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Segeln in Cornwall und in der Bretagne (GfS-Törn BR16-09) Es gibt nicht nur die Seglergemeinschaft Überlingen e.V., sondern eine Menge anderer Segelvereine am Bodensee, die meisten davon sind (außer in ihrem nationalen Spitzenverband, also z.B. dem Deutschen Seglerverband DSV für die dt. Segel-Vereine) auch noch im Bodenseeseglerverband BSVb organisiert. Schon 1970 gab es da eine Anzahl von Seglern, denen der Bodensee zu klein geworden war. Sie gründeten, raten Sie, einen Verein in Lindau. Sein Name ist „Gemeinschaft für Seefahrt e.V. (GfS)“ (Internet www.gfs-hochseesegeln.de). Inzwischen hat der Verein über 700 Mitglieder und be- treibt zwei seegehende große Yachten in seinem Eigentum, die im Fahrtgebiet Nordatlantik, Karibik, Mittelmeer, Nord- und Ostsee unterwegs sind. Wir haben einige SGÜ-Mitglieder, die auch Mitglied in der GfS sind. Ich selbst bin seit 2001 Mitglied der GfS. Seit einiger Zeit (seit ich nämlich nicht mehr im Vorstand der SGÜ tätig bin) fahre ich wieder häufiger auf (Hoch)seetörns mit und inzwischen darf ich auch als Ski- pper auf den GfS-Schiffen fahren. Also erschien mein Name im Törnplan für 2017 in der GfS- Vereinszeitschrift (der sog. Gazette, die übrigens auch im SGÜ-Clubhaus ausliegt) und ich wurde von anderen SGÜ-lern angesprochen: Würdest du mich denn mitnehmen? – Na klar würde ich (wenn du auch Mitglied bei der GfS bist oder wirst). Es wurden insgesamt 4 SGÜ-ler, die sich zu einem GfS-Törn zusammenfanden: Peter Tröger (ich), Wilfried Liekmeier, Johannes Matt und Jürgen Eulenpesch, außerdem waren noch drei Mitglieder der GfS dabei, die nicht zur SGÜ gehören: Jürgen Beck aus Tübingen, Klaus Möller aus Tuttlingen und Rudolf Fleischer, der zur Zeit im Oman wohnt und lehrt. Unsere Segelyacht, die Brigantia, Rufzeichen DFOL2, eine Hallberg Rassy 48 mit 14,99 m Länge, ca. 130 qm Segelfläche am Wind und 22 t Gewicht ist im April 2016 nach einer Werftüberholung in Neu- stadt/Ostsee ins Wasser gegangen. Sie wurde dann von anderen GfS-Mitgliedern in 2-Wochen-Törns die schwedische und norwegische Küste hinauf bis Bergen gesegelt. Von dort kam der Sprung über die Nordsee via Shetland- und Orkney-Inseln zur schottischen Ostküste. Dann ging es durch den Ca- ledonian Canal (u.a. auch Loch Ness – aber nein, Nessie wurde nicht gesichtet) nach Westschottland. Eine Runde über die Äußeren Hebriden bis Stornoway und dann über Oban, die Isle of Man nach Dublin in Irland und von dort nach Falmouth in Cornwall.

Segeln in Cornwall und in der Bretagne (GfS-Törn BR16-09) · Deutschen Seglerverband DSV für die dt. Segel-Vereine) auch noch im Bodenseeseglerverband BSVb organisiert. Schon 1970

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  • Segeln in Cornwall und in der Bretagne (GfS-Törn BR16-09)

    Es gibt nicht nur die Seglergemeinschaft Überlingen e.V., sondern eine Menge anderer Segelvereine

    am Bodensee, die meisten davon sind (außer in ihrem nationalen Spitzenverband, also z.B. dem

    Deutschen Seglerverband DSV für die dt. Segel-Vereine) auch noch im Bodenseeseglerverband BSVb

    organisiert. Schon 1970 gab es da eine Anzahl von Seglern, denen der Bodensee zu klein geworden

    war. Sie gründeten, raten Sie, einen Verein in Lindau. Sein Name ist „Gemeinschaft für Seefahrt e.V.

    (GfS)“ (Internet www.gfs-hochseesegeln.de). Inzwischen hat der Verein über 700 Mitglieder und be-

    treibt zwei seegehende große Yachten in seinem Eigentum, die im Fahrtgebiet Nordatlantik, Karibik,

    Mittelmeer, Nord- und Ostsee unterwegs sind. Wir haben einige SGÜ-Mitglieder, die auch Mitglied in

    der GfS sind.

    Ich selbst bin seit 2001 Mitglied der GfS. Seit einiger Zeit (seit ich nämlich nicht mehr im Vorstand der

    SGÜ tätig bin) fahre ich wieder häufiger auf (Hoch)seetörns mit und inzwischen darf ich auch als Ski-

    pper auf den GfS-Schiffen fahren. Also erschien mein Name im Törnplan für 2017 in der GfS-

    Vereinszeitschrift (der sog. Gazette, die übrigens auch im SGÜ-Clubhaus ausliegt) und ich wurde von

    anderen SGÜ-lern angesprochen: Würdest du mich denn mitnehmen? – Na klar würde ich (wenn du

    auch Mitglied bei der GfS bist oder wirst). Es wurden insgesamt 4 SGÜ-ler, die sich zu einem GfS-Törn

    zusammenfanden: Peter Tröger (ich), Wilfried Liekmeier, Johannes Matt und Jürgen Eulenpesch,

    außerdem waren noch drei Mitglieder der GfS dabei, die nicht zur SGÜ gehören: Jürgen Beck aus

    Tübingen, Klaus Möller aus Tuttlingen und Rudolf Fleischer, der zur Zeit im Oman wohnt und lehrt.

    Unsere Segelyacht, die Brigantia, Rufzeichen DFOL2, eine Hallberg Rassy 48 mit 14,99 m Länge, ca.

    130 qm Segelfläche am Wind und 22 t Gewicht ist im April 2016 nach einer Werftüberholung in Neu-

    stadt/Ostsee ins Wasser gegangen. Sie wurde dann von anderen GfS-Mitgliedern in 2-Wochen-Törns

    die schwedische und norwegische Küste hinauf bis Bergen gesegelt. Von dort kam der Sprung über

    die Nordsee via Shetland- und Orkney-Inseln zur schottischen Ostküste. Dann ging es durch den Ca-

    ledonian Canal (u.a. auch Loch Ness – aber nein, Nessie wurde nicht gesichtet) nach Westschottland.

