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1 Mobiles Arbeiten Selbstbestimmter den Arbeitstag gestalten – die Chancen digitaler Arbeitsabläufe für die Beschäftigten nutzen!

Selbstbestimmter den Arbeitstag gestalten – die Chancen ... · mobiles Arbeiten Der Daimler-Weg Bei Daimler wird in vier Phasen eine innovative Vereinbarung für „mobiles Arbeiten“

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BezirkBaden-Württemberg

„ M o b i l e s A r b e i t e n “S e l b s t b e s t i m m t e r d e n A r b e i t s t a g g e s t a l t e n –

d i e C h a n c e n d i g i t a l e r A r b e i t s a b l ä u f e

f ü r d i e B e s c h ä f t i g t e n n u t z e n !

21:3021:308:008:0021:308:008:0012:0012:0021:30

12:0012:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:0020:00

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20:0020:00

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Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Offene Debatte über Chancen und Risiken mobiler Arbeit . . . . . 5

Kollektive Regelungen zu mobiler Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Mögliche Konflikte bei der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Grundsätze zur Gestaltung mobiler Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Beispiele aus der Praxis:

Der Daimler-Weg: Umfassende Beteiligung der Beschäftigten . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Betriebsvereinbarung bei Bosch:Anderer Ort, gleiche Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Regelung zur Mobilarbeit bei BMW:Flexibel arbeiten, bewusst abschalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

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Die Dig it al is ierung der Fabriken und

Büros ermöglicht es uns, Arbeit und

Arbeitsbeding ungen neu und anders

zu gest alten. Die IG Met al l ist

entschlossen, diese Chance im In-

teresse der Beschäft igten zu nutzen

und den rasanten technolog ischen

For tschritt damit in gesel lschaft l i-

chen For tschritt zu wandeln.

Am Beispiel mobilen Arbeitens

wird dieser Anspruch konk ret :

Smar tphones, Notebooks und die

Mögl ichkeit , s ich von jedem Or t mit

Internet-Verbindung in Firmennetze

einzuwählen, machen heute or ts-

und zeitf lexibles Arbeiten möglich.

Wir wollen, dass die Beschäft igten

dies für eine selbstbestimmte

Gest altung ihres Arbeitst ag s nutzen

können.

Neue Lebenskonzepte und gesel l-

schaft l iche Aufgabenstel lungen

– wie zum Beispiel die Pflege von

Angehörigen – lassen die Bedürfnis-

se der Menschen immer dringl icher

werden, berufl iches und privates

Leben g ut vereinbaren zu können.

Gleichzeit ig geht hohe Verant wor t-

l ichkeit im Beruf oft damit einher,

dass Beschäft igte selbstbewusst

ihre Ansprüche formulieren, Ent-

scheidung shoheit über ihre Arbeits-

und Lebenszeit zurück zugewinnen.

Dem sol l entsprochen werden – zu

fairen Beding ungen. Denn in den

technischen Möglichkeiten stecken

auch Risiken. Wer überal l arbeiten

kann, ist auch st ändig erreichbar.

Wer Berufl iches und Privates mit-

tels Technik vereinbar t , er lebt auch,

dass die Grenzen z wischen beiden

Lebenswelten verschwimmen.

Wenn individuel le Zeitf lexibi l i t ät

mögl ich ist , erheben die Unterneh-

men den Anspruch, ihre F lexibi-

l i t ätsinteressen durchzusetzen.

Fragen nach Arbeits- , Gesundheits-

und Datenschutz stel len sich neu

und müssen zeitgemäß beant wor tet

werden. Not wendiger Schutz darf

nicht als Bevormundung empfunden

werden – in diesem Spannung sfeld

g i lt es, kol lektive Regelungen zu

f inden, die der individuel len Freiheit

und Sicherheit einen Rahmen

geben. Das ist keine tr iviale Aufgabe

und wer wäre bei der Erarbeitung

von innovativen und bedarfsorien-

t ier ten Lösung swegen ein besserer

Ansprechpar tner als die Beschäft ig-

ten selbst?

