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Nephrologe 2012 · 7:38–39 DOI 10.1007/s11560-011-0589-4 Online publiziert: 11. Januar 2012 © Springer-Verlag 2012 F. Michel · A. Walter Kassenärztliche Bundesvereinigung, Berlin Sekundäre Prävention  bei fortgeschrittener  Niereninsuffizienz Einfluss von Qualitätssicherungsmaß- nahmen und Bundesmantelverträgen Dialyseversorgung nach Anlage 9.1 der Bundesmantelverträge Die Versorgung chronisch niereninsuffi- zienter Patienten ist im Bereich der Ge- setzlichen Krankenversicherung seit dem 1. Juli 2002 durch die Anlage 9.1 zu den Bundesmantelverträgen 1 umfassend und einheitlich geregelt. Weiterhin gelten spe- zielle Anforderungen an die Durchfüh- rung und Abrechnung von Blutreini- gungsverfahren (insb. bzgl. der fachlichen Qualifikation der Ärzte und der Organisa- tion der Dialyseversorgung) entsprechend der Qualitätssicherungsvereinbarung zu den Blutreinigungsverfahren gemäß § 135 Absatz 2 SGB V 2 . Die Bundesmantelver- träge und die Qualitätssicherungsverein- barung werden durch die Kassenärztli- che Bundesvereinigung (KBV) und den GKV-Spitzenverband der Krankenkassen verhandelt und abgeschlossen. Versorgungsauftrag Dialyse Die Dialyseversorgung nach den Vorga- ben der Anlage 9.1 umfasst die ärztliche Behandlung und Betreuung genau defi- nierter Patientengruppen, wofür ein be- 1   http://www.kbv.de/rechtsquellen/2293.html  (Soweit nicht anders angegeben, beziehen sich  alle Paragraphenangaben auf die Anlage 9.1  BMV) 2   http://www.kbv.de/rechtsquellen/2505.html stimmter, am Stadium der Erkrankung orientierter Versorgungsauftrag festge- legt wird. So kann z. B. ein Versorgungs- auftrag übernommen werden für die nephrologische Betreuung von dialyse- pflichtigen Patienten (akut, akut rezidivie- rend oder chronisch niereninsuffizient) und von Patienten in Krankheitsstadien, welche einer sofortigen Nierenersatzthe- rapie bedürfen (z. B. Intoxikationen, kar- diale Dekompensation). Besonderer Versorgungsauftrag zur Vorbeugung einer chronischen Niereninsuffizienz Zusätzlich umfasst die Dialyseversor- gung nach der Anlage 9.1 auch ärztli- che Maßnahmen zur Vorbeugung einer terminalen/chronischen Niereninsuffi- zienz. Hierfür kann ein besonderer Ver- sorgungsauftrag nach § 3 Abs. 3c über- nommen werden. Dieser besondere Ver- sorgungsauftrag bezieht sich auf Patien- ten mit nephritischem/nephrotischem Syndrom und auf Patienten mit angebo- rener und/oder chronisch progredien- ter Nierenerkrankung. Ziel bei dieser Pa- tientengruppe ist die zeitgerechte Einlei- tung einer sog. konsiliarischen Koopera- tion zwischen dem behandelnden (Haus-) Arzt und einem nephrologisch qualifizier- ten Facharzt. Im Sinne einer „Sekundär- prävention“ sollen an dieser Schnittstel- le also Patienten identifiziert werden, die ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung einer chronisch fortschreitenden Nierenerkran- kung haben und damit der nephrologi- schen Mitbehandlung bedürfen. So soll ein terminales Nierenversagen verhin- dert oder zumindest möglichst lange hin- ausgezögert werden. Gleichzeitig kann der Übergang zur Dialyse langfristig und für den Patienten besonders schonend vorbe- reitet werden. Konsiliarische Kooperation Im Jahr 2009 wurde die konsiliarische Kooperation in Zusammenarbeit mit der Fachgesellschaft und den nephrologi- schen Berufsverbänden hinsichtlich der Definition der betroffenen Patientengrup- pen sowie der Ausgestaltung der ärztli- chen Maßnahmen zur Vorbeugung einer terminalen Niereninsuffizienz konkreti- siert. Mit Wirkung zum 1. Juli 2009 wur- de die Anlage 9.1 eigens um einen speziel- len Teil „Konsiliarische Kooperation“ er- gänzt 3 . Demnach ist die konsiliarische Koope- ration – und damit die Erstvorstellung beim Nephrologen – zeitgerecht einzu- leiten bei Patienten mit bestimmten Vor- erkrankungen (z. B. arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ I und Typ II), wenn 3   Anhang 9.1.6: Konsiliarische Kooperation  nach § 3 Abs. 1, erster Spiegelstrich der Anlage  9.1 Bundesmantelvertrag Redaktion H. Haller, Hannover W. Kleophas, Düsseldorf 38 | Der Nephrologe 1 · 2012 Leitthema

