuaboni, Gianfranco, Löhr, Michael, Abderhalden, Christoph (Hrsg.). Bielefeld: Fach-hochschule der Diakonie, 2013.
7. Zuaboni, Gianfranco; Abderhalden, Christoph; Schulz, Michael; Winter, Andrea (Hrsg.): Recovery Praktisch! Schulungsunterlagen. Bern: Verlag Universitäre Psy-chiatrische Dienste UPD, 2012.
307
77. „Recovery in der Praxis – Was hat sich verändert? Ein Pra-
xisprojekt“
Ralf Körber, Jens Losse
Hintergrund und Problemstellung
Die Klinik Königsfelden sind als Teil der Psychiatrischen Dienste Aargau
(PDAG) für die stationäre psychiatrische Versorgung des Kantons verant-
wortlich. Die Zielsetzungen der PDAG wurden für die nächsten Jahre auf den
Schwerpunkt Patientenorientierung gelegt. In diesem Zusammenhang wird
im Schwerpunkt Psychose-Erkrankungen eine recovery-unterstützende Hal-
tung in der Behandlung und Pflege der Patienten vertieft. Das beinhaltet auf
der einen Seite die Schulung und Sensibilisierung von Teammitgliedern zum
Thema Recovery, auf der anderen Seite die Zusammenarbeit mit einer Ge-
nesungsbegleiterin als neues Teammitglied, die seit Januar 2014 zu 20% auf
der Station angestellt ist.
Die Frage stellt sich nun, was sich auf der Station durch den Recovery-Ansatz
geändert hat und woran Aussenstehende bemerken, dass auf dieser Station
„nach Recovery“ gearbeitet wird?
Ziele
Der Begriff „Recovery“ findet seinen Ursprung im Englischen und heisst so
viel wie „Wiedergesundung“. Erstmalig kam Recovery im Bereich von Sucht-
kranken zum Einsatz. Das oberste Ziel von Recovery ist das Empowerment =
Selbstbestimmung, Förderung der zwischenmenschlichen Beziehungen,
soziale Integration, Sinnfindung und Problemlösungskompetenz.
Im traditionellen Ansatz gibt es festgelegte Muster, Haltungen, Worte und
Strukturen, die in ihrer Bedeutung ein Stigma oder einen blinden Fleck in
sich tragen. Um diese Ansätze zu ändern und in genesungsfördernde Sichten
zu transformieren, bedarf es zum Teil radikaler Veränderungen, die wir
heute kurz erläutern wollen.
308
Wenn wir im Rahmen eines Rapportes, Visiten oder Angehörigen-
gespräches von Diagnose, Symptom und Compliance sprechen, dann ergibt
sich daraus die Haltung, die wir kennen und aus der wir entscheiden. Spre-
chen wir jedoch von Wahlfreiheit und von Wahlmöglichkeit, kann das die
gegenseitige Rücksichtnahme und Anerkennung stärken. Der Begriff Diagno-
se beschreibt ein starres Muster, das wenig individuelle Betrachtung zulässt,
da es die einzelnen Symptome in ihrer Qualität und Quantität beschreibt.
Wenn wir jedoch von individuellen Zeichen und Bedeutungen innerhalb der
Leiderfahrung sprechen, wirkt das auf den Betroffenen ganzheitlicher. Somit
kann eine andere Beziehung entstehen. Recovery stellt unser interdisziplinä-
res Behandlungsteam vor neue Aufgaben, neue Sichtweisen und Entschei-
dungen. Durch oft arbeitsintensive stationäre Gegebenheiten, kann es den
pflegenden oft nicht gelingen, die leise angesprochenen Bedürfnisse als Weg
zur individuellen Heilung zu hören. Hier fungiert unsere Genesungsbegleite-
rin in erster Linie als Empfänger / Verstärker dieser Äusserungen und Be-
dürfnisse und in zweiter Linie als Schnittstelle zum multiprofessionellen
Team. Wir sprechen von Genesungsbegleiterin, da es für viele Patienten
einfacher zu verstehen ist, warum Frau Stich ein Teil unseres Teams ist. Im
Rahmen von Recovery ist eine Transparenz unabdingbar. Die Bezeichnung
„Peer“ würde vor allen Dingen für unsere chronischen Betroffenen einige
Fragen und somit Hemmungen mit sich bringen [1].
Ergebnisse und Erfahrungen
Nachdem wir zunächst mit dem Thema „Recovery“ im Rahmen von internen
Fortbildungen vertraut gemacht und später durch unsere Recoveryexpertin
in der Praxis geschult wurden, war es an der Zeit, über Pro und Kontra von
Recovery zu diskutieren. Dem gesamten Team war klar, dass es eine neue
Herausforderung sein wird, die es umzusetzen gab und keine leichte Aufga-
be werden würde. Insgesamt zeigte sich von Beginn an, dass die Haltung zu
Recovery unterschiedlich ausfallen wird, da jeder aufgrund seiner persönli-
chen Sichtweisen, Sozialkompetenz, persönlicher Lebenserfahrung, kulturel-
ler Herkunft und persönlichem Menschenbild dem Thema Recovery unter-
309
schiedliche Bedeutung beimisst. Auch unsere Genesungsbegleiterin brachte
Sichtweisen und Entscheidungen, die integriert werden mussten, respektive
wurden. In Diskussionsrunden zeichnete sich ab, dass ein Teil vom Team
Begeisterungsfähigkeit zeigte und am liebsten gleich mit der Umsetzung von
Recovery in der Praxis begonnen hätte. Andererseits gab es Teammitglieder,
die die Umsetzung in Frage stellten oder lieber weiter an den alten Betreu-
ungsmustern festhalten wollten. Grundsätzlich war jedoch das gesamte
Team bereit, Recovery eine Chance zu geben und sich auf Veränderungen
einzulassen. Durch weiterführende Diskussionen und Reflexionen von be-
reits bestehenden und umgesetzten Massnahmen kristallisierte sich heraus,
dass besonders die Teammitglieder, die anfänglich grosse Skepsis gezeigt
hatten, auf einmal mehr Offenheit an den Tag legten und sich weiter mit
den Recoveryprinzipien im Praxisalltag auseinanderzusetzen.
Zum einen entschlossen wir uns die Küche, den Raucherraum sowie das
Fernsehzimmer 24 Stunden täglich zugänglich zu machen. Zum anderen
brachten die vorher beschrieben Änderungen und Recovery-Ansätze neue
Entscheidungen im pflegerischen Bereich mit sich. Anstatt zum Beispiel auf
die Abgabezeiten der Medikamente zu bestehen, sprachen wir oft mit den
Betroffenen, wann es für sie besser ist, die Medikamente einzunehmen.
Somit konnten die Betroffenen ihren Alltag mit den Wirkungen, Nebenwir-
kungen und Wechselwirkungen besser meistern. Dies brachte jedoch ein
radikales Umdenken mit sich, da wir manche Entscheidungen der Betroffe-
nen mittragen mussten, wie beispielsweise Angespanntheit der Patienten.
Insgesamt führten diese Erfahrungen zu einer neuen Beziehungsebene zwi-
schen der Pflegeperson und dem Patienten. Zeitnahes Besprechen und Re-
flektieren innerhalb des Teams zwischen Pflegenden und Betroffenen konn-
te andere Behandlungsansätze öffnen. Die sonst vorgeschriebenen Schema-
ta wurden aufgeweicht. Durch eine Recovery-gesteuerte Gesprächsführung
zwischen Pflegenden und Patienten konnten viele negative Verhaltensmus-
ter wie beispielsweise erhöhte Körperspannung und fremdaggressive Ten-
denzen sowie eskalierende Situationen mit vermutlich gefährlichem Aus-
gang merklich abgeschwächt werden.
310
Durch den Einsatz von Recovery konnten innerhalb einer partnerzentrierten
Gesprächsführung Problemlösungskompetenzen an den Betroffenen abge-
geben werden mit dem Ziel, die Eigenverantwortung zu stärken und mehr
Selbstvertrauen sowie mehr Sozialkompetenz zu erlangen. Patienten, die
vorher unmotiviert und interessenlos auftraten, eine ausgeprägte Forde-
rungshaltung einnahmen, waren auf einmal bereit, mehr zu sich selbst Sorge
zu tragen, dem Sinn einer Strategie oder einer Massnahme von pflegerischer
Seite nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber zu stehen, sondern mehr
Offenheit und Kooperationsbereitschaft zu zeigen. Des Weiteren konnte die
Vertrauensbasis zwischen den Pflegenden und Betroffenen von Anfang an
gestärkt werden. Somit war es dann auch möglich, die in der Pflegeplanung
erhobenen Nah- und Fernziele mit Unterstützung der Pflegenden effizienter
umzusetzen und den Evaluierungsprozess voranzutreiben.
Diskussion und Schlussfolgerung
Recovery ist ein gutes neuzeitliches Instrument, welches sein Platz in der
Psychiatrie finden wird. Erhebungsbögen wie der BSCL und der POC18 zei-
gen uns, dass die Patienten sich nach dem Aufenthalt stabiler fühlen und
zufriedener sind mit der Arbeit des interdisziplinären Teams. Dennoch stösst
Recovery an seine Grenzen, denn es braucht seitens der Patienten ein ge-
wisses Grundverständnis, um nach den Prinzipien von Recovery arbeiten zu
können. Bei kognitiv stark eingeschränkten Patienten, bei Patienten mit
multiplen Persönlichkeitsstörungen sowie Patienten mit ausgeprägtem dis-
sozialem Verhalten benötigt es eine klare Linie mit verbindlichen Strukturen.
Hier wird es schwierig, Problemlösungskompetenzen abzugeben. Alles in
Allem glauben wir aber, dass Recovery eine Berechtigung hat und im Klinik-
alltag wann immer möglich zur Anwendung kommen sollte.
Literatur
1. www.de.wikipedia.org/wiki/Recovery-Modell Stand: 10.07.2014
311
78. Recovery – Orientierung im Behandlungszentrum für Psy-
chosen, Station A2, verankern
Dajana Liechti, Nanja Schlup, Michele Schuierer
Hintergrund
Die Station A2 im Behandlungszentrum für Psychosen (BZP) der Psychiatri-
schen Dienste der Solothuner Spitäler AG (SoH) verfügt über 15 Plätze für
Patienten, die aufgrund des Schweregrades ihrer Erkrankung einer stationä-
ren Behandlung in einem intensiven Behandlungssetting bedürfen. Das
Behandlungszentrum für Psychosen gliedert sich als Spezialangebot inner-
halb der Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der
Psychiatrischen Dienste ein. Zudem gibt es die Möglichkeit einer Intensivbe-
handlung in einem der drei Intensivzimmer, die auch für andere Bereiche
der Psychiatrischen Dienste zur Verfügung stehen. Angegliedert sind zudem
4 Tagesklinikplätze.
Die Station bietet ein differenziertes, intensives, diagnostisches und thera-
peutisches Angebot für Menschen mit psychotischen Erkrankungen im Alter
zwischen 18 und 65 Jahren. Die Diagnostik und Therapie eines Klinikaufent-
haltes gliedert sich innerhalb des multidisziplinären Teams in verschiedene
Phasen. In der ersten Phase werden mit dem Patienten (und mit den Ange-
hörigen) innert weniger Tage eine sorgfältige Standortbestimmung, die
geeignete Ressourcenabklärung sowie weiterführende Schritte geplant und
eingeleitet. In der intensiven stationären Behandlungsphase erfolgt die
interdisziplinäre Therapie und Stabilisierung und schliesslich wird die geziel-
te, auf die individuellen Ressourcen ausgerichtete Rehabilitation nach Hause
bzw. in andere Institutionen angestrebt. Die einzelnen Berufsgruppen sind
auf die besonderen Anforderungen der Patienten mit Psychose Erkrankung
spezialisiert und arbeiten kraft ihrer jeweiligen Kompetenz synergistisch und
zielorientiert zusammen.
312
Problemstellung
Die Klinikleitung gibt die geplante Spezialisierung einer Akut-
Aufnahmestation zu einem Behandlungszentrum für Psychosen (Station A2)
im September 2013 vor.
Wie kann das Modell „Recovery“ diese angestrebte Spezialisierung für alle
Beteiligten (Patienten, Angehörige und Mitarbeiter) wegweisend unterstüt-
zen und die zukünftige Zusammenarbeit positiv beeinflussen?
