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SEE- UND FLUSSHAFEN VOM HOCHMITTELALTER BIS ZUR INDUSTRIALISIERUNG herausgegeben von Heinz Stoob Sonderdruck Im Buchhandel nicht erhältlich 1986 BÖHLAU VERLAG KÖLN WIEN

SEE- UND FLUSSHAFEN VOM HOCHMITTELALTER BIS ZUR INDUSTRIALISIERUNG · 2009. 4. 7. · breitte Rihn wider zosamen, daJ er koum den dritten theil seiner breitte behaltet und rumple!

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S E E - U N D F L U S S H A F E N

V O M H O C H M I T T E L A L T E R

BIS Z U R

I N D U S T R I A L I S I E R U N G

herausgegeben von

H e i n z S t o o b

Sonderdruck Im Buchhandel nicht erhältlich

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B Ö H L A U V E R L A G K Ö L N W I E N

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Heinz Stoob Einführung

Verzeichnis der Mitarbeiter

I N H A L T

Verzeichnis der Abbildungen . . . . . . . . . . . XI1

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . XVI

Heinz Stoob Über Wachstumsvorgänge und Hafeuausbau bei hansischen See- und Flughäfen im Mittelalter . . . . . . . . . . . . 1

Klaus Wolter Die rechtliche Behandlung von Reisenotlagen und Schiffskollisionen iii den älteren See-, Schiffrechten Lübecks und Hamburgs und im hansischen Seerecht . . . . . . . 67

Michael Matheus „Accipio, trado, qvodlvbet expedio": Flußhäfen und ihre Hebewerke . . 89

Marc Ryckaert Brügge und die flandrischen Häfen vom 12. bis 18. Jahrhundert . 129

Hermann Kellenbenz Aufstieg und Krise des Hafens Antwerpen (bis 1650) . . . 141

Hermann de Buhr Konjunktur und beginnender Niedergang einer Hafenstadt. Emden in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts . . . . 161

Helge Gamrath Hafenbauten und Hafenbetrieb in den Städten König Christians 1V. von Dänemark. . . . . . . . . . . . . . . 175

RolfSprandel Der Hafen von Hamburg

Rainer Poste1 Zur Ennvicklung der hansestädtischen Hafen- und Schiffahrtsver- waltung . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1

Jörgen Bracker Ein Wrackfund aus der Elbe bei Wittenbergen . ,

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, , A C C I P I O , T R A D O , Q V O D L V B E T E X P E D I O " :

F L U S S H Ä F E N U N D I H R E H E B E W E R K E

von M i c h a e l M a t l i e u s

„Der schöne Fluß auf- und abwärts zog meine Blicke nach sich; und wenn auf dem Brückenkreuz der goldene Hahn im Sonnenschein glänzte, so war es mir immer eine erfreuliche Empfindung. Gewöhnlich ward alsdann durch Sach- senhausen spaziert und die Überfahrt für einen Kreuzer gar behaglich genossen. Da befand man sich nun wieder diesseits, da schlich man zum Weinmarkte, bewunderte den Mechanismus der Krane, wenn Waren ausgeladen wurden; besonders aber unterhielt die Ankunft der Marktschiffe, wo man so mancherlei und mitunter so seltsame Figuren aussteigen sah." In der Erinnerung an das Szenarium seiner Jugendzeit beschrieb Johann Wolfgang von Goethe Frankfurt, seinen Geburtsort, in ,,Dichtung und Wahrheit" mit den einleitenden Sätzen als eine ,,Stadt am Fluß". Unter den Charakteristika nennt er die Mainbrücke, die Fahre nach Sachsenhausen, den Weinmarkt, die Marktschiffer sowie die Krane, deren technisches Werk - noch nach späterer Erinnerung - den jungen Goethe und seine Kameraden zu fesseln vermochte. Diese Hebewerke waren jedoch keineswegs nur für die Vaterstadt des Dichters charakteristisch. Wie Frankfurt verfügten zahlreiche Städte und Siedlungen an Flüssen im 18. Jahrhundert über solche Maschinen, deren Geschichte teilweise bis ins 13. und 14. Jahrhundert zurückreicht. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts traten im Zusammenhang mit Bemühungen um Verbesserungen der Schiffahrt und des Handels zu traditionellen Standorten solcher Anlagen auch neue hinzu. Das Chronogramm am Würzburger Kran kündet - in der Form eines Pentameters - vom Jahr der Fertigstellung des dortigen Hebewerks: Dessen Errichtung konnte unter der Ägide des Ingenieurmajors Franz Michael von Neumann, einem Sohn des bekannten fränkischen Baumeisters Balthasar Neumann, im Jahre 1773 abgeschlossen werden 1. Über ein Jahrzehnt zuvor hatte im Jahre 1760 Fürst Wilhelm Heinrich (1741-1768) Kaufleute aus Saarbrücken und St. Johann veranlaßt, eine ,Kranengesellschaft" zu gründen, die die erstmalige

1 Vgl. z.B. G.H. SCHAEFF-SCHEEFEN, Der Würrbuiger Krahnen. Ein Denknial fränkischer Wirtschaftspolitik, in: FrHeim 63, Nr. 6, Müizbuig 30. März 1933; Nr. 7, Wüizburg 12. April 1953; P. var, TREECK, Franz Ignaz Michael von Neumann (Mainfränkische Studien 6), \Vürzburs 1973, S. 186ff. Es handelt sich um ein Chronogramm (freundlicher Hinweis von Herrn Prof. Dr. H.-0. Kröner, Trier).

aCClpIo traDo gTioDLVbct eXpeDIo

200 + 2 + 500 + 5 + 555 + 10 + 501 = 1773.

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90 Michael Matheus

hbb. 1: Hebcwerk in Frankfiirr. Mcrians Topographie u m 1646

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FluRhäfen und ihre Hebcwerkc 9 1

Errichtung eines Krans an der Saar im Jahre 1761 in Angriff nahm 2.

Sowohl im 18. Jahrhundert neu errichtete Tretradkrane in Flußhäfen als auch ältere Maschinen wurden im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts außer Betrieb genommen. Diese Hebewerke, die auf den Einsatz von Menschenkraft nicht verzichten konnten, wurden durch Anlagen ersetzt, die sich neuer Ener- gieformen bedienten. In zunehmender Zahl besorgten in Fluß- und Seehäfen nun Dampfkrane, Druckwasserkrane und schlieXlich elektrische Krane den Güterumschlag, dessen Umfang gewaltig zunahm. Mit der Regulierung der wichtigsten Wasserläufe, dem Bau neuer leistungsfähiger Hafenanlagen und der auf den Schiffsverkehr übergreifenden Industrialisierung war für viele Fluß- siedlungen die über Jahrhunderte hinweg prägende enge Symbiose mit den Häfen und ihren Einrichtungen verloren. Auch die ,,mittelalterliche" Geschichte der Krane ging ihrem Ende entgegen.

Die eingangs zitierten Sätze Goethes lassen erahnen, daß die alten Krane keine isolierten Transporteinrichtungen darstellten. In vieler Hinsicht waren sie in ihre Umgebung eingebunden. Eine Analyse des ,,Objektes Kran" in möglichst umfassender thematischer Breite vermag daher wichtige Aufschlüsse zu gehen üher die Lebensbedingungen der Menschen, die diese Maschine erfunden, geplant, gebaut und genutzt haben. Eine Geschichte der Hafenkrane in diesem Verständnis kann auch charakteristische Eigenarten der Flui3siedlungen er- schließen, denen diese Anlagen zugeordnet waren. Der Versuch, über eine vergleichende Untersuchung der Hafenkrane gleichsam eine „histoire totale" des Gegenstandes anzustreben, steht freilich nicht zuletzt vor der Schwierigkeit, Methoden verschiedener historischer Disziplinen anwenden und deren Er- gebnisse berücksichtigen zu müssen. Für die folgenden Ausführungen sind Aspekte der Technik-, der Wirtschafts-, Sozial- und Verfassungsgeschichte, der politischen Geschichte sowie der Bau- und Kunstgeschichte von besonderer Bedeutung.

Auch angesichts der mangelhaften Forschungslage setzt die folgende Ah- handlung notwendigerweise zeitliche, regionale und thematische Schwerpunkte. Untersuchungsergebnisse für den Rhein (von Straßhurg bis Düsseldorf) und seine Nebenflüsse vornehmlich im Zeitraum von 1300 bis 1600 können als Basis dienen, die es freilich zu erweitern und zu präzisieren gilt 3. Die Perspektive der folgenden Ausführungen reicht zudem nicht selten zeitlich und räumlich üher den genannten engeren Rahmen Iiinaus.

Im flandrisch-niederländischen Gebiet sowie in Norddeutschland sind Ha- fenkrane bereits im 13. Jahrhundert sicher bezeugt. Der Bedingungsrahmen, der hier zur Errichtung der Maschinen geführt hat, kann im einzelnen nicht

2 A. RUPPERSBERG, Die Krancngesellschaft in Saarbrücken, in: Mitt. der Ge- sellscllaft für Familienkunde 6 (1929/30), Sp. 66-72.

1 M. MATHEUS, Hafenkrane. Zur Geschichte ciner niitteiakeriichen Maschine am Rhein und seinen Nebenflüssen von Stiaßburg bis Düsseldorf (THF 9), Trier 1985. Die folgenden Anmerkungen beschränken sich auf wenige und besonders solche Hinweise, die über das Register der genannten Arbeit nichr zu erschließen oder unmirieibar tertielevant sind.

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92 Michael Marheus

~ n t r u r f ~ ~ s t n e ~ r ~ t h ~ ~ s - ~ a r i o n d o w i c h ~ n e r 1984

Karte: Siandorre von Hafenkianen am Rhein und seinen Nebenflüssen (13.-16. Jh.)

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Flußhäfen und ihre Hebewerke 9 3

ausgeleuchtet werden. Die frühe Nutzung dieser Anlagen in den genannten Küstenlandschaften könnte durch Entwicklungen in der Seeschiffahrt begünstigt und gefördert worden sein. Die mit der Einführung von Kranen verbundenen Verbesserungen in der Verlade- und Transporttechnik dürften u.a. eine Reaktion auf die Tatsache sein, daß seit dem Y. Jahrhundert die Seeschiffe immer größer wurden und mit dem zur Verfügung stehenden Frachtraum zu Wasser größere Mengen an Schwergut bewältigt werden konnten. Die Be- antwortung der Fragen, wann, wo und in welchem Ausmaß zum Verladen Krane eingesetzt wurden, ist - wegen der lückenhaften Quellenüberlieferung - außerordentlich schwierig zu beantworten. In dem näher untersuchten Raum des Rheins und seiner Nebenflüsse (vgl. Karte) sind Hafenkrane bisher erst im 14. Jahrhundert nachzuweisen. Der derzeitige Forschungsstand Iäßt freilich noch keineswegs den Schluß zu, diese Verladetechnik sei von den Küstenregionen aus flußaufwärts „gewandertn. Zu berücksichtigen ist auch, daß die Errichtung von Kranen an bestimmte geographische, politische und wirtschaftliche Bedingungen geknüpft war. Auch nachdem im Verlaufe des späten Mittelalters in vielen Flußsiedlungen des Untersuchungsgebietes solche Maschinen errichtet worden waren, verfügten keineswegs alle Flufihäfen über diese Hebewerke. Über Jahrhunderte hinweg wurde neben dem ,,Auskranenn der Warenumschlag vom Schiff auf Wagen direkt vorgenommen, ein Verfahren, das selbst dort praktiziert werden konnte, wo Krane zur Verfügung standen 4.

Unübersehbar ist eine zahlenmäßige Konzentration von Hebewerken am Rhein zwischen Koblenz und Mainz (vgl. Karte). Dieser Befund mag partiell in der vergleichsweise guten Quellenlage und der relativ günstigen Forschungs- situation begründet sein. Doch sind für die große Zahl von Kranen in diesem Flußabschnitt auch andere Gründe ausschlaggebend. Zuo Bingen thuot sich der breitte Rihn wider zosamen, daJ er koum den dritten theil seiner breitte behaltet und rumple! von dunen streng zwischen beiden bergen hinunder 5 . Diese Notiz des Basler Händlers Andreas Ryff aus dem 16. Jahrhundert Iäßt die von ihm und seinen Zeitgenossen gehegte Furcht vor den Gefahren des ,,Binger Loches", dessen gewaltige Felsnlassen erst irn 19. Jahrhundert gesprengt wurden, noch erahnen. Wie das ,,wilde Gefährt" oberhalb der Stadt Bacharach war das „Binger Loch" über Jahrhunderte hinweg ein schweres Hindernis für die Schiffahrt. Man war gezwungen, die Güter in leichtere und kleinere Schiffe zu verladen, oder suchte den gefährlichen Stromabschnitt zu meiden und auf dem Landwege zu umgehen. So dienten Flußsiedlungen wie St. Goar und Oberwesel, besonders aber Bacharach, Lorch, Niederheimbach und Rüdesheim als Umschlag- und Lotsenplätze, die zur Bewältigung des Schwergutes auf Krane angewiesen waren.

Unter den verladenen Gütern dominierten am Mittelrhein Weinfässer. Die

4 D. ELLMERS, Warenumschlag zwischcn Scliiff und \Vagen irn \Y;asser, in: Deutsches Schiff- fahrrsarchiv6 (1983), S. 209-241.

5 A. RYFF, Reisebüchlein, hg. und einpel. V. F. MEYER, mir einem Beitrag V. E. LAXDOLT, in: BaslerZG 72 (1972), S. 5-135, hier C. 42.

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Wasserstraße des Rheins wurde in großem Umfang für den Export des Weines aus dem Elsaß zum Niederrhein hin und in die nördlichen Regionen Europas genutzt. Seit dem 14. Jahrhundert ,,tritt für alle Zölle von Mainz bis Koblenz der Elsässer in der Zollfestsetzung als besonders wichtige Ware hervor" 6 . Krane des Mittelrheins mußten jedoch nicht nur den Umschlag dieser Weine bewältigen, sondern auch den Transport der Produkte angrenzender Weinbauregionen, besonders Rheinhessens und des Rheingaus, besorgen. So fungierte Bacharach als wichtiger Umschlagplatz für die Viertälerweine und Weine des Rheingaus 7.

Über Bingen wurden - zumindest zeitweise - große Teile der für den Export bestimmten Naheweine verladen. Im Stromabschnitt zwischen Bingen und Mainz trug zudem die territorialpolitische Konkurrenz zwischen Kurpfalz und dem Erzstift Mainz zur Erhöhung wie zur Erhaltung der Zahl von Kran- standorten bei s.