Mit dieser Broschüre stel len wir

Fragen vor, die mobile Arbeit auf-

wirft , aber auch Leit l inien zu ihrer

Beant wor tung und g ute Praxis-Bei-

spiele für kol lektive Regelungen und

Betei l ig ung sprozesse. Und es kom-

men mobil arbeitende Menschen

zu Wor t , die von ihren Erfahrungen

und Er war tungen berichten. Damit

leistet s ie auch einen Beitrag zur

Gest altung g uter „ Arbeit 4 .0“.

Es ist Aufgabe der Gewerkschaften,

technologischen Fortschri tt in Verbesserung

der Arbei tsbedingungen und in gesellschaftlichen

Fortschri tt zu wandeln.

Jörg Hofmann

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Wie Menschen arbei ten , veränder t sich in Zei-

ten der Dig it alisierung rasant : Viele Tätigkeiten sind nicht mehr unbedingt

an einen bestimmten Or t gebunden, Datennetz werke und mobile Geräte

erlauben Zug riffe von fast überall her. Gleichzeitig haben Beschäftigte

neue Anforderungen an ihre Arbeitsbeding ungen entwickelt .

Arbeit jenseits eines st ationären Arbeitsplatzes im Betrieb gab es auch in

der Vergangenheit – beispielsweise in Form von Ser vice-, Mont age- und

Beratung stätigkeiten beim Kunden oder im „Home- Office“ bis hin zu pre-

kärer Heimarbeit . Das aktuelle Stichwor t „ Mobiles Arbeiten“ ist etwas

ungenau – t atsächlich wird zum Beispiel im Zug , im F lughafen oder in ei-

nem anderen Werk gearbeitet , oft aber geht es um Arbeit zuhause. Da der

Beg riff sich jedoch als Überschrift für die aktuellen Möglichkeiten läng st

durchgesetzt hat , ver wenden ihn hier ebenfalls und befassen uns mit den

wichtigen Fragen:

Wie können Lebensqualität und betriebliche Anforderungen in Einklang

gebracht werden, wie können dabei entstehende Konflikte gelöst werden?

Was ist durch kollektive Vereinbarungen zu steuern, welchen Spielraum

muss es für individuelle Vereinbarungen geben?

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Viele Beschäft igte erhoffen sich von den Arbeitsmöglich-

keiten außerhalb des Betr iebs Vor tei le. So äußer te jeder

z weite Beschäft igte außerhalb von Produktionsberei-

chen in der g roßen Beschäft igtenbefrag ung der IG Met al l

von 2013 den Wunsch, auch mal tei lweise von zuhause

aus zu arbeiten. Auch in produktionsnahen Bereichen

wachsen entsprechende Bedürfnisse mit den techni-

schen Möglichkeiten.

Unternehmen, deren Beschäft igte über unterschiedl iche

Zeitzonen hinweg zusammenarbeiten beziehung sweise

Zul ieferer- und Kundenkont akte pf legen, fordern bereits

heute hohe Or t- und Zeitf lexibi l i t ät . Die Dig it al is ierung

macht dies mögl ich.

Für die Beschäft igten können st ändige Erreichbarkeit

und Verfügbarkeit Arbeit und Arbeitszeit entg renzen

und steigende Belastungen mit s ich bringen. Bereits seit

einiger Zeit arbeiten viele schleichend mehr und mehr

– auch unentgelt l ich – unter weg s oder zuhause (weiter).

Die Konsequenz aus dieser Ent wicklung : Mobiles Arbei-

ten muss fair geregelt werden.

Die IG  Met al l führ t eine offene Debatte zu diesen Fragen und wil l

mit den betroffenen Beschäft igten Lösung smöglichkeiten dafür er-

arbeiten. Hier einige Grundeinschätzungen:

M ö g l i ch e Vor te i l e m o bi l er A r b ei t :

• L ange Fahr tzeiten zum Arbeitsplatz entfal len.

• Er werbsarbeit und Privatleben harmonieren besser.

• g rößere Gest altung sspielräume für die Beschäft igten

• Mehr Zeitsouveränit ät entsteht .

