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Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur membrankontrollierten Freisetzung pH-abhängig schwerlöslicher Wirkstoffe aus multipartikulären peroralen Arzneiformen Dissertation der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen zur Erlangung des Grades eines Doktors der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) vorgelegt von Ulrich Heigoldt aus Schwäbisch Hall Tübingen 2010

Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

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Page 1: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

membrankontrollierten Freisetzung

pH-abhängig schwerlöslicher Wirkstoffe aus

multipartikulären peroralen Arzneiformen

Dissertation

der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät

der Eberhard Karls Universität Tübingen

zur Erlangung des Grades eines

Doktors der Naturwissenschaften

(Dr. rer. nat.)

vorgelegt von

Ulrich Heigoldt

aus Schwäbisch Hall

Tübingen

2010

Page 2: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

II

Tag der mündlichen Prüfung 11. November 2010

Dekan Prof. Dr. Wolfgang Rosenstiel

1. Berichterstatter PD Dr. Karl G. Wagner

2. Berichterstatter Prof. Dr. Rolf Daniels

Page 3: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

III

Die vorliegende Arbeit entstand unter der Leitung von

Herrn PD Dr. Karl Gerhard Wagner

in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie der Eberhard Karls

Universität Tübingen unter Co-Betreuung durch Herrn Prof. Dr. Rolf Daniels. Der praktische

Teil der Arbeit wurde in der Abteilung für Pharmazeutische Forschung & Entwicklung der

Boehringer-Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG in Biberach angefertigt.

Meinem verehrten Doktorvater, Herrn PD Dr. Karl Gerhard Wagner, danke ich für die

Bereitstellung des interessanten Themas und die Möglichkeit, die Arbeit unter seiner Leitung in

Biberach durchführen zu können. Seine ständige Hilfs- und Diskussionsbereitschaft, die

Möglichkeit an Kongressen und Seminaren aktiv teilnehmen zu können, sowie die Schaffung

optimaler Arbeitsbedingungen haben wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Mit

seinem persönlichen Engagement hat er mich stets befördert und meine Arbeit unterstützt.

Herrn Prof. Dr. Rolf Daniels danke ich für die Bereitschaft zur Co-Betreuung der Arbeit, für

seine Bereitschaft zur Anfertigung des Zweitgutachtens und die stets herzliche Aufnahme an

seinem Lehrstuhl.

Für die Möglichkeit das Thema in der pharmazeutischen Industrie unter optimalen

Arbeitsbedingungen bearbeiten zu können, sowie für die finanzielle Unterstützung danke ich

Herrn Dr. Sven Schreder. Herrn Dr. Thomas Friedl sowie Herrn Dr. Georg Böck danke ich für

die wertvollen Diskussionen und die Einblicke in die galenische Entwicklung von

Arzneiformen in der pharmazeutischen Industrie.

Bei allen Kolleginnen und Kollegen aus der Formulierungsentwicklung sowie aus der Gruppe

Neue Technologien und Externe Kooperationen bedanke ich mich für die gute Zusammenarbeit

und ihre Hilfsbereitschaft. Insbesondere gilt mein Dank Luzia Meneghini, Sandra Hecht, Karl

Weber, Thomas Linkh, Birgit Schwarz und Dieter Wessel.

Dem Team von Wolfgang Schraivogl danke ich für die motivierte Zusammenarbeit bei der

Konstruktion und Anfertigung des Filmsprühgeräts und der Diffusionszellen.

Meinen Kollegen Dr. Roman Messerschmid, Dr. Wolfram Eisenreich, Niels Engel und Antje

Schildbach danke ich für die konstruktive Zusammenarbeit und die freudigen und lustigen

Momente in der Kantine oder beim Sportfest.

Bei meinen Laborkollegen Dr. Khaled Hussein und Martin Pfefferle bedanke ich mich für die

enge Zusammenarbeit, den herzlichen Umgang und die jederzeitige Bereitschaft zur Hilfe

sowie das sorgfältige Korrekturlesen der Arbeit.

Page 4: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

IV

Besonderer Dank gilt meinem lieben Kollegen Dr. Florian Sommer für seine zahlreichen

Ratschläge, die wertvollen wissenschaftlichen Anregungen und Diskussionen und für seine

Anleitung bei der Erstellung von Publikationen. Die Zusammenarbeit mit ihm hat meinen

fachlichen Horizont wesentlich erweitert und war stets ein Vergnügen. Insbesondere für die

freundschaftliche Unterstützung und sein großes persönliches Engagement möchte ich mich

herzlich bedanken.

Meinen Eltern, die mir das Studium und die Promotion ermöglicht haben, und meiner Familie

danke ich herzlich für die Ermutigung und ihr Vertrauen. Ihr Zuspruch und Verständnis waren

mir stets eine große Unterstützung.

Meiner geliebten Frau Heike danke ich für die permanente, liebevolle Unterstützung und für

ihre große Geduld während meiner Promotionszeit.

Page 5: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

V

Page 6: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

VI

Page 7: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

VII

Meiner Familie

in Liebe und Dankbarkeit

Page 8: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

VIII

Page 9: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Abkürzungen..............................................................................................XIII

Bereits veröffentlichte Teile dieser Arbeit .......................................................................... XIV

1 EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG .......................................................................1

2 MODELL UND PELLETAUFBAU..........................................................................6

2.1 Funktion und Herstellung überzogener Pellets ............................................................6

2.2 Mechanismen des Stofftransports durch Membransysteme.......................................8

2.2.1 Quellungstheorie ...........................................................................................................8

2.2.2 Ioneninduzierter Transport ..........................................................................................12

2.3 Freisetzung von pH-abhängig schwerlöslichen Wirkstoffen.....................................14

2.4 Aufbau und Funktion membrangesteuerter Systeme................................................15

2.5 Auswahl der Wirk- und Hilfsstoffe..............................................................................18

3 MEMBRANKONTROLLIERTE FREIGABE VON WEINSÄURE .........................21

3.1 Auswahl und Charakterisierung der verwendeten Polymere...................................21

3.1.1 Eigenschaften der Polymere........................................................................................21

3.1.2 Freisetzungseigenschaften überzogener Weinsäurepellets .........................................23

3.1.3 Charakterisierung der Polymere mit Hilfe isolierter Filmüberzüge............................27

3.1.4 Osmotische Effekte von überzogenen Weinsäurepellets ............................................32

3.1.5 Zusammenfassung der Ergebnisse ..............................................................................34

3.2 Einflussgrößen auf die Freisetzung durch Eudragit RS 30D Membranen..............35

3.2.1 Screening der Einflussgrößen an isolierten Filmüberzügen........................................35

3.2.2 Untersuchung der Einflussgrößen an überzogenen Pellets .........................................43

3.2.3 Polymermischungen mit Eudragit RS 30D .................................................................48

Page 10: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

X INHALTSVERZEICHNIS

3.2.4 Stabilitätsuntersuchungen an überzogenen Weinsäurepellets.....................................50

3.2.5 Zusammenfassung der Ergebnisse ..............................................................................53

3.3 Einflussgrößen auf die Freisetzung durch Aquacoat ECD Membranen .................55

3.3.1 Einfluss des Herstellungsprozesses (organisch / wässrig) ..........................................55

3.3.2 Einfluss der Überzugsmenge.......................................................................................56

3.3.3 Einfluss von Kollicoat IR als Porenbildner in Aquacoat ECD Überzügen.................57

3.3.4 Zusammenfassung der Ergebnisse ..............................................................................59

4 MEMBRANKONTROLLIERTE FREIGABE VON SCHWERLÖSLICHEN

WIRKSTOFFEN ..........................................................................................................60

4.1 Screening der Wirkstoffpermeabilität an isolierten Filmüberzügen .......................60

4.1.1 Screening geeigneter Polymermembranen..................................................................61

4.1.2 Screening des Porenanteils von Membranen ..............................................................64

4.2 Transfer der Screeningergebnisse auf überzogene Arzneiformen ...........................67

4.2.1 pH-unabhängige Filmüberzüge für schwerlösliche Wirkstoffe ..................................68

4.2.2 pH-abhängige Filmüberzüge für schwerlösliche Wirkstoffe ......................................69

4.3 Membrankontrollierte Freigabe pH-abhängig schwerlöslicher Wirkstoffe............70

4.4 Zusammenfassung des Kapitels ...................................................................................73

5 BESCHREIBUNG DER FREISETZUNGSKINETIK UND

VORHERSAGEMODELLE..........................................................................................74

5.1 Mathematische Beschreibung der Freisetzungskinetik .............................................74

5.1.1 Power-Law ..................................................................................................................74

5.1.2 Fick‘sche Diffusion .....................................................................................................76

5.1.3 Weibull-Funktion ........................................................................................................78

5.2 Möglichkeiten für semi-experimentelle Vorhersagemodelle.................................... 82

5.2.1 Korrelation mit isolierten Filmüberzügen .................................................................. 82

Page 11: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

INHALTSVERZEICHNIS XI

5.2.2 Vorhersage der Freisetzung........................................................................................ 85

5.3 Zusammenfassung des Kapitels .................................................................................. 89

6 EIN ZWEIPHASIGES FREISETZUNGSMODELL MIT PH-GRADIENT ............. 90

6.1 Biopharmzeutische Aspekte ........................................................................................ 90

6.2 Konventionelle Freisetzungsmethoden....................................................................... 92

6.3 Aufbau des zweiphasigen Freisetzungsmodells mit pH-Gradient ........................... 93

6.4 Einflussfaktoren auf die Freisetzung in zweiphasigen Medien................................ 95

7 BIORELEVANZ DER ZWEIPHASIGEN FREISETZUNGSMETHODE ............... 98

7.1 Arzneiformen mit modifizierter Dipyridamol Freisetzung...................................... 98

7.1.1 Verwendete Formulierungen...................................................................................... 98

7.1.2 Konventionelle in vitro Freisetzung........................................................................... 99

7.1.3 Zweiphasiges in vitro Freisetzungsmodell ............................................................... 100

7.1.4 In vivo Bioverfügbarkeit........................................................................................... 101

7.2 Arzneiformen mit modifizierter BI XX Freisetzung............................................... 102

7.2.1 Verwendete Formulierungen.................................................................................... 102

7.2.2 Konventionelle in vitro Freisetzung......................................................................... 103

7.2.3 Zweiphasiges in vitro Freisetzungsmodell ............................................................... 104

7.2.4 In vivo Bioverfügbarkeit........................................................................................... 105

7.3 Zusammenfassung des Kapitels ................................................................................ 107

8 EXPERIMENTELLER TEIL............................................................................... 108

8.1 Verwendete Materialien ............................................................................................ 108

8.2 Geräte zur allgemeinen Anwendung ........................................................................ 110

8.3 Galenische Verfahren ................................................................................................ 111

Page 12: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

XII INHALTSVERZEICHNIS

8.3.1 Herstellung von Wirkstoffpellets ............................................................................. 111

8.3.2 Überziehen von Wirkstoffpellets mit wässrigen Dispersionen ................................ 112

8.3.3 Überziehen von Wirkstoffpellets mit organischen Filmüberzügen.......................... 114

8.3.4 Herstellung von Mischungen wässriger Latex-Dispersionen................................... 115

8.3.5 Überziehen von Weinsäurepellets ............................................................................ 116

8.3.6 Herstellung von überzogenen Dipyridamol-Minitabletten ...................................... 117

8.3.7 Herstellung von isolierten Filmüberzügen ............................................................... 120

8.4 Analytik ....................................................................................................................... 122

8.4.1 Freisetzungsuntersuchungen und Gehaltsbestimmung ............................................ 122

8.4.2 Mechanische Eigenschaften isolierter Filmüberzüge............................................... 127

8.4.3 Differentielle-Thermo-Kalorimetrie......................................................................... 128

8.4.4 Anpassung nichtlinearer Funktionen........................................................................ 129

8.4.5 Bildgebende Verfahren ............................................................................................ 130

8.4.6 Bestimmung der wahren Dichte ............................................................................... 131

8.5 Datenverarbeitung ..................................................................................................... 131

9 ZUSAMMENFASSUNG DER ARBEIT ............................................................. 133

10 LITERATURVERZEICHNIS .............................................................................. 137

ANHANG.................................................................................................................. 152

I. Verzeichnis der akademischen Lehrer ......................................................................... 152

II. Curriculum Vitae ........................................................................................................... 153

Page 13: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

XIII

Verzeichnis der Abkürzungen

Abb. Abbildung

API Wirkstoff (engl.: active pharmaceutical ingredient)

AUC Fläche unter der kurve (engl.: area under the curve)

BCS Biopharmazeutisches Klassifizierungssystem

bzw. beziehungsweise

ca. circa (lat.: ungefähr)

CAP Celluloseactetphtalat

Ch.-B. Chargenbezeichnung

d.h. das heißt

demin. demineralisert

et al. et alii (lat.: und andere)

Fa. Firma

GIT Gastrointestinal Trakt (Magen Darm System)

Gl. Gleichung

HP-50 Hyydroxypropymethylcellulosephtalat, löslich ab pH 5,0

HPMC Hydroxypropylmethylcellulose

LTS Lacktrockensubstanz

max. maximal

n.n. keine Angabe (lat.: nescio nomen)

PEG Polyethylenglykol

Ph. Eur. Europäische Pharmakopöe Ausgabe 6

PVP Polyvinylpyrrolidon

QAG quartäre Ammoniumgruppen

REM Raster-Elektronen-Mikroskop

s. siehe

TEC Triethylcitrat

UpM Umdrehungen pro Minute

vgl. vergleiche

Wo Wochen

Page 14: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

XIV

Besondere Hinweise:

Die in Gleichungen verwendeten Konstanten und Parameter werden bei erstmaliger

Verwendung eingeführt und behalten Gültigkeit für die gesamte Arbeit.

Angegebene Mittelwerte beruhen, wenn nicht anders angegeben, auf 3-fachen Messungen.

Fehlerbalken sind, wenn nicht anders angegeben, Standardabweichungen der Mittelwerte aus

den Einzelmessungen.

Prozentangaben bei Rezepturen und Mischungen beziehen sich soweit nicht anders vermerkt

auf den Massenanteil (m/m).

Gesetzlich geschützte Warenzeichen werden ohne besondere Kennzeichnung verwendet.

Bereits veröffentlichte Teile dieser Arbeit

U. Heigoldt, F. Sommer, T. Friedl, K.G. Wagner. In vitro dissolution/absorption model –

a useful tool in development of modified release solid oral dosage forms. 6th World Meeting on

Pharmaceutics, Biopharmaceutics and Pharmaceutical Technology, Barcelona, Spain, 7th April

to 10th April 2008 (Talk)

U. Heigoldt, F. Sommer, K.G. Wagner. A pH-adjusted biphasic dissolution model as a useful

tool in development of modified release solid oral dosage forms. AAPS Annual Meeting and

Exposition 2009, Los Angeles, USA, 8th November to 12th November 2009 (Poster)

Heigoldt, U., Sommer, F., Daniels, R., & Wagner, K. G. 2010. Predicting in vivo absorption

behavior of oral modified release dosage forms containing pH-dependent poorly soluble drugs

using a novel pH-adjusted biphasic in vitro dissolution tes. European Journal of Pharmaceutics

and Biopharmaceutics, vol. 76, no. 1, pp. 105-111. (Research paper)

Page 15: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

XV

Page 16: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur
Page 17: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

1 Einleitung und Zielsetzung 1

1 Einleitung und Zielsetzung

Der galenischen Qualität eines Arzneimittels kommt neben der pharmakologischen

Wirksamkeit des Arzneistoffs maßgebliche Bedeutung für eine erfolgreiche

Arzneimitteltherapie zu. Diese gewährleistet, dass der Wirkstoff zum richtigen Zeitpunkt in

der richtigen Menge am passenden Ort zur Verfügung gestellt wird und seine optimale

Wirkung erzielen kann. Arzneiformen mit kontrollierter Wirkstofffreigabe finden in der

Pharmakotherapie Anwendung, um den Wirkstoff mit einer vorausbestimmten

Freigabekinetik freizusetzen und/oder den Ort der Freisetzung gezielt zu verändern [Robinson

1987]. Häufig wird bei kontrolliert freisetzenden Arzneiformen eine Freigabekinetik nullter

Ordnung angestrebt.

Die perorale Applikation von festen Arzneiformen nimmt sowohl bei schnellfreisetzenden

Arzneiformen als auch bei Arzneiformen mit kontrollierter Freisetzung mit einem Marktanteil

von 80 % nach wie vor eine herausragende Stellung in der Pharmakotherapie ein und stellt

derzeit die effizienteste Art der Arzneimittelherstellung dar [Glaeske 2009]. Eine kontrollierte

Wirkstofffreigabe aus peroralen Arzneiformen reduziert starke Fluktuationen der Wirkstoff-

Plasmaspiegel. Dadurch kann die Sicherheit und Wirksamkeit der Therapie verbessert und

unerwünschte Nebenwirkungen vermieden werden. Zudem bietet eine langanhaltende

Wirkstofffreigabe häufig die Möglichkeit die insgesamt verabreichte Dosis bei vergleichbarer

Wirkung zu vermindern und die Einnahmehäufigkeit zu reduzieren, was die Therapietreue der

Patienten fördert [Caruana 1987; Mäder 2009; Scheidel 1994]. Hingegen müssen beim

Einsatz kontrolliert freisetzender Arzneiformen höhere Herstellungskosten und besonders bei

monolithischen Arzneiformen stärkere interindividuelle Schwankungen der Bioverfügbarkeit

in Kauf genommen werden [Marvola 1986].

Besonders geeignet für eine kontrollierte Wirkstofffreisetzung nach peroraler Applikation

sind moderne, multipartikuläre Arzneiformen wie Pellets, Minitabletten oder Mikropartikel

mit einer Größe zwischen 0,2 und 2 mm. Sie haben aufgrund ihrer biopharmazeutischen und

technologischen Vorteile in den letzten Jahren eine immer größere Verbreitung gefunden und

werden in Kapseln und Sachets abgefüllt oder zu Tabletten verpresst [Beckert 1996;

Bodmeier 1997; Wagner 2000]. Ein wesentlicher Vorteil der multipartikulären Arzneiformen

gegenüber den klassischen, monolithischen Tabletten besteht darin, dass sich intra- und

interindividuelle Schwankungen bei der Resorption von Wirkstoffen minimieren [Follonier

1992]. Noch vor einigen Jahren wurde vermutet, dass dies darin begründet sei, dass nur kleine

Partikel wie Pellets den Pylorus auch im geschlossenen Zustand passieren könnten [Clarke

Page 18: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

2 1 Einleitung und Zielsetzung

1993; Clarke 1995]. Neuere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass dies auch Tabletten

möglich ist [Weitschies 1997; Weitschies 2010]. Die Variabilität in den Blutspiegelkurven

lässt sich jedoch durch die statistische Wahrscheinlichkeit erklären, mit der eine Tablette

entweder im Fundus des Magens verbleibt oder unmittelbar in den Dünndarm transportiert

wird. Bei multipartikulären Arzneiformen hingegen liegt eine gleichmäßigere Verteilung über

den Magen-Darm Trakt vor, es befinden sich immer teilweise Partikel im Magen und im

Dünndarm [Meyer 1988; Schiller 2005]. Die gleichmäßigere Verteilung im gastrointestinalen

Trakt (GIT) erhöht die Bioverfügbarkeit sowie die Unabhängigkeit der Wirkstoffresoption

von der Einnahme von Mahlzeiten. Zudem treten durch die größere spezifische Oberfläche

geringere lokale Wirkstoffkonzentrationen auf. Dies vermindert örtliche Irritationen und

somit Nebenwirkungen im GIT [McConnell 2008]. Außerdem macht die Aufteilung der

Gesamtdosis auf viele Einzelpartikel, von denen jedes einzelne alle Eigenschaften der

gezielten Steuerung der Wirkstoffabgabe besitzt, ein generelles Versagen des

Retardierungsprinzips unwahrscheinlich. So wird zum Beispiel bei membrankontrollierten

multipartikulären Arzneiformen das Risiko einer Intoxikation des Patienten durch eine

unkontrollierte Wirkstofffreisetzung („dose dumping“) aufgrund eines defekten Filmüberzugs

minimiert. Weitere Vorteile bietet das Mischen verschiedener Pellets in einer Arzneiform.

Beispielsweise können zwei miteinander unverträgliche Wirkstoffe oder eine schnell

freisetzende Initialdosis und eine langsam freisetzende Erhaltungsdosis eines Wirkstoffs in

einer Kapsel oder einer Tablette kombiniert werden. Desweiteren sind Pellets in der Regel

sondengängig und für die pädiatrische Anwendung geeignet [Breitkreutz 2007]. Eine

Dosisanpassung während der Entwicklung bereitet bei in Kapseln abgefüllten

multipartikulären Arzneiformen in der Regel technologisch ebenfalls keine Probleme, da im

Gegensatz zu herkömmlichen Tabletten das Oberfläche/Volumenverhältnis konstant bleibt

und sich die Freisetzungseigenschaften dadurch nicht ändern.

Zur Herstellung modifizierter Arzneiformen mit kontrollierter Freisetzung werden spezielle

Verfahren und Hilfsstoffe eingesetzt. Die Steuerung der Wirkstofffreigabe wird durch

Überziehen der Arzneiform mit funktionellen Polymeren, durch Einbetten des Wirkstoffs in

eine funktionelle Hilfsstoffmatrix oder durch eine Kombination aus beiden Mechanismen

erreicht. Man unterscheidet dementsprechend membrankontrollierte Systeme, quellungs-,

erosions- oder diffusionsgesteuerte Matrixsysteme und osmotisch gesteuerte Systeme.

Nach ihrem makroskopischen Aufbau werden multipartikuläre Arzneiformen in heterogene

und homogene Systeme eingeteilt. Bei homogenen Pellets ist der Wirkstoff in einer

Hilfsstoffmatrix dispergiert. Ihr Aufbau ist einheitlich, ohne erkennbare Kernregion. Sie

Page 19: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

1 Einleitung und Zielsetzung 3

werden hauptsächlich durch Direktpelletieren oder Extrusion hergestellt [Breitenbach 2002;

Crowley 2007; Dukiç-Ott 2009; Follonier 1994; Ghebre-Sellasie 1989; Ghebre-Sellasie

2003]. Hierbei bietet insbesondere die Schmelzextrusion einen interessanten Ansatz zur

Formulierung schwerlöslicher Wirkstoffe [Crowley 2007; Repka 2007; Rosenberg 2003].

Heterogene Pellets sind schichtartig aufgebaut und zeichnen sich durch eine Kernregion und

mindestens eine äußere, anders zusammengesetzte, Mantelregion aus. Zur Herstellung

heterogener Pellets hat sich das Beschichten von Starterkernen mit funktionellen Überzügen

im Wirbelschichtverfahren etabliert [Langer 1983; Thoma 1999]. Neben der guten

Skalierbarkeit des Prozesses bietet das Überziehen der Arzneiformen vielseitige

Möglichkeiten zur Steuerung der Freigabeeigenschaften [Siepmann 2007]. Nachteile von

überzogenen multipartikulären Arzneiformen sind der aufwändige mehrstufige

Herstellungsprozess und die geringe Wirkstoffdichte. Dies begrenzt ihren Einsatz bei hoch

dosierten Wirkstoffen mit Dosierungen oberhalb ca. 200 mg in der Arzneiform.

Der Anteil an hoch wirksamen, aber sehr schlecht wasserlöslichen Substanzen hat in den

letzten Jahren in der Arzneistoffforschung deutlich zugenommen [Amidon 1995; Lipinski

2000]. Denn durch die genauere Aufklärung der physiologischen Zielstrukturen für den

Wirkstoffangriff, ist es heute mit Hilfe computerbasierter Ansätze möglich, die strukturelle

Affinität der Arzneistoffkandidaten zum häufig sehr lipophilen Bindungsort des Zielmoleküls

zu optimieren. Daraus resultieren häufig sehr lipophile Wirkstoffe mit ungünstigen

Löslichkeitseigenschaften. Nach dem biopharmazeutischen Klassifizierungssystem (BCS)

werden Arzneistoffe entsprechend ihrer biopharmazeutischen Eigenschaften in vier Klassen

eingeteilt [Amidon 1995]. Substanzen der Klasse I sind gut löslich und gut resorbierbar.

Stoffe der Klasse III sind ebenfalls gut löslich, jedoch im GIT schlecht permeabel. Substanzen

dieser Klassen gelten aus galenischer Sicht als unproblematisch. Schlecht lösliche, gut

resorbierbare Wirkstoffe werden der Klasse II und schlecht lösliche, schlecht resorbierbare

Wirkstoffe der Klasse IV zugeordnet. Bei diesen Stoffen sind Bioverfügbarkeitsprobleme

wahrscheinlich. Derzeit fallen etwa 40% der wichtigsten Wirkstoffe in diese Klassen [Kasim

2004; Takagi 2006] und bei neuen Wirkstoffen wird dieser Anteil auf bis zu 60 % geschätzt.

Dies stellt die galenische Entwicklung von Arzneiformen vor eine besondere Herausforderung

und erfordert innovative Formulierungsansätze. Da einige dieser Wirkstoffe schwache Basen

sind, weisen sie häufig ein pH-abhängiges Löslichkeitsprofil auf und ihre Löslichkeit sinkt

oberhalb des pKa-Werts deutlich ab. Zur kontrollierten Wirkstofffreisetzung dieser Stoffe

eignet sich besonders die membrankontrollierte Freisetzung aufgrund der vielseitigen

Anpassungsmöglichkeiten von Filmüberzügen an biopharmazeutische Herausforderungen

Page 20: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

4 1 Einleitung und Zielsetzung

[Ensslin 2008a; Kranz 2005; Riis 2007; Siepmann 2008b]. Ein innovativer

Formulierungsansatz zur kontrollierten Freisetzung pH-abhängig schwerlöslicher Stoffe

basiert dabei auf dem Zusammenspiel pH-aktiver Substanzen, wie zum Beispiel organischen

Säuren, mit funktionellen Überzügen [Gruber 1982; Guthmann 2007]. Durch das Erzeugen

eines sauren mikro-pH-Milieus im Kern der Arzneiform kann die lokale Löslichkeit

verbessert und gleichzeitig die Freisetzungsrate durch funktionelle Überzügen kontrolliert

werden. Ein von Wagner et al vorgestelltes, modulares System zur membrankontrollierten

Freisetzung pH-abhängig schwerlöslicher Wirkstoffe bietet Möglichkeiten, die Freigabe pH-

aktiver Substanzen auf die Wirkstoffeigenschaften abzustimmen [Wagner 2008]. Es besteht

aus zwei oder mehr aufeinander abgestimmten, funktionellen Überzügen und wird in Kapitel

2.4 detailliert erläutert. Dieses System bietet deshalb das Potenzial als Plattform für die

Formulierung unterschiedlicher Wirkstoffe eingesetzt zu werden.

In der Vergangenheit wurde bei der Entwicklung und Optimierung von Retardarzneiformen

häufig nach dem Prinzip von „Versuch-und-Irrtum“ vorgegangen. Eine rationale,

wissensbasierte Vorgehensweise könnte hingegen nicht nur zielführender in der Entwicklung

und hilfreich beim „trouble-shooting“ sein, sondern ist auch aufgrund regulatorischer

(„quality by design“) und ökonomischer Zwänge zunehmend geboten. Ein sinnvoller Ansatz

könnte dabei der Einsatz von Screeningmethoden in der Entwicklung sein, um frühzeitig

aussagekräftige Ergebnisse als Grundlage für ein Vorhersagemodell zu erhalten und damit

maßgeschneiderte Arzneiformen zielgerichtet entwickeln zu können [Maus 2007; Siepmann

2007; Siepmann 2000; Spitael 1977; Ye 2007].

Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Weiterentwicklung und systematische Charakterisierung

multipartikulärer, membrankontrollierter Systeme auf Basis der von Wagner et al.

entwickelten Plattform zur membrankontrollierten Freisetzung. Zur Auswahl von

funktionellen Überzügen und zur Untersuchung der zugrunde liegenden

Freisetzungsmechanismen sollen Screnningmethoden und Vorhersagemodelle entwickelt

werden. Diese beschreiben die Wirkstofffreisetzung und basieren auf semi-empirisch

ermittelten Abhängigkeiten der verschiedenen Bausteine einer Formulierung.

Die letztendlich erfolgsentscheidenden Kriterien für eine modifiziert freisetzende Arzneiform

sind jedoch immer die klinisch erzielten Parameter wie Bioverfügbarkeit und Kinetik der

Blutspiegelkurve. Durch neue Erkenntnisse über die Physiologie des Magen-Darm Trakts hat

in den letzen Jahren deshalb auch die Suche nach geeigneten in vitro Modellen zur besseren

Vorhersage dieser Parameter neue Impulse erhalten [Kalantzi 2006; McConnell 2008]. Ein

Page 21: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

1 Einleitung und Zielsetzung 5

neuer Ansatz für ein solches Modell wird in der vorliegenden Arbeit vorgestellt und anhand

von klinischen Humandaten bewertet [Heigoldt 2010].

Page 22: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

6 2 Modell und Pelletaufbau

2 Modell und Pelletaufbau

2.1 Funktion und Herstellung überzogener Pellets

Das Überziehen von festen Arzneiformen mit Polymeren hat sich als galenischer

Standardprozess fest etabliert und wird für Tabletten, Kapseln, Pellets, Granulate und

Kristalle angewendet [Bauer 1988]. Filmüberzüge werden eingesetzt, um Arzneiformen mit

farbigen Überzügen zu kennzeichnen, einen unangenehmen Geschmack zu überdecken,

empfindliche Wirkstoff vor Feuchtigkeit zu schützen, oder um mit funktionellen

Filmüberzügen die Wirkstofffreisetzung im Vergleich zur nicht überzogenen Arzneiform zu

verändern. Funktionelle Filmüberzüge sind Polymerfilme, die aufgrund spezifischer

Eigenschaften der eingesetzten Polymere die Wirkstofffreigabe aus der Arzneiform steuern

können. Es werden entweder magensaftresistente Polymere, Polymere zur gezielten

Freisetzung in tieferen Darmabschnitten („colon targeting“) oder unlösliche Polymere als

Diffusionsbarrieren eingesetzt. Magensaftresistente Filmüberzüge lösen sich ab einem pH-

Wert zwischen 5,5 und 6,0 auf und werden eingesetzt, um säureempfindliche Wirkstoffe zu

schützen. Polymere zum „colon targeting“ lösen sich bei pH-Werten ab pH 7,0 auf.

Unlösliche Polymere verzögern die Wirkstofffreisetzung dauerhaft und pH- unabhängig. Für

diese Anwendungen stehen aufgrund biopharmazeutischer und technologischer Vorteile

zunehmend multipartikuläre Arzneiformen wie Pellets im Fokus. Besonders kugelförmige

Partikel wie Pellets eignen sich ideal für funktionelle Filmüberzüge, da sie gleichmäßige

Überzüge ermöglichen. Beim Überziehen von Tabletten können hingegen Filmüberzüge mit

stark unterschiedlichen Membrandicken entstehen [Zeitler 2007], da Kanten an zylindrischen

Arzneiformen schlechter benetzt werden.

Sehr gebräuchlich bei der Herstellung überzogener Arzneiformen ist das Überziehen in der

Wirbelschicht, das auch bei kleinen Partikeln und Produkten mit Klebetendenzen sehr

gleichmäßige Filmüberzüge in einem effektiven Prozess ermöglicht [Tang 2005; Wesseling

1999b]. Die Polymerlösung bzw. – dispersion wird dabei in das fluidisierte Bett von Kernen

eingesprüht. Die entstehenden Tröpfchen schlagen sich auf der Oberfläche der Kerne nieder,

koaleszieren und bilden nach nahezu vollständigem Verdunsten des Lösungs- bzw.

Dispersionsmittels einen Polymerfilm. Dabei unterscheidet man grundsätzlich die

Filmbildung von meist in organischen Flüssigkeiten gelösten Polymeren und Filmüberzüge

aus wässrigen Polymerdispersionen. Bei der Filmbildung aus organischen Lösungen kommt

es durch Verdunsten des Lösungsmittels der aufgesprühten Tröpfchen zu einem Sol-Gel-

Übergang der Polymere, die sich netzartig durchdringen und sich schließlich, nach nahezu

Page 23: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

2.1 Funktion und Herstellung überzogener Pellets 7

vollständigem Verdunsten des Lösungsmittels, zu einem Film verfestigen. Da der Einsatz von

leicht brennbaren, toxischen Lösungsmitteln vermieden werden sollte, kommen inzwischen

soweit möglich wässrige Polymerdispersionen zum Einsatz [Lippold 1990].

Die Filmbildung aus Polymerdispersionen unterscheidet sich jedoch stark von der

Filmbildung aus Polymerlösungen. Treibende Kraft für die Deformation und das

anschließende Koaleszieren der dispergierten Partikeln zu einem zusammenhängenden,

mechanisch stabilen Film ist zum einen der Gewinn an Oberflächenenergie und zum anderen

der Kapillardruck, der während des Verdunstungsvorgangs zwischen den Polymerpartikeln

entsteht und die größere Rolle bei der Filmbildung spielt [Sutter 1988]. Der Kapillardruck P

ergibt sich nach Laplace aus der Grenzflächenspannung y und der Krümmung der Kapillare r,

die vom Partikelradius abhängig ist:

r

yP

2Gl. 2.1

Aus der Gleichung lässt sich erkennen, dass kleinere Polymerpartikel größere Kapillardrücke

erzeugen und damit die Filmbildung feinteiliger Dispersionen begünstigt ist. Die

physikalischen Eigenschaften von Latexfilmen lassen sich allerdings nicht allein mit der

Kapillarkraft erklären. Um einen kohärenten Film zu erhalten, ist eine Interdiffusion von

Polymerketten der Partikeloberflächen notwendig [Boczar 1993]]. Entsprechend des

Mechanismus der Filmbildung resultieren Unterschiede in den physiko-chemischen

Eigenschaften und in der Mikrostruktur der erhaltenen Filme. Diese können unterschiedliche

Freisetzungsprofile bewirken [Bando 2006; Lecomte 2004b].

Ein großer Vorteil membrankontrollierter Arzneiformen gegenüber nicht-erodierenden

Retardmatrizes liegt in der Möglichkeit eine lineare Wirkstofffreisetzung nach nullter

Ordnung zu erreichen (Abb. 2-1). Die diffusionskontrollierte Freisetzung aus Matrizes folgt

dagegen in der Regel einer nicht-linearen √t-Kinetik [Higuchi 1961]. Filmüberzüge mit

kationischen Polymethacrylat können jedoch auch sigmoidale Freisetzungsprofile

ermöglichen [Narisawa 1996; Wagner 2005a]. Desweiteren bieten Filmüberzüge eine große

Flexibilität in der Anwendung und relativ einfache Optionen, die Freisetzung zu steuern. Dies

kann durch die Polymerauswahl geschehen, durch unterschiedliche Membrandicken oder

durch Auswahl und Gehalt des verwendeten Weichmachers. Zusätzlich können die

Filmeigenschaften auch durch Mischen von Polymeren variiert werden.

Page 24: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

8 2 Modell und Pelletaufbau

Abb. 2-1 Schematische in vitro Freisetzungsprofile für Membransysteme: a) diffusionskontrolliertesSystem, Kinetik nullter Ordnung; b) getriggertes System, sigmoidale Freisetzung; c) osmotischesSystem, Kinetik nullter Ordnung

2.2 Mechanismen des Stofftransports durch Membransysteme

Eine Vielzahl von Einflussparametern und parallel ablaufenden Prozessen bestimmt die

Permeabilität von Polymerfilmen. Dies macht eine Vorhersage des Freisetzungsverhaltens

sehr schwierig. Je mehr Hilfsstoffe ein Polymerfilm enthält, desto komplizierter gestaltet sich

die Interpretation der beobachteten Phänomene. Für die Entwicklung membrankontrollierter

Systeme ist es dennoch sehr hilfreich, die ablaufenden Vorgänge und

geschwindigkeitsbestimmenden Transportprozesse zu kennen, um eine optimierte Arzneiform

realisieren zu können. Ein weitgehend akzeptierter Ansatz zur Beschreibung der ablaufenden

Transportprozesse ist die Quellungstheorie [Bindschaedler 1987; Lippold 1985; Sutter 1988].

Sie kann auf viele nichtionische Membranen angewendet werden. Die Theorie des

ioneninduzierten Transports wurde von Grützmann und Wagner diskutiert [Grützmann 2005;

Wagner 2005a] und beschreibt die von der Quellungstheorie abweichenden Phänomene an

kationischen Polymethacrylatmembranen.

2.2.1 Quellungstheorie

Polymerüberzüge, wie sie zur Herstellung überzogener Arzneiformen eingesetzt werden,

stellen poröse Membranen dar. Die Diffusion von gelösten Molekülen durch eine

geschlossene Membran wird von der Porosität und der Porengröße kontrolliert und lässt sich

für den Fall, dass sich die Polymereigenschaften während des Diffusionsvorgangs nicht

ändern durch das Fick’sche Gesetz beschreiben (Gl. 2.2):

c100 %

tkumulatives in vitroFreisetzungsprofil

a

b

c

Page 25: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

2.2 Mechanismen des Stofftransports durch Membransysteme 9

dx

dcDA

dt

dmm Gl. 2.2

Dabei beschreibt der Differenzialkoeffizient dm/dt die Freisetzungsrate, A die aktive

Membranfläche, Dm den stoffabhängigen Diffusionskoeffizienten und dc/dx den

Konzentrationsgradienten über die Membrandicke. Bei der Betrachtung der Einflussgrößen

auf den Diffusionskoeffizienten (Gl. 2.3) zeigt sich, dass neben der Temperatur auch die

Viskosität des umgebenden Mediums und die Molekülgröße des Arzneistoffs die

Diffusionsgeschwindigkeit bestimmen.

r

TkDm

6 Gl. 2.3

k = BoltzmannkonstanteT = absolute Temperatur = Viskosität des umgebenden Mediumsr = Molekülradius

Die Diffusionsrate wird also hauptsächlich von der Durchlässigkeit der Membran, d.h. ihrer

Porengröße und der Porosität, die Durchsatz und Ausschlussgröße definieren, kontrolliert.

Dabei können Porosität und Porengröße der Membran auf folgende Arten gesteuert werden:

1. Die zunächst trockene Membran mit geringer Porosität nimmt Wasser auf und quillt.

Die Polymerketten entfernen sich dadurch voneinander und haben eine höhere

Beweglichkeit. Die Porosität nimmt also als Funktion der Quellung zu und führt nach

Beendigung des Quellungsprozesses zu einer Wirkstofffreisetzung nullter Ordnung.

Die Freisetzungsrate wird hierbei durch die Dicke des aufgetragenen Überzugs

gesteuert [Lippold 1999a; Sutter 1988].

2. Durch Auswahl und Gehalt des verwendeten Weichmachers wird die Beweglichkeit

der Polymerketten beeinflusst und damit die Porosität der Membran variiert. Dadurch

kann die Freisetzungsrate in begrenztem Ausmaß gesteuert werden [Amighi 1996;

Bonacucina 2006; Fetscher 1999; Lecomte 2004a; Lippold 1990; Okarter 2000].

3. In die Membran werden wasserlösliche Porenbildner eingebettet, die durch Anzahl

und Größe die Freisetzungsrate steuern [Frohoff-Hülsmann 1998; Strübing 2008]

Nach Peppas [Peppas 1985b] werden Filmüberzüge in geschlossene, mikro-, und

makroporöse Membranen eingeteilt. Für geschlossene Membranen stellt der

Diffusionsprozess der gelösten Moleküle durch wassergefüllte Zwischenräume in der

gequollenen Membran den bestimmenden Transportprozess dar. Der Stofftransport durch

Page 26: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

10 2 Modell und Pelletaufbau

makro- und mikroporöse Membranen ist nach Sutter [Sutter 1988] von der Porosität und der

Tortuosität der Membran abhängig und erfolgt entweder durch Diffusion oder Konvektion. Im

Folgenden werden die dabei ablaufenden Transportprozesse idealisiert beschrieben.

Diffusion durch geschlossene Polymermembranen

Bei Membranen mit einem Porendurchmesser kleiner als 10 nm muss der Permeand durch

wassergefüllte Räume zwischen den Polymerketten diffundieren. Die treibende Kraft für die

Diffusion durch eine geschlossene unlösliche Membran ist der Konzentrationsgradient des

diffundierenden Stoffs [Flynn 1974; Scheuplein 1968]. Der Freisetzungsmechanismus gliedert

sich in drei Abschnitte:

a) Penetration von Wassermolekülen in die Membran und Quellung

b) Auflösung des Arzneistoffs an der Grenzschicht

c) Diffusion des Arzneistoffs durch die Membran

Abb. 2-2 Schematische Darstellung der Wirkstoffdiffusion durch eine geschlossene Membran

Unter der Annahme von Pseudo-Steady-State- und perfekten Sink-Bedingungen erfolgt die

Freisetzung nach einer Kinetik nullter Ordnung (Abb. 2-1) und kann nach Gl. 2.2 berechnet

werden.

Diffusion durch wassergefüllte Mikroporen

Werden wasserlösliche Porenbildner in den Polymerüberzug eingebettet, stellt der Überzug

zunächst keine homogene Membran dar und enthält nach Herauslösen des Porenbildners

wassergefüllte Mikroporen [Ensslin 2008b; Frohoff-Hülsmann 1998; Palmer 2008; Zhang

2007]. In diesem Fall erfolgt der Transport sowohl durch die geschlossene Membran, als auch

durch die wassergefüllten Kanäle der Mikroporen [Bindschaedler 1987; Gunder 1995]. Da die

Beweglichkeit des gelösten Wirkstoffs in der wässrigen Phase größer ist, als in der Membran,

äußere Kontrollmembran

Wirkstoff Dm

Page 27: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

2.2 Mechanismen des Stofftransports durch Membransysteme 11

wird die Freisetzungsrate maßgeblich von dem Transport durch die Kanäle bestimmt. Der

Freisetzungsmechanismus gliedert sich dann in die Abschnitte (Abb. 3-2):

a) Penetration von Wassermolekülen in die Membran und Quellung

b) Auflösung des Porenbildners in der Membran und des Arzneistoffs an der Grenzschicht

c) Diffusion des Arzneistoffs durch wassergefüllte Kanäle in der Membran

Abb. 2-3 Schematische Darstellung der Wirkstoffdiffusion durch eine mikroporenhaltige Membran

Die Freisetzungsrate der Diffusion kann in diesem Fall unter Berücksichtigung der Porosität

und der Tortuosität bestimmt werden [Martin 2002]:

dx

dcDA

dt

dmp

Gl. 2.4

Dabei beschreibt Dp den scheinbaren Diffusionskoeffizient, die Porosität und die

Tortuosität der Membran. Die Freisetzung erfolgt diffusionskontrolliert nach einer Kinetik

nullter Ordnung.

Konvektion durch wassergefüllte Poren

Sind größere Mengen osmotisch aktiver Stoffe im Pelletkern vorhanden, kann durch den

osmotisch getriebenen Wassereinstrom ein beträchtlicher hydrostatischer Druck im Inneren

eines Pellets entstehen. Falls im Polymerüberzug mikro- oder makroporöse Strukturen

existieren, kann der Wirkstoff durch diese Öffnungen per Konvektion ausströmen (Abb. 2-4).

Dieser Stofftransport erfolgt deutlich schneller als die parallel ablaufende Wirkstoffdiffusion

durch die geschlossene Membran und wird maßgeblich durch die Wasserpermeabilität der

äußeren Membran bestimmt [Guthmann 2007].

äußere Kontrollmembran

Wirkstoff Dm

Dp

Page 28: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

12 2 Modell und Pelletaufbau

Abb. 2-4 Schematische Darstellung der Wirkstofffreisetzung via Konvektion durch einemikroporenhaltige Membran

Die Freisetzungsrate ergibt sich in diesem Fall wie folgt aus Gl. 2-5:

dx

dcDA

dt

dmw

Gl. 2.5

Dabei beschreibt Dw den scheinbaren Diffusionskoeffizient des Wassereinstroms und den

osmotischen Druck der osmotisch aktiven Substanz. Das typische Freisetzungsprofil zeigt

eine kurze Lag-Zeit und anschließend eine lineare Freisetzung nullter Ordnung (Abb. 2-1).