Sekundäre Prävention bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz

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Page 1: Sekundäre Prävention bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz

Nephrologe 2012 · 7:38–39DOI 10.1007/s11560-011-0589-4Online publiziert: 11. Januar 2012© Springer-Verlag 2012

F. Michel · A. WalterKassenärztliche Bundesvereinigung, Berlin

Sekundäre Prävention bei fortgeschrittener NiereninsuffizienzEinfluss von Qualitätssicherungsmaß-nahmen und Bundesmantelverträgen

Dialyseversorgung nach Anlage 9.1 der Bundesmantelverträge

Die Versorgung chronisch niereninsuffi-zienter Patienten ist im Bereich der Ge-setzlichen Krankenversicherung seit dem 1. Juli 2002 durch die Anlage 9.1 zu den Bundesmantelverträgen1 umfassend und einheitlich geregelt. Weiterhin gelten spe-zielle Anforderungen an die Durchfüh-rung und Abrechnung von Blutreini-gungsverfahren (insb. bzgl. der fachlichen Qualifikation der Ärzte und der Organisa-tion der Dialyseversorgung) entsprechend der Qualitätssicherungsvereinbarung zu den Blutreinigungsverfahren gemäß § 135 Absatz 2 SGB V2. Die Bundesmantelver-träge und die Qualitätssicherungsverein-barung werden durch die Kassenärztli-che Bundesvereinigung (KBV) und den GKV-Spitzenverband der Krankenkassen verhandelt und abgeschlossen.

Versorgungsauftrag Dialyse

Die Dialyseversorgung nach den Vorga-ben der Anlage 9.1 umfasst die ärztliche Behandlung und Betreuung genau defi-nierter Patientengruppen, wofür ein be-

1   http://www.kbv.de/rechtsquellen/2293.html (Soweit nicht anders angegeben, beziehen sich alle Paragraphenangaben auf die Anlage 9.1 BMV)2   http://www.kbv.de/rechtsquellen/2505.html

stimmter, am Stadium der Erkrankung orientierter Versorgungsauftrag festge-legt wird. So kann z. B. ein Versorgungs-auftrag übernommen werden für die nephrologische Betreuung von dialyse-pflichtigen Patienten (akut, akut rezidivie-rend oder chronisch niereninsuffizient) und von Patienten in Krankheitsstadien, welche einer sofortigen Nierenersatzthe-rapie bedürfen (z. B. Intoxikationen, kar-diale Dekompensation).

Besonderer Versorgungsauftrag zur Vorbeugung einer chronischen Niereninsuffizienz

Zusätzlich umfasst die Dialyseversor-gung nach der Anlage 9.1 auch ärztli-che Maßnahmen zur Vorbeugung einer terminalen/chronischen Niereninsuffi-zienz. Hierfür kann ein besonderer Ver-sorgungsauftrag nach § 3 Abs. 3c über-nommen werden. Dieser besondere Ver-sorgungsauftrag bezieht sich auf Patien-ten mit ne phritischem/nephrotischem Syndrom und auf Patienten mit angebo-rener und/oder chronisch progredien-ter Nierenerkrankung. Ziel bei dieser Pa-tientengruppe ist die zeitgerechte Einlei-tung einer sog. konsiliarischen Koopera-tion zwischen dem behandelnden (Haus-)Arzt und einem nephrologisch qualifizier-ten Facharzt. Im Sinne einer „Sekundär-prävention“ sollen an dieser Schnittstel-le also Patienten identifiziert werden, die

ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung einer chronisch fortschreitenden Nierenerkran-kung haben und damit der nephrologi-schen Mitbehandlung bedürfen. So soll ein terminales Nierenversagen verhin-dert oder zumindest möglichst lange hin-ausgezögert werden. Gleichzeitig kann der Übergang zur Dialyse langfristig und für den Patienten besonders schonend vorbe-reitet werden.

Konsiliarische Kooperation

Im Jahr 2009 wurde die konsiliarische Kooperation in Zusammenarbeit mit der Fachgesellschaft und den nephrologi-schen Berufsverbänden hinsichtlich der Definition der betroffenen Patientengrup-pen sowie der Ausgestaltung der ärztli-chen Maßnahmen zur Vorbeugung einer terminalen Niereninsuffizienz konkreti-siert. Mit Wirkung zum 1. Juli 2009 wur-de die Anlage 9.1 eigens um einen speziel-len Teil „Konsiliarische Kooperation“ er-gänzt3.

