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Selbstmanagement im Team. Kann systemische Teamberatung individuelle Selbstmanagement-Kompetenz stärken? Dissertation zur Erlangung der Würde des Doktors der Philosophie des Fachbereichs Psychologie der Universität Hamburg vorgelegt von Claire Buhl aus Hamburg Hamburg 2011

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Selbstmanagement im Team. Kann systemische Teamberatung individuelle

Selbstmanagement-Kompetenz stärken?

Dissertation zur Erlangung der Würde des Doktors der Philosophie

des Fachbereichs Psychologie der Universität Hamburg

vorgelegt von Claire Buhl

aus Hamburg

Hamburg 2011

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Dissertationsgutachter:

Prof. Dr. Matthias Burisch und Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp

Disputationsgutachter:

Prof. Dr. Alexander Redlich und Prof. Dr. Gerhard Vagt

Die Disputation an der Universität Hamburg fand am 22.12.2010 statt und wurde von Frau Prof. Dr. Eva Bamberg geleitet.

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Inhalt 1

INHALT

DANKSAGUNG 3 TEIL I: SELBSTMANAGEMENT IN ORGANISATIONEN 4

1 Selbstmanagement-Kompetenzförderung in Organisati onen – ein ungelöstes Problem 4

1.2 Unzulängliche Angebote zur Selbstmanagement-Förderung 8

1.3 Projektansatz: Selbstmanagement in sozialen Systemen 10

TEIL II: THEORETISCHE GRUNDLAGEN DER SELBSTMANAGEMENT - FÖRDERUNG IN ORGANISATIONEN 16

2 Die Selbstmanagement-Konstruktion dieser Arbeit 1 6 2.1 Facetten des Selbst 17

2.2 Selbstmanagement als Steuerung des Selbst im Organisationskontext 19

2.3 Selbstmanagement in sozialen Systemen als Streben nach „innerer Freiheit“ 22

3 Kritische Würdigung klassischer Selbstmanagement- Interventionen 28 3.1 Relevante Zielgruppen für Kompetenzentwicklung im Bereich Selbstmanagement 28

3.2 Interventionspraxis in Organisationen 31

3.3 Klassische Trainingskonzeptionen und ihre Probleme 34

3.4 Bestandsaufnahme: Selbstmanagement-Trainings in Organisationen 49

4 Neue Ansätze zur Selbstmanagement-Förderung 54 4.1 Anregungen aus der systemischen Organisationsberatung 54

4.2 Anregungen aus der „Theory U“ 62

4.3 Fazit: Bewährte und neue Ansätze für Selbstmanagement-Interventionen 70

TEIL III: METHODE 74

5 Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Int erventionen 74 5.1 Ziele des Programms 74

5.2 Zielgruppe 78

5.3 Interventionskonzept 79

6 Forschungsverständnis und Evaluationsparadigma 10 0 6.1 Konstruktivistische Grundannahmen 100

6.2 Evaluationsziel und Forschungsfragen 101

6.3 Evaluationsparadigma – Die Qual der Wahl 103

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Inhalt 2

7 Ein Evaluationskonzept für systemische Selbstmana gement-Interventionen 117 7.1 Die Basis des Evaluationsansatzes: Respekt vor der Praxis 117

7.2 Evaluationsphasen 119

7.3 Gütekriterien dieser Arbeit 121

8 Erhebungs- und Auswertungsmethoden 130 8.1 Erfolgsmaße, Erhebungsmethoden und Erhebungszeitpunkte 130

8.2 Qualitative Datenauswertung 137

8.3 Auswertung der Fragebögen 142

TEIL IV: ERGEBNISSE DER EVALUATION 143

9 Erprobung des Interventionsprogramms 143 9.1 Stichprobengewinnung und Zielgruppe 143

9.2 Durchführung der Pilotprojekte 150

10 Weitere Ergebnisse der formativen Evaluation 182 10.1 Akzeptanz des Programms 182

10.2 Implementationshindernisse 188

10.3 Prozessqualität 203

11 Ergebnisse der summativen Evaluation 206 11.1 Veränderungen auf individueller Ebene 206

11.2 Veränderungen im Team 219

11.3 Beeinflussung individuellen Selbstmanagements durch das Team und umgekehrt – Chancen und Risiken 232

11.4 Intensität und Nachhaltigkeit der Veränderungen 237

11.5 Beitrag der Beratung 248

TEIL V: DISKUSSION UND PRAKTISCHE KONSEQUENZEN 257

12 Bewertung der Ergebnisse 257 12.1 Übereinstimmung von Programmentwurf und -implementation 257

12.2 Zur Zielerreichung des Interventionsprogramms 261

13 Bewertung der Studie 279 13.1 Grenzen und Schwächen der Studie 279

13.2 Empfehlungen für zukünftige Forschung 287

13.3 Resümee 289

LITERATUR 298

VERZEICHNIS DER ANHÄNGE 312

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Danksagung 3

DANKSAGUNG

Mein ganz besonderer Dank und Respekt gilt allen an dieser Studie teilnehmenden Teams und ihren Lei-

tungen. Ihre Neugierde, Offenheit und ihr Umgang mit Veränderung haben mir große Freude bereitet. In

diesem Zusammenhang danke ich auch den Führungskräften, die diesen Teams die Teilnahme ermög-

lichten. Mein Dank gilt ebenso…

… Prof. Dr. Matthias Burisch, der mich mit Herz, Verstand und Pragmatismus begleitet hat.

… Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp für seine Ermutigung, konstruktive Toleranz und Unterstützung.

… Prof. Dr. Alexander Redlich, durch dessen großes Engagement ich meine Begeisterung für Organisati-

onsberatung entdecken konnte. Diese Dissertation verdankt auch seiner Unterstützung ihr Dasein.

… Prof. Dr. Gerhard Vagt, der sich über seine Emeritierung hinaus als Disputationsgutachter einbringt und

von dessen Gelassenheit und Wohlwollen ich bereits vor 10 Jahren im Rahmen meiner Diplomarbeit profi-

tierte.

… Prof. Dr. Eva Bamberg für die Moderation meines Disputationsverfahrens und die vielen interessanten

Lektionen im Rahmen des Studiums.

… Burkhard Bösterling und Dr. Matthias Lauterbach für die Kurse, Anregungen und den Austausch zum

„Presencing“. Die Erfahrung, wie positiv sich eine systemisch-lösungsorientierte Haltung auswirken kann,

verdanke ich vor allem ihrem Beispiel.

… Christian Warneke und Dr. Kim-Oliver Tietze, die geistreiche Sparringspartner waren, jedoch ebenfalls

großen Sinn für praktische Unterstützung an den Tag legten.

… Kerstin Sprock, Volker Bauer, Nora Augustin-Gross, Thorsten Visbal, Dr. Susanne Mütze-Niewöhner,

Dr. Iris Bruns, Helmut Erbel, Hartmut Linse, Holger Möhwald, Sylvia Sparschuh, Dr. Thomas Saumweber,

Prof. Dr. Christopher Schlick und Michael Meister danke ich für ihre Unterstützung bei der Teamsuche.

… Dr. Nicole Jochems, Asli Gierth, Dr. Maria Pietschmann, Johanna Schriefer, Esther Rump, Nadine

Bradtke, Martin Vogel, Simone Rochhold, Jens Kaufmann, Sebastian Vetter, Marie-Christine Stemann-

Ziegelmayer, Rita Hahn und Dr. Linda Koch für den wertvollen fachlichen Austausch.

… meinen DiplomandInnen Birgit Nöh, Beate Düx, Torsten Fritz, Heiko Reppich und Tanja Klages für ihre

gute Arbeit und den angenehmen Kontakt.

… Susan Garritsen, Sabine Jannek und Martina Dziuballe für die Literaturverwaltung und Transkription-

sarbeit zu Beginn des Projekts sowie Sevdije Jakupi und Birgit Schlüter für ihre verlässlichen Transkriptio-

nen.

… Prof. Dr. Jochen Schweitzer für den Kongress “Systemische Forschung in Therapie, Pädagogik und

Organisationsberatung“, den ich als anregende Plattform zum Austausch und zur Bestärkung eigener

Forschung erlebt habe.

… dem Trainer- und Berater-Netzwerk der Universität Hamburg, der Viersener und meinen beiden Ham-

burger Intervisionsgruppen für die professionelle Reflexion.

Am wichtigsten war mir die Unterstützung von meinen Eltern Raymonde und Ulrich und meinem Mann

Svend.

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Selbstmanagement-Kompetenzförderung in Organisationen – ein ungelöstes Problem 4

TEIL I: SELBSTMANAGEMENT IN ORGANISATIONEN

1 Selbstmanagement-Kompetenzförderung in Organisati o-nen – ein ungelöstes Problem

Selbstmanagement boomt. Nicht nur Selbständige und Führungskräfte, auch abhängig Beschäf-tigte müssen heute und zukünftig in höherem Maße als bisher eigenständig Entscheidungen treffen, selbständig ihren Arbeitsbereich organisieren und als Unternehmer1 im eigenen Unter-nehmen handeln (vgl. Vogt, Kuhnert & Kastner, 2001; Fay, 2003):

„Unternehmer benötigen nicht den durch alle Auftragstiefs durchzutragenden, auf Anweisungen reagierenden Arbeit-Nehmer, sondern selbständig agierende, zum Selbstmanagement befähigte Auftrag-Nehmer, die bereit sind, sich bei jedem Auftrag von neuem zu beweisen“ (Gerhardt & Webers, 2004).

Entsprechend ist ein Rückgang fester Beschäftigungsverhältnisse zu Gunsten flexibler und mehr Organisation erfordernder Arbeitsformen zu verzeichnen. Die durchschnittliche Dauer von Ar-beitsverhältnissen verkürzt sich (Dostal, 2003). Es ist heute wesentlich eher üblich, im Verlauf seiner Berufslaufbahn mehrmals den Arbeitgeber und den Beruf zu wechseln als noch vor weni-gen Jahren (Dundler & Müller, 2006). Im Verlauf dieser Laufbahn auch Projektarbeit, Teilzeitar-beit, Zeitarbeit und Telearbeit zu praktizieren, ist für viele längst zur Normalität geworden. Das Modell, Arbeit konsequent an einem Ort und zu fest definierten Zeiten zu verrichten, findet man immer seltener vor (Frese, 2000). Dadurch kommt es zu einer zunehmenden „Entgrenzung von Arbeit und Leben“ (Voß, 2003). Gleichzeitig sinkt der Anteil Beschäftigter mit klar definierter, vorgeschriebener Arbeitsdurchführung (Fuchs & Conrads, 2003). Viele Beschäftigungsverhält-nisse sind dadurch charakterisiert, dass sie im Hinblick auf Erbringungsort, Zeit, Inhalte und Um-fang der Arbeit sowie geforderte Kooperationsstrukturen wenig vorstrukturiert sind. Die Tendenz geht dahin, dass Arbeitnehmer zunehmend komplexere Aufgaben bewältigen und häufiger in Teams arbeiten (Frese, 2000; Vogt, Kuhnert & Kastner, 2001). So überrascht es nicht, dass Ar-beitskräfte heute seltener unter Anleitung arbeiten und weniger von Führungskräften supervidiert werden (Frese, 2000; Eugster, Wosnitza, Nenniger & Rüegg, 2003).

In Summe steigen die Anforderungen an Flexibilität, Mobilität, Kooperationsfähigkeit und Verän-derungsfähigkeit der Arbeitnehmer. Mitarbeitern werden Verantwortung und Risiken übertragen, die bisher die Unternehmensleitung trug. Aus Sicht der Organisation ist die Verlagerung der Verantwortung auf das Individuum die einzige kosteneffiziente logische Konsequenz auf Flexibi-lisierungsanforderungen und die daraus resultierenden fehlenden Steuerungs- und Kontrollmög-lichkeiten. In einem flexibilisierten Umfeld, das intransparent, unplanbar und uneindeutig ist (Ge-ramanis & Götz, 2003, S. 241) wird das Selbstmanagement des einzelnen Arbeitnehmers zur zunehmend wichtigeren Kernkompetenz (Mills, 1983; Kastner, 1999; Kastner, Kastner & Vogt, 2001; Mayrhofer, Ledolter, Müller-Camen, Erten-Buch & Strunk 2001; Vogt, Kuhnert & Kastner, 2001; Eugster et al., 2003; Bierhoff & Herner 2003; Wiese, 2004; Hacker, 2005). Der einzelne Arbeitnehmer wird immer mehr zum Träger seiner Arbeitsgestaltung (Hacker, 2005; Hornberger, 2006). Eine zentrale, wiederkehrende Konstante in seinem Leben ist die Beschaffung, das An-eignen und die Weitergabe von Wissen. Er muss sich in Anbetracht veränderter Situationen häufig neu orientieren und an neue strukturelle Gegebenheiten, Kooperationspartner, Rollen,

1 Die Verwendung des generischen Maskulinums in dieser Arbeit orientiert sich an sprachlichen Konventionen und steht im Dienste einer erleichterten Lesbarkeit. Die weibliche Form ist dabei jedoch selbstverständlich mit eingeschlossen.

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Selbstmanagement-Kompetenzförderung in Organisationen – ein ungelöstes Problem 5

Berufe oder Orte anpassen. Die Gestaltung seiner Karriere hat er selbst in die Hand zu nehmen (Galais, 2004):

„Die Einzelnen werden zu Akteuren, Konstrukteuren, Jongleuren, Inszenatoren ihrer Biographie, ihrer Identität, aber auch ihrer sozialen Bindungen und Netzwerke“ (Beck, Vossenkuhl & Ziegler, 1995, S. 11; vgl. Müller, 2003b).

Dabei wird es zunächst wichtiger, persönliche Lebensziele in Eigenregie zu definieren (vgl. Ro-senstiel, 1997, S. 38). Ein(e) „self-organizing (wo)man“ (vgl. Müller, 2003b, S. 18) entwickelt eine mehr oder weniger konkrete Vorstellung von dem, was er (sie) im Leben erreichen möchte. Ihre Führungskraft kann ihr dabei nur noch selten Orientierung bieten. Massenentlassungen oder negative Führungsbeispiele prominenter Topmanager zerstören das Vertrauen in einen verantwortungsvollen Umgang mit der „Ressource“ Mensch. Selbstmanagement wird somit „vor allem für das Überleben und den Erhalt des eigenen Lebensstandards immer dringender erfor-derlich, weil das Umfeld immer weniger geeignet sein wird, dem Individuum diese Aufgabe ab-zunehmen“ (Kastner, 1999, S. 53).

Hornberger (2006) weist darauf hin, dass die arbeitswissenschaftliche Forschung den Zwangs-charakter der Individualisierung von Arbeitsbedingungen und das dadurch vom Arbeitgeber qua-si „erzwungene Selbstmanagement“ von Arbeitnehmern ignoriert. Anders gesagt: Es ist ein gro-ßer Unterschied, ob Selbstmanagement-Fähigkeiten in den Dienst der eigenen persönlichen Ziele oder in den Dienst der Unternehmensziele gestellt werden. Viele Menschen kommen einer Erwerbstätigkeit in erster Linie aufgrund materieller Erfordernisse nach. An erhöhte Selbstma-nagement-Anforderungen müssen sie sich anpassen, um ihre Existenzgrundlage zu sichern. Geramanis & Götz (2003) kritisieren in diesem Zusammenhang eine „immense Leistungsver-dichtung“ (S. 241). Nicht jedem gelingt es, mit den Anforderungen Schritt zu halten. Elke (2001) konstatiert gar „bezogen auf den Einzelnen eine zunehmende Verunsicherung, Überforderung, Selbstausbeutung, Burnout, Isolation und fehlende organisatorische Unterstützung als auch auf gesellschaftlicher Ebene eine Verunsicherung und fehlendes Know-how hinsichtlich der Un-terstützungs- und Betreuungsformen" (Elke, 2001, S. 9). Die „zwei Gesichter der Arbeit“ (Krae-pelin, 1896) klaffen bisweilen weit auseinander:

"Arbeit kann auf der einen Seite mehr denn je der Persönlichkeits- und Lebenserfüllung dienen und auf der anderen Seite [...] zur persönlichen Überforderung, Selbstausbeutung oder Burnout führen [...]. Das Ergebnis ist abhängig von der Fähigkeit zum Selbstmanagement, ihrer Förderung und Unterstützung" (Elke, 2001, S. 11).

Die vorliegende Arbeit sucht daher effektive und nachhaltige Lösungen, um die Selbstmanage-ment-Kompetenz von Organisationsmitgliedern zu fördern.

1.1.1 Nutzen der Förderung von Selbstmanagement-Kom petenzen

Es gilt als gesichert, dass Selbstmanagement in weiten Grenzen lernbar ist (Kanfer, Reinecker & Schmelzer, 2000; Braun, Adjei, Münch, 2003). Auch darüber, dass es einer derartigen Förde-rung auf breiter Basis bedarf, herrscht Einigkeit (vgl. Siebert, 1999; Elke, 2001; Gerhardt & We-bers, 2004; Hacker, 2005; Bissels, Sackmann & Bissels, 2006). 1991 wies in den USA die SCANS (Secretary’s Commission on Achieving Necessary Skills) auf die Bedeutung der Förde-rung dieser grundlegenden “foundation skills“ in Organisationen hin (McKenna, 1992). Unter dem Schlagwort der „Schlüsselqualifikationen“ (Mertens, 1974) hat die Diskussion um Selbst-management seit den 70er Jahren auch das deutsche Bildungswesen erfasst. Mehr als 20 Jahre später kommt jedoch u.a. Pütz (1997) zu dem vernichtenden Urteil, dass „sämtliche Sozialisati-onsinstanzen [...] die Vermittlung dieser notwendigen extrafunktionalen Qualifikationen [versäu-men]“ (S. 4). Auch Bergmann (2003, S. 7) stellt fest, dass das Bildungssystem nicht in der Lage sei, das für die Arbeit relevante Wissen bereitzustellen. In der Konsequenz avanciert die Organi-

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Selbstmanagement-Kompetenzförderung in Organisationen – ein ungelöstes Problem 6

sation immer mehr zum Lernort (vgl. Albrecht, 1997; Bergmann, 2003; Hacker, 2005).

Doch was vermag Organisationen dazu zu bewegen, Zeit und Geld in die Förderung individuel-ler Selbstmanagement-Kompetenz zu investieren? Was versprechen sich Führungskräfte da-von, das Selbstmanagement ihrer Mitarbeiter zu fördern? Die Antworten auf diese Fragen sind vielfältig. Einige beflügelt der Glaube an Selbstmanagement als „Allzweckwaffe“. Castaneda, Kolenko & Aldag (1999) behaupten beispielsweise, Mitarbeiter-Selbstmanagement trage ent-scheidend zum Erfolg herausragender Unternehmen bei. Andere wiederum sehen Selbstmana-gement eher als unvermeidbares Erfordernis wirtschaftlicher Sachzwänge. Die wesentlichen Argumente, auf welche immer wieder Bezug genommen wird, lassen sich auf fünf Schlagworte verdichten: Flexibilitätsgewinn, Reduktion von Führungsaufwand, Aufbau von Mitarbeiter-Ressourcen, Selbstverwirklichung der Mitarbeiter, Leistungssteigerung.

1. Flexibilitätsgewinn: Vor dem Hintergrund kurzfristiger Beziehungen und begrenzter Verbind-lichkeit in Organisationen (Simon, 2001, S. 13) erscheinen selbststeuernde Mitarbeiter schneller einsetzbar. Restrukturierungen, „Lean management“ und „Downsizing“ führen oh-nehin dazu, dass Mitarbeiter heute ein höheres Maß an Verantwortung haben (Godat & Brigham, 1999). Selbstführung stärkt dabei „die Bereitschaft zu Eigenverantwortung und unternehmerischer Initiative“ (Müller, 2004, S. 92). Die Förderung von Selbstmanagement-Kompetenzen kann Mitarbeitern helfen, sich noch schneller und flexibler auf Veränderun-gen einzustellen. Für Stahl und Krauss (2001) ist die Anleitung und Förderung von Organi-sationsmitgliedern zum Selbstmanagement gar ein essenzieller Schritt in Richtung der viel-beschworenen „lernenden Organisation“.

2. Reduktion von Führungsaufwand: Godat & Brigham (1999) gehen davon aus, dass “training in self-management will be more important in future organizational environments character-ized by less formal supervision and more employee involvement“ (S. 67f.). Der reduzierte Führungsaufwand stellt für andere das Ziel dar, Selbstmanagement zu fördern oder Bedin-gungen herzustellen, die stärker auf Mitarbeiter-Selbstmanagement abzielen: „We believe that self-management is the most efficient form of management because it precludes the need for costly, close supervision“ (Kreitner & Luthans, 1984, S. 62). Auch Brief & Aldag (1981) weisen darauf hin, dass Mitarbeiter-Selbstmanagement der Organisation Zeit und Kosten sparen kann, da die Vorgesetzten entlastet werden. In vielen Bereichen werden da-her eng gefasste Verfahrensanweisungen durch Zielvereinbarungen ersetzt, die Mitarbei-tern Freiheitsgrade bei der Aufgabenbewältigung zugestehen (Solga & Blickle, 2003, S. 223). Mills (1983) zufolge resultiert daraus eine stärkere Orientierung an Kollegen.2

3. Aufbau von Mitarbeiter-Ressourcen: Die Förderung von Selbstmanagement kann dazu bei-tragen, auf individueller Ebene Ressourcen aufzubauen. Ein ausgeprägtes Selbstmanage-ment schützt etwa präventiv vor Stress (Bissels et al., 2006). Selbstmanagement-Training kommt dem langfristigen Aufbau und Erhalt der Arbeitskraft entgegen und darf dadurch auf Akzeptanz seitens der Mitarbeiter hoffen. Zumal Hornberger (2006) darauf hinweist, dass „durch die eigenverantwortliche Selbstorganisation von Arbeitsbedingungen [...] (häufig nur implizit) auch eine Delegation der Verantwortung für den Schutz und die Förderung der ei-genen (körperlichen, psychischen und sozialen) Gesundheit statt[findet]“ (S. 88). Eine ab-wechslungsreiche, vielseitige Arbeit mit größeren Tätigkeitsspielräumen und mehr Zeitsou-

2 “Increased peer consultation is likely to occur in self-managed situations because supervision has shifted to the realm of the expert or information source among work peers who in some areas often are more task competent than the formal leader” (Mills, 1983, S. 447).

