1
Männer und Putzen – ein Begriffspaar, das auf den ersten Blick nicht so recht zusammenzupassen scheint. Scheut Mann doch in der Regel jegliches Utensil, das Schmutz nur im Ent- ferntesten beseitigen könnte. Gilt doch für ihn nichts so un- maskulin als sich mit Putzlappen, Fensterleder oder Wischtuch in der Hand öffentlich zur Sauberkeit zu outen. Dachte ich zumindest. Umso erstaunter war ich, welch Anblick sich mir bei Mr. Wash bot, als ich nach einer Autowäsche in die obere Etage zur Staubsaugeranlage fuhr: Fußmatten, aus denen mit vereinter Kraft die letzten mikroskopisch kleinen Krümel her- ausgeschlagen werden. Blitzende Alu-Felgen, bei denen auch im hinterletzten Zwischenraum der Dreck keine Chance hat, weil der Besitzer ihn mit einer Art Interdentalbürstchen fein säuberlich herauspuhlt. Fensterscheiben, die Mann mit kon- zentriert kreisenden Wischbewegungen, unterbrochen von im- mer wieder prüfenden Blicken, auf Spiegelglanz herausputzt. Ich stand da und staunte. Hier halten Männer also die heim- liche Morgentoilette für ihr Alter Ego ab. Nach einer gründli- chen und lackschonenden Duscharie, bestehend aus Vorwäsche mit heißem Dampfstrahl, der an den bekannten Problemzonen (insbesondere Front und Heck) mit besonderer Sorgfalt reinigt, einer anschließenden Bearbeitung des Karosseriebodys mit weichem Textil und warmem Wasser sowie Heißluft-Trock- nung aus bis zu elf Luftkanälen, wird hingebungsvoll Intimpfle- ge mit extra saugstarken Düsen betrieben. Männer wissen, was Autos wollen. Egal ob Porsche-, Golf-, Mercedes-, Audi oder Opellenker, Jung oder Alt, schicker Anzugträger, Normalo in Jeans, Hängebauch über Bundfaltenhose oder Türkenbolide- fahrer – sie alle scheint eins zu einen: der Kult ums Blech. Manch Frau, die sich zum Thema Gleichberechtigung im Haushalt bereits den Mund fusselig geredet hat, wäre baff ange- sichts derart ausschweifender Reinigungsaktivitäten ihres Liebs- ten. Und vielleicht auch ein wenig eifersüchtig darauf wie Mann die Kurven seines Modells bearbeitet: behutsam, aufmerksam, respektvoll. In der Waschstraße wird es offensichtlich: Das Auto ist des Mannes bestes Stück. Ist es doch Ausdruck von „Ich bin wer“, „Ich kann mir was leisten“ und „Ich hab was drauf“, nämlich ne Menge PS unterm Hintern und Testosteron im Tank. Bekannt ist das deutsche Phänomen der Autoverehrung ja schon lange. Clevere Waschanlagen-Betreiber wie Mr. Wash haben die passenden Beautysalons dafür geschaffen. Denn es muss ge- pimpt werden, was geht – so auch des Mannes schillernde Rüs- tung für das nächste Überholmanöver im Straßenfeldzug oder für den Aufsehen erregenden Eroberungsfeldzug der Herzdame. Vielleicht aber auch, um einfach nur gut drauf zu sein in seinem Wohlfühlmobil. „Sauberes Auto, gute Laune“ lautet schließlich Mr. Wash’ Credo. Der Mercedes-Besitzer sah zumindest äußerst zufrieden aus, als sein Augenstern von Mr. Wash – gekleidet in weißer Schürze – mit einer pulsierenden Wachswienermaschine ver- wöhnt wurde. Wellness fürs Auto – Mr. Mercedes Benz gou- tierte diesen Service mit einem Dauergrinsen. War es Stolz ob solch geballter PS-Stärken? Oder das Gefühl, beim Anblick der Behandlung auch selbst in den Genuss einer Ganzkörper- massage zu gelangen? Ich konnte es nicht genau deuten. Ich dachte mir nur: meine Herren! Und fuhr meinen Fiat Punto, Jahrgang 1998, der lediglich seine längst fällige Dreck- und Staubentkrustung erhalten hatte, vom Gelände. SEIN BESTES STÜCK TEXT: MARIETTA DUSCHER-MIEHLICH FOTO: MARKUS BURKE MÄNNER 098 Nova NAHKONTAKT

Sein bestes Stück

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Wie Männer bei Mr. Wash Putzhöchstleistungen auffahren