1 . K r a n e a l s G e g e n s t a n d d e r T e c h n i k g e s c h i c h t e

Krane mit Tretradantrieb hatten bereits die Römer zur Beförderung schwerer Lasten entwickelt. Im Mittelalter kam diese Technik zunächst bei der Ver- wendung von Baukranen zur Anwendung. Die Konstruktion der Baukrane, von deren Einsatz besonders auf mittelalterlichen Großbaustellen auch bildliche Zeugnisse künden, diente offenkundig bei der Errichtung von Hafenkranen als Vorbild. So bediente man sich in Trier in den siebziger Jahren des 14. Jahrhunderts bei Reparaturen an der Moselbrücke eines Baukrans, der in einem Schiff aufgerichtet worden war. Dieser Baukran im Schiff könnte gleichsam eine Vorstufe zur Errichtung eines Schiffskrans als Verladeeinrichtung dargestellt haben, über den die Moselstadt spätestens zu Beginn des 15. Jahrhunderts verfügte. In den Grundzügen war die Technik der Tretradhebewerke über Jahrhunderte hinweg bei Bau- und Hafenkranen identisch. „Die wesentlichen Stücke dieses Hebe-Zeuges" - vermerkt noch Zedlers Universal-Lexikon im 18. Jahrhundert für Bau- und Hafenkrane - „sind ein aufgerichteter Ständer oder Gerüste, über welchem ein vorstechender langer Balcken, der mit andern Balcken noch verbunden ist, und Krahn-Balcken genennet wird, dergestalt geleget ist, daß er auf einer der Spitze oder Pinne des Gerüstes nach denen Seiten kan gewendet werden. Unter den Krahn-Balcken gehet ein Seil durch Kloben gezogen, an desse~i einem Ende die Last angehängt, das andere aber um eine Welle geschlagen ist, welche man durch Haspeln oder Treträder um- treibet" 9.

6 H. A M & I A N X , % ~ ~ der Wirochaftsgeirung des Elsaß im Miirelalter, in: Al~mJb 3 (1955), S. 95-202. ' E. JEITER, Weinbau und Weinhandel in Bacharach und seinen Talern bis zum Ende des 18.

Jahrhunderts, Köln 1919. 8 VgI. Kap. 3. 9 J.H. ZEDLER, Grosses vollsrändiges Universal-Lexikon ..., Bd. 15, Haile/Leipzig 1737, Neudr.

Graz 1961. Sp. 1730f.

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flußhäfen und ihre Hebewerke 95

Im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung stehen ,,TurmkraneS, deren Konstruktion Ähnlichkeiten mit Turmwindmühlen aufwies. Drehbar war le- diglich der Kaiserhaum mit Welle und Tretrad (bzw. Treträdern) sowie ein Teil des Daches mit dem Ausleger. Die übrigen Teile des Kranhauses waren nicht beweglich. Dieser Krantyp war in den näher untersuchten Standorten am Rhein und seinen Nebenflüssen (vgl. Karte) - als Schiffs- oder Landkran '0 - üblich. Im flandrisch-niederländischen Bereich war eine davon abweichende Kon- struktionsart verbreitet. In Brügge, Antwerpen, Haarlem etc. wurden „Bock- krane" verwendet, bei denen das ganze Krangebäude gedreht werden konnte. Eine weitere Gruppe stellen Hebewerke in Hamburg, Lauenburg, Stade, Lüneburg etc. dar. Sie besaßen über einem runden Unterbau ein drehbares kastenförmiges Oberteil. Auch bei den letztgenannten beiden ,,Kranlandschaf- ten" sind offenkundig gemeinsame Konstruktionselemente bei Kranen und Mühlen der betreffenden Regionen vorhanden.

Die Erarbeitung weiterer ,,KranlandschaftenE ist eine lohnende und in- teressante Forschungsaufgabe, die freilich über das Ziel dieser Untersuchung hinausreicht. Xur auf einen weiteren Krantyp soll wenigstens hingewiesen werden. Der in Harwich/England erhaltene hölzerne Hafenkran, der in der Mitte des 17. Jahrhunderts errichtet wurde, weicht in seinen Konstruktions- elementen von den Anlagen des Kontinents erheblich ab. Die beiden Räder befinden sich innerhalb eines rechteckigen, feststehenden Kranhauses. Sie sind durch eine Achse verbunden, die der Krankette gleichzeitig als Trommel dient. Die Krankette führt zum Ausleger, der aus der flußseitig gelegenen Wand des Kranhauses herausragt und als einziger Teil der Anlage schwenkbar ist 1 ' .

Zur Verbreitung einzelner Kranrypen in bestimmten Regionen hat zweifellos auch beigetragen, daß sowohl technisches Wissen, für Bau und Reparatur notwendige Spezialisten und gelegentlich sogar einzelne Kranteile zwischen Kranstandorten ausgetauscht wurden. So dienten die Kölner Maschinen etwa für die Anlagen in Andernach, Neuss und Wesel als Vorbilder. Das hoch- entwickelte Kölner Buntmetallgewerbe lieferte nicht selten Erzeugnisse wie Scheiben und Pfannen, die bei Bau oder Reparatur anderer Krane benötigt wurden. Im Jahre 1523 beförderte ein Schiffer 3 meisingenn schynen nach Wesel, die von einem Kölner für die Errichtung des Weseler Schiffskrans bezogen worden waren 12. Der Austausch von Informationen und Personal ist zwischen vielen anderen Kranstandorten nachzuweisen, so zwischen Andernach und

' 0 Neben Schiffs- und Liiidkianen vern-eist D. ELLMERS auf weiierc Hebewcrkc in Häfen wic Kranbalken, Masrkrane und Winden, vgl. DEUS., Micrclaltcrliche Hafcneinrichrungen am Rhein, in: BeitrRhkd 33 (1981), C. 36-46, hier C. 44ff. Zu einem Treiradkran ohne Kranhaus vgl. Anm. 34.

' 1 Dem in Harn-ich/Essex errichteten Hebewerk entsprach eine Anlage in Wooluich, vgi. J. WEEKS, The Hanvich Ccane, in: Deutsches Schiffahrtsarchiv 3 (1981), C. 191-194. Ein weiterer Tretradkian existierte in Guildford/Surrey, der wohl im Verlauf des 17. Jahrhunderts errichtet und zuleizr noch in den ftiihen 60er Jahren des 20. Jh. genurzt wurde. freundliche Mitteilung des Guildford Museums, das auch Konstniktionszeichnungen der Anlage zur Verfügung stellte.

" SrAWesel, Stadrrechnungcn 1521/26, foi. 115r.

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Koblenz; Heilbronn, Mainz und Frankfurt; Würzburg und Frankfurt; Koblenz, Bingen und Rüdesheim etc. O b mit diesen in Form und Ausrichtung je nach Zeitpunkt und Umständen verschiedenartig ausgestalteten Kontakten zwischen Kranstandorten auch Unterschiede in der Bauweise der Krangehäuse erklärt werden können - dies betrifft 2.B. Grundriß und Baumaterial -, bedarf weiterer detaillierter Untersuchungen G. Am 1. Mai 1533 erstattete der Trierer Rentmeister zwei vom städtischen Rat beauftragten Personen Gnkosten in Höhe von vier Gulden, den Cranen zu Bopart zu besichtigen '4. Bei der Reparatur des Trierer Landkrans in der Moselstadt, die wohl infolge Hochwasserschäden notwendig geworden war, diente demnach der Kran in Boppard als Vorbild. Das Beispiel zeigt, daß der Techniktransfer über größere Entfernungen hinweg vonstatten gehen konnte. Den weiten Weg zum Rhein mußten die Trierer Sachverständigen wohl auch deshalb unternehmen, weil zu dieser Zeit an der Mosel über das Trierer Heben-erk hinaus kein weiterer Landkran vorhanden war. Auch Koblenz besaß im Jahre 1533 lediglich zwei Schiffskrane.

Unter den technikgeschichtlich interessanten und teilweise noch zu klärenden Problemen der Krangeschichte soll im folgenden lediglich der Aspekt der Leistungsfähigkeit näher erörtert werden. In methodisch unterschiedlicher Weise wurde diese Frage bisher untersucht. So haben P. Martens und F. Jankowski auf der Grundlage erhaltener Zeichnungen eines französischen Baumeisters aus dem 16. Jahrhundert einen mittelgroßen Baukran nachgebaut, dessen theoretisch mögliche Leistungsfähigkeit sie mit 9500 N (Newton) berechneten. Die in der Realität gehobene Last dürfte freilich geringer gewesen sein, konnte aber wohl je nach Art der Bedienungsweise kurzfristig erheblich erhöht werden 15.

H. Hemberger hat den interessanten Versuch unternommen, auf der Basis von Konstruktionsaufnahmen des Oestricher Hafenkrans dessen Leistungsfähigkeit zu berechnen. Diese Anlage, die im 18. Jahrhundert erneuert worden war, hat nach Hembergers Ergebnissen eine maximale Last von etwa 2,5 t bewältigen können '6. Zu berücksichtigen ist freilich, daß auf der Grundlage alter Ma- schinen dieser Art deren Leistungsfähigkeit allenfalls annähernd zu ermitteln ist, weil weder die Qualität der Wartung noch die Bedienungsweise der Anlagen genau bestimmt werden können.

Eine aufschlußreiche Möglichkeit, Leistungsgrenzen von Hafenkranen zu ermitteln, bieten Bestimmungen in Kranordnungen. Nicht selten wurde in ihnen - meist auf Weingebinde bezogeii - festgelegt, bis zu welchem Volumen

'3 MATHEUS, wie Anm. 3, Anm. 37. '"tA Triei, Rencmeisrereirechnung 1532/33, fol. 221,. Ebd., fol. 20r, sind Ausgaben i,erzeichnet am

Cianen des groiiren Geweueri halb ' 5 P. MARTENSIF. JAIKOWSK~, Meister Adams Hebekran, in: Biunsn-iek 1031 - Braunschn-cig

1981: Die Siadc Heinrichs des Löwen von den Anfängen bis zur Gegenwart. FS zur Ausstellung vom25.4.1981 bis 11.10.1981, hg. V. G. SPIES, Braunschwcig 1981,s. 131-149.

'6 H. HEMBERGER, Hafenkrane des Mirtelalters und der frühen Neuzeit, Diplomarbeit an der Fachhochschule Heilbronn, WS 1980/81.

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Flußhäfen und ihre Hebewerke 97

Fässer von den Kranbediensteten befördert werden durften. Behälter größeren Inhalts konnten demnach in der Regel zwar verladen werden, doch haftete der Auftraggeber für auftretende Schäden. Solche Festlegungen lassen erkennen, welche Last nach Einschätzung der Kranhetreiher ohne Gefahr für die Anlagen gehoben werden konnte. Ihnen liegen zudem zweifellos Erfahrungswerte zugrunde, die auch den Zustand der Krane und ihre Bedienungsweise be- rücksichtigen. Vom 14. bis 16. Jahrhundert konnten entsprechende Vorschriften z.B. für die Hebewerke von Köln, Trier, Koblenz und Andernach nachgewiesen werden. Demnach wurde die gefahrlos zu hebende Last bei diesen Maschinen auf etwa 1,2/1,3 t geschätzt; diese Werte scheinen lediglich vom Kölner Hauskran übertroffen worden zu sein. In Ausnahmefällen wurden sicherlich gewichtigere Güter befördert. In der Regel dürften sowohl Schiffs- wie Landkrane der bislang näher untersuchten Region (vgl. Karte) kaum in der Lage gewesen sein, wesentlich mehr als zwei Tonnen zu heben.

Auch über längere Zeiträume hinweg blieb diese Leistungsgrenze - wie bisher in Einzelfällen nachgewiesen werden kann - erstaunlich konstant. So legt die Neusser Kranordnung vom 28. März 1741 für den dortigen Schiffskran fest, daß von einem Faß, das mehr als 8 Ohm enthält, doppeltes Krangeld zu entrichten sei und soll auffGeJahr des Kaufhzans gekrahnt werden 17. Rechnet man das Neusser Ohm zu 156 Liter 18, so schätzte der Rat noch im 18. Jahrhundert die gefahrlos zu befördernde Last auf etwa 1,s t. Den Neusser Bestimmungen entsprechende Festsetzungen sind im Jahr 1620 für Koblenz (also für einen Landkran) und im Jahr 1772 für St. Goar verfügt worden 19. Die Leistungsgrenze hat zumindest in Einzelfällen auch über das engere Untersuchungsgebiet hinaus Gültigkeit behalten. Im Jahr 1426 entscheidet ein Brügger Schöffenurteil in Auseinandersetzungen zwischen hansischen Weinkaufleuten in Brügge und den dortigen Weinschrötern u.a.: Wie bisher sollen keine Fässer gekrant werden, die meer houden dun 44 zestren wijns 20. Veranschlagt man das Sester mit 36,16 Litern 21, so durften in Brügge Fässer bis zu einem Volumen von maximal 1.591

StA Neuss, A l / I I I G 17. 1s E. W~ISPLIVGUOFF, Geschichie der Stadt Neuss. Von den mirielaiierlichen Aniänaen bis zum Jahre

1794, i'ieuss 1975, C. 728. 19 Eine Koblenzer Kranordiiunp aus dem Tahre 1620, also nach dem Bau des Landkrans am Rhein, "

legt fest, daR keine Wein- und Salzfässer oder andere Waren, auch keine Nachen, Bauhölzer, Grab- oder Mühlsteine verladen werden dürfen, die uber neiin Ohm rchwär icint. Was über 7 1/2 Ohm schwer ist, darf gegen Enrrichiung der doppelten Gebühr gehoben werden, doch auf des Aufiraggebers Gq2hr. LHAKO 1 C Nr. 2227. VgI. zu ähnlichen Besrimniungcn aiis dem 15. Jh. MATHEUS, wie Anm. 3 , Anm. 61. Eine Kraiiordnung f ü r das Hebewerk in Sr. Goar aus dem Jahre 1772 gestattet das Verladen eines Weinfasses von 9 Ohm, abeiazf Ge,&hr desjenigen, der cr ein odcr aurretzen LäJt, wan Schade am Fair odcr Grahnen geschehen softe, LHAKO 638, Nr. 547. Das Ohm enthielr am Mitmlrhein sicher nichi mehr als 160 Liter, vgl. L. HECKEL, Veinmaße in alter und neuer Zeii, in: Rund um Boppard 8 , 11. Novembcr 1961, Nr. 45.

20 HansUB Vi, bearb. V. K. Kuxze, Leipzig 1905, Nr. 630. 21 Nach E. GAILL~ARD, Table des Noms de Familles, Table des Noms de Lieur e t Giossaire flamand

(Invenraire des Archives de la Viile de Bruges, Secrion piemiire ..., I. sirie), Bnigge 1883-85, C. 388, 800, enthäli ein Sester in Brügge 16 Sioopen. Ein Stoop entsprach ca. 2,26 Litern. Diesen Hinweis verdanke ich Herrn Dr. J. Mertcns, Rijksarchief Bnigge.

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98 Michacl Matheus

Litern verladen werden. Die Hebewerke sollten demnach einschließlich des Fagleergewichts nicht mehr als etwa 1,8 t befördern.

Von den bisher ermittelten Werten weichen Bestimmungen einer Straßburger Kranordnung nicht unerheblich ab. Demnach konnten die Hebewerke der elsässischen Metropole Fässer bewältigen, deren Gewicht sich auf etwa 3 t

belief22. Da5 in Straßburg im 15. Jahrhundert tatsächlich Fässer dieser Größenordnung im Handel Verwendung fanden, bezeugt indirekt ein Brief der Stadt Frankfurt an den Straßburger Rat vom 19. Mai 1423. Es seien - so teilen die Frankfurter darin mit - viele Klagen darüber geführt worden, daß Kaufleute, de mit winen von Straspurg und anders da oben her abe bij unshren nie1 grosserjäszunge laden, dan von alder gewest sij. Da von den kranen, den kranen seylen und auch den wagen, de zufuren, grosser schade geschee, und de w i n auch mit grossen sorgen gearbeit werde, und etzwan auch de w i n verschodt werden. Um in Zukunft solchen Schaden zu vermeiden, habe der Frankfurter Rat beschlossen, daß man mit den Kranen in der Mainstadt keine Fässer mehr heben dürfe, die mehr als 30 Elsässer Ohm enthielten. Die Straßburger Ratsherren werden gebeten, ihre von diesem Beschluß betroffenen Bürger und Schiffsführer in Kenntnis zu setzen 23.