2.2.2 Ioneninduzierter Transport

Die Quellungstheorie stellt für diffusionsgesteuerte Transportprozesse über nichtionische

Membranen, die typischerweise nach einer Kinetik nullter Ordnung ablaufen, ein schlüssiges

und anerkanntes Konzept dar. Können Wechselwirkungen zwischen Arzneistoffmolekülen

oder Ionen mit dem Polymer jedoch nicht vernachlässigt werden, ergeben sich

Erklärungsschwächen. Für membrankontrollierte Systeme mit nicht-linearen

Freisetzungsprofilen sind die beschriebenen Mechanismen und Gesetze offensichtlich nicht

uneingeschränkt gültig. Arzneiformen mit Überzügen von kationischem Polymethacrylat

Eudragit RS erzeugen beispielsweise meist sigmoidale Freisetzungsprofile (Abb. 2-1)

[Narisawa 1994; Narisawa 1996]. Diese sind durch eine Verzögerungsphase bis zum

Einsetzen der Freisetzung (Lag-Zeit), gefolgt von einer Phase mit sehr schneller Freisetzung

gekennzeichnet. Nach der Quellungstheorie müsste bei diesem Freisetzungsverlauf zum Ende

der Lag-Zeit sprunghaft eine starke Quellung der Membran erfolgen, die die Porengröße und

Porosität und damit die Membranpermeabilität deutlich erhöht. Dabei muss in Frage gestellt

werden, in wieweit die Quellungskapazität des Polymers dies überhaupt ermöglicht und durch

welchen Auslöser die Quellung zum Ende der Lag-Zeit sprunghaft in Gang kommen sollte.

Ein osmotischer Mechanismus erscheint als Erklärungsansatz unwahrscheinlich, da die

Polymethacrylatmembran nicht über semipermeable Eigenschaften verfügt.

äußere Kontrollmembran

Wirkstoff Dm

Dw

Page 29: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

2.2 Mechanismen des Stofftransports durch Membransysteme 13

Für Filmüberzüge mit dem kationischen Polymethacrylat Eudragit RS sind jedoch vielfach

ionische Interaktionen zwischen gelösten Anionen und den quartären Ammoniumgruppen

(QAG) des Polymers beschrieben[Beckert 1997; Bodmeier 1996; Grützmann 2005; Nopper

2004], die großen Einfluss auf die Membranpermeabilität haben. Durch Untersuchungen von

Grützmann und Wagner [Wagner 2002; Wagner 2005a] konnte gezeigt werden, dass der

Freisetzungsmechanismus durch Eudragit RS Membranen auf einen ioneninduzierten

Medienfluss zurückzuführen ist. Dieser Medienfluss entsteht durch den Austausch der

originär an die quartären Ammoniumgruppen des Polymers gebundenen Chlorid-Ionen gegen

Anionen, die aus dem Freisetzungsmedium oder dem System selbst stammen. Entsprechend

der elektrostatischen Anziehung der austauschenden Anionenspezies oszillieren diese

Anionen mehr oder weniger stark um die QAG des Polymers und induzieren den

Medienfluss. Der Freisetzungsmechanismus ist schematisch in Abb. 2-5 schrittweise

dargestellt.

Abb. 2-5 Freisetzungsmechanismus durch eine kationische Eudragit RS Membran a) Wasser- undIonenpenetration, b) leichte Quellung, Ionenaustausch der QAG gegen die Anionenkomponente desMediums bzw. des Pelletkerns und Auflösung des Wirkstoffs, c) aktiver Wirkstofftransport mittelsioneninduziertem Medienfluss

Wasser- und Ionenaufnahme

Eudragit RS Membran

wirkstoffhaltiger Kern

gelöste WirkstoffschichtwasserhaltigesEudragit RS,Ionenaustauschan den QAG

aktiver, ioneninduzierterMedienfluss

a)

c)

b)

Page 30: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

14 2 Modell und Pelletaufbau

Der induzierte Medienfluss setzt dabei umso schneller und intensiver ein, je geringer die

Bindungskraft der entsprechenden Anionen an die quartären Ammoniumgruppen ist.

Außerdem konnte gezeigt werden, dass die Anzahl der quartären Ammoniumgruppen im

Polymervolumen, d.h. die Dichte der quartären Ammoniumgruppen, eine wesentliche Rolle

spielt [Grützmann 2005]. Dabei ist der Medienstrom umso stärker, je höher die Dichte der

kationischen Gruppen ist.

Die Freisetzung aus Systemen mit ioneninduziertem Transport wird deshalb insbesondere

gesteuert von:

- der Konzentration der Anionen

- den elektrostatischen Eigenschaften der Anionen (Ladung und Größe)

- der räumlichen Dichte der quartären Ammoniumgruppen

- der Membrandicke

Der sigmoidale Verlauf der Freisetzung von Retardsystemen mit Eudragit RS Überzug durch

den ioneninduzierten Medienfluss kann also durch den Einsatz geeigneter Anionenspezies im

Retardsystem beeinflusst werden. Da gelöste, ungeladene Wirkstoffe die Membran mit dem

ioneninduzierten Medienfluss gut passieren können, ergeben sich daraus folgende

Anwendungsmöglichkeiten für modifiziert freisetzende Arzneiformen:

1. Durch Auswahl der Spezies und Anzahl der Anionen bezogen auf QAG kann die

Freisetzungsrate gesenkt und damit Schichtdicke und Polymermenge reduziert

werden.

2. Durch Ausnutzung dieses Mechanismus können mehrschichtige Pellets eine

sigmoidale Freisetzungscharakteristik mit definierter Lag-Zeit erhalten. Diese Systeme

bieten eine Formulierungslösung für chronopharmakologische Phänomene, wie einen

exogen zeitabhängigen Wirkstoffbedarf oder transitabhängige Absorption aus dem

GIT.

2.3 Freisetzung von pH-abhängig schwerlöslichen Wirkstoffen

Wirkstoffe der BCS-Klassen II und IV zeigen keine ausreichende Löslichkeit über den

physiologisch relevanten pH-Bereich. Da viele dieser Wirkstoffe als schwache Basen oder

deren Salze synthetisiert werden, ist eine pH-abhängige Löslichkeit mit guten

Löslichkeitseigenschaften im sauren Bereich, aber stark eingeschränkter Löslichkeit bei pH-

Werten zwischen pH 4 und pH 7 nicht selten. Daraus ergeben sich häufig

Bioverfügbarkeitsprobleme [Dokoumetzidis 2006a]. Dies gilt nur bedingt für schnell

freisetzende Arzneiformen. Denn diese zerfallen im Magen schnell und der Wirkstoff wird im

Page 31: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

2.4 Aufbau und Funktion membrangesteuerter Systeme 15

sauren Milieu des Magens gelöst. Nach Entleerung des Mageninhalts in den Dünndarm wird

anschließend trotz schlechter Löslichkeitsbedingungen meist noch ein Großteil der Dosis

resorbiert [Robinson 1987]. Bei Arzneiformen mit verzögerter Freisetzung ist hingegen mit

konventionellen Formulierungsansätzen für stark pH-abhängig schwerlösliche Wirkstoffe

keine ausreichende Bioverfügbarkeit zu erwarten. Lösungsansätze bieten Technologien zur

Löslichkeitsverbesserung wie Nanoisierung und Amorphisierung des Wirkstoffs oder der

Einsatz von pH-aktiven Stoffen (pH-modifier) wie zum Beispiel organischen Säuren [Mäder

2009]. Die Kombination von löslichkeitsverbessernden und retardierenden Attributen in einer

Formulierung ist jedoch nicht trivial und erfordert innovative Formulierungsansätze.

2.4 Aufbau und Funktion membrangesteuerter Systeme

In diesem Kapitel werden einige Möglichkeiten zum Aufbau membrankontrollierter

Retardpellets, die zur Applikation pH-abhängig schwerlöslicher Wirkstoffe eingesetzt werden

können, vorgestellt und diskutiert. Abb. 2-6 zeigt zunächst den klassischen Aufbau

überzogener Wirkstoffpellets mit verzögerter Freisetzung.

Abb. 2-6 Prinzipieller Aufbau einfacher Membransystemea) Arzneistoff aufgezogen auf einen Träger, b) Arzneistoff gleichmäßig im Kern verteilt

Die Freisetzung des auf einen Starterkern aufgebrachten Wirkstoffs wird dabei über eine

äußere Kontrollmembran gesteuert, die nach außen eine Diffusionsbarriere für den gelösten

Wirkstoff darstellt. Diese Systeme eignen sich zur verzögerten Freisetzung für Wirkstoffe mit

guter Löslichkeit über einen großen pH-Bereich. Die Auswahl des Kerns bestimmt die

Freisetzungseigenschaften nicht unerheblich [Guthmann 2007; Lecomte 2005]. Es eignen sich

inerte Cellulosekerne, lösliche Neutralpellets oder eventuell durch Extrusion oder

Direktpelletierung hergestellte Kerne mit hohem Wirkstoffanteil. Dabei erzeugen lösliche

Zuckerpellets einen schnelleren Wassereintritt, aufgrund eines höheren osmotischen

Gradienten und deshalb in der Regel höhere Freisetzungsraten als inerte Kerne [Lecomte

2005]. Wirkstoffstarterpellets (Abb. 2-6 b) ermöglichen einen hohen Wirkstoffgehalt, was für

a) b)

äußere Kontrollmembran

Wirkstoff

neutraler Hilfsstoff

Page 32: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

16 2 Modell und Pelletaufbau

höhere Dosierungen sowie die anfallenden Materialkosten vorteilhaft ist. Jedoch ist ihre

Herstellung oft nicht unproblematisch und häufig mit Einschränkungen bei Abrieb, Form oder

Freisetzungseigenschaften verbunden. Der Fall a) findet vor allem bei niedrigen Dosierungen

wegen geringer Gehaltsschwankungen durch den Herstellungsprozesses und/oder

magensaftresistent überzogenen Formen aufgrund einer schnellen Auflösungskinetik bei

direkt unter dem Film liegender Wirkstoffschicht Anwendung.

Zur Kontrolle der Freisetzung sind verschiedene Arten von Polymermembranen denkbar:

magensaftresistente Überzüge [Bando 2006; Porter 1982], unlösliche Retardüberzüge

[Lippold 1999a], Mischungen aus pH-abhängig löslichen und unlöslichen Polymeren

[Lecomte 2008], Mischungen aus unlöslichen Polymeren mit löslichen Polymeren als

Porenbildner zur Diffusionserleichterung [Frohoff-Hülsmann 1998; Strübing 2008] oder eine

Mischung aus löslichen, pH-abhängig löslichen und unlöslichen Polymeren.

Für Arzneiformen mit modifizierter Freisetzung sind auch Formulierungsansätze mit zwei

oder mehr aufeinander liegenden Polymerschichten mit unterschiedlichen Permeabilitäten,

wie in Abb. 2-7 dargestellt, beschrieben. Durch eine äußere magensaftresistente Schicht, kann

beispielsweise zuerst der säureempfindliche Wirkstoff geschützt, und anschließend bei

höheren pH-Werten im Darm von der zweiten Schicht kontrolliert freigesetzt werden [Kim

2007]. Mit diesem Aufbau kann auch bei pH-abhängig löslichen Wirkstoffen mit hoher

Löslichkeit im Sauren eine schnelle inititale Freisetzung verhindert werden. Eine weitere

Anwendung ist die gezielte Wirkstofffreigabe in tieferen Darmabschnitten [Khan 1999;

Leopold 1999]. Da die Herstellung mindestens drei Schritte benötigt und die Steuerung der

Freisetzung äußerst schwierig ist, wird dieses Modell bislang nur selten angewendet.

Abb. 2-7 Prinzipieller Aufbau eines mehrschichtigen Membransystems

Weiterentwicklungen dieses mehrschichtigen Membransystems, die speziell zur gesteuerten

Freisetzung von pH-abhängig schwerlöslichen Wirkstoffen geeignet sind, zeigt Abb. 2-8. Der

pH-aktive Starterkern besteht zur Löslichkeitsverbesserung des Wirkstoffs beispielsweise aus

einer organischen Säure, auf die im Fall a) direkt die Wirkstoffschicht oder im Fall b) zuerst

magensaftresistenterÜberzug

Kontrollmembran

Wirkstoff

neutraler Hilfsstoff

Page 33: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

2.4 Aufbau und Funktion membrangesteuerter Systeme 17

eine innere Kontrollmembran aufgetragen ist. Säurestarterpellets dienen der

Löslichkeitsverbesserung indem im Mikromilieu der finalen Pellets durch Absenkung des pH-

Werts bessere Lösungsbedingungen für schwache Basen entstehen [Ploen 2009; Siepe 2006].

Eine auf der Wirkstoffschicht aufgebrachte äußere Membran kontrolliert die

Wirkstofffreisetzung. Durch diesen Aufbau wird die pH-aktive Substanz bei der Freigabe

nach außen durch die darüber liegende Wirkstoffschicht gezwungen und damit ein optimales

Ausnutzen der Lösungsvermittlung gewährleistet.

Abb. 2-8 Prinzipieller Aufbau pH-modifizierter mehrschichtiger Membransystemea) ungesteuerte Freisetzung des pH-modifiers, b) synchronisierte pH-modifier Freisetzung

Im Fall a) wird die Freisetzung von Säure und Wirkstoff ausschließlich durch die äußere

Diffusionsbarriere kontrolliert. Da der Diffusionsimpetus der Säure, durch ihren größeren

Konzentrationsgradienten und die geringere Molekülgröße, die Diffusionsrate des Wirkstoffs

in der Regel deutlich überschreitet, verarmt die Arzneiform relativ schnell an Säure und

ungelöster Wirkstoff bleibt zurück. Daraus ergibt sich eventuell eine unvollständige

Freisetzung, was schlechte Bioverfügbarkeitswerte zur Folge haben kann.

Durch eine zusätzliche innere Kontrollmembran zwischen Säure und Wirkstoff wie in Fall b),

kann die Freisetzung und damit der Verlust der Säure aus der Arzneiform gezielt verlangsamt

werden. Die Freisetzung der Säure kann damit gezielt auf die Löslichkeitseigenschaften des

Wirkstoffes entsprechend der physiologischen Umgebungsbedingungen angepasst werden.

Für sehr stark pH-abhängig schwer lösliche Stoffe kann die Freisetzungsrate des Wirkstoffs

somit indirekt über die innere Membran zur Steuerung der Kinetik der Säurefreisetzung

maßgeblich bestimmt werden [Wagner 2008].

Für die innere Membran eignen sich unlösliche Retardpolymere mit starker

Freisetzungsverzögerung, die die Säure zeitkontrolliert freisetzen. Die äußere Membran kann

ebenfalls eine unlösliche Membran mit hoher Permeabilität oder ein porenhaltiger, pH-

abhängig löslicher Überzug sein. Durch den Einsatz pH-abhängig löslicher Polymere besteht

äußere Kontrollmembran

Wirkstoffschicht

innere Kontrollmembran

pH-modifier

a) b)

Page 34: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

18 2 Modell und Pelletaufbau

somit eine weitere Möglichkeit, das System auf die pH-abhängige Löslichkeit des Wirkstoffs

anzupassen.

Ein Pelletaufbau nach dem Prinzip des Modells in Abb. 2-8b bietet eine Vielzahl an

Möglichkeiten, eine kontrollierte Freisetzung von Wirkstoffen mit stark pH-abhängiger

Löslichkeit zu erreichen. Durch die Auswahl der drei aufeinander abgestimmten,

funktionellen Bausteine – pH-aktiver Kern, innere Membran, äußere Membran – kann dieses

Modell flexibel auf unterschiedliche Wirkstoffeigenschaften angepasst und modular

zusammengesetzt werden. Ein modularer Aufbau erscheint deshalb in mehrfacher Hinsicht

besonders vorteilhaft:

1) Durch die physikalische Trennung der verschiedenen Bausteine minimiert sich das

Risiko von Inkompatibilitäten und Stabilitätsproblemen.

2) Die vielseitigen Anpassungsmöglichkeiten der Filmüberzüge ermöglichen den Aufbau

eines Baukastensystems, das auf die jeweiligen Substanzeigenschaften angepasst

werden kann.

3) Es liegen bereits klinische Daten von Markt- und Entwicklungspräparaten (Aggrenox,

Pradaxa) vor, die dieses Formulierungsprinzip grundsätzlich bestätigen.

2.5 Auswahl der Wirk- und Hilfsstoffe

Zum Screening der Permeabilität verschiedener Membranen zur kontrollierten Freisetzung

werden Modellarzneistoffe der BCS Klasse II mit unterschiedlichen Löslichkeitsprofilen

ausgewählt.

Die ausgewählten Wirkstoffe Dipyridamol, BI XX und BI 11634 Na sind pH-abhängig

schwerlösliche Substanzen (Tabelle 2-1). Als weiterer Modellarzneistoff dient Theophyllin,

dessen Löslichkeit unabhängig vom pH-Wert des Mediums ist. Nicht zuletzt aufgrund seiner

guten analytischen Zugänglichkeit wird Theophyllin häufig als Modellsubstanz eingesetzt.

Die verwendeten Überzugspolymere sind in Tabelle 2-2 aufgelistet und charakterisiert und

werden in den folgenden Kapiteln eingehend besprochen.

Theophyllin (THEO)

Überzogene Arzneiformen mit kontrollierter Theophyllin Freisetzung finden in der

Asthmatherapie in Tagesdosen von 200 mg bis 800 mg breite Anwendung. Die Löslichkeit

bei physiologischen pH-Werten ist mit ca. 10 mg/ml gering. Theophyllin (MR = 180,2) wird

aufgrund der Einordnung als schlecht lösliche, aber gut resorbierbare Substanz nach BCS II

[Lindenberg 2004] sehr häufig für Untersuchungen mit kontrollierter Freisetzung verwendet.

Page 35: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

2.5 Auswahl der Wirk- und Hilfsstoffe 19

Physikalische Wechselwirkungen von Theophyllin mit Überzugspolymeren wurden in der

Vergangenheit nicht beschrieben.

Dipyridamol (DIP)

Membrankontrolliert freisetzende Aggrenox Retardpellets von Boehringer-Ingelheim mit

einer Dosis von zweimal täglich 200 mg Dipyridamol (MR = 504,6) in Kombination mit

Acetylsalicylsäure werden zur Sekundärprophylaxe nach ischämischem Insult oder transienter

ischämischer Attacke eingesetzt. Als schwach basischer Stoff löst sich Dipyridamol in saurer

Umgebung sehr gut, die Löslichkeit nimmt jedoch nahe des pKa-Wertes drastisch ab.

Dipyridamol wird deshalb ebenfalls als BCS II Substanz klassifiziert. Über Interaktionen mit

Überzugspolymeren berichten Beten et al. [Beten 1992] insbesondere über die Bildung von

Wasserstoffbrücken mit Polyvinylpyrrolidon [Chen 2007; Patterson 2006].

BI XX

BI XX (MR = ca. 400) ist eine lipophile, von Boehringer-Ingelheim entwickelte, Substanz mit

einem therapeutische Bereich zwischen 50 mg und 200 mg. Der schwach basische Stoff weist

eine extrem stark pH-abhängige Löslichkeit auf. Wechselwirkungen dieser BCS II Substanz

mit Überzugspolymeren sind bislang nicht bekannt.

BI 11634 Na

Das amphotere BI 11634 (MR = 441,9) ist eine Entwicklungssubstanz von Boehringer-

Ingelheim und reagiert in Wasser deutlich alkalisch. Der therapeutische Bereich von

BI 11634 Na liegt im Bereich zwischen 50 mg und 200 mg. Die BCS II Substanz ist löslich in

sauren Medien und hat ein Löslichkeitsminimum zwischen pH 4 und pH 8. Die Löslichkeit ist

generell gering, zeigt aber eine pH-abhängige Löslichkeit.

Tabelle 2-1 Löslichkeiten und physikalisch-chemische Eigenschaften der Wirkstoffe

Medium Theophyllin BI 11634 Na Dipyridamol BI XX

pH 1 12,4 6,9 53,0 6,2

pH 3 - 3,6 8,0 1,8

pH 4 - 0,92 0,65 0,2

pH 5,5 - 0,9 0,022 0,005

pH 6,8 - 0,6 0,006 0,002

Wasser 11,8 5,3 0,03 0,008

pKa 8,6 4,0 6,4 5,9

Log P - - > 4 > 4

Page 36: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

20 2 Modell und Pelletaufbau

Verwendete Überzugspolymere

Die im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Überzugsmaterialien sind in Tabelle 2-2 nach ihrer

chemischen Struktur und ihrer Funktion aufgelistet. Die spezifischen Eigenschaften der

Polymere werden in den Kapiteln 3 und 4 näher untersucht.

Tabelle 2-2 Verwendete Überzugspolymere: Nomenklatur und Eigenschaften

Handelsname Polymer Eigenschaften/Funktion

Aquacoat ECD Ethylcellulose unlösliche Retardüberzüge

Eudragit NE Poly(ethylacrylat-

methylmethacrylat)

unlösliche Retardüberzüge, weiches

Polymer, kein Weichmacher

erforderlich

Eudragit RS Trimethylammonium-

ethylmethacrylatclorid-Ethylacrylat-

methylmethacrylat Copolymer

unlösliche kationische

Retardüberzüge

Kollicoat IR PVA-PEG-Copolymer lösliche Schutzüberzüge,

Porenbildner

Kollicoat MAE Methacrylsäure-Ethacrylat-

Copolymer

magensaftresistente Überzüge,

löslich ab pH 5,5

Kollicoat SR Polyvinylacetat unlösliche Retardüberzüge,

Kollidon 17 Polyvinylpyrrolidon wasserlöslich, Porenbildner

HP- 50 Hyrdoxypropylmethycellulosephtalat magensaftresistente Überzüge,

löslich ab pH 5,0

Page 37: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure 21

3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

In Kapitel 2 wurden innovative Formulierungsansätze zur kontrollierten Freigabe pH-

abhängig schwerlöslicher Wirkstoffe vorgestellt. Ein vielseitig anwendbarer Ansatz hierfür

besteht in einer indirekten Steuerung der Wirkstofffreigabe durch eine modifizierte Freigabe

pH-aktiver Substanzen. Dazu können organische Säuren eingesetzt werden. Aufgrund der

hohen Säurestärke und der toxikologischen Unbedenklichkeit auch in höheren Dosen, ist

Weinsäure für einen solchen Ansatz geeignet.

Zur membrankontrollierten Freigabe von Weinsäure eignen sich unlösliche Polymere, die eine

pH-unabhängige, zeitkontrollierte Freigabe ermöglichen. In diesem Kapitel werden die

Freisetzungseigenschaften von Weinsäure-Pellets untersucht, die mit solchen

Polymerüberzügen beschichtet wurden. Durch die Bestimmung der Permeabilität und der

mechanischen Eigenschaften isolierter Filmüberzüge können die Membranen unabhängig

vom Pelletkern charakterisiert werden. Außerdem wird der Einfluss von osmotischen

Phänomenen auf die Freisetzungseigenschaften überzogener Pellets analysiert. Die

entscheidenden Einflussgrößen auf den Freisetzungsverlauf von Arzneiformen mit Überzügen

von Eudragit RS 30D und Aquacoat ECD werden detailliert untersucht.

3.1 Auswahl und Charakterisierung der verwendeten Polymere

3.1.1 Eigenschaften der Polymere

Aquacoat ECD

Aquacoat ECD ist eine wässrige pseudolatex Dispersion von Ethylcellulosepolymeren mit

einer Partikelgröße kleiner 500 nm. Die Dispersion hat einen Gesamtfeststoffgehalt von

30 % (m/m) und ist mit Natriumlaurylsulfat (0,9 - 1,7 %) und Cetylalkohol (1,7 - 3,3 %)

stabilisiert [FMC BioPolymer 1996]. Zur Filmbildung müssen der Dispersion 20 - 30 %

(m/m) Weichmacher bezogen auf Lacktrockensubstanz (LTS) zugesetzt werden, um die

Mindestfilmbildetemperatur zu senken. Filmüberzüge von Aquacoat ECD sind

wasserunlöslich und haben bei geringer Elastizität eine hohe mechanische Festigkeit, sowie

eine geringe Wasseraufnahme und eine geringe Permeabilität [Bodmeier 1994]. Die

Freisetzung verläuft typischerweise pH-unabhängig nach einer Kinetik nullter Ordnung. Die

Freisetzungsrate kann über Auftragsmenge, Art und Gehalt des Weichmachers oder durch den

Zusatz wasserlöslicher Polymere als Porenbildner gesteuert werden [Frohoff-Hülsmann 1998;

Gunder 1995]. Nach dem Befilmen der Arzneiformen ist eine thermische Nachbehandlung

(Tempern) obligatorisch, um die Lagerstabilität zu gewährleisten, da vielfach eine Änderung

Page 38: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

22 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

der Freisetzungsrate als Folge einer unvollständigen Filmbildung beobachtet wurde

[Siepmann 2008a].

Eudragit NE 30D

Eudragit NE 30D ist eine 30 prozentige wässrige Latexdispersion eines Copolymerisats auf

der Basis von Ethacrylat und Methymethacrylat im Molverhältnis 2:1. Die Latexpartikel mit

einer Größe von 100 - 200 nm sind mit 1,5 % Nonoxynol 100 stabilisiert. Seit einiger Zeit

steht mit Eudragit NM 30D auch eine Formulierung des Polymers zur Verfügung, die mit

0,7 % Macrogol-Stearylether-(20) stabilisiert ist. Das wasserunlösliche Polymer zeigt eine

relativ geringe Wasseraufnahme, bildet sehr flexible Polymerfilme und benötigt aufgrund der

sehr niedrigen Glasübergangstemperatur (s. Tabelle 5-1) keinen Zusatz von Weichmachern

[Degussa 2007]. Prozesstechnisch problematisch ist die starke Klebetendenz der Überzüge.

Die pH-unabhängige Freisetzung kann durch den Zusatz von wasserlöslichen oder pH-

abhängig löslichen Polymeren beeinflusst werden [Amighi 1995]. Trotz der niedrigen

Glasübergangstemperatur der Polymerüberzüge besteht auch für Eudragit NE ein während der

Lagerung auftretendes Stabilitätsproblem [Kucera 2008a; Kucera 2009; Kucera 2007; Kucera

2008b].

Eudragit RS 30D

Eudragit RS, ein Copolymerisat auf der Basis von Ethacrylat, Methylmethacrylat und

Trimethylammoniumethylmethacrylatchlorid, bildet wasserunlösliche, pH-unabhängig

quellbare Filmüberzüge. Für wässrige Filmüberzüge steht mit Eudragit RS 30D, eine

Latexdispersion mit einer Partikelgröße zwischen 20 nm und 200 nm und einem

Feststoffgehalt von 30 % (m/m) zur Verfügung. Die Dispersion ist mit 0,25 % Sorbinsäure

konserviert und enthält 0,1 % Natriumhydroxid. Zur Filmbildung wird in der Regel 10 - 20 %

(m/m) Weichmacher zugesetzt. Häufig wird ein pH-unbahängiger, sigmoidaler

Freisetzungsverlauf aus mit Eudragit RS überzogenen Arzneiformen erzielt, wobei hier, im

Gegensatz zu klassischen Diffusionsüberzügen, ein ioneninduzierter Stofftransport eine

wichtige Rolle spielt [Narisawa 1994; Wagner 2002].

Kollicoat SR 30D

Kollicoat SR 30D ist eine wässrige Latexdispersion von Polyvinylacetat mit 30 % (m/m)

Feststoffgehalt und einer mittleren Partikelgröße von 160 nm, die mit 2,7 %

Polyvinylpyrrolidon und 0,3 % Natriumlaurylsulfat stabilisiert wird. Das Polymer ist

wasserunlöslich, nimmt jedoch sehr leicht Wasser auf. Dem sehr flexiblen Polymer mit einer

niedrigen Glasübergangstemperatur wird zur Filmbildung 5 - 10 % Weichmacher zugesetzt.

Die Freisetzung aus überzogenen Arzneiformen erfolgt pH-unabhängig, reagiert jedoch sehr

Page 39: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.1 Auswahl und Charakterisierung der verwendeten Polymere 23

empfindlich auf hydrostatischen Druck zum Beispiel durch osmotische Phänomene [Ensslin

2008b; Guthmann 2007]. Zur Veränderung der Permeabilität des Filmüberzugs werden dem

unlöslichen Polyvinylacetat häufig lösliche Polymere zugesetzt [Ensslin 2008a; Strübing

2008].

Tabelle 3-1 Eigenschaften der verwendeten Polymere

Substanz Molmasse Mr Glasübergang Tg pH-Wert Zusatzstoffe

Aquacoat ECD 80.000 ca. 90 °C 7,0 Cetylalkohol, Natrium-

laurylsulfat

Eudragit NE 30D 750.000 5 - 10 °C 7,5 Nonoxynol 100

Eudragit RS 30D 32.000 58 - 65 °C 5,5 Sorbinsäure, Natrium-

hydroxid

Kollicoat SR 30D 200.000 18 °C 4,5 Polyvinylpyrrolidon,

Natriumlaurylsulfat

3.1.2 Freisetzungseigenschaften überzogener Weinsäurepellets

Um den mikro-pH-Wert einer mehrschichtigen Arzneiform zu modifizieren, werden

Weinsäurepellets mit funktionellen Filmüberzügen beschichtet. Es wird untersucht, inwiefern

die verwendeten Polymere geeignet sind, auf die jeweiligen Wirkstoffeigenschaften

adaptierbare Freisetzungsprofile zu erzeugen. Die Freisetzungsprofile sollten durch eine

variable Verzögerungszeit (Lag-Zeit) zwischen 0,5 und zwei Stunden gekennzeichnet sein.

Anschließend sollte die pH-aktive Substanz innerhalb von zwei bis acht Stunden vollständig

zur Verfügung gestellt werden, um die Löslichkeitsbedingungen für den Arzneistoff zu

verbessern.

Freisetzungsprofile von überzogenen Weinsäurepellets sind in Abbildung 3-1 dargestellt. Die

Pellets wurden jeweils mit 20 % (m/m) Polymerauftrag der vier unterschiedlichen,

unlöslichen Polymere überzogen. Bei gleicher Auftragsmenge zeigen sich deutliche

Unterschiede in den Freisetzungsprofilen der überzogenen Weinsäurepellets. Pellets mit

einem Überzug von Eudragit RS 30D zeigen eine sigmoidale Freisetzung mit einer Lag-Zeit

von etwa 50 min. Darauf folgt eine schnelle, vollständige Freisetzung innerhalb einer Stunde.

In dieser Zeit wird ein starker Weinsäureauswärtsstrom erzeugt, der auch bei neutralen pH-

Werten in physiologischer Umgebung einen signifikanten Effekt auf die lokalen pH-

Verhältnisse der Umgebung haben kann. Die Überzüge von Kollicoat SR, Eudragit NE und

Aquacoat ECD bewirken hingegen eine länger anhaltende Freisetzung über mehrere Stunden.

Page 40: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

24 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

Abb. 3-1 Freisetzungsdaten überzogener Weinsäurepellets mit 20 % (m/m) Polymerauftrag(= 4 mg/cm2); Freisetzung in 700 ml Aqua demin., 37 °C; Drehkörbchen-Apparatur 100 UpM;Einwaage: 500 mg Pellets; Mittelwerte ± Standardabweichung; n = 3

Die Freisetzungskinetik deutet bei dem letztgenannten Überzug, wie bei überzogenen

Arzneiformen prinzipiell zu erwarten, auf einen diffusionsgesteuerten Prozess hin. Auch bei

diesen Überzügen beginnt die Freisetzung verzögert. Die Lag-Zeit beträgt für mit Kollicoat

SR überzogene Pellets 30 Minuten, für Pellets mit Aquacoat ECD 80 Minuten und für mit

Eudragit NE überzogene Pellets beachtliche vier Stunden. Nach der Lag-Zeit erfolgt eine

vollständige Freisetzung der Weinsäure aus Pellets mit Kollicoat SR Überzug innerhalb von

drei Stunden. Mit Aquacoat ECD überzogene Pellets setzen innerhalb von zehn Stunden etwa

90 % der Weinsäure frei, während bei Eudragit NE nach der ausgeprägten Lag-Zeit eine

vollständige Freigabe innerhalb von acht Stunden erreicht wird. Die Freisetzungsrate der

Überzüge nimmt also bei unterschiedlichen Verzögerungszeiten in der Reihenfolge Eudragit

RS> Kollicoat SR > Eudragit NE > Aquacoat ECD ab.

Die Freisetzungsgeschwindigkeit überzogener Pellets kann durch die Variation der

Schichtdicke des Überzugs gesteuert werden. Die Zusammenhänge zwischen Auftragsmenge

und Schichtdicke der Überzüge zeigt Tabelle 3-2.

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 120

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

frei

gese

tzte

rA

ntei

l[%

]

Zeit [h]

Eudragit RS m. SulfatKollicoat SR 30DAquacoat ECD 30DEudragit NE 30D

Page 41: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.1 Auswahl und Charakterisierung der verwendeten Polymere 25

Tabelle 3-2 Auftragsmenge und Schichtdicke von Weinsäurepellets mit d = 750 µm

Polymerauftrag (m/m) Flächenspezifischer Polymerauftrag Schichtdicke

10 % 2,1 mg/cm2 26 µm ± 3

20 % 4,2 mg/cm2 55 µm ± 4

30 % 6,3 mg/cm2 80 µm ± 5

40 % 8,4 mg/cm2 105 µm ± 5

Je größer die Membrandicke, desto stärker wird dadurch die Diffusion des gelösten Stoffs

durch die Membran behindert. Dadurch kann sowohl die Freisetzungsrate als auch die Dauer

der Verzögerungszeit von überzogenen Weinsäurepellets beeinflusst werden. Das

Freisetzungsverhalten von Weinsäurepellets bei verschiedenen Auftragsmengen der Polymere

ist in Abb. 3-2 dargestellt.

Abb. 3-2 Freisetzungsdaten von Weinsäurepellets mit verschiedenen Polymer-Auftragsmengen;a) Kollicoat SR, b) Eudragit RS, c) Aquacoat ECD, d) Eudragit NE; schwarz: 10 % (m/m) bzw. 2mg/cm2, rot: 20 % (m/m) bzw. 4 mg/cm2, blau: 30 % (m/m) bzw. 6 mg/cm2, grün: 40 % (m/m) bzw. 8mg/cm2; Freisetzung in 700 ml Aqua demin., 37 °C; Drehkörbchen-Apparatur 100 UpM; Einwaage:500 mg Pellets; Mittelwerte ± Standardabweichung; n = 3

0 1 2 3 4 5 6 7 8 90

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

10% Aquacoat ECD20% Aquacoat ECD30% Aquacoat ECD40% Aquacoat ECD

fre

ige

setz

ter

An

teil

[%]

Zeit [h]

0 1 2 3 4 5 6 7 8 90

10

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60

70

80

90

100

110

fre

ige

setz

ter

An

teil

[%]

Zeit [h]

10% Kollicoat SR20% Kollicoat SR30% Kollicoat SR40% Kollicoat SR

0 1 2 3 4 5 6 7 8 90

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

fre

ige

setz

ter

Ant

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%]

Zeit [h]

10% Eudragit NE15% Eudragit NE20% Eudragit NE

0 1 2 3 4 5 6 7 8 90

10

20

30

40

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60

70

80

90

100

110

frei

gese

tzte

rA

nte

il[%

]

Zeit [h]

10% Eudragit RS20% Eudragit RS30% Eudragit RS40% Eudragit RS

a) b)

c) d)

Page 42: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

26 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

Überzüge mit 10 % (m/m) Polymerauftrag Kollicoat SR behindern die Weinsäurefreisetzung

kaum. Pellets mit diesem relativ dünnen Filmüberzug weisen im Gegensatz zu Pellets mit

dickeren Kollicoat SR Überzügen kein sigmoidales Freisetzungsprofil auf und geben die

Weinsäure sehr schnell frei. Dies deutet auf eine unvollständige Beschichtung der Pellets oder

eine zu geringe Robustheit des dünnen Überzugs hin. Bei Überzügen mit 20 % und mehr

Kollicoat SR Auftrag beträgt die Verzögerungszeit 30 - 60 Minuten. Die Freisetzungsrate

sinkt bei steigender Überzugsmenge. Da trotz hoher Auftragsmengen nur eine sehr enge

Bandbreite an Profilen erzeugt werden kann, ist der Anwendungsbereich dieses Polymers zur

kontrollierten Weinsäurefreisetzung begrenzt.

Eudragit RS Überzüge hingegen erzeugen Profile mit sehr variablen Verzögerungszeiten

zwischen 15 Minuten und vier Stunden. Die pulsatile Kinetik ist dabei unabhängig von der

Schichtdicke. Die Freisetzungsrate verringert sich bei hohen Überzugsniveaus stetig, jedoch

erfolgt die Freisetzungsgeschwindigkeit auch bei 40 % (m/m) Polymerauftrag noch

ungewöhnlich schnell. Die sprunghafte Erhöhung der Permeabilität der Eudragit RS 30D

Überzüge wird durch ionische Interaktionen an den kationischen Gruppen des Polymers

ausgelöst (s. Kapitel 2. 3) [Wagner 2005a] und im Abschnitt 3.2 explizit beschrieben.

Bei Überzügen von Aquacoat ECD und Eudragit NE nehmen jeweils die Lag-Zeiten zu und

die Freisetzungsrate verringert sich bei steigendem Überzugniveau. Mit Überzügen dieser

Polymere kann durch die Variation der Schichtdicke eine große Bandbreite an

Freisetzungsprofilen generiert werden.

Aufgrund dieser Ergebnisse sind Überzüge von Eudragit RS, Eudragit NE und Aquacoat ECD

besonders interessant für weitere Untersuchungen zur kontrollierten Weinsäurefreigabe.

Sowohl beim Einsatz von Aquacoat ECD als auch bei Eudragit NE wird in der Literatur

jedoch über Stabilitätsprobleme und Veränderungen der Freisetzungsprofile in Abhängigkeit

von der Lagerungsdauer, thermischen Bedingungen und relativer Feuchte berichtet [Amighi

1997; Bajdik 2003; Kucera 2008a; Kucera 2009; Lippold 1989; Muschert 2008; Siepmann

2008a]. Für Aquacoat ECD Überzüge wird deshalb generell eine thermische Nachbehandlung

der überzogenen Arzneiformen bei 60 °C für bis zu 48 Stunden empfohlen [FMC BioPolymer

1996], Pellets mit Kollicoat SR oder Eudragit RS sollten für 24 h bei 40 °C getempert werden.

Die Standard-Bedingungen zur thermischen Nachbehandlung, die für die hier vorgestellten

Ergebnisse angewendet wurden, sind in Tabelle 3-3 zusammengefasst.

Page 43: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.1 Auswahl und Charakterisierung der verwendeten Polymere 27

Tabelle 3-3 Auswahl der Empfehlungen zur thermischen Nachbehandlung von Filmüberzügen aufBasis wässriger Dispersionen

Polymer Hersteller-Empfehlungen (Literatur) gewählte Bedingungen

Aquacoat ECD 2 h – 48 h, 60 °C [FMC BioPolymer 1996] 48 h, 60 °C

Eudragit NE 30D n.n.; diverse [Amighi 1997; Gutierrez-Rocca 1993; Kucera 2009]

96 h, 60 °C

Eudragit RS 30D 24 h, 40 °C [Ravishankar 2005] 24 h, 40 °C

Kollicoat SR 30D nicht erforderlich [Dashevsky 2005] 24 h, 40 °C

Dadurch können Veränderungen in der Polymerstruktur des Überzugs weitgehend

ausgeschlossen werden [Lippold 2001b; Muschert 2008; Siepmann 2008a], sofern die

thermische Stabilität des Wirkstoffs dies erlaubt.

3.1.3 Charakterisierung der Polymere mit Hilfe isolierter Filmüberzüge

Spezifische Membraneigenschaften der Polymere werden an isolierten Filmüberzügen

bestimmt, um die Ursachen der unterschiedlichen Freisetzungsprofile und die zugrunde

liegenden Transportmechanismen aufzuklären. Dadurch ist es möglich Membranen

unabhängig von Einflüssen des Pelletkerns zu charakterisieren und detaillierte Erkenntnisse

über die Permeabilität und Reißfestigkeit der Membranen zu gewinnen, wenn vorausgesetzt

werden kann, dass sich die isolierten Filmüberzüge in ihrer Struktur nicht wesentlich von

Filmüberzügen unterscheiden, die in einer Wirbelschicht auf Pellets aufgebracht werden.

Die Bestimmung der mechanischen Eigenschaften einer Polymermembran, inklusive der beim

Überziehen üblichen Zusätze wie Weichmacher und Trennmittel, kann Hinweise geben, wie

die überzogene Arzneiform auf mechanische Einflüsse wie Deformation bei der Tablettierung

von Pellets zu einer Tablette oder auf osmotische Einflüsse des Pelletkerns reagieren wird.

Zudem bietet ein Screening der Permeabilität von isolierten Membranen in Abhängigkeit von

entscheidenden Rezepturparametern die Möglichkeit eine Vorauswahl für die Anwendung

geeigneter Membranen mit passenden Rezepturparametern zu treffen. Bei Kenntnis aller

freisetzungsrelevanten Faktoren wie Schichtdicke, aktive Diffusionsfläche und

Konzentrationsgefälle besteht eventuell die Option den Freisetzungsverlauf einer überzogenen

Arzneiform als Funktion der jeweils für unterschiedliche Stoffe berechneten, normierten

Permeabilität [cm2/s] der jeweiligen Membran vorherzusagen.

Zur Anwendung dieses Ansatzes werden isolierte Filmüberzüge mit identischen Rezepturen

wie die Überzüge der Pellets unter 3.1.2 auf einem Filmsprühgerät (s. Kapitel 8.3.7) mit

homogenen Filmdicken von 40 - 60 µm hergestellt, was einer Auftragsmenge von ca.

Page 44: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

28 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

4 mg/cm2 entspricht. Bei Pellets mit einem Durchmesser von etwa 750 µm entspricht dies

20 % (m/m) Polymerauftrag. Die Überzüge werden nach dem Tempern organoleptisch und

bei Bedarf mit dem Rasterelektronenmikroskop hinsichtlich ihrer Struktur und Filmqualität

beurteilt. Alle Filme waren transparent und vollständig ausgefilmt. In der REM-Aufnahme in

Abb. 3-3 sind sowohl bei isolierten Filmen als auch bei Pelletüberzügen neben

sprühgetrockneten Partikeln kleine Tröpfchenstrukturen sichtbar. Bei den isolierten Filmen

sind diese etwas größer. Insgesamt bestätigen die REM-Aufnahmen eine vollständige

Filmbildung und eine Vergleichbarkeit der Filmoberflächen von Pellets und isolierten Filmen.

Abb. 3-3 Elektronenmikroskopische Aufnahmen von a) Eudragit RS überzogenes Weinsäurepellet;b) isolierte Eudragit RS Membran

Permeabilität von Weinsäure durch isolierte Filmüberzüge

Die Permeabilität, der mit dem Filmsprühgerät hergestellten Membranen, wird mit der in

Kapitel 8.4.1.5 vorgestellten Diffusionszelle mit Hilfe von sogenannten Permeationsgraphen

bestimmt (Abb. 3-4).

Die Permeabilität der Eudragit RS Membran ist sehr hoch und kann zuverlässig mit einer

geringen Streuung bestimmt werden. Interessant ist, dass auch bei der Diffusion einer Lösung

eine Lag-Zeit von etwa zehn Minuten beobachtet werden kann. Dieses Phänomen schließt

aus, dass die verzögerte Freisetzung bei überzogenen Pellets ausschließlich durch einen

langsamen Wassereinstrom und die darauffolgende Auflösung der Weinsäure begründet ist.

Die verwendeten Eudragit RS Membranen sind nach den Versuchen vollständig intakt,

unbeschädigt und in ihren Dimensionen unverändert.

a) b)

Page 45: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.1 Auswahl und Charakterisierung der verwendeten Polymere 29

Abb. 3-4 Permeationsgraph von Weinsäure (gesättigte Lösung 20 ml) über isoliertePolymermembranen (4 mg /cm2; 60 µm); Akzeptormedium: 700 ml Aqua demin., 37 °C; Blattrührer-Apparatur 100 UpM; Mittelwerte ± Standardabweichung; n = 3

Bei der Bestimmung der Permeabilität an Polyvinylacetatmembranen (Kollicoat SR) kann

beobachtet werden, dass sich die sehr elastische Membran während des Experiments stark

nach außen wölbt. Die Membranen nehmen sehr schnell Wasser auf und sind in gequollenem

Zustand von kaugummiartiger Konsistenz [Kolter 1999]. Durch die Quellung und Dehnung

der Membran entsteht ein heterogenes Muster auf der Membran mit unterschiedlich stark

transparenten Flächen, die vermutlich zum Teil sehr durchlässig sind. Nach den Versuchen

sind kleine Löcher in der Membran sichtbar. Der Permeationsgraph zeigt dementsprechend

zuerst einen geringen Stofftransport und dann einen sprunghaften Anstieg der

Durchlässigkeit. Dieses Verhalten ist zwar reproduzierbar, jedoch starken zeitlichen

Schwankungen unterworfen. So setzt das schnelle Ausströmen der Säure durch die Löcher in

der Membran zwischen 30 Minuten und fünf Stunden nach Versuchsbeginn ein. Die

Membranpermeabilität kann deshalb nicht zuverlässig bestimmt werden (s. Abb. 3-4).