Ziele
- Eine stärkere Einbeziehung von Patienten und Experten durch Erfahrung
in die klinische Arbeit und die kontinuierliche Reflexion der Arbeitshal-
tung bezüglich Recovery.
- Zielgerichtete, strukturierte Förderung der Professionalisierung der Pfle-
ge.
- Ein spezialisiertes Angebot für Patienten (und Angehörige) soll entstehen
und bereits vorhandenes Wissen genutzt werden.
- Workshops zum Thema Recovery werden geplant und durchgeführt.
Vorgehen
Planung
Die Idee der Recovery- Orientierung wurde zwischen der Stationsleitung und
der Leiterin Pflegedienst besprochen und die Projektfreigabe im Herbst
2013 beschlossen. Eine Evaluation des bestehenden Angebotes zu
„Recovery“ wird durchgeführt und internes Fachwissen genutzt. Das Perso-
nal soll über die Theorie geschult werden und eine Haltungsände-
rung/Entwicklung wird angestossen. Externe Dozenten zur Unterstützung
werden herangezogen und eine Expertin durch Erfahrung soll angestellt
werden.
313
Durchführung
Darauf aufbauend wurde während einer Auftaktveranstaltung mit dem
gesamten Personal der Station A2 (Gasthörer der ganzen Klinik waren will-
kommen) ein gemeinsames Verständnis von Empowerment/ Recovery dis-
kutiert und eine erste gemeinsame Haltung geformt. Workshops wurden
über das Jahr verteilt geplant und durchgeführt, wobei externe Dozenten
diesen Prozess stets unterstützen. Ebenso wurde eine Mitarbeiterbefragung
mittels RSA-R Fragebogen durchgeführt. Des Weiteren nahm eine Mitarbei-
terin an der Schulung „Recovery Praktisch“ teil und Auftrags- und Anstel-
lungsbedingungen der Expertin durch Erfahrung wurden definiert.
Evaluation
Erneute Mitarbeiterbefragung anhand des RSA-R Fragebogen wird zum
Vergleich im Januar 2015 durchgeführt werden. Statistiken werden zu die-
sem Zeitpunkt herangezogen werden können (Liegedauer, Zwangsmass-
nahmen, Belegung, Art der Einweisungen, usw.).
Ergebnisse / Erfahrungen
- Anstellung Peer noch im November 2013, Festanstellung März 2014
- Auftaktveranstaltungen November, Dezember 2013 wurden durchge-
führt
- 3 Workshops verteilt über das Jahr 2014 konnten geplant und Dozenten
bestimmt werden
- Schulung einer Mitarbeiterin im Recovery- Praktisch läuft (Multiplikato-
rin, Informationsträgerin)
- Teamsitzungen als Informationsweitergabe und Planung weiterer Ent-
wicklungsschritte werden durchgeführt
Diskussion
Im Vorfeld hatten wir zu erwartende Probleme diskutiert. Zu diesen gehör-
ten Mitarbeiterskepsis und Ablehnung: Mitarbeiter wurden von Anfang an
314
miteinbezogen und zeitnah über das Vorgehen aller Schritte informiert,
Unsicherheiten stetig besprochen, Gefässe wie Teamsitzung als festen Be-
standteil mit dem Thema Recovery durchgeführt. Dadurch wurde die Skepsis
und Ablehnung ernst genommen und konnte vermindert und sogar aufge-
hoben werden. Unsicherheiten im Umgang mit Expertin durch Erfahrung
Gemeinsam mit der Expertin durch Erfahrung wurden Aufgaben und Anstel-
lungsbedingungen definiert, Teilnahme der Expertin durch Erfahrung an den
Workshops, Offener und transparenter Umgang mit Fragen und Unsicher-
heiten aller Beteiligten, Erwartungen und Haltungen wurden offen gelegt,
Expertin durch Ausbildung und Expertin durch Erfahrung haben aktiv zu-
sammen an weiteren Schritten gearbeitet
Schlussfolgerung
Durch den bisherigen Umsetzungsprozess und Teilnahme am zweiten Inter-
nationalen Psychiatriekongress zu seelischer Gesundheit und Recovery
ergaben sich folgende Ziele, die die Station A2 verfolgen möchte:
- Angebot „Stimmen hören“ schaffen
- Einsatz von Arbeitsmaterial wie Handbuch, Persönlicher Recovery-Plan,
Vorausverfügung
- Angehörigengruppe/ Sprechstunde ermöglichen
- Interdisziplinäres Gefäss zur fallbezogenen Diskussion über Haltungen
schaffen
- Psychoedukationsarbeit wird gestärkt
- neue Angebote gemeinsam mit Patienten schaffen
- Patientenbefragung zum Thema Recovery- Orientierung bei Austritt
- Assessment der Recovery- Orientierung angepasst
315
79. Familien in psychosozial belastenden Lebenslagen beim
Übergang zur Elternschaft begleiten – welche subjektiven
Vorstellungen von Qualität leiten das Handeln von Famili-
enhebammen?
Katja Makowsky & Petra Wallmeyer-Andres
Fragestellung/Zielsetzung
Was ist Familienhebammen in ihrer Arbeit mit psychosozial belasteten Fami-
lien wichtig? Welche besonderen Herausforderungen bringt die Begleitung
psychisch erkrankter Elternteile für die Familienhebamme mich sich? Ziel
des Projekts ist es, aus der Perspektive exemplarisch ausgewählter Famili-
enhebammen, subjektive Vorstellungen von guter Familienhebammenbe-
treuung zu erfassen. Dabei sollen Vorstellungen zur Betreuung von Familien
mit psychisch erkrankten Elternteilen explizit erfragt werden. Erhoben wird,
welche Strukturen (d.h. in diesem Zusammenhang z.B. Rahmenbedingungen
der eigenen Arbeit und die erhaltene Qualifizierungsmaßnahme), Prozesse
(wie beispielsweise die Betreuung der Familien, die Möglichkeit der (in-
ter)disziplinären Kooperation) und Ergebnisse (z.B. welche Ziele in den Fami-
lien erreicht werden sollen und wodurch sich erfolgreiche Arbeit auszeich-
net) aus der Perspektive von Familienhebammen nützlich und erforderlich
sind, um gute Qualität leisten zu können.
Hintergrund dieser Vorgehensweise ist der im Bereich der Gesundheitsver-
sorgung bestätigte Befund, dass individuelle Qualitätskonzepte der professi-
onellen Akteure maßgeblich deren Handeln, und damit den Betreuungspro-
zess prägen. Durch den Einsatz von Familienhebammen kann im Rahmen
der Schwangerschaft und der frühen Kindheit nachweislich positiv auf die
Gesundheit und Entwicklung des Kindes Einfluss genommen werden. Es
handelt sich um ein präventives Angebot, das Familien, die sich in einer
316
psychosozial belastenden Lebenslage befinden, beim Übergang in die El-
ternschaft niedrigschwellige Unterstützung anbietet.
Methode und Material
Um subjektive Erfahrungen aus der Perspektive ausgewählter Familienheb-
ammen erfassen zu können, kommen in dieser durch die Fachhochschule
Bielefeld geförderten Studie zunächst N=15 episodische, leitfadengestützte
Interviews in der Anwendungsform von Expertinneninterviews in den Bun-
desländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zum Einsatz. Es wird
nicht angestrebt, repräsentative Ergebnisse zu ausgewählten Aspekten des
untersuchten Gegenstandsbereichs zu erhalten. Vielmehr soll Aufschluss
über bislang wenig bekannte Details der Arbeit von Familienhebammen,
nämlich deren subjektive und den Betreuungsprozess prägende Vorstellun-
gen von Qualität, in zwei exemplarisch ausgewählten Regionen gegeben
werden. Erstrebenswert wäre in einem zweiten Schritt eine bundesweite
Ausdehnung des Samples. Die Auswertung der transkribierten Interviews
erfolgt sowohl fallbezogen als auch fallübergreifend und orientiert sich an
den Empfehlungen von Witzel (2000) und Kelle & Kluge (2010). Der For-
schungsprozess wird entlang eines zirkulären Forschungsverständnisses
gestaltet und beinhaltet die Vorgehensweisen des theoretischen Samplings
sowie des prozesshaften Verlaufs und Wechsels zwischen Datenerhebung
und -analyse mit Bezug auf bereits vorliegende Befunde.
Erwartete Ergebnisse
Erwartet werden detaillierte Einblicke in die Gestaltung von Betreuungspro-
zessen zwischen Familienhebammen und Klientinnen. Im Vordergrund ste-
hen dabei typische Handlungsabläufe und -strategien sowohl im Kontakt mit
der Familie, als auch im Austausch mit anderen Institutionen und Berufs-
gruppen. Diese geben Aufschluss über subjektive Qualitätsvorstellungen der
einbezogenen Familienhebammen, die wiederum Schlussfolgerungen hin-
sichtlich förderlicher und hemmender Faktoren einer qualitativ hochwerti-
gen Betreuung und Begleitung zulassen. Aufbauend auf den in Form von
317
typischen Handlungsstrategien bzw. -abläufen dargestellten Ergebnissen
lassen sich konkrete Empfehlungen ableiten, die eine systematische Ent-
wicklung von Strategien für eine sich vorteilhaft auswirkende Implementati-
on von Familienhebammen in das System Früher Hilfen, unter Beachtung
von Anforderungen bei der Begleitung psychisch erkrankter Eltern, unter-
stützen können.
Diskussion
Bisherige Studien zum Thema lassen umfassende Möglichkeiten einer ge-
sundheits- und entwicklungsfördernden Einflussnahme durch Familienheb-
ammen auf (hoch)belastete Familien erkennen, dabei wird jedoch nicht
systematisch zwischen den jeweiligen Gründen für die Inanspruchnahme
von Familienhebammenhilfe unterschieden. Wie Familienhebammen die
individuellen Betreuungsprozesse im Rahmen der Begleitung der Familien
gestalten und welche Vorstellungen von Qualität ihr eigenes Handeln leitet,
ist bislang allerdings wenig beachtet worden. Weitgehend unklar ist in die-
sem Zusammenhang auch, inwieweit sich strukturelle Rahmenbedingungen,
Formen der Gestaltung von Betreuungs- und Kooperationsprozessen sowie
Vorstellungen von zu erreichenden Ergebnissen in den Familien aus der
Perspektive der Expertinnen auf die eigene Arbeit auswirken.
318
80. Wer bekommt in Deutschland 1:1 Betreuung?
André Nienaber, Michael Schulz, Michael Löhr
Hintergrund
Das Thema der Intensiv- bzw. 1:1 Betreuung in der stationären psychiatri-
schen Versorgung ist von hoher Relevanz für die Praxis [1]. Vor diesem Hin-
tergrund beschäftigt sich die Arbeit im Sinne der Versorgungsforschung [2]
mit den folgenden Fragestellungen zum OPS-Zusatzkode 1:1 Betreuung:
Fragestellung
- Wie hoch ist die prozentuale Verteilung des OPS-Kodes 1:1 Betreuung in
den einzelnen ICD-10 F-Diagnosegruppen?
- Wie hat sich die Verteilung des Kodes 1:1 Betreuung in den Jahren 2011
und 2012 entwickelt?
- Gibt es geschlechterspezifische Unterschiede in der Dokumentation der
1:1 Betreuung?
- Sind altersspezifische Unterschiede zu erkennen?
- Welche finanziellen Ressourcen werden für die Intervention aufgewen-
det?
Methode und Material
Datengrundlage für die Analyse ist der VIPP Datensatz basierend auf Daten
des § 21 KHEntgG aus den Jahren 2011 und 2012 [3]. Insgesamt konnten 47
Kliniken eingeschlossen werden. Gegenstand der Analyse war der OPS-Kode
9-640.0 1:1 Betreuung [4]. Die Auswertung erfolgt auf Fallebene. Die Doku-
mentation eines Kodes bedeutet, dass ein Fall wenigstens ein Mal die Krite-
rien zur Auslösung erfüllt hat. Mehrmalige Auslösungen der Intervention
innerhalb eines Falles können nicht dargestellt werden.