• ungestör teres Arbeiten

M ö g l i ch e N a ch tei l e m o bi l er A r b ei t :

• st ändige Verfügbarkeit und Erreichbarkeit

• Stress und Gesundheitsbelastungen durch einen dauernden

„ St and-by- Modus“

• Verlust kol leg ialer Al lt ag skont akte

• weniger Kont akt zu Betriebsräten und gewerkschaft l ichen

Ver trauensleuten

• Ang st et was zu verpassen oder bei der Auswahl zu Weiterbi l-

dung , spannenden Projekt aufgaben oder Aufstieg smöglichkei-

ten „übersehen“ zu werden

• Persönl ich f lexible Arbeitssituationen verleiten dazu, indivi-

duel l ausgehandelt zu werden – dabei fehlen oft Know-How

und Unterstützung , die in gemeinschaft l ichen Regelungen die

Interessen der Beschäft igten st ärken.

„Wir müssen reden...“

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Um die Chancen zu real is ieren, die in mobiler Arbeit für

die Beschäft igten l iegen, und gleichzeit ig die Risiken ein-

zudämmen, ist gewerkschaft l iche Gest altung not wendig .

Eine posit ive individuel le Selbstbestimmung über den

eigenen Arbeitst ag kann ohne einen kol lektiven Rahmen

nicht gel ingen. Dieser muss sowohl rechtl iche Ansprüche

als auch Schutz vor st ändiger Verfügbarkeit s ichern.

Z i e l e ko l l e k t i v er Reg e l u n g e n

Mobile Arbeit muss als reg uläre Arbeit definier t werden,

die durch den Arbeitsver trag geregelt ist . Sie darf nicht

zusätzl ich und unentgelt l ich st attf inden. Das ist der eine

wichtige gewerkschaft l iche Ansatz zu diesem Thema .

Der andere: Mobile Arbeit darf nicht bedeuten, dass der

Beschäft igte st ändig erreichbar sein muss. Jenseits der

reg ulären Arbeit hat man das Recht auf freie Verfüg ung

über seine Zeit .

Kollektive Regelungen

zu mobiler Arbeit

dienen dazu,

• abzusichern, dass mobiles Arbeiten nur frei-

wil l ig st attf indet .

• die Entg renzung von Arbeit und den Verfal l

geleisteter Arbeitszeit einzudämmen, indem

auch die Arbeit außerhalb des Betr iebes als

reg uläre Arbeit anerkannt , erfasst und vergü-

tet wird.

• für die Beschäft igten eine verbindl iche Basis

für mehr Zeit autonomie zu schaffen, verbun-

den mit einem Anrecht auf mobiles Arbeiten

– vorausgesetzt , dass die Arbeitsaufgabe das

möglich macht .

• zu verankern, dass geltende Schutzrechte

(unter anderem für Arbeitsschutz und Unfal l-

schutz) und geltende Gesetze auch bei mobi-

ler Arbeit angewandt werden.

• abzusichern, dass Arbeitszeiten auch bei mo -

bi ler Arbeit gesundheitsförderl ich gest altet

werden – auch mit Bl ick auf die persönl iche

gesundheit l iche Situation des oder der be-

troffenen Beschäft igten.

• dass Datenschutz- und haftung srechtl iche

Fragen geklär t werden.

Diese Themen g ilt es bei der Gest altung

mobiler Arbeit aufzugreifen.

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N e ue Fra g este l l u n g e n

Die neuen Möglichkeiten, den eigenen Arbeitst ag zu ge-

st alten, werfen neue Fragen auf. So kann es zu Konfl ikten

mit gült igen Regelungen kommen, die es zu lösen g i lt .

Das können sein:

• Ein Konfl ikt mit dem Arbeitszeitgesetz bei Mindest-

ruhezeiten: Beispielsweise, wenn der Beschäft igte

selbst entschieden hat , Arbeit nach 22 Uhr zu er-

bringen. Der Mindestruhezeitraum von 11 Stunden

kann dann oft nicht eingehalten werden. Das ist auch

problematisch, wenn es sich „nur“ um das Lesen von

E- Mails handelt ,

• Ein Konfl ikt mit dem Mitbestimmung srecht des Be-

tr iebsrats bei L age und Ver tei lung von Arbeitszeit .

Wie kann die Arbeitszeit bei mobiler Arbeit dok u-

mentier t werden? Gibt der Betr iebsrat seine Mitbe-

stimmung bei Mehrarbeit auf, wenn der Beschäft igte

länger arbeitet als geplant?