    Eine Runde über die Äußeren Hebriden bis Stornoway und dann über Oban, die Isle of Man nach

    Dublin in Irland und von dort nach Falmouth in Cornwall.

  • Dort beginnt die Geschichte unseres Törns Nummer BR16-09. Seit ich den Fahrauftrag bekommen

    habe (ca. im Herbst 2015) habe ich also geplant. Die Aufgabe bestand darin, das Schiff in Falmouth zu

    übernehmen und zwei Wochen später in Brest in der Bretagne wieder an die nächste Crew der GfS zu

    übergeben, die dann in drei Wochen über La Rochelle bis La Coruna in Spanien fahren wird.

    Falmouth – Brest ist auf dem geraden Weg über den Englischen Kanal eine Strecke von ca. 120 See-

    meilen. Bei einer angenommenen Durchschnittsgeschwindigkeit von 5 Knoten also eine Fahrzeit von

    24 Stunden – den Rest der zwei Wochen hatten wir also Zeit, die englische und französische Kanal-

    küste zu erforschen. Also werfen wir einen Blick in die Karten. Die englische Kanalküste erstreckt sich

    grob in West-Ost-Richtung, ebenso wie die Gegenküste (die Bretagne). Die Überfahrt über den Kanal

    dauert etwa einen Tag. Aber da gibt es ja auch noch Inseln. Knapp westlich (ca. 40 Seemeilen) von

    Lands End (dem westlichen Ende des englischen Festlandes) liegen die Isles of Scilly (ein Törnziel, das

    ich in meinen unerfüllten Seglerträumen schon lange mit mir herumtrage), angeblich ein subtropi-

    sches Paradies. Und auf der anderen Seite des Fahrtgebietes liegen die Channel Islands, Guernsey mit

    seinem Haupthafen St. Peter Port und St. Helier in der Bucht von St. Malo, auch ein lang gehegtes

    Traumziel. Also messe und rechne ich, bis ich einen Plan habe. Von Falmouth nach Westen zu den

    Scillies, zurück zum englischen Festland, an der Kanalküste nach Osten, bis das Wetter und der Wind

    geeignet für den Sprung über den Kanal sind – mit Ziel Guernsey. Von dort an die französische Küste

    und dort nach Westen bis Brest, nach Plan (über Grund) 472 Seemeilen.

    Im Lauf des Frühjahrs haben wir uns zweimal im Rahmen der Gruppe der Crewmitglieder, die damals

    schon feststanden, getroffen und uns kennengelernt. Es wurde über Segelerfahrungen und Kenntnis-

    se berichtet und nach Intentionen für den Törn gefragt: Mehr Landurlaub und Sightseeing oder mehr

    Segeln, auch durch die Nacht, bei allen Wetterbedingungen oder eher Schönwettersegeln? So lang-

    sam ergibt sich ein Bild.

    Inzwischen sind wir in England. Ich selbst bin mit meiner Frau Petra schon 1 ½ Wochen vorher mit

    dem Zug angereist und wir erkunden Cornwall mit dem Mietwagen. Ein sehr schöner, landschaftlich,

    aber auch kulturell reizvoller Landesteil des Vereinigten Königreichs. Es gibt interessante alte Häuser

    und gepflegte Gärten, in denen die Vegetation aufgrund der Nähe zum Golfstrom manche Pflanzen

    zu einer Größe wachsen lässt, die wir uns selbst am Bodensee (der ja klimatisch auch bevorzugt ist)

    nicht vorstellen können. Ab und zu schauen wir uns aber auch einen Hafen an, den ich später mit der

    Brigantia anlaufen will. Mitte der Woche kommen schon Wilfried, Johannes und Jürgen nach Flug bis

    London und Mietwagen in Penzance an und wir treffen uns im Admiral Benbow, einem auf Piraten-

    kneipe hergerichteten Pub. Wer mal „Die Schatzinsel“ gelesen oder im Fernsehen gesehen hat, weiß,

    die Handlung beginnt in einem Wirtshaus gleichen Namens. Admiral Benbow ist als Person übrigens

    historisch belegt, englischer Seeheld aus der Karibik.

    Wir gehen noch mal getrennte Wege, Petra und ich

    mieten uns im Housel Bay Hotel am Point Lizard ein,

    dort müsste die Brigantia am Donnerstag auf ihrem

    Weg von Irland zum Übergabehafen vorbeikommen.

    Das hatte ich vorher so geschätzt und mit den mo-

    dernen Mitteln der Elektronik konnte ich die Brigan-

    tia mit ihrer vorbildlichen Ausrüstung auf ihrem Weg

    immer im Internet verfolgen. Das AIS macht es mög-

    lich. Wer mehr wissen will, sollte in den Vortrag

    kommen, den ich im Winter bei der SGÜ halten St. Michaels Mount

  • werde. Es gelingen ein paar schöne Aufnahmen vor traumhafter Kulisse und ich weiß „mein“ künfti-

    ges Schiff auf gutem Weg in den Übergabehafen. Die andere Gruppe besichtigt den Mount Michael,

    eine Burg auf einer kleinen Insel in der Bucht von Penzance, die nur bei Niedrigwasser zu Fuß erreicht

    werden kann (etwa wie der kleine Bruder des Mont St. Michel in der Bucht von St. Malo auf der fran-

    zösischen Seite).

    Samstag um 11:00 Uhr sind wir mit der bisherigen Besatzung der Brigantia zur Schiffsübergabe ver-

    abredet. Falmouth ist ein sehr alter Segelschiffs- und Handelshafen. Inzwischen gibt es dort eine gro-

    ße Marina für Sportboote und ein Museum, in dem gerade eine Ausstellung über die Wikinger läuft.