319
Ergebnisse
Von den 121.454 ausgewerteten Fällen im Jahr 2011 wurden bei 3,8% der
Fälle (4.615) eine 1:1 Betreuung im Sinne des OPS Zusatzkodes 9-640.0 do-
kumentiert. Von den 66.245 einbezogenen männlichen Fällen wurde bei
3,5% der Fälle (2.318) und bei den 55.207 weiblichen Fällen bei 4,1% (2263)
eine 1:1 Betreuung dokumentiert. Im Vergleich zu 2011 ist der Anteil der 1:1
Betreuung im Jahr 2012 auf 4,8% angestiegen. Kliniken bis 100 Betten wen-
den die Intervention seltener an als größere Kliniken. Eine Analyse im Hin-
blick auf Diagnosen und Geschlecht wird dargestellt.
Diskussion
Über die Daten konnte für Deutschland erstmals eine quantitative Aussage
zur Dokumentation des OPS Kodes 1:1 Betreuung erfolgen. Inwieweit der
Anstieg von 2011 auf 2012 auf eine veränderte Form der Behandlung oder
auf ein verändertes Dokumentationsverhalten zurückzuführen ist, bleibt
unklar.
Schlussfolgerung
Mit den Ergebnissen wird deutlich, dass es sich bei der 1:1 Betreuung um
eine häufig durchgeführte Intervention handelt, die in allen Diagnosegrup-
pen vorkommt. Für die ökonomische Relevanz, die mit der 1:1 Betreuung
einhergeht, bieten die Ergebnisse dieser Studie erste Hinweise für eine
Steuerung. Mithilfe des VIPP Datensatzes lassen sich Erkenntnisse zur
Durchführung von Interventionen und Aufwendungen von Ressourcen in
psychiatrischen Kliniken generieren. Für weitergehende Analysen sollte die
Möglichkeit der Auswertung auf Ebene der einzelnen Kodes geschaffen
werden.
Literatur
1. Nienaber A, Schulz M, Hemkendreis B et al. Die intensive Überwachung von Patienten in der stationären psychiatrischen Akutversorgung Psychiatr Prax 2013; 40: 14-20.
320
2. Glaeske G, Augustin M, Abholz H et al. Epidemiologische Methoden für die Ver-sorgungsforschung. Gesundheitswesen 2009; 71: 685-693.
3. Godemann F, Falkai P, Hauth I et al. Pauschalierendes Entgeltsystem in der Psychiatrie und Psychosomatik. Nervenarzt 2013; 84: 864-868
4. DIMDI. OPS Version 2013. Im Internet: http://www.dimdi.de/static/de/klassi/ops/kodesuche/onlinefassungen/opshtml2013/block-9-60...9-64.htm; Stand: 05.03.2014
321
81. „Was meine Rolle im Team angeht so sehe ich mich in der
Rolle des Vermittlers zwischen Theorie und Praxis und am
ehesten in der Rolle der Praxisentwicklung.“
Rüdiger Noelle, Sabine Noelle
"»Ich kann mich mit Themenstellungen intensiv auseinandersetzen, was
auch schon mal bedeutet, mir einen ganzen Tag Zeit für eine Literatur-
recherche zu nehmen.« Manchmal habe […] [ich] aber auch fast ein schlech-
tes Gewissen, wenn […] [ich] sehe, was auf den Stationen los ist“ [1].
Hintergrund
Die deutschsprachigen Berufsverbände der Pflege wollen im Rahmen der
Professionalisierung die Funktion „Pflegeexpertin/Pflegeexperte“ angelehnt
an ANP (Advanced Nursing Practice) verankern. Ein Masterabschluss in der
Pflege gilt als wünschenswert. Bisher war für psychiatrisch Pflegende der
Zugang zu einem Bachelor- u. Masterstudiengang aus einem anderen Be-
reich der Pflege die einzige Möglichkeit. Dies hat sich mit dem Bachelor of
Arts der Psychiatrischen Pflege / Psychischen Gesundheit der Fachhochschu-
le der Diakonie in Bielefeld nun verändert. Erstmals wurde dort Pflegenden
zum Ende des Wintersemesters 2013/14 der akademische Grad Bachelor of
Arts für psychiatrische Pflege / psychische Gesundheit verliehen.
Pflegeexperten verbinden die Pflegewissenschaft mit der Pflegepraxis. Dabei
nehmen die Pflegeexperten neben den Patienten auch deren Umfeld mit in
den Blick. Sie begleiten im Idealfall die Patienten über den stationären Be-
handlungsteil hinaus in seinen Alltag, wie es in der integrierten Versorgung
gedacht ist. Unter der Annahme, dass sich auch in der psychiatrischen Ver-
sorgung mit der Veränderung des Vergütungssystems die Strukturen weiter
vernetzen müssen, um eine adäquate Versorgung der psychisch erkrankten
Menschen zusammen mit deren Bezugspersonen sicherzustellen, werden
diese Funktionen in der Zukunft von besonderer Bedeutung sein.
322
Gleichzeitig wird sich durch gewollte fließende Übergänge in eine ambulante
Behandlung die Situation auf den Stationen der psychiatrischen Klinik ver-
ändern. Auch hier wird die Expertise der Pflegeexperten benötigt. Struktu-
ren und Prozesse werden den Gegebenheiten angepasst werden müssen.
Neben dem zielgerichteten Einsatz einer evidenzbasierten Medizin wird die
Notwendigkeit spürbar, die vorhandenen Kräfte der Pflege zu bündeln und
evidenzbasiert zu arbeiten. „Es ist anzunehmen, dass der Bedarf für syste-
matische pflegerische Praxisentwicklung unter Einbeziehung gesicherter
wissenschaftlicher Erkenntnisse und patientenzentrierter Outcome-
Orientierung aufgrund der historischen Entwicklung der Pflege in Deutsch-
land höher einzuschätzen ist als im internationalen Kontext“ [2].
Vorgehen
Auf diesen speziellen Weg in der psychiatrischen Pflege machen sich jetzt 30
Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs Psychiatrische Pflege /
Psychische Gesundheit. Zum Einstieg in ihren gewohnten Alltag mit der
neuen Qualifikation oder dem damit verbundenen Wechsel in neue Stellen
mit neuen Aufgaben wurde ihnen die Frage vorgelegt: „Wie hat sich Ihr
Rollenverständnis im Hinblick auf Ihr Verständnis von Ihrem Beruf im Rah-
men des Studiums verändert?“
Erfahrungen
Ihre Antworten sind wegweisend für die Akademisierung der psychiatri-
schen Pflege in Deutschland. Sie erleben aufgrund der fachlichen Weiter-
entwicklung einen Kompetenzzuwachs in den multiprofessionellen Teams
und verstehen sich als Change Agents. Für neue Behandlungsansätze wie
Recovery erleben sie eine Rollenerweiterung die von der erlebten persönli-
chen Weiterentwicklung während des Studiums getragen wird.
Literatur
1. Schmitte et al., 2014, S. 16
2. Schmitte et al., 2014, S. 22
323
82. „Die Erfahrungen von Patientinnen und Patienten in Lang-
zeitunterbringung im Maßregelvollzug in Deutschland. Ei-
ne phänomenographische Studie.“
Daria Olsen
Hintergrund
Die pflegewissenschaftliche Qualifizierungsarbeit hatte zum Ziel, die Erfah-
rungen von langzeituntergebrachten Patienten im Maßregelvollzug zu iden-
tifizieren und systematisch darzustellen. Folgende Fragestellungen lagen ihr
zu Grunde:
- Welche Erfahrungen machen Patienten in der Langzeitunterbringung im
Maßregelvollzug in Deutschland?
- Welche sozialen Interaktionen treten zwischen langzeituntergebrachten
Patienten und Menschen ihrer Umgebung auf?
- Wie erleben Patienten die zeitlich unbefristete Unterbringung?
Vorgehen
Vorausgegangen ist eine systematische Literaturrecherche im englisch- und
deutschsprachigen Raum und eine Bewertung relevanter Publikationen. Die
Recherche ergab keine vergleichbaren Forschungsarbeiten.
Nach dem ethischen Clearing wurden mittels eines qualitativen Forschungs-
ansatzes, der Phänomenographie, Daten bei 11 Patienten erhoben, welche 5
bis 22 Jahre im Maßregelvollzug untergebracht sind. Narrative Interviews
und offene Beobachtungen wurden durchgeführt. Sämtliches Datenmaterial
wurde protokolliert bzw. transkribiert und über das qualitative Analysepro-
gramm MAXQDA© nach dem methodischen Vorgehen von Sjöström und
Dahlgren (2002) sowie Larsson und Holmström (2007) ausgewertet. Der
Analyseprozess der Phänomenographie umfasste acht Phasen:
324
- Eingewöhnung in das empirische Material durch Lesen,
- Sammlung relevanter Textpassagen,
- Kondensierung und Reduktion zentraler Textstellen,
- Benennung von Kategorien und Gruppierung,
- Ausschluss von Kodierungen,
- Vergleich von Kategorien in den Interviews und Hierarchisierung der
Themen mit ihren Variationen,
- Kontrastierender Vergleich von Kategorien und
- Spektrum sämtlicher empirisch festgestellter Verständnisse.
Während des gesamten Forschungsprozesses erfolgte der regelmäßige und
intensive Austausch mit einer Peer-Group.
Ergebnisse
Neun zentrale Phänomene in Bezug auf die Erfahrungen von langzeitunter-
gebrachten Patienten im Maßregelvollzug wurden identifiziert. Im Analyse-
verfahren wurden sie einer hierarchischen Einstufung unterzogen:
Kontakt und Beziehung zu Mitarbeitern, Sexualität und Partnerschaft, Auto-
nomie der Patienten, Macht der Institution und der Mitarbeiter, Zwangs-
maßnahmen, Kontakt und Beziehung zu Mitpatienten, Therapien, Lockerun-
gen und langfristige und unbefristete Unterbringung.
Weitere thematische Variationen, welche von der Bedeutung her weiter
unten angesiedelt sind, bilden: Räumliche Unterbringung, Befinden und
Umgang mit Unterbringung, agesaktivitäten, Kontakte der Patienten zu
Angehörigen, materielle Bedürfnisbefriedigung durch Angehörige, Kontakte
und Beziehung zu weiteren Personen außerhalb der forensischen Einrich-
tung, Misshandlung unter Patienten, Rehabilitation und Entlassung, Ein-
schätzbarkeit, Gerichtsverfahren und Anhörungen, Wünsche, Unterbrin-
gungsbedingungen und Unterbringung außerhalb des Maßregelvollzuges.
Die Phänomene werden im Rahmen eines kontrastierenden Vergleiches und
mittels des Outcome Spaces dargestellt, welcher das kollektive Verständnis
325
von Patienten in Bezug auf Erfahrungen in der Langzeitunterbringung in
seinen Variationen bildet.
Diskussion und Schlussfolgerung
Die Ergebnisse sollten genutzt werden, um im Maßregelvollzug beschäftigte
Berufsgruppen für Erfahrungen langzeituntergebrachter Patienten zu sensi-
bilisieren. Es gestattet den Professionen die Perspektive der Patienten zu
verstehen und eigene Handlungsweisen zu reflektieren.
Die Erkenntnisse sollten in Curricula zur Aus-, Fort- und Weiterbildung von
Beschäftigten aufgenommen und zu deren Sensibilisierung genutzt werden.
326
83. Expertinnen und Experten durch Erfahrung in der Pflege-
ausbildung – Gewinn oder nur zusätzlicher Aufwand?
Fabio Razzai
Hintergrund
Die Entwicklung, Menschen mit psychiatrischen Krankheitserfahrungen als
Expertinnen und Experten durch Erfahrung in die Pflege einzubeziehen, ist
auch in der Pflegeausbildung angekommen. Es wurde literaturgestützt der
Frage nachgegangen, welche Auswirkungen der Einbezug von Menschen mit
Psychiatrie-Erfahrungen hat. Für die Beantwortung der Frage wurden drei-
zehn Studien aus dem englischen Sprachraum bearbeitet. Die Resultate
wurden den Lernebenen aus dem Evaluationsmodell von Kirkpatrick zuge-
ordnet.