Rechnet man das Elsässer Ohm zu 45,811 Liter, so durften die in Frankfurt zugelassenen Fässer nicht mehr als 1.374 Liter enthalten. Einschließlich des Faßleergewichts konnten somit nach Einschätzung des Frankfurter Rates die Hebewerke der Mainstadt maximal etwa 1,6 t befördern. Dieser Wert stimmt in etwa mit den übrigen auf der Grundlage von Kranordnungen ermittelten Leistungsgrenzen überein.

Eine weitere Straßburger Quelle ist für die Berechnung der Kapazität der dortigen Hebewerke aufschlußreich. Neben der Anlage am Breuschufer verfügte Straßburg auch über ein Hebewerk an1 Rhein. Im Jahre 1470 war eine mehrköpfige Kommission mit der Planung eines Rbeinkrans befaßt. Sie nahm ein muster in Augenschein, so der alt Rinbruckmeistergemaht hat i n f o l n ein krane am R i n . Sofern die Errichtung eines Hebewerks gelinge, wie ihn das muster vorsehe, ersparet man dadurch den coiten, den man muste haben mit dem anderen kranschz. Ein Schiffskran war demnach bereits zuvor am Rhein vorhanden. Die Kommissionsmitglieder äußerten Bedenken: Daß man etwan by vierfuder swere an dem krane hebe, do haben sie sorge des obern wercks, desz hab, dasz sii nit wissent, dz er einen solichen last tragen möge oder nit und ouch nit wissen, daz es zwen knecht umb gewenden mogent ... 24. Die Sachverständigen waren demnach skeptisch gegenüber der Angabe, das Hebewerk könne vier Fuder, also über 4,s t heben. Sie fürchteten, weder die Krankonstruktion noch die Kranknechte seien einer solchen Belastung gewachsen. Die im Stadium der Planung für möglich gehaltenen Werte deuten jedoch - selbst wenn sie zu hoch veranschlagt waren - indirekt erneut die vergleichsweise hohe Leistungsfähigkeit der Straßburger Krane an.

22 MATHEUS, wie Anm. 5, Anm. 66-68. 25 SrA Frankfurt, RS I, Kr. 1932. 2-1.4 Srraßburg, R 29, BI. 38.

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Flußhäfen und ihre Hcbewcrke 99

Abb. 2: Stiaßburger „Doppelkrnn". Radierung von Wenzel Hollar (1607-1677)

Der Frankfurter Brief des Jahres 1423 verweist jedoch auf ein weiteres interessantes Problem des Transportwesens. Keineswegs nur die Krane waren nicht in der Lage, die großen Weinfässer aus dem Elsaß zu bewältigen. Die Ratsherren betonten ausdrücklich, daß auch den wagen, de zu furen, grosser schade geschee. Offenkundig reichte die Ladekapazität vieler Wagen, mit denen die Weingebinde transportiert wurden, nicht über 2 t hinaus.

Krane waren gleichsam Bindeglieder zwischen dem Transport zu Wasser und zu Lande. Selbst wenn die technischen Möglichkeiten bestanden, konnte es in der Regel kaum zweckmäßig sein, Fässer an den Kranen zu verladen, die für die Verschickung über Land zu schwer waren 25. Es mußte vielmehr - wie das

Wurden die großen Elsässer Weiiifässer ausscliließlich auf dcni Wassern-ege wciierbefördeir? Für die Landfracht wurden im Elsaß offenkundig in dcr Regcl n u r einfudrige oder kleinere Fässer vcrwcndet. Ursprünglich enrsprach ein Fiider einer Wagenlast. Nach eincr Colmnrer Handschrift aus den, Ende des 13. Jh. wird ein Fuder Wein mit einem Faß Wein gleichgesetzt, das 6 Pferde oder 4 von besonderer Stärke ziehen, ugl. M. BARTH, Der Rebbaii des Elsass und die Absatzgebiete seiner Wcine, 2 Bde., StraRburg/Paris 1958, hier Bd. 1, S. 324, j j l f . , 336. Auf dic Grenze der Leisrungsfähigkeii von Weinfuhrwerken ~crwcis t noch ein Vorfall am Kran zii freiweinheim aus den Jahren 1788/89. Johanncs Hanninnn ron Ober-Ingelheim Iiatte zwei Weinfässer auf seinem Wagen an das Hebewerke bcfördcrt. Beim Entladen durch dic Wciri- schrörer war ein Wagenrad zerbrochen, für das Hanmann Scliadetiersacz forderte. Die Schröter wiesen während der Untersuchung des Vorfalls darauf hin, daß die Wagenräder Übcr 20 Jahre alr und daher für den Transporr einer Lasr von 8 Olim Wein unbrauchbar gcwesen seien. Rcclinet man das Ohm zu 160 Liter (vgl. Anm. 19), war das Fuhrn-erk mir enva 1,s t beladen. Damit a-urde offenkundig auch die Grenze der Leistungsfähigkeit eines Wagens erreicht, der sich in gutem Zusrand befand. A. SaaLw*cxTen, Dic Namen von Frei-Weinheim am Rhein mit einer Besiizgeschichie und urkundlichen Beilagen (BeiriIngG I j ) , Ingelhcim 1962, S. 1091. Zur Leisrungsiähigkeii von Wagen vgl. auch T. Du~ix-W~sowicz , Eioluzione dclla ieciiologia dei traspoiti nelI'Europa ccnrrale del XI11 secolo, in: Archaeoiogia Polona 19 (1976), C. 257-273, hier C. 270.

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Frankfurter Beispiel zeigt - siiinvoll erscheinen, die Kapazität der einzelnen Beförderungsmöglichkeiten aufeinander abzustimmen. Das Problem des Trans- portes großer Weinfässer des Elsaß könnte somit im Rahmen einer Un- tersuchung der Leistungsfähigkeit des Transportwesens insgesamt einer Lösung zugeführt werden, was hier freilich nicht möglich ist26.

2 . H a f e n k r a n e u n t e r w i r t s c h a f t s - , s o z i a l - u n d v e r f a s s u n g s g e s c h i c h t l i c h e n A s p e k t e n

,,Siehe, da wimmeln die Märkte, der Kran von fröhlichem Leben. Seltsamer Sprachen Gewirr braust in das wundernde Ohr."

Zu den verschiedenen Orten menschlicher Kultur, die Friedrich von Schiller in seinem berühmten Gedicht ,,Der Spaziergang" Revue passieren Iäßt, gehört im Bereich von Gewerbe und Handel auch der Hafen. Das poetische Bild faßt komprimiert wichtige Elemente der belebten Szenerie. Zwar standen dem Dichter - wie der Kontext erkennen Iäßt - Seehäfen vor Augen, doch waren auch die Krane bedeutender FluXhäfen in ähnlich bunte Lebendigkeit ein- bezogen.

Mit der Verdichtung des Warenverkehrs im Verlauf des Mittelalters wurde der Hafen für viele Menschen zunehmend ein Ort, wo sie kurz- oder langfristigen Beschäftigungen nachgingen. In den meisten Flußorten des engeren Untersuchungsgebietes lag er außerhalb der Ummauerung; gleichwohl war der Hafen für das wirtschaftliche und soziale Leben der zugehörigen Siedlungen ein zentraler Bereich. Hier landeten Schiffe, deren Ladungen an Land gebracht w-urden, sei es zum Verkauf oder um der Stapelgerechtigkeit Genüge zu tun. Hier fanden sich Beschäftigte der Transportgewerbe ein, die die Weiter- beförderung der Güter besorgten. Bewohner der benachbarten Siedlung suchten die Schiffslandestellen auf, um eigene Waren verfrachten zu lassen oder ankommende zu begutachten und gegebenenfalls zu ordern. Befanden sich neben Kranen Märkte und Lagerplätze, waren nicht wenige damit beschäftigt, Waren zu messen und zu wiegen, den Güterumschlag zu kontrollieren und Kaufabschlüsse zu vermitteln. Das Kranpersonal schließlich hatte für das Funktionieren der Hebewerke zu sorgen.

Die Zahl der am Flußufer tätigen Personen konnte beträchtliche Ausmaße annehmen. So schätzte Kuske allein die Zahl der am Kölner Werft tätigen „Arbeiter und Beamten" - also Dienstleistende aller Art einschließlich der Kranbediensteten - im Mittelalter auf 200, in den späteren Jahrhunderten auf 300 Personen*'. Köln, das im 16. Jahrhundert zeitweise über sieben Krane

26 Hierzu könnte die Auswerrung Kölner Quellen aufschlußreich sein. Auch dort waren die groiiren Elreirer voedcr bekannr, vgl. B. KUSKE, Quellen zur G~rchichtc des Kölncr Handels und Verkehrs im Miicclalrer (Pub. Ges. Rhein. Gkde. 33), 4 Bde., Bonn 1917-34, hier Bd. 2, C. 822.

7 B. KUSKE, Die siädiischen Handels- und Verkehrsaibeirer und die Anfänge siädiischer

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verfügte, stellt freilich ein herausragendes Beispiel dar. Das Leben um die Hebewerke konnte sich in sehr viel bescheideneren Dimensionen abspielen. So verzichtete man in Freiweinheim zu Ende des 17. Jahrhunderts auf die Bestallung eines hauptamtlichen Kranmeisters, da die Einnahmen des Kranamtes zu seiner Unterhaltung bei weitem nicht ausgereicht hätten. Über das Hebewerk in Freiweinheim wurde hauptsächlich Wein verladen. Der Kranbetrieb war somit besonders ausgeprägt saisonalen Schwankungen unterworfen. In Jahren schlech- ter Weinernten, in denen der Weinexport unterblieb, erbrachte dieses Hebewerk keine Einnahrnen28.

Besonders in Häfen bedeutender Wirtschaftszentren benötigte man am Flußufer nicht nur Krane, sondern auch weitere Einrichtungen. Deren Zahl und Ausstattung war freilich nicht zuletzt vom Raum abhängig, der am Ufer zur Verfügung stand. Wie der Klüpfels-Au-Plan von um 1525 erkennen läßt (vgl. Abb. 7), verfügte die Stadt Speyer außerhalb der Stadtmauern über ein relativ ausgedehntes Vorland, das sich zum Rhein hin erstreckte. Zu den beiden Kranen dieser Stadt gehörten in der frühen Neuzeit zwei Lagerhäuser. Beim „unterenn Kran wurde spätestens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zudem eine Waage errichtet29. Lagerplätze in unmittelbarer Nähe des Krans befanden sich besonders bei solchen Flußstädten, die Stapelrechte beanspruchten. Den Straß- burger Landkranen war einer der städtischen Weinmärkte zugeordnet, auf dem überwiegend rechtsrheinische Weine zum Verkauf angeboten wurden. In unmittelbarer Nähe befand sich auch das im Jahr 1358 am Breuschufer errichtete Kaufhaus jG.

Auch wenn Einrichtungen wie Lagerhaus und Lagerplatz, Markt, Waage und Kaufhaus nicht in unmittelbarer Nähe eines Krans lagen, waren sie doch funktional auf den Kranbetrieb bezogen. Dieser Zusammenhang spiegelt sich in Quellen deutlicher wider, seitdem im Verlaufe des späten Mittelalters besonders Städte dazu übergingen, Warenbewegungen schriftlicher Kontrolle zu un- terziehen. Von der zunehmend schriftlich gestalteten Verwaltungstätigkeit, von der sich die Obrigkeiten größere Effektivität und bessere Kontrolle versprachen, war auch der Kranbetrieb betroffen. Vom 14. bis 16. Jahrhundert wurde besonders in den bedeutenden Kranstandorten ein System herausgebildet bzw. verfeinert, mit dessen Hilfe - bei allen Unterschieden im einzelnen - der Weg der Waren minuziös überwacht werden sollte, um Gebühren- wie Steuer- hinterziehungen zu verhindern.

In StraOburg galten die Bemühungen um Kontrolle besonders dem wichtigen

Sozialpoliiik in Köln bis zum Ende des 18. Jh. (Kölner Smdien zum Sraats- und \Virischafrslebcn S), Bonn 1914, S. I6ff. Zu sozialSeschichilichen Aspekcen des Kranpersonals rgl. MATHEES, wie Anm. 3, Kap. 8.

28 SAALWÄCHTER, wie Anm. 25, C. 107. 29 H. SIEGEL, Das Kaufhaus der freien Reichsstadt Speyer. Ein Beitrag zur Handels- und

Wirtschafugeschichre der Stadt Speyer, masch. Diss., Frankfurt/M. 1926, C. Sjff. 50 E. BENDER, Weinhandel und Wirtsgewerbe im mittelalterlichen Sirassbuig, Sirassburg 1914, C.

27ff.

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Exportgut Wein: „Wollte jemand Wein heben lassen, so begab sich der Krahnmeister mit dem Weineigentümer in das Kaufhaus und meldete dem Kaufhausherrn das Quantum. Dieser legte das ihm zu entrichtende IHebegeld in eine Büchse, die jeden Samstag auf die Stadtkasse kam, und gab als Quittung eine Hebemarke. Darauf berechnete der Kaufhausherr das Quantum nach Fudern, das Fuder zu 24 Ohm. Bei je 24 Fuder wurde ein weiteres Fuder nicht angerechnet. Die Anzahl der Fuder vermerkte der Kaufhausherr auf einem Zettel, besiegelte ihn und schickte damit den Krahnmeister und Kaufmann an die Ungeldkasse, wo das Ungeld nach Angabe des Zettels erhoben wurde. Hier erhielt der Kaufmann ein worzeichen, das für den Rheinzöllner bestimmt war, der so wußte, daß das Hebe- und Ungeld bezahlt war. Das Hebezeichen gab den Krahnleuten die Erlaubnis zu heben. Am Ende der Woche wurden die eingegangenen Marken auf die Ungeldkasse gebracht und von dem Krahn- meister gezählt. Darauf wurden sie wieder dem Raufhausherrn zur Austeilung zugestellt" 3'.

Dieses von E. Bender skizzierte Verfahren hatte der S t r a ß b ~ r ~ e r Rat bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts in wesentlicheil Teilen schriftlich fixieren lassen und den Kranmeister eidlich verpflichtet, die getroffenen Bestimmungen einzuhalten. Der Kaufhausherr Claus von Berse - so berichtet die Verordnung - habe bisher nicht nur das Krangeld entgegengenommen, sondern auch Ungeldleistungen von Wein, der auf dem Rhein transportiert wurde. Krangeld und Ungeld habe er in einer „Kiste" verwahrt und - wie die Verwalter der Ungeldkasse - worzeichen (Quittungen) über die entrichteten Steuern aus- gestellt 32. Dadurch aber sei der Verdacht aufgekommen, das der stette an irme ungelte unreht beschehen mghte. Das Ungeld soll daher in Zukunft nur noch an der ungeitkisten entrichtet werden; nur dort sind auch entsprechende Quittungen auszustellen. Berse nimmt ausschließlich in Empfang, was von den kranichen gevellet und stellt darüber hebeworzeichen aus. Wöchentlich sollen zudem Claus von Berse oder Lentzenhans - wohl der Kranmeister - vor den Verwaltern der Ungeldkasse über die Unkosten abrechnen, die der Kranbetrieb verursacht hatte. Die getrennte Fuhrung von Krangeld- und Ungeldkasse sollte die gegenseitige Kontrolle über die Einnahmen erleichtern.