    Leider geht an diesem Wochenende gerade die Falmouth Sailing Week zu Ende und es ist in der Stadt

    sehr „crowdy“. Die Übergabe verläuft problemlos, wir „übernehmen“ einige kleine Probleme von der

    alten Crew, im Vorschiff leckt ein Lüfter, eine Pumpe geht nicht, aber das Schiff strahlt frisch geputzt

    und ist seetüchtig. Inzwischen ist die gesamte neue Crew anwesend. Wir teilen die Proviantbeschaf-

    fer ein. Wilfried und ich müssen noch eine Runde über Truro drehen, um die beiden Mietwagen zu-

    rückzugeben. Truro ist die einzige größere Stadt in Cornwall, etwa 30 min im Landesinneren. Von

    dort geht eine Stichbahn (nicht der Seehas, aber so ähnlich) zurück zu den Falmouth Docks. Als wir

    wiederkommen, ist auch schon der Proviant eingekauft und wir stauen alles im Salon der Brigantia. In

    der Küche finden wir an verborgener Stelle eine Tube Senf aus New York, wo die Brigantia im Jahr

    2015 war, bevor sie über Grönland und Island nach Europa zurückkehrte. Wir entschließen uns (nach

    Sichtprüfung), die Tube zu entsorgen. Jetzt steht ein wichtiger Punkt an, die Sicherheitseinweisung.

    Dafür gibt es extra ein langes Formular der GfS. Akribisch gehen wir die einzelnen Positionen durch.

    Die Automatik-Schwimmwesten sind ganz neu angeschafft und wir brauchen eine Weile, bis jeder

    seine richtig eingestellt und angelegt hat. Ansonsten ist das Schiff so, wie ich es von meinem „Ausbil-

    dungstörns“ her noch gut kenne. Die Staupläne ändern sich ab und zu ein bisschen, das ist aber alles

    gut dokumentiert. Nach 2 Stunden Sicherheit unter Deck (Funk und Notruf, Mann-über-Bord-Taste

    am Kartenplotter und GPS, „Wo sind die Gasabsperrhähne?“ und vielen anderen Einzelheiten) gehen

    wir zum Essen. Nur – Falmouth ist voll und wir sind um 20:00 – oder wie es hier korrekt heißt: 8 p.m.

    schon spät dran. Wir bekommen noch einen Tisch vor einem Pub im Freien und frieren ein bisschen

    beim Essen. So kommen wir früh zurück aufs Schiff, schließlich ruft am nächsten Tag ja der Englische

    Kanal. 7 Leute sind Vollbelegung auf der Brigantia, aber platzmäßig ist das kein Problem. Es gibt eine

    Vorschiffskabine für 2, eine Seitenkabine für 2 in Stockbetten und im Achterschiff ist eine Doppelkoje

    und die Einzelkoje, die meistens für den Skipper vorgesehen ist. Wenn er dort den Kopf hebt und die

    Kabinentür ist offen, kann er dem Wachführer in der Navi-Ecke über die Schulter sehen ☺.

    Wir haben Seewachen eingeteilt. 3-Stunden-Rhythmus, dreimal eine 2-Mann-Gruppe, da bleibt der

    Skipper übrig und ist wachfrei, wie man sagt. Das heißt nicht, das er gar nichts tun muss, er ist sozu-

    sagen immer im Dienst und bei Hafenmanövern und in schwierigen Situationen ist er natürlich dabei,

    aber er kann in ruhiger See und bei geradem Kurs auch mal sagen, ich mache jetzt ein Nachmittags-

    schläfchen. Bei der Sicherheitseinweisung habe ich den Satz geprägt: Vor der Abgabe von Seenotsig-

    nalen möchte ich bitte geweckt werden.

    Sonntag früh, nach Wetterbericht soll es ein schöner Tag werden. Er beginnt mit einer Fortsetzung

    der Sicherheitseinweisung an Deck, natürlich nicht auf nüchternen Magen. Die Wache, die um 07:00

    Uhr Dienstbeginn hat, muss vorher Frühstück machen. Aber dann: Wo sind die Seenotrettungsbojen,

    was werfe ich einem Crewmitglied nach, wenn es über Bord geht, ist die Batterie für die Seenot-

    leuchte am Schwimmkörper noch gut? Gott sei dank gibt es die Checkliste. Dann geht es los. Wir

    liegen „tidenfrei“, d.h. müssen nicht auf die Flut warten, erst draußen im Kanal müssen wir zur richti-

  • gen Zeit am richtigen Ort sein, um die Strömung auszunutzen. Das haben wir uns am Abend natürlich

    mithilfe von Stromatlas und Bord-PC überlegt. So fahren wir durch die breite Mündung des River Fal,

    nachdem auch der Hafen benannt ist (Fal Mouth) auf den gefürchteten Ärmelkanal, über den eine

    Menge Schauergeschichten und Seglerlatein existieren. Heute zeigt er sich von seiner besten Seite.

    Kaum vom Bodensee zu unterscheiden: warm, wenig Welle und gute Sicht und fast kein Wind. Wir

    ziehen probehalber die Segel hoch, damit wir üben, wie es geht. Und dann müssen wir doch moto-

    ren. Aber unser Volvo D3 ist ja eine zuverlässige, gut gepflegte Maschine und er bringt uns in weni-

    gen Stunden in unseren geplanten Anlaufhafen Newlyn, vorbei an Lizard Point, dem südlichsten

    Punkt Englands, wo ich jetzt das Foto Richtung See – Hotel machen kann, dass ich 2 Tage zuvor von

    Land aus gemacht habe. Wir machen in der Bucht einen Abstecher zum St. Michaels Mount, um den

    Berg und die Burg von See aus zu fotografieren – ein wirklich imposanter Anblick. Dann fahren wir

    durch ein Regattafeld von kleinen Booten und bemühen uns, niemanden zu behindern. Newlyn ist

    ein Fischereihafen, in dem Yachten nur „grad so“ geduldet sind. Hunde sind aus hygienischen Grün-

    den auf den Stegen nicht erlaubt, weil hier viel Fisch angelandet wird. Abendessen findet auf diesem

    Törn fast immer an Land statt. Wir finden ein kleines Restaurant „Mackerel Sky“ (Makrelen-Himmel)

    und helfen dem dortigen Personal, damit die Makrelen wenigstens nicht sinnlos gestorben sind, ein

    paar Jakobsmuscheln und einige Krabben sind auch dabei. Tage später lerne ich im Aquarium von

    Plymouth, dass die Makrele ein Speisefisch ist, der zum Verzehr bestens geeignet ist, weil er nachhal-

    tig befischt werden kann. Man sollte also nicht immer nur Thunfisch und Lachs essen. Manche Thun-

    fischarten sind durch Befischung in ihrem Bestand gefährdet und Lachs gibt es ja fast nur noch aus

    Zuchtbeständen mit den bekannten Begleitumständen der Massentierhaltung.