Sichtweisen der Beteiligten
Die Studierenden beurteilen den Unterricht mit Psychiatrie-Erfahrenen posi-
tiv. Der Einbezug wird unterstützt und als Chance gesehen. Die Studieren-
den beurteilten den Unterricht als lehrreich 1-5. Insgesamt beurteilten die
Psychiatrie-Erfahrenen den Einbezug als sinnvoll und sie waren zufrieden
mit der Beteiligung. In der Studie 6 wurde darauf hingewiesen, dass Psy-
chiatrie-Erfahrene für Feedbacks miteinbezogen werden sollen, jedoch nicht
in beurteilende Situationen. Die Bereitschaft, sich am Unterricht zu beteili-
gen, war hoch 7. Bei einzelnen Psychiatrie-Erfahrenen verursachte der
Unterricht Stress 10. Die Rückmeldungen der Lehrpersonen waren positiv
8-10.
Veränderung in Einstellung, Wissen und Fertigkeiten
Wissen und Fertigkeiten wurden erhöht 13. In der Studie 11 wurde fest-
gestellt, dass bei 12 der 26 Studierenden der Einbezug eine Veränderung im
Sinne des transformativen Lernens ausgelöst hat. Inputs durch Psychiatrie-
327
Erfahrene führen zu weniger Verwendung von Fachsprache, mehr Empathie
und weniger Distanz 12.
Verhaltensänderung und Auswirkungen auf die Praxis
Die Studierenden mit Unterricht durch Psychiatrie-Erfahrene wählten einen
individuelleren Ansatz beim Assessment und bei den Pflegeinterventionen
12. Das soziale Funktionsniveau von betreuten Patienten hat sich im Un-
terschied zu einer Vergleichsgruppe erhöht 13.
Schlussfolgerungen
Aufgrund der mehrheitlich positiven Resultate aus den Studien zeigt sich,
dass der Einbezug von Psychiatrie-Erfahrenen in die Pflegeausbildung ein
Gewinn ist.
Für den weiteren Nachweis über die Auswirkungen müssen im deutschspra-
chigen Raum mehr Erfahrungen gesammelt, evaluiert und publiziert werden.
Literaturangaben:
1. O’ Donnell, H., & Gormley, K. (2012). Service user involvement in nurse education: perceptions of mental health nursing students. Journal of Psychiatric and Mental Health Nursing, no–no.
2. Ikkos, G. (2003). Engaging patients as teachers of clinical interview skills. Psychi-atric Bulletin, 27(8), 312–315.
3. Rush, B., & Barker, J. H. (2006). Involving mental health service users in nurse education through enquiry-based learning. Nurse Education in Practice, 6(5), 254–260.
4. Khoo, R., McVicar, A., & Brandon, D. (2004). Service user involvement in post-graduate mental health education. Does it benefit practice? Journal of Mental Health, 13(5), 481–492.
5. Stickley, T., Rush, B., Shaw, R., Smith, A., Collier, R., Cook, J., … Roberts, S. (2009). Participation In Nurse Education: the Pine project. The Journal of Mental Health Training, Education and Practice, 4(1), 11–18.
6. Stickley, T., Stacey, G., Smith, A., Betinis, J., Pollock, K., & Fairbank, S. (2010). Developing a service user designed tool for the assessment of student mental health nurses in practice: A collaborative process. Nurse Education Today, 31(1), 102–106.
328
7. Meehan, T., & Glover, H. (2007). Telling our story: Consumer perceptions of their role in mental health education. Psychiatric Rehabilitation Journal, 31(2), 152–154.
8. Jha, V., Quinton, N. D., Bekker, H. L., & Roberts, T. E. (2009). What educators and students really think about using patients as teachers in medical education: a qualitative study. Medical Education, 43(5), 449–456.
9. Debyser, B., Grypdonck, M. H. F., Defloor, T., & Verhaeghe, S. T. L. (2011). In-volvement of inpatient mental health clients in the practical training and assess-ment of mental health nursing students: Can it benefit clients and students? Nur-se Education Today, 31(2), 198–203.
10. Walters, K., Buszewicz, M., Russell, J., & Humphrey, C. (2003). Teaching as thera-py: cross sectional and qualitative evaluation of patients’ experiences of under-graduate psychiatry teaching in the community. BMJ, 326(7392), 740.
11. Rush, B. (2008). Mental health service user involvement in nurse education: A catalyst for transformative learning. Journal of Mental Health, 17(5), 531–542.
12. Wood, J., & Wilson-Barnett, J. (1999). The influence of user involvement on the learning of mental health nursing students. Journal of Research in Nursing, 4(4), 257–270.
13. Barnes, D., Carpenter, J., & Dickinson, C. (2006). The outcomes of partnerships with mental health service users in interprofessional education: a case study. Health and Social Care in the Community, 14(5), 426–435.
329
84. Die Phasenuhr - ein integratives Modell der Eskalations-
und Deeskalationsentwicklung
Cornelia Schindler, Erich Hoffmann
Hintergrund
Seit einigen Jahren entwickelt eine Arbeitsgruppe an unserer Institution ein
Aggressionsmanagement. Bislang bestand dieses Projekt im Wesentlichen
aus einer Schulung von Pflegepersonen in Techniken kommunikativer Dees-
kalation sowie in verschiedenen Körpertechniken. Inzwischen nimmt auch
der ärztliche Dienst an Schulungen in Körpertechniken teil. Aktuell steht der
Schritt an, im Sinne des State of the Art [1] alle Berufsgruppen der Instituti-
on in ein umfassendes und übergreifendes Konzept zu integrieren.
Problemstellung
Dazu brauchten wir einerseits verschiedene, auf die einzelnen Berufsgrup-
pen und Funktionsstellen zugeschnittene Schulungsmodule. Andererseits
brauchten wir auch ein theoretisches Modell, dass diese gesamte Bandbrei-
te in ein Gesamtkonzept zusammenführt, von dem aus wiederum die Modu-
le einander zugeordnet und aufeinander abgestimmt werden können. Dies
wiederum ist von eminenter Bedeutung für das Management.
330
Ziele
Management, Schulungskonzept, Bedarf der Mitarbeitenden und
Monitoring der Prozesse sollen sich von einem gemeinsamen Mittelpunkt
aus organisieren können sowie eine gemeinsame Sprache haben. Überdies
soll es möglich sein, den laufend sich verändernden State of the Art zu
integrieren.
Vorgehen
Ursprünglich als rein didaktische Hilfskonstruktion beabsichtigt, entwickel-
ten wir das Modell der Phasenuhr, das sich im weiterführenden Prozess als
unsere Antwort auf die Problem- und Zielformulierung herausstellte. Die
Phasenuhr benennt und beschreibt 12 Phasen eskalativer und deeskalativer
Entwicklungen im weiteren Sinn, um diesen Phasen jeweils Merkmale, In-
terventionstypen, Schulungsmodule und organisatorische Anforderungen
zuzuordnen. Die Phasenuhr selber wiederum organisiert sich vom Gedanken
der Prävention her. Prävention ist kein eindimensionaler Prozess, sondern
differenziert sich selber in Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention [2]
sowie das Moment dessen, was Prävention verhüten will: Dem größten
anzunehmenden Unglücksfall.
Zur Prävention von Aggressionsereignissen gehören einerseits Maßnahmen
der Institution, von baulichen Einrichtungen bis zu Unterstützungsangebo-
ten. Andererseits aber können die Betroffenen selbst etwas dazu tun, und
darin sollen die Seminare sie schulen: In Fragen der Theorie, der konkreten
Anwendung, des vorbeitenden Sich-Übens und des pragmatischen Wissens
um Verfahrenswege.
Zu den Modulen der Schulungen gehören:
- Integration der Erwartungen und Bedürfnisse der Teilnehmenden
- Modell der Eskalationsentwicklung
- Präventionsmodell aggressiver Eskalationen
- Interaktionsmodell in eskalierenden Kommunikationssituationen
331
- Modell der eigenen Emotionsregulierung unter Stresserleben
- Systematisierte Fertigkeiten zur Selbststabilisierung
- Ablaufpläne und „Drehbücher“ zum Training von Krisentechniken
- Körperarbeit
- Verfahrenswege und Unterstützungsangebote
Ergebnisse und Erfahrungen
Die Phasenuhr ist bereits in die Schulungsmodule übergegangen, sowohl
inhaltlich, als auch im Sinne einer Orientierung der Dozierenden. Die Kom-
munikation der AG und des Managements über eskalative Entwicklungen
nutzt bereits Begriffe aus dem Modell.
Zu den managementrelevanten Themen aus dem Umkreis der Phasenuhr
gehören:
- Bereitstellung von Ressourcen für Reflexion und Schulungen
- Organisierung eines Notruf-, Melde- und Monitoringsystems
- Vernetzung mit klinikinternen und -externen Institutionen
- Bereitstellung eines Nachsorgepfads
Diskussion und Schlussfolgerung
Entwicklung und Praxistransfer der Phasenuhr stehen in einem noch sehr
frühen Stadium. Verschiedene Berufsgruppen brauchen nicht nur deswegen
verschiedene Angebote, weil sie auf verschiedene Weisen in aggressive
Eskalationen verwickelt werden können, sondern auch, weil sie verschiede-
ne Kompetenzen mitbringen. Unser Angebot möchte mit diesen Kompeten-
zen arbeiten und sie weiterentwickeln. Dies bedeutet nichts anderes als eine
Weiterentwicklung der Institution.
Literatur
1. S2 Praxisleitlinie DGPPN 2010
2. Walter et. al. 2012
332
85. Aufsuchender Gerontopsychiatrischer Interdisziplinärer
Liaison-Dienst – ein Projekt von hochspezialisierter psychi-
atrischer Pflege
Ruth Schmid, Heidi Sommer
Hintergrund
Der „Aufsuchende Gerontopsychiatrische Interdisziplinäre Liaison-Dienst“
(AGIL) der Klinik für Alterspsychiatrie der PUK Zürich wurde als Ergänzung zu
den stationären Therapien und zum momentan ärztlichen Konsiliar-/Liaison-
Dienst der Klinik entwickelt. Die interdisziplinäre Behandlung der alterspsy-
chiatrischen Patientinnen und Patienten optimiert die Versorgung dieser
Personen im häuslichen Umfeld oder in den Alters-und Pflegeheimen (APH)
der Region. Der Dienst ist interdisziplinär aufgebaut und besteht aus ÄrztIn,
Pflegeexpertin und Sozialdienst. Der Start des Projektes erfolgte im Juni
2014. Im folgenden Beitrag wird auf die Rolle der Pflegeexpertin bei AGIL
fokussiert.
Ziele
- Durch Einbezug der Pflegeexpertin durch AGIL werden pflegerische In-
terventionen im häuslichen Umfeld möglich und die Autonomie ver-
stärkt.
- Das soziale Umfeld der Patienten und Patientinnen kann mehr einbezo-
gen und bessere Angehörigenbetreuung gewährleistet werden.
- Durch Teaching/Fallbesprechung in den APH wird die alterspsychiatri-
sche Kompetenz der Betreuer und Betreuerinnen verbessert und die Be-
treuungsqualität für die Patienten und Patientinnen erhöht.
333
Voraussetzungen für die Pflegeexpertin
Die Pflegeexpertin verfügt über vertieftes Wissen und Kompetenzen in Ge-
rontopsychiatrie, Gerontologie, Demenz, Delir, Herausforderndes Verhalten
bei Demenz.
Angebote
- Einzelberatung von älteren Personen im häuslichen Umfeld oder im APH
auch unter Beizug von Angehörigen
- Fallbesprechungen in den APH’s (BewohnerInnen-bezogen, für Pflegen-
de)
- Schulungen/Fortbildungen in den APH’s für Pflegende
Erste Erfahrungen und Erkenntnisse
Erfahrungen zeigen, dass für den aufsuchenden Dienst durch die Pflegeex-
pertin ein grosser Bedarf besteht. Pflegende in den APH's stossen bei den
Bewohnerinnen und Bewohnern mit psychischen Auffälligkeiten an ihre
Grenzen und benötigen Fachinputs und Beratung, damit die Bewohnerinnen
und Bewohner am angestammten Ort verbleiben können. Ausschlaggebend
für eine Anfrage an die Pflegeexpertin ist häufig ein herausforderndes Ver-
halten eines Bewohners/einer Bewohnerin. Zur Ausführung dieser Tätigkeit
wird eine enorme Fachexpertise der Pflegenden benötigt (Pflegeexpertin
plus Erfahrung in Psychiatrie und Gerontopsychiatrie plus Interesse an am-
bulanter Tätigkeit). AGIL stellt durch den Einbezug der Pflegeexpertin eine
äusserst sinnvolle Erweiterung und Ergänzung dar und sollte weiter etabliert
werden.
