4
Wohl nur Physiker oder Ingenieure mit ihren spielerischen Neigungen erkennen bei einer Puppe eine Verbindung zur alltäglichen An- wendung der Schwingungstilgung. Diese Technik hat eine große Bedeutung und wird auch in Wolkenkratzern zur Schwingungs- dämpfung bei Erdbeben oder starken Winden eingesetzt. V or einigen Jahren war die in Abbildung 1 gezeigte Pup- pe unter dem Namen Flip-Flop in Spielwarenläden er- hältlich. An einer langen, dünnen Feder von etwa 55 cm Län- ge hängt der Kopf der Puppe. Am Kopf wiederum sind die Füße mit einer zweiten, kürzeren und dickeren Feder von etwa 20 cm Länge befestigt. Hängt die obere Feder an ei- nem festen Haken und zieht man an den Füßen, so schwin- gen Kopf und Füße nach dem Loslassen in gekoppelten Bewegungen, sozusagen ein Mobile mit schwer vorhersag- baren Ausschlägen. Das ist die übliche Art der Anregung. Hält man jedoch das Ende der oberen Feder in der Hand und bemüht sich mit ihr möglichst harmonische vertikale Schwingungen zu vollführen, so bewegen sich bei einer Schwingungsdauer von etwa 0,6 s menschliche Hand und Puppenfüße mit relativ großen Amplituden, während der Puppenkopf fast ganz ruhig bleibt. Das ist ein Beispiel für die so genannte Schwingungstilgung (englisch Tuned Mass Damping, TMD). (Ein Video hierzu finden Sie in www. phiuz.de unter Special Features/Zusatzmaterial zu den Heften). Diese Technik kommt zum Einsatz,wenn schwingende Konstruktionsteile, wie Maschinenfundamente, Karosserie- teile von Autos oder Brücken, durch eine Schwingung mit konstanter Frequenz angeregt werden. Dies kann bei- spielsweise bei sich periodisch ablösenden Windströmun- gen der Fall sein. Dann können die Schwingungen theo- retisch vollkommen getilgt werden, indem man einen ge- eignet abgestimmten zweiten Schwinger an den ersten ankoppelt [1]. Bei richtiger Abstimmung schwingt die zwei- te Masse (auch Gegenschwinger genannt; in unserem Fall die Puppenfüße) in Gegenphase mit der Erregung (Hand an der Aufhängeöse). Sie schwingt gerade mit einer sol- chen Amplitude, dass die von der zweiten Feder auf den ersten Schwinger (Puppenkopf des Flip-Flop) ausgeübte Kraft der über die erste Feder wirken- den Erregerkraft das Gleichgewicht hält (siehe „Mathematik der Schwingungstilgung“, Seite 140). Systeme dieser Art nennt man auch passiv getilgt, da keine aktive Regelung vorhanden ist. Im Falle der Puppe ist es vermutlich purer Zu- fall, dass die Massen und Federn so aufeinander abge- stimmt sind, dass sich eine konkrete Schwingungstilgung ergibt. Hier haben die Federkonstanten beide etwa eine Größe von 5,1 N/m. Die Masse des Kopfes beträgt m 1 = 0,16 kg, die der Füße m 2 = 0,06 kg. Damit ergibt sich entsprechend der Ableitung in „Mathematik der Schwin- gungstilgung“ für Für die Schwingungsdauer T resultiert daraus T = 0,68 s, was grob mit der gemessenen Dauer übe- reinstimmt. Aus (5) in „Mathematik der Schwin- gungstilgung“ ergibt sich in diesem Fall wegen c 1 = c 2 sogar X 2 = –X e . Das heißt, die Puppenfüße schwin- gen mit der gleichen Amplitude wie die Erregung, allerdings gerade in Gegenphase. Eine genauere Analyse dieses Bei- ω 2 2 2 1 51 0 06 92 / ,/ , , . = = = c m s © 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 3/2008 (39) | Phys. Unserer Zeit | 139 Spielwiese Schwingende Puppen und Wolkenkratzer C HRISTIAN U CKE | HANS -J OACHIM S CHLICHTING DOI: 10.1002/piuz.200601159 Abb. 1 Die Puppe Flip-Flop mit zwei Federn. INTERNET | Java-Applet zur Schwingungstilgung aus dem Lehrstuhl für Angewandte Mechanik der TU München www.amm.mw.tum.de/index.php?id=228 Taipei 101, Animation des Schwingungstilgerpendels www.sky-scrapers.org/Structural_Facts/index.php/ Taipei_101:_Engineering Firma Gerb Schwingungsisolierungen (Arbeitsgebiete, Schwingungstilger) www.gerb.com/de Schwingungstilger bei Wikipedia de.wikipedia.org/wiki/Schwingungstilger SCHWINGUNGSTILGER | SPIELWIESE