    Ansonsten sind die Vorurteile gegenüber der englischen Küche absolut nicht gerechtfertigt. Wir ha-

    ben überall in guter Qualität und schmackhaft essen können, bei einem angemessenen Preisniveau.

    Montagmorgen, Überfahrt zu den Scillies geplant. Im Segelführer steht, Anfänger hätten da nichts zu

    suchen, im ganzen Insel-Archipel kein sicherer Hafen mit Schutz für alle Windrichtungen, bei West-

    wind eventuell Atlantikschwell, bei auch nur der Andeutung von schlechtem Wetter solle man lieber

    am Festland bleiben. Also noch mal gut überlegen. Nach 10 000 sm in meinem Seglerbuch zähle ich

    mich mal zu den „fortgeschrittenen“ Anfängern, Aber mir ist klar, wenn man nur 2 bis 4 Wochen im

    Jahr fährt, bleibt man immer Anfänger (weil man jedes Jahr neu anfängt). Mit jeder Seemeile ist bei

    mir der Respekt vor der See eher gewachsen. Wetter: Da hat sich seit dem tickenden Wecker, mit

    dem Norddeich Radio im letzten Jahrhundert (zur Erleichterung der Abstimmung des Empfängers)

    den gesprochenen Wetterbericht eingeleitet hat, viel getan. Wir haben ein Abonnement für GRIB-

    Bordverpflegung Landverpflegung

  • Daten bei der Wetterwelt und suchen deshalb jeden Abend das WLAN im Hafen. Notfalls geht es

    aber auch übers Handy, kostet halt ein bisschen mehr. Mit GRIB-Daten als Wetter-„Methode“ sollte

    man sich als Seesegler auskennen (Wikipedia gibt erste Hinweise). Wir haben einen Tablett-

    Computer dabei, der uns, ebenso wie zur Gezeitenrechnung, gute Dienste leistet. Natürlich haben

    wir die Daten auch auf Papier dabei (z.B. Reeds Almanac und NP250), aber solange die Elektronik

    geht, ist das natürlich viel bequemer. Also zu den Scillies – wenn man von dort auf gleicher nördlicher

    Breite weiterfährt, kommt erst mal ganz viel Atlantik und dann Neufundland. Von dort kann man in

    den St.-Lorenz-Strom fahren und die Niagarafälle besuchen. Ein lohnendes Ziel, das tatsächlich auf

    dem Reiseplan der Brigantia steht, allerdings mit einem kleinen Umweg über Afrika und die Karibik.

    Im Herbst 2017 soll sie in Toronto ins Winterlager gehen. Also Gesamturteil: Die Crew ist für die Scil-

    lies erfahren genug. Das hatte der erste Tag schon gezeigt. Das Wetter ist, mit gutem Überblick über

    die Großwetterlage, beherrschbar, der Wind steht günstig und weht in ausreichender Stärke. Also

    wollen wir es wagen.

    Newlyn, wo wir starten, ist flach in der Hafen-Einfahrt und man muss präzise fahren, sonst sitzt man

    gleich im Schlick, wäre bei auflaufendem (steigendem) Wasser nicht so schlimm, schadet aber dem

    Ego und der Reputation des Skippers. Also keine Grundberührung, Segel setzen, ein Stück nach Süd

    und dann Generalkurs West. Auf etwa halber Strecke steht der „Wolf“, offiziell Wolf Rock, eine räum-

    lich sehr begrenzte Untiefe, die aber mitten im Weg liegt und auf der ein weithin sichtbarer Leucht-

    turm steht. Bei gutem Wetter schafft man es fast auf Sicht zu den Scillies. Man fährt bei Lands End

    (dem westlichsten Punkt Englands) mit Landsicht nach hinten los, sieht irgendwann voraus den Wolf,

    fährt darauf zu und vorbei und sieht dann irgendwann die Scillies vor sich. Mit GPS und Kartenplotter

    werden der Kurs und die Position natürlich ständig überwacht und notfalls könnten wir aufgrund

    dieser Daten im Logbuch bei Elektronikausfall jederzeit terrestrisch (mit Peilkompass, Karte, Logan-

    zeige und Uhr) weiterfahren. Eher problematisch ist bei schlechter Sicht der Schiffsverkehr, aber es

    ist erstaunlich wenig los. So kommen wir also gut in die Nähe der Scillies, inzwischen hat der Wind

    auf 15 bis 20 Knoten aufgebrist und der Seegang ist etwas bissig, als wir kurz vor einer Durchfahrt

    zwischen zwei Inseln nochmal halsen müssen. Dabei verheddern wir uns kurz mit dem Bullenstander,

    also eben doch Anfänger oder schlechtes Manövermanagement (schuld ist dann immer der Skipper).

    Wir segeln südlich der Hauptinsel St. Marys durch das Hauptfahrwasser bis in den Archipel hinein,

    bergen Segel und motoren Richtung Hugh Town, dem Haupthafen. Dort wird es noch mal spannend.

    Auf ca. 3 m Kartentiefe liegt ein Bojenfeld, vorne 10

    grüne Bojen in 2 Reihen für die schweren Schiffe (die

    Brigantia hat 22 t) und dahinter noch mal 20 gelbe für

    die kleineren und leichteren Yachten. Natürlich sind

    alle grünen Bojen besetzt. Der über UKW-Funk befrag-

    te Hafenmeister meint, entweder wir finden jemand

    zum „Raften“ (Längsseitsgehen an der gleichen Boje)

    oder ankern eben eine Bucht weiter, im Hafen ist An-

    kern verboten, weil die Bojen auf dem Grund mit ei-

    nem „Chain Grid“ verankern sind. Wer da mit seinem

    Anker zu hängen kommt, braucht gleich einen Taucher.