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Selbstmanagement-Kompetenzförderung in Organisationen – ein ungelöstes Problem 7

veränität (Vogt, Kuhnert & Kastner, 2001, S. 156) entspricht den Maximen persönlichkeits-förderlicher Arbeitsgestaltung (vgl. Ulich, 1994). Durch die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen und die eigene Arbeit stärker selbst gestalten zu können, wächst die Wahrscheinlichkeit, Arbeit als sinngebend, bedeutungsvoll, handhabbar und vorhersehbar zu erleben. Dies sind Merkmale eines übergreifenden „Kohärenzsinns“3 (Antonovsky, 1987), der in salutogeneti-schen Konzepten der Stressforschung als wesentliche dispositionelle Bewältigungsressour-ce diskutiert wird.

4. Selbstverwirklichung der Mitarbeiter: Organisationen profitieren in der Regel davon, wenn ihre Mitglieder die Möglichkeit und das Gefühl haben, sich in ihrer Arbeit zu entfalten. Dafür gewährte Freiräume kommen zunehmend postmateriellen und individualistischen Werteori-entierungen (vgl. Inglehart, 1998; Klages, 2001) und der Vereinbarkeit mit einer Pluralität von Lebensstilen entgegen. Den grundlegenden Bedürfnissen des einzelnen Menschen nach Entfaltung und Kompetenz kann durch ein gutes Selbstmanagement besser entspro-chen werden. Einen Zusammenhang bestätigten Bissels et al. (2006): „Wie erwartet gehen Selbstmanagement-Kompetenzen [...] sowohl mit Zufriedenheit (r=.39**) als auch vermin-derter körperlicher Beanspruchung einher (r=-.34*)“ (S. 104). Selbstregulationsfähigkeiten unterstützen die berufliche Selbstklärung (Landmann, Pöhnl & Schmitz, 2005, S. 12). Auch können selbst gesetzte Veränderungsziele mit einem gestärkten Selbstmanagement besser erreicht werden (Gintner & Poret, 2000). Somit gelten Selbstmanagement-Kompetenzen als möglicher „Schlüssel für mehr Selbstverwirklichung am Arbeitsplatz“ (Müller, 2003, S. 176 f.). Auch erleichtern sie es, „auch außerhalb des Berufs Glück, Zufriedenheit und Erfüllung zu finden“ (Müller, 2004, S. 92 f.). Für Kastner (1999, S. 55) zielt Selbstmanagement letzt-lich immer auf inhaltliche Lebensqualität ab.

5. Leistungssteigerung: Obwohl Arbeitszufriedenheit und Leistung nicht immer zusammen-hängen (vgl. Fisher, 1980), wird häufig die Rechnung „zufriedene Mitarbeiter = leistungsfä-hige Mitarbeiter“ aufgestellt. Den vermuteten Zusammenhang zwischen Selbstregulations-kompetenzen und beruflichem Erfolg konnte Abele (2004) empirisch belegen (vgl. Frayne & Geringer, 1992). Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass Selbstmanagement-Kompetenzen für den Berufserfolg sogar weitaus wichtiger sind als fachliche Kompetenzen. Peter Drucker zufolge gilt dies insbesondere für Führungskräfte.4 Einer Studie von Prussia, Anderson & Manz (1998) zufolge haben Strategien der Selbstführung einen positiven Ein-fluss auf die Selbstwirksamkeit. Diese wiederum wirkt sich positiv auf die Leistung aus. In einer Studie von Frayne & Geringer (2000) wirkte sich die Förderung des Selbstmanage-ments von Vertriebsmitarbeitern positiv auf die Erreichung der Organisationsziele aus. Latham & Frayne (1987; 1989; vgl. 1990) konnten durch Selbstmanagement-Trainings an Arbeitern zur Reduktion von Absentismus und vermeintlich krankheitsbedingten Fehlzeiten beitragen. Marquardt & Engel (1993) zufolge sind Selbstmanagement-Fähigkeiten zudem essenziell für den Erfolg von Personalentwicklern in interkulturellen Situationen.

Zusammenfassend lässt sich daher mit der Bundesagentur für Arbeit (2006) festhalten:

„Die Durchführung von Seminaren zum Selbstmanagement ist eine Investition in die Beschäftigten, die sich kurz- und

3 Kohärenzsinn (sense of coherence) meint „eine globale Orientierung, die ausdrückt, in welchem Umfang man ein generalisiertes, anhaltendes, jedoch dynamisches Gefühl des Vertrauens besitzt, dass 1) die Ereignisse in der eigenen inneren und äußeren Umwelt im Lebensverlauf strukturiert, vorhersagbar und erklärbar sind; dass 2) Ressourcen verfügbar sind, um den aus diesen Ereignissen stammenden Anforderungen zu entsprechen und dass 3) diese Anforderungen herausfordernd sowie Einsatz und Engagement wert sind“ (Antonovsky, 1987, S. 19, freie Übersetzung der Autorin). 4 „(Drucker, 1961) meint beispielsweise, wenn ein Manager sich nicht selbst führen könne, werde ihn keine Fähigkeit, Fertigkeit, Erfahrung und kein Wissen zu einem leistungsfähigen Manager machen“ (Graf-Götz & Glatz, 1998, S. 182).

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Selbstmanagement-Kompetenzförderung in Organisationen – ein ungelöstes Problem 8

langfristig im Unternehmensalltag amortisieren wird. Verbesserte Arbeitsorganisation, vermehrte Gelassenheit helfen, reibungslosere Abläufe zu gestalten“.

1.2 Unzulängliche Angebote zur Selbstmanagement-För derung

Da Personalentwicklern die Aufgabe zukommt, Unterstützungsangebote für festgestellte Qualifi-zierungsbedarfe bereitzustellen, ist die Frage, wie das individuelle Selbstmanagement von Or-ganisationsmitgliedern unterstützt werden kann, insbesondere für sie relevant. Doch die Suche nach Hilfestellungen, Anregungen und Angeboten zur Selbstmanagement-Förderung dürfte je-den Referenten, der sich in wenigen Stunden, Tagen oder Wochen einen Überblick verschaffen muss, hoffnungslos überfordern. Rund um das Thema „Selbstmanagement“ hat sich eine wahre Flut von Seminarangeboten, anwendungsorientierter Literatur, Videos, Computer Based Trai-nings und Fragebögen entwickelt (vgl. Pütz, 1997; Klein, 2001; Porath, 2004). Die Eingabe des Suchbegriffs „Selbstmanagement“ in Google liefert etwa 721.000 Einträge (Stand: 16.10.2008). Die Suche in fachspezifischen Foren wie der Website www.managerseminare.de (am 04.09.2008) reduziert die Vielfalt gerade mal auf 2154 Einträge, von denen sich 708 auf Semi-narangebote beziehen. Es fällt allerdings auf, dass unter dem Titel Selbstmanagement sehr ver-schiedene Konzepte kursieren (vgl. 2.2).

1.2.1 Selbstmanagement-Training als pauschales Erfo lgsrezept

Inhaltlich erscheinen viele Trainings und Ratgeber darauf ausgelegt, den Leser mittels möglichst einfacher, anhand peppiger Aphorismen verdeutlichter Erfolgsrezepte zu einem strengeren Um-gang mit sich selbst zu missionieren. Die folgende Aufzählung gibt einen Überblick über übliche pauschale Empfehlungen, aus denen sich die Ratgeberliteratur speist:

• „Es gilt, die Arbeit zu planen und nach dem Plan zu arbeiten“ (Carlberg, 1971, S. 63); • „Allein die Konzentration führt bereits zum Erfolg. [...] Die 70:20-Regel – häufig auch als 80:20 oder 70:30 oder

65:15-Regel bezeichnet – besagt folgendes: Mit 20 bis 30% des Kräfteeinsatzes lassen sich bereits 70 bis 80% des durchschnittlichen Erfolgs erreichen“ (Wagner, 1993, S. 9).5 „Tue es gleich (Was Du heute kannst besor-gen...) – und richtig! [...] Alle unerledigten Aufgaben erfassen und transparent machen! [...] Aufgaben nach Priori-täten ordnen- Das Wichtigste zuerst! [...] Rechtzeitig beginnen – Terminplanung ist keine Zeitplanung! [...] Mit dem Unangenehmsten anfangen, statt es zu verschieben! [...] Nicht vorzeitig aufgeben! Versuche es nochmals!“ (ebd., S. 76).

• „Machen Sie Inventur: Rollen/ Lebensbereiche und Bedürfnisbefriedigung [...] Jeder muss sein eigenes System designen“ (Czichos, 2001, S. 9).

• „Beherrschen Sie Ihre eigene Zeit!“ (Seiwert, 1999, S. 13); .„Nicht wie der Wind weht, sondern wie Sie die Segel setzen, darauf kommt es an!“ (ebd., S. 14); „Planen Sie schriftlich“ (ebd., S. 30) „8 Minuten Planung = 1 Stunde Zeit-Gewinn“ (ebd., S. 31); „Der Rest muß verschoben, gestrichen oder in Überstunden abgearbeitet werden“ (ebd., S. 41); „Beginnen Sie positiv“ (ebd., S. 52) „Beachten Sie die Leistungskurve“ (ebd. , S. 58); „Praktizieren Sie mehr ‚Management by Delegation’!“ (ebd., S. 76); „Bleiben Sie konsequent“ (ebd., S. 92).

• „Das absolute Ziel in Ihrem Leben sollte es sein, KO-BE-PRO, also Körper, Beziehung und Profession, miteinan-der in die Balance zu bringen“ (Lasko, 1993, S. 41).

• „Salamitechnik: Definieren Sie Teilschritte“ (Dietze, 1998, S. 22). • „Bereiten Sie Ihre Tagespläne nach“ (Wehner, 1998, S. 377). • .„Kommen Sie Ihren Vorurteilen auf die Schliche und bemühen Sie sich, Ihnen Rechnung zu tragen – Betrachten

Sie die Dinge emotionsloser“ (Volk, 1986, S. 27). • „Dem ‚Kollegen’ Zufall keine Chance geben“ (Müller-Golchert, 1984, S. 14).

Die Erfahrung zeigt, dass diese zum Teil recht autoritär anmutenden Patentrezepte in der Regel kaum umsetzbar sind und häufig wirkungslos verpuffen:

„Trotz nachvollziehbarer, einfachster Handlungsempfehlungen scheint das Selbstmanagementproblem [...] nach wie vor ungelöst. Die Richtigkeit der zugänglichen Empfehlungen wird anerkennend bestätigt, die Empfehlungen selbst

5 Soweit nicht anders gekennzeichnet, entstammen Hervorhebungen in Zitaten nachfolgend immer dem Original.

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Selbstmanagement-Kompetenzförderung in Organisationen – ein ungelöstes Problem 9

aber werden nicht handlungsrelevant umgesetzt oder bleiben in längerfristiger Perspektive wirkungslos“ (Pütz, 1997, S. 3; vgl. Neuberger, 1994, S. 175 f.)

Müller (2003a) vermutet, dass die Wirkungslosigkeit sich darin begründet, dass diese Ansätze „primär an Symptomen und weniger an Ursachen defizitärer Arbeitshaltungen an[setzen]“ (S. 175). Es bleibt festzuhalten, dass der suchende Personalentwickler mit hoher Wahrscheinlich-keit auf fragwürdige Angebote zur Förderung von Selbstmanagement-Kompetenzen trifft.

1.2.2 Die geringe Nachhaltigkeit von Selbstmanageme nt-Interventionen

Wendet sich der Personalentwickler mit seiner Suche an die Wissenschaft, so wird er vermutlich ebenfalls enttäuscht. Denn hier dominieren unklare Begrifflichkeiten, eine Vielzahl zusammen-hangloser Modelle, die sich zum Teil nur implizit auf Selbstmanagement beziehen und Theorien, aus denen sich häufig keine pragmatischen Handlungsempfehlungen ableiten lassen. Die meis-ten Publikationen beziehen sich zudem auf den Anwendungsbereich der klinischen Psychologie. Insgesamt finden sich nur wenige Veröffentlichungen, die sich explizit auf Selbstmanagement im Organisationskontext beziehen (Brief & Aldag, 1981; Pütz, 1997; Roberts & Foti, 1998). Dem-entsprechend gering ist die Zahl der Studien, die sich mit der Förderung von Selbstmanage-ment-Kompetenz in Organisationen beschäftigen (vgl. Klein, 2001). Die wenigen Studien, in de-nen Selbstmanagement-Trainings in Organisationen evaluiert wurden, deuten auf Transferprob-leme und eine geringe Nachhaltigkeit hin (obwohl in der Mehrzahl der Studien hierzu aufgrund fehlender Follow-up-Messungen keine Aussagen möglich sind):

„Relapse can be problematic in self-management training because the emphasis is on the individual rather than the people in one’s environment reinforcing the newly acquired coping skills (Brownell, Marlatt, Lichtenstein, & Wilson, 1986). It can be especially problematic when the culture in which the trainee is functioning does not support these behaviors” (Latham & Frayne 1989, S. 412).

Möglicherweise sind die zumeist US-amerikanischen Studien aufgrund ihrer Kulturspezifität oh-nehin nicht ohne weiteres auf deutsche Verhältnisse übertragbar.6 Eine Prüfung des Beitrags vorliegender Interventionsstudien zur Handlungsorientierung für die Praxis steht noch aus. Vor-erst lässt sich folgendes festhalten: Es gibt große Diskrepanzen zwischen der Notwendigkeit, Unterstützungsangebote für die Förderung der Selbstmanagement-Kompetenz von Organisati-onsmitgliedern bereitzuhalten und den der Personalentwicklung dafür zugänglichen Angeboten. Auch verzeichnen die vorliegenden Lösungen aus Praxis und Wissenschaft wenig Erfolge im Hinblick auf nachhaltige Verhaltensänderungen. Herkömmliche Maßnahmen wie Ratgeber und Trainingsprogramme stoßen hier offensichtlich an ihre Grenzen.

1.2.3 Der blinde Fleck der Selbstmanagement-Förderu ng

Worauf gründet die fehlende Nachhaltigkeit vorhandener Methoden der Selbstmanagement-Förderung? In seiner Untersuchung von „psychischen Grundkonflikten im Selbstmanagement-Prozess von Führungskräften“ kommt Pütz (1997) zu dem Schluss, dass „Selbstmanagement-Probleme, die in Wirklichkeit auf der Interaktions- oder auf der Organisationsebene begründet sind, [...] als solche identifiziert und mit den für diese Ebenen adäquaten Interventionsmöglich-keiten bearbeitet werden [sollten]“ (S. 358). Dieses Ergebnis weist auf einen blinden Fleck der bisherigen Selbstmanagement-Forschung hin: Sowohl wissenschaftliche Erklärungsmodelle als auch gängige Interventions-„Rezepte“ zum Selbstmanagement konzentrieren sich ausschließlich

6 So wird „self-management“ in den USA in der Tradition eines calvinistischen Arbeitsethos wesentlich euphorischer rezipiert und höchstwahrscheinlich in ganz andere Sinnzusammenhänge eingebettet als in Deutschland. „Trompenaars [...] hat auf eindringliche Weise deutlich gemacht, wie kulturgebunden viele in den USA entwickelte und in anderen Ländern oft kritiklos übernommene Mana-gementmethoden sind“ (Blom & Meier 2004, S. 48).

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auf das Individuum. Die Forschung begeht hierbei den „fundamentalen Attributionsfehler“ (Ross, 1977): Die vielzitierte Formel von Lewin (1963, S. 69) „V= f(P,U)“7 wird auf V= f(P) verkürzt, da die soziale Umwelt ausgeklammert wird. Die Verantwortung für das Gelingen oder Nicht-Gelingen der Anstrengungen des Einzelnen wird ausschließlich in dessen Hände gelegt. Dabei besteht die „Gefahr, Größe und Umfang menschlicher Veränderungspotenziale zu überschätzen und zu suggerieren, als müsse man nur die inneren Ärmel hochkrempeln, um sich und seinem (Arbeits)Leben gewünschte Impulse geben zu können“ (Müller, 2003a, S. 198).

Kein Individuum betreibt jedoch Selbstmanagement im luftleeren Raum. Jedes Individuum ist in soziale Systeme eingebunden. Eine besondere Rolle kommt dabei Organisationen zu. In ihnen gilt, dass „keiner der beteiligten Akteure [...] einseitig die Spielregeln, die praktiziert werden, fest-legen und kontrollieren [kann]“ (Simon, 2001, S. 21). Die Verhaltensspielräume des Einzelnen werden umfassend durch die Organisation eingeschränkt. Alle organisationalen Standards und (Personal)Managementinstrumente zielen darauf ab, Organisationsmitglieder in Richtung der Organisationsziele zu lenken (vgl. Rosenstiel, Nerdinger, Spieß & Stengel, 1989; Argyris, 1990). Auch Führung soll aus einer rational-ökonomischen Sicht letztlich diesem Ziel dienen (Koch, 2007). Doch nicht nur top-down gerichtete, intendierte Strukturen führen zur Begrenzung der Selbstmanagement-Möglichkeiten des einzelnen Organisationsmitglieds. Die Einschränkung lässt sich auch als Ergebnis dynamischer Interaktions-Prozesse betrachten, wie das folgende Zitat von Schiepek & Strunk (1994) illustriert:

„Geläufige Alltagserfahrung ist es, daß8 sich soziale Strukturen (z.B. Erwartungen, Rollen, Hierarchien) entwickeln, sobald mehrere Personen interagieren. Phänomene der Kohärenzbildung bei deutlicher Reduktion individueller Frei-heitsgrade lassen sich jeden Samstag auf den Zuschauertribünen von Fußballstadien beobachten [...] Aus der Syner-getik ist bekannt, daß die selbstorganisierende Spontanaktivität eines Systems (Musterbildung) mit einer erheblichen Reduktion von Freiheitsgraden im Verhalten seiner Elemente einhergeht (z.B. Haken, 1989; Weise 1990). ‚Das Ganze ist weniger als die Summe seiner Teile’, formuliert Willke (1983) aus einer etwas anderen theoretischen Perspektive“ (S. 19f.; vgl. Schiepek, 2003).

Nicht nur Angestellte, auch Führungskräfte aus dem Top-Management fühlen sich im Vergleich zu freien Unternehmern und Selbständigen durch ihr Tätigkeitsumfeld deutlich eingeschränkt (Müller, Garrecht, Pikal & Reedwisch, 2002). Ihr Selbstmanagement stößt immer wieder an Grenzen. Dass die Versuche Einzelner zur Verbesserung ihres Selbstmanagements aus eige-nen Kräften häufig scheitern, liegt womöglich an der Komplexität der Einflussfaktoren und ihrer Wechselwirkungen. Auch ist anzunehmen, dass die subjektiv empfundenen Einschränkungen nicht notwendigerweise mit äußeren Gegebenheiten korrelieren. Die Orientierung an diesen Gegebenheiten ist für den Einzelnen nicht immer einfach. Denn jedes System bringt spezifische verhaltensregulierende Regeln und Interaktionsmuster hervor. Sie tragen dazu bei, abweichen-de Verhaltensänderungen zu erschweren. Dies mag ein Grund sein, warum pauschale Rat-schläge und standardisierte Verhaltenstrainings nicht zum gewünschten Ergebnis führen.

1.3 Projektansatz: Selbstmanagement in sozialen Sys temen

Die vorliegende Arbeit sucht geeignete Interventionen, mittels derer das einzelne, in ein System eingebundene Individuum sein Selbstmanagement besser entfalten kann. Zum besseren Ver-ständnis eines „self-management-in-systems“ wird eine systemische Perspektive herangezogen.

7 V = f (P, U) drückt in der Terminologie der Feldtheorie von Kurt Lewin (1963) aus, dass jegliches Verhalten definierbar ist als eine Funktion der psychologischen Person- und Umwelteinflüsse. 8 Zur besseren Lesbarkeit werden in Zitaten Rechtschreibfehler, die lediglich durch die neue deutsche Rechtschreibung bedingt sind, nicht kommentiert.

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Diese soll genutzt werden, um den klassisch psychologischen, individuumszentrierten Blickwin-kel zu ergänzen und den Möglichkeitsraum zur Förderung von Selbstmanagement in Organisa-tionen zu erweitern. Der Fokus wird von der Betrachtung individuellen Selbstmanagements auf die Betrachtung des Selbstmanagements von Personen in Organisationen bzw. in einem sozia-len System verschoben. Dies wirft die Frage danach auf, auf welchem Analyselevel eine Inter-vention im Sinne der Organisationsberatung oder Personalentwicklung sinnvoll erscheint. Bor-wick (1990) weist darauf hin, „daß alles Verhalten integriert und gegenseitig abhängig ist als Teil eines Systems oder Subsystems, und daß Interventionen in Richtung von Entwicklung und Ver-änderung auf der Systemebene statt auf der individuellen Ebene stattfinden sollten“ (1990, S. 363). Katz & Kahns (1978) Aufruf an eine angebrachte Vorgehensweise bei der Forschung in Systemen geht in dieselbe Richtung:

„Because of the hierarchical relationship of system levels and the functional relationships of system parts, the optimal strategy in social discovery is to look upward in the system. In natural science we look down for explanation, expect-ing that physiology will account for psychological processes, and biochemistry for physiological processes. In social science, however, our first search should be at the more complex system level“ (S.4).