Aquacoat ECD und Eudragit NE Membranen haben eine sehr geringe Permeabilität. Wie bei

Kollicoat SR Membranen werden auch bei Eudragit NE Membranen eine Wölbung der

Membran beobachtet. Allerdings erfolgt dies wesentlich langsamer und weniger stark

ausgeprägt. Aquacoat ECD Membranen sind dagegen nach Versuchsende vollständig intakt

und in ihren Dimensionen unverändert.

Daraus ergibt sich, dass diese Art der Permeabilitätsbestimmung besonders für inerte, wenig

elastische Membranen aus Cellulosederivaten oder Eudragit RS geeignet ist. Die

0 30 60 90 120 150 180 210 240 270 3000

2

4

6

8

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Zeit [min]

Eudragit RS m. S.Kollicoat SREudragit NEAquacoat ECD

Page 46: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

30 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

Permeabilität der isolierten Filme stimmt qualitativ mit den Freisetzungsraten von

überzogenen Pellets überein. Die Freisetzung durch Eudragit RS Membranen erfolgt

unabhängig vom Pelletkern zunächst verzögert und anschließend linear. Kollicoat SR und

Eudragit NE Membranen scheinen in gequollenem Zustand sehr empfindlich für mechanische

Einflüsse zu sein. Eudragit NE und Aquacoat ECD Membranen sind bei diesem

Versuchsaufbau nahezu undurchlässig (s. Abb. 3-4).

Durch die Bestimmung der Permeabilität an isolierten Membranen ist somit eine qualitative

Abschätzung der Freisetzungsgeschwindigkeit überzogener Weinsäurepellets möglich. Im

Gegensatz zu überzogenen Pellets sind isolierte Membranen von Aquacoat ECD und Eudragit

NE ohne Verzögerung permeabel.

Mechanische Eigenschaften

Für die mechanischen Eigenschaften von Polymerfilmen spielen die Molekularstruktur und

der Kristallisationsgrad der Probe neben den von außen einwirkenden Faktoren wie

Temperatur, umgebende Medien, Zeit und Größe der Belastung eine entscheidende Rolle. Die

kristallinen Bereiche wirken als Vernetzungsstellen der Polymermatrix und bestimmen bei

Raumtemperatur die Festigkeits- bzw. Steifigkeitseigenschaften der Probe, während die

amorphen Bereiche für das zähe, zeitabhängige Verhalten verantwortlich sind. Kurzkettige,

stark verzweigte Polymere mit hohem Kristallisationsgrad neigen daher zu sprödbrüchigem

Verhalten. Langkettige Polymere mit linearer Ausrichtung sind eher zäh und sehr dehnbar.

Die mechanischen Eigenschaften der isolierten Filmüberzüge wurden mit einer

standardisierten Reißdehnungsmethode nach DIN 527-3 bestimmt. Diese Ergebnisse sind

zwar nicht direkt auf die Verhältnisse einer sich ausdehnenden Arzneiform übertragbar, da die

Ausdehnung in diesem Fall mehrdimensional verläuft und bei der Reißdehnung von

Membranen nur in eine Richtung gedehnt wird. Dennoch geben die Messungen Aufschluss

über prinzipielle mechanische Charakteristika der Membranen.

Ein schematischer Verlauf der Spannungs-Dehnungskurven der untersuchten Polymere ist in

Abb. 3-5 dargestellt. Dabei lassen sich grundlegend unterschiedliche Eigenschaften erkennen.

Im linearen Bereich zwischen dem Ursprung A und dem Punkt B gilt das Hooke‘sche Gesetz.

Die Zugspannung ist der Dehnung proportional, die Polymerproben sind in diesem Bereich

ideal-elastisch. Oberhalb der Elastizitätsgrenze B führen innere Umlagerungen zu einer

bleibenden Formveränderung. Erhöht man die Spannung weiter, so wächst die Dehnung

deutlich stärker als die Spannung und erreicht im Punkt C ein lokales Maximum. Der Punkt C

wird als Fließpunkt bezeichnet. Bei zähen Materialien brechen oberhalb des Fließpunktes die

Page 47: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.1 Auswahl und Charakterisierung der verwendeten Polymere 31

van-der-Waals-Bindungen, d.h. die Kettensegmente rutschen voneinander ab, und das

Material beginnt zu fließen. Bei zu großer Dehnung reißt oder bricht das Material im Punkt D,

R nennt man deshalb auch Reißfestigkeit und analog bezeichnet man R als Reiß- oder

Bruchdehnung.

Abb. 3-5 Mechanische Eigenschaften von Polymermembranen: a) qualitative Darstellung derSpannungs-Dehnungsdiagramme; b) quantitative Auswertung von Reißfestigkeit und Reißdehnung

Der Verlauf der Reißdehnungskurven zeigt, dass Aquacoat ECD Membranen durch eine hohe

Reißfestigkeit und wenig dehnbares, rein elastisches Verhalten gekennzeichnet sind. Bei

hohem Quellungsdruck besteht für solche Membranen das Risiko zu reißen [Schultz 1997a;

Schultz 1997b]. Die sehr langkettigen Polymere Kollicoat SR und Eudragit NE beginnen

dagegen oberhalb des Fließpunkts plastisch zu fließen (Tg < Raumtemperatur). Da sich solche

Überzüge oberhalb ihres Fließpunkts auf Arzneiformen quasi unbegrenzt verformen, wird ein

Reißen dieser Überzüge ausgeschlossen [Dashevsky 2005; Kolter 1999]. Eudragit RS

Membranen zeigen ein begrenzt plastisches Verhalten und eine geringe Reißfestigkeit. Es ist

jedoch zu beachten, dass Wasser bei Kunststoffpolymeren als Weichmacher wirkt und die

Dehnbarkeit in gequollenen Zustand dadurch deutlich höher ist [Bodmeier 1994].

Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass das Freisetzungsverhalten von Aquacoat ECD

Überzügen wenig von mechanischen Einflüssen, hervorgerufen durch beispielsweise

osmotischem Druck im Pelletkern, beeinflusst wird, solange die Membran intakt ist. Die

geringe Dehnbarkeit und die hohe Festigkeit verhindern eine Änderung der

Pelletdimensionen. Im Fall einer Ruptur der Membran wäre ein schlagartiger Anstieg der

Freisetzungsrate zu erwarten, was im Freisetzungsprofil nicht zu erkennen ist. Kollicoat SR

und Eudragit NE Membranen sind dagegen sehr dehnbar und eine Ruptur dieser Membranen

kann ausgeschlossen werden. Jedoch können sich die Pelletdimensionen durch die

Wasseraufnahme und Quellung der überzogenen Arzneiform verändern und der Überzug wird

Spa

nnun

g

Dehnung A

A

C

Bx

x Dx

R

R

Aquacoat ECD

Kollicoat SR

Eudragit NE

Eudragit RS

A. ECD K. SR E. NE E. RS0

5

10

15

20

25

30

35

40

300400500600

Reißdehnung [%]max. Spannung [N/mm2]

a) b)

Page 48: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

32 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

plastisch verformt. Das kann zu einer höheren Porosität und damit zu einer größeren

Permeabilität des Überzugs führen. Die Reißfestigkeit der Eudragit RS Membran ist am

schwächsten ausgeprägt. Eine Ruptur der Membran kann deshalb bei hohem osmotischem

Druck nicht ausgeschlossen werden. Andererseits erlaubt die Membran eine gewisse Dehnung

des Überzugs und in wässrigen Medien mit einer Temperatur von 37 °C wird die

Glasübergangstemperatur der weichmacherhaltigen Membran deutlich überschritten. Unter

diesen Bedingungen ist bei Freisetzungsuntersuchungen ebenfalls eine Dehnung der Membran

vorstellbar. Aufgrund der unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften der verwendeten

Polymere, liegt es also nahe, dass auch überzogene Pellets unterschiedlich auf mechanische

Beanspruchungen reagieren.

3.1.4 Osmotische Effekte von überzogenen Weinsäurepellets

Vergleicht man die Ergebnisse der Permeabilitätsbestimmung an isolierten Membranen mit

den Freisetzungsprofilen der Pellets scheinen bei überzogenen Weinsäurepellets osmotische

Effekte des Pelletkerns bei Kollicoat SR und Eudragit NE Überzügen starken Einfluss auf die

Freisetzungsgeschwindigkeit zu haben. Um zu untersuchen, inwieweit die Polymerfilme auf

überzogenen Weinsäurepellets tatsächlich mechanischen Einflüssen, die durch osmotische

Effekte des Pelletkerns hervorgerufen werden, ausgesetzt sind, wird die räumliche

Ausdehnung überzogener Pellets unter einem Auflichtmikroskop zeitabhängig beobachtet (s.

Kapitel 8.4.5.2). In Abbildung 3-6 ist in einer Zeitreihe von Aufnahmen der Verlauf der

Größenänderung von mit Eudragit NE überzogenen Pellets dargestellt.

Abb. 3-6 Zeitreihe der Pelletquellung von mit Eudragit NE überzogenen Weinsäurepellets; Axioplan 2Mikroskop; Auflicht, Belichtungszeit 500 ms, Polarisationsfilter, Vergrößerung 5-fach

0 h 4 h

5 h 6 h 7 h 8 h

9 h 10 h 11 h 12 h

3 h2 h

500 µm

Page 49: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.1 Auswahl und Charakterisierung der verwendeten Polymere 33

In Abb. 3-6 wird sichtbar, dass sich die Pellets nach etwa vier bis sechs Stunden deutlich

ausdehnen. Die treibende Kraft hierfür ist der osmotisch bedingte Wassereinstrom. Es ist eine

Zunahme der Rundheit der ursprünglich leicht unförmig, ovalen Pellets zu erkennen. Dies legt

eine Dehnung des Filmüberzugs nahe, die durch die radial wirkenden Kräfte des osmotischen

Drucks verursacht wird.

Die Analyse des Quellungsverlaufs der überzogenen Pellets zeigt (s. Abb. 3-7) eine

Übereinstimmung mit den Untersuchungen an isolierten Filmen. Der reißfeste, wenig

dehnbare Aquacoat ECD Überzug ist am wenigsten wasserpermeabel und setzt dem

osmotischen Druck der Weinsäure den größten mechanischen Widerstand entgegen, was in

der langsamen Progression und dem geringen Ausmaß der Oberflächenzunahme zum

Ausdruck kommt. Der Kollicoat SR Überzug lässt hingegen sehr schnell Wasser ins Innere

diffundieren, anschließend setzt eine schnelle Quellung der Pellets ein. Offensichtlich

diffundiert die Weinsäure sehr schnell durch die gedehnte Membran (s. 3.1.2). Dadurch wird

der osmotische Gradient schnell ausgeglichen und der osmotische Druck im Inneren steigt

nicht so stark an. Es erfolgt dann kein weiterer Größenzuwachs. Das größte Ausmaß der

Oberflächenzunahme zeigen die mit Eudragit NE überzogenen Pellets. Der sehr elastische,

jedoch schlecht wasserpermeable Überzug wird zwar erst nach sechs Stunden, dann jedoch

bis zur Verdopplung der Oberfläche der Pellets, gedehnt. Interessant ist das Verhalten von mit

Eudragit RS überzogenen Pellets. In Übereinstimmung mit der Weinsäure-Freisetzung von

überzogenen Pellets und der Diffusion durch isolierte Eudragit RS Filme setzt die Quellung

der Pellets auch in dieser Untersuchung verzögert, dann aber sehr schnell nach etwa zwei

Stunden ein, was durch einen ioneninduzierten Medienfluss und die dann stark erhöhte

Wasserdurchlässigkeit der Membran begründet sein können.

Abb. 3-7 Verlauf der Oberflächenzunahme überzogener Pellets; Inkubation in Aqua demin; 23 °C

0,5 h 2 h 4 h 6 h 12 h0

20

40

60

80

100

120

Obe

rfäc

henz

unah

me

[%]

Aquacoat ECDKollicoat SREudragit RSEudragit NE

Page 50: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

34 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

Die Auswirkungen osmotischer Kräfte auf die Filmüberzüge der Weinsäurestarterpellets

erklären somit die Diskrepanz zwischen der Freisetzungsgeschwindigkeit überzogener Pellets

und der druckunabhängigen Permeabilität isolierter Membranen. Nach Wassereintritt führt

der osmotische Druck des Kerns zu einer Dehnung und Oberflächenzunahme des

Filmüberzugs. Dadurch ändern sich die Freisetzungseigenschaften. Die bei den Pellets

beobachteten Unterschiede in Verlauf und Ausmaß der Oberflächenzunahme hängen somit

eng mit den mechanischen Eigenschaften der isolierten Filmüberzüge zusammen. Es gilt: je

elastischer ein Überzugsmaterial ist, desto stärker ist die Oberflächenzunahme des osmotisch

aktiven Pellets, falls die Membrandehnung nicht bereits sehr schnell starke Auswirkungen auf

die Membranpermeabilität hat, wie dies bei Kollicoat SR der Fall ist.

3.1.5 Zusammenfassung der Ergebnisse

Die unlöslichen Überzugspolymere Aquacoat ECD, Eudragit NE und Eudragit RS sind

geeignet, durch Variation der Überzugsdicke ein breites Spektrum relevanter Freigabeprofile

von Weinsäure zu generieren. Kollicoat SR Überzüge hingegen sind selbst bei großen

Überzugsmengen sehr durchlässig für Weinsäure. Bei allen Überzügen setzt die Freisetzung

erst nach einer unterschiedlich stark ausprägten Verzögerungszeit ein.

Die Freisetzungsgeschwindigkeit überzogener Pellets lässt sich durch die Bestimmung der

spezifischen Membranpermeabilität von isolierten Filmüberzügen mit identischen

Rezepturparametern qualitativ vorhersagen.

Die Permeabilität von isolierten Filmüberzügen kann besonders gut für wenig quellende,

inerte Filme bestimmt werden. Die unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften der

Membranen legen nahe, dass mechanischer Stress, wie zum Beispiel osmotischer Druck im

Pelletkern, großen Einfluss auf das Freisetzungsverhalten überzogener Pellets haben kann.

Bei der optischen Analyse des Quellungsverlaufs überzogener Pellets wird bestätigt, dass

neben dem Konzentrationsgradienten auch der osmotische Druck im Pelletkern wesentlichen

Einfluss auf das Freisetzungsverhalten hat. In Übereinstimmung mit den mechanischen

Eigenschaften der Polymere dehnen sich in Folge der Quellung der Pellets besonders die sehr

dehnbaren, elastischen Überzüge aus. Dadurch wird die Porosität dieser Membranen erhöht

und die Freigabe der Weinsäure erleichtert.

Page 51: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.2 Einflussgrößen auf die Freisetzung durch Eudragit RS 30D Membranen 35

3.2 Einflussgrößen auf die Freisetzung durch Eudragit RS 30D

Membranen

Aufgrund der Voruntersuchungen in Kapitel 3.1 kommt das kationisch geladene

Polymethacrylat Eudragit RS in Betracht, den pH-verändernden Effekt der Weinsäure durch

eine zeitkontrollierte Freigabe so zu steuern, dass eine bessere Bioverfügbarkeit für pH-

abhängig schwerlösliche Wirkstoffe erreicht werden kann. Die mechanistischen Grundlagen

der Freisetzung aus kationischen Polymethacrlatmembranen wurden in Kapitel 2.2 vorgestellt.

Die wesentlichen Einflussfaktoren auf die Ziel-Parameter Lag-Zeit und Freisetzungsrate sind

bei Systemen mit einem ioneninduzierten Transport:

- Konzentration und elektrostatische Eigenschaften der Anionen (Ladung und

Größe)

- die Membrandicke

- die räumliche Dichte der quartären Ammoniumgruppen

Möglichkeiten, diese Einflussfaktoren zur gezielten Steuerung der Freisetzung zu nutzen,

werden in diesem Kapitel vorgestellt.

3.2.1 Screening der Einflussgrößen an isolierten Filmüberzügen

Einfluss von Anionen beim ioneninduzierten Transport

Wie Grützmann et al. zeigen konnten [Wagner 2005a], spielt die Art des Gegenions an den

quartären Ammoniumgruppen (QAG) des Polymers eine entscheidende Rolle für die

Permeabilität der Membran. Originär sind Chlorid-Ionen an die Ammonium-Gruppen

gebunden, die je nach Konzentration und Bindungsstärke durch Anionen aus dem

Umgebungsmedium ausgetauscht werden. Lag-Zeit und Freisetzungsrate sind deshalb von der

vorhandenen Anionenspezies abhängig. Es konnte gezeigt werden, dass Anionen in der

Reihenfolge Acetat < Chlorid < Sulfat < Nitrat mit zunehmender Kraft an die QAG binden

[Grützmann 2005]. Aus toxikologischer Sicht ist Sulfat dabei unbedenklicher als Nitrat. Eine

Möglichkeit diesen Effekt zu nutzen, um die Freisetzungsrate zu senken und damit die

Schichtdicke und die Polymermenge zu reduzieren, bietet die Umladung der QAG im

flüssigen Stadium der Dispersion, bevor der Überzug auf die Arzneiform aufgebracht wird.

Dazu werden Sulfat-Ionen im molaren Verhältnis 6:1 bezogen auf QAG in die Dispersion

eingebracht, um die Ammoniumgruppen mit den fest bindenden Gegenionen zu sättigen. Die

QAG sind dadurch blockiert und der ioneninduzierte Medienstrom kann erst verzögert

einsetzen, wenn andere Ionen in überschüssiger Menge vorhanden sind und die Sulfat-Ionen

von den QAG kompetitiv verdrängen.

Page 52: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

36 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

Wie die in Abb. 3-8 dargestellten Ergebnisse zeigen, spielen diese Vorgänge beim Transport

von Weinsäure über isolierte Membran eine bedeutende Rolle. Der Transport von Weinsäure

wurde zum Einen an einer Eudragit RS Membran mit 20 % Weichmacher Anteil und zum

Anderen an einer Eudragit RS Membran, deren QAG zuvor mit Sulfat-Ionen blockiert worden

waren, bestimmt. Es ist bemerkenswert, dass beide Membranen eine Lag-Zeit aufweisen,

obwohl eine hoch konzentrierte Weinsäurelösung auf der Donatorseite der Membranen

vorliegt. Durch Sättigung der QAG mit Sulfat-Ionen kann diese Lag-Zeit von fünf auf zehn

Minuten verdoppelt werden. Die Freisetzungsrate bleibt weitgehend unverändert, da sie vor

allem von der Hydratationshülle der austauschenden Tartrat-Ionen abhängig ist. Sofern nicht

explizit anders angegeben, wurden alle im Folgenden vorgestellten Eudragit RS Überzüge

(isolierte Filme und überzogene Pellets) deshalb mit Sulfat-Ionen umgeladen.

Abb. 3-8 Permeationsgraph von Weinsäure (gesättigte Lösung 20 ml) über isolierte Eudragit RS 30D-Polymermembranen (4 mg /cm2; 55 µm); Akzeptormedium: 700 ml Aqua demin., 37 °C; Blattrührer-Apparatur 100 UpM; Mittelwerte ± Standardabweichung; n = 3

Einfluss der Membrandicke

Den Einfluss der Membrandicke auf die Membranpermeabilität veranschaulicht Abb. 3-9.

Wie zu erwarten nimmt mit zunehmender Membrandicke die spezifische Permeabilität ab, da

die Diffusionsstrecke und damit der Diffusionswiderstand zunimmt. Die Lag-Zeit einer

isolierten Membran verlängert sich proportional zur ihrer Membrandicke. Es ist erstaunlich,

dass auch bei großen Überzugsmengen mit bis zu 10 mg/cm2 immer noch eine hohe

Permeabilität der Membran erreicht wird. Der sprunghafte Anstieg der Permeabilität im

Anschluss an die Lag-Zeit ist ein Anzeichen dafür, dass die QAG der Membran zuerst

umgeladen und blockierende Sulfat-Ionen ausgetauscht werden, bevor der Medienstrom

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,00

10

20

30

40

50

60

70

Fre

iset

zung

Wei

nsäu

re[m

g/cm

2 ]

Zeit [h]

Eudragit RS ohne SulfatEudragit RS mit Sulfat

Page 53: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.2 Einflussgrößen auf die Freisetzung durch Eudragit RS 30D Membranen 37

einsetzen kann. Um einen nach außen gerichteten Medientransport zu induzieren, muss sich

bereits eine Mindestmenge an Tartrat-Ionen im Akzeptormedium befinden. Es zeigt sich, dass

durch unterschiedliche Polymermengen Lag-Zeit und Permeabilität innerhalb einer großen

Bandbreite variiert werden können.

Abb. 3-9 a) Permeation von Weinsäure (gesättigte Lösung 20 ml) über isolierte Eudragit RS 30D-Membranen in Abhängigkeit der Schichtdicke; Akzeptormedium: 700 ml Aqua demin., 37 °C;Blattrührer-Apparatur 100 UpM; Mittelwerte ± Standardabweichung; n = 3; b) Korrelation vonPolymerauftrag und Verzögerungszeit bis zum Beginn der Freisetzung bei isolierten Membranen

Einfluss der Viskosität

Nach den klassischen Diffusionsgesetzen (s. Gl. 2-3) nimmt die Viskosität des Mediums, in

dem ein Diffusionsprozess abläuft, direkten Einfluss auf den Diffusionskoeffizienten. Je

höher die Viskosität des Mediums ist, desto stärker sind die gelösten Moleküle in ihrer

Beweglichkeit eingeschränkt und damit die Diffusionsvorgänge beeinträchtigt. Dieser

Einfluss kann an isolierten Membranen bestimmt werden. Dazu wird die Viskosität der

konzentrierten Weinsäurelösung auf der Donator-Seite durch unterschiedliche HPMC-Anteile

variiert. Wie in Abb. 3-10 gezeigt, hat eine Erhöhung der Viskosität des Mediums auf der

Donator-Seite einen direkten Einfluss auf die Freisetzungsrate. Andererseits wird die Lag-Zeit

der Membran davon kaum beeinflusst. Dies zeigt, dass die Umladungsvorgänge an den QAG

der Membran maßgeblich von Größe, Ladungszustand und Konzentration der vorhandenen

Ionen abhängen. Die Viskosität des umgebenden Mediums hat kaum einen Einfluss auf diese

primär auf elektrostatischen Wechselwirkungen beruhenden Ionenaustauschvorgänge. Als

Anwendung dieses Prinzips zur Steuerung der Freisetzungsrate bei überzogenen Pellets, sind

Viskositätsbarrieren in Form eines ‚subcoatings‘ oder Matrixeinbettungen denkbar. Dies

scheint besonders für Fälle interessant zu sein, bei denen primär die Freisetzungsrate

unabhängig von der Lag-Zeit der Membran verändert werden soll.

y = 0,187x + 1,4419R² = 0,9900

0

2

4

6

8

10

12

0 10 20 30 40 50

Pol

ymer

auft

rag

[mg/

cm2 ]

Lag-Zeit [min]

0,0 0,5 1,0 1,5 2,00

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

Fre

iset

zung

Wei

nsäu

re[m

g/cm

2 ]

Zeit [h]

Eudragit RS - 2,0 mg/cm2; 43 µm

Eudragit RS - 2,0 mg/cm2; 78 µm

Eudragit RS - 6,9 mg/cm2; 120 µm

Eudragit RS - 9,8 mg/cm2; 155 µm

a) b)

Page 54: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

38 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

Abb. 3-10 a) Permeation von Weinsäure (gesättigte Lösung 20 ml) über isolierte Eudragit RS 30D-Membranen (4 mg /cm2; 55 µm) in Abhängigkeit der Viskosität des Donator-Mediums;Akzeptormedium: 700 ml Aqua demin., 37 °C; Blattrührer-Apparatur 100 UpM; Mittelwerte ±Standardabweichung; n = 3; b) Wertetabelle des Massentransports und der Lag-Zeit über Eudragit RSMembranen bei erhöhter Viskosität des Mediums

Einfluss des Weichmacher-Anteils

Der Weichmacheranteil von Eudragit RS Überzügen ist ein weiterer Einflussfaktor auf die

Freisetzungseigenschaften. Wie Maus et al. [Maus 2007] durch Untersuchungen von Eudragit

RS Matrixeinbettungen zeigen konnten, kann die Freisetzungsrate einer Matrix in

Abhängigkeit des Weichmacheranteils reproduzierbar vorherbestimmt werden, sofern die

Verarbeitung des Polymers gewährleistet ist. Bei den Untersuchungen an Matrizes wurde

festgestellt, dass die Freisetzungsrate bei steigendem TEC-Gehalt zunimmt. Die

Auswirkungen des TEC-Gehalts auf die Permeabilität von freien Eudragit RS

Überzugsmembranen sind in Abb. 3-11 dargestellt.

Abb. 3-11 Permeation von Weinsäure (gesättigte Lösung 20 ml) über isolierte Eudragit RS 30D-Membranen (4 mg /cm2; 55 µm) in Abhängigkeit des Weichmacheranteils bezogen auf Polymermasse;Akzeptormedium: 700 ml Aqua demin., 37 °C; Blattrührer-Apparatur 100 UpM; Mittelwerte± Standardabweichung; n = 3

Anteil Methocel E5 M (m/m) Massenfluss [mg/(cm2 x h)] Lag-Zeit

0 % 54,7 ± 8,11 8 min

10 % 42,2 ± 3,50 16 min

20 % 32,2 ± 0,43 17 min

30 % 17,2 ± 0,08 19 min

a)b) Massentransport und Lag-Zeit in Abhängigkeit der Viskosität

0,0 0,5 1,0 1,5 2,00

20

40

60

80

100

120Eudragit RS - 0% Methocel E5 MEudragit RS - 10% Methocel E5 MEudragit RS - 20% Methocel E5 MEudragit RS - 30% Methocel E5 M

Fre

ise

tzu

ngW

eins

äure

[mg/

cm2]

Zeit [h]

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,00

10

20

30

40

50

60

70

Fre

iset

zung

Wei

nsäu

re[m

g/cm

2 ]

Zeit [h]

Eudragit RS -10% TECEudragit RS -15% TECEudragit RS -20% TECEudragit RS -25% TECEudragit RS -30% TEC

Page 55: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.2 Einflussgrößen auf die Freisetzung durch Eudragit RS 30D Membranen 39

Der Weinsäure-Transport über isolierte Membranen erfolgt bei unterschiedlichen Anteilen des

Weichmachers in den Eudragit RS Membranen stets nach einer off-on Kinetik. Bei der

Permeabilitätsbestimmung ergibt sich jedoch kein signifikanter Unterschied der

Freisetzungsrate bei variierenden TEC-Anteilen. Dies steht in einem klaren Gegensatz zu den

Untersuchungen an Matrizes und zeigt, dass die an den QAG ablaufenden elektrostatischen

Wechselwirkungen durch unterschiedliche TEC-Anteile kaum beeinflusst werden.

Andererseits wird berichtet, dass unterschiedliche Weichmacheranteile auch mechanische und

thermische Eigenschaften wie die Elastizität und die Glasübergangstemperatur verändern

können. So nimmt die Glasübergangstemperatur von Eudragit RS Membranen proportional

mit steigenden TEC-Anteilen ab [Fetscher 1999; Wagner 2005b]. Wie in Abb. 3-17

dargestellt, existieren auch bei mit Eudragit RS überzogenen Weinsäurepellets Änderungen

des Freisetzungsverhaltens in Abhängigkeit des Weichmachergehaltes. Diese müssen

demnach entweder auf strukturelle oder mechanisch-thermische Eigenschaften zurückgeführt

werden. Deshalb werden DSC-Untersuchungen an isolierten Membranen zur Bestimmung der

Glasübergangstemperatur durchgeführt (s. Abb. 3-12c). Die mechanischen Eigenschaften in

Abhängigkeit des Weichmachergehalts werden durch Bestimmung der

Reißdehnungseigenschaften trockener Membranen untersucht (s. Abb. 3-12a+b).

Abb. 3-12 a) Mechanische Eigenschaften von trockenen Eudragit RS Membranen (55-60 µm),Prüfung nach DIN 527; b) Korrelation von Reißdehnung und Lag-Zeit überzogener Pellets; c) Tg vonEudragit RS Membranen in Abhängigkeit des TEC-Gehalts (m/m) bezogen auf Polymer, Bestimmungnach DIN 53 765

0,0

20,0

40,0

60,0

80,0

100,0

120,0

140,0

160,0

Reißdehnung[%] Elastizitätsmodul [N/mm²]

15% TEC20% TEC25% TEC30% TEC

y = 1,3182x - 47,245R² = 0,9991

0,0

20,0

40,0

60,0

80,0

100,0

120,0

140,0

160,0

20,0 40,0 60,0 80,0 100,0 120,0 140,0 160,0

Rie

ßd

ehn

un

g[%

]

Lag-Zeit [min]

TEC-Gehalt

(m/m) Polymer

Tg

gemessen

Tg Literatur

[Maus 2007]

0 % 57 °C 62 °C

10 % 39 °C 37 °C

15 % 31 °C 24 °C

20 % 23 °C 12 °C

25 % 16 °C 1 °C

Korrelation y = -161 x + 56 y = -251 x + 62

R2 0,998 0,999

b)

a) c)

Page 56: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

40 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

Die mechanische Prüfung der Membranen zeigt eine deutliche Änderung der

Membraneigenschaften bei unterschiedlichem Weichmachergehalt (Abb. 3-12a). Der

Elastizitätsmodul als Maß für den inneren Widerstand einer Membran nimmt bei steigendem

Weichmacheranteil stark ab, gleichzeitig wird die Membran um ein Vielfaches dehnbarer.

Membranen mit 25 % (m/m) oder mehr Weichmacher lassen sich auf die doppelte Länge

dehnen. Bei osmotisch aktiven Überzugskernen ist aufgrund dieser Eigenschaften deshalb im

Gegensatz zu isolierten Membranen, auf die wenig osmotischer Druck ausgeübt wird,

tatsächlich ein Einfluss des Weichmachergehalts auf das Freisetzungsverhalten der

überzogenen Pellets zu erwarten. Dies bestätigt der Zusammenhang zwischen der Dehnbarkeit

isolierter Membranen und der Zunahme der Lag-Zeit überzogener Weinsäurepellets bei

steigendem Weichmacheranteil (Abb. 3-12b). Eine Änderung der Permeabilität wäre demnach

vor allem durch eine höhere Beweglichkeit der Polymerketten und durch das Herauslösen des

hydrophilen Weichmachers aus der Membran zu erwarten. Durch die höhere Porosität der

Membran müsste ihre Permeabilität dann mit steigendem Weichmacheranteil zunehmen.

Diese Ergebnisse bestätigen die Beobachtung, dass die Freisetzungsrate einer Eudragit RS

Membran im Gegensatz zu einer Matrix neben der Membrandicke maßgeblich durch die

Anzahl und die elektrostatischen Zustände der QAG gesteuert wird. Dementsprechend ist die

Freisetzungsrate unabhängig vom TEC-Gehalt der Membran. Die Lag-Zeit überzogener,

osmotisch-aktiver Pellets nimmt jedoch mit steigendem TEC-Anteil zu (s. Abb. 3-17) und

korreliert mit den mechanischen Eigenschaften isolierter Membranen, deren Reißdehnung

abhängig vom Weichmacheranteil ist (s. Abb. 3-12).

Einfluss von Polymermischungen

Das Mischen von Überzugs-Polymeren wird zunehmend in der Entwicklung kontrolliert

freisetzender Arzneiformen eingesetzt, wenn sich dadurch vorteilhafte Eigenschaften zur

Kontrolle der Freisetzung erzeugen lassen [Siepmann 2008b]. Dies umfasst sowohl den

Zusatz von Porenbildnern in ansonsten wenig durchlässigen Überzügen [Gunder 1995], als

auch das Mischen von Polymeren mit unterschiedlichen Freisetzungseigenschaften [Amighi

1995] oder Mischungen von Polymeren mit dem Zweck die physikalische Stabilität zu

erhöhen [Kucera 2008a; Kucera 2009; Kucera 2007; Kucera 2008b; Siepmann 2008a]. Der

Einsatz wässriger Polymerdispersionen bietet hier besondere Chancen und

Herausforderungen. Einerseits können auf Basis des gleichen Dispersionsmittels Polymere

mit chemisch völlig unterschiedlichen Strukturen gemischt werden. Andererseits muss bei der

Herstellung und Verarbeitung dieser Mischungen große Sorgfalt auf Kompatibilität und

Stabilität der Überzüge gelegt werden.

Page 57: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.2 Einflussgrößen auf die Freisetzung durch Eudragit RS 30D Membranen 41

Die Mischbarkeit verschiedener Retardpolymere und deren Eignung zur

membrankontrollierten Freisetzung wurden zunächst an isolierten Membranen untersucht.

Alle Membranen wurden morphologisch auf Inkompatibilitäten wie Ausfällungen oder

Phasentrennung geprüft. Die verwendeten Membranen waren transparent und morphologisch

ohne Auffälligkeiten. Um den pulsatilen Charakter der Freisetzungsprofile von Eudragit RS

haltigen Membranen zu erhalten und um gleichzeitig die Freisetzungsrate im Vergleich zur

Freisetzung aus reinen Eudragit RS Überzügen zu senken, wurden Eudragit RS Membranen

mit einem zweiten Polymer im Mischungsverhältnis 1:3 hergestellt (s. Abb. 3-13a).

Durch das Mischen unterschiedlicher Polymere kann die Permeabilität von Eudragit RS

Membranen verringert werden. Insbesondere bei Mischungen mit den wenig permeablen

Polymeren Aquacoat ECD oder Eudragit NE ergaben sich bei dem ausgewählten

Mischungsverhältnis Profile mit geringer Freisetzungsrate. Die Kombination von

Kollicoat SR und Eudragit RS scheint zu diesem Zweck nicht geeignet zu sein, da trotz des

geringen Anteils Eudragit RS immer noch hohe Freisetzungsraten erzielt werden und damit

wenig Spielraum zur Steuerung der Freisetzungsrate besteht.

Weitere Versuche mit den chemisch verwandten Polymeren Eudragit RS und Eudragit NE

wurden durchgeführt, um die Freisetzungseigenschaften und die physikalische Stabilität in

Abhängigkeit von unterschiedlichen Mischungsverhältnissen zu bewerten. Der Einfluss des

Mischungsverhältnisses der Polymere auf die Permeabilität der Membranen wurde durch

Diffusionsexperimente bestimmt. In Abb. 3-13b zeigt sich, dass alle Eudragit RS haltigen

Membranen eine off-on Kinetik mit unterschiedlichen Verzögerungszeiten aufweisen. Mit

abnehmendem Eudragit RS Anteil sinkt die Permeabilität. Zudem reduziert sich der pulsatile

Charakter, und die Permeabilitätsprofile zeigen eher einen Diffusionsprozess.

Abb. 3-13 Permeation von Weinsäure (gesättigte Lösung 20 ml) über a) verschiedeneMischpolymermembranen mit Eudragit RS 30D; b) verschiedene Mischpolymermembranen vonEudragit RS/Eudragit NE; je (4 mg /cm2; 55 µm); Akzeptormedium: 700 ml Aqua demin., 37 °C;Blattrührer-Apparatur 100 UpM; Mittelwerte ± Standardabweichung; n = 3

0,0 0,5 1,0 1,5 2,00

2

4

6

8

10

Fre

iset

zung

Wei

nsäu

re[m

g/cm

2 ]

Zeit [h]

Eudragit RSEudragit RS/ Kollicoat SR 25:75Eudragit RS/ Aquacoat ECD 25:75Eudragit RS/ Eudragit NE 25:75

0,0 0,5 1,0 1,5 2,00

2

4

6

8

10

Fre

iset

zung

Wei

nsäu

re[m

g/cm

2 ]

Zeit [h]

Eudragit RSEudragit RS/ NE 75:25Eudragit RS/ NE 50:50Eudragit RS/ NE 25:75Eudragit NE

a) b)

Page 58: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

42 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

Nach der von Couchman [Kucera 2009] entwickelten Gleichung können die

Glasübergangstemperaturen von Polymermischungen wie folgt berechnet werden:

)()( 221112 wTwTT ggg Gl. 3.1

Tg12= Tg der Polymermischung

Tg1 = Tg des ersten Polymers

w1 = Massenanteil des ersten Polymers

Tg2 = Tg des zweiten Polymers

w2 = Massenanteil des zweiten Polymers

Die gemessenen Glasübergangstemperaturen (s. Tabelle 3-2) stimmen gut mit den

Literaturwerten überein [Degussa 2007; Kucera 2009; Wagner 2005b] und die DSC-

Thermogramme zeigen einzelne Phasenübergänge. Weitere thermische Ereignisse sind im

Thermogramm nicht zu beobachten. Dies bestätigt, dass die Polymere miteinander mischbar

sind. Mit zunehmendem Anteil des weichen, elastischen Polymers Eudragit NE nehmen also

die Glasübergangstemperatur ab und die mechanische Flexibilität des Polymers zu.

Tabelle 3-4 Tg von Polymermischungen; gemessen und berechnet nach Gl. 3.1

Polymere Mischungsverhältnis Tg gemessenTg berechnet/Literatur

Eudragit RS - 56 631, 672

Eudragit RS/Eudragit NE

3 : 1 44 49,53

Eudragit RS/Eudragit NE

1 : 1 33 363, 382

Eudragit RS/Eudragit NE

1 : 3 21 223, 232

Eudragit NE - 9 91, 132

Durch Mischen der Polymere lassen sich also die Lag-Zeit und die Freisetzungsrate deutlich

beeinflussen. Vor dem Mischen der Polymere müssen die pH-Werte der zu mischenden

Dispersionen jedoch durch Zugabe von Säure bzw. Lauge vorsichtig einander angepasst

werden. Da sich zudem die Viskosität der Dispersion beim Mischen der Polymere

vorrübergehend erhöht, ist eine Verdünnung der Dispersionen im Verhältnis 1:1 mit Wasser

zu empfehlen (s. Kap. 8.3.4). Bei sorgfältigem Vorgehen können die beiden Polymere so in

einem großen Bereich miteinander gemischt werden und gleichzeitig können

Permeabilitätsprofile in einem breiten Spektrum generiert werden. Dieser Ansatz stellt daher

eine interessante Möglichkeit zur Steuerung einer membrankontrollierten Freigabe von

1 Degussa 20072 Kucera 20093 Berechnet nach Gl. 3.1

Page 59: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.2 Einflussgrößen auf die Freisetzung durch Eudragit RS 30D Membranen 43

Weinsäure dar. Inwieweit sich diese Eigenschaften auf überzogene Pellets übertragen lassen

wird in Kapitel 3.2.3 untersucht.

3.2.2 Untersuchung der Einflussgrößen an überzogenen Pellets

Einfluss von Anionen beim ioneninduzierten Transport

Der Effekt von Anionen auf die Permeabilität von kationischen Polymethacrylatmembranen

konnte beim Screening der Weinsäurepermeabilität an isolierten Membranen beobachtet und

nachgewiesen werden. Die Gültigkeit des beschriebenen Mechanismus auf überzogene

Weinsäurepellets zeigt Abb. 3-14. Durch die Blockade der QAG mit Sulfat kann die Lag-Zeit

von überzogenen Pellets bis zur pulsatilen Freisetzung in Übereinstimmung mit den

Ergebnissen an isolierten Membranen von 35 auf 55 Minuten verlängert werden. Die

Freisetzungsrate bleibt unverändert, da sie vor allem von der Hydratationshülle der

austauschenden Tartrat-Ionen abhängt. Dies bedeutet, dass durch Umladung der QAG der

Membran die Lag-Zeit bei identischem Polymerauftrag verlängert werden kann. Diese

Erkenntnis bietet die Option die Überzugsmenge bei gleichbleibender Freisetzung zu

reduzieren und damit die Prozesszeit und die Materialkosten zu senken [Grützmann 2005].

Abb. 3-14 Freisetzungsdaten überzogener Weinsäurepellets a) Effekte ionischer Beladung der QAG,mit/ohne Sulfat b) Einfluss der Überzugsmenge auf das Freisetzungsverhalten, QAG ohne Sulfat;Freisetzung in 700 ml Aqua demin., 37 °C; Drehkörbchen-Apparatur 100 UpM; Einwaage: 500 mgPellets; Mittelwerte ± Standardabweichung; n = 3

Einfluss der Membrandicke

Bei Diffusionsüberzügen kann die Freisetzungsgeschwindigkeit einer membrankontrollierten

Arzneiform durch Variation der Auftragsmenge häufig sehr gut gesteuert werden. Der

Einfluss unterschiedlicher Überzugsniveaus auf die Freisetzungseigenschaften von mit

Eudragit RS retardierten Weinsäurepellets ist in Abb. 3-15 dargestellt.

0 1 2 3 40

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

frei

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tzte

rA

ntei

l[%

]

Zeit [h]

10% Eudragit RS o. Sulfat20% Eudragit RS o. Sulfat30% Eudragit RS o. Sulfat40% Eudragit RS o. Sulfat

0 1 2 3 40

10

20

30

40

50

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70

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100

110

frei

gese

tzte

rA

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l[%

]

Zeit [h]

20 % Eudragit RS o. Sulfat20 % Eudragit RS m. Sulfat

a) b)

Page 60: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

44 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

Abb. 3-15 Einfluss der Überzugsmenge auf das Freisetzungsverhalten überzogenerWeinsäurepellets; Freisetzung in 700 ml Aqua demin., 37 °C; Drehkörbchen-Apparatur 100 UpM;Einwaage: 500 mg Pellets; Mittelwerte ± Standardabweichung; n = 3

Ein höheres Überzugsniveau hat großen Einfluss auf die Dauer der Lag-Zeit. Auch diese

Beobachtung stimmt mit den Ergebnissen der Permeabilitätsuntersuchung an isolierten

Membranen überein. Die Freisetzungsgeschwindigkeit nimmt, wie zu erwarten, bei

steigendem Überzugsniveau ab. Sie bleibt aber auch bei Auftragsmengen von 40 % (m/m)

Polymer noch so hoch, dass innerhalb von zwei Stunden die gesamte Weinsäuremenge

freigesetzt wird. Nach der Theorie des ioneninduzierten Transports kann dieses Verhalten

damit erklärt werden, dass die fest gebundenen Sulfat-Ionen, besonders bei großen

Überzugsmengen, im inneren Bereich des Überzugs nur schwer von den Ammoniumgruppen

des Polymers verdrängt werden können, da hierfür eine ausreichend hohe Konzentration des

austauschenden Anions vorliegen muss. Ist diese Schwelle jedoch erreicht, kommt der sehr

effektive Transportprozess schnell in Gang.

Vergleicht man Abb. 3-14b und Abb. 3-15 miteinander, so kann festgestellt werden, dass der

Einfluss der Anionen unabhängig vom Überzugsniveau eine Rolle spielt und die

Verzögerungszeit bei Membranen mit blockierten QAG stets deutlich länger ist.

Die Erkenntnis, dass mit Eudragit RS Überzügen eine pulsatile Freigabe der Weinsäure nach

einer ausgeprägten Verzögerungszeit von bis zu vier Stunden erreicht werden kann, eröffnet

für die kontrollierte Freigabe pH-abhängig schwerlöslicher Wirkstoffe große Chancen.

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10% Eudragit RS20% Eudragit RS30% Eudragit RS40% Eudragit RS

Page 61: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.2 Einflussgrößen auf die Freisetzung durch Eudragit RS 30D Membranen 45

Einfluss der Viskosität

Eine Erhöhung der Viskosität des Diffusionsmediums lässt sich bei überzogenen

Arzneiformen entweder durch die Einbettung der Weinsäure in eine viskositätserhöhende

Matrix oder durch die Etablierung einer zusätzlichen hochviskosen Diffusionsbarriere in

Form eines Subcoatings zwischen Weinsäure und Eudragit RS realisieren. Freisetzungsprofile

dieser beiden Möglichkeiten sind in Abb. 3-16 dargestellt.

Abb. 3-16 Freisetzungsdaten von Eudragit RS überzogenen Weinsäurepellets (4 mg/cm2) mitzusätzlicher viskoser Diffusionsbarriere; a) Weinsäure in HPMC-Matrix eingebettet; b) 10% (m/m)HPMC-Subcoating

Die Freisetzung aus den überzogenen Matrizes in Abb. 3-16a zeigt ein komplett

unterschiedliches Verhalten gegenüber mehrschichtigen Pellets. Dabei spielen

Quellungseffekte der Matrix und die weniger runde Form der Pellets eine Rolle. Diese Option

kommt für eine membrankontrollierte Freigabe deshalb nicht weiter in Betracht. Durch ein

HPMC-Subcoating, kann die Verzögerungszeit und die Freisetzungsrate jedoch tatsächlich

weiter verzögert werden (s. Abb. 3-16b). Dieser Ansatz stimmt mit den Beobachtungen an

isolierten Membranen überein. Allerdings werden für das Aufbringen von wässrigen HPMC

Schichten lange Prozesszeiten benötigt, da aufgrund der Viskosität der HPMC Lösung deren

Feststoffgehalt zum Versprühen maximal sechs Prozent betragen sollte.