    Ganz links außen im Bojenfeld liegt ein Schiff vergleich-

    barer Größe mit deutscher Flagge und es ist auch noch

    Besatzung drauf („Raften“ darf man nur mit Erlaubnis des „Erstliegers“). „Dürfen wir bei euch längs-

    seits kommen?“ – „Natürlich dürft ihr!“ – Mancher Bodenseesegler im bereits nachmittags überfüll-

    Dinghi Operations at night

  • ten Bodenseehafen möge sich hier ein großes Stück von der auf See herrschenden Kameradschaft

    abschneiden. Also liegen wir jetzt 2 Tage neben der S/Y Auriga/DGVA, Heimathafen Glückstadt an der

    Elbe, von Ute und Manfred Schlott, eine Koopman Frisian 46. Natürlich tauscht man sich beim Anle-

    gen aus – woher? – wohin? – was ist die GfS? Die beiden kommen gerade von längerer Fahrt (mehr-

    monatig) zurück und sind auf dem Weg nach Hause (Glückstadt und Hamburg). Wir sind dankbar,

    dass wir durch ihr freundliches Entgegenkommen doch noch einen Platz im Hafen gefunden haben,

    und laden die beiden zum Abendessen an Bord ein. Wir verbringen einen lustigen und hoch interes-

    santen Abend im Gespräch mit zwei absoluten Segelprofis und tauschen uns über Schiffsausrüstung,

    Elektronik, Navigationsprogramme aus. Sie finden das Konzept der GfS sehr interessant und sind

    auch von Zustand und Ausrüstung der Brigantia positiv angetan.

    Der nächste Tag ist zur Inselbesichtigung freigehalten. Also geht die Crew an Land, der Hafenmeister

    betreibt auch das Harbour-Taxi. Über die Erlebnisse dort weiß ich nicht viel, abends fahre ich mit

    dem eigenen Schlauchboot auch an Land und treffe mich mit der Crew in der „Mermaid“, einem

    günstig am Hafen gelegenen Pub und Restaurant. Den Tag verbringe ich mit Lektüre, Messungen an

    der Schiffselektrik (die eine Pumpe geht ja nicht), Räumen und Fotografieren und Filmen. Da ich we-

    nige Tage vorher für einen Kurztrip mit Flugzeug/Dampfer auf St. Marys war, nutze ich die Zeit lieber

    für das Schiff.

    Eigentlich haben wir von den Scillies nicht so viel gesehen, wir hatten einfach nicht genug Zeit, um

    länger als einen Tag zu bleiben. Ich glaube, ich werde noch mal wiederkommen, entweder im eige-

    nen Urlaub oder auch noch mal mit einem GfS-Schiff. Die Route durch die Irische See nach England

    fährt die GfS ja so alle zwei Jahre.

    Aber wir müssen nun gemäß Törnplan zurück an das englische Festland, leider ist Schwachwind an-

    gesagt, immerhin kein Gegenwind. Wir versuchen zeitweise zu segeln, zeitweise müssen wir längere

    Strecken motoren. Wir vertreiben uns die Zeit mit dem Zeichnen von Stromdreiecken, die Crew will

    was lernen. Aber dann gibt es doch noch ein Highlight. Ich komme an Deck und der Rudergänger

    sagt: „Skipper, wir haben einen blinden Passagier.“ Ein kleiner Vogel sitzt an Deck, etwa in der Größe

    eines Zaunkönigs. Als er aufgescheucht wird, fliegt er runter in die Kabine. Wir versuchen ihn einzu-

    fangen. Dabei stellt sich heraus, dass er sehr zutraulich ist. Auf die Hand, die ihn greifen will, springt

    Auf den Scillies gibt es sie noch! Man würde wohl sagen: Ein Krabbenburger

  • er drauf und schaut vorwurfsvoll. Wir können ihn schließlich auf dem Finger sitzend durch die Kabine

    tragen. Er ist offenbar müde, setzt sich auf den Gasherd (Stange) und kuschelt sich an den lauwar-

    men Teekessel und kneift die Augen zu. Futter will er keins. Wir versuchen Haferflocken, winzige

    Salamistückchen, Butter – alles nicht das Richtige, nur ein paar Tropfen Süßwasser lässt er sich ein-

    flößen. Schließlich fliegt er in die Navi-Ecke, setzt sich auf die Oberkante des dort stehenden Note-

    books und steckt den Kopf unter den Flügel und wiegt sich im Seegang. Dort ist es aber zu unruhig.

    Ich fange ihn schließlich doch ein und setze ihn in eine größere Tasche, wo es dunkel ist. Dort gibt er

    Ruhe und scheint zu schlafen. Als ich ihn an unserem Liegeplatz im Helford River am engl. Festland

    am Abend 100 m vom sichtbaren Ufer entfernt aus der Tasche hole, ist er sichtlich erholt und mun-

    ter, sitzt 5 Minuten herum und fliegt dann zum Ufer, ohne sich noch einmal umzudrehen. Wir wissen

    bis heute nicht genau, welche Art es war. Wahrscheinlich

    aufgrund des unauffälligen Federkleides ein Weibchen. Beringt war er nicht. Ob von Menschen auf-

    gezogen oder ob auf den Scillies alle Vögel so zahm sind, wissen wir nicht. Nachträglich hat er von

    Petra den Namen Pipsi erhalten.

    Wir haben auf unserem Weg zum Festland zuerst Lands End passiert, sind dann, diesmal in der ande-

    ren Richtung um den Point Lizard (West-Ost) herum gefahren. Gesehen haben wir ihn wegen sehr

    schlechter Sicht nicht. Ich sitze sogar 2 bis 3 Stunden vor dem Radarschirm, um uns gegen anderen

    Verkehr abzusichern. „Oben“ hat es etwas rauen Seegang, wir sind wohl bei Wind gegen Strom etwas

    zu nah an Land gekommen. Schließlich klart es aber in Landnähe auf und wir können die Einfahrt in

    den Helford River unter „Sichtflugbedingungen“ absolvieren. Im Helford sind einige große Bojenfel-

    der auch mit Gästebojen, man hat zwischen den hohen Ufern optimalen Schutz vor Sturm und an

    vielen Stellen auch ausreichende Wassertiefe. Leider reicht es nicht für einen Landgang mit dem

    Dinghi, obwohl es dort einen sehr schönen „Tante Emma“-Laden gibt, denn ich eine Woche früher

    von Land aus besichtigt habe.

    Inzwischen macht uns das Wetter mittelfristig Sorgen. Noch 1 bis 2 Tage schönes Wetter, dann

    kommt eine Front, die auch durch den Kanal zieht. Die Daten sprechen von 25 bis 35 Knoten Wind-

    geschwindigkeit und der Windfinder sagt 4 bis 5 m Welle voraus. Das wollen wir nicht unbedingt auf

    See abwettern. Der nächste Tag bringt aber erst mal die Ruhe vor dem Sturm. Wir sind auf dem Weg

    nach Plymouth und üben unterwegs Boje-über-Bord-Manöver, die wir aber wegen zu schönem und

    windlosem Wetter abbrechen. Beim Einlauf in Plymouth bekommen wir Probleme. Natürlich wissen

    alle in der Gegend, dass schlechtes Wetter kommt, und haben sich zu Hause auf ihren Liegeplätzen

    verkrochen. Wir laufen als Erstes die mir bekannte Mayflower Marina an. Der Hafenmeister weist

    Pipsi (oder: der Skipper und sein Vogel) ….