• Betrachten die Beschäft igten die Regelungen von

Kernarbeitszeiten und Gleitzeitrahmen als Einschrän-

k ung ihrer persönl ichen Freiheit?

• Welche Regelungen gelten im Einzelfal l , wenn Be-

schäft igte aus eigenem Interesse am Samst ag bezie-

hung sweise am Wochenende arbeiten wollen – wo

sind Weiterent wicklungen dieser Regelungen sinn-

vol l?

• Wie verhält es s ich beispielsweise mit den t ar if ver-

tragl ich geregelten Zuschlägen, wenn der Beschäft ig-

te aus freier Entscheidung anst att t ag süber am Abend

arbeitet? Und wie verhält es s ich mit den Zuschlägen,

wenn das Unternehmen verlangt , am Abend an einer

Telefonkonferenz tei lzunehmen?

• Ist bei mobilem Arbeiten im Zusammenhang mit dem

Arbeitsschutzgesetz und der Bi ldschirmverordnung

die Ergonomie des Arbeitsplatzes nur dadurch sicher-

zustel len, dass der Beschäft igte als Akteur selbst die

St andards berücksichtigt und die Schutzrechte ein-

hält?

Diese und weitere Fragen g i lt es im Aust ausch mit den

Beschäft igten zu beant wor ten. Nur so können Lösungen

gefunden werden, die in der Praxis st andhalten, und die

dem eingang s benannten Anspruch fairer Spielregeln für

mobile Arbeit genügen. Bereits heute lassen sich al ler-

ding s auf der Basis bisheriger Erfahrungen einige wichti-

ge Gest altung sg rundsätze festhalten.

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G est a l tu n g s g ru n d sä t z e m o bi l er A r b ei t

So unterschiedl ich wie die Unternehmensk ulturen und

die Auspräg ungen mobiler Arbeit s ind, so verschie-

den und vielfält ig werden die Regelungen sein müssen.

Gleichwohl g ibt es gemeinsame Gest altung sg rundsätze,

an denen sich Regelungen ausrichten sol lten, damit die

Interessen der Beschäft igten gewahr t bleiben:

• In jedem Fal l s ind die Beschäft igten bereits im Vorfeld

und bei der Ausgest altung der Vereinbarungen zu be-

tei l igen.

• Geleistete Arbeitszeit ist unabhäng ig von der Form

ihrer Erbring ung (onl ine bis hin zum Aktenstudium

zu Hause) und unabhäng ig vom Or t ihrer Erbring ung

(zu Hause oder unter weg s) zu erfassen und zu vergü-

ten, in Form von Zeit ausgleich und/oder Entgelt . Bei

mobiler Arbeit ist dabei die Ar t der Zeiterfassung zu

vereinbaren.

• Die Voraussetzungen für mobile Arbeit und das Recht

auf Tei lnahme an mobiler Arbeit ist zu definieren und

das Prinzip der Freiwil l igkeit ist zu verankern.

• Betr iebl iche Regelungen zu mobiler Arbeit s ind auf

der Grundlage von ( Ergänzung s-)Tarif ver trägen abzu-

schl ießen, da Fragen der Arbeitszeit berühr t werden.

Neben den ergänzenden t arif l ichen und betr iebl ichen

Bestimmungen sind – jenseits der Disk ussion über deren

not wendige Weiterent wicklung – die jeweils geltenden

gesetzl ichen, t ar i f l ichen und betr iebl ichen Regelungen

zu beachten :

• Festleg ung der L age der regelmäßigen Arbeitszeit :

Vorschlag von Mont ag bis Freit ag und, als Ausnah-

me auf freiwil l iger Basis, auch darüber am Samst ag

– aber nur, wenn an einem anderen Wochent ag dafür

nicht gearbeitet wird.

• Im Rahmen der gegebenenfal ls er weiter ten t ar if-

l ichen und betr iebl ichen Arbeitszeitg renzen muss

Arbeitszeit für die Beschäft igten planbar und auch

nach ihren eigenen Interessen und Bedürfnissen be-

einflussbar und gest altbar sein.