Einfluss des Weichmacher-Anteils

Der Einfluss des Weichmacheranteils auf die Freisetzungseigenschaften von überzogenen

Arzneiformen wurde in mehreren Berichten festgestellt [Frohoff-Hülsmann 1999; Lippold

2001a; Siepmann 1999; Tang 2005]. Vom Hersteller wird für Filmüberzüge von Eudragit RS

ein Weichmacheranteil von 20 % (m/m) empfohlen, um die Mindestfilmbildetemperatur

soweit zu senken, dass ein komplettes Ausfilmen des Überzugs bei den üblichen

Prozesstemperaturen von ca. 35 °C gewährleistet ist [Petereit 1999]. Höhere Anteile steigern

0 4 8 12 16 20 240

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20 % Eudragit RS10 % HPMC + 20 % Eudragit RS

a) b)

Page 62: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

46 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

die Klebetendenz der Pellets während des Überzugsprozess deutlich. Bei optimalen

Prozessparametern lassen sich solche Überzüge dennoch problemlos herstellen.

Die Theorie des freien Volumens besagt, dass bei einer höheren Beweglichkeit der

Polymerketten durch hohe Weichmacheranteile die diffundierenden Stoffe leichter durch das

Polymernetzwerk diffundieren können [Siepmann 1999]. In einer anderen Hypothese wird

postuliert, dass die Porosität der Membran und die Freisetzungsgeschwindigkeit durch

hydrophile Weichmacher erhöht wird, weil diese im Freisetzungsmedium schnell aus der

Polymermatrix herausgelöst werden [Fetscher 1999; Gruetzmann 2005]. Den Einfluss des

Weichmacheranteils auf das Freisetzungsverhalten überzogener Weinsäurepellets zeigt

Abb. 3-17.

Abb. 3-17 Freisetzungsverhalten von mit Eudragit RS überzogenen Weinsäurepellets in Abhängigkeitdes Weichmachergehalts; Freisetzung in 700 ml Aqua demin., 37 °C; Drehkörbchen-Apparatur 100UpM; Einwaage: 500 mg Pellets; Mittelwerte ± Standardabweichung; n = 3

Entgegen der Erwartung, dass hydrophile Weichmacher sich schnell aus dem Filmüberzug

lösen und damit die Porosität des Überzugs erhöhen, wie dies auch bei Eudragit RS Matrizes

beobachtet werden konnte [Maus 2007], erfolgt die Weinsäure-Freisetzung aus Eudragit RS

Membranen bei steigendem Weichmacheranteil zunehmend verzögert. Auffällig ist dabei,

dass die Permeabilität der Überzüge nur sehr wenig variiert, die Lag-Zeit jedoch mit

zunehmendem Weichmacheranteil sehr stark verlängert wird. Das Freisetzungsverhalten der

Eudragit RS Membranen für Weinsäurepellets bei unterschiedlichen TEC-Anteilen steht

damit im Gegensatz zu den Beobachtungen an Matrizes sowie zu der für

diffusionskontrollierte Überzüge postulierten Theorie des freien Volumens. Durch

Untersuchungen an isolierten Membranen konnte der Einfluss des Weichmachers auf

0 1 2 3 4 5 60

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Eudragit RS 10% TECEudragit RS 15% TECEudragit RS 20% TECEudragit RS 25% TECEudragit RS 30 % TEC

Page 63: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.2 Einflussgrößen auf die Freisetzung durch Eudragit RS 30D Membranen 47

mechanische und thermische Eigenschaften bestätigt, und ein Zusammenhang zwischen

Reißdehnung und zunehmender Lag-Zeit bei steigendem TEC-Anteil hergestellt werden

(Abb. 3-12b). Aufgrund dieser Untersuchungen liegt deshalb die Vermutung nahe, dass sich

die Membranpermeabilität durch den Weichmacheranteil nicht verändert, sondern die

unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften für die Unterschiede der Freisetzungsprofile

verantwortlich sind. Dies wurde erneut durch eine zeitabhängige Bild-Analyse einzelner

Pellets untersucht (s. Abb. 3-18).

Abb. 3-18 Verlauf der Oberflächenzunahme überzogener Pellets; Inkubation in Aqua demin.; 23 °C

Dabei zeigt sich, dass sowohl der Verlauf als auch das Ausmaß der Zunahme der

Pelletoberfläche vom Weichmacheranteil abhängig sind. So verändert sich die Geometrie der

Pellets bei dem wenig dehnbaren Überzug mit 10 % (m/m) TEC nur sehr wenig. Die

elastischeren Überzüge mit 20 % bzw. 30 % (m/m) TEC ermöglichen den Pellets bei intaktem

Überzug jedoch eine Zunahme der Oberfläche um bis zu 50 %. Der zeitliche Verlauf der

Quellung ist ebenfalls sehr unterschiedlich. Pellets mit Überzügen, die 20 % (m/m) TEC

enthalten erreichen bereits nach vier Stunden die maximale Ausdehnung. Enthält der Überzug

30 % (m/m) TEC, wird dies erst nach sechs Stunden erreicht. Daraus kann geschlossen

werden, dass der Wassereinstrom je nach Elastizität der Membran unterschiedlich lange

andauert. Die Freisetzung beginnt erst mit Erreichen der Endausdehnung der Membran, die

abhängig von der Elastizität der Membran und des herrschenden osmotischen Drucks im

Pellet ist. Offensichtlich dominiert die Ausdehnungskinetik des Films über die

Oszillationskinetik der Anionen um die QAG. Dadurch kommt letztere erst bei abnehmender

Ausdehnungsgeschwindigkeit zum Tragen. Einen Erklärungsansatz für die dabei unveränderte

Permeabilität der Membranen bietet ebenfalls die Theorie des ioneninduzierten Transports.

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Eudragit RS- 10 % TECEudragit RS- 20 % TECEudragit RS- 30 % TEC

Page 64: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

48 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

Danach ist für den Transportmechanismus zwar die räumliche Verteilung der Ammonium-

Gruppen, an denen ein Medienstrom induziert werden kann insbesondere für das Starten des

Medienflusses sehr wichtig. Dass sich dadurch die Membranpermeabilität nicht wesentlich

ändert, liegt jedoch darin begründet, dass sich die Anzahl der QAG ebenfalls nicht ändert.

3.2.3 Polymermischungen mit Eudragit RS 30D

Eine weitere Option zur Steuerung der Freisetzung aus Eudragit RS Membranen ist damit die

Einflussnahme auf die räumliche Dichte der QAG-Verteilung. Eine Möglichkeit die QAG-

Verteilung weiter zu „verdünnen“ ist die Mischung nichtionischer Polymere mit kationischem

Polymethacrylat. Dies konnte in Kapitel 3.2.1 durch Permeabilitätsbestimmungen an

isolierten Filmüberzügen nachgewiesen werden. Dadurch bietet sich die Möglichkeit über

verschiedene Mischungsverhältnisse ein breiteres Spektrum an Freisetzungsprofilen zu

realisieren und gleichzeitig die vorteilhafte Eigenschaft der Eudragit RS Membranen,

sigmoidale Freisetzungsprofile zu erzeugen, in das Freisetzungsverhalten der Überzuge zu

integrieren. Über den Verdünnungseffekt hinaus ist jedoch zu erwarten, dass auch die

Eigenschaften des zweiten Polymers, je nach Mischungsverhältnis, wesentlichen Einfluss auf

die Eigenschaften des Misch-Überzugs haben werden. Solche Überzüge von Eudragit RS

wurden mit den Polymeren Aquacoat ECD, Eudragit NE und Kollicoat SR hergestellt.

Abb. 3-19 zeigt das Freisetzungsverhalten von Weinsäurepellets, die mit Mischüberzügen in

verschiedenen Mischungsverhältnissen jeweils mit einer Auftragsmenge von 20 % (m/m)

Polymer überzogen wurden.

Abb. 3-19 Freisetzungsdaten überzogener Weinsäurepellets; 20 % (m/m) Polymerauftrag (4 mg/cm2);a) Mischpolymermembranen mit Eudragit RS 30D im Verhältnis 1:1; b) Mischpolymermembranen vonEudragit RS 30D im Verhältnis 1:3; Freisetzung in 700 ml Aqua demin., 37 °C; Drehkörbchen-Apparatur 100 UpM; Einwaage: 500 mg Pellets; Mittelwerte ± Standardabweichung; n = 3

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20 % Eudragit RS/Kollicoat SR 1:320 % Eudragit RS/ Eudragit NE 1:320 % Eudragit RS/ Aquacoat ECD 1:3

a) b)

Page 65: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.2 Einflussgrößen auf die Freisetzung durch Eudragit RS 30D Membranen 49

Beim Vergleich dieser Überzüge fällt auf, dass Überzüge mit Kollicoat SR eine höhere

Freisetzungsgeschwindigkeit haben als reine Eudragit RS Überzüge. Der vermeintliche

Verdünnungseffekt der QAG konnte nicht beobachtet werden. Dies könnte in der sehr hohen

Wasseraufnahmekapazität des Kollicoat SR begründet sein [Strübing 2007]. Durch die gute

Hydratisierung der Membran wird der Verdünnungseffekt überlagert und der Anionen-

Austausch an den QAG sofort ausgelöst.

Überzüge mit Aquacoat ECD sind dagegen hydrophob und kaum quellbar [Wesseling 1999a].

Im Vergleich zu reinen Eudragit RS Überzügen erfolgt die Freisetzung, wie erwartet, deutlich

verzögert und mit einer geringeren Freisetzungsrate. Der Einfluss beider Polymere ist gut zu

erkennen. Durch den Eudragit RS Anteil wird nach der Verzögerungszeit ein Medienstrom

induziert und im Vergleich zu reinen Aquacoat ECD Überzügen die Freisetzungsrate erhöht.

Gleichzeitig zeigt sich in dem Freisetzungsprofil, das nach etwa 40 % - 60 % Freisetzung

deutlich abflacht, die diffusionskontrollierte Natur von Aquacoat ECD Überzügen. Bei

Überzügen mit geringem Eudragit RS Anteil tritt dies ausgeprägter auf.

Mischüberzüge von Eudragit RS und Eudragit NE wurden detailliert untersucht (s. Abb. 3-

20). Dabei zeigt sich, dass über die Wahl des Mischungsverhältnisses der beiden Polymere,

gezielt Einfluss auf die Freisetzungsrate genommen werden kann. Wie Abb. 3-20b zeigt

nimmt die Freisetzungsrate linear ab, je weniger Eudragit RS und damit je geringer die QAG-

Dichte in dem verwendeten Überzug ist.

Abb. 3-20 a) Freisetzungsdaten von Weinsäurepellets mit Eudragit RS- Eudragit NE Überzügen; 20 %(m/m) Polymerauftrag Mischpolymermembranen von Eudragit RS/Eudragit NE, unterschiedlicheMischungsverhältnisse; Freisetzung in 700 ml Aqua demin., 37 °C; Drehkörbchen-Apparatur 100UpM; Einwaage: 500 mg Pellets; Mittelwerte ± Standardabweichung; n = 3; b) KorrelationFreisetzungsrate (Pellets) / Anteil Eudragit RS

a) b)

y = 0,2144x + 2,76

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Page 66: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

50 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

Das typisch sigmoidale Profil bleibt erhalten. Im Vergleich zu einem reinen Eudragit NE-

Überzug beträgt die Verzögerungszeit der Mischüberzüge nur etwa 60 Minuten. Dies zeigt,

dass auch bei geringen Eudragit RS Anteilen ein ioneninduzierter Medienstrom ausgelöst

wird, der die geringe Permeabilität des Eudragit NE erhöht. Dabei steht die Freisetzungsrate

der Pellets in einem linearen Zusammenhang mit dem Mischungsverhältnis des Überzugs

(s. Abb. 3-20b).

Das Mischen verschiedener Polymere eignet sich somit, um neue Freisetzungsprofile zu

genieren, die sich aus den Eigenschaften der einzelnen Polymere zusammensetzen. Während

Eudragit RS - Kollicoat SR Überzüge eine sehr schnelle Freisetzung erlauben, kann mit den

Polymeren von Aquacoat ECD und Eudragit NE das Freisetzungsprofil von Eudragit RS

Überzügen so variiert werden, dass sich zusätzliche Möglichkeiten ergeben eine kontrollierte

Weinsäurefreisetzung als Baustein in mehrschichten Systemen zur kontrollierten Freisetzung

für pH-abhängig schwerlösliche Wirkstoffe einzusetzen.

3.2.4 Stabilitätsuntersuchungen an überzogenen Weinsäurepellets

Der Einsatz wässriger Latex- oder Pseudolatex-Dispersionen beim Überziehen von

Arzneiformen bietet gegenüber Überzügen auf organischer Basis viele Vorteile. Ein häufig

beschriebenes Problem bei der Anwendung wässriger Dispersion ist jedoch die physikalische

Stabilität dieser Überzüge [Bando 2006; Lippold 2001b; Thoma 1999]. Stabilitätsprobleme

von Polymermembranen können insbesondere durch eine unvollständige Filmbildung

während des Herstellungsprozesses oder durch physikalische Umwandlungen der

Polymerkonformität während der Lagerung entstehen [Lippold 2001b]. Um eine vollständige

Filmbildung der Überzüge aus wässrigen Dispersionen zu gewährleisten, werden überzogene

Arzneiformen häufig einer thermischen Nachbehandlung unterzogen [Amighi 1996; Yang

2010], dem sogenannten ‚Curing‘. Die überzogene Arzneiform wird dazu für eine definierte

Zeit einer Temperatur ausgesetzt, die mindestens 10 °C über der Mindestfilmbildetemperatur

des Überzugs liegen sollte. In dieser Zeit können unvollständig ausgefilmte

Dispersionströpfchen koaleszieren und das Polymernetzwerk vervollständigen. Man

unterscheidet davon die physikalischen Umwandlungsprozesse der Membranen, auch als

‚Aging‘ bezeichnet. Sie sind abhängig von Zeit, Temperatur und relativer Feuchte [Muschert

2008]. Die treibende Kraft dieser Umwandlungsprozesse ist das Streben der Polymere ein

thermodynamisches Gleichgewicht zu erreichen [Struik 1978], bei dem die molekulare

Bewegung der Polymerketten ein Minimum erreicht. Dabei kann sich das Polymernetzwerk

Page 67: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.2 Einflussgrößen auf die Freisetzung durch Eudragit RS 30D Membranen 51

zunehmend verdichten, was Auswirkungen auf die Permeabilität haben kann und sich häufig

in Veränderungen des ursprünglichen Freisetzungsprofils niederschlägt [Siepmann 2008a].

In der Literatur sind diese Phänomene für Eudragit RS, Aquacoat ECD und Eudragit NE

beschrieben [Amighi 1996; Amighi 1997; Gutierrez-Rocca 1993; Körber 2010]. Mischungen

der in ihrer chemischen Struktur verwandten Polymere Eudragit RS und Eudragit NE zeigen

interessante Freisetzungseigenschaften beim Einsatz zur membrankontrollierten

Weinsäurefreigabe (s. Kap. 3.2.3). Vor dem routinemäßigen Einsatz dieser Membranen sind

Stabilitätsuntersuchungen deshalb unbedingt erforderlich.

Da die Glasübergangstemperatur von Eudragit NE weit unterhalb der Raum- und

Verarbeitungstemperatur liegt, sollte eine thermische Nachbehandlung dieser Überzüge nicht

notwendig sein. Für Überzüge von Eudragit RS wird eine Temperzeit von 12 bis 24 h bei

40 °C empfohlen [Lehmann 1989]. Bezüglich des Freisetzungsverhaltens in Abhängigkeit

verschiedener Temperbedingungen wurden dennoch umfangreiche Untersuchungen der

Stabilität an isolierten Filmen und überzogenen Pellets mit Überzügen von Eudragit RS -

Eudragit NE Mischungen durchgeführt (s. Abb. 3-21d). Die Untersuchung der Curing-

Bedingungen an isolierten Membranen bietet dabei den Vorteil, dass Inkompatibilitäten mit

dem Kerns ausgeschlossen werden können und keine Zersetzung der aktiven Inhaltsstoffe

berücksichtigt werden muss.

Wie Abb. 3-21 zeigt, verändert sich die Permeabilität von isolierten Membranen

temperaturabhängig sehr stark. Da die Polymere nach der Herstellung offensichtlich nicht ihr

thermodynamisches Gleichgewicht erreicht haben, werden die optimalen Bedingungen zur

thermischen Nachbehandlung ermittelt.

Page 68: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

52 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

Abb. 3-21 Freisetzungs- bzw. Permeationsverhalten einer Eudragit RS/ Eudragit NE 1:1 Membran beiunterschiedlichen Temperbedingungen; a) isolierte Filme, Tempern bei RT (rot); b) isolierte Filme,Tempern bei 40 °C (blau); c) isolierte Filme, Tempern bei 60 °C (grün); d) überzogenen Pellets;Tempern bei 40 (blau) bzw. 60 °C (grün); Versuche in 700 ml Aqua demin., 37 °C; Mittelwerte ±Standardabweichung; n = 3

Nach einer Behandlung der Überzüge über 24 Stunden bei 40 °C (s. Abb. 3-21b) nimmt die

Freisetzungsrate deutlich ab. Auch nach 2 Wochen Lagerung bei 40 °C wird jedoch kein

stabiles Niveau der Freisetzungsrate erreicht. Bei einer thermischen Behandlung bei 60 °C

sinkt die Freisetzungsrate in kürzeren Zeiträumen noch sehr viel stärker ab (s. Abb. 3-21c).

Das Ausmaß der Permeabilitätsunterschiede zwischen ungetemperten und getemperten

Membranen ist enorm (vgl. Abb. 3-21a und 3-21c). Erst nach zwei Wochen bei 60 °C scheint

ein stabiler Zustand erreicht zu sein. Da Veränderungen der Membran selbst bei einer

Lagerung bei 40 °C, also deutlich oberhalb der Glasübergangstemperatur der beiden

Polymere, über mehrere Wochen andauern, erscheint eine unvollständige Filmbildung als

Ursache für die Permeabilitätsänderungen sehr unwahrscheinlich.

Die Untersuchungen der thermischen Effekte auf das Freisetzungsprofil überzogener Pellets

stimmen mit den Beobachtungen an isolierten Membranen überein (Abb. 3-21d). Selbst bei

40°C ist nach mehr als 4 Wochen noch kein stabiles Niveau erreicht. Diese Ergebnisse deuten

daraufhin, dass sich die Polymerketten nicht in ihrem thermodynamischen Gleichgewicht

0,0 0,5 1,0 1,5 2,00

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a) b)

c) d)

Page 69: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.2 Einflussgrößen auf die Freisetzung durch Eudragit RS 30D Membranen 53

befinden und eine weitere Verdichtung der Membran durch Ausrichten, Entwinden und

stärkere Interdiffusion der Polymerketten möglich ist. Je höher die dazu zur Verfügung

stehende Energie ist, desto schneller läuft dieser Prozess ab. Die Vermutung, dass sich die

beiden Polymere beim Erreichen des energetisch günstigsten Zustands behindern könnten,

muss dabei ebenfalls in Betracht gezogen werden [Kucera 2009]. Das hier beobachtete

Phänomen spielt deshalb besonders bei weichen Polymeren mit einer niedrigen

Glasübergangstemperatur eine Rolle, da die Umorientierung dieser Polymerketten in diesem

Fall so schnell abläuft, dass makroskopische Effekte sichtbar werden. Bei Polymeren mit

Glasübergangtemperaturen oberhalb der Raumtemperatur werden dieselben Vorgänge

thermodynamisch so langsam ablaufen, dass sie für die Stabilität der Arzneiformen keine

Rolle spielen. Es ist offensichtlich, dass es sich bei dem untersuchten Überzug um ein sehr

thermo-empfindliches System handelt. In weiteren Untersuchungen müsste deshalb geprüft

werden, ob sich die Stabilität dieses Überzugs durch Wahl anderer Prozessparameter bereits

bei der Herstellung verbessern lässt.

3.2.5 Zusammenfassung der Ergebnisse

Eudragit RS Membranen sind geeignet eine pulsatile, zeitkontrollierte Freisetzung von

Weinsäure zu gewährleisten. Zur gezielten Steuerung der Freisetzungsrate und der Lag-Zeit

wurden die relevanten Einflussfaktoren sowohl an isolierten Filmüberzügen wie auch an

überzogenen Pellets untersucht.

Da der Freisetzungsmechanismus von Eudragit RS Membranen auf einem ioneninduzierten

Transport an QAG der Membran beruht, spielt die Art und die Konzentration von Anionen in

der Umgebung eine wichtige Rolle für die Freisetzungseigenschaften. So kann durch die

Blockade der QAG mit Sulfat-Ionen die Lag-Zeit rezepturabhängig mit geringem Aufwand

deutlich verlängert werden, ohne die Überzugsmenge zu ändern. Durch Veränderungen des

Überzugsniveaus können Lag-Zeit und Freisetzungsrate gesteuert werden. Bei

Überzugsmengen zwischen 20 % und 40 % (m/m) werden Verzögerungszeiten zwischen ein

und vier Stunden erzielt. Eine Viskositätsbarriere vor der Überzugsmembran behindert den

Stofftransport zusätzlich und kann gegebenenfalls zur verstärkten Retardierung, zum Beispiel

in Form eines Subcoatings, auf Mehrschichtpellets angewendet werden. Wie sich durch

Untersuchungen an isolierten Filmüberzügen zeigt verändern unterschiedliche Mengen an

Weichmacher die mechanischen und thermischen Eigenschaften von Eudragit RS

Membranen. Dadurch können die Freigabeeigenschaften indirekt beeinflusst werden. So setzt

die Freisetzung aus überzogenen Pellets mit hohen Weichmacheranteilen erst nach deutlich

Page 70: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

54 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

längeren Verzögerungszeiten ein. Durch den osmotischen Druck des Pelletkerns werden die

viel Weichmacher enthaltenden, sehr dehnbaren Überzüge stark gedehnt. Durch den lange

anhaltenden Wassereinstrom wird die Freisetzung behindert und dies führt somit indirekt zu

einer rezepturabhängigen Verzögerung des Freisetzungsbeginns.

Neue Eigenschaften von Überzugsmembranen und interessante Varianten der

Freisetzungsprofile können durch Mischungen von Überzugspolymeren mit Eudragit RS

erzielt werden. Dabei sind insbesondere Mischungen der chemisch sehr ähnlichen Polymere

Eudragit RS und Eudragit NE geeignet, die die Freisetzungsrate und die Verzögerungszeit in

Abhängigkeit des Mischungsverhältnisses zu steuern.

Filmüberzüge auf wässriger Basis neigen oft zu physikalischen Instabilitäten mit

Veränderungen des Freisetzungsprofils. Das bestätigen Stabilitätsuntersuchungen an

Weinsäure-Pellets, die mit einem Mischüberzug aus Eudragit RS und Eudragit NE beschichtet

wurden. Auf die Wahl optimaler Herstellungs- und Temperbedingungen muss bei

empfindlichen Überzügen auf wässriger Basis deshalb besonderes Augenmerk gelegt werden.

Page 71: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.3 Einflussgrößen auf die Freisetzung durch Aquacoat ECD Membranen 55

3.3 Einflussgrößen auf die Freisetzung durch Aquacoat ECD

Membranen

Ethylcellulose stellt als teilsynthetisches Polymer einen wasserunlöslichen Filmbildner dar,

der für Isolierschichten und zur Retardierung von festen Arzneiformen eingesetzt wird

[Schultz 1997a; Schultz 1997b; Thoma 1998].

Die Freisetzungsrate bei diffusionsgesteuerten Ethylcelluloseüberzügen wird durch folgende

Faktoren beeinflusst:

- Herstellprozess (organisch/ wässrig)

- Membrandicke

- Weichmacher (Typ und Anteil)

- Zusatz von Porenbildner

3.3.1 Einfluss des Herstellungsprozesses (organisch / wässrig)

Ethylcellulose kann sowohl als organische Lösung als auch als wässrige Pseudolatex-

Dispersion verarbeitet werden. Neben der Zusammensetzung ist für die Qualität eines Filmes

die Art der Filmbildung ein wichtiges Kriterium [Wesseling 1999a]. Die Filmbildung und die

Struktur von Ethylcellulose-Filmen unterscheiden sich bei organisch bzw. wässrig basierten

Überzügen grundlegend. Während in organischen Lösungsmitteln gelöste Polymerketten nach

dem Verdunsten des Lösungsmittels über einen Sol-Gel-Übergang ein dreidimensionales

Netzwerk bilden, koaleszieren beim Einsatz der wässrigen Dispersion kleinste

Pseudolatexpartikel, um oberhalb der erforderlichen Mindestfilmbildetemperatur einen

kompletten Film zu bilden. Für Filmüberzüge der Pseudolatex Dispersion Aquacoat ECD

wird dazu der Zusatz von 30 % (m/m) Weichmacher empfohlen [FMC BioPolymer 1996].

Aus Gründen der Sicherheit, des Umweltschutzes und kürzerer Prozesszeiten werden

wässrige Ethylcellulose-Dispersionen in der Regel bevorzugt.

Die Freisetzungsprofile von Weinsäurepellets, mit organischen bzw. wässrigen Überzügen

sind in Abb. 3-22 dargestellt. Die Freisetzungsgeschwindigkeiten der Pellets sind sich sehr

ähnlich. Unterschiede ergeben sich jedoch in der Dauer der Lag-Zeit. Diese ist bei wässrigen

Überzügen deutlich länger. Eine Erklärung könnte in dem Zusatz hydrophober Anteile in

Aquacoat ECD Membranen (1,7 - 3,3 % Cetylalkohol), die die Wasserpermeabilität der

Membran zunächst einschränken, begründet sein. Einen anderen Ansatz zur Erklärung dieses

Phänomen liefern Siepmann et al. auf Basis der unterschiedlichen Mikrostruktur der Filme

und der unterschiedlich starken Durchdringung der Polymere [Lecomte 2004b]. So wird

Page 72: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

56 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

diskutiert, dass die Polymere der Membranen, die auf wässriger Basis hergestellt wurden, eine

geringere Mobilität innerhalb der Membran besitzen als bei Überzügen auf organischer Basis.

Dadurch läuft der Prozess der Wasseraufnahme und der daran anschließenden Erhöhung der

Porosität der Membran durch Wassereinlagerung zunächst verzögert ab.

Abb. 3-22 Freisetzungsprofil von Weinsäurepellets mit Ethylcellulose-Überzug auf wässriger (rot)oder organischer Basis (schwarz, 5 % TEC; grün 30 % TEC); Freisetzung in 700 ml Aqua demin., 37°C; Drehkörbchen-Apparatur 100 UpM; Einwaage: 500 mg Pellets; Mittelwerte ± Standardabweichung;n = 3

Der Einfluss unterschiedlicher Weichmacheranteile in organischen Überzügen auf die

Freisetzungseigenschaften der überzogenen Pellets ist sehr gering. Da der Weichmacheranteil

bei wässrigen Systemen von Aquacoat ECD mindestens bei 30 % (m/m) liegen sollte, um eine

optimale Filmbildung zu gewährleisten, kann das Freisetzungsverhalten lediglich durch die

Wahl des Weichmachertyps (lipophil / hydrophil) beeinflusst werden [Lecomte 2004a;

Lippold 1989]. Yang et al [Yang 2010] konnten allerdings nachweisen, dass kein signifikanter

Einfluss des Weichmachertyps auf die Freisetzung besteht, wenn die Curing-Bedingungen so

gewählt werden, dass sich der Überzug im thermodynamischen Gleichgeweicht befindet.

3.3.2 Einfluss der Überzugsmenge

Durch unterschiedliche Auftragsmengen lassen sich variierende Freisetzungsprofile in einer

großen Bandbreite erzeugen. Dabei nimmt bei zunehmender Schichtdicke die Lag-Zeit zu und

die Freisetzungsgeschwindigkeit ab. Durch eine größere Membrandicke werden sowohl der

Wassereinstrom und die Auflösung der Weinsäure verlangsamt, als auch die Weinsäure-

Diffusion durch die Membran durch die größere Diffusionsstrecke behindert.

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 120

10

20

30

40

50

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We

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[%]

Zeit [h]

EC N10 (5 % TEC)Aquacoat ECD 30DEC N10 (30 % TEC)

Page 73: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.3 Einflussgrößen auf die Freisetzung durch Aquacoat ECD Membranen 57

Es zeigt sich, dass Aquacoat ECD Überzüge sehr gut geeignet sind, um über unterschiedliche

Auftragslevel verschiedene Freisetzungsprofile zu erzeugen, s. Abb. 3-23.

Abb. 3-23 Freisetzung überzogener Weinsäurepellets in Abhängigkeit der Polymerauftragsmenge(m/m); schwarz: 10 % (m/m) bzw. 2 mg/cm2, rot: 20 % (m/m) bzw. 4 mg/cm2, blau: 30 % (m/m) bzw.6 mg/cm2, grün: 40 % (m/m) bzw. 8 mg/cm2; Freisetzung in 700 ml Aqua demin., 37 °C;Drehkörbchen-Apparatur 100 UpM; 500 mg Pellets; Mittelwerte ± Standardabweichung; n = 3

3.3.3 Einfluss von Kollicoat IR als Porenbildner in Aquacoat ECD

Überzügen

Überzüge aus reiner Ethylcellulose besitzen häufig eine sehr geringe Permeabilität. Deshalb

kann es sinnvoll sein, die Membranpermeabilität durch den Zusatz von wasserlöslichen

Stoffen als Porenbildner zu erhöhen. Dadurch kann die Wasserpermeabilität und die

Freisetzungseigenschaften der Überzüge definiert werden [Gunder 1995; Muschert 2008;

Siepmann 2007]. Da diese wasserlöslichen Stoffe für organische Ethylcelluloselösungen nicht

geeignet sind, liegt hier ein weiterer Vorteil des Einsatzes wässriger Dispersionen.

Porenbildner ermöglichen es ohne Änderung der Membrandicke je nach Porenbildneranteil

unterschiedliche Freisetzungsraten zu erzeugen.

Als Porenbildner werden wasserlösliche Cellulosederivate, PVP oder Kollicoat IR

vorgeschlagen. HPMC wirkt stark viskositätserhöhend und kann deshalb nur in geringen

Konzentrationen eingesetzt werden. Zudem verläuft der Auflösungsprozess von HPMC sehr

langsam und es wird über Interaktion mit anderen Polymeren berichtet [Siepmann 2005].

Besser geeignet sind kurzkettige Polyvinylpyrrolidone oder das seit kurzem zur Verfügung

stehende Polyethylenglykol-Polyvinylalkol-Copolymer, Kollicoat IR. Diese lösen sich

schneller auf und wirken weniger viskositätserhöhend. Zudem erhöht Kollicoat IR tendenziell

0 1 2 3 4 5 6 7 8 90

10

20

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40

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]

Zeit [h]

Page 74: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

58 3 Membrankontrollierte Freigabe von Weinsäure

die Filmqualität und verbessert die Stabilitätseigenschaften der Überzüge [Muschert 2008;

Siepmann 2008a].

Den permeabilitätserhöhenden Effekt eines Porenbildners zeigen Untersuchungen an

isolierten Membranen mit Kollicoat IR (s. Abb. 3-24a). Die Membranen sind durch ihre hohe

Festigkeit und geringe Quellung sehr gut für Bestimmungen der Permeabilität geeignet. Die

Permeabilität der isolierten Filme lässt sich in Abhängigkeit des Porenanteils beeinflussen und

nimmt bei Anteilen von mehr als 10 % (m/m) bezogen auf LTS stark zu. Dies wird bei

Freisetzung der überzogenen Pellets bestätigt (s. Abb. 3-24b). Anteile zwischen 0 - 10 %

(m/m) scheinen am besten geeignet zu sein, um nach einer kurzen Lag-Zeit eine

langandauernde Freisetzung zu erreichen. Offensichtlich ist die Porosität der Membran bei

Anteilen > 10 % (m/m) bereits so stark erhöht, dass durch den großen osmotischen Druck und

den großen Permeabilitätsgradienten keine ausreichend große Barriere besteht, um eine

langandauernde Freisetzung für Weinsäure zu gewährleisten.

Dieses System ist deshalb zur Weinsäureretardierung nur bedingt geeignet. Zur kontrollierten

Freisetzung von Wirkstoffen sollten diese Membranen jedoch geeignet sein, da einige

Wirkstoffe sehr schlecht durch Ethylcellulosemembranen transportiert werden und deshalb

der Einsatz von Porenbildnern sinnvoll sein könnte.

Abb. 3-24 Membranpermeabilität und Freisetzung in Abhängigkeit des Porenanteils bei je 20 % (m/m)bzw. 4 mg/cm2 Polymerauftrag; a) Permeationsgraphen isolierter Membranen b) Freisetzungsdatenüberzogener Weinsäurepellets; schwarz: 30 % (m/m) Kollicoat IR (LTS), rot: 20 % (m/m) Kollicoat IR(LTS), blau: 10 % (m/m) Kollicoat IR (LTS), grün: 0 % (m/m) Kollicoat IR (LTS); Freisetzung in 700 mlAqua demin., 37 °C; Drehkörbchen-Apparatur 100 UpM; Einwaage: 500 mg Pellets; Mittelwerte ±Standardabweichung; n = 3

0,0 0,5 1,0 1,5 2,00

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2

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a) b)

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Page 75: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

3.3 Einflussgrößen auf die Freisetzung durch Aquacoat ECD Membranen 59

3.3.4 Zusammenfassung der Ergebnisse

Überzüge des wasserunlöslichen Filmbildners Ethylcellulose sind geeignet, um Weinsäure

über einen langen Zeitraum diffusionskontrolliert freizusetzen. Für die Filmbildung und die

Mikrostruktur der Überzüge ist es entscheidend, ob die Membran aus einer organischen

Lösung oder auf Basis einer wässrigen Dispersion hergestellt wird. Dies kann Unterschiede

im Wasseraufnahmeverhalten der Membranen zur Folge haben, was sich in unterschiedlich

langen Verzögerungszeiten niederschlägt. Die Freisetzungsgeschwindigkeit dieser Überzüge

bleibt jedoch identisch. Durch unterschiedliche Überzugsniveaus kann eine große Vielfalt von

Freisetzungsprofilen generiert werden. Sowohl die Lag-Zeit, als auch die Freisetzungsrate

kann damit gezielt auf die gewünschten Vorgaben angepasst werden.

Durch den Zusatz von wasserlöslichen Stoffen kann die Permeabilität von

Ethylcellulosemembranen erhöht werden. Das schnell lösliche Polymer Kollicoat IR ist dazu

sehr gut geeignet und ermöglicht es die Freisetzungsgeschwindigkeit überzogener Pellets bei

identischen Auftragsmengen allein rezepturabhängig zu steuern.

Da für eine langandauernde Retardierung der sehr gut löslichen Weinsäure starke

Diffusionsbarrieren eingesetzt werden müssen, sind Ethylcellulosemembranen mit

Porenbildner nur bedingt geeignet. Der Einsatz porenhaltiger Membranen ist deshalb

insbesondere bei Wirkstoffen mit begrenzter Löslichkeit sinnvoll. Desweiteren könnten

porenhaltige Überzüge insbesondere für die kontrollierte Freisetzung von großen

Arzneistoffmolekülen mit einer Molekularen Masse größer 500 g/mol geeignet sein, wenn

diese aufgrund ihrer Größe nicht durch die Mikroporen einer reinen Ethylcellulose-Membran

diffundieren können [Lippold 1999b].

Page 76: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

60 4 Membrankontrollierte Freigabe von schwerlöslichen Wirkstoffen

4 Membrankontrollierte Freigabe von schwerlöslichen

Wirkstoffen

Bislang werden membrankontrollierte Formulierungsansätze für schwerlösliche Wirkstoffe

selten angewendet, da durch die geringe Löslichkeit ein zu geringer Diffusionsimpetus

herrscht, um retardierende Barrieren in einem ausreichenden Maß zu überwinden. Die in

Kapitel 2 beschriebenen Vorteile membrankontrollierter Systeme und der Bedarf an

freisetzungsoptimierten Arzneiformen erfordern dennoch neue Lösungsansätze. Ein Ansatz

die Limitierungen membrankontrollierter Systeme für pH-abhängig schwerlösliche Wirkstoffe

aufzuheben wurde in Kapitel 2.3 vorgestellt und besteht in der Kombination von lokaler

Löslichkeitsverbesserung und membrankontrollierter Freigabe. Möglichkeiten das pH-Milieu

von überzogenen Arzneiformen zu steuern und auf die Eigenschaften verschiedener

Wirkstoffe anzupassen, wurden in Kapitel 3 diskutiert. Die direkte Kontrolle der

Wirkstofffreigabe durch funktionelle Überzüge ist Gegenstand dieses Kapitels.

Die Entwicklung überzogener Arzneiformen mit definierten Freisetzungseigenschaften basiert

häufig hauptsächlich auf Erfahrungswerten, sodass in der Regel eine große Anzahl von

Versuchsreihen erforderlich ist. Dadurch sind solche Entwicklungen oft sehr arbeits- und

zeitintensiv. In diesem Kapitel wird eine Screeningmethode zur Vorauswahl und

Charakterisierung geeigneter Überzüge vorgestellt. Damit sollen Erkenntnisse zur schnelleren

Formulierungsfindung gewonnen werden. Dazu wird der Transfer dieser Erkenntnisse auf das

Freisetzungsverhalten von überzogenen Pellets evaluiert. Abschließend wird an einer

Arzneiform mit mehrschichtigem Aufbau exemplarisch das Potenzial innovativer

membrankontrollierter Arzneiformen aufgezeigt.

4.1 Screening der Wirkstoffpermeabilität an isolierten

Filmüberzügen

Ein Screening der Wirkstoffpermeabilität an ausgewählten isolierten Membranen bietet die

Möglichkeit, schnell und mit geringem Aufwand eine erste Einschätzung der

Diffusionseigenschaften eines Wirkstoffs treffen zu können und geeignete Polymere

auszuwählen. In einem zweiten Screening an prinzipiell geeigneten Membranen kann der

Einfluss von Rezepturparametern, wie der Anteil von Porenbildnern, Weichmachern oder die

Schichtdicke auf die Freisetzung detailliert untersucht werden (s. Abb. 4-1). Ausgehend von

diesen Bestimmungen kann untersucht werden, inwiefern die Ergebnisse aus

Screeningversuchen dazu verwendet werden können, um mit einem semi-empirischen Modell

Page 77: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

4.1 Screening der Wirkstoffpermeabilität an isolierten Filmüberzügen 61

die Freisetzungseigenschaften überzogener Pellets quantitativ durch Definition von

Rezepturparametern vorherzubestimmen (s. Kapitel 5).

Abb. 4-1 Schema zum Einsatz von Screeningmethoden bei der Entwicklung membrankontrollierterArzneiformen

4.1.1 Screening geeigneter Polymermembranen

Zur membrankontrollierten Freigabe schwerlöslicher Wirkstoffe sind Überzüge mit

Porenbildnern besonders geeignet, da reine Polymerüberzüge oft zu wenig permeabel sind

[Gunder 1995]. Durch den Zusatz von Porenbildnern lässt sich die Freisetzung in gewünschter

Weise steuern [Lippold 1999a; Siepmann 2007]. Um die Auswahl hierfür geeigneter

Polymermembranen zu erleichtern, wird die Membranpermeabilität ausgewählter Wirkstoffe

durch ein Screening an isolierten Membranen bestimmt (s. Abb. 4-2). Deren

Rezepturparameter und Schichtdicke werden so gewählt, dass ein direkter Transfer der

Ergebnisse auf überzogene Arzneiformen prinzipiell möglich ist.

API-Eigenschaften

4-6 ausgewählteModellmembranen

Screening -Permeabilität

Screening -Permeabilität

1-2 ausgewählteMembranen

• Porenbildner (Typ/Anteil)• Weichmacher (Typ/ Anteil)• Schichtdicke

• Polymerauswahl

quantitative Vorhersage derFreisetzung entsprechend

Rezepturparameter

qualitative Abschätzung derRezepturparameter

optio

nal

Page 78: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

62 4 Membrankontrollierte Freigabe von schwerlöslichen Wirkstoffen

Abb. 4-2 Permeationsgraphen verschiedener Wirkstoffe an isolierten Membranen; a) Theophyllin,b) Dipyridamol, c) BI 11634, d) BI XX; in 0,1 N HCl; cDonor = 5 mg/ml; Membrandicke 2 mg/cm2

Polymerauftrag (25 µm); Freisetzung aus der isolierten Freisetzungszelle jeweils in 700ml 0,1 N HClbei 37 °C; 50 UpM Blattrührer-Apparatur; Sink-Bedingungen auf der Akzeptor-Seite; Mittelwerte ±Standardabweichung; n = 3

Für das Screening wurden Kollicoat MAE und Aquacoat ECD Membranen auf wässriger

Basis mit Kollicoat IR als Porenbildner sowie HP-50 Membranen mit Kollicoat IR oder

Kollidon 17 ausgewählt (s. Abb. 4-2). Die Permeationsgraphen des Wirkstofftransports über

isolierte, porenhaltige Membranen verlaufen dabei weitgehend linear. Dies deutet, wie zu

erwarten, auf diffusionsgesteuerte Transportprozesse hin (s. Kapitel 2). Die spezifischen

Permeabilitätswerte können aus der Steigung der Graphen bestimmt werden. Die auf der

Donor-Seite der Membran eingesetzten Wirkstofflösungen haben zwar identische

Konzentrationen (m/V), die Permeationsgraphen unterschiedlicher Wirkstoffe könnten jedoch

nur bei Verwendung identischer Molaritäten (mmol/ml) der Wirkstofflösungen direkt

verglichen werden, da sich der Konzentrationsgradient über der Membran aus der

Stoffmengenkonzentration des diffundierenden Stoffes ergibt.

0,0 0,5 1,0 1,5 2,00,0

0,1

0,2

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Kollicoat MAE 30D-20% Kollicoat IRAquacoat ECD-20% Kollicoat IRHP50-20% Kollicoat IRHP50 -20% Kollidon 17

0,0 0,5 1,0 1,5 2,00,0

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c) d)

b)

0,0 0,5 1,0 1,5 2,00,0

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Zeit [h]

Kollicoat MAE 30D-20% Kollicoat IRAquacoat ECD-20% Kollicoat IRHP50-20% Kollicoat IRHP50-20% Kollidon 17

Page 79: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

4.1 Screening der Wirkstoffpermeabilität an isolierten Filmüberzügen 63

Tabelle 4-1 Molaritäten der verwendeten Wirkstoffe bei einer Wirkstofflösung mit einerMassenkonzentration von 5 g/ml

Wirkstoff Theophyllin Dipyridamol BI 11634 BI XX

Molarität[µmol/ml]

27,7 9,92 11,3 12,8

In der pharmazeutischen Entwicklung ist jedoch die Verwendung volumenbezogener

Massenkonzentrationen (g/ml) üblich, da die zu verabreichende Dosis eines Arzneistoffs als

Masse und nicht als Stoffmenge bestimmt wird. Die Unterschiede zwischen

Stoffmengenkonzentration und Massenkonzentration für die eingesetzten Stoffe zeigt Tabelle

4-1. Es fällt auf, dass Theophyllin in Abb. 4-2a bei allen Membranen die höchste

Transportrate erreicht. Da die relative Masse von Theophyllin mit 180,2 nur in etwa die

Hälfte der anderen Wirkstoffe (MR = 400-500) beträgt (s. Kap. 2.5), können die kleineren

Theophyllin-Moleküle offensichtlich leichter durch Membranporen diffundieren. Die Poren,

die nach Herauslösen der porenbildenden Stoffe entstehen, sind demnach insbesondere bei

den weniger durchlässigen Membranen auf Cellulosebasis so klein, sodass Effekte wie die

Molekülgröße relevant sind. Zudem ist die Molarität der verwendetet Theophyllin-

Wirkstofflösung mehr als doppelt so groß wie die Molarität der anderen Wirkstoffe, was den

Transport ebenfalls begünstigt. Die Kollicoat MAE Membran weist für alle untersuchten

Wirkstoffe die höchste Durchlässigkeit auf. Zudem sind bei dieser Membran die

Permeabilitäten aller Stoffe sehr ähnlich. Gleichzeitig weist dieses Polymethacrylat-basierte

Polymer gegenüber den Polymeren auf Cellulose-Basis die höchste Wasseraufnahmefähigkeit

auf [Lecomte 2004a; Obara 1994]. Da die Aufweitung des porenhaltigen Polymernetzwerkes

zusätzlich durch die größere Wasseraufnahme begünstigt wird, entstehen bei dieser Membran

möglicherweise größere Poren, die dann bezüglich der Molekülgröße nicht mehr selektiv sind.