  • uns ab. Wir könnten zwar auf der Außenseite der Hafenanlage für den Notfall liegen bleiben, aber

    wohl wäre ihm dabei nicht und wir erkennen, dass uns bei Sturm aus West der Wind und die Welle

    immer auf das Kai werfen würde. Also Hafenpläne und Handbücher rausholen und funken und tele-

    fonieren. „Sorry Sir, we are full“. Der Nächste sagt, wir sollen mal kommen und uns noch mal melden,

    100 m vor der Schleuse sagt er dann, „Sorry I’ve made an error“. Inzwischen gehen die Überlegungen

    bei uns schon in Richtung Ankerbucht. Der Plymouth Sound ist ja groß. Die Ehefrauen zu Hause, die

    zum Teil den Kurs der Brigantia am PC per marinetraffic.com mitverfolgen, fragen sich schon, was da

    los ist. Der letzte Hafen im äußersten Osten (Plymouth Yacht Haven), noch sehr neu und deshalb

    offenbar nicht so überlaufen, nimmt uns dann. Längsseits anlegen in langer enger Gasse. Nachdem

    wir alle etwas gestresst sind, klappt es nicht gleich, wir ziehen noch mal 100 m zurück und dann

    klappt‘s auch mit der Mittelspring und der Hilfe des Hafenmeisters, der sie annimmt.

    Mehrere Geheimtipps an einem Ort: Yacht Haven erscheint auf den ersten Blick abgelegen und

    schwer zugänglich zu sein. Aber es gibt ein Water Taxi, das einen für wenig Geld ins Zentrum vom

    Plymouth bringt. Die sanitären Anlagen sind im Hafen funkelnagelneu und das Restaurant „The

    Bridge“ ist einen Besuch wert. Wir kommen unüblich spät, werden aber trotzdem freundlich bedient.

    Und dann ist da noch die Mount Batten Bar, wo wir am nächsten Abend essen, die Portionen von

    „Spare Ribs“ und auch „Fish and Chips“ werden uns ewig in Erinnerung bleiben.

    In Plymouth bleiben wir zwei Tage, weil wir danach ein Wetterfenster für die etwas längere Über-

    fahrt Richtung Guernsey sehen. Aber die zwei Tage sind kein Problem, weil man sich in Plymouth gut

    die Zeit vertreiben kann. Hafenrundfahrt bis zum Devonport, einem wichtigen Hafen der britischen

    Marine. Dort liegen Schiffsneubauten, als geplantes Einsatzgebiet wird angegeben: Falklandinseln.

    Einen Lenkwaffenzerstörer und ein Jagd-U-Boot liegen da auch. Aquarium ist ebenfalls sehenswert,

    wenn auch etwas überlaufen bei schlechtem Wetter, eine sehr schöne Altstadt und eine alte Gin

    Distillery (Gin in „Navy Strength Quality“, 57% Vol., besser die Flagge „B“ – feuergefährliche Ladung –

    setzen, wenn man ihn an Bord nimmt und Obacht beim Flambieren).

    Sonntag, 21.08., Springzeit. Im Logbuch steht „Aufstehen 04:30“, Frühstück lassen wir aus, um 05:00

    laufen wir aus. Es liegen geplante 100 sm vor uns. Die Kaltfront ist durch, der Wind hat nachgelassen,

    wir freuen uns auf einen schönen Segeltag im Nachfrontwetter mit 20 Knoten aus West. Bei General-

    kurs 135 ist das eine schöne Backstagsbrise. Um 05:00 ist es noch dunkel, wir fahren nach der in Ply-

    mouth als großem Verkehrs- und Fährhafen sehr guten Befeuerung und finden mit Kartenplotter und

    nach Sicht unseren Weg in die Bucht. Segel hoch und ab geht die Post. Das Einzige, was wir jetzt noch

    im Auge behalten müssen, ist der längs der Kanalrichtung fahrende Verkehr der Berufsschifffahrt.

    Aber wir haben relativ gute Sicht und haben natürlich immer unser AIS an. So können wir schon früh-

    Plymouth: Britannia rules the waves!

  • und sie schwimmt immer noch

    zeitig die Verkehrslage erfassen und verstehen und ggf. auch unseren Kurs korrigieren. Wir fahren

    auf dem von uns gewählten Kurs nicht durch ein Verkehrstrennungsgebiet, sind also nur den Kollisi-

    onsverhütungsregeln der hohen See unterworfen (danach hätten wir als Segelfahrzeug Vorfahrt vor

    jedem Tanker oder jeder Fähre), aber wir dürfen auch Maßnahmen treffen, solche Nahbereichssitua-

    tionen zu vermeiden. Man nennt das das Manöver des vorletzten Augenblicks. Ein Blick auf den Bild-

    schirm unterwegs lässt eine dramatische Verkehrsdichte vermuten, aber der Abstand zwischen 2

    Schiffen ist dann doch immer etwa 10 Seemeilen, der Kanal ist an dieser Stelle schon sehr breit. Wir

    halten auf die Südspitze von Guernsey zu. Unser Plan ist es, sie zu runden und mit Strom und bei

    Hochwasser im Haupthafen St. Peter Port einzulaufen. Das Wetter ist abends nicht mehr so freund-

    lich und unser Hafen empfängt uns grau in grau. Immerhin klappt die Kommunikation mit dem Ha-

    fenmeister und so holt uns ein kleines Motorboot ab und geleitet uns auf verschlungenen Pfaden zu

    unserem Liegeplatz. Dort messen wir die Wassertiefe und rechnen nach. In den nächsten Stunden

    geht es hier ca. 8 m runter und wir wollen nicht im Schlick stecken bleiben. Aber es reicht – knapp.

    Guernsey ist direkter Kronbesitz der englischen Krone und gehört deshalb nicht zur EU. Also drückt

    man uns ein Zollformular in die Hand. Passdaten der Crew, keine Tier an Bord, nur marginal Alkohol,

    keine Drogen, keine Waffen, kein Bargeld mehr als 10000.- EUR pro Person. Formular ausfüllen und

    in gelben Briefkasten am Steg werfen, dann dürfen wir von Bord.