• Die Anwendung des Arbeits- und Gesundheitsschut-

zes, die Gewährleistung des betr iebl ichen Daten-

schutzes und Fragen der Haftung beziehung sweise

Haftung sbeschränk ung müssen geregelt werden.

• Beschwerderechte und Konfl ikt lösung smechanismen

• Fachk undige Begleitung von Beschäft igten und Füh-

rung sk räften

Wie diese benannten Gest altung sg rundsätze und wei-

tere Punkte in vorl iegenden betr iebl ichen Regelungen

( Beispiele Bosch, BMW, Ford, IBM) und einem Ergän-

zung st arif ver trag ( Beispiel Bosch) bereits umgesetzt

wurden, ist in dieser Broschüre im Weiteren dargestel lt .

„Der Daimler-Weg“ zeigt , wie intensive Betei l ig ung der

Beschäft igten organisier t werden kann.

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„Mobi larbei t verschafft mir

die nötige Ruhe.“Kasimir Lalla, Prozessmanager

für die Redaktion von Bedienungsanlei tungen bei BMW

Im Normalfal l arbeitet Kasimir

L al la an einem Tag in der Woche

von zuhause aus. Dor t kann er

Unterlagen ungestör t prüfen und

Herstel lung spläne durchdenken.

Er muss die Arbeit von bis zu 17

internen und externen Beschäf-

t igten koordinieren und legt Wer t

darauf, dass viele Kont akte auch

persönl ich st attf inden.

„Neue Arbei tsformensind jetzt möglich.“Tania Wagner, Audi torin für interne Abläufe bei Bosch

Die Diplomingenieurin nutzt gerne die

Mögl ichkeit , s ich zuhause konzent-

r ier t in Themen einzuarbeiten oder

Material auszuwer ten. Teambespre-

chungen und natürl ich die Arbeit

mit den zu betreuenden Abtei lungen

bedeuten dagegen stets Einsatz vor

Or t .

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„Beide Sei tenhaben große

Vortei le.“Christina Birkle, Tei lprojektlei terin Direkteinspri tzpumpen bei Bosch

„Mobi larbei t bringt doppelte Verantwortung.“Claudia Conrad, Sachbearbei terin Ersatztei le

An ein bis z wei Tagen der Woche ar-

beitet die gelernte Spedit ionskauffrau

von zuhause aus. Sie genießt die

Mögl ichkeit , konzentrier t zu arbeiten,

dass sie Weg strecken spar t und die

Dinge des Al lt ag s auf diese Weise

g ut mit der Arbeit koordinieren kann.

Ihrer Erfahrung nach übernimmt man

bei Mobiler Arbeit Verant wor tung

gegenüber dem Unternehmen – aber

auch gegenüber der eigenen Gesund-

heit .

Die Ingenieurin betreut bei Bosch in Schwieberdingen bei Stuttgar t unter

anderem den Kunden Peugeot in Sachen Benzin-Direkteinspritzpumpen.

Als Mutter von Kindern im Vorschul- und Schulalter arbeitet s ie in Tei lzeit

an drei Tagen – einen davon zuhause. Viele Ansprechpar tnerinnen und

-par tner in Paris und anderen Bosch-Werken erreicht s ie ohnehin per

Telefon und E- Mail . Sie schätzt die konzentrier te Arbeitsatmosphäre

zuhause, aber auch den persönl ichen und produktiven Kont akt zu Kol le-

g innen und Kol legen im Werk.

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mobilesArbeiten

D er D a i m l er - Weg

Bei Daimler wird in vier Phasen eine innovative Vereinbarung für „mobiles Arbeiten“ entwickelt. Die

Beteiligungskampagne wird von Gesamtbetriebsrat, IG Metall und Unternehmen gemeinsam getra-

gen und vom Fraunhofer IAO wissenschaftlich begleitet.

1. Zunächst wurden

82.500 Beschäf-

tigte aus Verwaltung

und produktionsnahen

Bereichen eingeladen,

sich an einer Online-Be-

fragung zu beteiligen.

Über 33.400 Kollegin-

nen und Kollegen haben

innerhalb weniger

Wochen den umfang-

reichen Fragebogen

ausgefüllt.

2. An jedem Stand-ort folgt mindes-

tens ein halbtägiger Workshop, in dem die Befragungsergebnisse vertieft analysiert und Wege zu guter mobiler Arbeit gemeinsam ausgearbeitet werden.