Im Verlauf des 15. und 16. Jahrhunderts wurden Kranmeister sowohl von städtischen wie territorialen Verwaltungen zuseliends häufiger verpflichtet, die am Kran erzielten Einnahmen schriftlich festzuhalten. Auch über Unkosten, die der Kranbetrieb verursachte, mußte Rechenschaft abgelegt werden. War der Umfang des Kranbetriebs bedeutend, wurden gelegentlich mit diesen Aufgaben eigens bestellte Kranschreiber betraut. Diese Rechnungen, auf die in der frühen Neuzeit kein Kranstandort mehr verzichtete, konnten mit Aufzeichnungen anderer Gebühren- und Steuerkassen - sofern sie gekrante Waren gleichfalls

31 Ebd., C. 33f. 3' K. TH. EHEBERG, Verfassungs-, Verwaltungs- und Wiric~hafrs~cschichre der Stadt Strassburg,

Bd. 1:Urkundcn und Akren, Strassburg 1899, S. 27f.; Sb2 Siraßburg, R 16, BI. 65,.

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enthalten mußten - verglichen und dadurch Steuerhinterziehungen aufgedeckt werden. Eine 1772 für Sr. Goar erlassene Kranordnung schreibt auch andernorts typische Rubriken der Rechnungen vor. Demnach war der Kranmeister ver- pflichtet, täglich jeden Posten anfallenden Krangeldes sowie den jeweils zu entrichtenden Knechtlohn zu notieren. Darüber hinaus sollte er in diesem Manual alle Quartal die Schmier- und Reparations-Kosten mit Nahmen der Werckleute und Gehülfen samt ihrem Lohn und was es i n allem gekostet auf- führen 33.

Diese vereinzelt seit dem 14. und 15., in größerem Umfang seit dem 16. Jahrhundert erhaltenen seriellen Quellen sind für die Geschichte der Krane außerordentlich aufschlußreich. Überlieferte Ausgahenverzeichnisse für „Re- parationskosten" bieten für zahlreiche noch zu klärende technikgeschichtliche Fragen der Krankonstruktion wichtige Anhaltspunkte 3% Diese Rechnungen erlauben zudem nicht nur Rückschlüsse auf Kranbetrieb und Kranorganisation, sondern enthalten auch für handelsgeschichtliche Untersuchungen zahlreiche Anhaltspunkte. Die Schreiber haben nicht selten über die eingenommenen Summen hinaus auch die Art der Güter, teilweise sogar deren Besitzer verzeichnet. Zwar waren Massengüter - wie Holz - gelegentlich von der Zahlung des Krangeldes befreit. Andererseits entwickelte sich das Krangeld ansatzweise spätestens im 15. Jahrhundert zunehmend zu einer Gebühr, die auch von nicht gekranten Waren zu entrichten war. In Köln mußte diese Gebühr selbst dann bezahlt werden, „wenn die Kranen oder das Personal nicht beansprucht wurden oder wenn die Waren auf Grund einer Befreiung an Köln vorbeifahren oder den Stapel im Schiff halten durften und deshalb nicht aus- bzw. umgeladen werden mußten" 35.

Die Zusammensetzung des an1 Flußufer verhandelten oder dort passierenden

33 LHAKO 635, Nr. 347. jWgl . z.B. M. MATHEIS, ,,Stadt am lW3": Kranen, Kranmeisierei und Scliiffer im spätmit-

teialreilichen Trier, in: KurtrJb 22 (1982), S. 34-59, Anhang. Gelegentlich sind aucli gcnaue MaXe der Kranschiffe überliefeii, sgi. z.8. WISPLIXGHOFF, wie Aiim. 18, C. 382. S u i \Vcse/, Stadr- rechnungcn 1521/26, fol. 112". Für rechnikgeschichtlichc Uotcrsucliungcn sind neben schrifr- Eichen Zeugnissen, erhaltenen Hebewerken und Bildquellen auch Rekonstruktionen bzw. Modelle voii Kranen aufschlußreich. So befindei sich cin Ladekran mit der Höhe von 10.20 rn und einer Armlänge von 14 m im Hanseatik Museum in Bergen, vgl. Qiiellcn zur Hanse- Gcschichre, mit Beiträgen V. J. B O H M B . ~ C I ~ und J. GOETZE., lig. r. R. SPRAKDEI. (Ai?sgca:ählte Qucllen ... 36), Darmsradr 1952, C. 546. Das Modcll eincs Trctiadkiaiis oline Kinnliaus befindci sich im Rheinn3useum in Emmerich, rgl. Abb. in: Neuss zur Hansezeic. Drelipunkt zwischen Schiff und Achsc. Katalog zur Ausstellung des Sradiarchiis Neuss im Zeughaus ani Markt, 16. Juni bis 10. Augusc, Ncuss 1984, C. 28. Ein Modcll des altcn I'iicrer Hebewerks befindct sich im Siädrischen Museum Simeonsiift in Trier. Zu Modellen vgl. auch F. HAVEMAKX, Der Alte Kran in Lüneburg, in: Dpfl 17 (1915), S. 35f.; A. HAMBLOCH, Das Modell des alten Rheinkranen der Stadr Andernach im Hisiorischen Museum der Pfalz in Speyer, in: PfM 32 (1915), C. 85-88; K. Wauen, Der nlte Heilbronner Neckarkran, in: Schwaben und Franken. Heimatgeschiclitlichc Beilage der Heilbronner Stimme, Jg. 29, ?Ir. 2, Februar 1983, C. l f .

35 C. V. Looz-CORS~AREM, Das Finanzwesen der Stadt Köln im 18. Jahrhundert. Beitrag zur Vemaltungsgeschichre einer Reichsstadt (Veröff. d. Kölnischen Geschichtsvereins 34), Köln 1978, S. 112.

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134 Michaei Matheus

Warensortiments ist auf der Grundlage erhaltener Krangeldrechnungen, die zudem von Krangeldtarifen ergänzt werden können, zu einem großen Teil zu ermitteln. Diese Quellen gehen darüber hinaus wichtige Aufschlüsse über Veränderungen der Warenhewegungen auf dem jeweiligen Fluß, besonders dann, wenn die auf Krangeldrechnungen gestützten Erkenntnisse mit der Auswertung benachbarter Steuer-, Gebühren- und Zollverzeichnisse verglichen und ergänzt werden können. So hat H . Münker, gestützt auf die Einnahmen des Weseler Krans sowie weiterer städtischer Kassen während der 70er Jahre des 16. Jahrhunderts und bis zur Mitte der 80er Jahre ,,eine ganz erstaunliche Zunahme des Güterverkehrs in \YieselC' feststellen können. „Die Kraneinkünfte, die 1573 bereits 285 gl. < = Gulden, betrugen, ergehen 1575 - 436, 1578 - 553, 1579 - 752, 1584 gar 967 gl., das 5-6fache der 60er Jahre". Infolge der kriegerischen r'useinandersetzungen in den südlichen Niederlanden und am Niederrhein erfuhren die Verbindungen Wesels mit den wirtschaftlich florierenden nörd- lichen Niederlanden einen enormen Aufschwung. ,,Wesel wird der Endpunkt der niederländischen Schiffahrt, die jetzt mehr und mehr von Wesel aus den Landweg einzuschlagen beginnt. Am Weseler Kran wuchs der Umschlag niederländischer Waren." Aber auch die Verfrachtung von Wein nahm zu: „Statt der 460 Stück des Jahres 1560 wurden 1584 - 1.263 Stück, statt 295 Zulast 1.888 Zulast Wein gekrant" 36.

Sofern die Überlieferung der Quellen es zuläßt, können Hinweise auf Schwankungen des Handelsvolumens insgesamt ebenso wie Veränderungen im Handel mit bestimmten Gütern ermittelt werden. Das Weseler Beispiel deutet an, daß Krangeldrechnungen nicht zuletzt instruktive Quellen für die Ge- schichte des Weinhandels darstellen. Dies gilt in besonderer Weise für Rech- nungen von Kranen in der Nähe bedeutender Weinanhaugebiete, über die in der Hauptsache Weinfässer befördert wurden. Die unterschiedliche Auslastung dieser Hebewerke erlaubt Rückschlüsse auf Konjunkturen des Weinexportes bestimmter Regionen und spiegelt quantitative Erträge von Weinernten wider 37.

Nicht nur unter dem zuletzt genannten Aspekt ist der schriftliche Niederschlag der Kranbetriehe bisher nur unzureichend ausgewertet worden 3 8 .

Das ausgeklügelte Kontrollsystem, in das Krane einbezogen waren, sollte nicht nur Steuerhinterziehungen aufdecken helfen; es ermöglichte auch wirt- schaftspolitische Maßnahmen der Kranhetreiher. Nahezu jeder Kranhetrieb beanspruchte einen abgegrenzten Ladebezirk; ein bestimmter Personenkreis war zur Nutzung des betreffenden Hebewerks verpflichtet. Besonders kleineren Anlagen sollte dieser Ladezwang u.a. die zur Unterhaltung notwendigen Einnahmen sichern 39. Konnte er durchgesetzt werden, wurde der Weg vieler

36 H. MLXRER, Die Wcseler Schiffahii vornehmlich zur Zeii des spanisch-niederiändischen Krieges (Studien und Quclien zur Geschicliie von Wesel I ) , Wesei 1908, C. 25ff.

3' Ein Hinweis bei MAI.HEUS, wie Aiim. 34, C. 44. jB Vsl. LU isorliepcndcn Ergebnissen =.B. M. HcisK~s, Andernach im Mirteialter. Von den Anfängen

bis zum Ende des 14. Jahrhundert (RhArch 111), Bonn 1980, S. 222ff.; LOOZ-CORSWAREM, wie Anm. 35, C. 112ff.; M~NKER, wie Anm. 36, C. 13ff.; WISPLISGHOFF, wie Anm. 18, S. 3ff. Zur Wirtschaftlichkeir von Hafenkrnnen vgl. MATHEUS, wic Anm. 3, Kap. 6.

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Fluflhäfen und ihre Heben-crkc 105

Waren zu einzelnen Hebewerken hin kanalisiert. Unmittelbar beeinflussen konnten Kranbetreiber mit Instruktionen an das

Kranpersonal besonders den Handel mit Schwergut, das zur Weiterbeförderung auf die Hebewerke angewiesen war. Die Kontrolle über Krane nutzte Straßburg in den siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts zu Maßnahmen gegenüber Weinhändlern, die gezwungen wurden, einen Teil der im Elsaß eingekauften und über Straßburg geführten Weine an Bürger der elsässischen Metropole zu verkaufen. „So beschwerten sich im Jahre 1577 Kölner Weinhändler, dass sie von den Weinen, die sie im Elsass kauften, den 4. Teil in Strassburg den Bürgern zum Verkauf anzubieten hatten. Letztere wussten sich, so schrieben erstere verärgert, diesen Stapeirechtszwang meisterhaft zunutze zu machen und kauften ihnen den Wein bis zu 10 fl. billiger ab, als er sie beim Einkauf gekostet habe. Diese Massregel, welche die Kölner Kaufleute obendrein noch viel Zeit koste, sei nicht etwa durch eine Notlage der Stadt gerechtfertigt" ".

In zahlreichen Eingaben an den Straßburger Rat klagten betroffene Händler über den Zeitverlust, den sie am Kran erleiden mußten. Der Greifswalder Bürger Peter von Düren war im Auftrag des Rates seiner Stadt unterwegs, um Rheynstrom ettlich fider Wein einzukaufen. Von den zwanzig im Elsaß erworbenen Fudern sollte er jedes sechste in Straßburg verkaufen. In einer Eingabe an den Straßburger Rat vom 10. Februar 1574 führte er u.a. darüber Beschwerde, daJ der Weinkhran alhie de7,oestalt umb desz langsamen Verkaufi willen uberladen, dessen sich die innheimbiche Burger so wo1 als die Frömbden täglich irer hiedurch wachsenden Schadens beclagen und besonderlich die Frömbden mit groJen Costen und Gefihr sampt den Weinen still ligen miessen 4'.

Tatsächlich wurden auch Weine von Straßburger Bürgern von den Kran- bediensteten nicht verladen. So führte der Straßburger Küfer Matheus Dref- finger über erlittene Behinderungen beredte Klage. Er teilte dem Rat am 1. Februar 1574 mit, daß seine Weinfässer nuhn über die zwen Monat am Khran alhie gelegen. Er habe einst das Küferhandwerk erlernt, die Herstellung und Reparatur von Weingebinden lange Zeit betrieben und als Knecht und Meister seinen Lebensunterhalt verdient, bis er zu einem lammen armen verletzten Menschen wurde, als leider sichtbar alrgenscheinlich ist. Infolgedessen könne er seinem Handwerk nicht mehr nachgehen. Durch Weinhandel bescheidenen Umfangs suche er Einkünfte zu erzielen zu Underhaltung meines armen eilenden Leibs . Auf diese Einnahmen sei er dringend angew-iesen, da er auf Rath der Arzet widerumb ein Badenfarthfirnemen müsse. Er beabsichtige ja nicht mehr als ein zimlichen gottgefelligen Gewinn, nachdem gesagt wiirdt, daJ ein jeder Arbeiter seins Lohns Ergotzlicheit würdig zu erlangen. Die Argumentation Dreffingers könnte darauf verweisen, daß der Straßburger Rat mit seiner Politik u.a. die im Weinhandel erzielten Gewinnspannen zu beschneiden suchte. Eine Verbesserung

40 BARTH, wie Anm. 25, Bd. 1, S. 417. &I. auch H. KELLEYBEXZ, U i i r~~ha f t sges~h ich t e Kölns in1 16. und beginnenden 17. Jahrhundert, in: Zn-ci Jahriaurende Kölner Wirtschaft, hg. Y. H. KEL- LEXBENZ, Bd. 2, Köln 1975, S. 321-427, hier C. 376.

" SrA Siraßburg V, 18, Nr. 150.

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der Weinversorgung der Stadt scheint kaum dringlich gewesen zu sein. Dreffinger behauptet nämlich - ähnlich wie die Kölner Kaufleute -, der Rat habe zwar verfügt, jedes dritte Fuder unter der Bürgerschaft abzusetzen, er habe jedoch nur Preisangebote erhalten, die ihm einen Verlust von zehn Gulden oder mehr pro Fuder einbrächten. Zu solchen Preisen aber wolle er den Württen dieser Statt seinen Wein nicht überlassen. Der ehemalige Küfer bat um die Erlaubnis, seine Weine am Kran verladen zu lassen. Das eine oder andere Fuder wolle er dafür Personen zukommen lassen, die sonst bey dem Kran zu kaufen un- z;ermogendt seien, wiewol ich selber leibs ann und mehr bedurfiig zu emphahenn dann hinzugeben 42. Möglichem-eise hat Dreffinger seine Lage dramatisierend darzustellen verstanden. Die Anweisung des Rates an das Kranpersonal, Fässer eines Händlers nur dann zu verladen, wenn er zuvor einen Teil des Weines in Straßburg verkauft habe, hat ihm jedoch zweifellos Schaden verursacht.