Schwingende Puppen und Wolkenkratzer. Spielwiese

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Wohl nur Physiker oder Ingenieure mit ihrenspielerischen Neigungen erkennen bei einerPuppe eine Verbindung zur alltäglichen An-wendung der Schwingungstilgung. Diese Technik hat eine große Bedeutung und wirdauch in Wolkenkratzern zur Schwingungs-dämpfung bei Erdbeben oder starken Windeneingesetzt.

Vor einigen Jahren war die in Abbildung 1 gezeigte Pup-pe unter dem Namen Flip-Flop in Spielwarenläden er-

hältlich. An einer langen,dünnen Feder von etwa 55 cm Län-ge hängt der Kopf der Puppe. Am Kopf wiederum sind dieFüße mit einer zweiten, kürzeren und dickeren Feder vonetwa 20 cm Länge befestigt. Hängt die obere Feder an ei-nem festen Haken und zieht man an den Füßen, so schwin-gen Kopf und Füße nach dem Loslassen in gekoppelten Bewegungen, sozusagen ein Mobile mit schwer vorhersag-baren Ausschlägen. Das ist die übliche Art der Anregung.

Hält man jedoch das Ende der oberen Feder in der Handund bemüht sich mit ihr möglichst harmonische vertikaleSchwingungen zu vollführen, so bewegen sich bei einerSchwingungsdauer von etwa 0,6 s menschliche Hand und

Puppenfüße mit relativ großen Amplituden, während derPuppenkopf fast ganz ruhig bleibt. Das ist ein Beispiel fürdie so genannte Schwingungstilgung (englisch Tuned MassDamping, TMD). (Ein Video hierzu finden Sie in www.phiuz.de unter Special Features/Zusatzmaterial zu den Heften).

Diese Technik kommt zum Einsatz, wenn schwingendeKonstruktionsteile, wie Maschinenfundamente, Karosserie-teile von Autos oder Brücken, durch eine Schwingung mitkonstanter Frequenz angeregt werden. Dies kann bei-spielsweise bei sich periodisch ablösenden Windströmun-gen der Fall sein. Dann können die Schwingungen theo-retisch vollkommen getilgt werden, indem man einen ge-eignet abgestimmten zweiten Schwinger an den erstenankoppelt [1]. Bei richtiger Abstimmung schwingt die zwei-te Masse (auch Gegenschwinger genannt; in unserem Falldie Puppenfüße) in Gegenphase mit der Erregung (Hand ander Aufhängeöse). Sie schwingt gerade mit einer sol-chen Amplitude,dass die von der zweiten Feder aufden ersten Schwinger (Puppenkopf des Flip-Flop)ausgeübte Kraft der über die erste Feder wirken-den Erregerkraft das Gleichgewicht hält (siehe„Mathematik der Schwingungstilgung“, Seite140). Systeme dieser Art nennt man auch passivgetilgt, da keine aktive Regelung vorhanden ist.

Im Falle der Puppe ist es vermutlich purer Zu-fall, dass die Massen und Federn so aufeinander abge-stimmt sind,dass sich eine konkrete Schwingungstilgungergibt. Hier haben die Federkonstanten beide etwa eineGröße von 5,1 N/m. Die Masse des Kopfes beträgt m1 =0,16 kg, die der Füße m2 = 0,06 kg. Damit ergibt sichentsprechend der Ableitung in „Mathematik der Schwin-gungstilgung“ für

Für die Schwingungsdauer T resultiert daraus T =0,68 s, was grob mit der gemessenen Dauer übe-reinstimmt. Aus (5) in „Mathematik der Schwin-gungstilgung“ ergibt sich in diesem Fall wegenc1 = c2 sogar X2 = –Xe . Das heißt, die Puppenfüße schwin-gen mit der gleichen Amplitude wie die Erregung,allerdingsgerade in Gegenphase. Eine genauere Analyse dieses Bei-

ω2 2 215 1 0 06 9 2/ , / , , .–= = =c m s

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Spielwiese

Schwingende Puppen und WolkenkratzerCHRISTIAN UCKE | HANS-JOACHIM SCHLICHTING

DOI: 10.1002/piuz.200601159

Abb. 1 Die PuppeFlip-Flop mit zweiFedern.