1.3.1 Die Systemebene „Team“ im Fokus

Für diese Arbeit bedeutet dies, dass sich die Zielgruppe von einer für Forschungs- oder Inter-ventionszwecke zusammengestellten „ad-hoc-Gruppe“ (die sich beispielsweise in einem offenen Selbstmanagement-Training antreffen ließe) hin zur Arbeit mit einem bereits bestehenden Sys-tem verschiebt. Dies bringt gänzlich andere Merkmale und Herausforderungen mit sich als die für Forschungszwecke übliche „ad-hoc-Gruppe“. Anhand der Parallelen zwischen dem System „Organisation“ und dem System „Familie“ lässt sich dies mit Selvini-Palazzoli et al. (1995, S. 201 f.) verdeutlichen: Ebenso wie die Familie hat auch die Organisation ein komplexes, strukturiertes und funktionierendes Beziehungsgefüge herausgebildet, welches sich im Laufe der Zeit durch die Anpassung der Mitglieder an die wandelnden Umgebungsanforderungen entwickelt hat. Es ordnet das Zusammenleben und legt damit die Art, auf einzigartige Weise es selbst zu sein, fest. Dieses Gefüge ist für den außenstehenden Beobachter aufgrund der Variablen- und Komponen-tenvielfalt jedoch wesentlich schwieriger zu entschlüsseln und zu handhaben als das Bezie-hungsgefüge der Familiengruppe. In einer ad-hoc-Gruppe fehlt diese Ordnung der Kommunika-tions- und Interaktionsmuster weitgehend. Die Gruppe hat keine gemeinsame Geschichte und muss sich erst noch finden. Situationale Faktoren und Skripte (z.B. „Besuch einer Weiterbil-dungsveranstaltung“) spielen hier eine weitaus größere Rolle. Im Fazit ist die Arbeit mit beste-henden Systemen als wesentlich komplexer anzusehen.

Vor dem Hintergrund dieser Komplexität stellt sich die Frage, wie im Rahmen einer Förderung des Selbstmanagements von Organisationsmitgliedern die Systemgrenzen definiert werden können. Prinzipiell sind alle Personen in Erwägung zu ziehen, die an der Aufrechterhaltung oder Lösung der sich präsentierenden Selbstmanagement-Probleme in irgendeiner Weise beteiligt sind. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das individuelle Selbstmanagement stärker von dem Subsystem beeinflusst wird, das für den Einzelnen im Arbeitsalltag die höchste Relevanz hat. Im Kontext klassischer Organisationsstrukturen findet sich dieses Subsystem am ehesten in der Team- bzw. Abteilungs-Ebene inklusive der dazugehörenden Leitung. Die Teamebene als zu beobachtende Systemebene zu wählen, erscheint auch in Anbetracht der hohen Prävalenz von Teamstrukturen in Organisationen sinnvoll. Denn Teamarbeit stellt ebenso wie individuelles Selbstmanagement eine zentrale Anforderung flexibilisierter Organisationen dar.

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1.3.2 Die mögliche Funktionalität von Selbstmanagem ent-Problemen

Charakteristisch für die systemische Perspektive ist die Annahme der Funktionalität beobachte-ter Symptome. Übertragen auf die vorliegende Themenstellung kann man die oben skizzierten „Selbstmanagement-Probleme“ und vermeintlichen „Defizite“ in Selbstmanagement-Kompetenzen auch als in irgendeiner Form nützlich und dienlich für die Homöostase des Sys-tems „Team“ oder „Organisation“ betrachten (vgl. Kriz, 1989, S. 7). Aus diesem Blickwinkel ist es für das System nützlich, dass gerade so und nicht anders agiert wird, auch wenn dies auf indivi-dueller Ebene Leiden nach sich ziehen kann und dysfunktional erscheinen mag. Dies bietet auch einen Anhaltspunkt dafür, warum Verhaltensänderungen Einzelnen so schwer fallen und warum so schnell in alte Verhaltensmuster zurückverfallen wird. Wenn das System über diese Symptome sein Gleichgewicht bezieht, dann wird es bei Abweichungen versuchen, wieder in einen Zustand der Homöostase zu gelangen und die Symptome wieder „einfordern“. Auf wel-chem Wege solche Prozesse genau ablaufen, hat die Forschung bislang noch nicht untersucht. Aus der effektiven Störung und Bewältigung derartiger – für den Einzelnen dysfunktionalen, aus Sicht des Systems jedoch eingespielten – Muster lässt sich jedoch folgern, dass es dazu Alter-nativen gibt. Das folgende, dem klinischen Bereich entliehene Beispiel soll die dahinter stehende (Psycho-) Logik etwas greifbarer machen:

„ELLEBRACHT et aI. 1993 berichten von dem Fall eines Paares, bei dem der Mann unter der Zwangsvorstellung litt, seine Partnerin zu töten. Täglich und nächtlich quälten ihn diese Gedanken und Phantasien. Eine seit fünf Jahren laufende psychoanalytische Einzeltherapie zeigte keinen Effekt [...]. Im ersten Gespräch zeigte sich schnell, daß die Symptomatik ein fester Bestandteil des Lebens des Paares war. Sehr viel Zeit, Energie und Aufmerksamkeit wurden auf Gespräche über ‚das Problem’ verwendet. Ein Leben ohne die Symptomatik war für beide kaum noch vorstellbar. Die (gekürzte) Schlußintervention lautete in diesem Fall: ‚Wir sind bereit, Sie darin zu unterstützen, daß sich Ihr Wunsch, ohne die Zwangsvorstellungen zu leben, erfüllen wird. Wir möchten Sie aber warnen: Wir können die Zwangsvorstellungen nicht aus Ihrem Leben und Ihrer Beziehung entfernen, ohne daß sich Ihr Leben insgesamt än-dern wird. Sie müssen mit großen Veränderungen ... rechnen. Keiner, auch wir nicht, kann ... voraussagen, wie diese Veränderungen aussehen werden. Es ist sogar möglich, daß Sie sich nach erfolgreicher Therapie trennen ... Wollen Sie dennoch diese Therapie? Überlegen Sie es gut! (Beide antworten spontan mit einem entschlossenen Ja.) Gut, wir werden Ihnen dann eine Verhaltensaufgabe bis zum nächsten Gespräch in vier Wochen geben. Es wird sehr, sehr schwer für Sie sein, sich daran zu halten, und der Erfolg der Therapie wird von Ihrer ... Mitarbeit abhängen. Dazu brauchen Sie eine hohe Motivation, ohne die es nicht gehen wird. [...]’ Bis zur nächsten Sitzung in vier Wochen wird dann verschrieben, daß beide in ihren Gesprächen und Handlungen alles unterlassen, was im weitesten Sinne mit der Symptomatik zu tun hat: keine Diskussionen mehr, keine Absprachen. Der Mann soll sich verhalten, als ob es das Problem nicht gäbe. Das Paar wird verabschiedet mit der Aufforderung, sich in den nächsten Tagen zu melden, ob sie sich daran halten wollten oder nicht. Im anschließenden Therapieverlauf zeigt sich, daß nach relativ kurzer Zeit die Symptomatik keine Rolle mehr spielte, sich jedoch erhebliche Turbulenzen in der Beziehung der beiden Partner erga-ben, die bisher festen Rollen (der Mann als problematischer Patient, die Frau als ‚makellose’, erfolgreiche Anwältin) drehten sich um, der Prozeß mündet mehr und mehr in einen Zustand, der von den Therapeuten als ‚normale Bezie-hungskrise’ beschrieben wird. Diese mündete schließlich in eine einvernehmliche Trennung“ (Schlippe & Schweitzer, 2003, S. 188 f.).

Kriz (1989, S. 4) verweist darauf, dass der systemische Ansatz nicht dahingehend simplifiziert werden sollte, dass sich der Fokus der Bemühungen vom „kranken“ Individuum auf das „kranke“ Team (oder im obigen Beispiel das „kranke“ Paar) verschiebt. Entscheidend ist vielmehr, dass die „Krankheit“ aus einer anderen Perspektive gleichzeitig als „Fähigkeit“ verstanden werden kann, auftretende Schwierigkeiten auf eine bestimmte Art und Weise zu bewältigen.9 Selbstma-nagement-Probleme nicht allein auf „defizitäre Arbeitshaltungen“ (Müller, 2003a, S.175), „psy-chische Grundkonflikte“ (Pütz, 1997), Organisationsprobleme (Seiwert, 1999) oder fehlendes

9 Die Wahl der Perspektive wird dem Beobachter in der Regel (neben seinem grundsätzlichen Set an Werthaltungen und Einstellun-gen) vor allem durch das von ihm fokussierte Ziel nahe gelegt. Im Rahmen der Arbeit mit Teams ist beispielsweise vorstellbar, dass Kollegen bei der Beurteilung eines Teammitglieds Selbstmanagementdefizite diagnostizieren (z.B. mangelnde Erreichung der ver-einbarten Leistungsziele durch wiederholtes Aufschieben von Aufgaben). Zugleich kann die betroffene Person durch diese Handlun-gen für sich (und langfristig auch für die Organisation) erstrebenswerte Ziele wie Gesundheit und Stressfreiheit realisieren, so dass sich ihr Verhalten vor dem Hintergrund dieses Ziels als Fähigkeit, Leistungsanforderungen gelassen zu begegnen, begreifen lässt. Durch die Verbindung der beiden Perspektiven eröffnen sich neue Ansatzpunkte. Beispielsweise ließe sich vor diesem Hintergrund die Frage an das Team „Wie lässt sich die Arbeit im Team so organisieren, dass die Leistungsziele bei gleichzeitiger maximaler Stressfreiheit bzw. Gesundheitsförderlichkeit erreicht werden?“ ableiten.

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Selbstmanagement-Kompetenzförderung in Organisationen – ein ungelöstes Problem 13

Wissen über Selbstmotivation (Kehr, 2000) zurückzuführen, sondern auch als individuelle Be-gleiterscheinung nützlicher Lösungen in einem sozialen System zu betrachten, stellt daher ein Merkmal der Perspektive dar, die in dieser Arbeit weiter verfolgt werden soll. Vor diesem Hinter-grund liegt der Fokus im Gegensatz zu herkömmlichen Konzepten nicht darauf, Wissenslücken zu schließen und vermeintliche Schwächen Einzelner auszumerzen. Stattdessen legt der Ansatz nahe, einen Kontext zu schaffen, der sich förderlich auf die Nutzung bereits vorhandener Res-sourcen individueller Selbstmanagement-Kompetenz auswirkt.

1.3.3 Kernfrage und Untersuchungsgegenstand

Für diese Arbeit bedeutet dies, dass versucht wird, Bedingungen dafür herzustellen, dass das System die Art und Weise, wie es sich bisher selbst organisiert hat, zugunsten einer neuen Or-dung aufgibt. Die neuen Rahmenbedingungen sollten den Einzelnen in seinem individuellen Selbstmanagement weniger einschränken. Da für den Anwendungsbereich „Selbstmanagement“ keine diesbezüglichen Erfahrungen vorliegen, hat die Studie explorativen Charakter. Ziel ist die Erarbeitung und Dokumentation nützlicher Interventionen, um im vorhandenen System „Team“ einen Kontext zu schaffen, der es dem Einzelnen erlaubt, auf seine vorhandenen Selbstmana-gement-Kompetenzen zurückzugreifen. Zur Entwicklung eines solchen Interventionsprogramms werden die folgenden Arbeitsschritte vollzogen:

1. Präzision des der Arbeit zugrunde liegenden Selbstmanagement-Begriffs unter Rückgriff auf eine Expertenbefragung und eine Literaturanalyse.

2. Erhebung der Anforderungen einer exemplarischen Gruppe von Organisationsmitgliedern an Selbstmanagement-Interventionen10 in der Praxis.

3. Literaturauswertung zu bewährten und neuen Ansätzen der Selbstmanagement-Förderung in Organisationen.

4. Präzision der Ziele und Ausgestaltung des Interventionsprogramms unter Berücksichtigung Erfolg versprechender Ansätze und Methoden.

Das Programm soll im Hinblick auf seine Praktikabilität und die Nachhaltigkeit etwaiger Verände-rungen im Team bzw. bei den einzelnen Teammitgliedern geprüft werden. Letztere wäre dann gegeben, wenn sich erzielte Veränderungen stabilisierten und längerfristig beibehalten würden. Die Arbeitsschritte der empirischen Studie lassen sich wie folgt definieren:

1. Akquise von und Kontraktgestaltung mit Teams, an deren Mitglieder hohe Anforderungen im Hinblick auf ihr Selbstmanagement gestellt werden.

2. Erprobung und Dokumentation des Interventionsprogramms für die Arbeit mit diesen Teams.

3. Evaluation des Programms auf Individualebene im Hinblick auf zuvor definierte Erfolgsma-ße und Gütekriterien und mit Bezug auf die Nachhaltigkeit von Veränderungen.

1.3.4 Aufbau der Arbeit

Teil II fasst die theoretischen Grundlagen, welche die Basis für die empirische Untersuchung bilden, zusammen und besteht aus drei Kapiteln:

10 Mit „Selbstmanagement-Interventionen“ sind hier und fortan psychologische Interventionen gemeint, die sich zum Ziel setzen, das Selbstmanagement einzelner Individuen oder Gruppen zu entwickeln bzw. zu fördern.

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Selbstmanagement-Kompetenzförderung in Organisationen – ein ungelöstes Problem 14

Im 2. Kapitel wird das begriffliche Fundament der Arbeit gelegt. Neben dem Verständnis von Selbstmanagement in dieser Arbeit wird der Begriff des Systems konkretisiert. Das Kapitel schließt mit der Diskussion der Spannungen, die aus der Kombination der Begriffe bzw. der Be-trachtung von Selbstmanagement in sozialen Systemen resultieren.

Kapitel 3 fasst den Stand der Forschung zur Entwicklung individuellen Selbstmanagements in Organisationen zusammen. Es wird aufgezeigt, welche Zielgruppen von der Förderung von Selbstmanagement-Kompetenzen profitieren und auf welche Maßnahmen in der Regel zurück-gegriffen wird. Es wird die Bedeutung von Selbstmanagement-Trainings als einziger Maßnahme, für die bislang Evaluationsstudien vorliegen, herausgestellt. Dann erfolgt eine Darstellung dreier klassischer Trainingsansätze und ihrer Grundlagen. Daran schließt sich jeweils eine kritische Würdigung publizierter Trainingsmaßnahmen an.

In Kapitel 4 werden neue Ansatzpunkte zur Förderung von Selbstmanagement herausgearbei-tet. Neben bewährten Methoden der herkömmlichen Praxis der Selbstmanagement-Förderung werden insbesondere Anregungen aus der systemischen Organisationsberatung und der „Theo-ry U“ berücksichtigt. Die Grundgedanken, welche die tragenden Säulen des Interventionskon-zepts bilden, werden beschrieben.

Teil III liefert den methodischen Unterbau der Arbeit. In vier Kapiteln wird von der Entwicklung des Interventionskonzepts über die Wahl des Evaluationsparadigmas zum gewählten Evaluati-onskonzept und den konkreten Auswertungsmethoden hingeführt:

In Kapitel 5 werden die Ziele des Programms spezifiziert sowie die Zielgruppe eingegrenzt. Es folgt die Darstellung von Interventionsarchitektur und -design. Dabei wird erläutert, welche Inter-ventionen in welchem Setting geplant sind.

Kapitel 6 definiert die Anforderungen an den Evaluationsansatz. Bei der Diskussion des Evalua-tionsparadigmas werden sowohl die Perspektive der Forscherin sowie grundlegende Annahmen, auf welche sich diese Arbeit stützt, transparent gemacht.

In Kapitel 7 wird der gewählte Evaluationsansatz vorgestellt. Ferner werden Gütekriterien defi-niert, an denen sich die Arbeit orientiert.

Kapitel 8 erläutert die eingesetzten Evaluationsinstrumente und die Anwendung der gewählten Auswertungsverfahren. Es wird deutlich, welcher Weg zur Beantwortung der Forschungsfragen gegangen wurde und welche Schritte im Rahmen der Auswertung vorgenommen wurden.

Teil IV bündelt die Ergebnisse der Erprobung des Interventionsprogramms an sechs Teams. Der Teil besteht aus drei Kapiteln, von denen sich die ersten beiden auf die formative Evaluation und das letzte auf Ergebnisse der summativen Evaluation konzentrieren.

Das konkrete Vorgehen bei der Stichprobengewinnung, Erprobung und Evaluation der Interven-tionen ist Gegenstand von Kapitel 9. Hier finden sich ebenfalls Angaben zu Abweichungen und Modifikationen des ursprünglichen Konzepts und zu ersten Reaktionen der Teilnehmer.

In Kapitel 10 werden übergreifende Ergebnisse der formativen Evaluation berichtet. Sie erlauben Rückschlüsse auf die Akzeptanz des Programms und die Zufriedenheit der Teilnehmer im Ver-lauf der Beratung. Außerdem werden Implementationshindernisse, die im Rahmen der Durch-führung auffällig wurden, dargestellt.

Kapitel 11 enthält die Ergebnisse der summativen Evaluation. Es wird deutlich, welche Verände-rungen von den Beteiligten erlebt wurden.

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Selbstmanagement-Kompetenzförderung in Organisationen – ein ungelöstes Problem 15

In Teil V wird in zwei Kapiteln festgehalten, inwieweit das entwickelte Konzept tatsächlich umge-setzt werden konnte und inwiefern Programm und Studie erfolgreich waren.

In Kapitel 12 werden Durchführung und Ergebnisse bewertet und diskutiert. Hier erhält der Leser Aufschluss darüber, inwiefern das Konzept umgesetzt werden konnte. Außerdem wird geprüft, inwiefern die beabsichtigten Interventionsziele erreicht wurden.

Kapitel 13 zeigt die Grenzen der Studie sowie weiteren Forschungsbedarf auf. Abschließend werden die wesentlichen Arbeitsschritte und Erkenntnisse zusammengefasst.

Im Anhang finden sich unter anderem einige der im Rahmen der praktischen Erprobung einge-setzten Materialien und Erhebungsinstrumente.

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Die Selbstmanagement-Konstruktion dieser Arbeit 16

TEIL II: THEORETISCHE GRUNDLAGEN DER SELBSTMANAGEMENT - FÖRDERUNG IN ORGANISATIONEN

2 Die Selbstmanagement-Konstruktion dieser Arbeit

„Begriffe sind Brillen mit Scheuklappen“, schreibt Rolf Arnold (1997, S. 255). Dies unterstreicht sowohl den konstruktivistischen als auch den unterschiedsbildenden Charakter von Sprache. Von Forschern wird gemeinhin erwartet, dass sie die Tragfähigkeit der eigenen Begriffe reflektie-ren, die Brille folglich genauer unter die Lupe nehmen.11 Den Scheuklappen (d.h. was wird durch einen Begriff ausgeschlossen?) kann im vorliegenden Fall mit der Frage „Was ist Nicht-Selbstmanagement?“ nachgegangen werden. Ausgeschlossen wird durch den Begriff in der Regel jegliches fremdgesteuerte Verhalten (z.B. das Befolgen von Anweisungen einer Füh-rungskraft) oder Reaktionen auf Reize der äußeren Umgebung (z.B. ein Stück Kuchen bestellen, weil der Kuchen am Nachbartisch verlockend aussieht). Anhand der Beispiele lässt sich jedoch ein Problem der Selbstmanagement-Forschung verdeutlichen: Wenn ich mir eigenständig zum Ziel gesetzt habe, eine Beförderung zu erlangen, rational überlegt habe, welche Teilziele ich mir zur Erreichung dieses Ziels setzen sollte und auf dieser Basis zu dem Schluss komme, dass der beste Weg darin besteht, meinem Vorgesetzten immer recht zu geben und all seine Anweisun-gen widerspruchslos zu befolgen; wenn ich ferner täglich auf einer Liste vermerke, wie häufig und wie gut es mir gelingt, seinen Befehlen zu gehorchen – wer würde mir in diesem Fall ein gelungenes Selbstmanagement absprechen wollen? Ähnliches gilt im Kuchen-Beispiel für einen Schauspieler, der für eine Rolle 25 kg zunehmen möchte und sich zum Ziel setzt, seine Kalo-rienzufuhr nach Möglichkeit bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu steigern.

Auf Basis der äußerlichen Beobachtung eines Verhaltens lässt sich also gewöhnlich nicht beur-teilen, ob es sich um ein selbstgesteuertes Verhalten handelt oder nicht. Der Beobachter benö-tigt zumindest eine Vorstellung über die Ziele der beobachteten Person, um eine Einschätzung abgeben zu können, ob ein gezeigtes Verhalten Selbstmanagement wiedergibt. Dies erklärt, warum Selbstmanagement erst im Zuge der kognitiven Wende Einzug in die psychologische Forschung erhielt. Innerpsychische Konzepte wie zum Beispiel Zielvorstellungen wurden Indivi-duen im Kontext des Behaviorismus noch abgesprochen. Das erscheint aus der heutigen Per-spektive kaum nachvollziehbar. Das Ziel-Konstrukt hat sich auf breiter Fläche durchgesetzt. Ganze Organisationen richten sich daran aus. Luhmann (1994) macht den Siegeszug begriffli-cher Konstrukte nachvollziehbar, indem er erklärt,

„dass es vergeblich wäre, nach einem psychischen oder gar organischen Substrat von so etwas wie Person, Intelli-genz, Gedächtnis, Lernen zu suchen. Es handelt sich um Kunstgriffe von Beobachtern, mit denen Nichtbeobachtba-res gedeutet und auf die emergente Ebene des Zwischensystemkontaktes überführt wird. Geschieht dies und erfährt der Beobachtete dies, dann mag er dadurch angeregt werden, auch seine Selbstbeobachtung (die ja vor dem glei-chen Problem steht) daran zu orientieren, und nach einer Weile guter Erfahrungen damit wird er glauben, eine Person zu sein, Intelligenz und Gedächtnis zu haben, lernen zu können usw. Und niemand kann ihm widersprechen, weil niemand ihn genauer, als diese Begriffe es zulassen, beobachten kann“ (S. 159).