Demnach ist die konsiliarische Koope-ration – und damit die Erstvorstellung beim Nephrologen – zeitgerecht einzu-leiten bei Patienten mit bestimmten Vor-erkrankungen (z. B. arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ I und Typ II), wenn

3   Anhang 9.1.6: Konsiliarische Kooperation nach § 3 Abs. 1, erster Spiegelstrich der Anlage 9.1 Bundesmantelvertrag

RedaktionH. Haller, HannoverW. Kleophas, Düsseldorf

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Leitthema

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die glomeruläre Filtrationsrate (GFR), abgeschätzt mit Hilfe der MDRD-For-mel aus dem Serumkreatinin, über 60 ml/min beim Erwachsenen beträgt. Sie ist auch einzuleiten bei Vorliegen eines posi-tiven Befundes z. B. hinsichtlich Protein-urie oder Mikroalbuminurie, Mikro- oder Makrohämaturie, Erythrozyturie oder ar-teriellem Bluthochdruck. Wann genau ein positiver Befund vorliegt, ist im Anhang 9.1.6 genau definiert und festgelegt4.

Die konsiliarische Kooperation nach den Vorgaben der Anlage 9.1 beschreibt weiterhin wichtige Aufgaben des behan-delnden (Haus-)Arztes und des nephro-logisch tätigen Arztes. So soll die Erstvor-stellung bzw. die Überweisung des Patien-ten beim Nephrologen stets mit der Do-kumentation der oben genannten Unter-suchungsparameter erfolgen. Hausarzt und Nephrologe sollen bei der Ausgestal-tung des Therapieplans, bei der Durch-führung der weiteren Therapie und von Kontrolluntersuchungen sowie bei der Vereinbarung von Wiedervorstellungs-intervallen koordiniert zusammenarbei-ten. Vom Hausarzt sollen im weiteren Verlauf der konsiliarischen Kooperation die Diagnose von Nierenerkrankungen, der Verlauf der Nierenparameter, die De-finition des nephrologischen Risikoprofils, Besonderheiten der Diagnostik und The-rapie sowie Warnhinweise (z. B. bzgl. Me-dikation) dokumentiert werden.

Fazit für die Praxis

FDie im Anhang 9.1.6 „Konsiliarische Kooperation“ der Anlage 9.1 der Bun-desmantelverträge definierten Risi-kogruppen und Risikomerkmale so-wie die Ausgestaltung der ärztlichen Maßnahmen können einen wichtigen Beitrag hinsichtlich der sekundären Prävention bei fortgeschrittener Nie-reninsuffizienz leisten.

FEiner möglichst frühen Erfassung be-stimmter Risiken, die nachweislich mit einer fortschreitenden Schädi-gung der Nieren einhergehen, kommt eine zentrale Bedeutung bei der Ver-besserung der Versorgung von Pa-

4   Vgl. dazu Absatz 1, Anhang 9.1.6 der Anlage 9.1 BMV

tienten im Frühstadium von nephro-logischen Erkrankungen zu.

FHierzu bedarf es insbesondere einer intensiven und koordinierten Zusam-menarbeit zwischen dem Hausarzt und dem Nephrologen.

Korrespondenzadresse

F. MichelKassenärztliche Bundes-vereinigungHerbert-Lewin-Platz 2, 10623 [email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Zusammenfassung · Abstract

Nephrologe 2012 · 7:38–39   DOI 10.1007/s11560-011-0589-4© Springer-Verlag 2012

F. Michel · A. Walter

Die Dialyseversorgung im Rahmen der Ge-setzlichen Krankenversicherung umfasst auch ärztliche Maßnahmen zur Vorbeugung einer terminalen bzw. chronischen Nieren-insuffizienz. Bei Patienten, die ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung einer chronisch fort-schreitenden Nierenerkrankung haben, soll durch eine sog. konsiliarische Kooperation zwischen behandelndem (Haus-)Arzt und einem nephrologisch qualifizierten Fach-arzt ein terminales Nierenversagen verhin-dert oder zumindest möglichst lange hinaus-

gezögert werden. In den Bundesmantelver-trägen konnte die Definition der betroffenen Patientengruppen sowie der Ausgestaltung der ärztlichen Maßnahmen zur Vorbeugung einer terminalen Niereninsuffizienz konkreti-siert werden.

SchlüsselwörterDialyse · Bundesmantelverträge · Versor-gungsauftrag · Kooperation · Kassenärztliche Bundesvereinigung

Secondary prevention in advanced renal failure. Influence of quality assurance measures and the Federal covering agreement

AbstractDialysis treatment within the framework of the statutory healthcare insurance also en-compasses medical measures for preven-tion of terminal or chronic renal failure. In patients who have an increased risk for de-velopment of chronic progressive renal dis-ease, terminal renal failure can be avoided or at least delayed for as long as possible by a so-called consultative cooperation between the treating (general) physician and a qual-ified nephrologist. In the Federal covering 

agreement the definition of affected patient groups and the structuring of medical mea-sures for prevention of terminal renal failure could be specified.

KeywordsDialysis · Federal covering agreement ·  Healthcare contract · Cooperation ·  National Association of Statutory Health Insurance Physicians

39Der Nephrologe 1 · 2012  | 

Sekundäre Prävention bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz. Einfluss von Qualitätssicherungsmaßnahmen und BundesmantelverträgenZusammenfassung