334
86. Versorgungsforschung in der stationären psychiatrischen
Krankenhausbehandlung in Deutschland anhand des VIPP-
Projektes
Michael Schulz, Michael Löhr, André Nienaber
Einleitung
Versorgungsforschung „untersucht die Wirksamkeit von Versorgung unter
Alltagsbedingungen und sucht neue Lösungsansätze für ein qualitativ hoch-
stehendes Gesundheitssystem“ [1]. Nach Pfaff et al. [2] kann Versorgungs-
forschung unterschiedliche Blickrichtungen einnehmen, aus der die Versor-
gung analysiert wird. Die Prävalenz, Ursachen und Auswirkungen von Unter-
, Über- oder Fehlversorgung sowie die Wechselwirkung von Diagnostik und
Therapie sind u. a. als zentrale Fragestellungen und Schwerpunkte des in-
terprofessionellen Forschungsfeldes „Versorgungsforschung“ [3] anzusehen
[4]. Im Gegensatz zu Wirksamkeitsstudien unter Laborbedingungen steht im
Rahmen der Versorgungsforschung die Evaluation von Ergebnisparametern
in realen Versorgungssettings im Vordergrund. Die Bedeutung der Versor-
gungsforschung ergibt sich aus einer Reihe von unterschiedlichen Faktoren.
Das Beispiel VIPP: Die Nutzung von Routinedaten in der
Akutpsychiatrie
Die stationäre Akutpsychiatrie stellt im Rahmen der psychiatrischen Versor-
gung ein wichtiges Feld dar. Konstitutiv für stationäre Einrichtungen allge-
mein ist die Möglichkeit zur Unterbringung über mindestens eine Nacht.
Krankenhäuser sind Teil der akutpsychiatrischen Versorgung, in denen die
intensive, aktive und fortdauerende ärztlich verantwortete Betreuung ge-
leistet wird.
Zu Versorgungsfragen der stationären psychiatrischen Versorgung gibt es
bisher wenig Datensätze, welche belastbare Aussagen zulassen. Mit dem
Versorgungsforschungsprojekt „Versorgungsrelevante Indikatoren in Psychi-
335
atrie und Psychosomatik (VIPP)“ haben die DGPPN und Kooperationspartner
einen Datenpool aufgebaut, der durch den §21 KHEntgG der 47 teilnehmen-
den Kliniken gespeist wird [5]
Methodisch wird zur Beantwortung von Fragen zur Versorgung eine Analyse
von Routinedaten durchgeführt. Routinedaten sind definiert als prozesspro-
duzierte, umfangreiche Informationssammlungen, die im Rahmen der Ver-
waltung, Leistungserbringung bzw. Kostenerstattung anfallen und elektro-
nisch erfasst werden. So lassen sich größere Zusammenhänge darstellen und
umfangreichere Stichproben zur Beantwortung zentraler Versorgungsfragen
heranziehen.
Im VIPP Projekt konnten bisher die Daten von Patienten aus 47 Kliniken für
spezielle Fragestellungen herangezogen werden.
Versorgungsrelevante Forschungsfragen der Pflege an den VIPP
Datensatz
Die Beteiligung der Pflege und das Einbringen der pflegewissenschaftlichen
Perspektive in der Versorgungsforschung im Kontext von Sekundärdaten
eröffnet eine breitere Herangehensweise und kann spezielle pflegerelevante
Fragestellungen fokussieren. Im Rahmen des VIPP-Projektes konnten bereits
erste pflegerelevante Erkenntnisse herausgearbeitet werden. So zeigt eine
aktuelle Untersuchung von Löhr et al. [6] zur Leistungsdokumentation durch
Therapieeinheiten auf der Grundlage der VIPP-Daten einerseits, dass Pfle-
gende- und Spezialtherapeuten signifikant mehr Therapieeinheiten doku-
mentierten und andererseits, dass eine Reihe von Patienten nicht durch die
Therapieeinheiten erreicht werden konnte.
Die Ergebnisse von Sekundärdatenanalysen müssen konservativ interpre-
tiert werden, da die Daten nicht zu Forschungszwecken erhoben wurden.
Vielmehr werden sie zu Abrechnungszwecken genutzt und können daher
einem „reporting bias“ unterliegen. Ein grundlegender Vorteil von Routine-
daten ist allerdings, dass sie unter Alltagsbedingungen entstehen und damit
336
die „letzte Meile“ des Gesundheitssystems, also die aktuelle Versorgung
abbilden.
Schlussfolgerung
Das VIPP-Projekt verfügt über einen der umfangreichsten und aussagekräf-
tigsten Datensätze im gesamten deutschsprachigen Raum. Mit der Beteili-
gung der psychiatrischen Pflegewissenschaft stehen der Pflege in Deutsch-
land Daten zur Beantwortung von Versorgungsfragen zur Verfügung.
Literatur
1. Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (2014). Stärkung der Versorgungsforschung in der Schweiz. Im Internet: http://www.samw.ch/de/Aktuell/News/mainColumnParagraphs/010/detail_files/file/SAMW_Versorgungsforschung_1.pdf [Stand:11.06.2014]
2. Pfaff, H.; Glaeske, G.; Neugebauer, E.A.M. et al. (2009). Memorandum III: Me-thoden für die Versorgungsforschung (Teil I). Gesundheitswesen, 71 (8/9), 505-510.
3. Ausserhofer, D.; Schwendimann, R.; De Geest, S. (2014). Versorgungsforschung in der Pflege. In: SAMW (Hrsg.). Stärkung der Versorgungsforschung in der Schweiz. 9 (1), S.39-40. Basel: Schweizerische Akademie der Medizinischen Wis-senschaften.
4. Glaeske G.; Augustin M.; Abholz H. et al. Epidemiologische Methoden für die Versorgungsforschung. Gesundheitswesen, 71 (10), 685-693
5. Godemann F.;Falkai P.; Hauth I et al. (2013). Pauschalierendes Entgeltsystem in der Psychiatrie und Psychosomatik. Nervenarzt, 84, 864-868
6. Löhr, M., Nitschke, R., Schulz, M., Wolter, A., Hennings, A., Wolff-Menzler, C. & Behrens, J. (2014). Leistungsdokumentation durch Therapieeinheiten bei statio-när behandelten Menschen mit dementieller Erkrankung – erlauben Sie Rück-schlüsse auf das Leistungsgeschehen? Eine explorative Analyse. Das Gesund-heitswesen, eFirst.
337
87. Gerontopsychiatrie in Bewegung
Andrea Trost
Hintergrund
Ein wichtiger Bestandteil der nicht-medikamentösen Behandlung in der
gerontopsychiatrischen Versorgung ist die körperliche Aktivierung. Erkennt-
nisse zu zielgerichtetem, strukturiertem Bewegungstraining deuten auf eine
gute Machbarkeit und positive Effekte hin [1]. Der sich in der Entwicklung
befindliche Nationale Expertenstandard (BRD) zur Erhaltung und Förderung
der Mobilität in der Pflege gibt Rahmenbedingungen vor, welche die Versor-
gung diesbezüglich sicherstellen und verbessern sollen [2].
Problemstellung
Vor dem aktuellen Hintergrund gilt es, innovative interdisziplinäre Interven-
tionen zur strukturierten, gezielten Förderung und zum Erhalt der Mobilität
zu etablieren. Das Projekt „Gerontopsychiatrie in Bewegung“ der Disziplinen
Pflege(wissenschaft), Medizin und Sportgerontologie der Abteilung Geron-
topsychiatrie der LVR Klinik-Köln soll diesem Auftrag in Zusammenarbeit mit
der Deutschen Sporthochschule nachkommen.
Ziel
Die körperliche Aktivierung ist als ein Schwerpunkt der gerontopsychiatri-
schen Versorgung etabliert und die Patienten werden befähigt, diese zielge-
richtet in den Alltag zu integrieren.
Vorgehen
Seit Frühjahr 2013 werden schrittweise neue Interventionen zur Bewe-
gungsförderung und zum Erhalt der Mobilität in den Versorgungsalltag inte-
griert. Exemplarisch zwei Interventionen:
338
Der bewegte Flur
In den Fluren der Stationen und Tageskliniken wurden je 7 Poster mit all-
tagsnahen Bewegungsübungen in DIN-A-0-Format unter Berücksichtigung
didaktischer und bewegungstherapeutischer Ansätze installiert. Die Übun-
gen dienen der Verbesserung der Beweglichkeit, der Kraft-, Ausdauer- und
Gleichgewichtsfähigkeit, die Durchführung dauert wenige Minuten. Die
Pflegenden klären diesbezüglich auf, motivieren und leiten an. Bewegungs-
therapeuten führen die Maßnahmen ergänzend durch.
Tagesstruktur: Das Trainingskarussell
An 3 Wochentagen werden, über den Tag verteilt, je vier 30-minütige Ein-
heiten angeboten. Die Trainings umfassen Gleichgewichts- und Kraftübun-
gen. Dies schafft ein grundlegendes Aktivitäts- und Ruhemuster. Viele
Übungen sind nach der Entlassung weiterhin mit geringem Aufwand durch-
führbar.
Ergebnisse/Erfahrungen
Die körperliche Aktivierung entwickelt sich zu einem multidisziplinären Be-
handlungsschwerpunkt. Der bewegte Flur wird von den Patienten gut ange-
nommen. Ergebnisse zu den Effekten können bislang lediglich aus den Aus-
sagen der Patienten und den Beobachtungen der Mitarbeitenden abgeleitet
werden, welche Übungen, Auswirkungen und Integration in den klinischen
Alltag als positiv bezeichnen. Den meisten der Teilnehmenden am Trai-
ningskarussell gelang es, kontinuierlich mehr als 180 Minuten/Woche in
diesem Kontext aktiv zu sein. Dies spricht für eine gute Realisierbarkeit und
für die Bereitschaft der Patienten, sich hierauf einzulassen. Bei den Teil-
nehmenden war im Rahmen der Krankenbeobachtung eine Stabilisierung
des Tag-Nacht-Rhythmus feststellbar. Herausforderndes Verhalten, wenn
zuvor aufgetreten, trat in den Nachmittags- und Abendstunden weniger
ausgeprägt auf. Bei einigen Patienten war eine reduzierte Vergabe der
abendlichen Sedativa und Hypnotika möglich.
339
Diskussion
Erste Erfahrungen weisen auf einen erfolgversprechenden Ansatz in der
nicht-medikamentösen gerontopsychiatrischen Behandlung hin. Weiterfüh-
rend stellt sich die Frage, ob durch eine Übertragung dieser Maßnahmen in
den häuslichen Bereich der Betroffenen eine Reduktion klinischer geron-
topsychiatrischer Behandlungsbedürftigkeit erreicht werden kann. Zu vali-
dieren ist, ob Neuroleptika reduziert werden können, wenn die körperliche
Aktivität gezielt gefördert und erhöht wird.
Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf die Gesamtentwicklung geron-
topsychiatrischer Erkrankungen, insbesondere Demenzerkrankungen, gilt es
zu erforschen und mit validen Ergebnissen zu bestätigen.
Schlussfolgerung/Ausblick
Die zeitnahe Erweiterung des Trainingskarussells auf weitere Wochentage
ist geplant.
Eine wissenschaftliche Evaluation der Interventionen ist unerlässlich zur
Generierung valider und evidenzbasierter Resultate. Einen Beitrag hierzu
wird die von der Abteilung Gerontopsychiatrie der LVR-Klinik Köln in Koope-
ration mit der Deutschen Sporthochschule geplante randomisiert-
kontrollierte Studie zur Evaluation des Trainingskarussells liefern [3]. Hierbei
wird durch den Einsatz von Bewegungssensoren unabhängig von Testsitua-
tionen eine innovative objektive Möglichkeit zur Erfassung und Analyse von
Mobilität und körperlicher Aktivität entwickelt und erprobt [4].
Zur systematischen Evaluation der Interventionen und umfassenden Ge-
währleistung eines evidenzbasierten Pflegeprozesses wird ab 09.2014 die
Nursing-Outcomes-Classification (NOC) [5] in den Pflegeprozess integriert.