    Wir finden direkt am Hafen noch ein kleines Restaurant. Am nächsten Tag ist Landgang und die Crew

    zerstreut sich. Es gibt einen Bus, der für 1 Pfund Fahrpreis um die ganze Insel fährt, Linie 91 und 92,

    in ungefähr 1 ½ Stunden. Der Bus fährt an der Nordseite der Insel direkt an der Küste lang und bietet

    eine traumhafte Aussicht. Obwohl der Bus sehr voll ist (lauter um die 80 Jahre alte Amerikaner) ge-

    lingen mir einige schöne Fotos und Filmaufnahmen. Auch die Altstadt von St. Peter Port ist sehens-

    wert, wenn man dem steilen Treppauf und Treppab

    folgen mag. Abends treffen wir uns im „Crow‘s Nest“

    mit Blick aus dem 1. Stock direkt auf den Hafen. Die

    Küche ist schon deutlich französisch angehaucht und

    ich bekomme eine spektakuläre Bouillabaisse. Guern-

    sey gibt eigene Banknoten heraus, die schwierig zu-

    rückzutauschen sind. Vorsichthalber geben wir unser

    Wechselgeld also für Nachtisch aus. Der Wechsel der

    Gezeiten mit 8 m Tidenhub, das Füllen der Hafenbe-

    cken, die Strömung am Süll (die das Hafenbecken be-

    grenzende Mauer) sind eindrucksvoll. Auch hier war ich

    St. Peter Port bei Hochwasser und bei Niedrigwasser (Süll)

  • nicht zum letzten Mal.

    Am nächsten Tag geht es ans französische Festland. Unser Auslaufplan nach Süden und die vorherr-

    schende Strömung von 6 Knoten nach Nord zur üblichen Auslaufzeit passen überhaupt nicht zusam-

    men. Also geben wir der Natur nach und fahren nach Nordosten, um dann die Insel gegen den Uhr-

    zeigersinn zu umrunden und dann nach einiger Zeit mit einigermaßen passender Strömung unseren

    Südwest-Kurs aufzunehmen. Mit dem Kurs vom Vortag wird das also ein vollständiges „Guernsey

    rund“. Es wird der schönste Segeltag des Törns. Zunächst schießen wir mit mehr als 10 Knoten Fahrt

    über Grund nach Norden durch den Little-Russel-Kanal, dann drehen wir auf West und dann auf

    Südwest. An der Nordseite von Guernsey empfängt uns eine sehr lange, sehr gemächliche Atlan-

    tikdünung, die wohl noch von der letzten Front übrig geblieben ist oder die von dem Tief stammt, das

    sich gerade über Irland austobt und das dann hoffentlich Richtung Nordpol abdreht. Ich liege an Deck

    und träume davon, nach Westen Richtung Karibik abzudrehen.

    Lezardrieux ist ein Hafen, der ein bisschen zurückgesetzt im Fluss liegt. Die Landschaft ist typisch für

    die Bretagne, viel Wald und viele Felsen, am und im Wasser. Wir folgen bei guter Sicht aufmerksam

    dem fjordähnlichen Fahrwasser. Der Hafen ist voll und wir müssen an einem Kopfsteg außen längs-

    seits an eine große französische Yacht gehen. Es setzt deutlich Strom im Hafen, was wir beim Drehen

    unserer Orientierungsrunden merken, aber der Anleger klappt gut und der französische Bootsmann

    nimmt unsere Leinen an. Viel Zeit zum Landgang bleibt nicht. Am nächsten Tag geht es gleich weiter

    nach Westen dicht an der Küste der Bretagne entlang. Die Sicht ist nicht besonders gut, so dass wir

    nicht viel von der bekannt schönen Landschaft sehen. Zu nah wagen wir uns auch nicht in Landnähe

    (Bretagne = Felsen). So kommen wir nach 53 sm und gar nicht so spät in Roscoff an. Die Marina dort

    ist so neu, dass bis vor Kurzem noch nicht mal die Hafenmauer in Google Maps zu sehen war. Es ist

    alles neu, aber auch etwas synthetisch und sie haben einen Lift (!) von der Hafenmauer runter auf

    den Steg. Ins „Dorf“, ein schöner bretonischer Ort, ist es ein Fußmarsch von einer halben Stunde,

    aber Segeln ist ja mehr oder weniger eine sitzende Tätigkeit, also tut es uns gut. Der alte Hafen direkt

    am Dorf fällt vollständig trocken und ist deshalb für große Schiffe wie uns nicht geeignet. Erstes

    Abendessen in Frankreich, Menu à la Capitain, den Rest mag sich der geneigte Leser selber ausmalen.

    Auslaufen Roscoff, Hochwasser. Es hat uns schon gewundert, warum im Hafenhandbuch steht: „Ein-

    laufen und Auslaufen erst nach Funkkontakt und Erlaubnis.“ Der Hafenmeister antwortet prompt und

    gibt auch die Erlaubnis zum Ablegen und sagt „Wir sind gleich bei Ihnen“. Tatsächlich kommt ein

    Schlauchboot um die Ecke der ca. 10 m hohen Hafenmauer und begleitet uns. Warum? Wir merken

    es in der Einfahrt. Nach Eindampfen in die Vorspring und Rückwärtswegziehen will der Rudergänger

    von Rückwärtsfahrt auf Vorwärtsfahrt wechseln und kommt dabei den Schiffen in der nächsten Bo-

    Was will uns diese Tonne sagen? Ein “Geisterschiff“ im Nebel vor Brest

  • xengasse relativ nahe. Wir müssen richtig Gas geben, um uns freizufahren. Das Schlauchboot hat uns

    beobachtet, hätte sich wohl mit seinen 40 PS (todes)mutig dazwischen geworden. Offensichtlich

    haben sie schlechte Erfahrung mit Charterseglern gemacht in Roscoff und sie haben offenbar kräftig

    Strom in der Einfahrt.