Citation preview

Männer und Putzen – ein Begriffspaar, das auf den ersten Blick nicht so recht zusammenzupassen scheint. Scheut Mann doch in der Regel jegliches Utensil, das Schmutz nur im Ent-ferntesten beseitigen könnte. Gilt doch für ihn nichts so un-maskulin als sich mit Putzlappen, Fensterleder oder Wischtuch in der Hand öffentlich zur Sauberkeit zu outen. Dachte ich zumindest. Umso erstaunter war ich, welch Anblick sich mir bei Mr. Wash bot, als ich nach einer Autowäsche in die obere Etage zur Staubsaugeranlage fuhr: Fußmatten, aus denen mit vereinter Kraft die letzten mikroskopisch kleinen Krümel her-ausgeschlagen werden. Blitzende Alu-Felgen, bei denen auch im hinterletzten Zwischenraum der Dreck keine Chance hat, weil der Besitzer ihn mit einer Art Interdentalbürstchen fein säuberlich herauspuhlt. Fensterscheiben, die Mann mit kon-zentriert kreisenden Wischbewegungen, unterbrochen von im-mer wieder prüfenden Blicken, auf Spiegelglanz herausputzt.

Ich stand da und staunte. Hier halten Männer also die heim-liche Morgentoilette für ihr Alter Ego ab. Nach einer gründli-chen und lackschonenden Duscharie, bestehend aus Vorwäsche mit heißem Dampfstrahl, der an den bekannten Problemzonen (insbesondere Front und Heck) mit besonderer Sorgfalt reinigt, einer anschließenden Bearbeitung des Karosseriebodys mit weichem Textil und warmem Wasser sowie Heißluft-Trock-nung aus bis zu elf Luftkanälen, wird hingebungsvoll Intimpfle-ge mit extra saugstarken Düsen betrieben. Männer wissen, was Autos wollen. Egal ob Porsche-, Golf-, Mercedes-, Audi oder Opellenker, Jung oder Alt, schicker Anzugträger, Normalo in Jeans, Hängebauch über Bundfaltenhose oder Türkenbolide-fahrer – sie alle scheint eins zu einen: der Kult ums Blech.

Manch Frau, die sich zum Thema Gleichberechtigung im Haushalt bereits den Mund fusselig geredet hat, wäre baff ange-sichts derart ausschweifender Reinigungsaktivitäten ihres Liebs-ten. Und vielleicht auch ein wenig eifersüchtig darauf wie Mann die Kurven seines Modells bearbeitet: behutsam, aufmerksam, respektvoll. In der Waschstraße wird es offensichtlich: Das Auto ist des Mannes bestes Stück. Ist es doch Ausdruck von „Ich bin wer“, „Ich kann mir was leisten“ und „Ich hab was drauf“, nämlich ne Menge PS unterm Hintern und Testosteron im Tank. Bekannt ist das deutsche Phänomen der Autoverehrung ja schon lange. Clevere Waschanlagen-Betreiber wie Mr. Wash haben die passenden Beautysalons dafür geschaffen. Denn es muss ge-pimpt werden, was geht – so auch des Mannes schillernde Rüs-tung für das nächste Überholmanöver im Straßenfeldzug oder für den Aufsehen erregenden Eroberungsfeldzug der Herzdame. Vielleicht aber auch, um einfach nur gut drauf zu sein in seinem Wohlfühlmobil. „Sauberes Auto, gute Laune“ lautet schließlich Mr. Wash’ Credo.

Der Mercedes-Besitzer sah zumindest äußerst zufrieden aus, als sein Augenstern von Mr. Wash – gekleidet in weißer Schürze – mit einer pulsierenden Wachswienermaschine ver-wöhnt wurde. Wellness fürs Auto – Mr. Mercedes Benz gou-tierte diesen Service mit einem Dauergrinsen. War es Stolz ob solch geballter PS-Stärken? Oder das Gefühl, beim Anblick der Behandlung auch selbst in den Genuss einer Ganzkörper-massage zu gelangen? Ich konnte es nicht genau deuten. Ich dachte mir nur: meine Herren! Und fuhr meinen Fiat Punto, Jahrgang 1998, der lediglich seine längst fällige Dreck- und Staubentkrustung erhalten hatte, vom Gelände.

SEIN BESTES STÜCK

TEX

T: M

AR

IET

TA D

USC

HER

-MIE

HLI

CH

FO

TO: M

AR

KU

S B

UR

KE

MÄNNER

098 Nova NAHKONTAKT