Die Maßnahmen werden in diesem Kontext anhand der Nursing-
Interventions-Classification (NIC) [6] geplant.
Im Rahmen des Projekts sind weitere Maßnahmen geplant, zum Beispiel:
- „Fit für 100“, ein Bewegungsangebot für Hochaltrige zur Förderung der
Mobilität und Selbständigkeit.
340
- Erstellung von Informationsmaterial für Patienten/Angehörige.
- Anreize für Mitarbeitende, die eigene körperliche Aktivität zu fördern.
Literatur
1. Steinert, T., Bohnet, U., Flammer, E., Lüchtenberg, D., & Eisele, F. (2009). Effekte eines Kraft- und Bewegungstrainings auf die Fixierungshäufigkeit bei Demenzpa-tienten in der stationären gerontopsychiatrischen Versorgung. Psychiatrische Praxis, 36(06), 273–278.
2. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (2014). Arbeitsunter-lagen zur Fachkonferenz zum Expertenstandard nach § 113a SGB XI Thema: Er-haltung und Förderung der Mobilität in der Pflege. Osnabrück: Deutsches Netz-werk für Qualtiätsentwicklung in der Pflege: interne Publikation.
3. Fleiner, T., Eichberg, S., Zijlstra, W. & Häussermann, P. (2014). Trainingskarussell bei Demenzerkrankung - Aktivieren um zu Deaktivieren. Ein Pilotprojekt zur kör-perlichen Aktivierung in der stationären gerontopsychiatrischen Versorgung. In Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.): Vol. 103. DRV-Schriften, 23. Rehabili-tationswissenschaftliches Kolloquium. Arbeit - Gesundheit - Rehabilitation (S. 544-545).
4. De Bruin ED, Hubli M, Hofer P, Wolf P, Murer K, Zijlstra W. Validity and reliability of accelerometer based gait assessment in patients with diabetes on challenging surfaces. Journal of Aging Research 2012. Article ID 954378.
5. Moorhead, S.; Johnson M., Maas, M., Swanson, E. (Hrsg.) (2013): Pflegeergebnis-klassifikation NOC. Bern: Hans-Huber-Verlag.
6. Bulechek, G.; Butcher, H.; Dochterman, J.; Wagner, C. (Hrsg.) (2013). Pflegeinter-ventionsklassifikation NIC. Bern: Hans-Huber-Verlag.
341
Hinweise
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autorinnen und Autoren verantwortlich.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden die Autorinnen und Autoren
der Beiträge meist nur die männliche Form. Selbstverständlich sind immer
beide Geschlechter angesprochen.
Die von der deutschen und österreichischen abweichende S-Schreibweise der
Schweiz wurde bei den Beiträgen von Schweizer Autorinnen und Autoren
beibehalten.
342
Autorinnen und Autoren
Ron Adi, Dipl. Pflegefachmann Psychiatrie, seit 7 Jahren auf Station „Schneeberger“ (Schwerpunkt Sucht) in den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern tätig. Aus-bildung in Motivierender Gesprächsführung, Mediation, Dialektische behavorale Therapie (DBT). Kontakt: [email protected]
*Ambrosio Dorothea; Dipl. Pflegefachfrau HF, Schwerpunkt Psychiatrie, seit 7 Jahren
in der Ambulanten psychiatrischen Pflege tätig, mit Schwerpunkt in Aufbau und
Vernetzung der APP in Spitexorganisationen.
Kontakt: [email protected]
Abplanalp Katharina, Primarlehrerin, Expertin durch Erfahrung, Peer Kontakt: [email protected]
*Bachnick Stefanie, examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, Studentin der Pflegepädagogik an der Charité − Universitätsmedizin Berlin, Forschungspraktikantin, Abteilung Forschung/Entwicklung, Direktion Pflege und Pädagogik, Klinik für Psychi-atrie und Psychotherapie an den Universitären Psychiatrischen Diensten (UPD) Bern-Kontakt: [email protected]
Behrens, Johann, Prof. Dr. habil., stellvertretender Institutsdirektor: Pflege- und Gesundheitswissenschaften der Matin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Kontakt: [email protected]
*Berner Markus, Pflegeexperte HöFa II, MAS Mental Health, Dozent BSc-Studiengang Pflege, Berner Fachhochschule Gesundheit. Kontakt: [email protected]
Boinay Franziska, MNS, Wissenschaftliche Mitarbeiterin angewandte Forschung und Entwicklung Pflege, Berner Fachhochschule Gesundheit. Kontakt: [email protected]
Burr Christian, RN, MNSc in Ausbildung, Bereichsleiter Pflege und Pädagogik des Schwerpunktes Psychose an den Universitären Psychiatrischen Diensten (UPD) in Bern. Kontakt: [email protected]
Briggeler Peter, Sozialarbeiter HFS und Präventionsfachmann, Aids Hilfe Bern. Kontakt: [email protected]
343
*Dändliker This, BScN, RN, heroingestützte Behandlung, Spitäler Schaffhausen Spitä-ler Schaffhausen, HeGeBe. Kontakt: [email protected]
*Dech Thomas, Fachkrankenpfleger, Regionalleiter für ambulante Angebote Kontakt: [email protected]
*Dinkel Jürg, Pflegeexperte Erwachsenenpsychiatrie, Clienia Privatklinik Schlössli, CH-8618 Oetwil am See. Kontakt: [email protected]
*Düzenli Hatice, Genesungsbegleiterin, PDAG Klinik Königsfelden. Kontakt: [email protected]
*Ellenberger Urs, Dipl. Pflegefachmann Psychiatrie, HöFa1 Pflege, Führungsfach-mann mit eidg. FA und Master of Advanced Studies Mental Health. Tätig als Leiter Pflege und Behandlungen in der Klinik SGM Langenthal. Kontakt: [email protected]
Felber Eduard, Projektmitglied Skill und Grademix Psychiatrie. Mitglied der Konfe-renz der Pflegedirektoren. Pflegedirektor Psychiatrische Dienste Graubünden. Kontakt: [email protected]
Felber Mischa, Dipl. Pflegefachmann HF Psychiatrie, arbeitet als Pflegefachmann auf der Station C1 für Depressionen und Angsterkrankungen in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Kontakt: [email protected]
*Finklenburg Udo, Dipl. Pflegefachmann Psychiatrie Er führt gemeinsam mit 4 weite-ren Pflegefachleuten kollektiv den ambulanten psychiatrischen Pflegedienst "just do it und ist Präsident des "Verein Ambulante Psychiatrische" Pflege. Kontakt: [email protected]
Fleischhauer Thierry, Fachpfleger für Psychiatrie, seit 14 Jahren Stationsleiter in der Akutpsychiatrie des Centre Hospitalier du Luxembourg Kontakt: [email protected]
*Frey Barbara, Pflegeexpertin Höfa II, dipl. Pflegefachfrau HF Psychiatrie, arbeitet als Pflegeexpertin an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich Kontakt: [email protected]
*Freyer, Sonja, BA Pflegewissenschaft & Public Health, Studierende Master APN 4. Semester, Fachgesundheits- und Krankenpflegerin für allgemeine Psychiatrie, Mit-glied der Akademischen Fachgesellschaft Advanced Practice Nursing Mental Health Care (AFG APN MHC), Köln (D) Kontakt: [email protected]
344
*Gähler-Schwab Béatrice, Just do it, Büren an der Aare, Schweiz Kontakt: [email protected]
Gantschnig Günter, Mag., Pflegeexperte,Projektmitglied Skill und Grademix Psychi-atrie Mitglied der Akademische Fachgesellschaft Psychiatrie des Schweizerischen Vereins für Pflegewissenschaft (VFP) , Pflegeexperte Psychiatrisches Zentrum Appen-zell Ausserrhoden. Kontakt: [email protected]
Gartenmann Roger, Betroffener, Peer im wissenschaftlichen Beirat der Modellpro-jekte der Psychiatrischen Dienste Thurgau
Gaudenz Clergia, BSc. Nursing, Berufsschullehrerin, Bildungszentrum für Gesundheit und Soziales, Chur
Gehri Beatrice, BSc. Nursing, Pflegefachfrau, Abteilung für Affektive-, Stress- und Schlafstörungen, Universitäre Psychiatrische Kliniken, Basel Kontakt: [email protected]
*Gießler Wolfram, Lehrer für Pflegeberufe, BBA, Dozent und Organisationsberater für Pflegemanagement und Personalentwicklung, Lehrbeauftragter der Hamburger Fernhochschule im Studiengang Gesundheits- und Sozialmanagement, tätig im BiG Bildungsinstitut im Gesundheitswesen in Essen Kontakt: [email protected]
Graber Linda, Dipl. Pflegefachfrau Psychiatrie, Berufsbildnerin, seit 10 Jahren in verschiedenen Bereichen der Pflege Tätig (Haus der Pflege, Akutpsychiatrie, Sucht-bereich etc.). Seit 4 Jahren in den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern (UPD) im Bereich Akutpsychiatrie tätig. Kontakt: [email protected]
Grieser Manuela, examinierte Krankenschwester, Diplom-Pflegewirtin (FH), M.A. Erwachsenenbildung, Studienleiterin Weiterbildung und Dienstleistungen, Dozentin an der Berner Fachhochschule, Fachbereich Gesundheit. Kontakt: [email protected]
Hahn Sabine, Prof. PhD, MNS, CNS, dipl. Pflegefachfrau Psychiatrie, Leiterin ange-wandte Forschung und Entwicklung Pflege der Berner Fachhochschule, Schweiz. Sie ist Gastprofessorin an der University of Central Lancashire (UK) in der School of Mental Health Nursing. Sabine Hahn engagiert sich für Kompetenz- und Qualitäts-entwicklung und deren Messung in der Pflege sowie zukünftige Anforderungen an Gesundheitsberufe. Sie beschäftigt sich zudem mit Forschung in der psychiatrischen und psychosoziale Pflege sowie Aggressions- und Sicherheitsforschung im Gesund-heitswesen. Hahn ist zudem Kontakt: [email protected]
345
Hamann Ursula, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Agap-lesion Diakonieklinikum Rotenburg gGmbH
Stefan Harald PhD., MSc., Dipl. psychiatrischer Gesundheits- und Krankenpfleger, im Sozialmedizinischen Zentrum Baumgartner Höhe - Otto Wagner Spital, Wien/A.