Voraussetzung dafür, daß Krane als Instrumente der Wirtschafts- und Steuerpolitik dienen konnten, war nicht zuletzt ein reibungsloser Ablauf des Kranbetriebs. Zahlreiche Ordnungen suchten diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen, unabhängig davon, ob die Hebewerke Pächtern oder eigens bestellten Amtsinhabern übertragen worden waren. Und so1 namlich den kranch in sinem kosten in gtlten eren han mit suchen, mit kettennen und mit allen den dingen, so darztl gehörent, wird anläßlich einer Verpachtung des Konstanzer Krans im Jahr 1423 schriftlich festgelegt4j. Pächter bzw. Kranmeister und Kranknechte waren verpflichtet, die Funktionsfähigkeit der Hebewerke zu gewährleisten und notwendige Reparaturen vornehmen zu lassen. Sie waren für die Erhebung der vorgeschriebenen Gebühren verantwortlich. Aus den Krangefällen erhielten sie zudem meist wenigstens einen Teil ihrer Entlohnung. Zur Kontrolle im Rahmen des Steuerübemachungssysrems konnten sie ausdrücklich verpflichtet werden. Nach der Neusser Kranordnung des Jahres 1665 sollte der Kranmeister darauf achten, daß keine adJwendige Kaufleute einige Wein heimblich einpringen laJen, damit dadtlrch der Stadt die AccieJ nit verschlagen werde 14.

So sehr Ordnungen einen reibungslosen Ablauf der Verladetätigkeit an- strebten, so sehr lassen viele ihrer Bestimmungen erkennen, daß Verstöße gegen diese Regeln nicht selten waren. Wenn Kranordnungen festlegten, in welcher Reihenfolge die Kunden am Hebewerk zu bedienen waren, dürften sie auf manche Auseinandersetzung reagiert haben. Anlaß zum Streit boten auch Naturalleistungen, auf die Kranbedienstete vieler Hebewerke Anspruch erhoben. Immer exakter wurden deren Forderungen fixiert. So bestimmte die Neusser Kranordnung von 1665: Wenn sechs oder sieben Fuder verladen werden, soll der Kranmeister befugt sein, eine Flasche von acht Maß einzufordern. Die Kaufleute sind jedoch berechtigt, bey Ermangelung des ~Mllweins diese Leistung mit

42 StA Straßburg V, 18, Nr. 123. 43 Das Konstanzer Kaufhaus. Ein Beitrag zu seiner niitielaltcrlicheu Rechtsgeschichte, I. Dar-

stellung, V. H. KIMMIG, 11. Quellen, bearb. v. P. RLSTER (Konstanzer Geschichis- und Rechtsquellen 6 ) , Lindau/Konstanz 1924, S. 53. Si* Neuss A l / III G 17.

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Geld abzulösen 45.

Nicht selten war auch eine Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche am Flußufer regelungsbedürftig. So kam es in Neuss zu Auseinandersetzungen über die Betätigung der Faßbinder am Kran. Nach einer Anordnung von 1539 wurde ihnen untersagt, ,,da8 sie dem Bestäter, dem Vermittler des Fuhrwerks für die am Kran ausgeladenen Waren, Konkurrenz machten, daß sie anstelle des Kran- meisters die Krangebühren erhoben oder daß sie sich fremden Kaufleuten aufdrängten" ".

Das Kranpersonal war darauf bedacht, sich vor ungerechtfertigten Vorwürfen zu schützen. So hatte ein Kölner Kaufmann, Anton Roß, im Jahre 1608 den Koblenzer Kranmeister mit hochehrürigenn und verletzlichen Wortten und Schmehungen angegriffen. Mit der Untersuchung des Vorfalls wurden Räte des Trierer Erzbischofs betraut. Die Kommission kam zu dem Ergebnis, der Kranmeister habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Die Äußerungen des Kaufmanns seien dem menschlichen Zorn und Unbedachtsamkeit zuzurechnen. Auton Roß mußte öffentlich widerrufen und den Kranmeister um Verzeihung bitten, damit dessen Ehr, Redtlichkeit und gutter Leumuntt wiederhergestellt werde und weder ihm noch seinen Nachkommen der Vorfall zum Schaden gereiche 47.

Reibereien an Kranen entstanden nicht zuletzt dann, wenn beim Verladen Güter beschädigt wurden; immer wieder wurden zudem die in den Treträdern laufenden Kranknechte bei solchen Unfällen verletzt. Besonders das Heben großer Weinfässer war mit Risiken behaftet. In einer Privilegienbestätigung Graf Ludwigs 111. von Flandern, des Herzogs von Brabant, für die mercatores Romani imperii aus dem Jahre 1360 wurde u.a. festgehalten: Item si aliqua vina in crano seu instrumento, quo de navibus extrahuntur, velper vini tractores vel ductores efisa seu neglecta fuerint, ad illius dampni refusionem perpetratores illius forefacti effectualiter tenebuntur 48 . Die perpetratores illius jörefacti, also die Schadens- verursacher, waren jedoch keineswegs immer eindeutig festzustellen. Die Geschichte der Hafenkrane ist auch eine Geschichte von Schadensregulie- rungen. Nicht selten mußren aufwendige Untersuchungen darüber angestellt werden, wer für Beschädigungen verantwortlich war. Im Neusser Ratsprotokoll des Jahres 1715 hat ein Unfall schriftlichen Niederschlag gefunden. Die Ketten ahm Cranen waren zerbrochen und ein Fuder Wein verunglucket. Der Rat ordnete eine Untersuchung des Vorfalls an. Eine Kommission verhörte Kran- meister. Kranknechte und Schiffsleute, die das Unglück miterlebt hatten. Nach deren Aussagen war das Faß infolge VerabseGmung zu Boden gefallen. Die geladenen Zeugen waren bereit, dies mit einem Aydt zg betegren. Da der betroffene Roermonder Kaufmann auf Schadensersatz in Höhe von 121 Reichstalern bestand, sollten Bürgermeister und Rentmeister mit ihm einen

* Ebd.; vgl. ebd. auch die entsprechende Kriranordnung vom 28. März 1741 46 WISPLLNGUOFF, wie Anm. 18, C. 474. 47 LHAKO 1 C 45, C. 770. 45 HansUB 111, beaib. V. K. H ~ H L B A U M , Halle 1882-86, Nr. 495, C. 247.

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Vergleich aushandeln und die vereinbarte Summe aus den Einnahmen der Rentkammer entrichten 49.

Die erhaltenen Quellen berichten direkt oder indirekt sehr oft über Aus- einandersetzungen am Kran. An dieser Stelle sollten zeitlich und örtlich teilweise weit auseinanderliegende Beispiele lediglich illustrieren, auf welch unterschied- liche Weise - je nach Gegenstand und beteiligten Personengruppen - Händel zum Austrag kommen konnten. Seit dem Zuwachs an Quellen zur Geschichte der Krane im Verlauf des 15. und 16. Jahrhunderts sind Reibereien am und um den Kran besonders gut dokumentiert. Wie in anderen Lebensbertichen auch wirkten sie regelrecht quellenproduzierend. Insofern tritt die Tatsache ge- legentlich in den Hintergrund, daß die Beförderung vieler Güter an den Hebewerken auch reibungslos vonstatten ging.

Relativ einseitig berichten die Quellen auch über andere Konfliktfelder, in die Kranbetriebe einbezogen waren. Dies gilt - wie hier nur angedeutet werden kann - etwa für Auseinandersetzungen zwischen Stadtgemeinde, Stadtherr und Geistlichkeit, zu denen rechtliche Ansprüche auf Hebewerke und die Gestaltung des Kranbetriebs unmittelbar Veranlassung sein konnten Selbst innerhalb der Stadtgemeinde konnte die „Kranpolitik" des Rates umstritten sein. So war der Küfer Dreffinger in den siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts mit der vom Straßburger Rat verfolgten Politik gegenüber dem Weinhandel, zu deren Durchsetzung der Kran von Bedeutung war, keineswegs einverstanden.

Nicht nur in Straßburg, sondern in zahlreichen mitteleuropäischen Städten hatte sich im Verlauf des späten Mittelalters der Rat zur auch religiös legitimierten Obrigkeit entwickelt. Magistrate suchten seit dem 14. Jahrhundert in wachsendem Maße, das städtische Leben durch Verordnungen zu kon- trollieren. Die Ratsherren bedienten sich dabei eines ständig verfeinerten Kontrollapparates, in den Kranbetriebe einbezogen wurden. Die Herrschaft des Rates wurde freilich immer wieder mit Formen gemeindlichen Protestes konfrontiert, die - gegründet im genossenschaftlichen Selbstverständnis - das Recht auf Widerstand beanspruchten 5 ' . In vielen Städten verstanden sich Vertreter der Gemeinde als „Mitohrigkeit", die besonders den Anspruch auf Kontrolle der städtischen Finanzen durchzusetzen versuchte. Dieses „Grund- verhältnis zwischen Rat und Gemeinde " ( 0 . Brunner) konnte - wie das folgende Beispiel illustrieren soll - auf den Kranbetrieb spürbar einwirken.

Seit 1460 existierte in Neuss mit den Vierundzwanzigern ein Gremium, dessen Mitglieder aus den eiiizelnen Kirchspielen rekrutiert wurden. Es sollte eine

49 StANeuss A 700/25, 1714.1724. 50 Vg1. MATHEUS, wie Anm. 3, Kap. 11; im Rahmen dieser Siudie Kap. 3 51 Vgl. z.B. W. EHERECHT (Hg.), Städtische Führungsgruppen und Gemeinde in der werdenden

Neuzeit (SrF A 9), Köln/Wien 1980; U. DIRLMCIER, Obrigkeii und Uritcrtanen in den oberdeutschen Scädtcn des Spärmicceialtcis, in: Hisroire Cornparee de I'Adrninistraiion (IVc - XVIIIc siecies) (rlcres du X N e colloque hisrorique fianco-aiiemand Tours, 27 mars - 1- avrii 1977) (Beihefte der Francia Y), München 1980, C. 437-449. Grundlegende Gberlegungen zum Charakter der Ratsherrschaf~ bei E. VOLTMER, Reichsstadt und Herrschaft. Zur Geschichte der SiadiSpeyer im hohen und späien Mitielalter (THF I), Trier 1981, S. 163ff.

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Vertretung der Gemeinde gegenüber Schöffen und Ratsherren darstellen. Zwischen den Vierundzwanzigern und dem Rat kam es in der Folgezeit immer wieder zu Auseinandersetzungen. In den seit 1545 ausbrechenden Konflikten, auf die mehrere Faktoren einwirkten, warfen die Vierundzwanziger den Ratsherren Parteilichkeit und Vetternwirtschaft vor. Es ging u.a. um die Besetzung städtischer Ämter, darunter auch um die Bestallung des Kranmeisters. Scharfe Kritik wurde an der Geschäftsführung der betroffenen Amtsinhaher laut. Die Auseinandersetzungen, die hier nur in ausgewählten Aspekten geschildert werden können, wurden schließlich in einem Kompromiß beigelegt, auf den auch der Kölner Erzbischof Hermann V. Einfluß nahm. An ihn hatten sich die Vierundzwanziger zunächst gewandt. Hermann hat möglicherweise eine Zeitlang gehofft, mit einer Unterstützung dieses Gremiums die Förderung seines Reformationsversuchs verbinden zu können. Gegen den alten Rat wagte er schließlich doch nicht entschieden vorzugehen. In dem ausgehandelten Ver- gleich wurde dem Verlangen der Vierundzwanziger nach Kontrolle der städ- tischen Finanzen Rechnung getragen. Diesem Gremium wurden Mitsprache- rechte in allen Zoll-, Kran-, Akzise- und Bausachen zugestanden. In besonderer Weise wirksam werden konnten die Kontrollmöglichkeiten über den Kran- betrieb. Der Kranschreiber sollte verpflichtet sein, die Kranregister in doppelter Ausfertigung zu führen. Ein Exemplar mußte den Vierundzwanzigern zur Überprüfung zugestellt werden, während den Zollschreibern keine Einsicht in diese Register gestattet war 52.

Sieht man von den spezifischen Bedingungen der Neusser Auseinander- setzungen einmal ab, so ist der Verlauf des Konfliktes in mancher Hinsicht typisch für viele Auseinandersetzungen in anderen Städten. Der Anspruch auf Teilhabe an der Stadtherrschaft artikuliert sich in einer durch verschiedene Faktoren verursachten Krisensituation. Die potentielle Mitwirkung der Ge- meinde ist in Neuss bereits institutionalisiert. Die Opposition gegenüber dem Rat sucht Unterstützung beim Territorialherrn 53. Das Ziel des gemeindlichen Protestes besteht nicht in einer grundstürzenden Veränderung der innerstäd- tischen Herrschaftsverhältnisse. Vielmehr soll hauptsächlich dem Mißbrauch und der Vetternwirtschaft in der Finanzvem-altung durch bessere Kontrolle begegnet werden. Das Neusser Beispiel zeigt, daß dabei der Überwachung des Kranbetriebs in Flußstädren eine grot3e Bedeutung beigemessen werden konnte.

Krane wurden nicht zuletzt deshalb Gegenstand von Auseinandersetzungen, weil ihre Funktionen sehr vielfältig sein konnten. Nach heftigen, auch mit Waffengewalt ausgetragenen Konflikten zwischen dem Trierer Erzbischof und der Stadt Boppard erteilte dieser im Jahre 1502 zwar die Erlaubnis zur Errichtung eines Hauskrans, jedoch mit der Einschränkung: nit zur weer Si. Daß

52 WISPLINGHOFF, wie Anm. 18, S. 12211. 5: Vpl. allgemein K. GERTEIS, Frühneuzeirliche Stadtreuolren im sozialen und institutionellen

Bedinp~n~srahmen, in: W. RAUSCH (Hp.), Die Siädie Mirieleuropas im 17. und 18. Jahrhundert (Beiträge zur Geschichte der Städte Miirelcuropas 5), Linz 1981, C. 43-58.

54 MATHEUS, wie Anm. 3, Anm. 234.

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Landkrane in die städtische Verteidigungsanlage einbezogen waren, war dem- nach - wie auch andere Beispiele zeigen - eher der Normalfall. Gelegentlich dienten diese Anlagen - wie etwa der Kölner Hauskran - bestimmten Waren auch als Lager, ja wurden hin und wieder sogar als Kaufhaus genutzt. Das Verbot einer Neusser Kranordnung aus dem Jahre 1741 Iäßt erkennen, daß das dortige Kranhaus zeitweise als Nachtquartier diente. Demnach durfte der Kranmeister keinem Schiffer oder einer anderen Person ohne Wissen des Rentmeisters den Schlüssel v o n dem Krahnen-HäuJgen überlassen, umb solche Leuthe über Nacht darinnen logiren zu laJen 5 5 .

Ein letzter Aspekt aus der Fülle wirtschafts-, sozial- und verfassungsge- schichtlich interessanter Gesichtspunkte, die eine thematisch umfassende Ge- schichte der Krane zu berücksichtigen hat, soll im folgenden näher erörtert werden: Do men zalte 1385 jor, do wurdent bi dem koufhuse an dem Saltzho& genaht die kreniche, domitte men die wine ufriehet. Das dotent vormols die oaszieher mit armen, knehten und mit seylen. Den geschah do ein übel tagewon, daz in der nutz enging 56. Diese Notiz findet sich in einer der Fassungen der Chronik des Jakob Twinger von Königshofen. Nach C. Hegels Handschriftenbeschreibung enthält diesen Passus freilich nur die sogenannte lateinische Chronik (Handschrift L), bei der es sich im wesentlichen um eine Materialsamn~lung handelt; er fehlt in den drei Rezensionen A, B und C 57.