Der von Luhmann skizzierte Beobachter-Kunstgriff ist auch vielfach in Bezug „Selbstmanage-ment“ erfolgt. Dabei entwickelte sich der Begriff zu einem Sammelbegriff, der auf eine ganze Reihe von Maßnahmen angewendet wird, sofern diese nur entfernt damit zu tun haben, dass eine Person aus eigener Initiative und Motivation ihre Angelegenheiten in Richtung selbstdefi-

11 Es liegt in der Natur der Sache, dass die Lupe ebenfalls mit Scheuklappen ausgestattet ist.

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Die Selbstmanagement-Konstruktion dieser Arbeit 17

nierter Ziele lenkt. Hier liegt das zweite Problem der Selbstmanagement-Forschung. Denn natür-lich bezieht dies eine ganze Menge Themen auf unterschiedlichen Abstraktionsniveaus ein. Was in den Definitionsbereich von Selbstmanagement fällt und wo die Grenze zum „Nicht“-Selbstmanagement liegt, hängt vom Verständnis des Forschers ab. Die Bandbreite an Definitio-nen ist damit zu erklären, dass Konzepte zum Selbstmanagement in vielen verschiedenen Be-reichen angewendet werden.12 Dadurch erscheint das Konzept häufig etwas verwässert. Die zum Teil inflationäre Verwendung des Begriffs verdeutlicht das folgende Zitat:

„Folgende Selbstmanagementstrategien werden angesprochen: Zielmanagement, Intentionsmanagement, Zeitmana-gement, Emotionsmanagement, Finanzmanagement, Gesundheitsmanagement, Beziehungsmanagement, Paten-schaftsmanagement, Wissenschaftsmanagement, Stressmanagement und Konfliktmanagement“ (Braun et al., 2003, S. 151).

Doch auch eine gegenläufige Tendenz der Reduktion von Selbstmanagement auf die Themen-bereiche Zeitmanagement, Arbeitsmethodik und Arbeitsorganisation ist verbreitet (Pütz, 1997; Müller, 2001; Müller, 2003). Diese Unbestimmtheit und Unschärfe macht es erforderlich, das dieser Arbeit zugrunde liegende Verständnis des Begriffs zu benennen. Jegliche Begriffsbildung ist interessenbezogen (Kirchhöfer, 2004, S. 12). Der Begriff „Selbstmanagement“ wird in dieser Arbeit im Kontext einer explorativen Untersuchung in der Unternehmenspraxis verwendet. Zwar ist der Begriff unscharf, jedoch wird er so bereits in der Praxis angewendet. Um leichteren An-schluss an die Praxis zu ermöglichen, wird das Begriffsverständnis von Praktikern explizit einbe-zogen. Für ein besseres Verständnis des inhaltlichen Kerns des Selbstmanagement-Begriffs werden zuvor seine wesentlichen Teile – zum einen das „Selbst“ und zum anderen der Steue-rungsaspekt – aufgeschlüsselt. Da das vorliegende Erkenntnisinteresse auf Selbstmanagement in sozialen Systemen zielt, wird nach der für diese Arbeit maßgeblichen Definition von Selbst-management über die Verbindung der beiden Begriffe (Selbstmanagement und System) das Problem aufgezeigt, auf das der hier entwickelte Selbstmanagement-Begriff eine Antwort gibt.

2.1 Facetten des Selbst

2.1.1 Das Selbst als Subjekt, Objekt, Prozess, Stru ktur

Gemeinhin wird der Begriff „Selbst“ in der Psychologie für eine personalisierte mentale Struktur verwendet, die sich durch Introspektion erschließen lässt (Tschacher & Rössler, 1996, S. 1011). Bei der Betrachtung des Selbst fallen Subjekt und Objekt der Erkenntnis zusammen, ohne dass sich das erkennende Subjekt und das erkannte Objekt analytisch trennen ließen. Das Selbst entspricht jedoch keiner Entität oder Struktur, die sich ihrer selbst bewusst werden kann (vgl. Madell, 1981). Es hat kein organisches Substrat, sondern ist das Ergebnis vielfältiger kognitiver Prozesse (vgl. Tschacher & Rössler, 1996; Arnold & Siebert, 2006). Die Prozesse selbst befin-den sich in ständiger Veränderung. Die „Produkte“ dieser Prozesse können als veränderbare, aber bisweilen recht überdauernde Struktur betrachtet werden, wie dies in der Selbstkonzeptfor-schung (z.B. Filipp, 1979; Greve, 2000) geschieht. Ein „Selbst“ zu haben bzw. zu sein ist eine intersubjektiv geteilte Erfahrung:

12 So findet sich der Begriff beispielsweise in allen nachfolgend aufgelisteten Bereichen: Ratgeber und Trainingsprogramme zu Arbeitstechniken (z.B. Carlberg, 1971; Wehner, 1987; Wagner, 1993; Dietze, 1998), Ansätze zur Persönlichkeitsentwicklung und Selbstverwirklichung (z.B. Graf-Götz, 1998), Selbsthilfe-Ansätze zur Performance-Steigerung und Karriereorientierung (z.B. Covey, 1999), Führungskonzepte (z.B. Manz & Sims, 1980), mentales Training von Leistungssportlern, schulpsychologische Ansätze, Be-handlung psychischer Störungen (Metamodell zur Strukturierung des Vorgehens im Rahmen einer Therapie, z.B. Kanfer et al., 2000), medizinische Patientenedukation, Erweiterung des Tätigkeits- und Dispositionsspielraums von Arbeitsgruppen (z.B. Trist, 1990; Strunk, 2000).

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Die Selbstmanagement-Konstruktion dieser Arbeit 18

„Unser Gehirn produziert eine Konstruktion (Mahoney, 1995), durch die wir uns als Initiatoren und Autoren von Hand-lungen erleben können, durch die wir ein Bild von uns selbst haben, und durch die wir uns als kohärent und eins mit uns selbst erfahren. Das Selbst könnte man in dieser Hinsicht […] als eine Meta-Repräsentation [bezeichnen], mit der sich ein vielfach parallel und hierarchisch funktionierendes Gehirn ein Bild seines Funktionierens-in-der-Welt und eines Aktionszentrums erschafft“ (Haken & Schiepek, 2005, S. 261; vgl. Grawe, 1998, S. 200).

In diesem Bild stellt sich der äußere Kontext häufig so dar, dass wir entgegen der Tatsachen den Eindruck haben, ihn kontrollieren zu können (Sullivan, 1989, S. 355). Daraus lässt sich schließen, dass unser Gehirn uns im Normalfall die Interpretation unseres Selbst als Agenten „zurechtlegt“. Diese Interpretation ist in vielen Kontexten funktional, da sie die Handlungsfähig-keit maximiert. Das Selbst in diesem Zusammenhang als System zu betrachten, ist ein Ansatz, den sowohl die kognitive Sozialpsychologie (Howard, 1991) als auch die Verhaltenstherapie (Kanfer et al., 2000; Köllner, 2004) verfolgt. Wedekind und Georgi (2003) schlagen explizit für die Arbeit mit Teams vor, neben dem Teamsystem auch die Person des einzelnen Mitarbeiters als Selbstsystem zu beschreiben. Da die vorliegende Arbeit den Begriff des Systems im Hinblick auf psychische Systeme (einzelne Teammitglieder) und soziale Systeme (Teams und Organisa-tionen) anwendet, werden diese beiden Facetten näher betrachtet.

2.1.2 Selbst und Organisation als System

Eine klassische Definition des Systembegriffs stammt von Hall & Fagen (1971, S.94). Ihnen zu-folge besteht ein System aus einer Menge von Elementen (bzw. Objekten), zusammen mit den Beziehungen zwischen den Elementen und den Merkmalen der Elemente.13 Charakteristisch für Systeme ist damit, dass die Elemente sich in Wechselwirkung gegenseitig beeinflussen und dass sich eine Grenze ziehen lässt zwischen System und Nicht-System bzw. Umwelt. Diese Definition trifft sowohl auf Zellen, Organe, physiologische Funktionszusammenhänge und Indivi-duen (Schiepek, 1987, S. 15) wie auch auf soziale Systeme zu. Die Elemente von Systemen setzen sich bei lebenden oder biologischen Systemen aus physischen Einheiten (z.B. Zellen, Organen) zusammen. Psychische Systeme bestehen aus Kognitionen und Bedeutungen (We-dekind & Georgi, 2003). Das Selbst lässt sich als psychisches System verstehen:

„A self system [...] refers to cognitive structures that provide reference mechanisms and to a set of subfunctions for the perception, evaluation, and regulation of behavior” (Bandura, 1979, S. 348).

Umstritten sind dagegen die Einzelbestandteile sozialer Systeme. Mindestvoraussetzung für ein soziales System ist die Interaktion zweier Personen. Eine Organisation stellt ein weitaus kom-plexeres Gebilde dar. Sie lässt sich definieren als:

„System, das zeitlich überdauernd existiert, spezifische Ziele verfolgt, sich aus Individuen, bzw. Gruppen zusammen-setzt, also ein soziales Gebilde ist und eine bestimmte Struktur aufweist, die meist durch Arbeitsteilung und eine Hie-rarchie von Verantwortung gekennzeichnet ist“ (Rosenstiel, 2003, S.6).14

Mit dem Systembegriff, wie er hier verwendet wird, sind als wesentliche Merkmale Komplexität, Selbstreferentialität15 und Selbstorganisation16 konnotiert. Sie werden sowohl für das Selbst- als

13 Das Wort „systemisch“ stammt dabei etymologisch vom griechischen Begriff „histamein“ ab, was soviel bedeutet wie „zusammen stehen“ und verbunden sein (Hänsel, 2002, S. 28). 14 Diese Definition deckt sich weitgehend mit Kriz’ (1987) Auffassung, der in seiner „personenzentrierten Systemtheorie“ Personen als Elemente sozialer Systeme betrachtet. Luhmann (1994) jedoch bestimmt Kommunikationen zum grundlegenden Element sozia-ler Systeme. Unter Kommunikation sind spezifische Interaktionen zu verstehen, die mithilfe von Zeichen und Codes ablaufen und Systeme zur Konstruktion von Sinn anregen. Personen bzw. Mitarbeiter gehören aus dieser Sicht zur Umwelt einer Organisation. Dies wird mit der autopoietischen Qualität von Organisations-Systemen (s.u.) begründet. Da Menschen nicht durch die Organisation produziert werden, gelten sie nicht als Elemente des Systems Organisation (vgl. Greif et al. 2004, S.98). Eine Brücke zwischen diesen beiden Auffassungen schlägt Hejl (1994). Er definiert soziale Systeme als „bestehend aus einer Menge von Individuen [...] [welche] die gleichen Wirklichkeitskonstrukte ausgebildet haben [...] [und] mit Bezug auf diese Wirklichkeitskonstruktion tatsächlich handeln und interagieren“ (S. 113). Es ist anzunehmen, dass gleiche oder ähnliche Wirklichkeitskonstrukte zwischen Individuen letztlich nur über Kommunikation vermittelbar sind. 15 Selbstreferentialität bezeichnet die Fähigkeit jedes lebendigen Systems, einen Bezug zu sich selbst in Abgrenzung zur Umwelt herzustellen. Dynamik und Struktur eines Systems beruhen nicht auf Umweltvorgaben, sondern auf internen Prozessen (Schiepek &

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Die Selbstmanagement-Konstruktion dieser Arbeit 19

auch das Organisationssystem angenommen.

Für Kuhl (1996) stellt Selbstorganisation bereits eine Form der Handlungssteuerung dar. Es ist zu vermuten, dass er diese Verknüpfung angesichts der Verhaltenswirksamkeit vieler Selbstor-ganisationsprozesse vornimmt. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden mit dem Begriff der Steuerung jedoch Aspekte verknüpft, die mit Selbstorganisationsprozessen im strengen Sinne inkompatibel sind. Das Selbst des Menschen aus der Perspektive der Selbstorganisation ent-spricht einer Makroebene, die als emergentes Produkt der Selbstorganisation einer Vielzahl von Gehirnprozessen auf Mikroebene entsteht und ihrerseits die einzelnen Mikroprozesse beein-flusst. Es scheint aus einer selbstorganisierenden Systemdynamik heraus nicht erklärbar, dass ein psychisches System sein eigenes Funktionieren als kritisch beurteilt oder dass es nach Zie-len wie „Lebensqualität“, „Wohlbefinden“ etc. strebt. Aus Sicht der Selbstorganisation lässt sich keine Valenz der Systemzustände ableiten. Die Unterscheidung wird entlang der Dimension „geordnet/ungeordnet“ getroffen, es gibt jedoch kein „besser oder schlechter“ eines Systemzu-stands. Aus dieser Perspektive ist keine Selbststeuerung möglich, da Selbstorganisation eine Systemqualität darstellt und per definitionem nicht intentional gesteuert ist. Eine gezielte Selbst-steuerung wirft aus dieser Sicht die Frage nach dem Ursprung der Intention auf und mündet im infiniten Regress der Frage „Wer steuert den Steuermann?“. Gerade der Steuerungsaspekt ist jedoch inhärentes Merkmal des Selbstmanagement-Begriffs. Hier deutet sich eine Diskrepanz zwischen diesem Begriff und einer systemischen Perspektive an.

2.2 Selbstmanagement als Steuerung des Selbst im Or ganisations-kontext

2.2.1 Das Selbstmanagement-Verständnis von Wissensc haftlern

„Der engere Begriff der Steuerung setzt [...] ein funktional handelndes Subjekt mit einem be-nennbaren Steuerungsziel voraus, das Maßnahmen zur Zielerreichung ergreift“ (Degele, 1997, S. 3). Gesteuert wird dadurch, dass Ziele, Operationen, Strategien oder Kontrollprozesse selbst bestimmt und vorgegeben werden. Im Kontext der Selbststeuerung impliziert dies ein Verständ-nis des Selbst als Agenten. Die intersubjektiv geteilte Erfahrung des Selbsterlebens wird zum

Strunk, 1994, S. 26). Daraus ergibt sich eine weitgehende Autonomie und Unabhängigkeit von der Systemumwelt. Einige Autoren spitzen diese Annahme zu und nehmen eine operationale Geschlossenheit der funktionalen Organisation von Systemen an. Am Gehirn verdeutlichten Maturana & Varela (1987) diese angenommene Systemeigenschaft: Das Gehirn ist von anderen Systemen relativ unabhängig. Es nimmt keine Informationen direkt auf, sondern nimmt Umweltsignale wahr und interpretiert sie. Die Theorie autopoietischer Systeme (Maturana & Varela, 1987; Maturana, 1982) geht davon aus, dass Systeme durch ihr Operieren fortwäh-rend die Elemente, aus denen sie bestehen, selbst erzeugen. Sie reproduzieren sich selbst. Aus dieser Perspektive sind Systeme zwar energetisch offen, hingegen informationell geschlossen (vgl. Willke, 1984). Ein psychisches System beispielsweise erzeugt die Informationen, die es verarbeitet, im Prozess der eigenen Kognition. Seine Operationen hängen jeweils von den vorhergehenden Operationen, von der Systemhistorie, ab (Maturana, 1982). Ein psychisches System wie das Selbst konstruiert demnach aufgrund seiner funktionalen und physiologischen Beschaffenheit seine eigene kognitive Welt (vgl. Schmidt, 1994). Tschacher (1990) kritisiert den Begriff der Autopoiese als tautologisch, solipsistisch und für empirische Forschung gänzlich ungeeignet. Da die Grundannahme jedoch mit nützlichen Implikationen für eine geeignete Form von Interventionen in psychische und soziale Systeme einhergeht (vgl. Kap. 4), wird sie hier beibehalten. 16 Das Prinzip der Selbstorganisation stellt eine Antwort auf die Schlüsselfrage dar, wie in einem System Ordnung entsteht und aufrechterhalten wird (Kirchhöfer, 2004, S. 73). Selbstorganisiert sind Prozesse dann, wenn weder eine Lenkung von außen noch Gestaltungsabsichten vorliegen und dennoch spontane Ordnungsstrukturen entstehen (vgl. Kriz, 1989). Prozesse des Gehirns gel-ten beispielsweise als Prototyp von Selbstorganisationsprozessen: „Beispiele für Selbstorganisation reichen von zeitlich weit er-streckten molaren Motivationsphänomenen wie dem ‚Flußerleben’ bei selbstvergessenen Hochleistungsaktivitäten (Czikszentmihalyi, 1975) bis zu molekularen Phänomenen wie der unwillkürlichen Aufmerksamkeit für unerwartete Reize in der Peripherie des Ge-sichtsfeldes“ (Kuhl, 1996, S. 670 f.). Aber auch Qualitäten von sozialen Systemen wie beispielsweise Interaktionsstile oder Gruppen-kohäsion lassen sich als Resultat dynamischer Selbstorganisationsprozesse beschreiben. Schiepek (2003) bezeichnet diese Quali-täten als kollektive Ordnungsparameter eines sozialen Systems. Sie reduzieren die Freiheitsgrade im Denken und Verhalten der Systemmitglieder (Subsysteme oder Komponenten). Er verdeutlicht die zirkulären Kausalitäten zwischen den verschiedenen Syste-mebenen wie folgt: „Components become part of coherent patterns which are determining their behaviour (top-down causality), but the other way round, interactions between components constitute emergent patterns and qualities not yet existing at the level of components (bottom-up causality)” (Schiepek, 2003, S. 1024).

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Die Selbstmanagement-Konstruktion dieser Arbeit 20

Ausgangspunkt genommen (vgl. Howard, 1991). Dies ist ein zutiefst psychologischer Ansatz, der bei einigen auf Kritik stößt (z.B. Schiepek, 1998). Pragmatisch gesehen erscheint er jedoch in Anbetracht der Fülle der dadurch entstandenen Erkenntnisse als ausgesprochen nützlich und viabel.17

Den Konzepten der Selbstkontrolle18, Selbstregulation19, Selbstführung und des Selbstmanage-ments ist vor diesem Hintergrund gemein, dass sie zielgerichtete Prozesse der Selbstobjektivie-rung beschreiben. Viele Autoren verwenden den Begriff „Selbstmanagement“ als Sammelbegriff oder Synonym für Selbstkontrolle oder Selbstregulation. Die undifferenzierte Verwendung des Begriffs mag in diesem Fall der Annahme Rechnung tragen, dass es „kaum ein Verhaltensphä-nomen geben [dürfte], das durch ausschließlich eine Steuerungsform charakterisiert ist“ (Kuhl, 1996, S. 670f.). Im Gegensatz zu „Selbstregulation“ oder „Selbstkontrolle“ hat sich „Selbstmana-gement“ vor allem im Organisationskontext durchgesetzt. Müller (2001, S. 295) erklärt dies da-mit, dass durch den Begriff „Management“ der Teil des Selbstkonzepts angesprochen wird, der die Arbeitsidentität von Personen repräsentiert. „To manage“ bedeutet im angloamerikanischen Sprachraum so viel wie „erfolgreich zustande bringen“ (Zwahr, 2006, S. 570). Ebenso wie im Begriff der Steuerung wird folglich Intentionalität signalisiert. Darüber hinaus ist die Wirkung des „dabei erfolgreich Seins“, das heißt die Erreichung der erwünschten Zustände, im Begriff bereits mit angelegt. Die Ideale, die durch den Begriff hindurchscheinen, sind folglich die der Machbar-keit und der Effizienz.20 Außerdem verweist der Managementbegriff auch auf die Prozesshaftig-keit des Geschehens und wird dem zyklischen Charakter von Selbststeuerungsprozessen ge-recht:

„Selbstmanagement kann weder verstanden werden als ein einmal erreichter stabiler Gleichgewichtszustand noch ist Selbstmanagement abbildbar als lineare Bewegung zu einem vorher definierten und wünschenswerten Endzustand“ (Pütz, 1997, S. 30; vgl. Staehle, 1989).

In Anlehnung an die Unterscheidung von Bennis & Nanus (1985) zwischen „Manager“ und „Lea-der“21 grenzt Manz (1986, S. 590) den Terminus „self-leadership“ von „self-management“ ab.