I N T E R N E T |Java-Applet zur Schwingungstilgung aus dem Lehrstuhl für Angewandte Mechanik der TU München www.amm.mw.tum.de/index.php?id=228

Taipei 101, Animation des Schwingungstilgerpendels www.sky-scrapers.org/Structural_Facts/index.php/Taipei_101:_Engineering

Firma Gerb Schwingungsisolierungen (Arbeitsgebiete, Schwingungstilger)www.gerb.com/de

Schwingungstilger bei Wikipedia de.wikipedia.org/wiki/Schwingungstilger

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spiels ist hier aufgrund der nicht genau eingestellten undeinstellbaren Parameter bei der Puppe wenig sinnvoll. Die-se ist auch insofern untypisch, als das Verhältnis von Til-germasse (Füße) zum Hauptsystem (Kopf) relativ groß ist.

Eine etwas genauere Betrachtung eines mit Federn ge-dämpften Systems ergibt Folgendes: Lenkt man die Auf-hängung einer Feder, an der eine Masse hängt, harmonischaus, so ergibt sich die in Abbildung 2 gezeigte Resonanz-

140 | Phys. Unserer Zeit | 3/2008 (39) www.phiuz.de © 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

M AT H E M AT I K D E R S C H W I N G U N G S T I LG U N G |

In der Abbildung oben ist ein System mit zwei Federn undzwei Massen dargestellt. Der Aufhängepunkt bewege sichmit der Amplitude Xe und der Frequenz ωe harmonisch aufund ab. Das lässt sich so beschreiben

(1)

Ohne dämpfende Einflüsse ergeben sich aus dem 2. Newton-schen Gesetz unmittelbar folgende Gleichungen

(2)

(3)

Mit den Abkürzungen

ergibt sich die Lösung

(4)

(5)

Die Massen m1 und m2 schwingen mit der gleichen Frequenzωe wie die erregende Schwingung. Die Amplituden ergebensich aus den Gleichungen (4) und (5). Die Amplitude X1 derMasse m1 ist gerade Null für

(6)

Durch Variation von c2 oder m2 ist diese Bedingung imAllgemeinen zu erfüllen. Zu beachten ist, dass diese Rech-nung streng nur für eine Frequenz und nur ohne weiteredämpfende Einflüsse gilt. Das entspricht nicht der Realität.

In manchen Bauwerken, wie Wolkenkratzern, Schornstei-nen oder Brückenpfeilern, ist prinzipiell die in der Abbildungrechts ersichtliche Konstruktion verwirklicht. Die beispiels-weise durch Wind zwangserregte Masse m1 stellt das Bau-werk dar, das durch die schwingende Masse m2 gedämpftwird, wenn

(7)

Das ist die bekannte Formel für die Schwingungsdauer einesPendels. Die Masse kommt in dieser Formel nicht vor. Für dieBerechnung der Kräfte ist sie natürlich von Bedeutung.

ω ωe / .= =2 g l

ω ωe / .= =2 2 2c m

x X tXe

e2 2

02

22

12 2( – ) (

= =cos eωω ω

ω ω ω 222 2

24– ) –ω μω

ωe

ecos t.

x X tXe

1 102

22 2

12

( – )( –

= =cos eeω

ω ω ωω ωω ω ω μω

ωe e

t,222 2

24) ( – ) –

cos e

c cm

cm

mm

cm

1 2

112 2

222 2

1

1

1

+= = =ω ω μ = ω 0

2

m x F c x x2 2 2=�� Σ – ( – ).= 2 2 1

m x F c x x c x x1 1 1=�� Σ – ( – ) – ( – )= 1 1 2 1 2e ,,

x = X te e ecos ω

Schema eines Schwingungstilger-pendels.

c1

c2

m1

m2

m2

m1

xe = Xecosωet

ω2

Schwingung des Hauptsystems

Frequenzverhältnis f/f0

AmplitudedesHauptsystems

TilgerTilger

HauptsystemHauptsystemHauptsystem

0 0,25 0,5 0,75 1 1,25 1,5 1,75 2

A B B . 2 | S C H W I N G U N G S T I LG U N G

Schwingungen eines Systems ohne und mit Tilger: f0 ist dieResonanzfrequenz des Hauptsystems ohne Tilger, f dieFrequenz des Hauptsystems ohne (schwarz) und mit Tilger(rot).