Immerhin ist es bemerkenswert, daß Königshofen die Auswirkungen des Kranbaus in Straßburg für die Faßzieher nicht nur zur Kenntnis nahm, sondern sie auch schriftlich festhielt. Nach seiner Darstellung hatte die Errichtung der Anlage in unmittelbarer Nähe des Marktes am Salzhof die Arbeitsmöglichkeiten dieser Berufsgruppe erheblich geschn~älert. Könighofen, seit 1393 Stiftsherr von St. Thomas in Straßburg, hatte die verschiedenen Fassungen seines Hauptwerkes zwischen 1382 und 1420 niedergeschrieben. Gegenüber wirt- schaftlichen Neuerungen zeigt er sich auch an anderer Stelle aufgeschlossen. Er hielt u.a. den Bau eines Kaufhauses in der elsässischen Metropole im Jahre 1358 für mitteilenswert. Während die Kaufleute zuvor ihre Güter bei Wirten gelagert

59 S u l Ncuss A l/III G 17. 56 Die Chroniken dc i oberrhcinischcn Siädtc. StraRbuig, 2 Bde., bearb. r. C. HEGEL (ChrDrSt 8, Y),

Leipzig 1870/71, Nachdr. Görtingen 1961, hier Bd. 2, C. 745. 57 Ebd., Bd. 1, C. Iblff., 199, 229. Der Bau der Hebewerke wird auch in der späreren Chronisrik

Srraßburgs vermerkr, freilich ohne deii aufschlußreicheii Zusatz Köiiigshofcns. Vgl. =.B. A. MEISTERIA. RLPPEL, Die Srrassburgcr Chroiiik des Johann Geoig Saladin, in: Mirteilungcn der Gesellschaft für Erhaltung der geschichtlichen Denkmäler im Elsass, 2. Folge, 22 (1908), S. 127-206; 23 (IYII), S. 182-435; hier 23 (1911), S. 216 (Original: Bayeiische Sraaabibliorhek Manchen Cgm I222 iol. 110r): In diesen, 1381 ja r ward arci, der kran az<f dem Salzhflz~cm eisten

gemacht, mit wclchem msn wein und andere wahr axr lrndt in die ichiffhebt. Neben dieser zu Beginn dcs 17. Jh. verfaßten Chronik cnthälr auch die Chroiiik des 1635 verstorbenen Siiaßburger Buchbinders .Michel Kleinlawel (ugl. MEISTERIRbPPEL, 22 (IYOS), S. 1S6ff.) eine idenciscl>c Mirieilung über die Errichiung der Straßburger Hebewerke: Gran gebauwen. In diiem 1381 jar ward axch dergran atgffdem Saltzhoffzi<m ersten gemacht, mit welchem man wein und ender wahr atrJ und in die schiff hebt, Stadtbibliothek Straßburg MS 628, B1 101. (Für freundliche Auskunft danke ich Herrn B. Meiz, Siadiarchir Srraßburg.)

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und dort durch Diebe Schaden erlitten hätten, seien sie seit 1358 verpflichtet gewesen, ihre Waren im Kaufhaus unterzubringenjs. Königshofens Beob- achtungsgabe wirtschaftlicher Neuerungen und ihrer Auswirkungen ist zwei- fellos auch die interessante Mitteilung zum Kranbau des Jahres 1385 zu verdanken. Offenkundig hielt er den Eintrag in seiner Materialsammlung jedoch nicht für so bedeutsam, ihn auch in die überarbeiteten Fassungen seiner Chronik zu übernehmen.

Das von Königshofen beobachtete Phänomen der Arbeitsplatzrationalisierung als Folge der Errichtung von Kranen war wohl kaum ein auf Straßburg begrenzter Einzelfall. Den Quellen sind jedoch selten Auskünfte darüber zu entnehmen, ob und in welchem Maße entsprechende Konsequenzen für Beschäftigte der Transportgewerbe in anderen Kranstandorten eingetreten sind. Daß auch andernorts ein Teil der bisher von Menschen geleisteten Ver- ladecätigkeit durch diese Maschinen überflüssig wurde, ist kaum zu bezweifeln. Im Hinblick auf das Ausmaß dieser Rationalisierung ist zu berücksichtigen, daß allein am Rhein (von Straßburg bis Düsseldorf) und seinen Nebenflüssen im Zeitraum von 1300 bis 1600 in über dreißig Standorten teilweise mehrere dieser Anlagen errichtet wurden (vgl. Karte).

Allenfalls hypothetisch kann allerdings die vom Kranbau bewirkte Frei- setzung von Arbeitskräften mit generellen Entwicklungen am Arbeitsmarkt in Verbindung gebracht werden. Immerhin ist nicht auszuschließen, daß die seit der Mitte des 14. Jahrhunderts eingetretene Verknappung der Arbeitskraft die Verbreitung der Hebetechnik im Einzelfall gefördert haben könnte. Auch angesichts der unterschiedlichen Auslastung der Krane, der Auswirkungen saisonaler und konjunktureller Schwankungen ist ein unmittelbarer Zusam- menhang zwischen Kranbau und langfristigen Entwicklungen am Arbeitsmarkt jedoch kaum hinlänglich nachzuweisen.

Probleme der Arbeitslosigkeit im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit können ohnehin mit Begriffen wie Angebot und Nachfrage, die am Arbeitsmarkt moderner Industriegesellschaften gewonnen wurden, nicht zureichend beschrie- ben werden. So ist nicht zu übersehen, daß die ländlichen Arbeitsbedingungen hier außer Betracht bleiben. In den Städten gestalteten sich Chancen und Möglichkeiten der Beschäftigung je nach deren Größe und wirtschaftlicher Ausstattung außerordentlich unterschiedlich. Selbst in Wirtschaftszentren mit hochentwickeltem Gewerbe und weitreichenden Handelsbeziehungen wirkten obrigkeitliche Verordnungen sowie zünftische und hruderschaftliche Bindungen auf den Arbeitsmarkt in vielfacher Weise reglementierend. Die Einführung innovativer Verfahren, die zur Freisetzung von Arbeitskräften führen konnten oder mußten, wurde unter solchen - hier nur grob angedeuteten Rah- menbedingungen - immer wieder verhindert 59.

5s F. HOFINGER, Studien zu den deutschen Chroniken des Fritsche Ciosener von Sriassbuig und des Jakob Twinger von Königshofen, Diss. iMünchen, Burglengenfeld 1974, C. 123f.

r9 Beispiele bei MATHEUS, wie Anm. 3.

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Daß kurzfristige Schwankungen in der Beschäftigungslage die Anwendung technischer Neuerungen begünstigen konnten, beschreibt im 16. Jahrhundert sehr anschaulich der Kölner Hermann Weinsberg. Dabei stehen nicht saisonale Schwankungen am Arbeitsmarkt im Vordergrund seiner Ausführungen, sondern durch verschiedene Faktoren bedingte konjunkturelle Wechsellagen. Es betrübe ihn sehr, daß es etlich gutte Leude gebe, die zwar arbeiten wulten, Narong soichen und ihr Broit verdienen, und kunnen zur Arbeit oder Narong nit geraten. Auch diejenigen, die ein Handwerk oder etwas anderes gelernt hätten, von dem sie sich ernähren könnten, seien ohne Beschäftigung. Das geschehe besonders dann - wie er selbst beobachtet habe -, wan boisse und deure Jare fallen, wan Kreichszeiten sin und des Folcks zu vil ist, das der Kaufkann nit ab und zu reisen <kam, das die Warren nit ankomen, das Fruchten und Wein nit vil gewaxen sin. Teuerungen, Mißwachs und Kriege führten dazu, daß besonders das Bau- gewerbe brach liege: So gehet der Steinmetzer, Zimmermann, Leidecker, Scleiffer, Smit, Fasbender, Bruwer und vi l andern moissich. Wenn Warren nit ankomen - so wäre das von Weinsberg herausgestellte Beispiel des Bauhandwerks zu ergänzen -, mußte es auch den in Häfen beschäftigten Menschen an Arbeit fehlen 60.

Weinsberg verweist jedoch nicht nur auf das Problem der Arbeitslosigkeit, sondern auch auf mögliche Auswirkungen des Arbeitskräftemangels. Für das Jahr 1551 berichtet er über Weinverkauf im Kölner Haus Kronenberg. Diss W i n hat man mit Luden uis moissen trecken . = ziehen,. Vor dem Jahre 1540 sei diese Verladetätigkeit durch Menschen allgemein üblich gewesen, umb der armer Lude willen, das sei Heller mochten verdenen. Infolge der Pest zu Beginn der vierziger Jahre, die er an anderer Stelle ausführlich beschreibt 61, habe man jedoch keine Arbeitskräfte zu dieser Tätigkeit finden können. Vielleicht - so der subjektive Eindruck Weinsbergs - das die Armen an den Spendenj l hatten. Darumb moist man der Rader = Winden, gebruchen, wilcher Bruch noch heutigen Tags ist; zu Cronenberg aber kunt man - wohl durch die örtlichen Verhältnisse bedingt - nit wo1 Rader bruchen 62 Das Beispiel zeigt, daß ein kurzfristiger Mangel an Arbeitskräften zur Einführung einer technischen Neuerung führen konnte, die auch in der Folgezeit nicht mehr aufgegeben wurde.

Nicht die Anwendung von ,,RadernC', sondern erneut die Errichtung eines Krans hat nachweislich im 18. Jahrhundert die Arbeitsmöglichkeiten einer Berufsgruppe verschlechtert. Ähnlich wie die Straßburger Faßzieher im 14. Jahrhundert sahen die Würzhurger Weinschröter ihr Einkommen geschmälert.

60 Das Buch Weinsberg. Kölner Denkwürdigkeiten aus dem 16. Jahrhunden, bearb. V. K. HÖHLBAUMIF. LAU/^. STEW (Pub. Ges. Rhein. Gkde. 3, 4, 16), 5 Bdc., Leipzig/Bonn 1886-1926, hier Bd. 5, C. 356. Er fährt fort: Er iin auch wo1 uil, mogten Arbeit ilnd Narong haben, weren d a n u auch stark, bbepeim und geschickt genoig zu, io hindert dieselben ir Geiclecht, Herkomit, Fruntichqit, dar sie sich rchamen zu arbeiten, iren Stant zu aerandern undiich io reir zu uerniddem. Hermann ,rär in diesem Fall dringend an, auch Arbeiten unter dem Stande anzunehmen, was besser als Unehrlichkeit sei".

61 Ebd., Bd. 1 , s . 150, 156. 62 Ebd., Bd. 1, C. 365.

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Der neue Kran war 1773 in Betrieb genommen, das benötigte Personal angestellt worden. Im Oktober dieses Jahres protestierten die Weinschröter der Mainstadt, die bisher für das Verladen der Fässer zuständig gewesen waren. In ihrer Eingabe an den Fürstbischof wiesen sie darauf hin, daJ ihnen der Krahnen den Verdienst wegnehme. Sie forderten, alle Weinschröter sollten als Kranknechte zugelassen werden. In ihrem Schreiben sparten sie auch nicht mit Kritik an den beiden inzwischen angestellten Kranknechten Münch und Hein. Sie behaup- teten, Hein sei ein verdorbener Wggärber ..., welcher sein Vennögen durchgebracht habe, und beschuldigten ihn, er seye ein Süfiing und ein Erzplauderer, welcher Land und Leuthe hinter einander hetze 63. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Schröter, die ihre wirtschaftliche Existenzgrundiage bedroht sahen, auch vor Verleumdungen nicht zurückschreckten.

Um die Rarionalisierungseffekte eines Kranbaus wußten im 18. Jahrhundert jedoch nicht nur die unmittelbar betroffenen Würzburger Schröter. Nachdem unter dem Druck des Kölner Magistrats protestantische Händler die Rhein- metropole verlassen hatten, suchte ein Teil dieser Kölner Emigranten seit dem Jahre 1714 in dem nahegelegenen Mülheim mit Unterstützung der Verwaltung von Jülich und Berg ein neues Betätigungsfeld. Zur Verbesserung der wirt- schaftlichen Ausstattung des Ortes plante man u.a. die Errichtung eines Krans und eines Kaufhauses. Am 8. Juli 1714 berichtete der Geheime Rat des Kurfüsten Johann Wilhelm, Heinrich Peter Reiner, über den Stand der Verhandlungen mit dem Kölner Stadtrat. Reiner befürwortete in seinem Schreiben mit Nachdruck die Errichtung von Kran und Kaufhaus in Mülheim. Der Kran werde dem Handel des Mülheimer Hinterlandes große Vorteile verschaffen. „Freilich werde dadurch den Schrötern und anderen in Mülheim die ,nahrung benommen', aber das verschlage nichts gegen den Nutzen, den der Krahnen der ganzen Gemeinde, welche zu seiner Erbauung ,die nötigen mitteln an sich nicht hätte', bringen würde"". Daß die Errichtung eines Krans Arbeitsplätze kosten werde, setzte somit Reiner schon vor Baubeginn als gesicherte Tatsache voraus. Leider sind bisher nur wenige Quellen bekannt, die über solche Rationalisierungseffekte wie für Straßburg, Würzburg und Mülheim Auskunft geben.

63 SCHAETF-SCHEEFEN, wie Anrn. 1 64 L. SCHWERINC, Die Auswanderung protestantischer Kaufleute aus Köln nach Mülheini a.Rh. im

Jahre 1714, in: WestdZ 26 (1907), C. 194-250, hier S. 215. Zum Kranbau in Müllicim vgi. ebd. auch C. 204f., 217, 227, 233, 235, 245f. Köln konnte nicht verhindern, da5 in Mülheim 1751 ein Kran errichtet wurde, vgl. C. V. Looz-C~RSWAREM, Köln und Mülheim am Rhein irn 18. Jahrhundert. Reichsstadi und Flecken als wirtschafiliche Rivalen, in: Civirarurn cornrnuniias. Studien zum europäischen Städtewesen. FS H. Stoob zum 65. Geburtstag, hg. V. H. JAGEH u.a. (StF A 21), 2 Teile, Köln/Wien 1984, Teil 2, C. 543-564.

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3 . K r a n e a l s O b j e k t e d e r T e r r i t o r i a l p o l i t i k

Die zahlenmäßige Konzentration von Hebewerken zwischen Bingen und Mainz ist u.a. - wie bereits angedeutet - in dem Konkurrenzverhältnis zwischen dem Erzstift Mainz und der Kurpfalz begründet. Von den sich im 15. Jahrhundert mehrmals zuspitzenden Differenzen zwischen beiden Kurfürstentümern war in besonderer Weise der Kran zu Freiweinheim betroffen. Nachdem Kar1 IV. den Ingelheimer Grund, das Oppenheimer Reichsgut sowie Gau-Odernheim und Kaiserslautern an Kurpfalz verpfändet hatte, kontrollierte der ~fälzische Kurfürst u.a. die Gebiete beiderseits der Selz bis zum Rheinstrom hin. Im Osten grenzte an das an der Selzmündung gelegene kurpfälzische Freiweinheim ebenso kurmainzisches Gebiet mit dem Zentrum der Domstadt Mainz wie im Westen, wo Bingen einen bedeutsamen Mittelpunkt des erzstiftischen Territoriums darstellte. Die rechtsrheinisch gelegenen Siedlungen gehörten ebenfalls zu Kurmainz. Der Uferabschnitt um Ingelheim bot daher dem Pfandherrn eine wichtige Ausgangsbasis für seine gegen die Mainzer Erzbischöfe gerichtete Politik. So wollte er deren Versuche mit Nachdruck unterbinden, den rechts- rheinisch gelegenen Kran von Eltville auf dem linken Rheinufer einzusetzen 6 5 .