    Hochwasser heißt, wir können eine Abkürzung zwischen der Ile de Batz und dem Festland nach Wes-

    ten nehmen. Wir fahren über Stellen, wo ein paar Stunden später wieder Muschelsucher zu Fuß spa-

    zieren gehen werden, die Seekarte ist an diesen Stellen grün. Wir kommen gut durch und sind wieder

    im freien Seeraum. Die Sicht ist weg. Auf die nächste Tonne fahren wir in Radarfahrt zu. Noch 100 m,

    nichts zu sehen, bei kleiner Fahrt sehen wir sie dann in ca. 50 m als Schatten und nehmen wieder

    unseren Kurs Richtung Westen auf. Radar ist natürlich besetzt. Außerdem geben wir Nebelsignal. Ein

    kleines französisches Anglerboot fährt hinter uns her und ruft an Bord, ob denn alles in Ordnung sei.

    Wir können ihn beruhigen. Er hat wohl das Notsignal (andauerndes Ertönen des Nebelhorns gilt als

    Notsignal) mit dem normalen Nebelsignal verwechselt (1 langer Ton mindestens alle 2 Minuten).

    Einem anderen Boot ohne AIS können wir ausweichen, weil wir es im Radar schon auf 1 Seemeile

    Abstand gut erkennen können. Wir biegen in den Chenal du Four an der Nordwestecke der Bretagne

    ein. Jetzt ist es nicht mehr weit bis in die Rade de Brest. Es wird noch einmal spannend, weil uns im

    engen Fahrwasser ein kleiner Traditionssegler auf Gegenkurs entgegenkommt, aber die Situation

    lässt sich rechtzeitig klären. Die Sicht wird besser und wir fahren nach Camaret sur Mer, einem klei-

    nen Sportboothafen am Ausgang der Bucht. Es ist Donnerstag und morgen sind es nur noch wenige

    Meilen nach Brest. Den Abend verbringen wir im Restaurant. Am nächsten Tag folgt noch ein Rund-

    gang durch das sehenswerte Camaret. Am Nachmittag geht es bei sehr schönem Wetter und klarer

    Sicht in unseren Endhafen, Marina du Chateaux in Brest. Die Crew kann sich gar nicht vom Segeln

    losreißen, am Ende muss ich ein Machtwort sprechen. Schließlich müssen wir das Schiff auch noch

    aufräumen, putzen und in Ordnung bringen. Wir laufen ein, tanken voll, in Brest eine etwas umständ-

    liche Prozedur, und kriegen mit etwas Glück auch noch eine Längsseits-Lücke an einem Steg, den es

    vor2 Jahren, als ich schon mal hier war, noch gar nicht gab.

    Abends kommt der Nachskipper Wilhelm an Bord und lässt sich unsere übrig gebliebenen Vorräte

    zeigen. Nachdem wir selten gekocht haben, ist relativ viel übrig geblieben. Aber er nimmt es gerne,

    braucht er doch am nächsten Vormittag nicht so viel einzukaufen. Manches, wie z.B. Dosensuppe

    oder Eintopf, ist Sturmvorrat und wird bei guten Verhältnissen vielleicht auch noch nächstes Jahr in

    New York an Bord sein. Der Abend klingt mit Teilen der Nachfolgecrew im Fischrestaurant aus. Mein

    Nachskipper ist Franke wie ich und obwohl wir uns vorher noch nicht gekannt haben, verstehen wir

    uns auf Anhieb gut.

    Am nächsten Tag ist „Klar Schiff“ und „Rein Schiff“ das Motto des Tages. Mit 7 Mann Besatzung ist

    das aber gut zu erledigen, es gibt genügend helfende Hände und Staubsaugerbeutel sind auch noch

    in ausreichender Zahl vorhanden. Die Crew hat das Gepäck am Steg und pünktlich um 15:00 kommt

    die neue Crew an Bord. Um die Schiffe spielt eine Gruppe von relativ großen Fischen. Ich versuche

    der Nachfolgecrew einzureden, ich hätte „Putzerfische“ für das Unterwasserschiff bestellt. Leider ist

    Wilhelm erfahrener Hochseeangler und glaubt meine Darstellung nicht. Meine Crew ist auf dem Weg

    ins Hotel und ich weise noch die Nachfolgecrew in die bestehenden kleinen Probleme ein und über-

    gebe dann das Kommando über ein seetüchtiges Schiff an meinen Nachfolger.

    Der Abend klingt im Relais d’Alsace direkt neben dem Hotel aus. In Brest wie auch sonst an der Küste

    kriegt man Muscheln und Austern und sonstige Meeresfrüchte in einer Frische und Qualität, von der

    wir hier tief im Festland nur träumen können. Am nächsten Tag steigen wir um 9 Uhr in den TGV und

  • fahren nach Paris. In Paris trennen sich unsere Wege, wir sind von verschiedenen Reisebüros beraten

    worden. Wilfried fährt über Basel und Johannes und ich über Straßburg. In Singen sitzen wir dann bis

    Überlingen wieder im gleichen Zug.

    Es war ein sehr schöner Törn. Ich danke meiner Crew für die seemännische Leistung. Wir haben gut

    harmoniert und ihr habt alle mit eurer Erfahrung so viel selbstständig gemacht, dass ich wirklich ent-

    lastet war. Ich hoffe, ich habe Gelegenheit, mit dem einen oder anderen von euch mal wieder zu

    fahren.

    Im Logbuch stehen am Ende 493 sm und 84 Stunden Fahrzeit, das sind etwa 5,9 Knoten im Durch-

    schnitt, allerdings waren davon 44 Stunden Motorbetrieb.

    Inzwischen sind 4 Wochen vergangen, meine Berichtspflichten als Probeskipper gegenüber der Skip-

    perpatentkommission und die normalen Berichtspflichten gegenüber dem Oberbootsmann habe ich

    schon weitgehend erfüllt. Dieser Törnbericht ist eher bereits Kür.

    Ich habe mit 3 Apparaten gefilmt und fotografiert, es sind ca. 30 GB Daten zusammengekommen und

    ca. 3000 Datensätze/Fotos. Das wird mich noch eine Weile beschäftigen. Ein Vortrag bei der SGÜ ist

    geplant. Wer sich dafür interessiert, schaut bitte ins Vereinsprogramm (sgue.org). Natürlich sind alle

    interessierten Gfs-ler auch herzlich eingeladen.

    Ansonsten beginne ich jetzt mit der Planung für BO17-05, Oban-Dublin. Am 08.07.2017 stehe ich an

    der westschottischen Küste. 4 Kojen habe ich noch frei.

    Peter, Skipper BR16-09, Falmouth-Brest, im August 2016