17 Viabilität (lat. „Gangbarkeit“) bezeichnet die lebenspraktische Brauchbarkeit von Wahrnehmungen, Erkenntnissen, Begriffen oder Handlungen und ihre Passung zum Anwendungszweck. Glasersfeld (1987) fasst in Anlehnung an die bekannte Aussage von Feye-rabend (1988) Viabilität mit der Formel „anything goes if it works“ (S. 429) zusammen. Eine individuelle Konstruktion wird danach beurteilt, ob sie zweckmäßig, funktional oder passend ist, um sich in der Welt zurechtzufinden: „Wissen ist brauchbar, relevant, lebensfähig (oder wie immer wir die positive Bewertungsskala nennen wollen), wenn es der Erfahrung standhält und uns befähigt, Vorhersagen zu machen und gewisse Phänomene (d.h. Erscheinungen, Erlebnisse) zu bewerkstelligen oder zu verhindern“ (Gla-sersfeld, 1985, S. 22). 18 Unter Selbstkontrolle wird die Fähigkeit eines Individuums verstanden, „eigenes problematisches oder konflikthaftes Verhalten durch andere Verhaltensweisen zu steuern, d.h. in ihrer zukünftigen Auftrittswahrscheinlichkeit zu verändern“ (Reinecker, 1999, S. 300). Das Konzept der Selbstkontrolle beruht auf klassischen verhaltenstherapeutischen Prinzipien. Aus behavioristischer Perspekti-ve galt das Konzept als ein Spezialfall der Fremdkontrolle (Städtler, 1998) und das Selbst als Erklärungslücke, die aus der ungenü-genden Erforschung der externen Ursachen des Verhaltens resultiert (Köllner, 2004). Das Selbst ist diesem Verständnis nach eher Objekt als Subjekt der Steuerung (Kuhl, 1996). Durch den Begriff der Selbstkontrolle ist immer eine Problemstellung impliziert, in der konflikthafte Kontingenzen vorliegen (Schiepek, 1998; Reinecker, 2000), z.B. Verhaltensweisen, die kurzfristig positive, langfristig aber problematische Konsequenzen nach sich ziehen (Mahoney & Arnkoff, 1979). Entsprechend wird „self-control“ in der 5. Auflage des Thesaurus of Psychological Index Terms definiert als “the ability to repress or the practice of repressing one’s behavior, impulsi-ve reactions, emotions, or desires” (APA, 1988, S. 178). Strategien zur Ausübung von Selbstkontrolle unterscheiden sich nicht von jenen der Selbstregulation. Nur der Anwendungsbereich lässt der Selbstkontrolle ihre spezifische Qualität zuteil werden. 19 Wenn bei der Selbstregulation zwar weniger der Aspekt einer „Selbstüberwindung“ im Vordergrund steht, so trifft für sie doch ebenfalls zu, „daß eine Person ihr eigenes Verhalten im Hinblick auf selbstgesetzte Ziele steuert, (wobei) die Regulation [...] durch eine Modifikation des Verhaltens selbst oder durch eine Einflußnahme auf die Bedingungen des Verhaltens“ (Kanfer, 1996, S. 33; vgl. APA, 1988, S. 178) erfolgt. Ähnlich wie bei der Selbstkontrolle sind Realisierungsschwierigkeiten von Bedeutung, da diese die Auslösebedingung für Willensprozesse bilden (Kuhl, 1996). Im Prozess der Selbstregulation nach Kanfer et al. (2000) lösen sich Phasen der Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und Selbstverstärkung ab. Das Verständnis von Selbstregulation ist eng mit dem Begriff der Homöostase verknüpft: Zwischen den drei Phasen finden jeweils Rückkopplungen statt. Entscheidend für die Selbstregu-lation ist der teleologische Aspekt, das heißt die Beibehaltung der selbst gesetzten Ziele (Reinecker, 1999). Nur akzeptierte, „selbst-kongruente“ Ziele, die eine Person als von sich selbst verfolgt bezeichnen würde, können nach Kuhl (1996) auch selbstreguliert verfolgt werden. Selbstregulation ist diesem Verständnis zufolge nicht nur ein Oberbegriff für Strategien der Selbstbeeinflussung, sondern erhält ihre distinktive Note durch die Kongruenz mit intrinsischen Bedürfnissen. Diese spiegelt sich Ryan & Deci (1999) zufolge auch im Erleben (z.B. der Mühelosigkeit) der Selbstregulation wieder. 20 Dass die Verbindung dieser Ideale mit dem „Selbst“ des Menschen leicht als technokratische Rationalisierung der eigenen Person interpretiert werden kann, spiegeln Aussagen wie die von Siegert (1991) wieder, der Selbstmanagement mit der „Kunst der Ausbeu-tung“ (S. 21) gleichsetzt. 21 Diese lässt sich auf die vielzitierte Formel reduzieren, dass ein „Manager“ sich bemüht, die Dinge richtig zu machen, während ein

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Die Selbstmanagement-Konstruktion dieser Arbeit 21

Selbstführung geht in seinen Augen über Selbstmanagement hinaus, da sie den Aspekt der Zielentwicklung und -definition beinhaltet. Obwohl dieser Ansatz auch von Müller (2003) über-nommen wurde, hat sich die Unterscheidung im deutschen Sprachraum nicht durchgesetzt. Ent-sprechend werden Selbstführung, Selbststeuerung und Selbstmanagement in der Organisati-onsliteratur weitgehend synonym verwendet.

Das Hauptanliegen im Rahmen der Begriffsklärung dieser Arbeit besteht darin, den Begriff so zu konkretisieren, dass dabei die Anschlussfähigkeit an die Praxis erhalten bleibt. Daher werden im Folgenden die Teilergebnisse einer eigenen Vorstudie dargestellt, welche das Verständnis des Selbstmanagement-Begriffs von Praktikern widerspiegelt.

2.2.2 Das Selbstmanagement-Verständnis von Coaches

Im Rahmen einer qualitativen Fragebogenstudie von Buhl, Roth & Düx (2007) gaben 20 profes-sionelle Coaches Auskunft zu ihrem persönlichen Verständnis von Selbstmanagement und der konkreten Umsetzung dieses Konzepts in ihrer eigenen Arbeit. Die Antworten einiger Coaches bestätigen den Eindruck relativer Unschärfe und Uneinheitlichkeit, der dem Begriff „Selbstmana-gement“ anhaftet: Einige bezeichnen den Begriff als „ziemlich abgedroschen“, „modische Be-zeichnung“ und „sprachlich äußerst unscharf“. Dennoch kristallisiert sich bei näherer Betrach-tung ein pragmatisches Bild des Begriffs heraus: Unter „Selbstmanagement“ verstehen die be-fragten Coaches ein Bündel unterschiedlicher Fähigkeiten, Verhaltensweisen und Einstellungen.

Am häufigsten werden Fähigkeiten genannt, die entweder die effiziente Organisation von Zeit und Abläufen oder die Selbstwahrnehmung, -bewertung und -steuerung des Klienten betreffen. Darüber hinaus wird der gezielten Erhaltung der eigenen Lebensqualität bzw. des Wohlbefin-dens eine hohe Bedeutung beigemessen. Eine wichtige Rolle für ein gesundes Selbstmanage-ment spielt nach Ansicht der Coaches die Orientierung an eigenen, sinnvoll gesetzten Zielen sowie die Selbstdisziplin bzw. Motivation der eigenen Person, diese auch zu erreichen. Während damit eher externale (z.B. Leistungs-) Ziele gemeint sind, kann noch eine andere Art von er-wünschtem Zielzustand angestrebt werden: Die persönliche Weiterentwicklung oder Selbstent-faltung ist ein Bestreben, das mit dem Konzept „Selbstmanagement“ in Verbindung gebracht wird. Eng damit verbunden ist die bewusste Orientierung eines Menschen an ihm wichtigen Werten. Der bewusste Umgang einer Person mit den ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen, vor allem auch deren aktive Ausweitung, wird als eine zum Selbstmanagement gehörende Kompetenz betrachtet. Schließlich zielen einige Antworten der Coaches darauf ab, dass eine Person mit gesundem Selbstmanagement die Freiheit ihres Willens erkennt, bewusst einsetzt und dementsprechend Entscheidungen fällt, für die sie bewusst Verantwortung übernimmt.

2.2.3 Der Selbstmanagement-Begriff in dieser Arbeit

Die Definition der Coaches weist einen hohen Deckungsgrad mit herkömmlichen wissenschaftli-chen Definitionen des Konstrukts auf (vgl. Pütz, 1997, S. 23 ff.; Klein, 2001). Dementsprechend wird sie auch als Grundlage für die vorliegende Arbeit gewählt. Zusammenfassend lässt sich der Kern des vertretenen Verständnisses von Selbstmanagement wie folgt festhalten:

„Selbstmanagement beschreibt eine Handlungssequenz, die

• sich bewusst an individuellen Zielen, Wünschen und Bedürfnissen orientiert, • diese in einer Art zu erreichen sucht, welche die vorhandenen Ressourcen nach Möglichkeit schont oder

„Leader“ darauf abzielt, die richtigen Dinge zu machen.

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Die Selbstmanagement-Konstruktion dieser Arbeit 22

mehrt, • wobei eine Einflussnahme auf das eigene Verhalten (durch die Anwendung von Strategien der Selbstmotiva-

tion, u.a. der Selbstbeobachtung und Selbstbewertung, aber auch die Anwendung bewährter Gestaltungs-prinzipien und -techniken) erfolgt

• und der Prozess als Emanzipation von fremdbestimmenden Faktoren i.S. persönlicher Autonomie erlebt wird“ (Buhl et al., 2007, S. 247).

Selbstmanagement beschreibt folglich einen Prozess der bewussten Steuerung von Verände-rung bezogen auf die eigene Person. Dabei finden Volitionsprozesse statt, die in ihrer Form mal mehr als Selbstkontrolle, mal mehr als Selbstregulation beschrieben werden können. Es kann ein breites Portfolio an Arbeits- und Zeitmanagement-Techniken oder an Interventionstechniken, die kognitiven und Verhaltens-Therapien entlehnt sind, eingesetzt werden, um Einfluss auf das eigene Verhalten zu nehmen. Diese Techniken werden im Folgenden als „Selbstmanagement-Strategien“ bezeichnet.

Heyse & Erpenbeck (2004, 45ff.) zufolge kennzeichnet Selbstmanagement einen Teil der perso-nalen Kompetenz.22 Unter Kompetenz wird dabei nach Weinberg (1996, S. 3) „die Beschreibung dessen, was ein Mensch wirklich kann und weiß“ verstanden.23 Ziel dieser Arbeit ist, einen Weg zu entwickeln, die Selbstmanagement-Kompetenz von Organisationsmitgliedern zu fördern. Da-bei wird angenommen, dass viele Selbstmanagement-Probleme eher durch den Kontext (und die damit einhergehende Einschränkung der Freiheitsgrade des Einzelnen) als durch einen Mangel an individueller Selbstmanagement-Kompetenz bedingt sind. Es lässt sich nicht ohne Weiteres feststellen, „ob ein beobachtetes Defizit auf einer vorübergehenden Beeinträchtigung vorhandener Selbststeuerungskompetenz beruht (Effizienzdefizit) oder ob einzelne Willensfunk-tionen grundsätzlich schwach entwickelt sind (Kompetenzdefizit)“ (Kuhl, 1996, S. 690). Im Kon-text von Organisationen wird in dieser Arbeit vor allem von einem Effizienzdefizit ausgegangen. Als wesentlicher Indikator für Kompetenz im Selbstmanagement wird die erfolgreiche Ausübung von Selbstmanagement-Verhalten gelten. Diese umfasst das aktive und autonom erlebte Han-deln zur Erreichung persönlicher Ziele unter Wahrung der Ressourcenbalance. Die Beobach-tung individueller Selbstmanagement-Kompetenz ist nur mittels Indikatoren für tatsächlich ge-zeigtes Verhalten möglich. Demnach ist der Kompetenzbegriff in dieser Arbeit ein pragmati-scher. Er ist am besten geeignet, die Disposition, erfolgreiches Selbstmanagementverhalten auch zukünftig ausüben zu können, abzubilden.

2.3 Selbstmanagement in sozialen Systemen als Streb en nach „inne-rer Freiheit“

Die Beschäftigung mit dem Selbstmanagement von Individuen im Rahmen eines sozialen Sys-tems führt in das Spannungsfeld zwischen individueller Gestaltungsfreiheit und Determinismus. Diese Diskussion wird auch als „Akteur-versus-Struktur-Debatte“ bezeichnet (vgl. Schienstock, 1995; Neuberger, 1995a; Neuberger, 1995b). Verschiedene Kontrollmechanismen in Organisa-tionen haben das primäre Ziel, die Vorhersagbarkeit von Verhalten sicherzustellen (Katz & Kahn, 1978). „Alle Kollektivitäten kontrollieren ihre Mitglieder“ (Scott, 1986, S. 365). Wie ist in

22 „Personale Kompetenz bezeichnet die Disposition, sich selbst gegenüber reflektierend zu handeln und kritisch zu sein, verbunden mit der produktiven Einstellung, Werthaltungen und Ideale zu entwickeln (reflexiv in Bezug auf die eigene Person)“ (Kirchhöfer, 2004, S. 65). 23 Bei der gegenwärtigen „state-of-the-art“-Definition von Erpenbeck, Heysen & Höhn (1999), die Kompetenzen als „Selbstorganisa-tionsdispositionen“ erklären, wobei Disposition wiederum „die zeitlich stabile Gesamtheit der zum jeweiligen Zeitpunkt entwickelten inneren Voraussetzungen zur psychischen Regulation der Tätigkeit“ (Kirchhöfer, 2004, S. 61) bezeichnet, dürfte dem Leser bei dem Versuch, diese auf Selbstmanagement anzuwenden, ob der mehrfachen tautologischen Loopings etwas schwindelig werden.

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Die Selbstmanagement-Konstruktion dieser Arbeit 23

einem solchen Kontext ein autonomes Selbstmanagement überhaupt denkbar? Von der Struk-turseite ausgehend lässt sich das Bild des Menschen zeichnen, der in einer Welt von abstrakten Systemen lebt, dessen Sachzwänge ihn regieren. Türk (1981) veranschaulicht unterschiedliche Mechanismen der (sozialen) Kontrolle,24 der wir alle von Kindesbeinen an unterliegen und die gewährleisten, dass wir fügsam unser Arbeitsvermögen in Arbeit umwandeln und uns an den Zielen der Systeme, in denen wir agieren, orientieren. Überspitzt man diese Sichtweise, so deckt sie sich vortrefflich mit der Grundauffassung eines strikten Behaviorismus: „A person does not act upon the world, the world acts upon him“ (Skinner, 1971, S. 206). Alles Denken und Handeln ist von der Umgebung determiniert. Was wir gemeinhin unter autonomem Handeln verstehen, ist eine Illusion. Selbstmanagement ist aus dieser Sicht lediglich ein funktionales Äquivalent exter-ner sozialer Kontrolle und ein Substitut für Führung (Kerr & Jermier, 1978). Tatsächlich wird der Einfluss der Umgebung unbestreitbar durch eine Vielzahl von Befunden untermauert. In sozial-psychologischen Experimenten zum „Social Priming“ lässt sich etwa beobachten, dass Men-schen sehr leicht und gänzlich unbewusst ihre Ziele in Richtung der Ziele anderer, ihnen wichti-ger Personen ändern (Shah, 2000). Diese Ergebnisse sind gut vereinbar mit Beobachtungen zur beruflichen Sozialisation (vgl. Moser & Schmoock, 2001) sowie der systemtheoretischen An-nahme, dass das Auswechseln einzelner Personen ohne Auswirkungen auf Identität, Prozesse und Strukturen eines Systems bleibt (Willke, 2002).

Kennzeichnend für den hier verwendeten Selbstmanagement-Begriff ist hingegen die Akteurs-perspektive. Aus dieser Perspektive gilt: "The self-influence system is the ultimate system of control" (Manz, 1989, S. 271). Demzufolge muss jeglicher strukturelle Einfluss zunächst in das individuelle Selbstregulationssystem übersetzt werden:

“The impact of organizational control mechanisms is determined by the way they influence, in intended as well as unintended ways, the self-control systems within organization members” (Manz, 1989, S. 270).

Auch diese Sichtweise erscheint bei Annahme einer operationellen Geschlossenheit psychi-scher Systeme plausibel. Mikropolitische Ansätze (z.B. Neuberger, 1995a) zeigen darüber hin-aus Prozesse auf, mittels derer Organisationsmitglieder ihre ganz individuellen Ziele verfolgen –und zum Teil auch erreichen.

2.3.1 Akteur und Struktur als zwei Seiten einer Med aille

Vielversprechend erscheint eine Integration dieser beiden Sichtweisen. Borwick (1990, S. 365f.) weist darauf hin, dass Individuum und System über die Rolle verbunden sind, welche vom Sys-tem angeboten und vom Individuum übernommen wird. Diese Rolle wird von beiden Seiten über Erwartungen definiert. Dem Individuum kommt dabei zugute, dass organisationale Normen und Kontrollen häufig unvollständig, dehnbar, widersprüchlich, entwicklungsbedürftig und unscharf sind. Crozier & Friedberg (1979) interpretieren die Beziehung von Akteur und System als Bezie-hung zwischen Freiheit und Zwang (Neuberger, 1995a). Dadurch, dass in jeder sozialen Bezie-hung dynamische Aushandlungsprozesse stattfinden, kann sich der Akteur in ihren Augen trotz Struktur einen gewissen Grad an Freiheit „erspielen“. Dies ermöglicht dem Einzelnen Macht – und damit Handlungsspielräume – durch die Kontrolle von Ungewissheitszonen.25

24 Soziale Kontrolle meint alle sozialen Prozesse, denen die Funktion zukommt, eine Konformität des Handelns mit bestehenden systembezogenen Handlungsmustern (z.B. Erwartungen, Ziele, Werte…) zu erreichen, zu sichern oder wiederherzustellen (Türk, 1981). 25 Macht resultiert aus der Größe der Ungewissheitszonen, die ein Akteur kontrolliert, der Relevanz, die diese für andere Akteure hat und der Unvorhersehbarkeit der Handlungen (Crozier & Friedberg, 1979). Macht ist aus dieser Perspektive nicht das Attribut eines Akteurs, sondern ein grundlegender Aspekt jeder sozialen Beziehung.

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Die Selbstmanagement-Konstruktion dieser Arbeit 24

Auch Giddens (1984) nimmt in seiner Strukturationstheorie eine Versöhnung des Dualismus von Akteur und Struktur vor, indem er darauf hinweist, dass diese keine unvereinbaren Gegensätze sind. Stattdessen bedingen sie einander und bringen einander hervor. Strukturen haben keine vom Handeln losgelöste ontologische Existenz. Sie bedürfen einer ständigen Reproduktion, um allgemein anerkannt zu werden (Schienstock, 1995, S. 704). Ihre Verwirklichung (engl. „instanti-ation“) erfolgt im Prozess des Handelns. Die raum-zeitliche Fixierung virtueller Strukturen (z.B. Führungsleitlinien) bezeichnet Giddens (1984) als "Strukturmomente". Strukturen werden einer-seits im Handeln erzeugt, genutzt und verändert. Andererseits ermöglichen und beschränken sie das Handeln. Sie sind ebenso Ergebnis wie Mittel des Handelns.26 Wenn Struktur und Handlung aber zwei Seiten derselben Medaille sind – wie können dann überhaupt Widersprüche zwischen ihnen entstehen? Neuberger (1995a) erklärt:

„Natürlich kann es zwischen Gleichem keinen Gegensatz geben; ein solcher ist aber denkbar, wenn sich das Ergeb-nis vom Konstitutionsprozeß ablöst und verselbständigt und dann dem Handelnden als fremde Macht wieder gegenü-bertritt. Dies ist möglich, weil Struktur nicht unbedingt das Resultat des eigenen Handelns sein muß, sondern Konse-quenz kollektiven oder fremden Handelns, so daß sich die ‚eigenen Regeln und Ressourcen’ in dieser undurchschau-ten und ungewollten Lage als unangemessen erweisen“ (S. 319).

Als vorläufiges Fazit lässt sich mit Greif, Runde & Seeberg (2004) festhalten:

„Menschen können ihre Handlungen zwar kaum jemals vollkommen selbst bestimmen, weil sie immer von anderen Personen oder anderen Systemen beeinflusst werden. Im Sinne der Definition strukturieren sie die eigenen Handlun-gen aber grundsätzlich immer zumindest partiell eigenständig“ (S. 95, vgl. Pütz, 1997).

In der Selbstmanagement-Literatur finden sich in diesem Zusammenhang häufig Verweise auf den reziproken Determinismus (Bandura, 1978). Dieser geht von der multiplen Determination menschlichen Verhaltens aus. Neben Umweltkontingenzen und internen Faktoren (z.B. Einstel-lungen, Selbstwahrnehmungen, Erwartungen) werden auch Handlungen des Individuums selbst als Determinanten neuer Verhaltensmuster angesehen. Reziprok meint dabei, dass alle drei Klassen von Determinanten sich wechselseitig beeinflussen. Auch Kanfers Selbstregulations-modell (Kanfer et al., 2000) basiert auf der Annahme, dass sich menschliches Verhalten aus dem Zusammenwirken von externen Faktoren (α-Variablen), selbsterzeugten kognitiven Prozes-sen (β-Variablen) und biologischen Variablen (γ-Variablen) erklären lässt.27 Psychologische In-terventionsverfahren, die dem Selbstmanagement verpflichtet sind, zielen vor allem auf die Er-höhung der β-Kontrolle ab. Dies wird als ein wichtiger Schritt zu mehr Freiheit des Individuums betrachtet (Reinecker, 1999).

2.3.2 Innere Freiheit als Ziel von Selbstmanagement -Interventionen

Die meisten Menschen dürften Erfahrungen damit gemacht haben, dass ihnen ihr Selbstmana-gement zeitweise weniger gut gelingt. Kuhl (1996) beschreibt dieses Erlebnis wie folgt:

„Aufgrund der Tatsache, daß die Person ihr Handeln plötzlich nicht mehr so wie sonst steuern kann, erlebt sie sich in ihrer Freiheit eingeschränkt: Irgendwie handelt sie wie unter einem Zwang, sie fühlt sich nicht frei, das zu tun, was sie eigentlich tun möchte“ (S. 692f.).

26 In einem anderen theoretischen Zusammenhang formuliert Borwick (1990): „Das Thema ist [...] das des Musters, durch welches Individuum und System in einem zirkulären Beziehungskreis verknüpft sind. Das Individuum und das System interagieren so, daß alles Verhalten innerhalb des Systems Systemverhalten ist, und daß alles individuelle Verhalten das Systemverhalten beeinflußt. Falls man versucht, das eine vom anderen abzutrennen, verletzt man die Integrität des Systems und [...] wird der Natur des Musters nicht gerecht“ (S. 373). 27 Unter α-Variablen versteht man die Einflüsse, die von außerhalb auf eine Person einwirken, d.h. die physikalische und soziokultu-relle Umwelt. Auch das eigene und fremde Verhalten wird hier eingeordnet (Reinecker, 2000). Als Beispiele können ökonomische Bedingungen, Verhaltensnormen in einer Gruppe, räumliche Gegebenheiten oder Anweisungen genannt werden. β-Variablen um-fassen u. a. „(selbsterzeugte) internale Prozesse (Denken, Planen, Entscheiden, Problemlösen) ebenso wie kognitive Inhalte (Ziele, Pläne), Meta-Kognitionen (Denken über Denken), Selbstbeobachtungen und kognitive Reaktionen auf selbsterzeugte Situationen“ (Klein, 2001, S. 50). γ-Variablen sind physiologische und biologische Determinanten des menschlichen Organismus, die häufig automatisiert das Denken und Verhalten beeinflussen (Kanfer et al., 2000). Zu ihnen gehören z.B. der Energiehaushalt, der von Nahrung, Schlaf etc. abhängig ist, Medikamenteneinflüsse sowie sensorische und motorische Funktionen.