3. Aus den Ergebnis-sen dieser beiden

Beteiligungsrunden erarbeiten Fachleute aus Gesamtbetriebsrat, IG Metall, Unternehmen und Wissenschaft Emp-fehlungen zur mobilen Arbeit als Grundlage für Verhandlungen über eine innovative Gesamt-betriebsvereinbarung, die auch von IG Metall und Arbeitgeberverband unterzeichnet werden soll (Tarifierung).

4. Ist diese Verein-barung ausge-

handelt, wird sie in der Fläche mit wissen-schaftlicher Begleitung umgesetzt.

Die Beschäftigten können stets über Intranet, Blogs, Diskussionen und Veranstaltungen Rückmeldung zu den Ergebnissen geben. Die IG Metall ist in allen Steuer- und Arbeitsgremien dieses Projekts vertreten – dadurch haben ihre Mitglieder eine besonders starke Stimme in diesem Prozess und können Einfluss auf die Entwick-

lung nehmen. �

b es s ere Vere i n b a r ke i t v o n

P r i v a t l e b e n u n d B eru f

er w a r te n d i es

h a b e n d i es s ch o n er f a h re n

5 5 °/°

3 5 °/°

weniger Wegezei ten

8 3 °/°

a n n ä h e r n d

9 0 °/°

M o bi l e A r b ei tw ei terh i n

n u r f re i w i l l i g !

u n g e s t ö r t e r ,e f f e k t i v e ra r b e i t e n

6 8 °/°

A n s p r u c h a u f M o b i l e A r b e i t ,

s o f e r n d i e A r b e i t s a u f g a b e d a s m ö g l i c h m a c h t

8 0 °/°

Erste Ergebnisse der Online-Befragung:

Umfassende Betei ligung der

Beschäftigten

Beispiel aus der Praxis

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„So arbei ten zu können,

motiviert stark.“Jens Maier, Gruppenlei ter

Kredi torenbuchhaltung bei Bosch

Um die Arbeit von rund 40

Menschen zu koordinieren, die in

Ditzingen bei Stuttgar t , Nürnberg ,

Homburg und Bangalore in Indien

ver tei lt s ind, braucht der Bosch-

Gruppenleiter ohnehin Telefon

und E- Mail . An dem einen Tag in

der Woche, an dem er zuhause

arbeitet , änder t s ich für ihn daher

wenig . Als Vorgesetzter beg rüßt

er diese Form ebenfal ls : Es sei

eine r iesige „nicht-f inanziel le

Motivationsquelle für Mit arbeiter“.

„Selbstdisziplin - auch beim Schutz der eigenen Gesundhei t.“Michaela David, Chemie-Ingenieurin

L abor und Prüfst and gehören zu den

Arbeitsbereichen der Bosch-Ingeni-

eurin, die an der Überprüfung von

Abgaswer ten von Motoren arbeitet .

Dennoch hat s ie festgestel lt , dass ein

g uter Tei l der Arbeit von zuhause aus

erledigt werden kann – konzentrier t ,

ohne Zeit verbrauch für den Weg ins

Werk. Gute Kommunikation und ver-

lässl iche Termine für persönl iche Be-

sprechungen gehören für s ie frei l ich

dazu. „Und am Ende braucht es eben

auch Selbstdiszipl in, die anstehenden

Aufgaben zu erledigen und nicht noch

und noch mehr.“

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„Das mobile Arbeiten ist eine Arbeitsform, welche die Erfüllung der Arbeitsaufgaben auch außerhalb

des Betriebes ermöglicht. So kann dazu beigetragen werden, die Vereinbarkeit der Arbeitstätigkeit

und der persönlichen Lebensführung zu verbessern und eine flexible Gestaltung von Arbeitszeit und

-ort im privaten sowie betrieblichen Interesse zu ermöglichen.“ – Das ist eine der zentralen Aussagen

in der Vereinbarung zwischen Geschäftsführung und Konzernbetriebsrat der Robert Bosch GmbH vom Januar

2014. Ergänzt wird sie von dem Hinweis, dass mobile Arbeit auch für Beschäftigte mit Schwerbehinderung oder

Arbeitseinschränkungen von Bedeutung sein kann.