Abb. 3 Schwingungstilgerpendel im Taipei 101.

S C H W I N G U N G S T I L G E R | S PI E LW I E S E

kurve. Hier stellt die schwarze Kurve die Auslenkung desHauptsystems als Verhältnis der anregenden Frequenz f zurEigenfrequenz f0 dieses Systems dar.

Wird nun an das Hauptsystem ein Tilger mit Feder undDämpfung angebracht, so kann bei geeigneter Auslegungder Parameter das ursprüngliche Maximum der Auslenkung(Resonanz) sehr stark vermindert (getilgt) werden. Die Ei-genfrequenz der Tilgermasse mit ihrer Tilgerfeder wird aufdie zu eliminierende Frequenz eingestellt. Dabei kann derTilger gegebenenfalls große Amplituden mit erheblichenKräften am Federansatzpunkt beim Hauptsystem aufwei-sen. Er entzieht bei dieser Frequenz dem HauptsystemSchwingungsenergie.

Das wird allerdings erkauft mit zwei neuen Eigen-frequenzen kleinerer Amplitude oberhalb und unterhalbder Tilgereigenfrequenz (rote Kurve in Abbildung 2). Die-se entstehen aus der Kombination Hauptsystem mit Tilgerund zwar aus der gleichphasigen und der gegenphasigenSchwingung von Hauptsystem mit Tilger. Bei diesen Fre-quenzen ergibt sich für das Hauptsystem prinzipbedingt eine Verstärkung der Schwingungen.

Durch Variation der Tilgerparameter lässt sich dieSchwingungskurve erheblich beeinflussen. Hier wurdezunächst nur der einfachste Fall einer monofrequenten,har-monischen Anregung betrachtet. Die Wirklichkeit ist meisterheblich komplexer, so dass für die Auslegung der Tilger-parameter aufwendige Messungen und Rechnungen not-wendig sind.

Schwingungstilger in BauwerkenEin nicht ganz kleiner Schritt führt vom Spielzeug zum Bau-werk. Die Millenniumsbridge des Stararchitekten Sir Nor-man Foster in London ist ein bekanntes Beispiel für eineschwingende Brücke. Bis zu 2000 Personen gingen bei derEröffnung im Jahre 2000 gleichzeitig über die Brücke. Da-bei verfielen sie unbewusst in einen annähernd synchronenGang, und die Brücke begann mit einer Frequenz etwas un-terhalb von 1 Hz sowohl vertikal als auch horizontal zuschwingen. Die Brücke war zu keiner Zeit einsturzgefähr-det, den Fußgängern wurde höchstens schlecht. Sie wurdedaraufhin gesperrt.

Dem Vorgang lag eine unzureichende Konstruktion zu-grunde. Das Phänomen der Resonanzanregung bis hin zurResonanzkatastrophe ist aus der Überquerung von Brückenvon im Gleichschritt gehenden Soldaten bekannt. Die deut-sche Spezialfirma Gerb konnte die Millenniumsbrücke mitSchwingungstilgern in vertikaler und horizontaler Richtungstabilisieren. Jetzt können bis zu 3000 Personen in Marsch-formation die Brücke gefahrlos überqueren [2].

Ein weiteres berühmtes und vor Ort auch zu besichti-gende Beispiel ist der im Jahre 2003 fertiggestellte Wol-kenkratzer Taipei 101 in Taiwan, in dem die Ziffer 101 fürdie Anzahl der Stockwerke steht. Seine Höhe samt Anten-nen beträgt 509 m, das Dach ohne Antennen schließt bei448 m ab. Dieses Gebäude enthält gleich drei Schwin-gungstilger, die durch Erdbeben und Wind angeregte

Schwankungen dämpfen. Der größte Tilger ist eine ausStahlplatten zusammengesetzte Kugel mit etwa 5,5 mDurchmesser (Abbildung 3). Er besitzt eine Masse von 662Tonnen und ist an 42 m langen Stahlseilen aufgehängt, dievom 92. bis zum 88. Stockwerk reichen (Abbildung 4). Dasist der zur Zeit größte Schwingungstilger der Welt.