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Die Selbstmanagement-Konstruktion dieser Arbeit 25

Freiheit wird im Allgemeinen mit Selbstbestimmung in Richtung eines „freien Willens“ gleichge-setzt. Dass diese Freiheit sich philosophisch betrachtet nicht auf den Willen bezieht, sondern eine subjektive Erlebnisqualität unseres Selbstbewusstseins ist, verdeutlicht das folgende Ge-dankenexperiment von Arthur Schopenhauer:

„Wollen wir uns einen Menschen denken, der, etwan auf der Gasse stehend, zu sich sagte: „’Es ist 6 Uhr Abends, die Tagesarbeit ist beendigt. Ich kann jetzt einen Spatziergang machen; oder ich kann in den Klub gehn; ich kann auch auf den Thurm steigen, die Sonne untergehn zu sehn; ich kann auch ins Theater gehn; ich kann auch diesen, oder aber jenen Freund besuchen; ja, ich kann auch zum Thor hinauslaufen, in die weite Welt, und nie wiederkommen. Das Alles steht allein bei mir, ich habe völlige Freiheit dazu; thue jedoch davon jetzt nichts, sondern gehe ebenso freiwillig nach Hause, zu meiner Frau.’ Das ist gerade so, als wenn das Wasser spräche: ‚Ich kann hohe Wellen schlagen’ (ja! nämlich im Meer und Sturm), ‚ich kann reißend hinabeilen’ (ja! nämlich im Bette des Stroms), ‚ich kann schäumend und sprudelnd hinunterstürzen’ (ja! nämlich im Wasserfall), ‚ich kann frei als Strahl in die Luft steigen’ (ja! nämlich im Springbrunnen), ‚ich kann endlich gar verkochen und verschwinden’ (ja! bei 80° Wärme); ‚thu e jedoch von dem Allen jetzt nichts, sondern bleibe freiwillig, ruhig und klar im spiegelnden Teiche.’ [...] Kehren wir zu jenem aufge-stellten, um 6 Uhr deliberirenden Menschen zurück und denken uns, er bemerke jetzt, daß ich hinter ihm stehe, über ihn philosophire und seine Freiheit zu allen jenen ihm möglichen Handlungen abstreite; so könnte es leicht gesche-hen, daß er, um mich zu widerlegen, eine davon ausführte: dann wäre aber gerade mein Leugnen und dessen Wir-kung auf seinen Widerspruchsgeist das ihn dazu nöthigende Motiv gewesen. Jedoch würde dasselbe ihn nur zu einer oder der andern von den leichteren unter den oben angeführten Handlungen bewegen können, z.B. ins Theater zu gehen; aber keineswegs zur zuletzt genannten, nämlich in die weite Welt zu laufen: dazu wäre dies Motiv viel zu schwach“ (1977, S. 81).

Wie Schopenhauer anschaulich darlegt, kann der Mensch zwar tun, was er will, aber nicht wol-len, was er will. Unser Erkenntnisapparat unterliegt a priori kausalen Gesetzmäßigkeiten (Kant, 1971). Unser Bewusstsein kann zu gegebener Zeit immer nur eine Willensentscheidung fassen. Wir haben von dieser immer den Eindruck, dass sie frei ist, auch wenn sie bereits durch ein Mo-tiv determiniert ist. Gestützt wird diese Einsicht durch zahlreiche neurophysiologische Befunde. Laborexperimente zeigen beispielsweise, dass bereits bevor das Bewusstsein, eine bestimmte Bewegung ausführen zu wollen, eintritt, im zuständigen Gehirnareal motorische Aktivität regist-riert wird (z. B. Roth, 2001, 441f.). Kant zufolge ist dieser Determinismus bezogen auf die empi-rische, naturverflochtene Person durchaus vereinbar mit Indeterminismus bezogen auf die „sittli-che Persönlichkeit“ des Menschen (Schmidt, 1991, S.130). Aus dieser Auffassung leitet sich die Verantwortung jedes Einzelnen für sein ethisch-moralisches Handeln ab.

Wenn im Kontext von Selbstmanagement-Interventionen die Forderung nach mehr Freiheit des Individuums laut wird, so ist damit jedoch kein Weltbild verbunden, das objektiven Indeterminis-mus aus dem subjektiven Freiheitserleben erschließt (Kuhl (1996, S. 745ff.) spricht von der „In-determinismustäuschung“). Vielmehr ist mit dem Begriff der Freiheit eine Erweiterung des Ver-haltensspielraums des Einzelnen gemeint. In Anlehnung an das Beispiel, das Schopenhauer bemüht, ließe sich das folgendermaßen verdeutlichen. Für einen Menschen, der jahrein jahraus keine andere Option sieht, als sofort nach der Arbeit nach Hause zu gehen, um sich dort wo-möglich mit seiner Frau zu streiten, stellt es einen großen Schritt dar, sich bewusst zu werden, dass er mehrere Handlungsmöglichkeiten hat, diese Gestaltungsräume nutzen und sein Leben in Eigeninitiative ändern kann. Diese Auffassung von (psychologischer) Freiheit deckt sich mit dem Begriff der „personalen Kontrolle“ von Preiser (1988):

„Doch es geht beim Konzept der personalen Kontrolle gerade um das Bedürfnis und die Fähigkeit des Menschen, Kontrolle über sein eigenes Leben, über seine Handlungen und über seine Umwelt zu gewinnen. Ausübung von Kon-trolle in diesem Sinne beinhaltet nicht nur die Überwindung von Fremdkontrolle, sondern darüber hinaus den Aufbau von Gestaltungsmöglichkeiten für das eigene Leben“ (Preiser, 1988, S. 1).

Haken & Schiepek (2005, S. 294) beschreiben darüber hinaus mit dem Begriff der „inneren Frei-heit“ einen Erlebniszustand, in dem ein Mensch sich nicht durch impulsive Reaktionstendenzen, chemische oder psychologische Beeinträchtigungen oder heftige Emotionen in seinem Denken und Handeln eingeschränkt fühlt. Betrachtet man Freiheit im Sinne personaler Kontrolle und innerer Freiheit als ultimatives Ziel von Selbstmanagement, so deuten sich sowohl der hohe

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Stellenwert wie auch die fortwährenden Konflikte an, die mit Selbstmanagement im Kontext von Organisationen einhergehen (vgl. Pütz, 1997). Krappmann (2000, S. 74) verweist darauf, dass jeder Einzelne mit prinzipiell unerfüllbaren sozialen Erwartungen konfrontiert ist. Diese Unerfüll-barkeit begründet er zum einen mit den Widersprüchlichkeiten und Mehrdeutigkeiten, die im Verlauf jeder Interaktion auftreten. Zum anderen verweist er darauf, dass jeder Mensch an meh-reren Interaktionssystemen mit zum Teil inkongruenten bis inkompatiblen Erwartungen teil-nimmt.

2.3.3 Emanzipation von Fremdkontrolle als Vorausset zung für innere Freiheit

Im subjektiven Erleben wird zwischen Selbst- und Fremdkontrolle differenziert. Uns ist bewusst und wir erinnern uns, ob wir uns selbst managen, um eigene Ziele zu verwirklichen, oder ob die Handlungssequenz dazu dient, die Absichten Anderer zu realisieren (Wegge, 2003, S. 31). Eugster et al. (2003) zufolge wird „die Lenkung von Menschen durch andere Menschen […] ge-sellschaftlich immer wieder und in subtiler Perfektion mit Praktiken vordergründiger Selbststeue-rung verknüpft“ (S. 253, vgl. Neuberger, 1995b).28 Wenn Vorgesetzte jedoch vor diesem Hinter-grund mehr Selbstmanagement ihrer Mitarbeiter einfordern, kommt es zum „ruinöse[n] Wider-spruch“ (Luhmann, 2000, S. 115) zwischen dem, was gefordert wird, und dem Sachverhalt, dass es gefordert wird. Mitarbeiter hören den paradoxen Appell „Sei selbstbestimmt!“. Daraus schlie-ßen Brater & Bauer (1990) für den Kontext von Organisationen, dass die Entscheidungshoheit über Grad und Ziele des eigenen Selbstmanagements beim Einzelnen verbleibt:

„Selbständigkeit kann nicht fremdbestimmt verordnet werden. Sie ist nicht zwangsweise durchzusetzen, sondern grundsätzlich an die Bereitschaft, Freiwilligkeit und Eigentätigkeit des Arbeitenden gebunden. Deshalb kann Selbst-ständigkeit auch nicht notwendig, nicht allgemein, und auch nicht sicher erwartbar eintreten. Sie ist weder berechen-bar, noch im engeren Sinne ‚machbar’. Ob sie realisiert werden kann, hängt vielmehr entscheidend von der Eigenbe-wegung des Arbeitenden, von seiner Persönlichkeitsentwicklung ab“ (S. 54 f.).

Diese Aussage stützt, dass Menschen sich in dem Grad, in dem Sie meinen, ihre externe Um-welt grundsätzlich kontrollieren zu können, unterscheiden (Rotter, 1966).29 Doch selbst wenn die personalen Voraussetzungen für Selbstmanagement gegeben sind, beeinflusst der Arbeitskon-text maßgeblich, inwiefern das Selbstmanagement auch in den Dienst eigener Ziele treten darf. Brand (2003) weist darauf hin, dass die mangelnde Möglichkeit zur Verwirklichung eigener Ziele im Arbeitsprozess einen Risikofaktor für „Unzufriedenheit, Motivationsverlust, psychosoziale Anpassungsstörungen, Fehlzeiten, Fluktuation und Leistungsabbau bis hin zur ‚inneren Kündi-gung’“ darstellt (S. 105). Skinner (1973) plädierte dagegen für eine stärkere Einsicht in Prozesse der Fremdkontrolle und äußerte die Auffassung, es sei „besser, ein seiner Lage bewußter Skla-ve zu sein als ein glücklicher“ (S. 46). Die psychologische Forschung verweist dagegen auf eine ganze Reihe zuträglicher Auswirkungen von Selbstbestimmung:

„Menschen, die den Eindruck haben, aus selbstbestimmter Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten zu handeln (Au-tonomie), weisen höhere intrinsische Motivation, ein größeres Interesse an der Tätigkeit, weniger Anspannung sowie höhere Kreativität und kognitive Flexibilität auf als Personen, die aus dem Gefühl von Druck oder Verpflichtung heraus eine Tätigkeit ausüben. Zudem zeigen sich positive Effekte von Autonomie auf die emotionale Befindlichkeit, den Selbstwert und das Wohlbefinden (Deci & Ryan, 1987)“ (Brand, 2003, S. 112).

28 Rousseau empfahl (in dem unerschütterten Glauben an die menschliche Güte) sogar Formen der „Schein-Selbststeuerung“, z.B. bei der Instruktion von Lehrern: „Belassen Sie [das Kind] in dem Glauben, daß es stets selbst die Kontrolle ausübe, obgleich es immer Sie [der Lehrer] sind, der tatsächlich kontrolliert. [...] Ganz ohne Zweifel sollte er [der Säugling] nur das tun, was er will; doch sollte er nur das tun wollen, von dem Sie wünschen, daß er es tut; er sollte keinen Schritt unternehmen, den Sie nicht vorausgese-hen haben; er sollte nicht seinen Mund auftun, ohne daß Sie nicht wüßten, was er sagen wird“ (Rousseau, zitiert nach Skinner, 1973, S. 47). 29 So wird zwischen Personen mit eher internalen und externalen generalisierten Kontrollüberzeugungen („generalized expectancies for internal versus external control of reinforcement“) unterschieden (Rotter, 1966, S. 1).

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Die Selbstmanagement-Konstruktion dieser Arbeit 27

Auch Ryan und Deci (1999) berichten über positive Effekte wahrgenommener Autonomie auf die intrinsische Motivation sowie auf Lernen, Leistung, Gesundheit und Zufriedenheit. Skinner ließe sich also entgegnen: Glücklicher ist in jedem Fall der, der sich gar nicht erst als Sklave sieht oder zum Sklaven machen lässt.

Es lässt sich festhalten: Das Selbst, der freie Wille und die Möglichkeit, die eigene Person zu „managen“ sind Teil der Wirklichkeitskonstruktion psychischer Systeme. Es ist anzunehmen, dass diese psychologischen Realitäten auch verhaltenswirksam werden. Deutliche Vorteile ge-hen damit einher, dass Menschen sich in ihrem Handeln als selbstbestimmt und autonom erle-ben (vgl. Antonovsky, 1987). Der Begriff „Selbstmanagement“ scheint vor diesem Hintergrund eine Antwort auf das Problem zu sein, dass es als machbar, aber recht schwierig empfunden wird, sich von fremdbestimmenden Faktoren zu emanzipieren. Das Unterfangen, bewusst Macht über sich selbst zu gewinnen, bedarf einer wohlüberlegten Herangehensweise. Wie dieses in der Organisationspraxis unterstützt werden kann, ist Thema des nächsten Kapitels. Für die zu entwickelnde Selbstmanagement-Intervention ist vorerst festzuhalten, dass sie sich in erster Linie der Stärkung der Kontrolle durch selbsterzeugte kognitive Prozesse (β-Variablen in der Terminologie von Kanfer et al., 2000) und damit der individuellen Autonomie der Teilnehmer verpflichtet. Jegliche Form instrumentalisierter Selbststeuerung ist in diesem Zusammenhang abzulehnen. Die Teilnehmer sollten die Möglichkeit haben, die Strukturen, in denen sie arbeiten, dahingehend zu formen, dass sie auch längerfristig gute Voraussetzungen für ihr Selbstmana-gement vorfinden.

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Kritische Würdigung klassischer Selbstmanagement-Interventionen 28

3 Kritische Würdigung klassischer Selbstmanagement-Interventionen

Autoren unterschiedlicher Fachgebiete sind sich einig, dass erfolgreiches Selbstmanagement gezielter externer Unterstützungsangebote bedarf (Elke, 2001, S. 8, vgl. Kuhl, 1996; Siebert, 1999; Frayne & Geringer, 2000). Latham und Locke (1991) schreiben in diesem Zusammen-hang:

„Although people are natural self-regulators [...] they are not innately effective self-regulators. Skills in self-regulation must be acquired through experience, training and effort” (S. 240).

Im Organisationskontext wird jedoch nur ausgewählten Zielgruppen die Teilnahme an derartigen Trainingsmaßnahmen ermöglicht. Das vorliegende Kapitel beschreibt diese Zielgruppe und zeigt die Maßnahmen auf, die im Rahmen der Personalentwicklung üblicherweise eingesetzt werden, um Selbstmanagement zu fördern.

3.1 Relevante Zielgruppen für Kompetenzentwicklung im Bereich Selbstmanagement

Selbstmanagement-Interventionen kommen besonders für Personen in Frage, die in einen or-ganisationalen Kontext eingebunden sind, das heißt durch ein abhängiges Beschäftigungsver-hältnis zu Mitgliedern einer Organisation gezählt werden. Denn sie müssen die permanente Gratwanderung zwischen Autonomie und Hierarchie, Selbstbestimmung und Fremdbestimmung, eigener Zielsetzung und von außen vorgegebenen Zielen meistern. Innerhalb dieser Organisati-onen sind für die vorliegende Studie die Personengruppen relevant, die in ihrem Berufsalltag besonders auf Selbststeuerung angewiesen sind. Als Voraussetzung dafür gilt ein entsprechen-der Handlungs- bzw. Tätigkeitsspielraum (Pütz, 1997; Klein, 2001). Dieser wird bestimmt durch die Summe der Freiheitsgrade bezogen auf die Wahl der Verfahren, Mittel und der zeitlichen Organisation bei der Aufgabenerfüllung sowie das Ausmaß von Entscheidungskompetenz (Ulich, 1994). Müller (2003b, S. 179) spricht von „Entfaltungsspielräumen“ und „schwachen Situ-ationen“ mit wenig Struktur und Reglementierung.

Zielgruppe: Führungskräfte und Wissensarbeiter

Derlei Spielraum wird in der Regel bei Führungskräften mit unternehmerischer Verantwortung (Müller, 2003a) und im mittleren Management vorausgesetzt. Mayrhofer et. al. (2001) stellten in einer Längsschnittstudie zu neuen Organisationsformen in Europa fest, dass gerade mittleren Führungskräften deutlich mehr Autonomie zugesprochen wird als in früheren Zeiten. In vielen Organisationen wird darüber hinaus Verantwortung zunehmend auf Angestellte ohne Führungs-auftrag verlagert (vgl. Neck & Manz, 1999). Hohe Selbstmanagementerfordernisse können fol-glich auch vorausgesetzt werden „in those parts of the organization characterized by a high den-sity of jobs that are autonomous; i.e., the job incumbent exercises considerable discretion in carrying out assigned activities” (Brief & Aldag, 1981, S. 79). Insbesondere für Personen mit direktem Kundenkontakt und Angestellte, die wenig auf standardisierte Prozeduren zurückgrei-fen können oder deren Arbeit sich einer sorgfältigen Vorab-Planung entzieht, ist ein hohes Maß an Selbstmanagement essenziell (vgl. Mills, 1983). Am Beispiel von Joint Venture Managern illustrieren Frayne & Geringer (1992), dass gerade diese Zielgruppe im Hinblick auf Selbstma-nagement besonders hohen Anforderungen ausgesetzt ist: Sie müssen mit einer Vielzahl von

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Personen kommunizieren und kooperieren und sind dabei zum Teil in ihren Loyalitäten zerris-sen. Es entstehen schnell Konflikte, weil von vielen Seiten verschiedene Bedürfnisse und Wün-sche herangetragen werden. Sehr eigenständiges Handeln und das Verantworten der Ergebnis-se sind gefordert. Nicht zuletzt ist die Arbeit häufig hektisch und sehr zeitaufwändig. Diese Vor-aussetzungen treffen ebenfalls auf viele „Wissensarbeiter“, deren Tätigkeit kreative Anteile bein-haltet, zu. Sie dürften auch für Projektmitarbeiter, Spezialisten und Berufsgruppen wie bei-spielsweise Unternehmensberater gelten. Weniger Veranlassung für aktive Selbststeuerungs-prozesse besteht laut Pütz (1997, S. 26) dagegen auf Positionen, die der Steuerung durch tech-nische Systeme oder organisatorische Routinen unterliegen. Entsprechend sind zum Beispiel Mitarbeiter aus Produktionsbereichen oder kaufmännische Sachbearbeiter als Zielgruppe nicht geeignet.

Stellenbezogene und organisationale Freiräume

Für Hacker (2005) sind neben dem Tätigkeitsspielraum auch ganzheitliche Aufgaben, die Be-deutsamkeit der eigenen Arbeitsprozesse und -ergebnisse sowie lernförderliche Rückmeldun-gen zur Tätigkeit grundlegende Bedingungen für Selbststeuerung (vgl. Brief & Aldag, 1981). Er fasst diese Voraussetzungen unter dem Schlagwort „Empowerment“ zusammen. Müller (2003b) erklärt, wie ein solches Arbeitsumfeld dem Selbstmanagementverhalten entgegenkommt:

„Ein Arbeitsumfeld mit individuellen Ausgestaltungsmöglichkeiten [...] besitzt mehr Optionen der Selbstbelohnung: durch Arbeitsinhalte etc., die persönlichen Interessen entgegenkommen, durch Tätigkeiten, die eine Vielzahl vorhan-dener Fähigkeiten beanspruchen, durch Leistungsziele, an deren Vereinbarung man selbst mitgewirkt hat, oder Auf-gaben, die man durch eigenes Dazutun hat finden und bewältigen können“ (S. 191).

Mills (1983) erläutert, dass diese Bedingungen nicht nur stellenbezogen, sondern auch durch organisationale Merkmale bedingt sind. Ihm zufolge ist in Organisationen, in denen generell we-niger Regelungen erfolgen, ein höheres Maß an Selbstmanagement erforderlich, da Mitarbeiter in Bezug auf Entscheidungen und Orientierung stärker auf sich selbst angewiesen sind. Dieser Gedanke lässt sich beispielhaft dadurch veranschaulichen, dass man die Stellenbeschreibung einer Sekretärin in einer Medienagentur mit der einer Sekretärin im öffentlichen Dienst ver-gleicht. Negative Erfahrungen mit Gruppenarbeit zeigen jedoch, dass die Erweiterung von Tätig-keitspielräumen die Selbstmanagement-Fähigkeiten der Mitarbeiter nicht zwangsläufig erhöht. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Arbeitsgestaltung, die Tätigkeitsspielräume gewährt, eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung dafür ist, dass diese Spielräume auch genutzt werden (Müller, 2003b).

Personelle Voraussetzungen

Inwieweit Freiräume in Anspruch genommen werden, ist zum einen durch weitere organisationa-le Voraussetzungen, zum anderen durch Personmerkmale bedingt. Brief & Aldag (1981) weisen darauf hin, dass die Organisation den Mitarbeitern neben der Schaffung von Spielräumen für Selbststeuerung „somehow“ (S. 83) kommunizieren sollte, dass Selbstmanagement-Verhalten angebracht und wünschenswert ist. Auch Pütz (1997, S. 115) verweist auf die Bedeutung hand-lungsleitender Normen, die den Selbstmanagement-Prozess fördern. Erst in einem nächsten Schritt sollten die Mitarbeiter laut Brief & Aldag (1981) mit Selbstmanagement-Techniken ver-traut gemacht werden. Einiges spricht dafür, dass bei der Definition von Zielgruppen für Selbst-management-Interventionen auch Merkmale der Personen berücksichtigt werden sollten:

„Als gesichert kann gelten, dass es auch von der Ausprägung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale abhängt, in wel-chem Umfang Selbstführung betrieben wird. Ergebnisse eigener Untersuchungen zeigen, dass zu diesen Persönlich-keitsmerkmalen in besonderem Maße Leistungsmotivstärke, internale Kontrollüberzeugung und Durchsetzungsbereit-schaft zu zählen sind“ (Müller, 2003b, S. 197).