Da es sich bei diesem Hebewerk um einen Schiffskran handelte, war ein gewünschter Standortwechsel leicht zu bewerkstelligen. Ein Schiedsspruch, den im Jahr 1430 der Deutschmeister Jost von Venningen als Obmann fällte, setzte fest, daß auf dem linken Rheinufer zwischen Mainz und Bingen nur Kurpfalz zur Unterhaltung eines Hebewerks berechtigt sei. Somit war die Unterhaltung eines Krans durch Kurmainz unterhalb von Heidesheim untersagt. Zur Si- cherung seiner Ansprüche ließ Pfalzgraf Friedrich (1449-1476) im Rahmen erneuter rechtlicher Auseinandersetzungen in den fünfziger Jahren Bewohner von Freiweinheim und Niederingelheim als Zeugen vernehmen. Die Entschei- dung des Jahres 1430 wurde im Jahr 1454 bestätigt. Der Konflikt um die Kranrecbte verschärfte sich wenige Jahrzehnte später erneut, als Pfalzgraf Philipp (1476-1508) versuchte, mit verschiedenen Maßnahmen den wirtschaft- lichen Spielraum Bingens zu beschneiden. Nach dem Erwerb von Münster an der Nahe hatte er dort - also in unmittelbarer Nähe Bingens - einen Markt eingerichtet. Die Bewohner Münsters sollten verpflichtet sein, am Kran zu Freiweinheim verladen zu lassen und das Binger Hebewerk zu meiden. Am 2. Oktober 1493 gab der Kurfürst bekannt, der Kran zu Freiweinheim - er war möglicherweise im Verlauf der Mainzer Stiftsfehde zerstört worden - sei erntrwert worden. Damit der gewerbimann ... geneigter sy, den < = Kran von Freiweinheim. vor anderen ZU besuchen, versprach er den Kaufleuten Schutz und

65 Vgl. hierzu und zum folgenden bcs. E. Z I E H E N , Miitelrhein und Reich irn Zeitalter der Reichsreforrn 1356-1304, 2 Bde., Frankfurr/M. 1934/37, S. 436ff.; L. PETRY, Dcr Ingelheirner Grund vorn Ausgang des 14. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, in: Ingelheim arn Rhein. Forschungen und Studien zur Geschichte Ingelheirns, hg. V. J. A ~ T E N R I E T H , Srurrgarc 1964, S. 201-274, hier S. 211ff.

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sicheres Geleit66. Am 19. Oktober informierte das Mainzer Domkapitel den Erzbischof: ,,Kurfürst Philipp ließ seine Untertanen davon abhalten, den Binger Kran weiter zu gebrauchen, und drängte sie zu dem neuen Kran in Frei- weinheim. Auf Klagen seiner Untertanen wegen der Sperre gegen Bingen habe er geantwortet, sie sollten nur eine kleine Zeit sich gedulden, er wolle schaffen, daß der Kran zu Weinheim weiter und ferner hinabkomme. Gaulsheim (Gawelsz- heim) wolle der Pfalzgraf von Friedrich von Rüdesheim und den Brömsern, Kempten vom Abt von Bleidenstadt erwerben ..."6'. Mainz griff zu Ge- genmaßnahmen. Kaufleute, die den Kran zu Freiweinheim genutzt hatten, wurden vom kurmainzischen Zöllner zu Ehrenfels am „Binger Loch" ge- zwungen, zusätzlich das Binger Krangeld zu entrichten. Am kurmainzischen Zoll zu Lahnstein ließ man Nahewein, der nicht in Bingen verladen worden war, nicht passieren. Klagen und gegenseitige Beschuldigungen wurden in der Folgezeit in regem Wechsel ausgetauscht. Die Kurfürsten von Köln und Trier suchten zu vermitteln, lange Zeit jedoch vergeblich. Auch Maximilian, das neue Reichsoberhaupt, wurde in die Auseinandersetzungen einbezogen. Der Habs- burger hegte offenkundig die Hoffnung, den Konflikt zu seinen Gunsten zu nutzen. Die intensiven diplomatischen Bemühungen auf verschiedenen Ebenen zeitigten jedoch auch im Jahre 1494 noch kein Ergebnis. Eine von Kurtrier und Kurköln zu Anfang des Jahres 1494 in Koblenz vermittelte ,,Abredem vermochte die Händel beider Kontrahenten nicht zu beenden. Von den neuerlichen Vorfällen war auch der Kran zu Freiweinheim wieder betroffen. Nach einem Bericht des pfalzgräflichen Amtmanns zu Kreuznach, Albrecht Göler, vom 1 I. März 1494 hatte ein Weintransport aus einem pfälzischen Dorf die Nahe wegen Hochwassers nicht passieren können. Die Ladung sollte daraufhin durch die Stadt Bingen zum Kran nach Freiweinheim geführt werden. Obwohl der Binger Türhüter den Transport genehmigt habe, sei es zu ,,einem wilden Auflauf der erregten Bürger" gekommen. Sie hätten - so Göler - versucht, den Wein zum Verladen an den Kran ihrer Stadt zu zwingen 65.

Militärische Auseinandersetzungen schienen kaum mehr abwendbar. Beide Seiten trafen Rüstungsvorbereitungen und versicherten sich ihrer Bundes- genossen. Maximilian untersagte zwar den kriegerischen Austrag der Strei- tigkeiten und lud die Kurfürsten zur gütlichen oder rechtlichen Entscheidung vor den König. Aber auch seine persönliche Anwesenheit im Juni 1494 in Speyer, Worms und Mainz setzte dem Konflikt kein Ende. Erst am 6. August 1495 konnten die Kurfürsten von Trier und Köln einen vorläufigen Ausgleich zwischen Kurmainz und Kurpfalz vermitteln. In ihm wurde u.a. jedem Kauf- mann freigestellt, den Kran in Bingen oder den in Freiweinheim zu nutzen. War damit zunächst der offene Konflikt beendet, so waren auf Dauer die Aus- einandersetzungen um die Kranrechte in diesem Rheinabschnitt keinesfalls

6s SAALWÄCHTER, wieKnm. 25, S. 241ff. 67 ZIEHEN, wie Anm. 65, C. 437ff. 6s Ebd, C. 448.

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beigelegt 69. Das Beispiel des Krans von Freiweinheim ist nicht nur besonders gut

dokumentiert. Es wurde an dieser Stelle auch gewählt, weil es sehr anschaulich zeigt, welche Wellen „Kranpolitik" schlagen konnte. Ohne daß hier die Motive und Aktionen der Kontrahenten und Beteiligten im Detail ausgeleuchtet werden können, werden doch Verlauf und Rahmenbedingungen der Streitigkeiten in Umrissen deutlich. Die territorialpolitische Konkurrenz zwischen Kurmainz und Kurpfalz bildet gleichsam die Folie der Auseinandersetzungen. Kran und Kranrechte nutzte der Pfalzgraf - jedenfalls aus der Sicht des Mainzers - neben anderem zur territorialpolitischen Offensive, auf die der Erzbischof zunächst reagierte, bald jedoch seinerseits agierte. Beide griffen unter Zu- hilfenahme von Ressourcen an Personal und Finanzmitteln zu Repressalien, unter denen sowohl den Flußabschnitt passierende Händler als auch Bewohner der unmittelbar betroffenen Orte zu leiden hatten. Sehr schnell schlug der offene Konflikt auf weitere Ebenen durch. Die wichtigsten benachbarten Territorialfürsten von Trier und Köln suchten - an einer Ausweitung der Auseinandersetzungen offenbar nicht interessiert - auf dem Rechtswege zu vermitteln. Nicht zuletzt der Mainzer Kurfürst Berthold von Henneberg mußte befürchten, daß eine Verschärfung der Streitigkeiten die seit der Mitte der achtziger Jahre verstärkten Bemühungen um eine Reichsreform beeinträchtigen konnte. Was sich an einem Kran entzündet hatte, betraf unter diesen Umständen bald auch „König und Reich", zumal ein kriegerischer Konflikt zwischen zwei der wichtigsten Territorialherren des Reiches bevorzustehen schien. „Kran- politik" als Mittel der Territorialpolitik war somit einbezogen in ein komplexes Gefüge und Kräftespiel. Auch zunächst geringfügig erscheinende Versuche, die Kräfteverhältnisse zu ändern, konnten im Rahmen der komplizierten Macht- und Rechtsstruktur des spätmittelalterlichen Reiches weitreichende Folgen zeitigen.

Die konkurrierenden territorialpolitischen Ansprüche am Rhein schlugen sich besonders seit dem 16. Jahrhundert auch in Quellengruppen nieder, die für die Geschichte der Krane von Bedeutung sind. Anrainer suchten mit Hilfe von schriftlichen Aufzeichnungen sorgsam ihre Rechtsansprüche festzuhalten und zu dokumentieren, besonders in solchen Abschnitten, wo der Flußlauf schnellen Wandlungen unterlag. Diese „Rheinbefahrungsprotokolle" wurden hin und wieder durch illustrierende Karten ergänzt, auf denen sich gelegentlich bildliche Darstellungen von Hafenkranen finden 73.

Auch Städte mußten als Kranunterhalter das jeweils spezifische territoriale Kräftespiel, in das sie eingebunden waren, in Rechnung stellen. So gerieten die Neusser - dieses Beispiel muß an dieser Stelle genügen - mit ihren Nachbarn häufiger in Auseinandersetzungen: Je nach der Höhe des Wasserstandes sahen sie sich gezwungen, für ihr Schiffshebewerk einen günstigeren Standort zu

69 Vgl. SAALWACHTER, G e An",. 25, S. 1 O j f f . 70 MATHECS, wie Anm. 3, Kap. 13.

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Moselrtroums und Leinpfadts ohne Wissen und Zustimmung Erzbischof Johanns errichtet. Obwohl - so berichtet die Xarratio - der Erzbischof aufgrund königlicher und kaiserlicher Privilegien berechtigt sei, die Anlage niederlegen zu lassen, habe er davon Abstand genommen. Der Kran sei mit beträchtlichem Aufwand errichtet worden; seine Beseitigung füge Sebastian großen Schaden zu. Auf dessen Bitten hin und auch anderer viegaltiger Interession wegen übertrug der Erzbischof Sebastian und seinen Erben das Hebewerk zur Kutzung. Die Kranbetreiber erkannten jedoch die erzhischöf- lichen Rechte an, indem sie sich zur jährlichen Zahlung von 16 Gulden (den Gulden zu 24 Albus) an den erzbischöflichen Kellner in Wittlich verpflichteten. Beim Verstoß gegen diese Bestimmungen oder gegen die Gerechtigkeit des Regals soll der Kran Erzbischof und Stift zufallen. In diesem Fall kann das Hebewerk verliehen, niedergelegt oder auf andere Weise genutzt werden 76.

Gerade die in vielfältigen Formen festzustellende Einbindung der Hafenkrane in das jeweilige territorialpolitische Umfeld macht die Eigentümlichkeit ihrer Geschichte in vormoderner Zeit deutlich. Sie verweist zugleich auf typische Erscheinungsformen von Herrschaft in vorstaatlicher Zeit.

4 . K r a n g e s c h i c h t e a l s S p i e g e l m e n t a l i t ä t s - u n d g e i s t e s g e s c h i c h t l i c h e r A s p e k t e

In1 Verlauf des 15. und 16. Jahrhunderts nimmt die Zahl der bildlichen Quellen für die Geschichte der Krane zu. Diese Zeugnisse sind nicht nur bedeutsam unter bau- und kunstgeschichtlichen Aspekten. Sie weisen vielmehr auch darauf hin, daß Wirklichkeit in veränderter Form wahrgenommen und wiedergegeben wird. Die für die Krangeschichte wohl wichtigste Gruppe der Bildquellen sind Stadtansichten und Stadtdarstellungen. In zunehmendem Maße nähern sie sich den realen Gegebenheiten der Städte an, freilich ohne Realität im Sinne fotografischer Exaktheit darzustellen Lzw. darstellen zu wollen. In Auswahl und Anordnung der Objekte verraten sie durchaus spezifische Darstellungs- und Gestalt~ngsprinzi~ien 77.

Bis zum Spätmittelalter W-urden Städte in symbolhafter Verkürzung ab- gebildet. Ihre bauliche Gestalt war formelhaft auf wenige ausgewählte Merk- male beschränkt. Nicht die wirkliche Stadtgestalt sollte wiedergegeben, die Stadt sollte vielmehr nach dem Vorbild des himinlischen Jerusalem in ihrem Sinn- zusarnmeiihang gesehen und in das Heilsgeschehen einbezogen werden. In einem keineswegs geradlinig verlaufenden Prozeß erfolgte eine Loslösung von dieser symbolhaft verkürzten Darstellungsform. Die Stadtmauer, die mit Toren und Türmen den kultischen Mittelpunkt - die Kirche, den Dom - umschloß,

76 LHHKO 1 C 41, C. i 166-1168. Die Kranberreiber müssen sich freilich der vberietzenr ~~ndleichteni der S~h$/~rntzlich irnd zUmal enthalten.

77 Vgi. runl Folgenden MATHEUS, wie Anm. 3, Kap. 14.

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Abb. 3: Bonricr Schiffskran. Kupferstich von Braun-Hogcnberg

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hbb. 4: Bacharacher Schiffskran. MeriansTopographie um I645

Abb. 5: Woniiser Haicnkrazi. Miinstcrs Cosmographie u m 1550

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Ab% 6 Speyeier Schiffsbran MeriansTopographic um l6d5

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wurde mit weiteren architektonischen Elementen angereichert, die jedoch - wenn auch im Detail zunehmend realistischer - in ihrer Zuordnung in hohem Maße der Phantasie des Künstlers und seiner symbolisierenden Auffassung verhaftet blieben.

Ein höheres Maß an Identität zwischen Realität und Abbild wurde erreicht, als sich im Verlauf des 15. Jahrhunderts die Ansicht einer Stadt zum selb- ständigen Bildmotiv entwickelte. Zu dessen Ausformung und Verbreitung trug besonders die Druckgraphik in Einzelblättern und Sammelwerken bei. Neben großformatigen Einzeldarstellungen, wie dem Kölnprospekt des Anton Woen- sam, sind besonders die Topographien Schedels, mehr noch die Sebastian Münsters, Braun-Hogenbergs und schließlich die umfänglichen Sammlungen Merians im 17. Jahrhundert für die Krangeschichte im engeren Untersu- chungsgebiet von Bedeutung. Zwar bleiben die dort vorfindlichen Abbildungen in beträchtlichem Maße von bestimmten Grundmustern und eigenen Vor- stellungen des jeweiligen Künstlers geprägt. Zur angestrebten Identität zwischen Realität und Wiedergabe gehört aber nun oft bei Flußstädten, daß Hafenkrane - sofern vorhanden - in der Bildkomposition Berücksichtigung fanden (vgl. Beipiele Abb. 1, 3, 4, 5, 6). Dies gilt nicht nur für die beispielhaft genannten Erzeugnisse der Druckgraphik, sondern etwa auch für eine aquarellierte Federzeichnung von um 1525, die eine Ansicht der Stadt Speyer bietet. Beide Krane der Stadt, über die zu dieser Zeit andere Quellen spärlich fließen, gibt dieser sogenannte Klüpfels-Au-Plan wieder (vgl. Abb. 7).