Während die Graphen der Membranen mit Kollicoat IR als Porenbildner weitgehend linear

verlaufen, ergeben sich bei PVP-haltigen HP-50 Membranen einige Besonderheiten. So sind

diese Membranen trotz Porenbildner für Dipyridamol und BI XX quasi undurchlässig. Dies

deutet auf Polymer-Wirkstoff-Interaktionen, zum Beispiel über Bildung von

Wasserstoffbrücken zwischen PVP und Dipyridamol hin [Beten 1992; Chen 2007; Palmer

2008]. Der Transport von BI 11634 Na und Theophyllin verläuft erst nach 30 Minuten linear.

Als Begründung hierfür sind Veränderungen der Membran während der Freisetzung

wahrscheinlich. So können wasserlösliche Polymere wie PVP oder HPMC zunächst die

Wasseraufnahme einer Membran fördern. Auf der anderen Seite können diese Polymere die

Page 80: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

64 4 Membrankontrollierte Freigabe von schwerlöslichen Wirkstoffen

Viskosität des Diffusionsmediums lokal erhöhen und den Stofftransport somit einschränken

[Frohoff-Hülsmann 1998; Frohoff-Hülsmann 1999; Hjärtstam 1998; Siepmann 2007].

Die Löslichkeit des Wirkstoffs spielt durch den apparenten Konzentrationsgradienten beim

diffusionsgesteuerten Transport eine wichtige Rolle. Dies wird auch beim Screening an

isolierten Membranen bestätigt. So erfolgt beim Vergleich der Diffusion aus gesättigten

Lösungen der Stofftransport von Dipyridamol schneller als der Transport von Theophyllin,

obwohl beim Einsatz von Lösungen mit gleicher Konzentration Theophyllin die Membran

leichter überwinden kann (s. Abb. 4-3).

Abb. 4-3 Konzentrationsabhängigkeit des diffusionsgesteuerten Stofftransports an einer AquacoatECD-Kollicoat IR (4:1) Membran, Schichtdicke 25-30 µm (= 2 mg/cm2 Polymerauftrag); a) gesättigteWirkstofflösungen; b) Wirkstofflösungen mit 5 g/ml; Freisetzung aus der isolierten Freisetzungszellejeweils in 700ml 0,1 N HCl bei 37 °C; 50 UpM Blattrührer-Apparatur; Sink-Bedingungen auf derAkzeptor-Seite; Mittelwerte ± Standardabweichung; n = 3

Aus dem unterschiedlichen Verhalten der Wirkstoffe beim diffusionsgesteuerten Transport

über isolierte Filmüberzüge ergibt sich, dass ein Screening dieser Eigenschaften wertvolle

Hinweise für die weitere Entwicklung von überzogenen Arzneiformen geben kann. Alle der

hier untersuchten Membranen sind prinzipiell geeignet, um die spezifische Permeabilität eines

Wirkstoffs am Modell isolierter Filme zu bestimmen. Zur detaillierten Bestimmung von

rezepturabhängigen Einflussfaktoren auf die Membranpermeabilität kann das Screening auf

Membranen beschränkt werden, die mit dem entsprechenden Wirkstoff kompatibel sind.

4.1.2 Screening des Porenanteils von Membranen

Der Einfluss des Porenanteils auf die Membranpermeabilität von Theophyllin und

Dipyridamol wird an Aquacoat ECD-Kollicoat IR Membranen untersucht, die eine pH-

unabhängige Kontrolle der Freisetzung ermöglichen (s. Abb. 4-4).

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,00,0

0,2

0,4

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0,8

1,0

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Theophyllin- 12,5mg/mlDipyridamol- 53,5mg/ml

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,00,00

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stof

ffrei

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[mg/

cm2 ]

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Theophyllin- 5mg/mlDipyridamol- 5mg/ml

a) b)

Page 81: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

4.1 Screening der Wirkstoffpermeabilität an isolierten Filmüberzügen 65

Abb. 4-4 Permeationsgraphen isolierter Filmüberzüge mit variierendem Porenanteil; gesättigteWirkstofflösungen, 0,1 N HCl; a) und c) Theophyllin, b) und d) Dipyridamol; a)-c) 2 mg/cm2,d) 4 mg/cm2 Polymerauftrag; Freisetzung aus der isolierten Freisetzungszelle jeweils in 700ml 0,1 NHCl bei 37 °C; 50 UpM Blattrührer-Apparatur; Sink-Bedingungen auf der Akzeptor-Seite; Mittelwerte ±Standardabweichung; n = 3

Zudem werden Membranen von Kollicoat MAE bzw. HP-50, jeweils mit Porenbildner,

untersucht, die als sogenannte ‚leaky enteric coatings‘ nur in saurem Milieu relevanten

Einfluss auf die Wirkstofffreigabe haben. Die Permeationsgraphen an isolierten

Filmüberzügen in Abb. 4-4 zeigen, dass die Freisetzungsrate der Membranen tatsächlich über

variierende Anteile von Porenbildnern eingestellt werden kann. Die Permeabilitätswerte von

Theophyllin und Dipyridamol lassen sich an Aquacoat ECD Membranen sehr präzise

bestimmen und können durch den zugesetzten Anteil von Porenbildner exakt gesteuert

werden (Abb. 4-4a & b). Bei diesen Membranen fällt auf, dass die massenbezogene

Permeabilität der beiden Wirkstoffe bei geringen Porenanteilen trotz unterschiedlicher

Konzentration und Molekülgröße annähernd identisch ist. Bei mehr als 20 % Porenanteil

diffundiert jedoch aufgrund des größeren molaren Konzentrationsgradienten mehr

Dipyridamol pro Zeiteinheit [mg/ (cm2 x h)] durch die Membran (s. Tabelle 4-2). D.h., dass

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,00,0

0,5

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0,0 0,5 1,0 1,5 2,00,0

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cm2]

Zeit [h]

Kollicoat MAE-Kollicoat IR (90:10)Kollicoat MAE-Kollicoat IR (80:20)Kollicoat MAE-Kollicoat IR (70:30)Kollicoat MAE-Kollicoat IR (60:40)

d)

b)

c)

a)

Page 82: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

66 4 Membrankontrollierte Freigabe von schwerlöslichen Wirkstoffen

die relativ großen Dipyridamol Moleküle bei höheren Porenanteilen leichter durch die dann

vermutlich größeren Poren diffundieren können und der Unterschied der molaren

Konzentrationen dann stärker zur Geltung kommt. Die massenspezifische Transportrate von

Dipyridamol übersteigt dabei den Fluss von Theophyllin über die Membran in etwa um

dieselbe Größenordnung, um die sich die molare Konzentration der Lösungen unterscheidet.

Aus den Werten der Transportraten (Tabelle 4-2) ergeben sich ferner deutliche Hinweise, dass

der Anstieg der Membranpermeabilität in Abhängigkeit des Porenanteils nicht linear verläuft.

Tabelle 4-2 Löslichkeiten (37 °C) und Massenfluss von Theophyllin und Dipyridamol über eineAquacoat ECD Membran mit 10 - 30 % Porenanteil (Kollicoat IR); 2 mg/cm2 Polymerauftrag

Theophyllin Dipyridamol

c (gesättigte Lösung) [mg/ml] 12,5 52,0

c (gesättigte Lösung) [µmol/ml] 69,4 103,1

Por

enan

teil

30 %Massenfluss [mg/(cm2 x h)] 1,29 2,19

Molarer Massenfluss [µmol/(cm2 x h)] 7,13 4,35

20 %Massenfluss [mg/(cm2 x h)] 0,28 0,45

Molarer Massenfluss [µmol/(cm2 x h)] 1,55 0,91

10 %Massenfluss [mg/(cm2 x h)] 0,016 0,013

Molarer Massenfluss [µmol/(cm2 x h)] 0,089 0,027

Die Freisetzungsrate von Theophyllin durch porenhaltige HP-50 Membranen kann über einen

großen Bereich durch variierende Anteile von Kollidon 17 gesteuert werden (Abb. 4-4c). Zur

Permeabilitätserhöhung sind relativ große Mengen an Porenbildner notwendig. Dies

ermöglicht es, eine große Bandbreite verschiedener Membranen zu generieren. Im Vergleich

zu den wässrigen Überzügen, bei denen nur der Porenbildner in der Latexdispersion des

Polymers gelöst ist, liegen bei organischen HP-50 Überzügen Porenbildner und

Überzugspolymer in gelöster Form vor. Daraus kann geschlossen werden, dass sich die

Polymere aufgrund der anderen Art der Filmbildung intensiver durchdringen als dies bei

wässrigen Dispersionen der Fall ist. Grundsätzlich werden jedoch aus ökologischen und

ökonomischen Gründen Filmüberzüge auf wässriger Basis bevorzugt. Zudem bestehen bei der

Anwendung von wässrigen Dispersionen im Gegensatz zu organischen Lösungsmitteln keine

Beschränkungen hinsichtlich der Löslichkeit des Porenbildners. Als Alternative zum nicht

wasserlöslichen HP-50 wurden deshalb Membranen auf wässriger Basis aus Kollicoat MAE

30D hergestellt. Zudem treten zwischen Dipyridamol und PVP-haltigen Membranen

Page 83: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

4.2 Transfer der Screeningergebnisse auf überzogene Arzneiformen 67

Interaktionen auf [Palmer 2008], sodass für diesen Wirkstoff Kollicoat IR als Porenbildner

eingesetzt werden sollte.

Kollicoat MAE 30D-Überzüge reagieren im Gegensatz zu HP-50 Membranen äußerst

empfindlich auf größere Anteile an Porenbildner (Abb. 4-4d). Die Membranen werden sehr

instabil und reißen leicht. Eine zuverlässige Bestimmung der Permeabilität ist deshalb nur bei

Membranen mit geringem Porenanteil möglich. Es zeigt sich erneut, dass die Permeabilität

nahe der Perkolationsschwelle (ab etwa 40 % Anteil des Filmbildners) drastisch zunimmt. Da

der Porenbildner oberhalb dieser Schwelle nicht mehr komplett von dem dominanten

Matrixpolymer eingeschlossen ist, ändern sich vermutlich Membraneigenschaften wie die

Wasseraufnahme, die durch das schnell quellende Kollicoat IR begünstigt wird,

überproportional. Der Einsatz von Porenbildnern in Überzügen auf wässriger Basis mit

geringen Schichtdicken sollte deshalb im Bereich zwischen 5 % und 20 % liegen.

Es ist festzuhalten, dass sich Permeationsversuche an isolierten Filmüberzügen sehr gut zur

Bestimmung der spezifischen Membranpermeabilität unterschiedlicher Wirkstoffe eignen.

Insbesondere an reißfesten Polymeren auf Cellulose Basis können Permeabilitätswerte durch

Bestimmung der diffundierten Arzneistoffmenge präzise bestimmt werden. Da durch den

Einsatz eines Film-Sprühgeräts eine Methode etabliert werden konnte, die es ermöglicht

reproduzierbar unterschiedlichste Membranen mit identischen Rezepturparametern wie für

Überzüge auf Arzneiformen herzustellen, ist ein Transfer dieser Ergebnisse auf

Freigabeeigenschaften überzogener Arzneiformen prinzipiell möglich. Durch das

Permeabilitäts-Screening an isolierten Membranen können relevante Erkenntnisse über die

Art und die Menge eines Porenbildners sowie über Grenzen der Formulierungsmöglichkeiten

gewonnen werden. Dies unterstützt die Formulierungsfindung in frühen Phasen der

Arzneiformenentwicklung und ermöglicht eine fundierte erste Abschätzung geeigneter

Rezepturparameter.

4.2 Transfer der Screeningergebnisse auf überzogene

Arzneiformen

Der Transfer der unter 4.1 vorgestellten Ergebnisse auf überzogene Arzneiformen wird an

einfachen Formulierungen überzogener Arzneiformen geprüft (s. Abb. 4-5). Dadurch können

Störeinflüsse auf die Freisetzung zunächst eliminiert und ausschließlich die membran-

gesteuerte Freigabe betrachtet werden. Dazu werden inerte Starterkerne (mikrokristalline

Cellulose) zunächst mit einer Wirkstoffschicht beschichtet und anschließend mit einer

Kontrollmembran analog dem Screening aus Kapitel 4.1 überzogen.

Page 84: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

68 4 Membrankontrollierte Freigabe von schwerlöslichen Wirkstoffen

Abb. 4-5 Transfer der Screeningergebnisse auf überzogene Arzneiformen; a) Screening derMembranpermeabilität mit Freisetzungszelle, b) Freisetzung überzogener Arzneiform

4.2.1 pH-unabhängige Filmüberzüge für schwerlösliche Wirkstoffe

Mischungen von Aquacoat ECD mit dem gut wasserlöslichen Porenbildner Kollicoat IR

können als Filmüberzüge eingesetzt werden, um Wirkstoffe pH-unabhängig über eine längere

Zeit freizusetzten. Dieses System bietet die Möglichkeit die Membranpermeabilität über den

Zusatz verschiedener Mengen an Porenbildner variabel einzustellen und ist besonders zur

Retardierung schwerlöslicher Stoffe geeignet. Diese Überzüge können ebenso bei

Arzneiformen mit modifiziertem mikro-pH als äußere Kontrollmembran zur kontrollierten

Freigabe pH-abhängig schwerlöslicher Wirkstoffe angewendet werden.

Abb. 4-6 Freisetzungsdaten überzogener Pellets, a) Theophyllin, b) Dipyridamol; je 100 mg Wirkstoffund 10 % (m/m) Polymerauftrag (= 2 mg/cm2); Freisetzung in 900 ml 0,1 N HCl bei 37 °C;Drehkörbchen-Apparatur mit 100 UpM; Dosis je 100 mg; Freisetzung unter Sink-Bedingungen;Mittelwerte ± Standardabweichung; n = 3

Wie im Screening an isolierten Filmüberzügen, kann auch die Freisetzungsrate von

überzogenen Theophyllin- bzw. Dipyridamolpellets in Anhängigkeit des Porenanteils variabel

gesteuert werden (Abb. 4-6). Die Freisetzung erfolgt bis zu ca. 60 % Freisetzung nach einer

Kinetik nullter Ordnung. Dies ist ein klarer Hinweis für einen maßgeblich

äußere Kontrollmembran

Wirkstoff

MCC - Kern

Wirkstofflösung

Kontrollmembran

a) b)

0 1 2 3 4 5 60

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

frei

gese

tzte

ran

teil

Dip

yrid

amol

[%]

Zeit [h]

ohne ÜberzugA. ECD-K. IR (75:25)A. ECD-K. IR (80:20)A. ECD-K. IR (85:15)

0 1 2 3 4 5 6 7 8 90

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

frei

gese

tzte

rA

ntei

lThe

ophy

llin

[%]

Zeit [h]

A. ECD-K. IR (70:30)A. ECD-K. IR (75:25)A. ECD-K. IR (80:20)A. ECD-K. IR (85:15)A. ECD-K. IR (90:10)

a) b)

Page 85: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

4.2 Transfer der Screeningergebnisse auf überzogene Arzneiformen 69

diffusionsgesteuerten Stofftransport. Ebenfalls in Übereinstimmung mit den

Screeninguntersuchungen kann bei dem gewählten Überzugsniveau bei Porenanteilen

zwischen 10 % und 20 % (m/m) eine große Spanne von Freisetzungsprofilen generiert

werden. Die Freisetzung aus überzogenen Dipyridamolpellets erfolgt vermutlich aufgrund des

größeren Konzentrationsgradienten deutlich schneller als aus Theophyllinpellets mit dem

identischen Überzug. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen an isolierten Überzügen lässt

sich die Freisetzungsgeschwindigkeit am besten mit Porenanteilen von weniger als 20 %

variieren.

4.2.2 pH-abhängige Filmüberzüge für schwerlösliche Wirkstoffe

Porenhaltige Überzüge von magensaftresistenten Filmbildnern kontrollieren die

Freisetzungsgeschwindigkeit ausschließlich in saurem pH-Milieu. Unter veränderten pH-

Bedingungen, zum Beispiel beim Übertritt vom Magen in den Dünndarm, lösen sie sich in

der Regel auf. Der Einsatz dieser ‚leaky enteric coatings‘ macht insbesondere zur gesteuerten

Freigabe sehr stark pH-abhängig löslicher Wirkstoffe Sinn, die in saurer Umgebung gut

löslich, oberhalb von pH 5,0 dagegen praktisch unlöslich sind. Ein ‚leaky enteric coating‘

nutzt die guten Löslichkeitsbedingungen im Magen aus, verhindert aber eine komplette

Freisetzung der Dosis im Magen, ohne die Wirkstofffreigabe in tieferen Darmabschnitten zu

behindern. Dadurch können bei diesen Wirkstoffen häufig auftretende

Bioverfügbarkeitsprobleme verhindert werden.

Abb. 4-7 Freisetzungsdaten überzogener Pellets; a) Dipyridamol, b) Theophyllin; je 100 mg Wirkstoffund 10 % (m/m) Polymerauftrag (= 2 mg/cm2); Freisetzung in 900 ml 0,1 N HCl bei 37 °C;Drehkörbchen-Apparatur mit 100 UpM; Dosis je 100 mg; Freisetzung unter Sink-Bedingungen;Mittelwerte ± Standardabweichung; n = 3

Die Freisetzungsgeschwindigkeit von überzogenen Dipyridamolpellets kann bei der

gewählten Überzugsdicke der Kollicoat MAE Membran nur in begrenztem Umfang durch

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,00

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

frei

gese

tzte

rrA

ntei

lDip

yrid

amol

[%]

Zeit [h]

Kollicoat MAE-Kollicoat IR (80:20)Kollicoat MAE-Kollicoat IR (85:15)

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 6,00

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

frei

gese

tzte

rA

ntei

lThe

oph

yllin

[%]

Zeit [h]

HP-50 - Kollidon 17 (50:50)HP-50 - Kollidon 17 (55:45)HP-50 - Kollidon 17 (60:40)HP-50 - Kollidon 17 (70:30)HP-50 - Kollidon 17 (80:20)

a) b)

Page 86: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

70 4 Membrankontrollierte Freigabe von schwerlöslichen Wirkstoffen

variierende Anteile des Porenbildners gesteuert werden (Abb. 4-7a). In Übereinstimmung mit

Untersuchungen an isolierten Überzügen ist die Durchlässigkeit der Membran relativ hoch.

Innerhalb der ersten Stunde wird etwa die Hälfte der Dosis freigesetzt. Da gequollene

Kollicoat MAE / Kollicoat IR Überzüge mit hohen Porenanteilen im Screening eine hohe

Variabilität aufweisen und schwer zu handhaben sind, ist die Vorhersagekraft dieser

Membranen für das Verhalten überzogener Pellets begrenzt. Eine Alternative zu den Kollicoat

MAE-Überzügen auf wässriger Basis ist die Kombination von HP-50 und Kollidon 17 auf

organischer Basis. Das Screening an isolierten Filmen zeigte, dass solche Membranen auch

bei großen Anteilen Porenbildner stabil sind. Dadurch ist der Einsatz von bis zu 50 %

Porenbildner möglich. Wie die Freisetzungsdaten von überzogenen Theophyllinpellets in

Abb. 4-7b bestätigen, ist es durch eine gezielte Auswahl des Porenanteils möglich, eine große

Spanne an Freisetzungsprofilen zu erzeugen. Wie bei den Untersuchungen an isolierten

Filmen kann dadurch die Freisetzungsrate präzise eingestellt werden.

Es zeigt sich, dass der diffusionsgesteuerte Wirkstofftransport über retardierende Membranen

ein komplexes Zusammenspiel zwischen a) spezifischen Wirkstoffeigenschaften wie

Löslichkeit, Molekülgröße, Struktur und b) spezifischen Membraneigenschaften wie

Polymerstruktur, Schichtdicke, Porenanteil sowie c) den Umgebungsbedingungen ist.

Dennoch konnte gezeigt werden, dass wesentliche Erkenntnisse über das

Freisetzungsverhalten überzogener Pellets in Abhängigkeit von Rezepturparametern durch

Untersuchungen an isolierten Filmüberzügen gewonnen werden können. Auf dieser Basis

macht ein semi-empirisches Vorgehen bei der Entwicklung überzogener Arzneiformen Sinn.

Dadurch könnten aufwändige Versuchsreihen an überzogenen Arzneiformen eingespart

werden. Der quantitative Zusammenhang zwischen Screeningergebnissen und

Freisetzungsdaten überzogener Arzneiformen wird in Kapitel 5 detailliert untersucht.

4.3 Membrankontrollierte Freigabe pH-abhängig schwerlöslicher

Wirkstoffe

Auf Basis der den in Kapitel 3 und 4 vorgestellten Bausteine zur Modifikation des mikro-pH-

Wertes sowie zur Kontrolle der Wirkstofffreigabe lassen sich Arzneiformen aus einzelnen

Modulen mit definierten Funktionen in einem mehrschichtigen Aufbau zusammensetzen. Die

Eigenschaften der einzelnen Bausteine werden dabei gezielt auf die Eigenschaften des

eingesetzten Wirkstoffs abgestimmt. Der Aufbau eines Pellets analog Abb. 4-8 ist speziell für

die kontrollierte Freigabe pH-abhängig schwerlöslicher Wirkstoffe geeignet.

Page 87: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

4.3 Membrankontrollierte Freigabe pH-abhängig schwerlöslicher Wirkstoffe 71

Abb. 4-8 Schema eines mehrschichtigen Pellets mit modifiziertem mikro-pH

In Abb. 4-9 sind Freisetzungsdaten einer solchen Arzneiform mit dem pH-abhängig löslichen

Wirkstoff BI XX bei verschiedenen pH-Werten dargestellt. Bei dieser Formulierung ist der

Weinsäurekern des Pellets mit einer inneren Retardmembran aus einer Mischung von

Eudragit RS und Eudragit NE überzogen. Die Freisetzung der darauf liegenden

Wirkstoffschicht wird von einer Membran aus HP-50 und Kollidon17 kontrolliert.

Abb. 4-9 Freisetzungsdaten einer BI XX-Pelletformulierung; Freisetzung in 900 ml 0,1 N HCl (sink),(grün); Freisetzung in 900 ml Phosphatpuffer (0,05 M) pH 5,5 (non-sink) (rot); jeweils Drehkörbchen-Apparatur 100 UpM; 37 °C; Dosis je 100 mg; Mittelwerte ± Standardabweichung; n = 3

Wie die Freisetzungsdaten zeigen, erfolgt die Freisetzung in saurer Umgebung (0,1 N HCl,

pH 1) in den ersten Stunden zunächst mit einer konstanten Freisetzungsgeschwindigkeit.

Nach etwa zwei Stunden folgt ein Anstieg der Freisetzungsrate und nach sechs Stunden wird

die komplette Freisetzung der Dosis erreicht. Im Medium mit pH 5,5 wird hingegen nur eine

Freisetzung von ca. 50 % der Dosis erzielt, da dann die Sättigungslöslichkeit des Stoffs

äußere Kontrollmembran

Wirkstoffschicht

innere Kontrollmembran

pH modifierI

II

0 1 2 3 4 5 6 7 8 90

20

40

60

80

100

pH 5,5pH 1

frei

gese

tzte

rA

ntei

l[%

]

Zeit [h]

Page 88: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

72 4 Membrankontrollierte Freigabe von schwerlöslichen Wirkstoffen

erreicht wird. Nach der initialen Freisetzung von etwa 20 % des Wirkstoffs kann wie im

Sauren Medium nach zwei Stunden ein pulsatiler Anstieg der Freisetzungskurve beobachtet

werden. Dieser pulsatile Anstieg wird durch die zeitgesteuerte Freigabe der Weinsäure aus

dem Pelletkern ausgelöst und ermöglicht somit trotz ungünstiger Löslichkeitsbedingungen in

vitro eine „zusätzliche“ Freigabe von etwa 30 % der Dosis.

Diese Freisetzungseigenschaften der Arzneiform konnten in einer humanen

Bioverfügbarkeitsstudie bestätigt werden. Das Konzentrationsprofil im Blutplasma spiegelt

die pulsatile Wirkstofffreigabe der Arzneiform wider und bestätigt damit den gewählten

Formulierungsansatz (s. Abb. 4-10). Die Eudragit RS/Eudragit NE Membran gibt

zeitgesteuert eine große Menge Weinsäure frei. Dadurch sinkt der lokale pH-Wert der

Arzneiform ab. In Folge dieser zeitgesteuerten Weinsäurefreisetzung erfolgt eine pH-

getriggerte Freisetzung des Wirkstoffs trotz ungünstiger pH-Bedingungen in den

entsprechenden Darmabschnitten. Dadurch wird es möglich für diesen bei hohen pH-Werten

sehr schlecht löslichen Wirkstoff eine maximale Plasmakonzentration vier Stunden nach der

Einnahme zu erreichen. Damit kann eine langandauernde Wirkung und eine ausreichende

Bioverfügbarkeit des Wirkstoffs gewährleistet werden.

Abb. 4-10 Humanes in vivo Plasmaprofil einer BI XX Formulierung mit modifiziertenFreisetzungseigenschaften; geometrisches Mittel; n = 20; Ergebnisse im nüchternen Zustand

0 4 8 12 16 20 24 28 32 36 40 44 480

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

120

130

Pla

smak

onze

ntra

tion

[ng/

ml]

Zeit [h]

Page 89: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

4.4 Zusammenfassung des Kapitels 73

4.4 Zusammenfassung des Kapitels

Zur membrankontrollierten Freisetzung schwerlöslicher Wirkstoffe werden zunehmend

Membranen mit Porenbildnern eingesetzt, durch welche der Wirkstoff trotz eines geringen

Konzentrationsgradienten in ausreichender Menge diffundieren kann. Um die Auswahl von

Filmüberzügen zur membrankontrollierten Freisetzung zu erleichtern, wurde ein

Screeningverfahren an isolierten Filmüberzügen etabliert. Dazu werden zunächst mit Hilfe

eines Filmspühgeräts isolierte Membranen hergestellt, deren Rezepturparameter und

Schichtdicke identisch mit Filmüberzügen auf Arzneiformen sind. Die Permeabilität der

Membranen wird durch die Bestimmung der Diffusionsrate des Wirkstoffs, der aus einer

Lösung durch die Membran diffundiert, ermittelt. Damit kann zuverlässig abgeschätzt werden

wie das spezifische Permeabilitätsverhalten eines Wirkstoffs ist, welche Polymere oder

Porenbildner prinzipiell geeignet sind, in welchem Ausmaß der Einsatz von Porenbildnern

sinnvoll ist und welchen Einfluss Weichmacher und variierende Schichtdicken auf die

Membranpermeabilität haben. Insbesondere mechanisch stabile, nicht quellende Membranen

auf Cellulose-Basis sind für diese Screeninguntersuchungen gut geeignet. Beim Transfer der

Screeningergebnisse auf überzogene Arzneiformen konnte die Relevanz der Ergebnisse

bestätigt und eine qualitative Korrelation zwischen Membranpermeabilität und

Freisetzungsgeschwindigkeit gezeigt werden. Auf Basis dieser Ergebnisse empfiehlt sich ein

semi-empirisches Vorgehen bei der Entwicklung überzogener Arzneiformen, um unnötige

Versuchsreihen an überzogenen Arzneiformen einzusparen. Der quantitative Zusammenhang

zwischen Screeningversuchen und Freisetzungsdaten überzogener Arzneiformen wird in

Kapitel 5 untersucht.

Das enorme Potenzial des Einsatzes innovativer membrankontrollierter Arzneiformen einen

pH-abhängig schwerlöslichen Wirkstoff, in Kombination mit einer zeitgesteuerten

Freisetzung von Weinsäure zur Löslichkeitsverbesserung, membrankontrolliert so

freizusetzen, dass eine gute Bioverfügbarkeit und definierte pharmako-kinetische Parameter

in vivo erreicht werden, wird am Beispiel einer mehrschichtigen Pelletformulierung

aufgezeigt und durch Ergebnisse einer humanen Bioverfügbarkeitsstudie bestätigt.

Page 90: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

74 5 Beschreibung der Freisetzungskinetik und Vorhersagemodelle

5 Beschreibung der Freisetzungskinetik und

Vorhersagemodelle

Unter Verwendung ausgewählter Freisetzungsdaten aus Kapitel 4 sollen

Freisetzungsfunktionen gefunden werden, welche die Wirkstofffreisetzung aus den

verwendeten Formulierungen beschreiben. Daraus sollen Hinweise auf den

Freisetzungsmechanismus abgeleitet und auf der Basis eines semi-experimentellen Ansatzes

Möglichkeiten zur rezepturabhängigen Vorhersage von Freisetzungsprofilen mit Hilfe von

isolierten Filmüberzügen evaluiert werden. Damit wäre es möglich die Formulierungsfindung

und die Optimierung von Formulierungs-Prototypen von membrankontrollierten

Arzneiformen zu unterstützen und maßgeschneiderte Arzneiformen zielgerichtet entwickeln

zu können.

5.1 Mathematische Beschreibung der Freisetzungskinetik

5.1.1 Power-Law

Das von Ritger und Peppas [Peppas 1985a; Ritger 1987a; Ritger 1987b] vorgestellte Power-

Law ist eine semi-empirische Gleichung (Gl. 5.1), die die Wirkstofffreisetzung aus

Arzneiformen beschreibt und zur Charakterisierung des Freisetzungsmechanismus

insbesondere von Matrixformulierungen angewendet werden kann:

nt tkM

M

0Gl. 5.1

Mt = kumulative Freisetzungsmenge zur Zeit t [g]M0 = Grenzwert für maximal erreichbarer kumulative Freisetzungsmenge [g]k = Freisetzungsratet = Zeit [s]n = Freisetzungsexponent; Indikator für Freisetzungsmechanismus

Das aus dem Fick’schen Diffusionsgesetz abgeleitete Power-Law beschreibt häufig die

Beobachtung, dass sich bei der Wirkstofffreigabe aus Arzneiformen zwei voneinander

unabhängige Arten des Stofftransports überlagern können. Dies sind der

diffusionskontrollierte Transport und der erosions- bzw. relaxationskontrollierte Transport

durch Polymerschichten. Für den Fall, dass der Freisetzungsexponent n den Wert n = 0,5

annimmt, beschreibt dieser Sonderfall der Gleichung das Quadratwurzelgesetz nach Higuchi

[Higuchi 1961; Higuchi 1963]. Aus Gl. 5-1 ergibt sich außerdem, dass die Freisetzung bei

n = 1 nach einer Kinetik nullter Ordnung abläuft, was bei einer membrankontrollierten

Page 91: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

5.1 Mathematische Beschreibung der Freisetzungskinetik 75

Freisetzung mit Fick’scher Diffusion der Fall ist. Diese beiden Extreme sind nur für den

Transport durch dünne Polymerfilme gültig, für die Betrachtung von anderen geometrischen

Formen müssen die Werte des Freisetzungsexponenten angepasst werden [Freichel 2002;

Peppas 1985a; Siepmann 2001; Siepmann 2008c], siehe Tabelle 5-1.

Tabelle 5-1 Bedeutung des Freisetzungsexponenten n für den Freisetzungsmechanismus vonArzneiformen unterschiedlichen Typs und Geometrie, modifiziert für Membransysteme

Freisetzungsexponent n Transport / Kinetik Anwendung

Film Zylinder Kugel

0,5 0,45 0,43 √t (Case-I) diffusionskontrollierte Frei-

setzung inerter Matrices;

stark quellende Membranen

0,5<n<1,0 0,45<n<0,89 0,43<n<0,85anomaler

Transport

diffusionskontrollierte

Matrizes mit Erosion;

komplexe Membransysteme

1,0 0,89 0,85nullte Ordnung

(Case-II)

diffusionskontrollierte

Membransysteme;

erodierende Matrizes;

Eine Freisetzung nach einer √t-Kinetik findet man in der Regel bei Matrizes ohne Erosion, bei

denen die Hydratation der Polymere und die Lösungsgeschwindigkeit des Wirkstoffs

schneller sind als die Diffusion der Arzneistoffmoleküle aus der Arzneiform. Die Diffusion

über eine zunehmende Diffusionsstrecke ist dann der geschwindigkeitsbestimmende Schritt.

Dies gilt auch für membrankontrollierte Systeme, bei denen die Membran eine starke

Quellung zeigt, wodurch sich die Diffusionsstrecke verlängert. Eine Abweichung von der

√t-Kinetik kann bei Matrizes beobachtet werden, wenn sich der Diffusionsweg während der

Wirkstofffreigabe durch eine Erosion der Matrix verkürzt. Übersteigt die

Erosionsgeschwindigkeit der Matrix die Diffusionsgeschwindigkeit deutlich, so resultiert eine

lineare Wirkstofffreisetzung und die Auflösung des Polymers ist

geschwindigkeitsbestimmend. Bei inerten Membransystemen mit konstanten Dimensionen

der Membran ergibt sich unter Sink-Bedingungen nach dem Fick’schen Diffusionsgesetz

ebenfalls eine Kinetik nullter Ordnung. Resultiert bei der Freisetzung eine Kinetik, die

zwischen √t-Kinetik und nullter Ordnung liegt, spricht man von anomalem Transport. Dies

tritt häufig dann auf, wenn bei Matrizes neben der Diffusion auch Erosionsprozesse die

Freisetzungsgeschwindigkeit beeinflussen. Bei Membransystemen ist dies der Fall, wenn

entweder Interaktionen zwischen Membran und Wirkstoff auftreten oder zum Beispiel bei

Page 92: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

76 5 Beschreibung der Freisetzungskinetik und Vorhersagemodelle

mehrschichtigen Systemen, andere komplexe Mechanismen die Freisetzungsgeschwindigkeit

beeinflussen. Für die überzogenen Theophyllinpellets aus Kapitel 4 sind die Werte des

Freisetzungsexponenten n und der Freisetzungsrate k in Tabelle 5-2 angegeben. Diese werden

aus den Freisetzungswerten < 60 % Wirkstofffreisetzung ermittelt [Peppas 1985a].

Tabelle 5-2 Ergebnisse der Power-Law-Anpassung für Freisetzungsdaten von Theophyllinpellets mita) HP-50 bzw. b) Aquacoat ECD Überzug

Der Freisetzungsexponent n, der Hinweise auf den Freisetzungsmechanismus gibt, nimmt für

alle untersuchten Formulierungen Werte um 1 ein. In guter Übereinstimmung mit der Theorie

zeigt dies eine diffusionskontollierte Freisetzung der membrankontrollierten Arzneiformen

nach einer Kinetik nullter Ordnung an.

5.1.2 Fick‘sche Diffusion

Die Wirkstofffreisetzung aus überzogenen Arzneiformen kann unter Zugrundelegung eines

membrankontrollierten Diffusionsvorgangs nach dem Fick‘schen Diffusionsgesetz (Gl. 5.2)

beschrieben werden [Amidon 2000]. Dieses ist wie folgt definiert:

mm

h

dcDKA

dt

dm Gl. 5.2

dm/dt = Freisetzungsrate [mg/s]Dm = Diffusionskoeffizient der MembranK = VerteilungskoeffizientA = aktive Diffusionsfläche [cm2]h = Membrandicke [cm]dc = Konzentrationsgradient [mg/cm3]

Solange sich im Inneren der Arzneiform eine konstante Wirkstoffkonzentration befindet,

erfolgt die Freisetzung bei vorliegenden Sink-Bedingungen mit einer konstanten

Freisetzungsgeschwindigkeit. Voraussetzungen sind konstant bleibende Werte der

Membrandimensionen, des Verteilungskoeffizienten Membran/Inneres der Arzneiform und

des Diffusionsweges.

Theophyllinpellets mit Aquacoat ECD Überzug; 10 % (m/m)

Anteil

Kollicoat IR

Freisetzungs-

exponent nFreisetzungs-

rate kKorrelations-

koeffizient

10 % 1,087 2,99 0,9926

15 % 1,133 7,37 0,9968

20 % 1,147 25,25 0,9893

25 % 1,029 41,19 0,9909

30 % 1,133 77,93 0,9939

Theophyllinpellets mit HP-50 Überzug; 8 % (m/m)

Anteil

Kollidon 17

Freisetzungs-

exponent nFreisetzungs-

rate kKorrelations-

koeffizient

20 % 1,030 10,9 0,9999

30 % 0,967 18,0 0,9995

40 % 0,999 45,1 0,9981

45 % 1,085 77,8 0,9909

50 % 0,929 159,9 0,9852

a) b)

Page 93: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

5.1 Mathematische Beschreibung der Freisetzungskinetik 77

In diesem Fall ist es sinnvoll die Freisetzungsrate (Gl. 5.4) als Funktion der

Membranpermeabilität P (Gl. 5.3) anstelle des Terms K x Dm zu definieren (Gl. 5.2) [Flynn

1974; Scheuplein 1968]:

dcAdt

hdmP m

s

cm 2

Gl. 5.3; mitmh

dcPA

dt

dm Gl. 5.4

Ergibt sich aus den Freisetzungsdaten ein linearer Zusammenhang zwischen der kumulativen

Freisetzung über der Zeit, so kann die Permeabilität graphisch aus der Steigung der Geraden

oder mathematisch aus Gleichung 5.4 bestimmt werden.

Die Beschreibung des Freisetzungsverlaufs nach dem Fick’schen Gesetz besitzt unter diesen

Voraussetzungen für Arzneiformen jedoch nur bis zur Freisetzung von max. 60 % des

Wirkstoffs Gültigkeit. Für die Funktionsanpassung werden daher die Werte der kumulativen

Freisetzung bis zu dieser Grenze gegen die Zeit aufgetragen und mit der Geradengleichung

Gl. 5.5 beschrieben (s. Abb. 5-1und 5-2 sowie Tabelle 5-3 und 5-4).

tkM

M t 0

Gl. 5.5 mit dcAPk Gl. 5.6

Mt = kumulative Freisetzungsmenge zur Zeit t [g]M0 = Grenzwert für maximal erreichbarer kumulative Freisetzungsmenge [g]k = Freisetzungsrate [% / s]t = Zeit [s]

Abb. 5-1 Freisetzungsdaten für Theophyllin-pellets mit HP-50 Überzug 8 % (m/m);Porenbildner Kollidon 17 (20 % - 50 %);lineare Regression

Tabelle 5-3 Ergebnisse der linearen Regressionder Freisetzungsdaten aus Abb. 5-1

Anteil

Kollidon 17

Freisetzungs-

rate kKorrelations-

koeffizient

20 % 9,54 0,9990

30 % 19,39 0,9994

40 % 43,47 0,9970

45 % 75,14 0,9916

50 % 152,9 0,9920

0 1 2 3 4 5 6 7 8 90

20

40

60

80

100

frei

gese

tzte

rA

ntei

lThe

ophy

llin

[%]

Zeit [h]

Page 94: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

78 5 Beschreibung der Freisetzungskinetik und Vorhersagemodelle

Abb. 5-2 Freisetzungsdaten für Theophyllin-pellets, Aquacoat ECD Überzug 10 % (m/m);10 % - 30 % Kollicoat IR; lineare Regression

Tabelle 5-4 Ergebnisse der linearen Regressionder Freisetzungsdaten aus Abb. 5-1

Anteil

Kollicoat IR

Freisetzungs-

rate kKorrelations-

koeffizient

10 % 3,748 0,9942

15 % 8,922 0,9978

20 % 32,243 0,9958

25 % 49,345 0,9934

30 % 97,291 0,9994

Die Werte für überzogene Theophyllinpellets in Tabelle 5-3 zeigen eine sehr gute

Übereinstimmung der Freisetzungsdaten mit der mathematischen Beschreibung durch Gl. 5.5.

Die Güte der linearen Regression ist mit 0,99 für alle Proben sehr gut und bestätigt die

Hypothese einer diffusionskontrollierten Freisetzung nach einer Kinetik nullter Ordnung. Bei

diesem Verfahren bleiben jedoch 40 % der Freisetzung unberücksichtigt. Die mathematische

Beschreibung der membrankontrollierten Freisetzung nach dem 1. Fick’schen Gesetz ist

deshalb nur für den Fall gültig, dass die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind und

somit nur für den Anfangsverlauf geeignet. Es besitzt deshalb nur begrenzte Aussagekraft.

5.1.3 Weibull-Funktion

Die ursprünglich zur Beschreibung statistischer Verteilungen aufgestellte Weibull-Funktion

[Weibull 1951] wurde erstmals von Langenbucher [Langenbucher 1972] für die empirische

Beschreibung von Freisetzungsgraphen diskutiert. Kosmidis et al. [Kosmidis 2003a;

Kosmidis 2003b] untersuchten diese Funktion im Hinblick auf einen Zusammenhang mit

physikalischen Grundlagen der Freisetzung. Dokoumetzidis et al. [Dokoumetzidis 2006b]

gelang es die Gleichung von den nach Noyes und Whitney [Noyes 1897] gefundenen

Zusammenhängen der Feststoffauflösung (Gl. 5.7) abzuleiten. Zur Beschreibung der

Freisetzungskurve kann durch Integration von Gleichung 5.7 die Gleichung 5.8 erhalten

werden.

)( cckdt

dcs Gl. 5.7

dc/dt = Zunahme der Konzentration in der Lösung je Zeiteinheitk = Geschwindigkeitskonstantecs = Sättigungskonzentrationc = Konzentration der Lösung

0 1 2 3 4 5 6 7 8 90

20

40

60

80

100fr

eige

setz

ter

Ant

eilT

heop

hylli

n[%

]

Zeit [h]

Page 95: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

5.1 Mathematische Beschreibung der Freisetzungskinetik 79

)1(0kt

t ecc Gl. 5.8

ct = Konzentration der Substanz in der Lösung zum Zeitpunkt t [g/l]c0 = Grenzkonzentration nach Erreichen der Sättigungslöslichkeitt = Zeit [s]

Gl. 5.8 kann dabei als Sonderfall der modifizierten Weibull-Funktion zur Beschreibung des

Freisetzungsverlaufs (Gl. 5.9) betrachtet werden [Dokoumetzidis 2006b].

d

Wk

t

eMtM 1)( 0 Gl. 5.9

Mt = kumulative Freisetzungsmenge zur Zeit t [g]M0 = Grenzwert für maximal erreichbarer kumulative Freisetzungsmenge [g]kW = Zeitpunkt zu dem 63,2 % des Wirkstoff freigesetzt sind [s]t = Zeit [s]d = Formfaktor der Freisetzungskurve; Indikator für Freisetzungsmechanismus

Setzt man für den Kurvenfaktor d in Gleichung 5.9 den Wert d = 1 ein, so erhält man wieder

Gl. 5.8. Dabei entspricht 1/kW der Geschwindigkeitskonstanten k, welche als Maß für die

Freisetzungsgeschwindigkeit verwendet werden kann. Den Einfluss der Parameter kW und d

auf den Verkauf einer fiktiven Freisetzungskurve zeigt Abb. 5-3. Dabei wird deutlich, dass d

maßgeblichen Einfluss auf die Form der Kurve hat, während kW in diesem Fall in erster Linie

die Geschwindigkeit des Freisetzungsprofils definiert.

Abb. 5-3 Simulation von Freisetzungskurven mit fiktiven Werten der Weibullparameter kW und d;

a) d= 1, k = variabel; b) d = variabel, k = 5

Kosmidis und Argyrakis [Kosmidis 2003b] konnten zeigen, dass kW in Matrixsystemen linear

von der Oberfläche, die für die Freisetzung zur Verfügung steht und dem Volumen der Matrix

abhängig ist. Maus et al. [Maus 2007] bestätigten dies für Eudragit RS Membranen und

konnten darüberhinaus einen rezepturabhängigen Zusammenhang von d und kW zeigen.

0 2 4 6 8 10 120

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

Fre

iset

zung

[%]

Zeit [h]

d = 0,25d = 0,5d = 1,0d = 2,5d = 5,0

a) b)

0 2 4 6 8 10 120

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

Fre

iset

zung

[%]

Zeit [h]

kW

= 0,5

kW

= 1,0

kW

= 2,5

kW

= 5,0

kW

= 10

kW

= 50

Page 96: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

80 5 Beschreibung der Freisetzungskinetik und Vorhersagemodelle

Mit Gleichung 5.9 ist jedoch auch eine Beschreibung der Freisetzungsdaten überzogener

Arzneiformen möglich. Eine solche Anpassung wird für Freisetzungsdaten von Theophyllin-

pellets mit porenhaltigen Überzügen von HP-50 bzw. Aquacoat ECD durchgeführt. Dadurch

kann der Zusammenhang der Parameter d und kW mit dem rezepturabhängigen

Freisetzungsverhalten von Pellets mit porenhaltigen Überzügen ermittelt werden (s. Abb. 5-4

und 5-5). Die in Kapitel 8.4.4 beschriebene Vorgehensweise der Anpassung nichtlinearer

Funktionen durch das Programm Origin erlaubt das gleichzeitige Anpassen der Funktion für

mehrere Datensätze. Der Exponent d kann dabei für alle untersuchten Arzneiformen trotz

unterschiedlicher Überzüge bei einem Wert von 1,0 konstant gehalten werden, während der

Koeffizient kW umgekehrt proportional zur Freisetzungsrate abnimmt. Betrachtet man dies als

Spezialfall für diffusionskontrollierte Membranen, deutet es daraufhin, dass d bei

Membransystemen mit dem Freisetzungsmechanismus korreliert, während kW in direktem

Zusammenhang mit der Freisetzungsgeschwindigkeit steht.