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Drumm (2000) zufolge stellt eine hohe Qualifikation der Mitarbeiter ebenfalls eine Vorausset-zung für Selbstführung dar. Koch, Kaschube & Fisch (2003) weisen zudem auf die Bedeutung der Normorientierung von Personen hin. Sie beeinflusst, ob Handlungsspielräume (aus Sicht der Organisation) „sinnvoll“ ausgestaltet werden. Einer Studie von Roberts & Foti (1998) zufolge sind gerade Mitarbeiter, die bereits über hohe Fähigkeiten der Selbstführung verfügen, zufrieden in wenig strukturierten Arbeitsumgebungen, in denen sie viele Freiräume vorfinden. Fritz (2007) konnte diese Studie in einer deutschen Behörde (N = 211) nicht replizieren. Im Rahmen seiner Untersuchung zeigte sich jedoch, dass die Aspekte „Vorgesetztenverhalten“, „Handlungsspiel-raum“ und „Partizipation an der Zielsetzung“ auf einem gemeinsamen Faktor „Selbstführungsun-terstützende Arbeitsstrukturen“ luden. Eine größere Selbstführungsunterstützung durch die Ar-beitsstrukturen vermochte generell eine höhere Arbeitszufriedenheit vorauszusagen. Auch höhe-re Selbstführungsfähigkeiten der Befragten sagten eine höhere Arbeitszufriedenheit voraus. Aus diesen Beobachtungen lassen sich Konsequenzen für die Bedeutung von Selbstmanagement-Fähigkeiten im Rahmen der Personalbeschaffung und -auswahl ableiten. Für die vorliegende Studie kann von einem gewissen „person-job-fit“ ausgegangen werden. Denn um diesen bemüht man sich im Rahmen der Rekrutierung sowohl seitens der Organisation als auch seitens des arbeitsuchenden Mitarbeiters. Es ist anzunehmen, dass Stellenprofile mit hohen Selbstmana-gement-Anforderungen vornehmlich Anklang bei Bewerbern finden, die sich zur Bewältigung dieser Anforderungen grundsätzlich in der Lage sehen. Zusammenfassend kennzeichnet sich die Zielgruppe der für Selbstmanagement-Interventionen in Frage kommenden Personen durch hohe Handlungsspielräume, Tätigkeiten mit kreativen Anteilen sowie ein geringes Maß an Rou-tinetätigkeiten und Standardisierung.

3.1.1 Trainingsbedarf der Zielgruppe am Beispiel ei ner Befragung von mittleren Führungskräften in Werkstätten für behinderte Mensc hen

Wie schätzen relevante Zielgruppen ihren Unterstützungsbedarf ein? Exemplarisch seien hier einige Ergebnisse einer Befragung von mittleren Führungskräften in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) aufgeführt, die Reppich (2007) im Rahmen seiner Master-Arbeit durchführte. Bei dieser Zielgruppe handelt es sich um Personen, die über ein sehr breites Fachwissen verfü-gen müssen (u.a. Betriebswirtschaft, Personalmanagement, Qualitätssicherung, sonderpädago-gische Fachkenntnisse, Arbeits- und Sozialrecht, technische Kenntnisse). Gleichzeitig benötigen sie ein hohes Maß an kommunikativen und empathischen Fähigkeiten, um ihrer Aufgabe der Begleitung von Menschen mit Behinderungen gerecht zu werden. Sie befinden sich in einem besonderen Spannungsfeld. Zum einen wird von ihnen gesetzlich eine Professionalisierung im Bereich der pädagogischen Begleitung gefordert (Mosen, 2001). Zum anderen müssen sie zu-nehmend als professioneller Anbieter von Wirtschaftsleistungen fungieren. Besondere Heraus-forderungen ergeben sich ebenfalls durch die Position im mittleren Management, da diese bein-haltet, dass die Führungskräfte sich auch in der Mitarbeiterrolle wiederfinden. Die hohen Anfor-derungen an das individuelle Selbstmanagement können für diese Zielgruppe folglich vorausge-setzt werden. Reppich (ebd.) führte im Rahmen einer Befragung dieser Personen eine auf den Unterstützungsbedarf zum Selbstmanagement zugeschnittene Anforderungsanalyse durch. Ins-gesamt wurden in vier Bundesländern und sechs Werkstätten zehn Personen befragt. Die Grup-pe der Befragten bestand aus zwei Frauen und acht Männern mit einem Altersdurchschnitt von 46 Jahren und blickte auf durchschnittlich fünf Jahre Führungserfahrung in ihrer WfbM zurück. Interessanterweise waren den Führungskräften Unterstützungsangebote wie Selbstmanage-ment-Trainings durchweg nicht bekannt. Einzelne konnten sich nicht einmal vorstellen, dass es derartige Interventionen geben könnte:

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„Also, so jetzt ganz spontan, dass mir irgendjemand etwas erzählen kann? Es geht ja darum, dass mir irgendeiner Methoden erklärt, die meine Arbeit leichter machen, wenn ich das richtig verstehe. Ich muss ja daraus etwas lernen oder irgendwelche Schlüsse ziehen können, die mir meine Arbeit erleichtern. Ich glaube, das gibt es nicht wirklich. Und es hat auch noch keiner erfunden“ (Reppich, 2007, Anhang B, S. XLIII).

Reppich (ebd.) befragte die Führungskräfte nach ihren Ansprüchen an ein Training, das ihnen gerecht würde. Hier wurde deutlich, dass sich die Befragten in erster Linie ganz pragmatische Lösungen wünschten. Explizit verlangte die Mehrzahl der Befragten eine klare Lösungsorientie-rung, messbaren Erfolg und Umsetzbarkeit. Inhaltlich wurde die Auseinandersetzung mit Metho-den wie „Zeitmanagement“ (drei Personen), „Organisationsmanagement“ (eine Person) und „Planungsmanagement“ (eine Person) genannt. Auch „Gesprächsführung“ (eine Person) und „Rhetorik“ (eine Person) wurden als hilfreich bezeichnet. Eine Person sah auch den Umgang mit sozialen Spannungsfeldern, Dialogfähigkeit und Teamfähigkeit als wichtige Themen an.

Vier Interviewpartner gaben an, dass im Rahmen der Maßnahme ihre spezielle Arbeitssituation Berücksichtigung finden müsse. Weitere forderten, dass ein Training auf die individuellen Be-dürfnisse und die eigene Arbeitsweise oder persönliche Geschichte eingehen solle. Dabei wünschten sie sich keine Standard-Rezepte, wie die folgende Aussage illustriert:

„Aber es gibt letztlich kein einheitliches Konzept, was jeder nutzen kann. Weil jeder letztlich ja in seiner Veranlagung anders ist“ (Reppich, 2007, Anhang B, S. XXXI).

Den Aussagen der Teilnehmer entnimmt Reppich (ebd.) außerdem, dass eine Selbstmanage-ment-Intervention für diese Zielgruppe auch die Befürchtung berücksichtigen müsse, sich offen mit den eigenen Mustern und Ansprüchen auseinanderzusetzen. Einzelne sahen bei sich eine Tendenz, Ursachenforschung eher zu meiden. Reppich (ebd.) vermutet, gestützt durch Einzel-aussagen, dass im Vorfeld von Selbstmanagement-Trainings Ängste geweckt werden, „sich als Person öffnen zu müssen, eventuell auch Dinge über sich selbst zu erfahren, die unangenehm sind“ (S. 30). Diese Befürchtungen verhindern möglicherweise auch, dass Unterstützungsange-bote zum Selbstmanagement in Anspruch genommen werden. Es bleibt festzuhalten, dass die Anforderungen an Selbstmanagement-Interventionen nicht trivial sind. Um der Zielgruppe ge-recht zu werden, sind in der Prozesssteuerung viele Aspekte zu berücksichtigen.

3.2 Interventionspraxis in Organisationen

Nachdem Führungskräften vorhandene Unterstützungsangebote zum Teil offenbar nicht be-kannt sind, stellt sich die Frage, worauf Weiterbildungsexperten zurückgreifen. Welche Interven-tionen werden in der gängigen Personalentwicklungspraxis gewählt, um die Selbstmanagement-Kompetenz von Organisationsmitgliedern zu fördern? In der nachfolgenden Betrachtung liegt der Fokus auf Kompetenzentwicklungsmaßnahmen. Ausgeklammert wird dabei die Schaffung der Rahmenbedingungen, damit in einer Organisation gewissermaßen erstmalig auf Mitarbeiter-ebene Selbstmanagement möglich wird.30 Denn es ist davon auszugehen, dass die Bedingun-gen, wie sie in den Zielgruppenvoraussetzungen spezifiziert wurden, in der betrieblichen Realität bereits vielerorts vorzufinden sind (vgl. Kap. 1). Entsprechend erfolgt eine Konzentration auf Maßnahmen zur gezielten Entwicklung von Selbstmanagement-Kompetenz. Gegenwärtig wird

30 In diesem Zusammenhang sei auf die umfangreiche Literatur um den self-leadership-und super-leadership-Ansatz von Manz & Sims (1980; Manz, 1986) verwiesen. Ihr Konzept bezieht sich in erster Linie auf Maßnahmen der Arbeitsorganisation. Diese schaffen v.a. über die Einrichtung selbstgesteuerter bzw. teilautonomer Arbeitsgruppen die Voraussetzungen für Selbstmanagement. Ent-sprechend erklärt sich der Rückgriff der Autoren auf den soziotechnischen Systemansatz (Trist, 1990). Erst in zweiter Linie findet die Kompetenzentwicklung der Einzelnen Berücksichtigung. Dabei werden wie auch in anderen Selbstmanagement-Konzepten Prinzi-pien der Verhaltenstherapie (Manz, 1983) und kognitiven Therapie (Neck & Manz, 1992; Neck, Neck, Manz & Godwin, 1999) in den Organisationskontext übertragen (zur Kritik vgl. Markham & Markham, 1995).

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Kritische Würdigung klassischer Selbstmanagement-Interventionen 32

dazu in Deutschland und den USA in erster Linie auf Einzelcoachings und Trainingsmaßnahmen zurückgegriffen.

3.2.1 Coaching 31 als elitäre Fördermaßnahme

Sowohl in der Coaching-Praxis als auch in der wissenschaftlichen Coaching-Literatur gilt die Förderung von Selbstmanagement als maßgebliches Ziel von Coaching-Maßnahmen (Roth, Brüning & Edler, 1995; Schreyögg, 1995; Heß & Roth, 2001; Kubowitsch, 2001; Greif, 2002; Rauen, 2002). Unklar bleibt, ob die Verbesserung von Selbstmanagement im Coaching ein ei-genständiges Ziel darstellt oder ob sie als Mediatorvariable jeder Zielerreichung im Coaching zugrunde liegt. Die befragten Coaches in der Studie von Buhl et al. (2007) waren sich darin nicht einig. Einige grenzten Problemstellungen rund um die Bewältigung aktueller Krisen, konkretes Verhaltenstraining und die Unterstützung bei der Bearbeitung von Sachthemen klar von Selbst-management-Interventionen ab. Andere waren hingegen der Meinung, Coaching sei in jedem Fall Selbstmanagement-Förderung. Jedes Coaching-Anliegen weise einen Bezug zum Selbst-management des Klienten auf.

Die Studie gibt Aufschluss darüber, was Coaches konkret tun, um das Selbstmanagement ihrer Klienten zu fördern. Mit Ausnahme von Kubowitsch (2001), der sich explizit auf den Selbstma-nagementansatz von Kanfer bezieht, war zuvor nicht bekannt, ob wissenschaftliche Empfehlun-gen zur Selbstmanagement-Förderung im Coaching-Kontext rezipiert werden. Die Antworten der Coaches legen die Assoziation mit in der Literatur beschriebenen theoretischen Selbstmanage-mentmodellen nahe. Insbesondere der Selbstmanagementansatz nach Kanfer et al. (2000) so-wie populäre Organisations- und Zeitmanagementtechniken von Seiwert (2005) finden sich wie-der. Weitere theoretische Konzepte, die sich in Ansätzen aus den ermittelten Kategorien erken-nen lassen, sind die Zielsetzungstheorie (Locke & Latham, 1990), der Selbstführungsansatz nach Manz (1986) sowie die Theorie der Volition und Motivation nach Kehr (2002). Dem Metho-denpluralismus im Coaching entsprechend findet sich keine durchgängige Orientierung an be-stimmten Selbstmanagementtheorien. Es werden eher Elemente einer großen Bandbreite wis-senschaftlicher und nicht-wissenschaftlicher Ansätze miteinander kombiniert.

Zusammenfassend ist die Bedeutung des Selbstmanagement-Konzepts im Coaching unumstrit-ten. Dennoch spielen Coaching-Maßnahmen im Kontext der Förderung von Selbstmanagement-Kompetenzen eine eher untergeordnete Rolle. Zwar ergab die bislang größte Untersuchung zu Coaching im deutschsprachigen Raum (PEF, 2005a), dass 81% der Personalentwickler dieses Instrument mehr oder weniger regelmäßig einsetzen. Jedoch ist diese Art der Förderung ledig-lich einer kleinen Führungselite vorbehalten. Nur 44% der Befragten ziehen Coaching auch für Angestellte ohne Führungsposition in Erwägung. Da eine Coaching-Maßnahme in der Regel mit hohen Kosten verbunden ist (ca. 4400 bis 6000 € pro Person laut Rauen, 2008), ist sie auch nur für einen kleinen Kreis der Privatzahler relevant. Im Organisationskontext kommt hinzu, dass einige Führungskräfte befürchten, als Versager abgestempelt zu werden, wenn sie ein Coaching in Anspruch nehmen (PEF, 2005b). Entsprechend dürfte weiterhin die Aussage von Mayer & Götz (1998) gelten:

„Da es in vielen Unternehmen legitimer ist ‚zum Lernen auf ein Seminar zu gehen, als in Einzelberatung’ (Looss,

31 Coaching ist laut Heß & Roth (2001) „ein personenzentrierter Beratungs- und Betreuungsprozeß, der berufliche und private Inhalte umfassen kann und zeitlich begrenzt ist, [...] auf der Basis einer tragfähigen und durch gegenseitige Akzeptanz gekennzeichneten Beratungsbeziehung in mehreren freiwilligen und vertraulichen Sitzungen abgehalten wird, [...] für eine bestimmte Person [...] mit Managementaufgaben, durch einen Berater mit psychologischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnissen sowie praktischer Erfah-rung bezüglich der thematischen Problemfelder, [...] der auf der Basis eines ausgearbeiteten Coaching-Konzeptes agiert“ (S. 15).

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1992, S. 174), werden diese Methoden noch relativ selten beansprucht“ (S. 279).

Die wissenschaftliche Aussagekraft rund um das Thema Coaching wird dadurch erschwert, dass für Coaching kaum systematische oder verbindliche Evaluationskriterien vorliegen (vgl. z.B. Kühl, 2005). Während Mayer & Götz (1998, S. 279) vor zehn Jahren festhielten, dass es keine aussagekräftigen evaluativen Studien zu Einzelberatung und Coaching gäbe, hat sich an dieser Situation bis heute nichts geändert. In der Studie von Buhl et al. (2007) gaben die befragten Co-aches auf die Frage nach ihrer Evaluationsstrategie für Selbstmanagement-Interventionen vor allem introspektive Kriterien seitens des Klienten an (z.B. Verbesserung der Zufriedenheit und des Wohlbefindens). Eine systematische Evaluation oder Validierung anhand beobachtbarer Kriterien oder Verhaltensbeispiele erfolgte nicht. Es lässt sich festhalten, dass Coaching im Ein-zelfall der Selbstmanagementoptimierung dienen kann. Aufgrund seiner eingeschränkten Reichweite kommt dem Instrument Coaching jedoch keine vorrangige Bedeutung bei der Förde-rung von Selbstmanagement-Kompetenzen zu.

3.2.2 Trainings zur Vermittlung von Selbstmanagemen t-Strategien als Standard

Trainings nehmen bei der Förderung von Selbstmanagement-Kompetenzen eine zentrale Rolle ein. Auf dem Seminarmarkt von managerseminare.de finden sich allein 670 Angebote für offene Trainings sowie 664 Weiterbildungsträger, die dieses Angebot in ihrem Katalog auflisten (Mana-gerSeminare, 2008, Status 20.09.08). Über eine Befragung von Trainingsfirmen belegen Roth & Edler (1995), dass „Selbstmanagement“ ein verbreitetes Modul moderner Führungsverhaltens-trainings darstellt.32 Mayer & Götz (1998) weisen daraufhin, dass die Verbreitung von Selbstma-nagement-Trainings seit Mitte der siebziger Jahre in der beruflichen Bildung als Reaktion auf erkannte Defizite reiner Selbsterfahrungsgruppen zu interpretieren ist (S. 278). Da diese Trai-nings die berufliche Situation stärker mit einbeziehen, bestand die Hoffnung, dass sie die Trans-ferproblematik überwinden (vgl. dazu jedoch 3.4.2).

Darüber hinaus weisen Trainings im Vergleich zum Einzelcoaching ökonomische Vorzüge auf. Kostspielige Berater bzw. Trainer betreuen mehrere Personen gleichzeitig. Dadurch werden über Selbstmanagement-Trainings auch breitere Zielgruppen angesprochen. Neben Trainings für Führungskräfte werden unter anderem Selbstmanagementkurse speziell für Projektleiter (z.B. Management Circle, 2008), Assistentinnen (z.B. Die Akademie, 2008), Studierende und Gründer (Universität Marburg, 2008), Lehrer (Engelhardt-Ottl, 2008), Key Account Manager (Ac-tive Coach, 2008) und Frauen (Seminus, 2008) angeboten. Auf das Gros der Trainingsmaß-nahmen trifft in der Regel das zu, was Schuler (1995) Personalentwicklungsmaßnahmen im All-gemeinen vorwirft: Die Maßnahmen sind in der Regel nicht wissenschaftlich-theoretisch fundiert. Durchdachte Grundlagentheorien lassen dagegen in der Regel keine direkten technologischen Ableitungen zu. Mangels wissenschaftlicher Empfehlungen bleibt somit die Entscheidung, inwie-fern Theorien berücksichtigt werden, jedem Trainer überlassen. Häufig fließen auf diese Weise mehrere verschiedenartige Theorien in ein Konzept ein. In der Folge wird jedoch versucht, Trai-ningskonzeptionen „in Reinform“ abzubilden, auf die klassischerweise im Rahmen der Förde-rung von Selbstmanagement-Kompetenzen zurückgegriffen wird.

32 So gehört z.B. das Modul „Selbstmanagement als Führungsperson“ bei der Schweizerischen Vereinigung für Führungsausbildung SVF – ASFC (06.11.2007) zum Curriculum. Bezogen auf die angestrebte Kompetenz heißt es dort: „Die Absolventinnen und Absol-venten sind fähig, sich selbst so zu führen, dass sie als Führungsperson effektiv und effizient arbeiten und sich dabei seelisch, geis-tig und körperlich wohl fühlen“.

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3.3 Klassische Trainingskonzeptionen und ihre Probl eme

An dieser Stelle werden exemplarisch drei Selbstmanagement-Trainings vorgestellt, die in der Praxis in ähnlicher Form durchgeführt werden. Aus der Vielzahl möglicher Ansätze wurden ein verhaltenstherapeutisch orientiertes Training in Anlehnung an Kanfer (Frayne & Geringer, 2000; Klein, 2001), ein motivationstheoretisch orientiertes Training (Kehr, 2004) und ein Selbstmana-gement-Training nach den Ratgebern Seiwerts (Klein, 2001) ausgewählt. Damit sind die drei größten und am weitesten verbreiteten Klassen von Selbstmanagement-Trainings abgedeckt. Die nachfolgende Darstellung gliedert sich in folgende Unterpunkte: Zu jedem Training wird ein kurzer Überblick über Entstehungsgeschichte bzw. theoretischen Hintergrund gegeben. Das Ziel des Trainings wird dargelegt. Danach wird auf wesentliche Inhalte und den Trainingsaufbau ein-gegangen. Relevante Belege für die Wirksamkeit des Trainings speziell für den Organisations-kontext werden diskutiert. An die Darstellung der Trainings schließt eine zusammenfassende Betrachtung des Stands der Forschung zu Selbstmanagement-Interventionen in Organisationen an.