*Hegedüs Anna, Mag., wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung For-schung/Entwicklung, Direktion Pflege und Pädagogik, Klinik für Psychiatrie und Psy-chotherapie an den Universitären Psychiatrischen Diensten (UPD) Bern, Doktorandin der Graduiertenschule „Partizipation als Ziel von Pflege und Therapie“ der Internati-onalen Graduiertenakademie der Universität Halle – Wittenberg. Kontakt: [email protected]
Heimann Regine, Dipl.-Soz.Pädagogin, Pädagogische Klinikleiterin, Kinder- und Ju-gendpsychiatrische Klinik, Universitäre Psychiatrische Kliniken, Basel
*Heinsch Anna, Pflegeexpertin, B.SC. Pflegewissenschaften, ZfP Südwürttemberg Kontakt: [email protected]
*Hirschi Susanne, Berufsschullehrerin, Bildungszentrum Gesundheit und Soziales Olten, Studentin im Bachelor Studiengang Pflege der Kalaidos Fachhochschule Schweiz
*Hoffmann Sven, Dipl. Psychiatriepflegefachmann, Pflegeexperte MNS, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Liestal. Kontakt: [email protected]
*Hohl Lukas, Pfarrer, Psychologischer Berater (PCA), Dipl. Experte durch Erfahrung, seit 2 Jahren in den Akut-Stationen B2/1 und D3 im Sanatorium Kilchberg tätig. Kontakt: [email protected]
*Holzke Martin, M.A. Pflegewissenschaft, Gesundheits- und Krankenpfleger, ZfP Südwürttemberg. Kontakt: [email protected]
Hollwich Sebastian, Dr. sc. med., Dipl.-Psych., Postdoc, Abt. Klinische Ethik, Universi-täre Psychiatrische Kliniken, Basel
*Hemkendreis, Bruno, Pflegeexperte LWL-Klinikum Gütersloh, Vizepräsident der Deutschen Fachgesellschaft Psychiatrische Pflege (DFPP), Fachbeitrat PsychPflege Heute Kontakt: [email protected]
*Hoffmann Erich, Krankenpfleger, Krankenpfleger für Psychiatrie, Deeskalations- und Schutztechniktrainer, Mentor für Pflegeberufe. Kontakt: [email protected]
346
Husemann Malte, B.A., Gesundheits- und Krankenpfleger, LWL-Klinikum Gütersloh, Buxelstr. 50, 33334 Gütersloh. Kontakt: [email protected]
*Jensen Majbritt, MScN, Leiterin Fachentwicklung Pflege in der Privatklinik Meirin-gen. Kontakt: [email protected]
*Kämmer, Wolfram, Klinischer Pflegeentwickler (B.Sc.) Abteilung Abhängigkeitser-krankungen, seit 16 Jahren in der Psychiatrischen Klinik des EvKB tätig. Kontakt: [email protected]
*Klees Stefan, Gesundheits-und Krankenpfleger, B.A. Psychiatrische Pflege, Case Manager, seit 2010 im LWL Klinikum Gütersloh tätig. Kontakt: [email protected]
*Körber Ralf, dipl. Pflegefachmann HF, PDAG Klinik Königsfelden. Kontakt: [email protected]
*Kolbe Harald Joachim, BScN, MScN, Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), LWL-Maßregelvollzugsabteilung Westfalen, Projektleitung ESF-Teilprojekt MRV – Kontakt: [email protected]
Kolbe Nina, MScN, BScN, RN, Lehre Fachbereich Gesundheit, FHS St. Gallen, Hoch-schule für angewandte Wissenschaften
*Kozel Bernd, examinierter Krankenpfleger, Diplom-Pflegewirt (FH), M.Sc. Nursing, Pflegewissenschaftler in der Abteilung Forschung/Entwicklung, Direktion Pflege und Pädagogik, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie an den Universitä-ren Psychiatrischen Diensten (UPD) Bern, Doktorand der Graduiertenschule „Partizi-pation als Ziel von Pflege und Therapie“ der Internationalen Graduiertenakademie der Universität Halle – Wittenberg. Kontakt: [email protected]
Kühner Edeltraud, Dipl. Pflegefachfrau HF Psychiatrie, Höfa I Pflege, Höfa I Manage-ment, NDS Management in Gesundheitsorganisationen, arbeitet als Stationsleiterin auf der Station C1 für Depressionen und Angsterkrankungen in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich Kontakt: [email protected]
*Kunz Sandra, dipl. Pflegefachfrau FH, Studentin im Masterstudiengang Pflege an der Berner Fachhochschule Kontakt: [email protected]
Kunz Stefan, PhD, M.Sc., Scuola Universitaria della Svizzera Italiana (SUPSI)
347
*Laimbacher Sabrina, MScN, Dipl. Pflegefachfrau Psychiatrie DN2, seit 2001 tätig in den Kantonalen Psychiatrischen Diensten - Sektor Nord, Psychiatrische Klinik Wil, seit 2007 im Bereich der Suchttherapie. Ab Januar 2015 tätig als Advanced Practice Nurse (APN) mit Schwerpunkt Abhängigkeitserkrankungen. Klinische und forschungsbezo-gene Schwerpunkte sind: Abhängigkeitserkrankungen, Persönlichkeitsstörungen, Migration, Zeiterleben, Stellenentwicklung APN. Kontakt: [email protected]
Landua Grit, Krankenschwester, Regionalleitung für den Pflegedienst, M.A. Kontakt: [email protected]
*Lange Woldemar, Jurist, LWL-Maßregelvollzugsabteilung
Lerzer Helmut, stv. Direktor Pflegedienst, PDAG Klinik Königsfelden. Kontakt: [email protected]
*Liechti Dajana, diplomierte Pflegefachfrau Höhere Fachschule Pflege, Berufsbildne-rin, Expertin durch Erfahrung in Ausbildung, Station A2, Behandlungszentrum für Psychosen der Psychiatrischen Dienste der Solothuner Spitäler AG (SoH).
Locher Maya, Leiterin Pflegepädagogik und Ausbildungsverantwortliche, Pflegefach-frau HF Psychiatrie, diplomierte Erwachsenenbildnerin HF, Coach&Supervisor Moti-vierende Gesprächsführung, Sanatorium Kilchberg AG, CH-8802 Kilchberg. Kontakt: [email protected]
*Löhr, Michael, Prof. Dr., Fachhochschule der Diakonie (FHdD), Lehrstuhl Psychiatri-
sche Pflege, Grete-Reich-Weg 9, 33617 Bielefeld.
Kontakt: [email protected]
*Lorenz Peter, Dipl. Sportwissenschaftler, seit 4 Jahren in der Kinder- und Jugend-
psychiatrie des Universitätsklinikums Jena.
Kontakt: [email protected]
Losse Jens, dipl. Pflegefachmann HF, PDAG Klinik Königsfelden. Kontakt: [email protected]
*Lüthi Regula, MPH, Pflegedirektorin Psychiatrische Dienste Thurgau. Psychiatrische Klinik Münsterlingen, Kontakt: [email protected]
*Makowsky Katja, Prof. Dr., MPH, Dipl. Pflegewirtin, Krankenschwester ist seit 4 Jahren Professorin für Pflegewissenschaft in der Lehreinheit Pflege und Gesundheit der Fachhochschule Bielefeld. Ihre Forschungsthemen sind Pflege im psychiatrischen Kontext, Forschung im Zusammenhang mit Elternschaft und Qualitätsforschung im Gesundheitswesen Kontakt: [email protected]
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*Malojer Gerda, Projektmitglied Skill und Grademix Psychiatrie,Mitglied der Akade-mische Fachgesellschaft Psychiatrie des Schweizeri-schen Vereins für Pflegewissen-schaft (VFP), Pflegeexpertin St. Gallische Psychiatrie-Dienste Süd. Kontakt: [email protected]
*Mayr Werner, Fachkrankenpfleger für Psychiatrie, Stationsleiter, seit 18 Jahren auf der Station 41 am Klinikum Heidenheim tätig. Arbeitsschwerpunkte: „Offene Tür“, Vernetzung der stationären und nachstationären Behandlung, psychiatrische Eltern-Kind-Behandlung, Psychiatrie und Spiritualität. Kontakt: [email protected]
*Menne, Martina: Expertin für Anthroposophische Pflege, Ita- Wegman- Klinik, Arlesheim Kontakt: [email protected]
Metzenthin Petra, Prof. Dr., Leiterin Studiengang Master of Science in Pflege an der Berner Fachhochschule, Fachbereich Gesundheit. Kontakt: [email protected]
*Meyer Günter, Krankenpfleger, Historiker Kontakt: [email protected]
Mischke Claudia, Prof. Dr. rer. medic., MPH, Diplom Pflegewirtin (Pflegeexpertise – FH), Dipl. Pflegefachfrau, arbeitet als Dozentin im Master of Science Pflege sowie im Forschungsteam Pflege der Angewandten Forschung und Entwicklung, Dienstleistun-gen an der Berner Fachhochschule. Klinische und forschungsbezogene Schwerpunkte sind: Familiäre Pflege mit den Schwerpunkten pflegende Angehörige & Ressourcen, Pflegerische Diagnostik, Gesundheits- und Krankheitserleben. Sie ist Gutachterin für unterschiedliche wissenschaftliche Fachzeitschriften. Kontakt: [email protected]
*Montandon Aline, Dipl. Pflegefachfrau HF, Bachelor of Science BFH in Pflege, CAS Leadership & Management IAP, Stationsleiterin auf der Aufnahmestation P6-2 der Psychiatrischen Dienste Aargau AG mit dem Schwerpunkt Bipolare Erkrankungen. Kontakt: [email protected]
*Müller Mirjam, cand. BSc an der Berner Fachhochschule Gesundheit, Studiengang Pflege. Kontakt: [email protected]
*Needham Ian, Prof. Dr., Jahrgang 1953, ist Psychiatriepfleger und arbeitet als Leiter Pflegeforschung im Center of Education und Research (COEUR) der Kantonalen Psy-chiatrischen Dienste – Sektor Nord, Psychiatrische Klinik Wil. Er hat eine Gastprofes-sur an der Universität Lausanne am Institut universitaire de formation et de recher-che en soins. Seine derzeitigen Schwerpunkte sind forensisch psychiatrische Pflege,
349
Aggression in der Pflege, Pflegediagnostik, Recovery und beeinträchtigte Reizverar-beitung (Reizüberflutung, -abschirmung und –unterversorgung). Er ist Erstautor mehrerer Artikel über Aggression in der Psychiatrie und Mitautor vom „Lehrbuch Psychiatrische Pflege“. Kontakt: [email protected]
*Nienaber André, M.Sc., Gesundheits- und Pflegewissenschaftler, stellv. Leiter Refe-rat Psychiatrische Pflege der DGPPN, LWL-Klinikum Gütersloh, Leitung der Stabs-gruppe für Klinikentwicklung und Forschung, Buxelstr. 50, 33334 Gütersloh. Kontakt: [email protected]
*Noelle, Rüdiger, Dr., Fachhochschule der Diakonie, Bielefeld Kontakt: [email protected]
Noelle Sabine, Krankenschwester und klinische Pflegeentwicklerin in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des evangelischen Krankenhauses Bielefeld. Kontakt: [email protected]
Nüssler Carmen, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Agap-lesion Diakonieklinikum Rotenburg gGmbH
*Olsen, Daria, LWL-Maßregelvollzugsklinik Herne + Universität Witten/ Herdecke
Ott Brigit, Pflegefachfrau HF, Naturheilpraktikerin, Station Behandlungsschwerpunkt Depression, Clienia Privatklinik Schlössli, CH-8618 Oetwil am See. Kontakt: [email protected]
Ott Hans-Jürgen, Pflegefachmann HF, Aromatherapeut, Station Privé Stressfolgeer-krankungen und Ganzheitliche Medizin 50plus, Clienia Privatklinik Schlössli, CH-8618 Oetwil am See. Kontakt: hans-juergen.ott @clienia.ch
*Phan Jean-Pierre, Dipl. psychiatrischer Gesundheits- und Krankenpfleger, allgemein psychiatrische Aufnahmestation der 5.psychiatrischen Abteilung im Sozialmedizini-schen Zentrum Baumgartner Höhe - Otto Wagner Spital, Wien/A. Kontakt: Jean-Pierre [email protected]
Prankel Bernhard, Dr.Dipl.Psych., Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Agaplesion Diakonieklinikum Rotenburg
*Rabenschlag Franziska, Dr. phil., Pflegewissenschaftlerin, Entwicklung & Forschung Pflege, Universitäre Psychiatrische Kliniken, Basel Kontakt: [email protected]
350
*Razzai Fabio, Psychiatrischer Krankenpfleger, diplomierter Erwachsenenbildner und MAS in Adult and Professional Education (A&PE), seit 10 Jahren in der Ausbildung für Pflegende in der psychiatrischen Klinik Clienia Schlössli AG tätig. Kontakt: [email protected]
*Reifenberg Wolfgang, Fachpfleger für Psychiatrie, seit 12 Jahren Stationsleiter in der Akutpsychiatrie des Hôpital Kirchberg Kontakt: [email protected]
Reiter-Theil Stella, Prof. Dr., Dipl.-Psych., Leitung Abt. Klinische Ethik, Universitäre Psychiatrische Kliniken und Universitätsspital, Basel
*Richter Dirk, Prof. Dr. phil., Dozent Forschung und Entwicklung Pflege, Berner Fachhochschule Gesundheit. Kontakt: [email protected]