B etri eb s v erei n b aru n g b ei B o s ch

Mobiles Arbeiten, so klärt die Vereinbarung, „ermög-

licht eine flexible Aufteilung des Arbeitens auf den

Betrieb und Arbeitsorte außerhalb des Betriebes

sowie – im Rahmen der gesetzlichen und tariflichen

Bestimmungen – eine flexible Verteilung der Arbeits-

zeit außerhalb des Betriebes.“ Betont wird: „Mobiles

Arbeiten dient nicht dazu, die individuelle regelmä-

ßige wöchentliche Arbeitszeit (IRWAZ) zu erhöhen

oder zu reduzieren.“

Zugang zu mobilem Arbeiten solle jede/r Beschäf-

tigte haben, dessen Tätigkeiten dafür geeignet sind.

Zunächst solle solch ein Bedarf zwischen Beschäf-

tigtem und Vorgesetztem geklärt werden – falls das

zu keinem Ergebnis führt, soll der „Eskalationsweg“

höhere Vorgesetzte, Betriebsrat oder Schwerbehin-

dertenvertretung einbeziehen. Eindeutig wird festge-

halten: „Für Mitarbeiter besteht keine Verpflichtung

zu mobilem Arbeiten.“

Wer mobil arbeitet, hat der Vereinbarung zufolge

weiterhin einen Arbeitsplatz im Betrieb und Zugang

zu allen betrieblichen Versammlungen und Informa-

tionen. Für ihn gelten auch die selben Gesetze und

Regelungen über Arbeitszeit und -schutz.

Als Sonderfall mobilen Arbeitens definiert die Verein-

barung „alternierende Telearbeit“ – die regelmäßige

Arbeit zuhause, beispielsweise an zwei festgelegten

Tagen der Woche. Sie kann vereinbart werden, wenn

die Lebensumstände des Beschäftigten besondere

Gründe dafür bieten.

Zuschläge für Mehrarbeit gibt es beim mobilen Ar-

beiten nur, wenn sie vom Vorgesetzten beantragt

und vom Betriebsrat genehmigt wurden – genau so

wie bei betrieblicher Arbeit. Wer mobil arbeitet, muss

seine Arbeitszeiten dokumentieren. Wichtig: „Die

durch elektronischen Datenaustausch anfallenden

Verbindungsdaten (zum Beispiel Log-Daten […] und

Telefondaten) werden nicht für eine Zeitkontrolle

oder weitergehende Leistungs- und Verhaltenskont-

rollen genutzt.“

Für die Einrichtung eines häuslichen Arbeitsplatzes

gibt das Unternehmen fachliche Unterstützung (bei-

spielsweise für Fragen der Ergonomie), aber kein Geld

– auch nicht für Raum- oder Leitungskosten. Welche

Geräte und Unterlagen des Betriebs zuhause verwen-

det werden können, wird mit zwischen Vorgesetztem

und Beschäftigtem geklärt. �

Anderer Ort, g leiche Regeln

Beispiel aus der Praxis

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„Balance von Vertrauen und Verantwortung.“

Kai-Uwe Grau, Fachreferent für Steuerungsgerätesoftware

An wenigen Tagen im Monat erledigt Kai- Uwe Grau seine Arbeiten nicht

bei Bosch in Schwieberdingen, sondern über 50 Ki lometer entfernt , wo er

mit seiner Famil ie wohnt . Damit spar t er s ich den Weg über die Autobahn

mitten durch den Bal lung sraum und kann dafür konzentrier t und in Ruhe

Arbeiten erledigen. „ Mobile Arbeit erforder t ein extremes Ver trauen der

Führung sk raft dem Mit arbeiter gegenüber“, sagt er. „Da muss man sich

schon sehr diszipl inieren, man muss Verant wor tung übernehmen und bei

der Sache bleiben.“ Sehr wichtig ist ihm, mögl ichst viel Kommunikation

von Mensch zu Mensch zu erledigen. Das passt auch zu den rund vier Wo -

chen im Jahr, in denen er im wör tl ichen Sinn „mobil“ arbeitet : Dann be-

sucht er ausländische Werke, wo die theoretischen A spekte seiner Arbeit

ebenfal ls praktisch umgesetzt werden sol len.