Das Gebäude schwankt gelegentlich bis zu 35 cm hinund her. Bei Supertaifuns,die im Durchschnitt nur alle hun-dert Jahre erwartet werden, inzwischen aber immer häufi-ger vorkommen, sind sogar Amplituden von 150 cm denk-bar. Der Tilger dämpft die Schwingungen um bis zu 40 %.Mit (7) ergibt sich eine Schwingungsdauer von etwa 13 s.

Die Schwingungsdauer der ersten Eigenfrequenz vonhohen Gebäuden lässt sich im Übrigen nach DIN 1055-4 [3]sehr grob mit folgender Formel abschätzen: T1 = H/46 (T inSekunden, H in Meter). Relevant hierfür ist die Bauwerks-höhe bis zur Oberkante der aussteifenden Tragstruktur,Auf-bauten und Antennen werden vernachlässigt. Für das Tai-pei 101 resultiert in Anbetracht der groben Abschätzungenin passabler Übereinstimmung zu obiger Schwingungsdau-er T1 = 9,7 s.

Auslenkungen von s = 35 cm ergeben horizontale Be-schleunigungen von etwa a = ω 2· s ≈ 0,2 ms–2, entspre-chend etwa 1/50 der Erdbeschleunigung. Das ist bei kurzerEinwirkungszeit eine für den Menschen leicht verträglicheGröße, bei längerer Einwirkung kann es zu Übelkeit kom-

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Abb. 4 DerWolkenkratzerTaipei 101 mitdem maßstabs-gerecht einge-zeichnetenSchwingungs-tilger.

Abb. 5 BerlinerFernsehturm.

4 5

men. Vermutlich wird das oberste Stockwerk bei Sturmeher nicht überfüllt sein.

In Deutschland ist der noch zu DDR-Zeiten erbaute Ber-liner Fernsehturm (Abbildung 5) mit einem in der Turm-spitze aufgehängten 1,5 t schweren Schwingungstilger-pendel versehen. Die Gesamthöhe des Turms bis zur An-tennenspitze beträgt 368 m, der Betonschaft reicht bis in250 m Höhe. Schwingungsdauern von 7 bis 10 s werden an-gegeben. Mit der Näherungsformel ergibt sich T1 = 5,4 s.

In der Höhe des Turmcafés (208 m) betragen die Aus-lenkungen bei durchschnittlichen Windstärken 15 cm, ander Antennenspitze bis zu 60 cm. Rechnet man mit T = 7 s,so ergeben sich kaum noch spürbare Beschleunigungen vonetwa 0,1 ms–2. Da verändert sich der Kaffeespiegel in derTasse nur unmerklich.

ZusammenfassungBei einem mit Federn verbundenen System von schwingen-den Massen kann unter gewissen Randbedingungen eine Mas-se ganz in Ruhe bleiben, während andere Teile starke Aus-schläge vollführen. Derartige Systeme werden unter dem Be-griff Schwingungstilgung behandelt und haben eine enormeBedeutung in der Technik. Schwingende Maschinenteile bishin zu schwingenden Brücken und Wolkenkratzern werdenauf diese Weise gedämpft und damit erst handhabbar undverträglich. Am Beispiel einer Spielzeugpuppe, der Millenni-umsbrücke in London sowie des Taipei-Wolkenkratzers in Tai-wan und des Berliner Fernsehturms werden einige Aspekte derSchwingungstilgung beleuchtet.

StichworteFlip-Flop, Schwingungstilgung, Milleniumsbrücke, Wolken-kratzer, Taipei 101, Berliner Fernsehturm.

Literatur[1] K. Magnus, K. Popp, Schwingungen, Verlag B.G. Teubner, Stuttgart

2005. [2] H. Bachmann, Lebendige Fußgängerbrücken - eine Herausforderung,

Bautechnik 22000044, 227.[3] DIN 1055-4, Einwirkungen auf Bauwerke, Teil 4: Windlasten, 2005.

Die Autoren

Christian Ucke und Hans-Joachim Schlichting sind die Begründer der ReiheSpielwiese.

AAnnsscchhrriifftteennDr. Christian Ucke, Rofanstraße 14B, 81825 München. [email protected]. Dr. Hans-Joachim Schlichting, Didaktik der Physik, Universität Münster,48149 Münster. [email protected].