Abb. 5-4 Freisetzungsdaten fürTheophyllinpellets mit HP-50 Überzug 8 %(m/m); 20 – 50 % Porenbildner Kollidon 17;Weibull Anpassung´(gestrichelte Linie)

Tabelle 5-5 Werte der Weibull Anpassung ausAbb. 5-4

Anteil

Kollidon 17

Exponent

dKoeffizient

kW

R2

20 % 1,0 7,592 0,9944

30 % 1,0 3,811

40 % 1,0 1,632 Chi

45 % 1,0 0,948 7,68

50 % 1,0 0,393

Abb. 5-5 Freisetzungsdaten fürTheophyllinpellets mit Aquacoat ECD Überzug10 % (m/m); 10 – 30 % Porenbildner KollicoatIR; Weibull Anpassung (gestrichelte Linie)

Tabelle 5-6 Werte der Weibull Anpassung ausAbb. 5-5

Anteil

Kollicoat IR

Exponent

dKoeffizient

kW

R2

10 % 1,0 24,686 0,9835

15 % 1,0 7,171

20 % 1,0 2,180 Chi

25 % 1,0 1,456 25,8

30 % 1,0 0,821

0 1 2 3 4 5 6 7 8 90

20

40

60

80

100

frei

gese

tzte

rA

ntei

lThe

ophy

llin

[%]

Zeit [h]

0 1 2 3 4 5 6 7 8 90

20

40

60

80

100

frei

gese

tzte

rA

ntei

lThe

ophy

llin

[%]

Zeit [h]

Page 97: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

5.1 Mathematische Beschreibung der Freisetzungskinetik 81

Wie die Abb. 5-4 und 5-5 zeigen, wird mit der Anpassung eine gute Annäherung der

berechneten Freisetzungswerte an die tatsächlichen Freisetzungsdaten erhalten. Die Werte der

Anpassung für überzogene Theophyllinpellets sind in Tabelle 5-5 und 5-6 dargestellt.

Gegenüber den Anpassungen nach dem Power-Law bzw. Fick’scher Diffusion ist mit der

Weibull-Anpassung eine Beschreibung der Freisetzungsdaten von 0 - 100 % der Freisetzung

möglich. Die Funktionen, die die Freisetzung beschreiben, starten im Ursprung und haben

eine Asymptote bei 100 % Freisetzung und entsprechen damit gut dem tatsächlichen Verlauf.

Insgesamt zeigen die angepassten Funktionen eine sehr gute Übereinstimmung mit den

experimentell ermittelten Werten und liegen innerhalb der üblichen Varianz von

Freisetzungsprofilen in frühen Entwicklungsphasen.

Page 98: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

82 5 Beschreibung der Freisetzungskinetik und Vorhersagemodelle

5.2 Möglichkeiten für semi-experimentelle Vorhersagemodelle

Die membrankontrollierte Wirkstofffreisetzung aus Arzneiformen mit porenhaltigen

Überzügen lässt sich sowohl mit dem Fick’schen Diffusionsgesetz als auch mit der Weibull-

Anpassung beschreiben. Die Weibull-Funktion ermöglicht eine vollständige Beschreibung des

Freisetzungsverlaufs. Bei Kenntnis der rezepturabhängigen Funktionsparameter d und k kann

daher eine Vorhersage des kompletten Freisetzungsverlaufs ermittelt werden. Die

Untersuchung der Daten in Kapitel 5.1 zeigt, dass der Exponent d bei der

diffusionskontrollierten Freisetzung durch dünne Membranen den Wert 1 annimmt. Dadurch

reduziert sich Gl. 5.9 auf nur eine unbekannte Variable. Der Formfaktor kW beinhaltet somit

alle weiteren rezepturabhängigen Einflüsse der Membran. Es wird geprüft, inwieweit sich

dieser Parameter durch eine experimentelle Bestimmung der Membraneigenschaften an

isolierten Filmüberzügen bestimmen lässt.

5.2.1 Korrelation mit isolierten Filmüberzügen

Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt für die Freisetzung membrankontrollierter

Arzneiformen ist der Stofftransport über die Polymermembran. Die Transportrate wird dabei

von der Membranpermeabilität bestimmt, die deshalb alle freisetzungsrelevanten

Rezepturparameter erfasst. Die Permeabilität einer Membran für einen Stoff kann durch

Diffusionsexperimente an isolierten Membranen (Methode s. 8.4.1.5) bestimmt werden. Dazu

wird der Massenfluss über die Membran in Abhängigkeit der Zeit unter Berücksichtigung der

aktiven Diffusionsfläche, der Membrandicke und des Konzentrationsgradienten des Stoffes

bestimmt und nach Gl. 5.5 die Permeabilität der Membran ermittelt. Zur besseren

Übertragbarkeit der Ergebnisse von isolierten Membranen auf überzogene Arzneiformen

sollten grundsätzlich Membranen mit einem möglichst identischen Auftragsniveau wie auf der

Arzneiform eingesetzt werden. Die experimentell bestimmten und auf die Membrandicke

normierten Permeabilitätswerte für HP-50 und Aquacoat ECD Membranen mit Porenbildner

sind in Tabelle 5-7 dargestellt.

Page 99: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

5.2 Möglichkeiten für semi-experimentelle Vorhersagemodelle 83

Tabelle 5-7 Permeabilität von HP-50 und Aquacoat ECD Membranen in 0,1 N HCl für Theophyllin inAbhängigkeit des Porenanteils (Kollidon 17 / Kollicoat IR)

Wie Tabelle 5-7 zeigt, kann mit dieser Größe der Einfluss von Rezepturparametern auf das

Freisetzungsverhalten quantifiziert werden. Ein Zusammenhang mit dem Formfaktor kW der

Weibull-Anpassung scheint daher wahrscheinlich. In den Korrelationsgraphen in Abb. 5-5 sind

dazu die Kehrwerte des Formfaktors und die Permeabilitäten der isolierten Membranen

gegeneinander aufgetragen.

Abb. 5-6 Korrelation des Weibullparameters kW und der Membranpermeabilität, bestimmt an isoliertenMembranen; a) HP-50- Kollidon 17 Membranen, b) Aquacoat ECD- Kollicoat IR Membranen

Die lineare Regression zeigt für HP-50 Membranen einen klaren Zusammenhang der Werte.

Der Korrelationskoeffizient der Aquacoat ECD Membranen ist zwar weniger eindeutig, aber

weist dennoch stark auf einen linearen Zusammenhang der Werte hin. Dabei ist zu beachten,

dass es sich bei Aquacoat ECD um einen pH-unabhängigen Überzug handelt, der immer eine

gewisse Durchlässigkeit besitzt, während HP-50 bei pH-Werten kleiner 4,5 eine undurchlässige

Membran bildet. Dies wird durch den positiven Ordinatenabschnitt in Abb. 5-6b bestätigt,

während der negative Ordinatenabschnitt in Abb. 5-6a die Undurchlässigkeit von reinen HP-50

Membranen ausdrückt. Die Güte der Korrelation lässt sich vermutlich weiter verbessern, wenn

die Spanne des eingesetzten Porenanteils eingeschränkt wird. Die Relevanz der Korrelation

zwischen Formparameter und Membranpermeabilität für das Freisetzungsverhalten

HP50 Membran Aquacoat ECD Membran

Anteil

Kollidon 17

Permeabilität

[cm2/s]

Anteil

Kollicoat IR

Permeabilität

[cm2/s]

20 % 3,97E-08 10 % 1,66E-09

30 % 5,50E-08 15 % 8,93E-09

40 % 7,67E-08 20 % 2,62E-08

45 % 1,04E-07 25 % 4,37E-08

50 % 2,52E-07 30 % 1,04E-07

y = 1E+07x - 0,2765

R² = 0,991

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

0,0E+00 5,0E-08 1,0E-07 1,5E-07 2,0E-07 2,5E-07 3,0E-07

1/k

W(W

eibull-Anpassung)

PFilm [cm2/s]

y = 1E+07x + 0,0886

R² = 0,9715

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

1,4

0,0E+00 2,0E-08 4,0E-08 6,0E-08 8,0E-08 1,0E-07 1,2E-07

1/k

(Weibull-Anpassung)

PFilm [cm2/s]

a) b)

Page 100: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

84 5 Beschreibung der Freisetzungskinetik und Vorhersagemodelle

überzogener Pellets wird dadurch bestätigt, dass der Formfaktor kW auch umgekehrt

proportional zu den Freisetzungsraten überzogener Pellets, also dem Massenfluss über eine

Membran einer Arzneiform, ist (s. Abb. 5-7). Die guten Korrelationskoeffizienten für zwei

unterschiedliche Membranpolymere bestätigen die Validität des Zusammenhangs zwischen der

Permeabilität isolierter Membranen und der Freisetzungsrate überzogener Arzneiformen.

Abb. 5-7 Korrelation zwischen der Freisetzungsrate [% / h] und dem Weibullparameter kw ;a) Theophyllinpellets mit HP-50 Membran b)Theophyllinpellets mit Aquacoat ECD Membran

Durch das umgekehrt proportionale Verhältnis zwischen Porenanteil und Permeabilität von

HP-50 Membranen lässt sich der Einfluss der Rezepturparameter auf das Freisetzungsverhalten

quantifizieren. Diesen Zusammenhang zeigt Abb. 5-8.

Abb. 5-8 Korrelation der Membranpermeabilität für Theophyllin und des Porenanteils (Kollidon 17) einerHP-50 Membran

Der umgekehrt proportionale Einfluss des Porenanteils auf die Permeabilität ist in der Regel

nur in einem begrenzten Spektrum gültig und kann nicht generell vorausgesetzt werden. Der

Einfluss des Porenanteils ergibt sich aus den jeweiligen Eigenschaften der verwendeten

Polymere und Porenbildner sowie aus deren Interaktion [Muschert 2009a]. Über diese

Zusammenhänge können bisher keine grundsätzlichen Aussagen gemacht werden, da dazu

bislang nur wenige Untersuchungen vorliegen. Der Einsatz eines Screenings an isolierten

Membranen ist deshalb gerade vor diesem Hintergrund sinnvoll.

y = 58,999x + 5,7483

R² = 0,9938

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

0 0,5 1 1,5 2 2,5 3

Freisetzungsrate[%

/h]

1 /Weibullparameter k

y = 79,67x - 2,2186

R² = 0,9951

0

20

40

60

80

100

120

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4Freisetzungsrate[%

/h]

1 / Weibullparameter k

a) b)

y = -687444x + 4E+07

R² = 0,9961

0,0E+00

5,0E+06

1,0E+07

1,5E+07

2,0E+07

2,5E+07

3,0E+07

0 10 20 30 40 50 60

1/PMembran[cm2/s]

Porenanteil [%]

Page 101: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

5.2 Möglichkeiten für semi-experimentelle Vorhersagemodelle 85

Allerdings kann aus dem Abszissenabschnitt in Abb. 5-8 abgelesen werden, dass die

Permeabilität der Membran ab einem Porenanteil von etwa 60 % nicht mehr zu bestimmen sein

wird. Dies stimmt mit der Perkolationstheorie überein, die besagt, dass bei unterschreiten eines

Schwellenwertes von etwa 30 - 40 % (V/V) Anteil eines Polymers kein durchgängiges

Netzwerk (inifinites cluster) ausgebildet werden kann [Caraballo 1993; Egermann 1992]. Die

Membran wäre demnach ab etwa 60 % Anteil Porenbildner nach dem Herauslösen des

wasserlöslichen Polymeranteils aus der Membran komplett durchlässig und die Freisetzung des

Wirkstoffs könnte ungehindert ablaufen.

5.2.2 Vorhersage der Freisetzung

Modellinterne Vorhersage

Durch die Aufklärung des Zusammenhangs zwischen Rezepturparametern,

Membranpermeabilität und den Funktionsparametern der mathematischen Beschreibung des

Freisetzungsverlaufs kann auf Basis des Porenanteils einer Rezeptur der Verlauf des

Freisetzungsgraphen einer überzogenen Arzneiform bestimmt werden. Dazu wird anhand der

Zusammenhänge in Abb. 5-8 und Abb. 5-6 die Membranpermeabilität und der Parameter kW

einer Membran mit definiertem Porenanteil berechnet. Die modellinterne Vorhersage der

Graphen zeigt Abb. 5-9a. Dabei ist zu erkennen, dass die Vorhersage der Freisetzung nur

geringfügig von den experimentellen Daten abweicht. Ausgehend davon ist eine Interpolation

auf Rezepturen innerhalb des untersuchten Bereichs möglich. Dies kann durch unabhängig

bestimmte experimentelle Daten belegt werden. Dazu werden überzogene Pellets mit 25 % und

35 % (m/m) Porenanteil hergestellt und freigesetzt, (s. Abb. 5-9b). Die Abweichung der

Vorhersage von den Messwerten beträgt weniger als 10 % über den gesamten Zeitraum und

liegt damit in einem für die frühe Entwicklung akzeptablen Bereich.

Abb. 5-9 Vorhersage und experimentelle Freisetzungsdaten von Theophyllinpellets mit HP-50-Kollidon 17 Membranen; a) modellinterne Vorhersage (20 % - 50 % (m/m) Kollidon 17),b) modellunabhängige Vorhersage (25 % und 35 % (m/m) Kollidon 17)

0 1 2 3 4 5 6 7 8 90

20

40

60

80

100

frei

gese

tzte

rA

ntei

lThe

ophy

llin

[%]

Zeit [h]

interne Vorhersage

0 1 2 3 4 5 6 7 8 90

20

40

60

80

100

frei

gese

tzte

rA

ntei

lThe

ophy

llin

[%]

Zeit [h]

externe Vorhersage

Page 102: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

86 5 Beschreibung der Freisetzungskinetik und Vorhersagemodelle

Modellunabhängige Vorhersage

Nach Muschert [Muschert 2009b] kann für Aquacoat ECD Membranen ein direkter

Zusammenhang zwischen den für den Massenfluss über eine Membran entscheidenden

Faktoren und dem Parameter kW der Weibull-Funktion zur Beschreibung

membrankontrollierter Diffusionsvorgänge hergestellt werden (vgl. Gl. 5.10 und Gl. 5.9). Dies

gilt unter der Annahme, dass d bei der diffusionskontrollierten Freisetzung über eine Membran

den Wert d = 1 annimmt. Damit können theoretische Vorhersagen, ohne den Zwischenschritt

einer mathematischen Modellanpassung, auf Basis von experimentellen Daten ermittelt und

direkt aus der Bestimmung der Membranpermeabilität getroffen werden. Dabei gehen in den

rezepturabhängigen Faktor das Oberfläche/ Volumen (A/V) Verhältnis [1/cm] eines Pellets, die

Diffusionskonstante D [cm2/s] und der dimensionslose Verteilungskoeffizient K sowie die

Dicke der Membran l [cm] ein:

t

Vl

ADK

t eMM 10 Gl. 5.10

Mt = zum Zeitpunkt t freigesetzte Wirkstoffmenge [g]

M0 = zur Verfügung stehende Wirkstoffmenge der Pellets [g]

Die Diffusionskonstante D und der Verteilungskoeffizient K werden von Muschert et al. durch

die Bestimmung der Wirkstofffreisetzung aus wirkstoffhaltigen Filmen ermittelt. Der Einfluss

der Wirkstoffeinbettung in die Membran auf die Struktur und die Permeabilität der Membran

bleibt dabei unberücksichtigt. Die Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf Membranen ohne

eingebetteten Wirkstoff kann deshalb nicht generell gewährleistet werden. Die Bestimmung der

Membranpermeabilität an isolierten Membranen, deren Rezeptur und Struktur dem Überzug

der Arzneiformen entsprechen sind diesem Verfahren daher vorzuziehen.

Unter 5.2.1 konnte gezeigt werden, dass der Formfaktor kW in Gl. 5.9 sowohl mit der

Freisetzungsrate, also dem Massenfluss aus überzogenen Pellets, als auch mit dem

experimentell bestimmten Massenfluss über isolierte Membranen korreliert. Dies steht in

Übereinstimmung mit den Beobachtungen von Muschert et al. Daher sollte eine mathematische

Bestimmung von kW an porenhaltigen HP-50 bzw. Aquacoat ECD Membranen durch eine

experimentelle Bestimmung der Membranpermeabilität möglich sein. Unter der Annahme, dass

die Membranpermeabilität eines Pelletüberzuges und die Permeabilität einer isolierten

Membran äquivalent sind, wird der Massenfluss dm/dt [mg/h] außerdem durch den

Konzentrationsgradienten des diffundierenden Stoffes dc [mg/ml], die Membrandicke l [cm]

und die für die Gesamtmenge der Dosis D [mg] zur Verfügung stehende aktive

Page 103: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

5.2 Möglichkeiten für semi-experimentelle Vorhersagemodelle 87

Diffusionsfläche AP [cm2] bestimmt. Der Konzentrationsgradient, die Membrandicke sowie die

aktive Diffusionsfläche können sich beim Vergleich des Massetransports an isolierten

Membranen mit der Freisetzung von überzogenen Pellets jedoch deutlich unterscheiden. Dies

muss zur Berechnung der zur Zeit t [h] aus überzogenen Pellets freigesetzten Menge Mt

berücksichtigt werden. Daraus ergibt sich nach Gl. 5.9 für d = 1:

1

10

Wk

t

eMM t Gl.5.9 mitdt

dm

AD

A

l

l

dc

dc

k M

P

P

M

M

P

W

1

Gl. 5.11

Mt = zum Zeitpunkt t freigesetzte Wirkstoffmenge [g]

M0 = zur Verfügung stehende Wirkstoffmenge der Pellets [g]

dcP = Konzentrationsgradient über die Membran bei überzogenen Pellets [mg/ml]

dcM = Konzentrationsgradient über die Membran bei isolierten Filmen [mg/ml]

lP = Membrandicke des Pelletüberzuges [cm]

lM = Membrandicke der isolierten Membran [cm]

AP = aktive Diffusionsfläche der Pellets [cm2]

AM = aktive Diffusionsfläche der isolierten Membran [cm2]

D = Wirkstoffdosis der eingesetzten Pellets [mg]

dm/dt = diffundierte Wirkstoffmenge je Zeiteinheit [mg/h]

Unter der Annahme gleicher Konzentrationsverhältnisse fällt dcP/dcM weg. Die experimentell

an isolierten Membranen bestimmte und auf die aktive Diffusionsfläche normierte

Membranpermeabilität PM entspricht dem Term dm/(dt x AM). Damit ergibt sich zur

Berechnung der freigesetzten Wirkstoffmenge Gl. 5.12.

tDl

PAl

tP

MPM

eMM 10 Gl. 5.12

PM = experimentell bestimmte auf die Fläche normierte Membranpermeabilität [mg/cm2 x h]

Somit kann kW durch die experimentelle Bestimmung der Membranpermeabilität an isolierten

Membranen berechnet werden. Dies ermöglicht eine Vorhersage des Freisetzungsverlaufs

überzogener Pellets, wie in Abb. 5-10 dargestellt, ohne auf weitere experimentelle Daten

zurückgreifen zu müssen. Gleichzeitig basiert diese Vorhersage jedoch auf schnell und einfach

zu erhebenden Daten. Dieser Ansatz kann deshalb angesichts des üblicherweise empirischen

Vorgehens bei der Entwicklung von Formulierungen eine zuverlässige Grundlage zur

Formulierungsfindung und Optimierung bieten.

Page 104: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

88 5 Beschreibung der Freisetzungskinetik und Vorhersagemodelle

Abb. 5-10 Vorhersage (Linie) und experimentelle Freisetzungsdaten (Symbol) auf Basis des semi-experimentellen Vorhersagemodells nach Weibull (Gl. 5.8); a) HP-50- Kollidon 17 Membranen, 20 % -50 % Kollidon 17; b) Aquacoat ECD- Kollicoat IR Membranen (10 % - 30 % Kollicoat IR)

Die vorhergesagten Freisetzungsprofile bilden die experimentell ermittelten Werte qualitativ

und quantitativ in guter Näherung ab. Die Abweichung der Werte für beide Membranen beträgt

weniger als 10 %. Einzig die Membranen mit 20 % Kollidon bzw. 15 % Kollicoat IR weichen

stärker von den Messwerten ab.

Abb. 5-11 Korrelation der Vorhersagewerte für kW mit den Werten aus der Funktionsanpassung(Tabelle 5-5 und 5-6); a) Theophyllinpellets mit HP50- Kollidon 17 Überzug; b) Theophyllinpellets mitAquacoat ECD- Kollicoat IR Überzug

Die Gegenüberstellung der kW Werte aus den Funktionsanpassungen und den Vorhersagen in

Abb. 5-10 zeigt grundsätzlich eine gute Übereinstimmung der Werte. Die Korrelationsgüte ist

mit R = 0,998 bzw. 0,991 jeweils sehr gut. Die Steigung der Regressionsgeraden beträgt für

HP-50 Membranen nahezu 1 und weicht für Aquacoat ECD hauptsächlich aufgrund des

„Ausreißer“-Wertes der Formulierung mit 15 % Kollicoat IR davon ab.

Auf der Basis dieses semi-experimentellen Ansatzes kann das Freisetzungsverhalten

membrankontrolliert freisetzender Arzneiformen in guter Näherung vorhergesagt werden. Die

Entwicklung und Optimierung membrankontrollierter Arzneiformen kann daher unter

Anwendung der Permeabilitätsbestimmung an isolierten Membranen in frühen

Entwicklungsphasen deutlich vereinfacht und beschleunigt werden.

0 1 2 3 4 5 6 7 8 90

20

40

60

80

100fr

eige

setz

ter

Ant

eilT

heop

hylli

n[%

]

Zeit [h]

0 1 2 3 4 5 6 7 8 90

20

40

60

80

100

frei

gese

tzte

rA

ntei

lThe

ophy

llin

[%]

Zeit [h]

a) b)

y = 1,018x

R² = 0,998

0,0

1,0

2,0

3,0

4,0

5,0

6,0

7,0

8,0

0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0

VorhersagewertfürkW

kW aus Anpassung an Freisetzungsgraph

y = 1,3741x - 1,3319

R² = 0,991

0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

30,0

35,0

0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 35,0

VorhersagewertfürkW

kW aus Anpassung an Freisetzungsgraph

a) b)

Page 105: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

5.3 Zusammenfassung des Kapitels 89

5.3 Zusammenfassung des Kapitels

Durch die Analyse der Freisetzungsdaten überzogener Theophyllinpellets mit Hilfe des Power-

Law, kann der Freisetzungsmechanismus der Arzneiformen bestimmt werden. Wie für

hauptsächlich diffusionsgesteuerte überzogene Arzneiformen zu erwarten, folgt der

Freisetzungsverlauf der untersuchten Pellets einer Kinetik nullter Ordnung. Zur

mathematischen Beschreibung des Freisetzungsprofils eignet sich insbesondere eine

Anpassung der Weibull-Funktion und in eingeschränktem Ausmaß eine lineare Kinetik

entsprechend der Fick‘schen Diffusion.

Somit ist bei Kenntnis der Funktionsparameter der Weibull-Anpassung eine Vorhersage des

Freisetzungsverlaufs möglich. Da aufgrund des konstanten Freisetzungsmechanismus der

Exponent d für unterschiedliche Formulierungen jeweils den Wert 1 annimmt und ein

umgekehrt proportionaler Zusammenhang zwischen dem Formfaktor kW und der experimentell

bestimmten Membranpermeabilität besteht, kann die Freisetzungsfunktion bestimmt und der

Freisetzungsverlauf in guter Näherung vorhergesagt werden.

Die gute Übereinstimmung zwischen semi-experimenteller Vorhersage und tatsächlichem

Freisetzungsprofil bestätigt die Hypothese einer diffusionskontrollierten Freisetzung. Der

Einfluss von Formulierungs- und Prozessparametern geht direkt in die Berechnung ein und

kann dementsprechend bestimmt und die Rezeptur bei Bedarf angepasst werden. Dieser semi-

experimentelle Ansatz kann deshalb durch die Vorhersage der tatsächlichen Freisetzung sehr

hilfreich bei der Entwicklung und Optimierung von neuen Arzneiformen mit

membrankontrollierter Freisetzung sein.

Page 106: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

6 Ein zweiphasiges Freisetzungsmodell mit pH-Gradient 90

6 Ein zweiphasiges Freisetzungsmodell mit pH-Gradient

Freisetzungsuntersuchungen an festen oralen Arzneiformen sind bei der Entwicklung von

Arzneimitteln ein wichtiges Instrument zur Charakterisierung der Formulierungseigenschaften.

Freisetzungsuntersuchungen werden einerseits in der Qualitätsprüfung zur Kontrolle der

Chargenhomogenität und der Chargenvergleichbarkeit sowie zur Stabilitätsprüfung eingesetzt

[Tong 2009]. Die Prüfung der Freisetzungseigenschaften eignet sich aber auch zur Auswahl

und Optimierung von Formulierungsprototypen und zur Untersuchung von

Freisetzungsmechanismen [Azarmi 2007; Dressman 1998]. Rahmenbedingungen für eine

regulatorische Anwendung von in vitro Freisetzungsuntersuchungen als Marker für klinische

Daten werden in den aktuellen Bioäquivalenz-Richtlinien und der BCS Einteilung gesetzt

[Amidon 1995; Siewert 2003; Takagi 2006]. Dabei steht die Identifizierung der

geschwindigkeitsbestimmenden Schritte des Resorptionsprozesses, die für eine Vorhersage der

pharmakokinetischen Variablen geeignet sind, sowie die Biorelevanz von in vitro

Freisetzungsuntersuchungen und spezifische Bioverfügbarkeitsstudien zu kritischen

Formulierungs- und Prozessvariablen im Fokus.

Durch neue Erkenntnisse über die Physiologie des Magen-Darm Trakts hat in den letzen Jahren

die Suche nach biorelevanten in vitro Modellen zur besseren Vorhersage der Resorption von

Arzneistoffen neue Impulse erhalten [Kalantzi 2006; McConnell 2008]. Ein Ansatz für ein

solches Modell wird in der vorliegenden Arbeit vorgestellt und in Kapitel 7 anhand von

klinischen Humandaten bewertet [Heigoldt 2010].

6.1 Biopharmzeutische Aspekte

Die Wirkstoffresorption wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Neben den

physikalisch-chemischen Eigenschaften des Wirkstoffs und dem Freisetzungsverhalten der

Arzneiform, sind auch zahlreiche physiologische Prozesse an der Wirkstoffresorption aus dem

GIT beteiligt [Hörter 2001]. Besonders bei der Applikation von Retardarzneiformen kommt

dem Milieu, das die Darreichungsform lokal umgibt, sowie der Verweildauer der Arzneiform

in den unterschiedlichen Abschnitten des GIT eine besonders wichtige Rolle zu. Für BCS II

Substanzen ist davon auszugehen, dass die Wirkstofffreisetzung aus der Arzneiform der

geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist, der die Kinetik der Resorption bestimmt

[Dokoumetzidis 2006a]. Durch die Auswahl eines biorelevanten Freisetzungstests ist deshalb

prinzipiell eine gute Korrelation zwischen in vitro Freisetzung und in vivo Parametern zu

erwarten.

Page 107: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

6.1 Biopharmzeutische Aspekte 91

Anatomische Voraussetzungen

Abb. 6-1 Schematische Darstellung des Gastrointestinaltraktes des Menschen (nachwww.wikipedia.de) mit Verweilzeiten des Speisebreis und nüchtern-pH-Verhältnissen in den einzelnenKompartimenten

Nach der peroralen Applikation durchläuft eine Arzneiform nacheinander Mund und

Speiseröhre, den Magen, den Dünndarm und schließlich den Dickdarm. Dabei treten

unterschiedliche Transitzeiten, Flüssigkeits- und pH-Verhältnisse sowie Unterschiede im

Absorptionsverhalten auf. Untersuchungen der physiologischen Verhältnisse werden oft durch

Anwendung der Gammaszintigraphie oder der Detektion der Magnetfelder von magnetischen

Markern durchgeführt [Evans 1988; Weitschies 2005; Weitschies 2010]. Die Ergebnisse dieser

Untersuchungen spiegeln die hohe Variabilität des GIT wider [Karalis 2008]. Allgemein wird

angenommen, dass im nüchternen Zustand im Magen pH-Werte zwischen 1,5 und 3,0

vorliegen [Kalantzi 2006; McConnell 2008; Murphy 2006]. Eine Ausnahme stellen ältere

Menschen und Patienten, die Protonenpumpeninhibitoren einnehmen dar. In diesen

Populationen sind im Magen generell höhere pH-Werte um pH 4,0 bis pH 5,0 zu erwarten

VerweildauerdesSpeisebreis

Mund/Speiseröhre< 1 min

Magen0,5 - 4 h

Dünndarm2 – 6 h

Dickdarm4 -70 h

Rektum0

pH Bereich(nüchtern)

MagenpH 1,5 – 3,0(bis 5,0)DünndarmpH 5 – 7

DickdarmpH 5 – 7

Page 108: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

92 6 Ein zweiphasiges Freisetzungsmodell mit pH-Gradient

[Russell 1993]. Die Magen-Verweildauer im nüchternen Zustand beträgt in der Regel 30 bis 60

Minuten. Sie kann jedoch durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme mit der

Arzneimittelanwendung beträchtlich verlängert werden [Charman 1997].

Die pH-Verhältnisse in den Abschnitten des Dünndarms (Duodenum, Ileum, Jejunum) liegen

im Bereich zwischen pH 5,0 und pH 7,2. Die Transitzeit durch diesen Bereich beträgt zwischen

zwei und fünf Stunden. In den tieferen Darmabschnitten des Kolon liegen die pH-Werte

zwischen pH 6 und pH 7 und die Transitzeiten variieren zwischen mehreren Stunden und

mehreren Tagen. Der Flüssigkeitshaushalt des GIT ist ebenfalls hochvariabel. Das

Gesamtvolumen der täglich im GIT prozessierten Flüssigkeit beträgt etwa neun Liter. Davon

werden nur ungefähr 100 ml täglich mit dem Fäzes ausgeschieden [Schiller 2005].

6.2 Konventionelle Freisetzungsmethoden

Für in vitro Freisetzungsuntersuchungen an festen oralen Arzneiformen sind in der

Europäischen Pharmakopöe 6 (2010) mehrere Methoden beschrieben, die je nach Arzneiform

eingesetzt werden:

Rotating Basket (Drehkörbchen): Kapseln und Tabletten, die zum Aufschwimmen

neigen

Paddle (Blattrührer): unproblematische Tabletten

Reciprocating cylinder bzw. BioDis: nicht zerfallende Tabletten; ermöglicht Wechsel

des Mediums im Laufe des Versuchs

Durchflusszelle: alle Arten von peroralen Arzneiformen und Zäpfchen; kontinuierlicher

Medienstrom

Die Mehrzahl der Untersuchungen wird entweder mit der Blattrührer- oder der Drehkörbchen-

Apparatur durchgeführt. Diese Methoden eignen sich sehr gut zur routinemäßigen

Qualitätskontrolle [Jorgensen 1998]. Sie werden üblicherweise in einem Medium, bei einem

konstanten pH-Wert durchgeführt. Zur Anpassung an biorelevante Faktoren wie wechselnde

pH-Verhältnisse bieten sie nur wenig Spielraum. Zudem können durch das festgelegte

Volumen des Freisetzungsmediums bei der Prüfung schwer löslicher Arzneistoffe häufig keine

Sink-Bedingungen gewährleistet werden. Insbesondere für Arzneiformen mit pH-abhängig

schwerlöslichen Wirkstoffen und modifizierten Freisetzungseigenschaften sollte jedoch eine

Untersuchung der Wirkstofffreisetzung in Medien mit verschiedenen, aufeinanderfolgenden

pH-Werten in einem Experiment durchgeführt werden. Größere Freiheiten, um auf biorelevante

Bedingungen Rücksicht zu nehmen, bieten die ebenfalls im Arzneibuch beschriebenen

Page 109: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

6.3 Aufbau des zweiphasigen Freisetzungsmodells mit pH-Gradient 93

alternativen Methoden wie die Durchflusszelle und die BioDis-Methode. Bei diesen Methoden

können Freisetzungsmedien relativ einfach gewechselt und dadurch Volumen und pH-

Verhältnisse des Freisetzungsmilieus geändert werden [Fotaki 2009b]. Sie sind deshalb

besonders für den Einsatz biorelevanter Medien geeignet [Galia 1998; Jantratid 2008; Jantratid

2009; Klein 2008], die in ihrer Zusammensetzung dem tatsächlichen Inhalt des GIT näher

kommen als herkömmliche Freisetzungsmedien auf Basis einfacher Puffersysteme. Nachteile

dieser Methoden sind die relativ aufwändige Durchführung und die Gefahr erneut

unphysiologische Bedingungen zu generieren. So werden beim Einsatz der Durchflusszelle für

schwerlösliche Wirkstoffe häufig hohe Flussraten gewählt, um Sink-Bedingungen zu

gewährleisten. Der Verbrauch großer Mengen des Freisetzungsmediums entspricht jedoch

einerseits nicht den physiologischen Bedingungen und kann andererseits dazu führen, dass

funktionelle Hilfsstoffe ungewöhnlich schnell aus der Arzneiform ausgewaschen werden

[Qureshi 1994]. Dadurch stehen diese jedoch, beispielsweise zur Verbesserung der Löslichkeit,

nicht mehr ausreichend zur Verfügung. Bei der Anwendung der BioDis-Anlage wurden in der

Vergangenheit die ungenügende Automatisierung der Anlage und deren technische

Zuverlässigkeit bemängelt [Rohrs 1995].

6.3 Aufbau des zweiphasigen Freisetzungsmodells mit pH-Gradient

Die erfolgsentscheidenden Kriterien für eine Arzneiform mit modifizierter Freisetzung sind in

der frühen Entwicklungsphase die pharmakokinetischen Parameter der Blutspiegelkurve und

die Bioverfügbarkeit. Wachsende Herausforderungen durch die zunehmende Zahl

schwerlöslicher Arzneistoffe und neue Erkenntnisse über die Physiologie des Magen-Darm

Trakts erfordern neue in vitro Methoden zur besseren Vorhersage dieser Parameter [Fotaki

2009b; Klein 2008]. Gibaldi und Grundy [Gibaldi 1967; Grundy 1997a; Grundy 1997b]

schlagen zur besseren Charakterisierung von Formulierungen schwerlöslicher Wirkstoffe eine

Weiterentwicklung der konventionellen Blattrührer-Apparatur vor. Um während des gesamten

Experiments Sink-Bedingungen zu gewährleisten, wird zusätzlich zum wässrigen

Freisetzungsmedium eine organische Phase implementiert. Gelöste Wirkstoffmoleküle können

sich entsprechend ihres Verteilungskoeffizienten in diese Phase umverteilen. Auf diesem

Umweg können Sink-Bedingungen während des gesamten Experiments aufrechterhalten

werden. Zur besseren Anwendung dieses Systems für pH-abhängig schwerlösliche

Arzneistoffe, wird zusätzlich ein Titrationsautomat in die Freisetzungsapparatur integriert.

Dieses Gerät kann den pH-Wert im Freisetzungsmedium zu festgelegten Zeitpunkten ändern,

Page 110: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

94 6 Ein zweiphasiges Freisetzungsmodell mit pH-Gradient

den pH-Wert über einen bestimmten Zeitraum konstant halten und den pH-Verlauf im Medium

permanent aufzeichnen (s. Abb. 6-2).

Abb. 6-2 (a) Schema eines zweiphasige Freisetzungsmodells mit pH-Kontrolle im wässrigen Mediumzur Simulation physiologischer pH-Verhältnisse; (b) exemplarischer pH-Gradient über die Testdauer

Für die organische Phase wird n-Octanol als sehr lipophile Flüssigkeit ausgewählt. n-Octanol

wird zur Bestimmung des n-Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizienten routinemäßig eingesetzt

[Smith 1975], sodass für die meisten Arzneistoffe der Verteilungskoeffizient bekannt ist.

Außerdem verfügt n-Octanol über weitere vorteilhafte physikalisch-chemische Eigenschaften

(s. Tabelle 6-1): n-Octanol ist praktisch unlöslich in Wasser; n-Octanol hat eine geringere

Dichte als Wasser, dadurch wird der Probenzug erleichtert; n-Octanol verfügt über eine sehr

geringe Flüchtigkeit, sodass ein konstantes Volumen der organischen Phase gewährleistet ist;

die Viskosität von n-Octanol ist sehr gering, sodass der Probenzug über Pumpen möglich ist;

die schwer wasserlösliche Arzneistoffe sind häufig gut löslich in n-Octanol und besitzen

günstige n-Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizienten, was einen schnellen Übergang in die

organische Phase fördern sollte. Aufgrund dieser Eigenschaften eignet sich n-Octanol optimal

für ein zwei-phasiges Freisetzungssystem.

Obere Phase:n-octanol

Untere Phase:aq. Puffer

Freisetzungsgefäß

Rührer

Kapsel/Tablette

Sinker

Bürette

pH-Sensor

t0 = 0h t1 = 1h t2 = 3h t3 = 5h t4 = 24h

pH 2 pH 5.5 pH 5.5 pH 6.8

(a)

(b)

Page 111: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

6.4 Einflussfaktoren auf die Freisetzung in zweiphasigen Medien 95

Tabelle 6-1 Physikalisch-chemische Eigenschaften von n-Octanol [Smith 1975]

Molare Masse 130,23

Siedepunkt 195 °C

Viskosität [mPa·s] 7,26

Dampfdruck [Pa] (20 °C) 3,2

Dichte [g/ml] (20 °C) 0,83

Löslichkeit in Wasser 0,3 g/l bei 20 °C

Eigenschaften Farblose Flüssigkeit mit charakteristischem Geruch,Flammpunkt bei 81 °C, bei 270 °C entzündet sich dieVerbindung selbst

6.4 Einflussfaktoren auf die Freisetzung in zweiphasigen Medien

Zur Bestimmung der Wirkstofffreisetzung in dem vorgestellten Freisetzungsmodell wird die

Arzneiform mit einem Drahtkörbchen (Sinker) in das wässrige Freisetzungsmedium

eingebracht. Dort wird der Wirkstoff aus der Arzneiform freigesetzt. Durch den Sinker wird

verhindert, dass die Arzneiform in die organische Phase aufschwimmt und direkten Kontakt

mit n-Octanol kommt. Nach der Wirkstofffreisetzung kann gelöster Wirkstoff entsprechend

seines Verteilungskoeffizienten in die organische Phase übertreten.

Die freigesetzte Arzneistoffmenge wird in jeder der beiden Phasen bestimmt. Durch Addition

der freigesetzten Menge in beiden Phasen ergibt sich die Gesamtfreisetzungskurve. In Abb. 6-

3 sind die einzelnen Fraktionen der Gesamtfreisetzungskurven von zwei unterschiedlichen

Arzneiformen, die denselben Wirkstoff enthalten, dargestellt.

Abb. 6-3 Freisetzungsprofile von Arzneiformen mit verzögerter Freisetzung, 50 Upm;(a) überzogene Pellets (b) Matrixtablette;

0 4 8 12 16 20 240

20

40

60

80

100

frei

gese

tzte

rA

ntei

l[%

]

Zeit [h]

aq. Puffern-octanolGesamtkurve

(a)

0 4 8 12 16 20 240

20

40

60

80

100

frei

gese

tzte

rA

ntei

l[%

]

Zeit [h]

aq. Puffern-octanolGesamtkurve

(b)

Page 112: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

96 6 Ein zweiphasiges Freisetzungsmodell mit pH-Gradient

An den völlig unterschiedlichen Freisetzungswerten der beiden Formulierungen in der

wässrigen Phase lässt sich erkennen, dass der Wirkstoff aus den beiden Formulierungen über

einen komplett anderen Mechanismus freigesetzt wird. In Abb. 6-3a werden zu Beginn hohe

Wirkstoff-Konzentrationen in der wässrigen Phase erreicht, die nach Veränderung des pH-

Werts stark absinken. Die pH-Wert Erhöhung kann in diesem Fall eine temporäre Ausfällung

von gelöstem Wirkstoff auslösen. Die Freisetzung und Verteilung des Wirkstoffs in Abb. 6-3b

erfolgt dagegen kontinuierlich und Präzipitationserscheinungen treten nicht auf. Diese

Beobachtungen zeigen, dass durch den Verteilungsschritt des gelösten Wirkstoffs in die

lipophile Phase eine aussagekräftige Charakterisierung der Freisetzungseigenschaften bei pH-

Werten möglich ist, bei denen ansonsten aufgrund der schlechten Löslichkeit des Wirkstoffs

keine Sink-Bedingungen und damit keine ausreichende Charakterisierung der

Freisetzungseigenschaften der Arzneiform möglich wäre.

Wichtige Einflussfaktoren auf die Wirkstofffreisetzung in diesem zweiphasigen

Freisetzungsmodell mit pH-Gradient sind die Rührgeschwindigkeit, die Wahl des pH-Verlaufs,

die Größe der Grenzfläche der beiden Phasen und die Volumenverhältnisse der beiden Medien.

Durch hohe Drehzahlen des Rührers steigt die Hydrodynamik in beiden Phasen, und die

Scherkräfte auf die Arzneiform nehmen zu. Bei hohen Drehzahlen wird der Übertritt des

gelösten Wirkstoffs von der wässrigen in die organische Phase durch eine bessere

Durchmischung und geringfügige Veränderungen der Grenzflächen begünstigt. Dies bestätigen

Untersuchungen an einer Dipyridamol-Formulierung (s. Abb. 6-4).

Abb. 6-4 Freisetzungsverhalten einer dipyridamolhaltigen Arzneiform im zweiphasigenFreisetzungsmodell in Abhängigkeit der Drehzahlgeschwindigkeit

0 4 8 12 16 20 240

20

40

60

80

100

frei

gese

tzte

rA

ntei

l[%

]

Zeit [h]

25 Upm50 Upm75 Upm

Page 113: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

6.4 Einflussfaktoren auf die Freisetzung in zweiphasigen Medien 97

Die Freisetzung erfolgt bei Drehzahlen ab 50 UpM deutlich schneller als bei 25 UpM. Im

Zeitraum ab 5 h nach Versuchsbeginn bestätigt der Unterschied der Kurven mit 50 UpM bzw.

75 Upm wie zu erwarten, dass eine höhere Rührintensität nicht nur die Freisetzungsrate,

sondern auch die Umverteilung in die n-Octanolphase beschleunigt, da Grenzflächeneffekte bei

höherer Hydrodynamik an der Phasengrenze weniger ausgeprägt auftreten. Der

Präzipitationseffekt und die anschließende Umverteilung sind hier deshalb weniger ausgeprägt.

Bei hohen Drehzahlen muss jedoch besonders bei multipartikulären Arzneiformen die größere

Tendenz zum Aufschwimmen beachtet werden. Ein direkter Kontakt der Arzneiformen mit der

organischen Phase sollte jedoch vermieden werden. Mit den Versuchsbedingungen und

Volumenverhältnissen für die in Kapitel 7 beschrieben Versuche war der Effekt der Drehzahl

auf die Freisetzungsrate insgesamt gering. Es sollte deshalb eine Drehzahl zwischen 50 UpM

und 75 UpM gewählt werden.

Der Verlauf des pH-Gradienten ist bei der Definition einer biorelevanten Methode zur

Charakterisierung der Freisetzung pH-abhängig löslicher Substanzen ein entscheidender

Faktor. Dies zeigt sich an den Löslichkeitswerten der verwendeten Substanzen in Tabelle 2-1

(Kapitel 2) und den deutlichen Reaktionen des Freisetzungsverhaltens nach pH-Änderungen (s.

Abb 6-3). Eine Orientierung am physiologischen pH-Verlauf und den Transitzeiten des GIT ist

zur biorelevanten Charakterisierung von Retardarzneiformen sinnvoll. Die modifizierte

Freisetzungsapparatur ist jedoch in der Anzahl und Dauer der pH-Schritte nicht beschränkt. Zur

stärkeren Diskriminierung von Formulierungen oder zur Qualitätskontrolle können weitere

Anpassungen jederzeit problemlos vorgenommen werden.