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Reg e l u n g zu r M o bi lar b ei t

b ei B M W

„Mobilarbeit ist Arbeitszeit und die Beschäftig-

ten haben außerhalb der abgestimmten Zeiten

der Erreichbarkeit das Recht auf Nichterreich-

barkeit. Mit Mobilarbeit können Privat- und Be-

rufsleben besser kombiniert werden. Ein Vorteil

für die Belegschaft und auch das Unternehmen.“

So fasste Manfred Schoch, der Gesamtbetriebsrats-

vorsitzende von BMW, im Januar 2015 zusammen,

was Betrieb und Beschäftigtenvertretung vereinbart

haben. Der Deutsche Betriebsrätetag hat dies 2014

mit dem Betriebsrätepreis in Gold ausgezeichnet.

„ Alle beruflichen Tätigkeiten, die online oder offline

außerhalb der BMW Group durchgeführt werden“,

sind von dieser Regelung erfasst. „Dazu gehören

genauso die Telefonate am Handy, die Arbeiten am

Smartphone oder auch mit Papier. Durch Mobilarbeit

kann die Arbeit flexibel auf verschiedene Arbeitsorte

und Tageszeiten aufgeteilt und mit der klassischen

Büroarbeit kombiniert werden. Ganztägige oder ta-

gesanteilige Mobilarbeit ist möglich.“

Bei BMW gilt demzufolge: „Mobilarbeit ist grund-

sätzlich für alle Mitarbeiter möglich und gewünscht,

sofern dies mit der Aufgabenstellung vereinbar ist.

[…] Wichtig: Mobilarbeit ist für die Beschäftigten

freiwillig.“ Wer gerne so arbeiten möchte, soll auf

den Vorgesetzten zugehen. Wenn das Ergebnis nicht

befriedigend sei, „sollten Sie Ihren Betriebsrat ein-

binden“.

Die Umsetzung der Mobilarbeit bei BMW „ist Füh-

rungsaufgabe. Im Dialog zwischen Führungskraft

und Mitarbeiter werden Form und Umfang, Erwar-

tungen, Ziele und die (Nicht-)Erreichbarkeit abge-

stimmt.“

Alle Mobilarbeitszeiten sind Arbeitszeiten. Wer

der Zeiterfassung unterliegt, muss die Dauer der

Arbeitszeit dokumentieren. „Ein tageszeitgenauer

Eintrag erfolgt nicht und kann auch nicht gefordert

werden.“

Beschäftigte stimmen mit ihrem Vorgesetzten „unter

Berücksichtigung und Abwägung betrieblicher und

privater Erfordernisse“ ab, wann sie erreichbar sind.

Grundlage ist die im jeweiligen Team übliche Arbeits-

zeit. „Erreichbarkeiten außerhalb davon können auf

Wunsch des Mitarbeiters verein-

bart werden.“ Außerhalb der abge-

stimmten Zeiten haben Beschäftig-

te „im Sinne der Ruhe und Erholung das Recht, nicht

erreichbar zu sein. Der Mitarbeiter soll bewusst und

selbstbestimmt in Zeiten der Nichterreichbarkeit ab-

schalten: bewusst abschalten – Frei-Zeit.“

Durch einen „Mobilarbeitsführerschein“ werden die

Beschäftigten zu Informations- und Datenschutz,

Arbeitszeitgesetz, Arbeitsplatzgestaltung und Ge-

sundheitsförderung qualifiziert. Der Mobilarbeits-

führerschein besteht aus Audio-Podcast und Prä-

senztraining. Auch für Führungskräfte gibt es eigene

Qualifikationsmodule zur Mobilarbeit. �

Beispiel aus der Praxis

Page 16: Selbstbestimmter den Arbeitstag gestalten – die Chancen ... · mobiles Arbeiten Der Daimler-Weg Bei Daimler wird in vier Phasen eine innovative Vereinbarung für „mobiles Arbeiten“

I m p r e s s u m

IG Met al lVorst andsbereich 02Vorst andsbereich 05Wilhelm-Leuschner-Str. 7960329 Frankfur t

Oktober 2015

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Vorstand