Abb. 7 : Speyercr Hafenkrane. Deiailaufnahrne aus dem sog. Klüpfels-Au-Plan von um 1525

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Daß Krane bildwürdig wurden, zeigt sich auch in Bereichen der Malerei, besonders der Buch- und Tafelmalerei. Ein bestimmten Auswahl- und Ge- staltungsprinzipien verpflichteter ,,Realismus" war dort - vor allem in Italien und den Niederlanden - im Rahmen von Stadt- und Landschaftsdarstellungen bereits zeitlich früher aufgekommen. Seit dem 14. Jahrhundert verbesserte Fertigkeiten, Raum und Natur darzustellen, waren wichtige Voraussetzungen zur neuartigen bildlichen Aneignung der Wirklichkeit. Auf einem der beiden Außenbilder des Magdalenenaltars in Tiefenbronn (1431/32?) sind auf der ,,Meerfahrt der Heiligen" im Hintergrund drei Segelschiffe dargestellt. Viele Einzelheiten eines Frachtschiffs ,,erzähltn der Künstler besonders bei dem linken Segler. Es ist gut zu sehen, „wie der Schiffer am Ruder das geblähte Segel mit dem Tau regiert; am Steuerbord, wo aus einer Luke ein Hemd zum Trocknen heraushängt, macht sich ein Mann an der Leiter zu schaffen, ein Hündchen bellt einen anderen an, ein vierter wird gröfitenteils von den geladenen Fässern verdecktCc78. Deutlich sichtbar sind auf dem Schiffsdeck auch Kaiserbaum, Ausleger und Tretrad eines Ladekrans. Die Bestückung des Seglers mit einem Hebewerk dieser Art dürfte freilich der künstlerischen Komposition des Meisters des Magdalenenaltars zuzuschreiben sein 79.

Eindrucksvolle Zeugnisse zur Geschichte der Krane sind besonders den Werken niederländischer Künstler zu verdanken. Das Brügger Hebewerk wurde dort wiederholt dargestellt, so auf dem Triptychon ,Die mystische Hochzeit der H1. Katharina' von Hans Memling (t 1479). Im Hintergrund des Mittelbildes bietet Memling zwischen Säulen in kleinen Ausschnitten Durchblicke auf eine sorgsam komponierte Landschaft, in die der Maler auch den Brügger Kran einbezogen hat ". Dieses Hebew-erk ist auch sichtbar auf einem von zwei Flügeln eines Triptychons, das einen Stifter mit dem H1. Nikolaus darstellt. Den Kran bildet der Maler Jan Provoost (1465-1529) als Teil einer Hafenszenerie ab, die den Bildhintergrund ausfüllt. Die Wiedergabe entspricht im wesentlichen einer Darstellung des Brügger Hebewerks auf einem der Werke T70n Pieter Pourbus (um 1523-1584). Das Hochzeitsbild eines Ehepaares aus dem Jahre 1551 bietet aus einem Haus in der Vlamingstraße den reizvollen Blick durch ein Fenster auf den Kranplatz in Brügge mit dem mächtigen holzverkleideten Hebewerk 81.

Eine prachtvolle farbige Darstellung dieses Krans enthält auch eine Miniatur,

- . . Magdalenenaltar des Lukas Moser in Tiefenbronn, Wiesbaden 1969; H.TH. MuspEn, Altdeutsche Malerei, Köln 1970, C. 17f., 98f.

79 Vgl. Abb. in MATHEUS, n-ie Anm. 3; G. TIuhtEn~nxx, Dic Eniw-icklung dcs BcliPlren-erkehrs in der Schiffahn, in: Schiff und Hafen, Konimandobrücke 29 (1977), S. 669-672, hier S. 671.

50 Vgl. L'Opera compleia di Memling, bcaio. v M. Conri1G.T. FRAGGIZ, Mailand 1969, Tafcl IX; vgl. Abb. 43 in: A. ~>'HAENEKS, Die Welt der Hanse, Genf 1984; R. HAPKE, Briigge~ Enrn-icklung zum mitrelalterlichen Welrmarkr, Berlin 1908, Neudr. Aalen 1975 (Abhandlungen zur Verkehn- und Secgeschichre I), S. 238. Vgl. D. DE VOS, Gr~en in~emuseu rn Biügge. Die vollsrändige Sammlung, Biügge 1983, S. 48f.' 56; vgl. D'HAENENS, wie Anm. SO, Abb. 209, ebd. auch Abbildungen des Krans in Antwerpeo auf Holzschnitten und Tafelbildern, vgl. Abb. 44, 96, 161, 222.

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Abb. 8: .Van Schiprechic": Hamburscr Hafen um 1500 niii Haienhran Bilderhandschriii der Hamburser Siadircchrs von 1497

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die dem niederländischen Buchmaler Simon Bening (1483-1561) zugeschrieben wird 82. Mit sehr viel bescheideneren Darstellungsmitteln ist auf einer Miniatur in der Bilderhandschrift des Hamburger Stadtrechts von 1497, die den Ham- burger Hafen in dieser Zeit darstellt, der Tretradkran der Hansestadt wie- dergegeben (vgl. Abb. 8) 83. Die genannten Bildquellen, aber auch schriftliche Quellen 84 zeugen von einer stärkeren Wahrnehmung der Umwelt und von einer intensiveren Zuwendung zur irdischen Wirklichkeit.

Daß Krane von den Zeitgenossen in Schrift und Bild wahrgenommen wurden, liegt freilich auch in einem spezifischen Verständnis begründet, das diesen Maschinen entgegengebracht wurde. Sie wurden nicht nur als wirtschaftliche Zweckbauten begriffen, sondern mehrten - dies gilt besonders für die Landkrane - auch das Ansehen einer Stadt und trugen zu deren Schmuck bei. Der Trierer Erzbischof Lothar von Metternich brachte dies zu Beginn des 17. Jahrhunderts mit dem Hinweis zum Ausdruck, der vorgesehene Bau des Koblenzer Rheinkrans diene auch zu sonderlicher Zier der Stadt 8 5 . Die Anlagen selbst waren nicht selten mit - wenn auch sparsamer - Bauornamentik versehen. In besonderer Weise gilt dies erneut für Landkrane, deren Zahl insgesamt im Verlauf des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit zunahm. Gut belegt und teilweise noch erhalten ist enva die Schmuckausstattung des Andernacher Hebewerks aus dem 16. Jahrhundert86 sowie die des barocken Würzburger Krans aus dem 18. Jahrhundert. Die Anlage der Mainstadt schmückten nicht nur das eingangs erwähnte Chronogramm, sondern auch zwei Göttergestalten - vielleicht Symbole für Flut und Wasser des Mains 87 -, die ihrerseits das Wappen des Fürstbischofs Adam Friedrich von Seinsheim ein- rahmen; auf seine Anordnung hin war der Kranbau erfolgt. Wappen, die auch an mehreren anderen Hebewerken nachzuweisen sind, stellten jedoch mehr als Dekorationsstücke dar. Sie symbolisierten den (oder die) Kraninhaber und deren Ansprüche auf die mit den Anlagen verbundenen Rechtspositionen.

Auf einzelne Schmuckelemente verzichtete man weder bei dem ansonsten durch schlichte Holzverkleidung gekennzeichneten Brügger Hebewerk noch bei einzelnen Schiffskranen. Sofern die Miniatur Benings die Dimensionen zu- treffend wiedergibt, zierte den Ausleger der Brügger Anlage am Weinmarkt an seinem höchsten Punkt ein großer Vogel mit langem Hals und Schnabel, bei dem es sich um einen Kranich handeln dürfte. Auch der große Schrägbalken ist mit einer Reihe kleinerer ,Kranichfiguren" besetzt. In geradezu spielerischer Gegenüberstellung sich ähnelnder Formen ist der hochbeinige und langhalsige

82 Abb. in MATHEUS, wie Anm. 3, mit weireren Hinweisen zu Krandarstellungen. Die Miniatur befindet sich in dem Fragment eines lateinischen Gebetbuches, Bay-er. Sraatsbibiiothek München Clm 23638.

83 Eine farbige Wiedergabe in: H.-F. ROSENFELIIIH. ROSENFELD, Deursche Kultur im Spärmitteialter 1250-1500 (Hdb. der Kulturgesch. .Abt. I), Wiesbaden 1978.

84 Vgl. MATHEUS, wie Anm. 3, Kap. 14. 85 LHAKO 618, Nr. 43. 86 MATHEUS, wie Anm. 3, S. 72. 87 SCHAEFF-SCHEEFEN, ~i-ie Anm. 1

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Kranich dem hochragenden Kran aufgesetzt. Vielleicht wollte man auch auf die etymologische Entsprechung von Kran und Kranich anspielen 88.

Der höchste Punkt von Schiffskranen konnte gleichfalls mit Schmuck- elementen versehen sein, über die wir freilich nur selten Hinweise in den Quellen finden. So zierte im 15. Jahrhundert das Trierer Schiffshebewerk ein Pi- nienzapfen. Bei dem Bau des Weseler Schiffskrans im Jahre 1523 ließ der Rat ein offenkundig metallenes ventgin auf dem Kranhaus anbringen. Peter Custers Frau erhielt einen Goldgulden und einen Albus, weil sie dieses Fähnchen vergult < = mit Goldfarbe bestrichen, hatte. Darüber hinaus hatte sie dat daich myt a lyveme < = Ölfarbe, affgereit, eine Maßnahme, die das Krandach wohl auch vor der Unbill der Witterung schützen sollte 89. Auch diese kurzlebigen Maschinen aus Holz leisteten somit zum ,vieltürmig-stacheligen" Bild der mittelalterlichen Stadt einen - wenn auch bescheidenen - Beitrag.

Verweist die Geschichte der bildlichen Darstellungen von Kranen auf langfristige Veränderungen in der Sichtweise sozialer Gruppen, so wirft gelegentlich - wie das folgende Beispiel zeigt - auch die Baugeschichte der Hebewerke ein interessantes Licht auf Wandlungen in Einstellungen und Verhaltensweisen. Am 30. April 1611 unterrichtete der Trierer Erzbischof in einem Brief die Amtleute im Erzstift vom Kranbau in Koblenz. Seit längerer Zeit, so stellte er fest, hätten sich Männer und Frauen aus Faulheit und Trägheit u f f dai Bettlen begeben. Sie lägen anderen fast ständig fur der Thur, obwohl sie zum Arbeiten stark genug und wo11 zu gebrauchen wehren. Er weist seine Amtleute an, alle diejenigen, die dem Betteln nachgehen - soweit sie zum Arbeiten fähig seien - zum Koblenzer Kranbau zu verpflichten. Keinem, der dazu befähigt sei, soll fürderhin das Betteln in den erzstiftischen Ämtern gestattet sein, gleichgültig ob es sich um in- oder ausländische Personen handle. Aus dem ganzen Erzstift sollten die Amtleute demnach alle betreffenden validos Mendicantes und Landti- oder herrenlose Garttenknecht nach Koblenz befördern lassen 90.

Es ist fraglich, ob dieser Anordnung in dem angestrebten Umfang Folge geleistet wurde. O b Mangel an Arbeitskräften den Erzbischof zu seinem Schreiben an die Amtleute veranlaßte, bleibt im einzelnen zu untersuchen 9%. In der Verfügung kommt zudem jedoch eine Haltung gegenüber Armut und Bettel zum Ausdruck, die über den konkreten Vorfall hinaus sehr aufschlußreich ist92.

Deutsches Wörterbuch von J. GRIMM und W. GRIMM, Bd. 5, bearb. V. R. HlLuEen~Nu, Leipzig 1873, Sp. 2018, 2020-2322; W. ZIMMERMANN, Der Heilbronner ,,Alte Krahncn", in: Jahrbuch für schn~äbisch-fränkische Geschichte 30 (1983), S. 89.103, hici C. 91 SrA Wesel, Stadtrechnungen 1521/26, fol. 114v, 117v.

"o LHAKO, I C 45, C. 948. Zu h h e r e i i Beiilerordnungcn der Trierer Erzbischöfe vgl. z.B. Sconl , wie Anm. 75, S. 298ff.; J.H. BLATTAU, Staruia synodalia, ordinationes er mandaia archidiocesis Trevirensis ..., Bd. 2, Trier 1844, C. 81ff., VgI. auch LHAKO 1 C 25, S. 174-176, 295f.; 1 C 32, S. 596-602; 1 C 4 1 , S. 1112-1114.

9' Bestand ein Mangel an Arbeitskräften, verursacht durch die sterbende LuB , der man im September des Jahres 161 1 in Trier u.a. durch eine erneuerte Pestordnung zu begegnen suchte? A. SCH~LLER, Seuchen in Trier und ini Trierer Lande, in: Trieiische Heimat 7 (1930/31), S. 141. Zum Problem in der neueren Literatur z.B. F. GRAL-s, Randgruppen der srädiischen Gesellschaft im Spärmirielalier, in: Z H F 8 (1981), S. 385-437; E. ScHtieEnT, Arme Leure, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhundert (Veröff. d. Ges. für frk. Gesch., Reihe 9, Bd. 26),

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Seit dem 14. Jahrhundert gewinnt - jedenfalls seitens der Obrigkeit - die Auffassung Raum, daß Arme nur dann Hilfe beanspruchen dürfen, wenn sie ohne eigenes Verschulden mit ihrer Hände Arbeit den Lebensunterhalt nicht sichern können. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts mehren sich in ver- schiedenen Teilen Europas Versuche, das Bettlerwesen durch Regelungen und Verordnungen zu steuern. Dem Betteln aus Trägheit und Faulheit sollten Schranken gesetzt werden. Vagabundierenden Bettlern versuchten Magistrate immer häufiger - schließlich mit Hilfe einer Bettelpolizei - den Zutritt zu den Städten und die Entgegennahme von Almosen auf Kosten der seßhaften Armen zu verwehren. Im Zuge dieser hier nur grob skizzierten Entwicklung, die im 16. Jahrhundert durch Reformation und Gegenreformation verstärkt wurde und weitere Impulse erhielt, konnte Arbeit nun als Strafe wie als Mittel zu Zucht und Erziehung interpretiert werden. Obrigkeiten fühlten sich berechtigt, Arbeit zu erzwingen. Diese Haltung, die seit dem 16. Jahrhundert besonders deutlich in den kalvinistischen Arbeits- und Zuchthäusern der Niederlande zum Ausdruck kommt, war - wie das Beispiel des Koblenzer Ki-anbaus zeigt - auch in katholischen Territorien verbreitet. Die ,,Bauhüttec' des Kohlenzer Krans sollte nach dem Willen Erzbischof Lothars von Metternich und seines Hofes gleichsam ein „Arbeitshaus" des Trierer Erzstifts für vagabundierende Nichts- nutze werden.

Erneut wird deutlich: Eine vom Objekt Kran ausgehende Untersuchung hat zahlreiche Aspekte menschlicher Lebensformen zu berücksichtigen, zu deren Erhellung sie nicht unwesentlich beizutragen vermag. Der Versuch einer umfassenden europäischen Krangeschichte, die auch ,,kranlosett Regionen einzubeziehen hätte, wäre daher zweifellos eine ertragreiche Aufgabe inter- disziplinärer Forschung.

Neustadt a.d. Aisch 1983; M. MOLLAT, Die Armen im Mitrelalrer (aus dem Franz. übersetzt V. U. Irsigler), München 1954.

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Herbert Schwarzwälder Die Entwicklung der Häfen an der Unterweset

Hansjoseph Maierhohr Die Entwicklung des Kriegshafens Wilhelmshaven

Index der Orts- und Personennamen

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