Der Einfluss der Volumenverhältnisse der wässrigen und der organischen Phase, sowie die

Variation der Grenzflächenverhältnisse sollte Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.

Die Methode, die für die in Kapitel 7 beschriebenen Versuche eingesetzt wurde, wird detailliert

im Experimentellen Teil der Arbeit in Kapitel 8.4.1.3 beschrieben. Der pH-Gradient wurde

entsprechend den unter 6.1 diskutierten physiologischen Verhältnissen gewählt. Durch die

Beschränkung auf zwei pH-Wechsel bleibt das System komfortabel in der Handhabung und

simuliert dennoch biorelevante Versuchsbedingungen.

Page 114: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

98 7 Biorelevanz der zweiphasigen Freisetzungsmethode

7 Biorelevanz der zweiphasigen Freisetzungsmethode

Im Rahmen der Entwicklung von Retardarzneiformen steht das Design von Arzneiformen mit

definierten Freisetzungskriterien im Fokus der Formulierungsfindung. Als Grundlage für die

Auswahl und Optimierung der geeigneten Formulierungen sind dazu verlässliche,

aussagekräftige und biorelevante Freisetzungsmethoden entscheidend.

Zur Bestimmung des prädiktiven Potentials des in Kapitel 6 vorgestellten Freisetzungsmodells

werden in diesem Kapitel Ergebnisse aus konventionellen Freisetzungsuntersuchungen,

Ergebnisse eines zweiphasigen Freisetzungsmodells mit integriertem pH-Gradient und

Humandaten einer klinischen Studie einander gegenübergestellt. Die Untersuchungen stützen

sich auf je vier unterschiedliche Formulierungen der beiden pH-abhängig schwerlöslichen

Wirkstoffe Dipyridamol und BI XX (s. Tabelle 2-1, Kapitel 2).

7.1 Arzneiformen mit modifizierter Dipyridamol Freisetzung

7.1.1 Verwendete Formulierungen

Vier Arzneiformen mit je 200 mg Dipyridamol, die auf unterschiedlichen

Herstellungstechnologien basieren (s. Tabelle 7-1), werden in einer konventionellen

Freisetzungsapparatur bei unterschiedlichen pH-Werten und in einem zweiphasigen

Freisetzungsmodell mit integriertem pH-Gradient auf ihr Freisetzungsverhalten untersucht. Bei

den Formulierungen D-1 und D-2 handelt es sich um mehrschichtige, multipartikuläre

Arzneiformen mit funktionellen Überzügen. Die Formulierungen D-3 und D-4 bestehen aus je

acht 6 mm Tabletten, deren Freisetzungsverhalten durch funktionelle Überzüge kontrolliert

wird.

Tabelle 7-1 Arzneiformen mit modifizierter Dipyridamol-Freisetzung (Dosis: 200 mg)

Formulierung Technologie Überzug

D-1 mehrschichtige Pellets Eudragit S- HP 55 - PVP

D-2 mehrschichtige Pellets Eudragit S- HP 55 - PVP

D-3 überzogene Tabletten EC - CAP - PEG

D-4 überzogene Tabletten EC - CAP PEG

Page 115: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

7.1 Arzneiformen mit modifizierter Dipyridamol Freisetzung 99

7.1.2 Konventionelle in vitro Freisetzung

Freisetzungsuntersuchungen der Dipyridamol Formulierungen werden in einer konventionellen

Freisetzungsapparatur (Drehkörbchenmethode) nach Ph. Eur. 6 (2010), Monographie 2.9.3

„Wirkstofffreisetzung aus festen Arzneiformen“, bei konstanten pH-Werten durchgeführt.

Abb. 7-1 Freisetzungsprofile vondipyridamolhaltigen Arzneiformen mit modi-fizierter Wirstofffreisetzung; Körbchen-methode, 100 UpM; in 900 ml

(a) 0,1 N Salzsäure,(b) 0,05 M Phosphatpuffer pH 5,5 + 2 %Cremophor RH,(c) 0,05 M Phosphatpuffer pH 6,8 + 2 %Cremophor RH;Mittelwerte ± Standardabweichung; n=3

Aus den Pelletformulierungen D-1 und D-2 wird trotz unterschiedlicher pH-Werte in jedem der

Freisetzungsmedien mehr als 80 % des Wirkstoffs innerhalb der ersten 6 h freigesetzt. Die

Freisetzung aus überzogenen Tabletten erfolgt demgegenüber stärker pH-abhängig.

Formulierung D-3 erreicht 80 % Freisetzung nach 2,5 h in pH 1 und nach 3,5 h in Medien mit

pH 5,5, jedoch erst nach 16 h in pH 6,8. Die deutlich langsamere Freisetzung in pH 6,8 zeigt

das pH-abhängige Freisetzungsverhalten dieser Arzneiform.

Das Freisetzungsprofil der Formulierung D-4 ist durch eine ausgedehnte Lag-Zeit geprägt, an

die sich eine vergleichsweise langsame Freisetzung des Wirkstoffs anschließt. Bei pH-Werten

0 4 8 12 16 20 240

20

40

60

80

100

(b)

D-1D-2D-3D-4

frei

gese

tzte

rA

ntei

l[%

]

Zeit [h]

0 4 8 12 16 20 240

20

40

60

80

100

(a)

frei

gese

tzte

rA

ntei

l[%

]

Zeit [h]

D-1D-2D-3D-4

0 4 8 12 16 20 240

20

40

60

80

100

(c)

frei

gese

tzte

rA

ntei

l[%]

Zeit [h]

D-1D-2D-3D-4

Page 116: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

100 7 Biorelevanz der zweiphasigen Freisetzungsmethode

über 6,8 verringert sich diese Lag-Zeit jedoch deutlich von 5 h auf 1 h. Offensichtlich ändert

sich bei diesem pH-Wert der Freisetzungsmechanismus.

Die konventionellen Freisetzungsuntersuchungen bei drei verschiedenen, konstanten pH-

Werten zeigen hinsichtlich der Freisetzungsgeschwindigkeit keine homogene Reihenfolge der

getesteten Formulierungen. Aufgrund der variierenden pH-Empfindlichkeit der vier

Formulierungen ist eine technologieübergreifende Abstufung des Freisetzungsverhaltens auf

Basis der konventionellen Freisetzungsmethoden für unterschiedliche pH-Werte nicht möglich.

Damit ist die in vivo Vorhersagekraft dieser Methode sehr gering (vgl. Abb. 7-1 und Abb. 7-3).

7.1.3 Zweiphasiges in vitro Freisetzungsmodell

Die Freisetzung der vier Dipyridamol-Formulierungen wird analog der Methode in Kapitel

8.4.1.3 im zweiphasigen Freisetzungsmodell mit pH-Gradient untersucht (s. Abb. 7-2).

Abb. 7-2 Freisetzungsverhalten dipyridamolhaltiger Arzneiformen mit modifizierter Freisetzung imzweiphasigen Freisetzungsmodell; pH-Änderungen nach 1 h, 3 h, 5 h Freisetzung; Blattrührer 50 UpM;500 ml Phosphatpuffer, 100 ml n-Octanol; Mittelwert ± Standardabweichung; n = 3

Das Freisetzungsprofil der Formulierung D-1 zeigt eine komplette Wirkstofffreisetzung nach

5 h. In dieser Zeit setzt Formulierung D-2 mit 80 % Freisetzung ebenfalls einen Großteil der

Dosis frei. Nach der pH-Erhöhung auf pH 6,8 findet bei beiden Formulierungen keine weitere

Freisetzung statt. Aus Formulierung D-3 wird innerhalb der ersten 3 h 90 % des Wirkstoffs mit

einer identischen Kinetik wie aus Formulierung D-1 freigesetzt. Im Gegensatz zu dieser

Formulierung findet bei D-3 allerdings bereits nach der erneuten Einstellung des pH auf 5,5

nach 3 h keine weitere Freisetzung mehr statt. Die relativ langsam freisetzenden Tabletten der

Formulierung D-4 erreichen nach einer Lag-Zeit von 5 h noch etwa 50 % Freisetzung. Dies ist

0 4 8 12 16 20 240

20

40

60

80

100

frei

gese

tzte

rA

ntei

l[%

]

Zeit [h]

D-1D-2D-3D-4

Page 117: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

7.1 Arzneiformen mit modifizierter Dipyridamol Freisetzung 101

erstaunlich, da bei diesen Bedingungen in der wässrigen Phase keine ausreichende Löslichkeit

des Wirkstoffs gewährleistet ist. Dadurch kommt die Qualität der Arzneiform zum Ausdruck,

entgegen den ungünstigen pH-Verhältnissen lösungsvermittelnd zu wirken.

7.1.4 In vivo Bioverfügbarkeit

Zur Bewertung der pharmakokinetischen Parameter der vier Dipyridamol Formulierungen wird

eine Bioverfügbarkeitsstudie an mindestens sechs gesunden männlichen Probanden in

nüchternem Zustand durchgeführt. Die Arzneiformen werden in einem cross-over Design in

Form einer Einmal-Dosierung verabreicht und die Blut-Plasmakonzentrationen zu

vorherbestimmten Zeitpunkten ermittelt. Anhand der Blut-Plasmaspiegel einer schnell

freisetzenden Tablette mit identischer Dosis wird auf Basis der individuellen

Plasmakonzentrationen die relative Bioverfügbarkeit der verzögert freisetzenden Arzneiformen

bestimmt (Gl. 7-1).

IR

MRrel

AUC

AUCAUC Gl. 7-1

Die Daten dieser Studie zeigt Abb. 7-3 in einem kumulativen Bioverfügbarkeits-/ Zeit- Profil.

Abb. 7-3 Kumulativer Verlauf der Resorption (in vivo) dipyridamolhaltiger Arzneiformen mit modifizierterFreisetzung in Relation zu einer schnell freisetzenden Formulierung; je n = 6; nüchtern

Formulierung D-1 erzielt eine Bioverfügbarkeit von annähernd 100 % und zeigt eine leicht

verzögerte Wirkstoffresorption. Die Bioverfügbarkeit der Formulierung D-2 erreicht denselben

Wert, obwohl die in vivo Daten eine Lag-Zeit von etwa einer Stunde anzeigen. Obwohl die

Wirkstoffresorption bei Formulierung D-3 zu Beginn identisch der Kinetik der Formulierung

D-1 verläuft, bleibt die Bioverfügbarkeit bei dieser Formulierung unvollständig. Entsprechend

0 4 8 12 16 20 240,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

rel.

AU

C

Zeit [h]

D-1D-2D-3D-4

Page 118: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

102 7 Biorelevanz der zweiphasigen Freisetzungsmethode

der Beobachtungen der in vitro Freisetzung von Formulierung D-4 ist auch ihr in vivo Profil

durch eine ausgeprägten Lag-Zeit von 3,5 h charakterisiert. Die Formulierungen D-3 und D-4

zeigen eine Bioverfügbarkeit von nur knapp 80 %.

Bei der Gegenüberstellung der Freisetzungsprofile des zweiphasigen Freisetzungsmodells mit

den in vivo Daten aus der Bioverfügbarkeitsstudie zeigt sich eine qualitative Übereinstimmung.

In beiden Untersuchungen erfolgt die Wirkstofffreigabe der Formulierungen D-1 und D-3 sehr

schnell. Die geringere Bioverfügbarkeit des Wirkstoffs aus Formulierung D-3 könnte durch

eine unvollständige Bereitstellung des Wirkstoffs aus der Arzneiform begründet sein. So

ermöglicht Formulierung D-1 im in vitro Modell eine Freisetzung des Wirkstoffs über 5 h und

erzielt eine gute Bioverfügbarkeit gegenüber nur 3 h aktiver Freisetzung bei Formulierung D-

3. Dies wird von den Ergebnissen der Formulierung D-2 gestützt. Die gute Bioverfügbarkeit

korrespondiert hier ebenfalls mit der Kapazität den Wirkstoff in vitro auch bei unvorteilhaften

Löslichkeitsbedingungen zur Verfügung zu stellen. Die geringere in vitro Freisetzung von D-2

gegenüber D-1 wird in vivo nicht bestätigt. Das schlechte Abschneiden der Formulierung D-4

in der Bioverfügbarkeitsstudie stimmt mit dem Ergebnis der in vitro Freisetzung überein. Der

kinetische Verlauf beider Untersuchungen gleicht sich in der Lag-Zeit zu Beginn und der stark

verzögerten Freisetzungs- bzw. Resorptionskinetik.

7.2 Arzneiformen mit modifizierter BI XX Freisetzung

7.2.1 Verwendete Formulierungen

Vier Arzneiformen mit je 100 mg BI XX, die auf unterschiedlichen Herstellungstechnologien

basieren, werden in einer konventionellen Freisetzungsapparatur bei unterschiedlichen pH-

Werten und in einem zweiphasigen Freisetzungsmodell mit integriertem pH-Gradient auf ihr

Freisetzungsverhalten geprüft. Diese in vitro Ergebnisse werden einer humanen Bioverfügbar-

keitsstudie gegenübergestellt und bewertet. Bei den Formulierungen B-1, B-2 und B-4 handelt

es sich um mehrschichtige multipartikuläre Arzneiformen mit funktionellen Überzügen, bei

Formulierung B-3 um eine verzögert freisetzende Matrixtablette (s. Tabelle 7-2).

Tabelle 7-2 Typ und Überzüge von Arzneiformen mit modifizierter BI XX Freisetzung

Formulierung Technologie Überzug

B-1 mehrschichtige Pellets HP- 50- PVP

B-2 mehrschichtige Pellets HP- 50- PVP

B-3 Matrixtablette -

B-4 mehrschichtige Pellets EC/ Eudragit L 30D

Page 119: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

7.2 Arzneiformen mit modifizierter BI XX Freisetzung 103

7.2.2 Konventionelle in vitro Freisetzung

Freisetzungsuntersuchungen der BI XX Formulierungen werden in einer konventionellen

Freisetzungsapparatur (Körbchenmethode) nach Ph. Eur. 6 (2010), Monographie 2.9.3

„Wirkstofffreisetzung aus festen Arzneiformen“, bei konstanten pH-Werten in

Freisetzungsmedien mit pH 1,0 und pH 5,5 durchgeführt (s. Abb 7-4).

Abb. 7-4 Freisetzungsprofile von BI XX Arzneiformen mit modifizierter Wirkstofffreisetzung;(a) in 0,1 N Salzsäure, (b)in 0,05 M Phosphatpuffer pH 5,5 + 0,5 % Cremophor RH; Körbchenmethode,100 UpM; in 900 ml; Mittelwerte ± Standardabweichung; n = 3

Die Pellet-Formulierung B-1 zeigt in beiden Freisetzungsmedien eine sehr schnelle

Freisetzungsgeschwindigkeit der gesamten Dosis. Das Freisetzungsprofil in salzsaurem Milieu

ist durch eine markante, etwa zweistündige Lag-Zeit gekennzeichnet, während die

Wirkstofffreisetzung in pH 5,5 sofort einsetzt. Die Freisetzung aus der Arzneiform B-2 verläuft

stärker pH-abhängig. Während die Freisetzung im Medium mit pH 1 sehr gleichmäßig und in

den ersten 12 h fast nach einer Kinetik nullter Ordnung erfolgt, wird in pH 5,5 80 % der Dosis

innerhalb der ersten 4 h freigesetzt. Die Matrixtablette, Formulierung B-3, setzt den Wirkstoff

sehr konstant und relativ pH-unabhängig frei. In beiden Medien werden nach 4 h 40 % der

Dosis und nach 12 h etwa 80 % der Dosis freigesetzt. Formulierung B-4 setzt den Wirkstoff in

beiden Medien relativ langsam frei. Auffällig ist bei dieser Formulierung, dass die Freisetzung

im Vergleich zu den anderen Arzneiformen bei pH 5,5 schneller stattfindet, als im sauren

Medium.

Die Freisetzungsuntersuchungen bei unterschiedlichen pH-Werten zeigen hinsichtlich der

Freisetzungsgeschwindigkeit erneut keine homogene Reihenfolge der getesteten

Formulierungen. Bei den Pellet-Formulierungen scheint Formulierung B-1 den Wirkstoff am

0 4 8 12 16 20 240

20

40

60

80

100

frei

gese

tzte

rA

ntei

l[%

]

Zeit [h]

B-1B-2B-3B-4

(b)

0 4 8 12 16 20 240

20

40

60

80

100

frei

gese

tzte

rA

ntei

l[%

]

Zeit [h]

B-1B-2B-3B-4

(a)

Page 120: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

104 7 Biorelevanz der zweiphasigen Freisetzungsmethode

schnellsten und Formulierung B-4 am langsamten freizugeben. Aufgrund der variierenden pH-

Sensitivität der vier Formulierungen ist es jedoch unmöglich auf Basis dieser

Freisetzungsmethode eine Vorhersage des in vivo Verhaltens über die Grenzen der

verwendeten Herstellungstechnologie hinaus zu treffen.

7.2.3 Zweiphasiges in vitro Freisetzungsmodell

Die Freisetzung der vier BI XX Formulierungen wird entsprechend der in Kapitel 8.4.1.3

beschriebenen Methode ebenfalls in einem zweiphasigen Freisetzungsmodell mit pH-Gradient

untersucht (s. Abb. 7-5).

Abb. 7-5 Freisetzungsverhalten von BI XX Arzneiformen mit modifizierter Freisetzung im zweiphasigenFreisetzungsmodell; pH-Änderungen nach 1 h, 3 h, 5 h Freisetzung; Blattrührer 50 UpM; 500 mlPhosphatpuffer, 100 ml n-Octanol; Mittelwert ± Standardabweichung; n = 3

In diesem Freisetzungsmodell tritt bei Formulierung B-1 nach 1,5 h eine deutliche

Beschleunigung der Freisetzungsgeschwindigkeit ein. Innerhalb von zwei Stunden werden trotz

des für die Löslichkeit der Substanz sehr ungünstigen pH-Wertes des Mediums bis zu 70 % der

Dosis freigesetzt. Das darauffolgende Absinken der freigesetzten, gelösten Wirkstoffmenge

wird durch Präzipitation eines Teils des gelösten Wirkstoffs verursacht, nachdem der pH-Wert

5 h nach Versuchsbeginn auf pH 6,8 erhöht wurde. Wie schon bei den Versuchen mit

Dipyridamol Formulierungen zu beobachten, wird der ausgefällte Wirkstoff mit zunehmender

Versuchsdauer erneut gelöst und in die organische Phase umverteilt. Formulierung B-2 setzt

den Wirkstoff am zweitschnellsten frei. Im Bereich zwischen 1 h und 5 h nach Versuchsbeginn,

wird ebenfalls ein Anstieg der Freisetzungsrate beobachtet. Danach erfolgt die weitere

Freisetzung mit einer relativ konstanten Freisetzungsrate. Am wenigsten pH-abhängig erfolgt

die Freigabe des Wirkstoffs aus der Matrixtablette B-3. Trotz der großen pH-Änderungen

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 240

20

40

60

80

100

frei

gese

tzte

rA

ntei

l[%

]

Zeit [h]

B-1B-2B-3B-4

Page 121: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

7.2 Arzneiformen mit modifizierter BI XX Freisetzung 105

verläuft die Freigabe über 18 h annähernd nach einer Kinetik nullter Ordnung. Die geringste

Freisetzungsgeschwindigkeit zeigt Formulierung B-4. Innerhalb der ersten sechs Stunden

werden nur 15 % der Dosis freigesetzt. Im Anschluss an diese Lag-Zeit steigt die

Freisetzungsrate allerdings trotz des hohen pH-Werts in der wässrigen Phase an. Die pulsartige

Beschleunigung der Freisetzung aus den Formulierungen B-1 und B-2 nach etwa 1,5 h ist also

Ausdruck der Fähigkeit dieser Arzneiformen, den Wirkstoff auch bei sehr ungünstigen äußeren

Löslichkeitsbedingungen gelöst freizugeben.

7.2.4 In vivo Bioverfügbarkeit

Zur Bewertung der pharmakokinetischen Parameter der Formulierungen wird eine

Bioverfügbarkeitsstudie an 20 gesunden männlichen Probanden im nüchternen Zustand

durchgeführt. Die Arzneiformen werden in einem cross-over Design als Einmal-Dosierung

verabreicht und die Blut-Plasmakonzentrationen zu vorherbestimmten Zeitpunkten ermittelt.

Anhand der Blut-Plasmaspiegel einer schnell freisetzenden Tablette mit identischer Dosis

wurde auf Basis der individuellen Plasmakonzentrationen die relative Bioverfügbarkeit der

verzögert freisetzenden Arzneiformen bestimmt (s. Gl. 7-1). Die Daten dieser Studie werden in

einem kumulativen Bioverfügbarkeits-/ Zeit- Profil und in einem Plasmakonzentrations-/ Zeit-

Profil dargestellt (Abb. 7-6a und b).

Abb. 7-6 a) Kumulativer Verlauf der Resorption (in vivo) von BI XX Arzneiformen mit modifizierterFreisetzung in Relation zu einer schnell freisetzenden Formulierung; b) absolutePlasmakonzentrationen (in vivo) von BI XX Arzneiformen mit modifizierter Freisetzung; je n = 20;nüchtern

Die Formulierungen B-1 bis B-3 erreichen ordentliche Bioverfügbarkeitswerte zwischen 80 %

und 90 %. Formulierung B-4 schneidet mit einer Bioverfügbarkeit von weniger als 30 % sehr

schlecht ab (s. Abb. 7-6a). Die Resorptionsgeschwindigkeit, des aus Formulierung B-1

0 4 8 12 16 20 24 28 32 36 40 44 480,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

1,0

B-1B-2B-3B-4re

l.A

UC

Zeit [h]

0 4 8 12 16 20 240

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Pla

smak

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tion

[ng/

ml]

Zeit [h]

B-1B-2B-3B-4

a) b)

Page 122: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

106 7 Biorelevanz der zweiphasigen Freisetzungsmethode

freigesetzten Wirkstoffs ist am höchsten, gefolgt von B-2. Aus Formulierung B-3 wird der

Wirkstoff über einen sehr langen Zeitraum von bis zu 48 h mit einer sehr konstanten

Resorptionsrate aufgenommen. Aus der Darstellung der Plasmakonzentrationskurven (s. Abb.

7-6b) der einzelnen Formulierungen wird deutlich, dass die Freigabe des Wirkstoffs aus

Formulierung B-1 auch in vivo pulsatil nach einer Lag-Zeit von etwa 1 - 2 h erfolgt und diese

etwa 4 h lang anhält. Da in vivo in den Abschnitten des Dünndarms, wo sich die Arzneiform

nach 2 h befinden müsste, die pH-Verhältnisse ebenfalls ungünstig für die Löslichkeit des

Wirkstoffs ist, beweisen die in vivo Daten, dass der Formulierungsansatz von Formulierung B-

1 auch in vivo funktioniert und geeignet ist, um diesen pH-abhängig schwerlöslichen Wirkstoff

zuverlässig bei guter Verfügbarkeit zu verabreichen. Dies gilt auch für Formulierung B-3, die

den Wirkstoff trotz ungünstiger Löslichkeitsbedingungen gleichmäßig in bioverfügbarer Form

freigibt. Die Werte von B-2 müssten relativ zu B-1 niedriger liegen, da hier unterschiedliche

Studiengruppen verglichen werden. Das relative Abschneiden der Formulierungen

untereinander wird deshalb durch Abb. 7-6a besser dargestellt.

Beim Vergleich der in vitro Freisetzungsraten des neuen Freisetzungsmodells mit den

Resorptionsraten der in vivo Studie ergeben sich klare Übereinstimmungen. Die gute

Bioverfügbarkeit und die schnelle Resorptionsgeschwindigkeit von Formulierung B-1

korrespondiert offensichtlich mit der pulsatilen Freigabe des Wirkstoffs, die im neuen

Freisetzungsmodell nach 1,5 h auftritt. Dieser Effekt ist bei Formulierung B-2 in vitro

schwächer ausgeprägt und nach 12 h wird kein weiterer Wirkstoff freigesetzt. Demzufolge

ergibt sich eine geringere Bioverfügbarkeit. Formulierung B-3 überzeugt dagegen in vitro mit

einer pH-unabhängigen, linearen Freisetzungskinetik. Dieses Freisetzungsverhalten wird auch

vom Verlauf des in vivo Profils bestätigt. Die Fähigkeit den Wirkstoff trotz sehr schlechter

Löslichkeitsbedingungen in gelöster Form freizusetzen scheint auch auf den physiologischen

pH-Verlauf übertragbar zu sein und resultiert schließlich in einer guten Bioverfügbarkeit. Das

überdurchschnittlich schlechte Abschneiden der Formulierung B-4 konnte auf Basis der

konventionellen Freisetzungsergebnisse nicht erwartet werden. Da der Wirkstoff BI XX über

den kompletten Verdauungstrakt resorbiert werden kann, liegt die Ursache der schlechten

Bioverfügbarkeit vermutlich in der ungenügenden in vivo Freisetzung aus der Arzneiform. Dies

wird durch das Freisetzungsverhalten der Formulierung B-3 unterstützt, die trotz langsamer

und gleichmäßiger Freisetzung eine gute Bioverfügbarkeit erzielt. Auch für B-4 stimmt somit

das qualitative Abschneiden der Formulierung in vivo mit dem Freisetzungsverhalten im

zweiphasigen Freisetzungstest besser mit den in vivo Daten überein als bei Untersuchungen mit

konventionellen Freisetzungsmethoden.

Page 123: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

7.3 Zusammenfassung des Kapitels 107

Die Ergebnisse des zweiphasigen Freisetzungssystems der BI XX Formulierungen geben

wichtige Hinweise auf das Freisetzungsverhalten der Formulierungen unter physiologischen

pH-Verhältnissen und stimmen weitgehend mit den Erkenntnissen aus der in vivo Studie

überein.

7.3 Zusammenfassung des Kapitels

Konventionelle Freisetzungsmethoden haben insbesondere bei der Prüfung von

Retardarzneiformen mit pH-abhängig löslichen Arzneistoffen häufig nur eine begrenzte

Aussagekraft, was das tatsächliche in vivo Verhalten der Arzneiformen betrifft. In zahlreichen

Untersuchungen konnte durch Freisetzungsmethoden, bei denen die Arzneiform mehrere

aufeinanderfolgende pH-Änderungen durchläuft, eine höhere Biorelevanz der in vitro

Untersuchung erreicht werden [Fotaki 2009a; Klein 2008; Kostewicz 2002; Nicolaides 1999;

Nicolaides 2001; Willmann 2007]. Bei der Prüfung von Arzneiformen mit schwerlöslichen

Wirkstoffen können Sink-Bedingungen häufig nur durch den Zusatz von Tensiden oder den

Einsatz großer Volumina der Freisetzungsmedien beseitigt werden.

Die Kombination eines zweiphasigen, wässrig-organischen Freisetzungsmediums mit einem

direkt in der wässrigen Phase kontrollierbarem pH-Gradienten, der den pH-Verlauf des GIT

simuliert, ermöglicht, das Freisetzungsverhalten von Arzneiformen mit pH-abhängig

schwerlöslichen Wirkstoffen in bewährten Freisetzungsmedien zu untersuchen, ohne dass

aufgrund fehlender Sink-Bedingungen artifizielle Ergebnisse generiert werden.

Für unterschiedliche Formulierungen mit modifiziertem Freisetzungsverhalten der Wirkstoffe

Dipyridamol und BI XX zeigen konventionelle Freisetzungsuntersuchungen uneinheitliche

Ergebnisse bei unterschiedlichen pH-Werten, die deshalb schwer auf das in vivo Verhalten zu

übertragen sind. Das zweiphasige Freisetzungsmodell liefert dagegen aussagekräftige

Ergebnisse und ermöglicht biorelevante Vergleiche zwischen Freisetzungsprofilen von

Formulierungen mit verschiedenen Herstellungstechnologien. Die qualitative Vorhersagekraft

des neuen Freisetzungssystems konnte mit je vier Formulierungen an zwei unterschiedlichen

Wirkstoffen bestätigt werden. Insbesondere Formulierungen mit schlechter Bioverfügbarkeit

werden stärker diskriminiert und können auch bei widersprüchlichen Freisetzungsergebnissen

der konventionellen Methoden im Vorfeld einer klinischen Prüfung erkannt werden. Auf dieser

Basis kann das zweiphasige Freisetzungssystem als ein wertvolles Instrument bei der Auswahl

und Optimierung von Retardformulierungen von BCS II Substanzen eingesetzt werden.

Page 124: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

108 8 Experimenteller Teil

8 Experimenteller Teil

8.1 Verwendete Materialien

Tabelle 8-1 Standardsubstanzen, Lösungsmittel und Chemikalien

Trivialname / IUPAC / CAS Ch.-B. bzw. Lot. Nummer Hersteller / Lieferant

Aceton 704480 Boehringer-Ingelheim

BI 11634 Na 3070161 Boehringer-Ingelheim

BI XX 0404059311 Boehringer-Ingelheim

Cellets 700 306776 Harke Pharma

Dipyridamol, kristallin 705981 Boehringer-Ingelheim

Isopropylalkohol 90002387 Boehringer-Ingelheim

Natriumhydroxid Plätzchen B0042998 Merck

Natronlauge 0,1 M TitriPur HC938353 Merck

Natronlauge 1 molar OC5666168 Merck

Salzsäure 1 molar HC808411 Merck

Theophyllin 8072771AX10 BASF

Weinsäurerundlich 101529 Boehringer-Ingelheim

Weinsäurestarterpellets 706982 Boehringer-Ingelheim

Tabelle 8-2 Materialien für die Tablettierung

Trivialname / IUPAC / CAS Ch.-B. bzw. Lot. Nummer Hersteller / Lieferant

demineralisiertes Wasser - Boehringer-Ingelheim

Dipyridamol, kristallin 705981 Boehringer-Ingelheim

Laktose fein 401240 Boehringer-Ingelheim

Weinsäure pulvis 701298 Boehringer-Ingelheim

Magnesiumstearat 703378 Boehringer-Ingelheim

Siliciumdioxid 701575 Boehringer-Ingelheim

Page 125: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

8.1 Verwendete Materialien 109

Tabelle 8-3 Materialien für Filmüberzüge auf Pellets und isolierte Filmüberzüge

Trivialname / IUPAC / CAS Ch.-B. bzw. Lot. Nummer Hersteller / Lieferant

Aquacoat ECD 30 JN07818105 FMC Biopolymers

demineralisiertes Wasser - Boehringer-Ingelheim

Dibutylsebacat 00066033.1 Boehringer-Ingelheim

Eudragit NE 30D B060912100 Röhm / Evonik

Eudragit RS 30D G060318044 Röhm / Evonik

HP-50 5121449 Shin-Etsu

Isomalt 705161 Palatinit

Isopropylalkohol 90002387 Boehringer-Ingelheim

Klucel EF (HPC) 504192 Gattefosse

Kollicoat IR 72580716KO BASF

Kollicoat MAE 30D 4320300TO BASF

Kollicoat SR 30D 4543512440 BASF

Kollidon 17 704997 Boehringer-Ingelheim

Natriumsulfat anhydrat 51440 Riedel-de Haen

Polysorbat 80 500118 Boehringer-Ingelheim

Talkum 600592 Boehringer-Ingelheim

Triethylcitrat 602280 Boehringer-Ingelheim

Ethylcellulose N 14 801808 Hercules

Celluloseacetat 62505NF Eastman

Page 126: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

110 8 Experimenteller Teil

8.2 Geräte zur allgemeinen Anwendung

Gerätebezeichnung Typ Hersteller

Laborwaage PG5002-S Delta Range Mettler Toledo

Präzisionswaage XP 12002M DeltaRange Mettler Toledo

Analysenwaage XP 504 Delta Range Mettler Toledo

Analysenwaage XP 404 Delta Range Mettler Toledo

Turbula Mischer Turbula H2C Bachofen

Magnetrührer MR Hei-Mix S Heidolph Instruments

Umlufttrockenschrank FP 115 Binder

Schlauchquetschpumpe 505 Di Watson Marlow

Schlauchquetschpumpe IP-12 Ismatec

Pipette 100 µl-1000 µl Eppendorf

Silikonschläuche ID: 2mm, GD: 6 mm VWR International

Maprene Silikonschlauch 913.A0024.016 Watson Marlow

Dispergiergerät T 25 Ultra-Turrax IKA

Flügelrührer Eurostar digital IKA

Wirbelschichtgerät, 0,5 kg – 5 kg Unilab Hüttlin

Wirbelschichtgerät, 50 g – 700 g Mycrolab Hüttlin

Wirbelschichtgerät, 30 g – 200 g MiniGlatt Glatt

Wirbelschichtgerät, 20 g – 150 g Aircoater Innojet

Einhub-Tablettenpresse Flexitab Röltgen

Page 127: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

8.3 Galenische Verfahren 111

8.3 Galenische Verfahren

8.3.1 Herstellung von Wirkstoffpellets

Auf eine Ansatzgröße von 1500 g Cellets 700 wird in einem Wirbelschichtgerät (Unilab, Fa.

Hüttlin) im Gleichstromverfahren eine Wirkstoffschicht aufgetragen (Theophyllin,

Dipyridamol, BI XX). Die isopropanolische Wirkstoffsuspension mit einem Feststoffgehalt

von 25 % enthält 5 % Hydroxyropylcelluslose als Binder und 15 % Talkum als Trennmittel. Es

wird eine Wirkstoffbeladung der Pellets von 20 % (m/m) angestrebt.

Herstellung der Wirkstoffsuspension

In der vorgelegten Menge von 1600 g Isopropylalkohol werden 80 g Hydroxypropylcellulose

portionsweise zugegeben und gelöst. Anschließend wird die mit Talkum gemischte Menge des

eingesetzten Wirkstoffs dispergiert, verschlossen und über Nacht lichtgeschützt bei

Raumtemperatur gerührt. Vor Beginn des Sprühprozess wird der Verlustausgleich an

Lösungsmittel mit Isopropylalkohol durchgeführt. Die Wirkstoffsuspension wird unter

permanentem Rühren über eine Schlauchpumpe (Modell 500, Fa. Watson-Marlow) gefördert

und mit einer Dreistoffdüse mit einem Durchmesser von 1,2 mm versprüht.

Tabelle 8-4 Prozessparameter zum Überziehen von Pellets am Hüttlin Unilab

Ansatzgröße [g] 1500

Zuluftmenge [m3/h] 120

Zulufttemperatur [°C] 30

Kernbetttemperatur [°C] 25

Ablufttemperatur [°C] 25

Aufheizzeit [min] 30

Sprühdauer [min] ca. 360

Sprühdruck [bar] 0,6

Mikroklima [bar] 0,3

Düsenöffnung [mm] 1,2

Sprührate [g/min] 2-30

Nachtrocknung [min] 10

Page 128: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

112 8 Experimenteller Teil

Es wird ein Sprühverlust von 15 % berücksichtigt. Die Wirkstoffpellets werden anschließend

im Umlufttrockenschrank 12 h bei 40 °C getrocknet. Die getrockneten Pellets werden gesiebt

und die agglomeratfreie Fraktion kleiner 1,25 mm verwendet.

8.3.2 Überziehen von Wirkstoffpellets mit wässrigen Dispersionen

Jeweils 100 g Wirkstoffpellets werden in einem Wirbelschichtgerät (MycroLab, Fa. Hüttlin) im

Gleichstromverfahren mit den in Tabelle 8-5 und 8-6 angegebenen Filmdispersionen

überzogen. Der Feststoffanteil der Dispersionen beträgt 12 % (m/m). Den Kollicoat MAE-

Dispersionen wird als Weichmacher 20 % (m/m) TEC, als Trennmittel 50 % (m/m) Talkum,

jeweils bezogen auf LTS, zugesetzt. Dispersionen von Aquacoat ECD 30D wird als

Weichmacher 30 % (m/m) TEC bezogen auf LTS zugesetzt, ein Trennmittel ist nicht

erforderlich (s. Tabelle 8-6). Das wasserlösliche Polymer Kollicoat IR wird in Anteilen von 10

% - 40 % (m/m) bezogen auf LTS eingesetzt. Der Polymerauftrag auf den Pellets nach

Überziehen beträgt 8 % (m/m) oder 2 mg/cm2.

Herstellung der Filmsuspension

TEC, Kollicoat IR und Talkum werden in Wasser gelöst und unter kräftigem Rühren auf einem

Magnetrührer 30 min homogenisiert. Die Suspension wird unter Rühren der Polymerdispersion

zugefügt und anschließend erneut 30 min homogenisiert.

Tabelle 8-5 Zusammensetzung wässriger Filmüberzüge von Wirkstoffpellets

Filmüberzug I II II IV V

Kollicoat MAE 30D [g] 33,3 30 26,7 23,3 20

Kollicoat IR [g] 0 1 2 3 4

Triethylcitrat [g] 2 2 2 2 2

Talkum [g] 5 5 5 5 5

Wasser [g] 101,3 103,7 106 108,3 110,7

Gesamt [g] 141,7 141,7 141,7 141,7 141,7

LTS bezogen auf Ansatzgröße 8 % 8 % 8 % 8 % 8 %

Porenanteil bezogen auf LTS 0% 10% 20% 30% 40%

Page 129: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

8.3 Galenische Verfahren 113

Tabelle 8-6 Zusammensetzung wässriger Filmüberzüge von Wirkstoffpellets

Filmüberzug I II II IV V

Aquacoat ECD 30D [g] 33,3 30 26,7 23,3 20

Kollicoat IR [g] 0 1 2 3 4

Triethylcitrat [g] 3 3 3 3 3

Wasser [g] 72 74,33 76,7 79 81,3

Gesamt [g] 108,3 108,3 108,3 108,3 108,3

LTS bezogen auf Ansatzgröße 8 % 8 % 8 % 8 % 8 %

Porenanteil bezogen auf LTS 0% 10% 20% 30% 40%

Tabelle 8-7 Prozessparameter zum Überziehen von Pellets am Hüttlin MycroLab

Filmüberzug Aquacoat ECD 30D-Dispersion Eudragit L 30D- Dispersion

Ansatzgröße Pellets [g] 100 100

Düsentyp 3-Stoff 3-Stoff

Düsendurchmesser [mm] 0,6 0,6

Zuluftmenge [m3/h] 16-19 16-19

Zulufttemperatur [°C] 60 45-55

Kernbetttemperatur [°C] 45 32-35

Ablufttemperatur [°C] 33 28

Aufheizzeit [min] 30 30

Sprührate [g/min] 0,4-2,5 0,4-2,5

Sprühdauer [min] ca. 90 ca. 90

Sprühdruck [bar] 0,7 0,7

Mikroklima [bar] 0,3 0,3

Nachtrocknung [min] 10 10

Es wird mit einem Sprühverlust von 10 % kalkuliert. Die Wirkstoffpellets werden anschließend

im Umlufttrockenschrank 12 h bei 40 °C bzw. 60 °C getrocknet. Die getrockneten Pellets

werden gesiebt und die agglomeratfreie Fraktion kleiner 1,25 mm verwendet.

Page 130: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

114 8 Experimenteller Teil

8.3.3 Überziehen von Wirkstoffpellets mit organischen Filmüberzügen

Jeweils 50 g Wirkstoffpellets werden in einem Wirbelschichtgerät (MiniGlatt, Fa. Glatt) im

Gleichstromverfahren mit Stickstoffzufuhr und den in Tabelle 8-8 angegebenen

Filmdispersionen überzogen. Polymere und Weichmacher liegen dabei gelöst vor, Talkum wird

dispergiert. Der Feststoffanteil der Dispersionen beträgt 7,5 % (m/m). Als Weichmacher wird

20 % (m/m) TEC, als Trennmittel 50 % (m/m) Talkum, jeweils bezogen auf LTS, zugesetzt.

Die wasserlöslichen Polymere Kollidon 17 bzw. Kollicoat IR werden in Anteilen von 10 % -

50 % (m/m) bezogen auf LTS eingesetzt. Der Polymerauftrag auf den Pellets nach Überziehen

beträgt 8 % (m/m) oder 2 mg/cm2.

Herstellung der Filmsuspension

HP-50 wird in Isopropanol auf einem Magnetrührer 10 min dispergiert. TEC, Kollicoat IR bzw.

Kollidon 17 werden in Wasser gelöst und zusammen mit Talkum unter kräftigem Rühren auf

einem Magnetrührer 30 min homogenisiert. Die Suspension wird unter Rühren der organischen

Polymerdispersion zugefügt und anschließend 120 min auf einem Magnetrührer gerührt. Die

Suspension wird vor der weiteren Verwendung auf ungelöste Polymeranteile geprüft und nur

dann verwendet, wenn diese nicht vorhanden sind.

Tabelle 8-8 Zusammensetzung organischer Filmüberzüge am MiniGlatt

Filmüberzug I II II IV V

HP- 50 [g] 9 8 7 6 5

Kollicoat IR / Kollidon 17[g] 1 2 3 4 5

Triethylcitrat [g] 2 2 2 2 2

Talkum [g] 5 5 5 5 5

Wasser [g] 28,6 28,6 28,6 28,6 28,6

Isopropanol [g] 114,4 114,4 114,4 114,4 114,4

Gesamt [g] 160 160 160 160 160

LTS bezogen auf Ansatzgröße 8% 8% 8% 8% 8%

Porenanteil bezogen auf LTS 10% 20% 30% 40% 50%

Page 131: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

8.3 Galenische Verfahren 115

Tabelle 8-9 Prozessparameter zum Überziehen von Pellets am MiniGlatt

Ansatzgröße [g] 50

Prozessdruck [bar] 0,6-1,0

Zulufttemperatur [°C] 30

Kernbetttemperatur [°C] 28

Ablufttemperatur [°C] 28

Aufheizzeit [min] 20

Sprühdauer [min] 60

Sprühdruck [bar] 0,5

Düsenöffnung [mm] 0,6

Sprührate [g/min] 1,0-1,5

Nachtrocknung [min] 15

Es wird mit einem Sprühverlust von 10 % kalkuliert. Die Wirkstoffpellets werden anschließend

im Umlufttrockenschrank 12 h bei 40 °C getrocknet, gesiebt und die agglomeratfreie Fraktion

kleiner 1,25 mm verwendet.

8.3.4 Herstellung von Mischungen wässriger Latex-Dispersionen

Herstellung talkumhaltiger Eudragit RS 30D-Dispersionen

Talkum wird in Wasser suspendiert und die Suspension 10 min mit dem Ultra-Turrax

homogenisiert. Nach Zugabe von TEC und Eudragit RS 30D wird die Dispersion 30 min bei

Raumtemperatur auf einem Magnetrührer gerührt. Die Dispersion wird vor der weiteren

Verwendung auf sichtbare Ausfällungen geprüft und nur dann verwendet, wenn diese nicht

vorhanden sind. Unmittelbar vor Gebrauch wird die Dispersion durch ein Sieb mit 250 µm

Maschenweite gesiebt, um mögliche Agglomerate zu entfernen.

Herstellung salzhaltiger Eudragit RS 30D-Dispersionen

Die Herstellung erfolgt analog zur Herstellung der Dispersionen ohne Salzzusatz. Die Eudragit

RS 30D-Dispersion wird mit 30 ml weniger Wasser hergestellt als vorgesehen. In den 30 ml

wird die erforderliche Menge des Salzes gelöst und diese Lösung anschließend tropfenweise

unter ständigem Rühren der Eudragit RS 30D-Dispersion hinzugefügt. Die Dispersion wird vor

der weiteren Verwendung auf sichtbare Ausfällungen geprüft und nur dann verwendet, wenn

diese nicht vorhanden sind. Unmittelbar vor Gebrauch wird die Dispersion durch ein Sieb mit

250 µm Maschenweite gesiebt, um mögliche Agglomerate zu entfernen.

Page 132: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

116 8 Experimenteller Teil

Herstellung von Mischungen wässriger Polymerdispersionen

Weinsäurestarterpellets werden mit Mischungen wässriger Polymerdispersionen (Kapitel 3)

überzogen. Zunächst wird der pH-Wert der ungemischten Polymerdispersionen bestimmt:

Eudragit RS 30D : pH 4,5 Latex-Dispersion

Eudragit NE 30D : pH 7,0 Latex-Dispersion

Kollicoat SR 30D : pH 4,0 Latex-Dispersion

Aquacoat ECD 30D : pH 7,0 Pseudo-Latex-Dispersion

Die eingesetzten Polymerdispersionen werden jeweils mit demineralisiertem Wasser im

Verhältnis 1:1 verdünnt. In dem für die Eudragit RS 30D-Dispersion eingesetzten Anteil wird

zuvor Polysorbat 80 gelöst. Für Mischungen von neutralen und sauren Polymerdispersionen

wird separat jeweils der pH-Wert beider Dispersionen mit 1 molarer Salzsäure bzw. 1 molarer

Natronlauge durch tropfenweise Zugabe unter ständigem Rühren auf pH 5,5 angeglichen.