*Roebers, Sabine, M.Sc. Public Health, B.Sc. Health Communication, Case Manage-rin, Krankenschwester, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fachhochschule Bielefeld. Ihre Forschungsthemen sind nutzerorientierte Versorgung und Selbstma-nagementförderung im Kontext psychischer Störungen. Kontakt: [email protected]
Rogge Claudia, Gesundheits- und Krankenpflegerin, seit 4 Jahren in einer allgemein-psychiatrischen (Akut-)Tagesklinik tätig. Zuvor arbeitete sie im vollstationären Be-reich und im Ambulant betreuten Wohnen (BeWo). Kontakt: [email protected]
*Rogge Stefan, Fachgesundheits- und Krankenpfleger für Psychiatrie, seit 4,5 Jahren in der forensischen Abteilung der LVR Klinik Köln tätig, seit Beginn diesen Jahres teilfreigestellt für den Bereich der Pflegeentwicklung. Zuvor war er 5 Jahre in der Allgemeinpsychiatre auf einer geschützten Station tätig. Kontakt: [email protected]
Rohde Jürgen, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Agaple-sion Diakonieklinikum Rotenburg gGmbH
*Röseler Volker, Pflegefachmann HF, DAS Psychiatrische Pflege, seit 1994 in ver-schiedenen Funktionen und Bereichen in der Psychiatrie in Deutschland und der Schweiz tätig. Seit 2009 Fachverantwortlicher Pflege auf der Psychotherapiestation im Sanatorium Kilchberg / Schweiz. Seit 2014 Dozentenanstellung bei der Organisa-tion der Arbeitswelt Gesundheit in Zürich (OdAG ZH). Schwerpunkte der Arbeit lie-gen in der Begleitung von Betroffenen mit Zwangsstörungen und Borderline – Per-sönlichkeitsstörungen Kontakt: volker.roeseler@sanatorium –kilchberg.ch
351
*Rolle Eckard, Ev. Krankenhaus Bielefeld (EvKB), Klinik für Psychiatrie und Psycho-therapie Bethel, Abteilung Abhängigkeitskranke Kontakt: [email protected]
*Ross, Thomas, Prof. Dr., Dipl.-Psych., Forschungskoordinator Abt. Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, ZfP Reichenau. Forschungsschwerpunkte: Lebens-praktische Fertigkeiten psychisch kranker Rechtsbrecher, Straftäterbehandlungspro-gramme, Psychotherapieprozessforschung, Forensische Pflegediagnosen Kontakt: [email protected]
Romer Tamara, Dipl. Pflegefachfrau HF, Bachelor of Science BFH in Pflege, stv. Stati-onsleiterin auf der Aufnahmestation P6-2 der Psychiatrischen Dienste Aargau AG mit dem Schwerpunkt Bipolare Erkrankungen. Kontakt: [email protected]
Rüpp Michael, Sicherheitsfachkraft, LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie Lip-pstadt
Rüdiger Noelle, Dr., Fachhochschule der Diakonie, Bielefeld Kontakt: [email protected]
*Schäfer Alexandra, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Agaplesion Diakonieklinikum Rotenburg gGmbH Kontakt: [email protected]
*Schätz Christiane, Ev. Krankenhaus Bielefeld (EvKB), Klinik für Psychiatrie und Psy-chotherapie Bethel, Abteilung Abhängigkeitskranke Kontakt: [email protected]
*Schero Brigitte, LWL-Klinik Dortmund, Horizontale Laufbahngestaltung am Beispiel der Weiterbildung „Entspannungspädagogik“
*Scheydt Stefan, CAS in psychiatrischer Pflege, Bachelor of Arts in Pflege und Ge-sundheitsförderung, Master of Arts in Pflegewissenschaft, Doktorand der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Fachbereich Pflege- und Gesundheitswissen-schaften unter der Betreuung von Prof. Dr. Johann Behrens. Er ist Mitarbeiter im Bereich Pflegeforschung des Center of Education & Research der Psychiatrischen Klinik Wil (Schweiz). Seine derzeitigen Arbeits-Schwerpunkte sind beeinträchtigte Reizverarbeitung (Reizüberflutung, Reizunterversorgung), professioneller Umgang mit Reizüberflutung (u.a. Reizabschirmung), Pflegediagnosen in der Psychiatrie, psychiatrische Pflegephänomene und -konzepte sowie Versorgungsforschung. Kontakt: [email protected]
Cornelia Schindler, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Dipl. Pflegewirtin (FH) Pfle-ge- und Gesundheitswissenschaften. Kontakt: [email protected]
352
*Schlubach, Arndt, B.A., Projektleitung iNQUIRE, Assistent der Pflegedirektion, LWL-Klinikum Gütersloh Kontakt: [email protected]
*Schmid Ruth, Dipl. Pflegefachfrau, MAS Gerontologie, Pflegeexpertin im Projekt AGIL, Klinik für Alterspsychiatrie, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich . Kontakt: [email protected]
Schoppmann Susanne, Dr. rer. medic, Duisburg, Fachkrankenschwester f. psychiatri-sche Pflege, Regenbogen -Duisburg GmbH, Kontaktadresse: Dr. Susanne Schopp-mann, Regenbogen-Duisburg GmbH, Erlenstrasse 63, 47055 Duisburg, Deutschland. Kontakt: [email protected]
Schlup Nanja, diplomierte Pflegefachfrau Höhere Fachschule Pflege, Schlüsselper-son, Station A2, Behandlungszentrum für Psychosen der Psychiatrischen Dienste der Solothuner Spitäler AG (SoH).
Schudel Monique Regula, cand. BSc an der Berner Fachhochschule Gesundheit, Studiengang Pflege. Kontakt: [email protected]
*Schulz, Michael, Prof. Dr., Fachhochschule der Diakonie (FHdD), Lehrstuhl Psychiat-rische Pflege, Grete-Reich-Weg 9, 33617 Bielefeld . Kontakt: [email protected]
*Schwarze Thomas, MNSc, Berner Fachhochschule, Fachbereich Gesundheit, Bern Kontakt: [email protected]
*Schwarz Peter, BScN, cand. MScN, cand. MAS MHI, Dipl. Pflegefachmann HF, seit 12 Jahren in den Kantonalen Psychiatrischen Diensten Sektor Nord (KPD SN) in Wil, SG tätig. Derzeit Abteilungsleiter Pflege im Fachbereich 2, Langzeitpsychiatrie und Fo-rensik, Stationen A-09/1 und A-09/3 und Mitarbeiter im Center of Education und Research (COEuR). Gastdozent an diversen Fachhochschulen und an der Höheren Fachschule des Kantonsspitals St. Gallen (KSSG) Kontakt: [email protected]
Schuierer Michele, Stationsleitung, Station A2, Behandlungszentrum für Psychosen der Psychiatrischen Dienste der Solothuner Spitäler AG (SoH).
*Sommer Heidi, Pflegeexpertin MNSc, Klinik für Alterspsychiatrie, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich. Kontakt: [email protected]
*Stadtmann Manuel, RN, BSN, cand. MSN Kontakt: [email protected]
353
Steinauer Regine, MSc. Nursing, Pflegewissenschaftlerin, Entwicklung & Forschung Pflege, Universitäre Psychiatrische Kliniken, Basel Kontakt: [email protected]
*Steffen Hermann, Pflege- und Versorgungsforschung, Ev. Krankenhaus Bielefeld (EvKB), Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel Kontakt: [email protected]
*Stich, Monika, Fort- und Weiterbildungszentrum der LWL-Kliniken im Kreis Soest, Kompetenzatlas und Qualifikationsprofil für die psychiatrische Pflege
*Strehler Lucia, Dipl. Pflegefachfrau HF, Pflegeexpertin Höfa II, arbeitet als Fachex-pertin auf der Station C1 für Depressionen und Angsterkrankungen in der Psychiatri-schen Universitätsklinik Zürich. Kontakt: [email protected]
Suter Lilian, BA, Medizinstudentin, Abt. Klinische Ethik, Universitäre Psychiatrische Kliniken, Basel
Thissen, Katrin, Msc APN, Diplom Pflegewirtin, Mitglied der Akademischen Fachge-sellschaft Advanced Practice Nursing Mental Health Care (AFG APN MHC), Goch (D)
*Trost Andrea, B.A. of Nursing, M.A. Beratung und Vertretung im Sozialen Recht, Pflegeexpertin/ANP Abteilung Gerontopsychiatrie und Abteilung für Forensische Psychiatrie I, LVR-Klinik Köln, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität zu Köln. Kontakt: [email protected]
Tschanz Simone, Dipl. Pflegefachfrau MAS, in der Tagesklinik in den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern tätig. Kontakt: [email protected]
Ullmann, Peter: MSc, Diplom Pflegewirt, Mitglied der Akademischen Fachgesell-schaft Advanced Practice Nursing Mental Health Care (AFG APN MHC), Präsident des Deutschen Netzwerkes APN & ANP e.V., Dättlikon (CH) Kontakt: [email protected]
*Volmar Benjamin, Evangelisches Krankenhaus Bielefeld, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel, Gerontopsychaitrie Kontakt: [email protected]
Wallmeyer-Andres Petra, Dipl Pflegewirtin, Hebamme, ab 09/2014 wissenschaftliche
Mitarbeiterin an der Fachhochschule Bielefeld im Projekt Qualitätskonzepte von
Familienhebammen
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* Weninger Helmut, BScN, MScN/APN i.A. der Pflegewissenschaft der Universität Basel, Dipl. Psychiatriepfleger HF, seit 11 Jahren im Psychiatriezentrum Münsingen tätig. Kontakt: [email protected]
*Wersin Pamela, examinierte Pflegefachkraft, Studentin im Bachelor-Studiengang Pflege und Gesundheitsförderung, Praktikantin Pflegeforschung im Center of Educa-tion & Research (COEUR) der Kantonalen Psychiatrischen Dienste – Sektor Nord (KPD-SN)
*Weitz Robert, diplomierter psychiatrischer Gesundheits- und Krankenpfleger, staat-lich gepr. Trainer für Volleyball, Rückenschultrainer, Übungsleiter Sportklettern, seit 30 Jahren im Landesklinikum Mauer beschäftigt, seit 13 Jahren als Sporttherapeut tätig. Kontakt: [email protected]
*Wolf-Grauwiler Katharina, MAS Mental Health(FH), Leiterin Pflegedienst, psychiat-rische Dienste Solothurner Spitäler AG Kontakt: [email protected]
Wolfensberger Peter, MNSc, IPW (Integrierte Psychiatrie Winterthur), Winterthur
*Wyss Roman, BscN Berner Fachhochschule, Dipl Pflegefachmann Psychiatrie, seit 6 Jahren auf Station „Schneeberger“ (Schwerpunkt Sucht) in den Universitären Psychi-atrischen Diensten Bern tätig. KISS-Projektmanager, Ausbildung in Motivierender Gesprächsführung. Kontakt: [email protected]
Zander Fabienne, Dipl. Pflegefachfrau HF Psychiatrie, arbeitet als Pflegefachfrau auf der Station C1 für Depressionen und Angsterkrankungen in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Kontakt: [email protected]
*Zehnder Ursina, Pflegefachfrau, MScN, Advanced Practice Nurse, Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Kontakt: [email protected]
*Zuaboni Gianfranco, MNSc, cand. PhD Medizinische Fakultät InGrA Universität Halle-Wittenberg, Leiter Pflegeentwicklung & Recovery Beauftragter, Sanatorium Kilchberg AG. Kontakt: [email protected]
*Zurbrügg Rahel, Pflegefachfrau HF Psychiatrie und zertifizierte Sexualpädagogin, arbeitet in der ambulanten Psychiatrie in Bern. Kontakt: [email protected]
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Unter
http://www.pflege-in-der-psychiatrie.eu/
finden Sie weiter Informationen zum jährlichen Kongress und nütz-
liche Links. Sie können alle bisherigen Kongressbände als PDF down-
laden. Zudem finden Sie auf dieser Seite auch schon frühzeitig die
Ausschreibung für den Kongress 2015 in Wien.
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Dieser Band dokumentiert Vorträge, Workshops, Symposien und
Poster des elften Dreiländerkongress „Pflege in der Psychiatrie“ vom
Oktober 2014 in Bern zum Thema „Schwellen, Grenzen und Übergän-
ge“. Die hier publizierten Beiträge zeigen auf, welche Grenzen ge-
sprengt wurden, wie Übergänge geschaffen werden und wo es gilt
Barrieren zu überwinden. Sie fördern den Diskurs und ermöglichen
eine Denkpause, um herausfordernde Übergänge zu reflektieren,
voneinander zu lernen und Fachwissen aufzufrischen.
ISBN 978-3-033-04686-3
Verlag Berner Fachhochschule,
Fachbereich Gesundheit
Forschung & Entwicklung / Dienstleistung
Pflege,
Murtenstrasse 10, 3008 Bern
Oktober 2014
Druck und Verarbeitung:
resch druck - Thomas Resch KG,
Rosinagasse 19, A-1150 Wien,