Erneut unter starkem Rühren werden die Dispersionen vorsichtig gemischt, dabei ist auf

eventuell sichtbare Ausfällungen zu achten.

Im verbleibenden Anteil Wasser wird die erforderliche Menge des Salzes und des TEC gelöst.

Anschließend wird Talkum zugegeben und 10 min mit dem Ultra-Turrax homogenisiert.

Die Suspension wird der Polymerdispersion unter ständigem Rühren zugefügt.

Die Dispersion wird 30 min auf einem Magnetrührer gerührt und nur dann verwendet, wenn

keine sichtbaren Ausfällungen vorhanden sind. Unmittelbar vor Gebrauch wird die Dispersion

durch ein Sieb mit 250 µm Maschenweite gesiebt, um mögliche Agglomerate zu entfernen.

8.3.5 Überziehen von Weinsäurepellets

100 g Weinsäurestarterpellets werden in einem Wirbelschichtgerät (MycroLab, Fa. Hüttlin) im

Gleichstromverfahren mit den in Kapitel 3 angegebenen Polymeren und Polymermischungen

überzogen. Die gewählten Prozessparameter sind in Tabelle 8-11 angegeben. Beim Überziehen

der sehr gut wasserlöslichen Weinsäurepellets mit wässrigen Dispersionen muss der Prozess

besonders zu Beginn hinsichtlich Temperatur und Sprührate sorgfältig beobachtet und gesteuert

werden. Trotz hoher Trennmittel-Anteile in den Rezepturen sind besonders die Polymere mit

niedrigen Glasübergangstemperaturen sehr anfällig für Agglomeration und Verkleben. Deshalb

sollte die Produkttemperatur 35 °C nicht überschreiten und bis zu einem Auftrag von etwa 2 %

Polymer (m/m) nur eine sehr geringe Sprührate von etwa 0,5 g/min/100g gewählt werden.

Danach kann die Sprührate zügig auf bis zu 4,0 g/min/100g erhöht werden.

Page 133: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

8.3 Galenische Verfahren 117

Der Feststoffanteil der versprühten Dispersionen beträgt jeweils 12 % (m/m). Der

Polymerauftrag auf den Pellets nach Überziehen beträgt 10 % bis 40 % (m/m) entsprechend

etwa 2 - 8 mg/cm2.

Tabelle 8-10 Prozessparameter zum Überziehen von Weinsäurepellets - Hüttlin MycroLab

Filmüberzug Aquacoat ECD

30D-Dispersion

Eudragit RS 30D-

Dispersion

Eudragit NE 30D-

Dispersion

Ansatzgröße [g] 100 100 100

Düsentyp 3-Stoff 3-Stoff 3-Stoff

Düsendurchmesser [mm] 0,6 0,6 0,6

Zuluftmenge [m3/h] 16-19 16-19 16-19

Zulufttemperatur [°C] 60 45-55 40-50

Kernbetttemperatur [°C] 45 32-36 30-33

Ablufttemperatur [°C] 33 28 26

Aufheizzeit [min] 30 30 30

Sprührate [g/min] 0,5-4,0 0,5-4,0 0,5-4,0

Sprühdauer [min] - - -

Sprühdruck [bar] 0,7 0,7 0,7

Mikroklima [bar] 0,3 0,3 0,3

Nachtrocknung [min] 10 10 10

Es wird mit einem Sprühverlust von 10 % kalkuliert. Die Pellets werden gesiebt und die

agglomeratfreie Fraktion kleiner 1,25 mm verwendet. Anschließend werden die

Wirkstoffpellets im Umlufttrockenschrank 12 - 48 h bei 40 °C bzw. 60 °C getempert.

8.3.6 Herstellung von überzogenen Dipyridamol-Minitabletten

Die Zusammensetzung der hergestellten 6 mm Minitabletten umfasst pro Tablette:

Dipyridamol [mg] 25,0

Weinsäure [mg] 12,5

Lactose fein [mg] 12,5

Magnesiumstearat [mg] 1-2%

Siliciumdioxid [mg] 0,5%

Page 134: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

118 8 Experimenteller Teil

Wirbelschichtgranulat

Chargen einer Ansatzgröße von 150 g werden in einem Wirbelschichtapparat (MycroLab, Fa.

Hüttlin) 10 min lang gemischt und anschließend mit 30 g demineralisiertem Wasser im

Gegenstromverfahren granuliert. Die Granulierflüssigkeit wird mit einer Rate von 0,5 g/min

mittels einer Schlauchpumpe (Modell 500, Fa. Watson-Marlow) über eine 3-Stoff-Düse

versprüht Folgende Rezeptur wird zur Herstellung des Wirbelschichtgranulats eingesetzt:

Dipyridamol 50 Teile

Lactose fein 25 Teile

Weinsäure 25 Teile

Tabelle 8-11 Granulationsbedingungen zur Herstellung des Dipyridamol-Granulats

Apparat Mycrolab

Ansatzgröße [g] 150

Düsenöffnung [mm] 0,8

Vorheizzeit [min] 30

Sprühzeit [min] 20-40

Zulufttemperatur [°C] 70

Ablufttemperatur [°C] 30

Sprühdruck [bar] 0,8

Mikroklima [bar] 0,4

Sprührate [g/min] 0,5 - 1,0

Nachtrocknung [min] 10

Tablettierung

Die getrockneten Granulate werden gesiebt und die Fraktion kleiner 500 µm verwendet. Es

werden 1 % Magnesiumstearat und 0,5 % Siliciumdioxid aufgesiebt und die Mischung 5 min

im Freifall-Mischer (Turbula H2C, Fa. Bachofen) bei 42 U/min gemischt.

Die Tablettiermischung wird auf einer instrumentierten hydraulischen Presse (FlexiTab, Fa.

Röltgen) zu runden bikonvexen Tabletten verpresst. Die eingesetzten Stempel liefern Tabletten

mit 5 mm Durchmesser und einem Wölbungsradius von 9 mm. Die Datenerfassung und

Auswertung erfolgt mit Hilfe der DAQ4 Data Acquisition System, Edition FlexiTab, Version

2.2.6 Software (Fa. Hucke Software)

Es werden Tabletten mit einer Masse von 51 mg und einer Steghöhe von 1,2 mm sowie einer

Bruchfestigkeit von 80 N hergestellt.

Page 135: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

8.3 Galenische Verfahren 119

Überziehen der Tabletten

60 g Tablettenkerne werden in einem Wirbelschichtgerät (Aircoater, Fa. Innjet) mit einer der in

Tabelle 8-12 angegebenen Filmdispersionen überzogen. Der Polymerauftrag auf den Kernen

nach Überziehen beträgt 12 % (m/m) oder 6 mg / Tablette.

Tabelle 8-12 Zusammensetzung organischer Filmüberzüge am Aircoater

Filmüberzug I II

Celluloseacetat [g] 4,3 2,9

PEG 6000[g] 2,9 4,3

Wasser [g] 22,6 22,6

Aceton [g] 90,2 90,2

Gesamt [g] 120 120

LTS bezogen auf Ansatzgröße 12% 12%

Porenanteil bezogen auf LTS 40% 60%

Celluloseacetat wird in Aceton gelöst. PEG 6000 wird in Wasser gelöst und anschließend

langsam unter Rühren zur vorgelegten CAP-Aceton-Lösung dazugegeben.

Die Filmsuspension wird mit einer Schlauchpumpe gefördert und über eine Innojetdüse

versprüht. Die Prozessparameter finden sich in Tabelle 8-13. Zur Vervollständigung der

Filmbildung werden die überzogenen Tabletten 12 h bei 40 °C im Umluft-Trockenschrank

getempert.

Tabelle 8-13 Prozessparameter zum Überziehen von Minitabletten am Innojet-Aircoater

Einwaage an Minitabletten [g] 60

Zulufttemperatur [°C] 30

Kernbetttemperatur [°C] 27

Ablufttemperatur [°C] 26

Aufheizzeit [min] 10

Sprühzeit [min] 90

Sprührate [g/min] 1,0-2,0

Nachtrocknung [min] 10

Page 136: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

120 8 Experimenteller Teil

8.3.7 Herstellung von isolierten Filmüberzügen

Herstellung mittels eines Filmsprühgeräts

Isolierte Filme werden auf einem selbst konstruierten Filmspühgerät (Abb. 8-1) hergestellt.

Dabei wird die wässrige Dispersion bzw. die organische Filmlösung von einer Dreistoffdüse

mit einer Düsenöffnung von 0,5 mm (Modell 940, Fa. Schlick) auf eine rotierende,

teflonbeschichtete, beheizbare Walze gesprüht. Die Düse wird gleichmäßig entlang einer

parallel zur Rotationsachse der Walze verlaufenden Achse bewegt, sodass sich der Sprühkegel

gleichmäßig über die Oberfläche der Walze verteilt. Zusätzlich wird die Walze rückseitig von

einem Gebläse erwärmt. Nach Verdampfen des Lösemittels bleibt ein gleichmäßiger

Filmüberzug auf der Walze zurückbleibt. Die Temperaturen der Walze und des Gebläses

werden auf einem konstanten Wert gehalten. Der Regelbereich beträgt ± 1 K des Sollwerts. Die

Filme werden nach dem Ablösen von der Walze 24 h bei 40° C im Umlufttrockenschrank

getrocknet. Standard-Prozessparameter sind in der nachfolgenden Tabelle angegeben.

Tabelle 8-14 Standard-Prozessparameter zur Herstellung isolierter Filme - Filmsprühgerät

organische Lösung wässrige Dispersion

Gebläse-Temperatur [°C] 30 50

Walzen-Temperatur [°C] 25 35

Walzen-Drehzahl [U/min] 80 80

Aufheizzeit [min] 10 20

Sprührate [g/min] 4 3,5

Sprühdruck [bar] 0,6 0,6

Mikroklima [bar] 0,3 0,3

Nachtrocknung [min] 5 5

Page 137: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

8.3 Galenische Verfahren

Abb. 8-1 Schema des Aufb

Herstellung mittels eines Filmzi

Zur Herstellung isolierter Film

eingesetzt (Abb. 1-2), das insbe

Lösemitteln geeignet ist. D

beheizbaren Edelstahl-Platte und

definiertem Spalt (19,5 cm x 0,4

Teflonfolie (Fa. Beichler &

gelegt. Die organische Filmlösung

Die ausgegossene Flüssigkei

2,5 mm/s über die Glasplatte ge

spreitet während der Bewegun

der Platte wird mit einem

gehalten. Der Regelbereich

Lösemittels werden die Filme

ufbaus und der Funktionsweise des Filmsprühgerä

mziehgeräts

ilme wird das Filmziehgerät Coatmaster 509

insbesondere zur Herstellung isolierter Film

Das Gerät besteht aus einer exakt horizo

und einem darüber hinweg gleitenden Schlitte

x 0,4 mm) an der Unterseite, über die Heizpla

Grünenwald) beschichtete Glasplatte wird

lösung bzw. wässrige Dispersion wird darauf la

keit wird durch das mit einer konstanten G

e geführte Rakel gleichmäßig verteilt. Die Lösung

ung in dünner Schicht auf der Teflonoberfläc

Pt100-Messfühler gemessen und auf einem

h beträgt ± 1 K des Sollwerts. Nach dem

e für 24 h bei 40° C im Umlufttrockenschrank

121

räts

509 MC (Fa. Erichsen)

ilme aus organischen

zontal ausgerichteten,

tten, der ein Rakel mit

platte bewegt. Eine mit

rd auf die Heizplatte

langsam ausgegossen.

Geschwindigkeit von

ösung bzw. Dispersion

läche. Die Temperatur

nem konstanten Wert

dem Verdampfen des

nk getempert.

Page 138: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

122

Abb. 8-2 Schema des Aufb

Messung der Filmdicke

Die Filmdicke der hergestellte

Fischer) nach dem Prinzip de

Kalibrierfolien kalibriert. Die

±1 µm.

8 Experimenteller Teil

ufbaus und der Funktionsweise des Filmziehgeräts

lten Filme wir mit einem Schichtdickenmessge

des Wechselstromwiderstands gemessen. D

ie Mess-Genauigkeit beträgt bei Filmen zwische

äts

gerät (Dualoscope, Fa.

Das Gerät wird mit

schen 20 µm - 150 µm

Page 139: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

8.4 Analytik 123

8.4 Analytik

8.4.1 Freisetzungsuntersuchungen und Gehaltsbestimmung

8.4.1.1 UV-Spektrometrie

UV-Spektrophotometer: HP 8453 mit Diodenarraydetektor (Fa. Agilent)

Küvetten: 1 cm Quarzglas-Durchflussküvette

Alle Proben werden in aufsteigender Konzentration vermessen und die Durchflussküvette vor

jeder Messung mit ca. 2 ml Probe gespült. Die Mess-Wellenlänge für den jeweiligen

Arzneistoff wird durch Aufnahme eines Spektrums zwischen 200 nm und 600 nm ermittelt. Die

Kalibrierung erfolgt gemäß Gottwald [Gottwald 2000] äquidistant über 6 Konzentrationen bei

je 6 Wiederholungsmessungen (Tabelle 8-15).

Tabelle 8-15 Kalibrierdaten des UV-Spektrometers für die verwendeten Arzneistoffe

ArzneistoffWellenlänge

[nm]y-

AchsenabschnittSteigung Bestimmtheitsmaß

BI XX 278 0,002 0,3856 0,9999

Dipyridamol 402 0,0016 0,6237 0,9999

Theophyllin 272 -0,0005 0,5623 0,9999

Gehaltsbestimmungen

Zur Gehaltsbestimmung der Wirkstoffpellets wird eine je etwa 100 mg Wirkstoff enthaltende

Probe von Pellets in 200 ml 0,1 M HCl etwa eine Minute lang mit einem Ultra-Turrax bei

20.000 U/min zerkleinert. Zur vollständigen Auslaugung der Bruchstücke wird die Lösung für

30 min in ein Ultraschallbad überführt. Die Suspension wird mittels 0,22 µm Membranfilter

von Schwebstoffen befreit und die Konzentration des Wirkstoffs mit dem HP 8453 UV/IS

Spektrometer bestimmt.

8.4.1.2 Wirkstofffreisetzung

Die Freisetzungsuntersuchungen für Wirkstoffpellets werden nach der Körbchenmethode,

gemäß der Ph. Eur. 6 (2010) Monographie 2.9.3 „Wirkstofffreisetzung aus festen

Arzneiformen“ durchgeführt. Die Freisetzung erfolgt in einer Sotax AT7 (Fa. Sotax)

Freisetzungsapparatur, die über eine Kolbenhubpumpe mit einem UV-Spektrometer mit

Diodenarraydetektor (HP 8453, Fa. Agilent) und Durchflussküvetten aus Quarzglas verbunden

Page 140: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

124 8 Experimenteller Teil

ist. Die Standard-Versuchsdauer beträgt 12 bzw. 24 Stunden. Zu jedem vorab festgelegten

Probenzeitpunkt wird das Freisetzungsmedium zur spektralphotometrischen Bestimmung des

freigesetzten Arzneistoffs im Kreislauf gepumpt und in den Durchflussküvetten vermessen.

Durch Vorschalten eines Glasfaserfilters (Typ GF/D, Fa. Whatman) können keine Partikel in

die Pumpe oder die Probengefäße gelangen. Die verwendeten Durchflussküvetten haben eine

Schichtdicke von 1 cm, bei höherem Arzneistoffgehalt werden 1 mm-Küvetten verwendet, um

eine Überschreitung des gültigen spektralphotometrischen Mess-Bereiches zu vermeiden.

Die Spektren werden mit der Software ChemStation (Fa. Agilent) aufgezeichnet und die

gelöste Menge Arzneistoff berechnet. Die Messungen werden mindestens 3-fach durchgeführt

und die Ergebnisse als arithmetisches Mittel mit Standardabweichung angegeben. In der Regel

werden 900 ml 0,1M HCl bzw. phosphatgepufferte Lösungen als Freisetzungsmedium

verwendet (s. Tabelle 8-16). Für Freisetzungsuntersuchungen wird jeweils eine etwa 100 mg

des jeweiligen Wirkstoffs enthaltende Menge der Pellets eingewogen.

Tabelle 8-16 Sotax AT7-Komponenten und Versuchsbedingungen für Freisetzungen

Gerätekomponente Typenbezeichnung

Pumpe: Kolbenhubpumpe CY 7-50

Filter: GF/D; Porengröße = 0,45 µm

Software ChemStation

Parameter Versuchsbedingungen

Küvettendicke: 1 cm bzw. 1 mm

Rührertyp Körbchen

Rührergeschwindigkeit 100 U/min

Volumen Freisetzungsmedium 900 ml

Temperatur 37 °C ± 0,5

Anzahl der Bestimmungen 3-fach

8.4.1.3 Zwei-Phasen Freisetzungsmethode mit pH-Anpassung

Freisetzungen mit einer integrierten pH-Anpassung und zweiphasigem Medium werden in

einer modifizierten Freisetzungsanlage durchgeführt (Abb. 8-3). Eine herkömmliche

Freisetzungsapparatur nach Monographie 2.9.3 Ph. Eur. 6 wird dazu mit einem

halbautomatischen Titrationsgerät (Titrando 842, Fa. Metrohm) und einem UV-Spektrometer

kombiniert.

Page 141: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

8.4 Analytik 125

Abb. 8-3 Schema der pH-kontrollierten zwei-phasigen Freisetzungsapparatur

Die Freisetzungen werden mit einer Blattrührer-Apparatur in 500 ml phosphatgepuffertem

wässrigem Medium und einer darüber liegenden organischen Phase von 100 ml n-Octanol bei

37 °C durchgeführt. Die Versuchsbedingungen sind in Tabelle 8-17 angegeben.

Der pH-Wert des wässrigen Mediums wird während der Freisetzung kontinuierlich registriert

und nach 1 h, 3 h und 5 h mit 5 molarer Natronlauge entsprechend einem festgelegten pH-

Profil angepasst. Es werden Freisetzungsgefäße mit einem Dorn am Boden verwendet, um eine

reproduzierbare Hydrodynamik zu gewährleisten. Die Arzneiformen werden von einem

Spiraldraht eingeschlossen, um ein aufschwimmen in die organische Phase auszuschließen. Die

Wirkstoffkonzentration in beiden Medien wird zu festgelegten Zeitpunkten mit

Durchflussküvetten simultan UV-spektrometrisch gemessen. Die Standardversuchsdauer

beträgt 24 h. Nach Ablauf der Versuchszeit wird das Medium auf pH 1,5 angesäuert und 60

min mit hoher Intensität gerührt. Zur Verwendung als 100 % Wert der Freisetzung wird die

freigesetzte Gesamtmenge Wirkstoff in beiden Phasen bestimmt.

Obere Phase:n-octanol

Untere Phase:aq. Puffer

Freisetzungsgefäß

Blatt-Rührer

Kapsel/Tablette

Sinker

Bürette

pH-Sensor

t0 = 0h t1 = 1h t2 = 3h t3 = 5h t4 = 24h

pH 2 pH 5.5 pH 5.5 pH 6.8

Page 142: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

126 8 Experimenteller Teil

Die Messungen werden mindestens 3-fach durchgeführt und die Ergebnisse als arithmetisches

Mittel mit Standardabweichung angegeben.

Tabelle 8-17 Versuchsbedingungen für pH-integrierte Freisetzungen

Gerätekomponente Typenbezeichnung

Pumpe: Kolbenhubpumpe CY 7-50

Filter: GF/D; Porengröße = 0,45 µm

Titrator: Titrando 842

Software ChemStation; Tiamo 2.0

Parameter Versuchsbedingungen

Küvettendicke: 5 mm ; 2 mm

Rührertyp Blattrührer

Rührergeschwindigkeit 50 U/min

Volumen Freisetzungsmedium 500 ml Phosphatpuffer

100 ml n-Octanol

Temperatur 37 °C ± 0,5

Anzahl der Bestimmungen 3-fach

8.4.1.4 Weinsäure-Freisetzung

Die Freisetzungsuntersuchungen für Weinsäurepellets werden nach der Körbchenmethode

gemäß der Monographie 2.9.3, nach Ph. Eur. 6 (2010) durchgeführt. 500 mg Pellets werden in

ein Körbchen eingewogen und bei einer Rührergeschwindigkeit von 100 U/min in 700 ml

demineralisiertem Wasser bei pH 5,5 freigesetzt. Die freigesetzte Menge Weinsäure wird

kontinuierlich über Titration mit eingestellter, 0,1 molarer Natronlauge direkt im

Freisetzungsgefäß bestimmt. Zur Titration wird eine pH-Glaselektrode (Art. 6.023.220, Fa.

Metrohm) und das Titrationsgerät Titrando 842 (Fa. Metrohm) verwendet. Die Standard-

Versuchsdauer beträgt 12 h. Die Datenaufnahme erfolgt über die Tiamo 2.0 Software (Fa.

Metrohm). Die Messungen werden mindestens 3-fach durchgeführt und die Ergebnisse als

arithmetisches Mittel mit Standardabweichung angegeben.

8.4.1.5 Diffusion durch isolierte Filmüberzüge

Isolierte Filme werden zu Scheiben von 26 mm Durchmesser geschnitten, zwischen zwei

Dichtungen gelegt, mit dem Filmhalter beidseitig seitlich an der Freisetzungszelle befestigt und

mit einem Spannring fixiert (Abb. 1-4). Die effektive Diffusionsfläche einer Freisetzungszelle

Page 143: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

8.4 Analytik 127

beträgt 6,29 cm2. Sie wird mit 20 ml Wirkstoff- bzw. Weinsäurelösung befüllt und in eine

Blattrührer-Apparatur gemäß Ph. Eur. (37° C, 100 U/min) eingesetzt (Abb. 1-5). Das Volumen

des Akzeptor-Mediums beträgt 700 ml.

Die Wirkstoffkonzentration im Freisetzungsgefäß wird mit einem UV-Spektrophotometer

(8453, Agilent) zu festgelegten Zeitpunkten bestimmt. Dazu wird die Lösung, analog einer

Standard-Apparatur, im Kreislauf vom Freisetzungsgefäß durch die Durchflussküvette des UV-

Spektrophotometers gepumpt. Die eingesetzte Apparatur ermöglicht eine simultane 6-fach

Bestimmung. Die Datenaufnahme erfolgt über die ChemStation Software (Agilent).

Zur Bestimmung der diffundierten Weinsäuremenge werden eine pH-Glaselektrode (Art.

6.023.220, Metrohm) und eine Bürette in das Medium des Freisetzungsgefäßes getaucht. Mit

einem halbautomatischen Titrationsgerät (Titrando 842, Fa. Metrohm) wird der pH-Wert im

Freisetzungsgefäß konstant bei pH 5,5 gehalten, indem freigesetzte Säure sofort mit 0,1

molarer Natronlauge zurücktitriert wird. Der Verlauf der Titrationskurve beschreibt die

Freigabekinetik und die Permeabilität der isolierten Filme. Die Datenaufnahme erfolgt über die

Tiamo 2.0 Software (Fa. Metrohm).

Abb. 8-4 Freisetzungszelle und Apparatur zur Diffusionsmessung aus isolierten Filmen

8.4.2 Mechanische Eigenschaften isolierter Filmüberzüge

Die mechanischen Eigenschaften von isolierten Filmüberzügen werden mit einem

Materialprüfgerät (Fa. CADIS) nach DIN EN 527 bestimmt. Rechteckige Streifen (16 cm x

2,0cm) der Probe werden so in den Probenhalter eingespannt, dass ein 10 cm langes Stück

zwischen den Halter zur Prüfung zur Verfügung steht. Die obere Fixierung ist mit einem

Kraftmesser (max. 200 N) verbunden. Die Zugprüfung wird mit einer konstanten

Prüfgeschwindigkeit von 10 mm/min vertikal ausgeführt. Kraft-Weg Messungen bis zum

Page 144: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

128 8 Experimenteller Teil

Reißen des Films werden aufgezeichnet und anschließend zur Bestimmung der mechanischen

Eigenschaften ausgewertet. Die Datenaufzeichnung erfolgt mit der WinUPM Software (Fa.

Cadis).

8.4.3 Differentielle-Thermo-Kalorimetrie

Die Glasübergangstemperatur Tg wird gemäß DIN 53 765 A20 (Temperaturprogramm siehe

Tabelle 8-18) mittels dynamischer Differenzkalorimetrie (DSC) bestimmt.

Verwendet wird ein Mettler TA 8000 Thermoanalysesystem mit einer DSC 820 Messzelle und

einem FRS 5 Messfühler. Das Gerät ist mit einer automatischen Kühlung ausgestattet, die mit

flüssigem Stickstoff betrieben wird. Die Messungen werden unter Spülung der Messzelle mit

trockenem Stickstoff bei einer Flussrate von ca. 50 ml/min durchgeführt. Das Gerät wird vor

den Messungen einer Temperaturkalibrierung im Bereich von ca. -95 °C bis ca. 420 °C

unterzogen. Die Abweichung der Temperatur zwischen Ofenkörper und DSC-Sensor bei

unterschiedlichen Aufheizraten (Tau-lag) wird ebenfalls bestimmt. Die Temperatur und die

Tau-lag Kalibrierung werden mittels des Schmelzpeaks von Indium überprüft.

Als Mess- und Auswertesoftware findet das Programm STARe (Version 8.0, Mettler)

Anwendung. Die Daten einer Blindkurve, die mit einem Leertiegel auf Referenz und

Messposition aufgenommen wird, werden von allen Messungen subtrahiert.

Versuchsdurchführung

Die Probe mit einer Masse von ca. 20 mg, exakt gewogen, wird in einen 40 µl Aluminium-

Tiegel mit perforiertem Deckel eingebracht und gegen einen Referenztiegel (leerer

Standardaluminium-Tiegel, 40 µl) gemessen. Die Probe durchläuft zwei Temperaturzyklen mit

Isothermen von jeweils 2 min. Die zweite Aufheizkurve wird schließlich zur Bestimmung der

Glasübergangstemperatur Tg herangezogen. Die Glasübergangstemperatur wird, wenn nicht

anders angegeben, als arithmetischer Mittelwert zwischen Tonset und Tendset berechnet.

2onsetendset

g

TTT

Gl. 8.1

Page 145: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

8.4 Analytik 129

Tabelle 8-18 Temperaturprogramm zur Bestimmung der Tg nach DIN 53 765

Vorgang Temperaturprogrammierung Zweck

Isotherme T = Tg – 50 °C

2 min

Probe äquilibrieren

Lineares

Aufheizen

V = 20 K/min

von Tg – 50 °C bis Tg + 50 °C

Löschen der thermischenVorgeschichte der Probe durchÜberschreiten der Tg

Isotherme T = Tg + 50 °C

2 min

Probe äquilibrieren

Lineares

Abkühlen

V = -20 K/min

von Tg + 50 °C bis Tg - 50 °C

„Einfrieren“ der Probe für Glaszustand

Isotherme T = Tg-50 °C

2 min

Probe äquilibrieren

Lineares

Aufheizen

V = 20 K/min

von Tg – 50 °C bis Tg + 50 °C

Messung der Tg bei hoher Auf-heizrate, um eine bessere Auflösungdes geringen thermischen Effekts zuerhalten

8.4.4 Anpassung nichtlinearer Funktionen

Die Anpassung der Weibullfunktion und die zahlenmäßige Bestimmung der

Funktionsparameter für die einzelnen Freisetzungsgraphen wurden mit der Software OriginPro

8G (Fa. OriginLab) durchgeführt.

Die Funktion für die Beschreibung der Freisetzungsgraphen ist wie folgt definiert:

100;0;0;0;exp1)( 00

Qdkt

k

tQtQ

d

Gl. 8-2

Die Definitionen und Interpretationen der Parameter der Weibullfunktion im Rahmen der

vorliegenden Arbeit sind in Kapitel 5 zu finden.

Da das Programm x als Abszisse und y als Ordinate verlangt, wird in der Programmdefinition t

gegen x und Q(t) gegen y ausgetauscht. Das Fitting wird iterativ solange wiederholt, bis keine

weitere Änderung der Funktionsparameter folgt.

Page 146: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

130 8 Experimenteller Teil

8.4.5 Bildgebende Verfahren

8.4.5.1 Pelletgrößenbestimmung mittels Bildanalysesystem Occhio Belt

Das dynamische Bildanalyse System Occhio Belt (Fa. Occhio) dient zur Bestimmung der

Pelletgrößenverteilung sowie zur Berechnung der Pelletoberfläche. Das System arbeitet mit

einer CCD-Kamera, die die auf ein Förderband dispergierte Probe aufnimmt. Durch die

Kombination unterschiedlicher Fördergeschwindigkeiten der Transportrinne und des

Förderbands, auf das die Probe von der Rinne durch ein Fallrohr fällt, wird die Probe

dispergiert und so ausgerichtet, dass der maximale Probendurchmesser zweidimensional

aufgenommen wird.

5 g bis 10 g Pellets werden auf die vibrierende Transportrinne aufgebracht, anschließend

dispergiert, von dem Förderband durch das Bildfeld der Kamera transportiert und registriert.

Die Messung wird nach 3000 gemessenen Partikeln gestoppt und mit der Callistat Software

(Fa. Occhio) ausgewertet. Als Größen-Parameter dient der equivalent diameter (Durchmesser

eines flächengleichen Kreises) und als Form-Parameter die inertial elongation als Maß für die

Sphärizität der Partikel.

8.4.5.2 Pelletgrößenbestimmung am Axioplan 2 Mikroskop

Mikroskop: Axioplan 2 (Carl Zeiss)

Kamera: Sony 3 CCD Color Video Camera MC-3255

Software: AxioVision 4.7 (Carl Zeiss)

Zur Bestimmung der zeit- und quellungsabhängigen Pelletgröße wird eine Probe mit 2 ml

Medium versetzt und unter dem Mikroskop unter 5-facher Vergrößerung mit der CCD Kamera

mit einer Belichtungszeit von 500 ms in Abständen von jeweils 15 min über 12 h

aufgenommen. Die Aufnahmen werden im Dunkelfeld unter Auflicht und mit einem

Polarisationsfilter aufgenommen. Der Durchmesser der Pellets wird als maximaler

Innkreisdurchmesser bestimmt.

8.4.5.3 Rasterelektronische Aufnahmen

Alle Proben werden mit Leit C (Fa. Neubauer) auf den Probenträgern befestig, im Sputter

Coater mit einer dünnen Goldschicht bedampft, in das REM eingebracht und unter Vakuum

untersucht. Die Querschnitte von Bruchstücken der isolierten Filme werden durch

Schockgefrieren mit flüssigem Stickstoff hergestellt.

Page 147: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

8.5 Datenverarbeitung 131

8.4.6 Bestimmung der wahren Dichte

Die wahre Dichte von Pellets und isolierten Filmen wird mit einem Heliumpyknometer

(Accupyc 1330, SI Instruments) bestimmt. Messungen erfolgen bei ca. 30 % iger Füllung des

Probenbehälters mit Helium als Messgas. Nullpunkt und Startwert werden vor jeder Messreihe

entsprechend der Bedienungsanleitung überprüft. Die wahre Dichte ist der Quotient aus

Substanzeinwaage und gemessenem wahren Volumen als Mittelwert aus drei Messungen.

8.5 Datenverarbeitung

Tabelle 8-19 Verwendete Software und Hersteller

Software Hersteller

ChemStation Agilent

Tiamo 2.0 Metrohm

ReferenceManager 11 Thomson Research Software

AxioVision 4.7 Carl Zeiss

OriginPRO 8G OriginLab

Microsoft Office 2007 Microsoft

STARe Mettler

SCOPUS Elsevier

Windows XP Professional Microsoft

CADIS Software / WinUPM Cadis

Occhio Callistat Occhio

Page 148: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur
Page 149: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

9 Zusammenfassung der Arbeit 133

9 Zusammenfassung der Arbeit

Die perorale Applikation von multipartikulären Arzneiformen mit kontrollierter Freisetzung

bietet das Potenzial einer sicheren und effektiven Arzneimitteltherapie für Anwendungsgebiete

mit speziellen pharmakokinetischen Anforderungen. Durch den Einsatz von Arzneiformen mit

einem membrankontrollierten Freisetzungsmechanismus können die Eigenschaften solcher

Arzneiformen flexibel und gezielt, sowohl auf die physikalisch-chemischen Eigenschaften des

Wirkstoffs als auch auf die biopharmazeutischen Anforderungen, angepasst werden.

Im Rahmen dieser Arbeit wird dargestellt, wie die Entwicklung innovativer Arzneiformen mit

membrankontrollierter Freisetzung von pH-abhängig schwerlöslichen Wirkstoffen durch die

Anwendung von Screeningmethoden und semi-empirischen Vorhersagemodellen unterstützt

und erleichtert werden kann. Dazu werden Untersuchungen an isolierten Überzugsmembranen

eingesetzt, ein mathematisches Modell zur Beschreibung des Freisetzungsverlaufs überzogener

Arzneiformen entwickelt und ein neues biorelevantes Freisetzungsmodell etabliert.

Modular aufgebaute, mehrschichtige Arzneiformen, die eine Löslichkeitsverbesserung des

Wirkstoffs mit einer kontrollierten Freigabe kombinieren, stellen einen innovativen Ansatz zur

Darreichung von pH-abhängig schwerlöslichen Wirkstoffen dar. Eine Möglichkeit zur

Löslichkeitsverbesserung besteht in der Kombination eines Wirkstoffs mit pH-aktiven

Substanzen. So kann beispielsweise durch eine zeitgesteuerte Freisetzung von Weinsäure aus

dem Pelletkern die Freigabe eines pH-abhängig löslichen Wirkstoffes kontrolliert werden, der

sich in einer äußeren Schicht auf der Arzneiform befindet.

Bestimmungen der Permeabilität und der mechanischen Eigenschaften von isolierten

Membranen sowie Freisetzungsuntersuchungen von überzogenen Pellets zeigen, dass sich die

Retardpolymere Aquacoat ECD, Eudragit NE und Eudragit RS zur Einstellung eines

definierten Freisetzungsprofils von Weinsäure eignen. Mit Hilfe einer mikroskopischen

Bildanalyse wird bestätigt, dass dabei der osmotische Druck im Inneren von Weinsäurepellets

in Abhängigkeit der mechanischen Eigenschaften des jeweiligen Überzugstyps und der

jeweiligen Rezeptur einen wechselnden Einfluss auf die Freisetzung hat.

Hierbei ermöglichen Überzüge von Eudragit RS eine zeitgesteuerte, pulsatile Freisetzung von

Weinsäure mit Lag-Zeiten zwischen 0,1 und vier Stunden. Durch die Bestimmung der

Permeabilität von isolierten Membranen und des Freisetzungsprofils überzogener

Weinsäurepellets, konnte bestätigt werden, dass dies maßgeblich auf elektrostatischen

Austauschprozessen an den QAG der Membran beruht. Das resultierende Freisetzungsprofil

Page 150: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

134 9 Zusammenfassung der Arbeit

kann deshalb durch eine vorherige Beladung dieser Gruppen mit Sulfat, durch unterschiedliche

Anteile von TEC oder variierende Überzugslevel variabel gesteuert werden. Der Anteil des

zugesetzten Weichmachers TEC beeinflusst dabei einerseits die mechanischen Eigenschaften

von Eudragit RS Membranen und verändert dadurch unter Einfluss von osmotischem Druck

andererseits das Freisetzungsverhalten überzogener Pellets. Es wird beobachtet, dass die Lag-

Zeit bis zum Beginn der Weinsäurefreisetzung länger wird, je höher der TEC-Anteil in der

Rezeptur ist. Durch Mischungen der Polymerdispersionen Eudragit RS und Eudragit NE wird

die Freisetzungsrate von überzogenen Pellets gegenüber reinen Eudragit RS Überzügen bei

identischen Überzugsmengen gesenkt. Übereinstimmend zeigen Permeabilitätsuntersuchungen

an isolierten Membranen einen erhöhten Diffusionswiderstand dieser Membranen. Die

Stabilität dieser Mischüberzüge ist jedoch hinsichtlich ihres Freisetzungsverhaltens

unbefriedigend. Freisetzungsuntersuchungen der überzogenen Pellets im Rahmen einer

Stabilitätsstudie mit Lagerung bei Temperaturen zwischen 40 °C und 60 °C sowie

Untersuchungen der Membranpermeabilität in Abhängigkeit von der thermischen

Nachbehandlung zeigen eine zunehmende Verlangsamung der Freisetzung, was vermutlich auf

physikalischen Veränderungen der Membran beruht.

Zwischen dem Freisetzungsverhalten von Weinsäurepellets mit Ethylcelluloseüberzügen auf

organischer bzw. wässriger Basis treten nur zu Beginn, während des Medieneinstroms ins

Pelletinnere, Unterschiede auf. Die Freisetzungsgeschwindigkeit aus überzogenen Pellets wird

jedoch nicht beeinflusst. Die Einbettung von Porenbildnern wie Kollicoat IR eignet sich sehr

gut, um die Durchlässigkeit eines Ethylcellulose Überzuges auf wässriger Basis

rezepturabhängig zu steuern. Zur Kontrolle der Freigabe von Weinsäure sind porenhaltige

Überzüge jedoch nicht geeignet, da bereits sehr kleine Mengen des Porenbildners die

Freisetzungsrate deutlich erhöhen.

Zur direkten Steuerung der Freisetzung von schwerlöslichen Wirkstoffen können funktionelle,

porenhaltige Überzüge jedoch sehr gut angewendet werden, weil sich ihre Freisetzungsrate

rezepturabhängig sehr flexibel steuern lässt. Die Ergebnisse an isolierten Filmen, hinsichtlich

der Membranpermeabilität solcher Membranen mit unterschiedlichen Anteilen des

Porenbildners, korrelieren mit den Freisetzungsdaten überzogener Pellets. Deshalb können

durch das Screening der Membranpermeabilität für einen Stoff an isolierten Filmüberzügen

wichtige Eigenschaften schnell charakterisiert und der Prozess der Formulierungsfindung

unterstützt werden.

Page 151: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

9 Zusammenfassung der Arbeit 135

Eine Kombination der beiden Bausteine a) zeitgesteuerte Freisetzung von Weinsäure in

Abhängigkeit der Wirkstoffeigenschaften und b) membrankontrollierte Freisetzung des

Wirkstoffs in einer Arzneiform, ist geeignet, um pH-abhängig schwerlösliche Wirkstoffe

pulsatil oder über einen langen Zeitraum hinweg freizusetzen. In klinischen Humanstudien

konnte bestätigt werden, dass mit diesem Modell gute Bioverfügbarkeitswerte trotz eigentlich

schlechter Löslichkeit des Wirkstoffs am Resorptionsort, erzielt werden können.

Der Freisetzungsverlauf membrankontrollierter Arzneiformen kann mathematisch mit der

Weibull-Funktion beschrieben werden. Dabei wird beobachtet, dass der Weibull Exponent d

für diffusionskontrolliert-freisetzende, überzogene Arzneiformen konstant den Wert 1

annimmt. Da der Funktionsparameter kW und die experimentell an isolierten Filmüberzügen

bestimmte, rezepturabhängige Permeabilität der Membran korrelieren, ermöglicht dieser semi-

empirischer Ansatz mit einem Screening der Permeabilität isolierter Filme die direkte

Bestimmung der Funktionsparameter der Weibull-Funktion. Für diffusionskontrolliert-

freisetzende porenhaltige Membranen kann somit auf Basis der Weibull Funktion schnell eine

gute Näherung des Freisetzungsverhaltens überzogener Pellets mathematisch berechnet

werden, ohne dass zuvor tatsächlich Pellets hergestellt werden müssen. Dies konnte für die

Überzüge aus HP-50 / Kollidon 17 und Aquacoat ECD / Kollicoat IR gezeigt werden.

Andererseits ist eine direkte Vorhersage der Rezeptur für ein definiertes Freisetzungsprofil

nicht möglich. Diese Rezeptur kann jedoch durch ein Screening der Permeabilität

verschiedener Membranen mit Hilfe von isolierten Filmüberzügen zielgerichtet iterativ

ermittelt werden. Dadurch bieten sich neue Möglichkeiten für eine Wirkstoff und Zeit sparende

Entwicklung überzogener Arzneiformen.

Abschließend wird zur Abschätzung des in vivo Verhaltens von oralen Darreichungsformen mit

pH-abhängig schwerlöslichen Wirkstoffen ein zweiphasiges Freisetzungsmodell vorgestellt.

Dieses besteht aus einem wässrigen Medium mit pH-Gradient und einer n-Octanol-Phase.

Durch den pH-Gradienten können biorelevante pH-Bedingungen simuliert und durch die n-

Octanol Phase Sink-Bedingungen gewährleistet werden. Die Untersuchung des

Freisetzungsverhaltens von jeweils vier Formulierungen unterschiedlicher Technologie mit

konventionellen Freisetzungsmethoden sowie mit dem zweiphasigen Modell bestätigt im

Vergleich mit humanen in vivo Daten eine bessere Vorhersagekraft des zweiphasigen Modells

für das tatsächliche in vivo Verhalten. Das Modell ist weitgehend automatisiert, einfach zu

bedienen und kostengünstig auf Basis konventioneller Freisetzungsapparaturen zu installieren.

Damit steht bereits in frühen Phasen der Entwicklung ein biorelevantes Freisetzungsmodell zur

Verfügung, das durch eine bessere Vorhersagekraft als konventionelle Freisetzungsmethoden

Page 152: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

136 9 Zusammenfassung der Arbeit

für das tatsächliche in vivo Verhalten einer Arzneiform entscheidende Hinweise für das in vivo

Verhalten einer Formulierung liefern kann. Dies erleichtert die Auswahl von Prototypen für die

klinische Entwicklung bereits in frühen Phasen der Arzneiformenentwicklung.

Page 153: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

10 Literaturverzeichnis 137

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Page 168: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

152 Anhang

Anhang

I. Verzeichnis der akademischen Lehrer

Meine akademischen Lehrer waren die Damen und Herren:

Prof. Dr. Eric Beitz Pharmazeutische Chemie

Dr. Christian Beyer Pharmazeutische Chemie

Prof. Dr. Rolf Daniels Pharmazeutische Technologie

Prof. Dr. Gerd Döring Mikrobiologie

Prof. Dr. Gisela Drews Pharmakologie und Toxikologie

PD Dr. Martina Düfer Pharmakologie und Toxikologie

Prof Dr. Günther Gauglitz Physikalische Chemie

PD Dr. Berthold Gust Pharmazeutische Biologie

Prof. Dr. Lutz Heide Pharmazeutische Biologie

Prof. Dr. Karl-Arthur Kovar Pharmazeutische Chemie

Prof. Dr. Peter Krippeit-Drews Pharmakologie und Toxikologie

Prof. Dr. Stefan A. Laufer Pharmazeutische Chemie

Prof. Dr. Shuming Li Pharmazeutische Biologie

PD Dr. Stefan Linder Pharmazeutische Chemie

Dr. Hans-Peter Lipp Klinische Pharmazie

PD Dr. Nicolas Lembert Pharmakologie und Toxikologie

Prof. Dr. Peter Ruth Pharmakologie und Toxikologie

Klinische Pharmazie

Prof. Dr. Peter C. Schmidt Pharmazeutische Technologie

Prof. Dr. Joachim E. Schultz Pharmazeutische Chemie

Prof. Dr. Katja Taxis Pharmazeutische Biologie

Prof. Dr. Martin A. Wahl Pharmazeutische Technologie

PD Dr. Karl G. Wagner Pharmazeutische Technologie

Page 169: Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

Anhang 153

II. Curriculum Vitae

13. März 1981 geboren in Schwäbisch Hall

Juni 2000 Allgemeine Hochschulreife in Backnang

August 2000 – Juli 2001 Freiwilliger Sozialer Einsatz in St. Petersburg,

Russland

Oktober 2001 Beginn des Studiums der Pharmazie an der

Eberhard Karls Universität Tübingen

August 2004 1. Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung

Oktober 2005 2. Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung

November 2005 – April 2006 Pharmazeutisches Praktikum bei Boehringer-

Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG; Biberach,

Formulierungsentwicklung

Mai 2006 – Oktober 2006 Pharmazeutisches Praktikum in der Winthir-

Apotheke in München

November 2006 3. Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung

Approbation zum Apotheker

Januar 2007 – August 2010 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Boehringer-

Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Biberach/ Riss,

zur Anfertigung einer Promotion unter Anleitung von

PD Dr. Karl G. Wagner in Kooperation mit dem

Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie und

Biopharmazie der Universität Tübingen

(Co-Betreuer: Prof. Dr. Rolf Daniels)

Beginn der Dissertation mit dem Titel:

„Screeningmethoden und Vorhersagemodelle zur

membrankontrollierten Freisetzung pH-abhängig

schwerlöslicher Wirkstoffe aus multipartikulären

peroralen Arzneiformen“