3.3.1 Verhaltenstherapeutisch orientiertes Selbstma nagement-Training nach Kanfer et al. (2000)

Selbstmanagementtherapie als Alma Mater verhaltenstherapeutischer Selbstmanagement-Trainings

Stroß (2001) stellt Kanfer als Begründer und führenden Autor des Selbstmanagementansatzes dar. Die von ihm entwickelte „Selbstmanagementtherapie“ (Kanfer et al., 2000) integriert lern-theoretische Grundlagen (z.B. Kanfer, Philips, Shirley & Ortman, 1975) wie zum Beispiel klassi-sche operante33 Verfahren, und Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie (vgl. Reinecker, 2000). Betonung finden insbesondere die Selbstverantwortlichkeit des Klienten und seine aktive Beteiligung am Veränderungsprozess. Die Erfahrung, Veränderungen im eigenen Lebenskon-text aus eigener Kraft zu initiieren, wirkt auf den Klienten motivierend (Kanfer, 1984). Ziel der Therapie ist es, den Klienten dazu zu befähigen, zukünftige Schwierigkeiten selbständig und weitgehend ohne fremde Hilfe zu bewältigen. Insofern gilt die Selbstmanagementtherapie auch als Meta-Modell oder Leitbild des therapeutischen Prozesses und überschreitet damit die Gren-zen konkreter therapeutischer Richtungen (Reinecker, 1999). Es gibt Hinweise darauf, dass eine an diesem Leitbild orientierte Vorgehensweise bei Klienten am besten akzeptiert wird (Mace & West, 1986). Die Rolle des Therapeuten ist klar definiert. Er ist „Vermittler von speziellen Fähig-keiten und Kompetenzen (z.B. Selbstbeobachtung, Selbstbewertung, Selbstverstärkung, Selbst-kontrolle, Zielsetzung, Problemlösen, Entscheiden etc.), die der Klient für die Eigensteuerung und eventuelle Selbstkorrektur seines Verhaltens benötigt“ (Kanfer & Gaelick-Buys, 1991, S. 352). Um den Rahmen für Veränderungen aktiv zu gestalten, kann er zum Beispiel auf das 7-Phasen-Modell für den diagnostisch-therapeutischen Prozess von Kanfer et al. (2000) zurück-greifen.

Keine Verbreitung im Organisationskontext

Prinzipien der Selbstmanagementtherapie haben wiederholt Anklang gefunden und werden in sehr verschiedenen Anwendungsbereichen und mit sehr unterschiedlichen Zielgruppen in Trai-

33 Operante Verfahren sind Maßnahmen der Konsequenzkontrolle. Sie basieren auf der Annahme, dass die zukünftige Auftretens-wahrscheinlichkeit von Verhalten derselben operanten Klasse von den unmittelbaren Konsequenzen des Verhaltens bestimmt wird (Reinecker, 1999). Sie sind insbesondere dann geeignet, wenn die Auftrittshäufigkeit eines Verhaltens verändert werden soll.

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nings umgesetzt. Frayne und Latham (1987) führen an, dass Selbstmanagement-Trainings zur Überwindung von Suchtverhalten, zur Gewichtsreduktion und zur Verbesserung von Lernverhal-ten beitragen (vgl. Frayne & Latham, 1987). Klein (2001, S. 67f.) berichtet über den Einsatz von Selbstmanagement-Programmen im Rahmen der Krankheitsprävention, der Gesundheitserzie-hung, der Bewältigung von Schwellensituationen, der Steigerung sozialer Kompetenzen, der Angstbewältigung sowie der beruflichen Förderung von Langzeitarbeitslosen. In Organisationen haben sich Selbstmanagement-Trainings nach Kanfer noch nicht durchgesetzt (vgl. Kehr, 2004). Dies mag eventuell damit zusammen hängen, dass die Selbstmanagementtherapie ausdrücklich nicht für den Organisationskontext konzipiert wurde: „Der Bereich der Arbeits- und Organisati-onspsychologie, Mitarbeiterführung und des Personalmanagements [...] fällt [...] nicht unter das von uns intendierte Gebiet“ (Kanfer et al., 2000, S. 7). Dennoch stieß der Ansatz auch in diesem Bereich auf Resonanz (vgl. Frayne & Geringer, 2000; Kubowitsch, 2001; Klein, 2001). Klein et al. (2003) entwickelten und erprobten auf der Basis dieser Therapieform ein Selbstmanagement-Training für den Wirtschaftsbereich. Als Fazit halten sie fest:

„Obwohl das Selbstmanagement-Modell vor allem in der psychotherapeutischen Praxis eingesetzt wird, lässt es sich auch in anderen Bereichen einsetzen [...]. Dann ändern sich nur die Ziele des Klienten/der Klientin und spiegeln weni-ger klinisch-psychologische Probleme wider, sondern Probleme aus dem Arbeitsleben“ (S. 159).

Bei der Darstellung der empirischen Befunde (s.u.) wird verdeutlicht, inwieweit Trainings für Or-ganisationsmitglieder auf Basis der Prinzipien der Selbstmanagementtherapie bislang Erfolge verzeichnen konnten.

Vermittlung von Selbstmanagement-Strategien zur Erreichung eigener Selbstmanagement-Ziele

Das Ziel von Trainings auf Basis der Selbstmanagementtherapie besteht in der Vermittlung von Selbstmanagement-Strategien. In der Regel werden die Teilnehmer dazu angehalten, ein eige-nes Selbstmanagement-Projekt zu verfolgen. Dadurch werden die theoretischen Inhalte auf kon-krete Problemstellungen bezogen. Die Teilnehmer sollen in die Lage versetzt werden, ihr Erle-ben und Verhalten in einer Weise gezielt zu beeinflussen, die es ihnen erlaubt, alle möglichen persönlichen Entwicklungsziele zu realisieren. Charakteristisch für den Ansatz ist, dass die Teil-nehmer sich diese Ziele selbst auswählen (Godat & Brigham, 1999). Außerdem wird zunächst mit kleinen und konkreten Zielen begonnen (Klein, König & Kleinmann, 2003). Im Training lernen die Teilnehmer, verhaltenstheoretische Strategien zur Veränderung ihrer eigenen Probleme an-zuwenden (Reinecker, 1999). Der Fokus auf Wissensvermittlung erklärt sich dadurch, dass Selbstmanagement-Kompetenz als Funktion des Wissens über kontrollierende Bedingungen des eigenen Verhaltens und ihrer Kontrolle verstanden wird (vgl. Thoresen & Mahoney, 1974).

Selbstmanagement-Techniken als Inhalt von Selbstmanagement-Trainings nach Kanfer

Zur Vermittlung von Selbstmanagement-Strategien werden in den meisten Programmen Techni-ken der Zielsetzung, Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und Selbstverstärkung thematisiert (Kanfer, 1984; Latham & Locke, 1991). Um ihr Verhalten in die gewünschte Richtung zu verän-dern, lernen die Teilnehmer darüber hinaus zum Beispiel Techniken des Kontingenzmanage-ments und der Stimuluskontrolle sowie kognitive Strategien. In Anhang 1 sind die häufigsten Strategien und ihr jeweiliger Nutzen aufgeführt. Im Folgenden werden die Basis-Bausteine eines Selbstmanagement-Trainings, wie es beispielsweise von Frayne (1991; vgl. Tsui & Ashford, 1994; Godat & Brigham, 1999; Gintner & Poret, 2001) vorgeschlagen wird, näher betrachtet.

1. Problemidentifikation (self-assessment): Zunächst soll der Teilnehmer erkennen, worin genau sein Problem besteht. Frederiksen (1982) verwendet die Bezeichnung ‚target behavior‘ (S. 221). Das zu verändernde Verhalten muss erkannt werden. Auch etwaige Schwankungen und situati-

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onale Merkmale des Verhaltens sollen festgestellt werden. Dazu ist eine verhaltensnahe Be-schreibung des Problems nötig. Diese, von Schuler (1995) auch Problemidentifikation genannte Phase, bildet die Grundlage für den nächsten Schritt.

2. Zielsetzung (Goal setting): Um das Problem lösen zu können, entwickelt der Teilnehmer Ziele hinsichtlich des erwünschten Verhaltens. Locke & Latham (1990) unterstreichen die Vorzüge dieser Herangehensweise: “Goals facilitate performance in four ways: they direct attention and action, they mobilize energy and effort, they increase persistance, and they motivate the devel-opment of appropriate task strategies” (S. 29). Um die Leistung positiv zu beeinflussen, müssen die gesetzten Ziele schwierig und herausfordernd, jedoch auch erreichbar bzw. realistisch sein (Locke & Latham, 1990). Sie sollten ferner präzise und spezifisch sein. Außerdem ist ein adä-quater Plan zur Zielerreichung aufzustellen (Frayne, 1991). Beispielsweise sind dem Teilnehmer Möglichkeiten zur Veränderung der das unerwünschte Verhalten auslösenden Reize aufzuzei-gen (Frederiksen, 1982). Behindert zum Beispiel ständiges Telefonklingeln die effektive Kon-zentration auf einen zu schreibenden Bericht, so kann das Telefon für die Dauer der Tätigkeit abgeschaltet werden (Stimuluskontrolle, vgl. Anhang 1).

3. Selbstbeobachtung (self-monitoring): In dieser Phase lernt der Teilnehmer sich selbst und sein Verhalten in natürlichen Situationen sehr genau zu beobachten: Wann tritt das Verhalten auf, wie oft und wodurch wird es ausgelöst (Frederiksen, 1982)? Zu diesem Zweck können Ver-haltenstagebücher, Strichlisten, Stoppuhren oder graphische Schemata als Hilfsmittel genutzt werden (Reinecker, 2000). Frayne (1991) weist darauf hin, situationale Faktoren, welche die Zielerreichung behindern, zu registrieren. Dem Prozess der Selbstbeobachtung kommt sowohl eine selbstdiagnostische wie auch eine selbstmotivierende Funktion zu (Bandura, 1991). In der Regel treten reaktive Effekte auf, die mit einer Veränderung des Verhaltens in die gewünschte Richtung einhergehen. Sie sind jedoch meist zeitlich begrenzt (Frederiksen, 1982; Reinecker, 2000).

4. Selbstbewertung (self-evaluation): Das eigene Verhalten wird hinsichtlich seiner Effektivität bewertet. Der Teilnehmer vergleicht sein aktuelles Verhalten mit seinen zuvor gesetzten Zielen (Frayne, 1991). Hierbei spielen unter anderem persönliche Standards und Attributionsmuster eine große Rolle (Bandura, 1991). Je nachdem, ob die Ziele erreicht oder verfehlt wurden, resul-tiert daraus die letzte Phase.

5. Selbstreaktion (self-consequences): Die Teilnehmer lernen, sich kontingent auf erwünschtes Zielverhalten Verstärker zu verabreichen. Dabei wird der Umgang mit Selbstbelohnungen (z.B. Kinobesuch nach Fertigstellung eines Berichtes) und Selbstbestrafungen (z.B. sich zwingen, ein verhasstes Lied zu hören) geübt. In Anlehnung an die operante Terminologie von Skinner sind verschiedene Möglichkeiten und Kombinationen von Selbstverstärkung und Selbstbestrafung denkbar (vgl. Reinecker, 2000, S. 532). Auf Basis der Kontinuitätsannahme von offenem und verdecktem Verhalten können auch Verstärker mit verbal-symbolischem Charakter (z.B. ver-decktes Selbstlob) eingesetzt werden. Das Premack-Prinzip (z.B. Thoresen & Mahoney, 1974) erweitert die Auswahl von Verstärkern: Hierbei wird ein beliebiges Verhalten mit hoher Auftre-tenswahrscheinlichkeit (z.B. Kaffee trinken) abhängig gemacht von dem erwünschten Verhalten (z.B. Bericht schreiben) und kann so auch als Belohnung dienen. Während Selbstbelohnungen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verhalten in einer ähnlichen Situation wieder auftritt, erhöhen, kann Selbstbestrafung bei zu häufiger oder zu intensiver Nutzung zu einer Vermeidungstendenz führen (Frederiksen, 1982; Sims & Lorenzi, 1992). Reinecker (2000) spricht Verfahren der Selbstbestrafung daher eine eher untergeordnete Bedeutung zu.

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Ergänzend zu den skizzierten verhaltensorientierten Strategien weisen Neck & Manz (1992) mit ihrem Konzept des „thought self-leadership“ auf die Rolle kognitiver Strategien zur Selbstbeein-flussung hin. Dabei handelt es sich um Methoden, die eigenen Denkmuster effektiver zu gestal-ten, so dass sie eher in Gefühlen von Kompetenz, Autonomie und Sinn resultieren. Diese An-sätze können dabei unterstützen, die Arbeit so zu gestalten, dass sie von sich aus (intrinsisch) lohnender wird. Im Einzelnen handelt es sich um Strategien zur Veränderung von Selbstgesprä-chen, zur Fokussierung von Aufmerksamkeit und zu visuellen Vergegenwärtigungen. Für eine Erläuterung sei ebenfalls an Neck & Manz (1992) verwiesen. Darüber hinaus betont Kanfer wie-derholt einen weiteren wichtigen Faktor im Rahmen des Gesamtprogramms (z.B. Erez & Kanfer, 1983; Reinecker, 1999): Um die Veränderung beizubehalten und ein frühzeitiges Aussteigen aus dem Prozess zu verhindern, ist es hilfreich, dass die Zielperson einen Vertrag mit sich selbst schließt. In diesem wird genau festgelegt, welche Ziele sie sich setzt und welche Konsequenzen aus der Einhaltung oder Verletzung des Vorsatzes resultieren. Dieses „Contract Management“ unterstützt die Zielklarheit und hat eine motivierende Funktion. Es ermutigt den Teilnehmer, den ersten Schritt zur Änderung zu unternehmen (Reinecker, 1999).

Eine etwas andere Variante eines verhaltenstherapeutisch orientierten Selbstmanagement-Trainings findet sich bei Klein (2001). Er orientiert sich im Rahmen seiner Konzeption stark am 7-Phasen-Modell für den diagnostisch-therapeutischen Prozess von Kanfer et al. (2000). Sein Training führt er als zweitägig angelegtes Seminar durch. Dies geht auf die folgenden Überle-gungen zurück:

„Üblicherweise dauern solche Firmentrainings nämlich zwei Tage, und sie schließen eine extensive Einzelarbeit mit den Probanden, die natürlich den Hauptteil der Selbstmanagement-Therapie ausmacht, durch die Gruppensituation aus“ (Klein, 2001, S. 113).

Die in den USA publizierten Selbstmanagement-Trainings haben ein für die deutsche Trainings-praxis eher ungewöhnliches Interventionsdesign. Sie variieren zwischen drei und acht Wochen, in denen jeweils ein- bis zweieinhalbstündige Sitzungen abgehalten werden. Dies ist insofern sinnvoll, als die Teilnehmer neues Verhalten zwischen den Sitzungen schrittweise und in kon-kreten Situationen üben können. Dadurch wird der Transfer in alltägliche Situationen begünstigt (Reinecker, 1999). Ein zwei- bis dreitägiges Training, wie es in Deutschland üblich ist und von Klein (2001) erprobt wurde, kann diese kontinuierliche Begleitung des Selbstveränderungspro-zesses nicht leisten.

Mangelnde empirische Bewährung verhaltenstherapeutisch orientierter Selbstmanagement-Trainings im Organisationskontext

Der Ansatz von Kanfer et al. (2000) hat sich in anderen Kontexten vielfach bewährt. Entspre-chend sind an dieser Stelle nur Belege für die Wirksamkeit an Stichproben von Organisations-mitgliedern, die hohen Selbstmanagement-Anforderungen ausgesetzt sind, von Bedeutung. Er-nüchtert wird man allerdings bei der Recherche nach Studien an dieser Zielgruppe. In der US-amerikanischen Literatur sind bis heute (2008) lediglich fünf Studien zu evaluierten Selbstmana-gement-Trainings im Organisationskontext publiziert. Sie beziehen sich alle auf die sozialkogni-tive Lerntheorie (Bandura, 1986) oder den Ansatz von Kanfer et al. (2000). Entsprechend greifen sie auch allesamt auf das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung34 zurück, um den ange-nommenen Zusammenhang zwischen Selbstmanagement-Trainings und Änderungen im

34 Das Konstrukt der Selbstwirksamkeitserwartung (self-efficacy) geht auf Bandura (1986) zurück. Es meint die Überzeugung, ein bestimmtes Verhalten durchführen zu können, das zu einem entsprechenden Ergebnis führen wird: „people’s judgements of their capabilities to organize and execute courses of action required to attain designated types of performances. It is concerned not with the skills one has but with the judgments of what one can do with whatever skills one possesses” (Bandura, 1986, S. 391).

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Selbstmanagementverhalten zu erklären. Über die Steigerung des Vertrauens in die eigene Wirksamkeit durch ein Training – so die Hoffnung – wird letztlich auch ein effizienteres Selbst-managementverhalten erzielt. Alle Studien belegen in ihren Ergebnissen zumindest die erwarte-te Steigerung der Selbstwirksamkeit (Frayne & Latham, 1987; Frayne & Latham, 1989; Frayne & Geringer, 2000; Godat & Brigham, 1999; Gintner & Poret, 2001). Welche Aussagen zur Wirk-samkeit sie darüber hinaus ermöglichen, wird nachfolgend im Einzelfall geprüft.

Frayne & Latham (1987; 1989) führten ihre beiden Trainings mit Mitarbeitern einer Instandhal-tungsabteilung des öffentlichen Dienstes durch (jeweils n=20). Ihre Studien zielten auf die Be-kämpfung von Absentismus. Die Förderung von Selbstmanagement-Kompetenzen sehen sie als Mittel zu diesem Zweck. Sie wiesen nach, dass sich die Anwesenheit am Arbeitsplatz durch ein Training signifikant erhöhen lässt. Da den Mitarbeitern gleichzeitig ein mehrwöchiges Einzelcoa-ching zuteil wurde, bleibt jedoch unklar, ob und inwieweit die Effekte auf das Training zurückzu-führen sind. Die Studien erscheinen sehr kulturspezifisch, da sie in ihren Zielen, abhängigen Variablen und im Rahmen der Zielgruppendefinition auf Rahmenbedingungen verweisen, die in Deutschland unbekannt sind.35 Die Auswahl des recht niederschwelligen Kriteriums der „job at-tendance“ lässt die Übertragbarkeit auf eine Zielgruppe von Organisationsmitgliedern fragwürdig erscheinen. Es ist wenig plausibel, dass Mitarbeiter mit hohen Selbstmanagement-Anforderungen ein Absentismus-Problem haben.36 Zumal in Deutschland in den letzten Jahren beobachtet wird, dass die Anzahl der Krankschreibungen übergreifend sinkt (Zoike, 2005). Die Ergebnisse der beiden Studien sind für die Beurteilung von Selbstmanagement-Trainings in Or-ganisationen jedoch auch deshalb nicht relevant, weil das Zielverhalten (job attendance) von den Teilnehmern nicht selbst gewählt und stattdessen von der Organisation bzw. den Autoren der Studie vorgegeben wurde. Daher handelt es sich nach der Definition dieser Arbeit (vgl. 2.2) sowie dem Trainingsansatz nach Kanfer et al. (2000) nicht um ein Selbstmanagement-Training im engeren Sinne. Letzteres soll die Teilnehmer dazu befähigen, anhand der Bearbeitung ganz individueller Ziele generalisierbare Selbstmanagement-Fähigkeiten zu erlernen.

Frayne & Geringer (2000) trainierten eine Stichprobe von Vertriebsangestellten eines Lebens-versicherungskonzerns, die im vergangenen Jahr nicht die vorgegebenen Organisationsziele erreicht hatte (n=30). In ihrer Studie konnte ein 4-wöchiges Selbstmanagement-Training nicht nur sofort, sondern auch langfristig zu Leistungsverbesserungen beitragen. Allerdings ist auch in diesem Fall zu vermuten, dass die Selbstmanagement-Ziele nicht von den Teilnehmern selbst gewählt wurden. Die Autoren zeigen auf, wie sie das Training auf die spezifischen Belange der Zielgruppe anpassten (z.B. durch Fallstudien, die Leistungshindernisse im Vertrieb thematisier-ten). Es entsteht der Eindruck, dass sie eher ein Vertriebstraining entwickelten, in dem auch Selbstmanagement-Strategien vermittelt wurden. Wahrscheinlich sind aufgrund der Deckungs-gleichheit von Organisationszielen und Mitarbeiterzielen in diesem Spezialfall auch eher externe Verstärker (die Mitarbeiter erhielten für mehr Umsatz Prämien der Versicherung) für die Nach-haltigkeit der Leistungsverbesserungen verantwortlich. Diese Hypothese wird von den Autoren jedoch nicht in Erwägung gezogen. Insgesamt sind die Ergebnisse für die Beurteilung der Wirk-samkeit von Selbstmanagement-Trainings für Organisationsmitglieder wenig aussagekräftig. Zu den bereits genannten Kritikpunkten kommt hinzu, dass die Zielgruppe für Organisationsmitglie-der nicht repräsentativ ist. Denn Vertriebsmitarbeiter bzw. Versicherungsvertreter sind in der

35 Insbesondere gehört zu diesen die Nutzung eines begrenzten Kontingents von „sick leave“-Tagen. 36 Hierfür sprechen z.B. die Ergebnisse der Studie von Godat & Brigham (1999), welche "well motivated and high functioning employees" untersuchten. Sie nahmen die „job attendance“ ebenfalls als abhängige Variable auf. Es zeigte sich jedoch ein Decken-effekt, da die Anwesenheit am Arbeitsplatz bereits vor dem Training hoch war.

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Regel „Einzelkämpfer“, die ihre Arbeit ebenso gut im Rahmen freier Mitarbeit verrichten können und dadurch weniger in den Organisationskontext eingebunden sind als herkömmliche Ange-stellte.

Die Studie von Godat & Brigham (1999) wurde mit Mitarbeitern eines mittelständischen US-Unternehmens durchgeführt (n=35, davon 27 Frauen). Sie führten über einen Zeitraum von acht Wochen in Gruppen von maximal zehn Personen ein insgesamt 16-stündiges Training durch. Grundlage dafür waren ein Arbeitsbuch sowie vorlesungsartige Präsentationen. Die Teilnehmer lernten, selbst gewählte, „arbeitsbezogene“ Probleme zu lösen. Sie bearbeiteten ihr individuelles Selbstmanagement-Projekt und führten darüber Buch. Im Ergebnis zeigte sich, dass das Trai-ning positiv aufgenommen wurde und die Selbstwirksamkeitserwartung in Bezug auf die Lösung arbeitsplatzbezogener Probleme anstieg. Die Mehrzahl der Projekte war erfolgreich (d.h. es zeigten sich im Vergleich zur Ausgangs-Baseline Veränderungen von 50% oder mehr). Betrach-tet man die Projekte genauer, so fällt auf, dass das Training lediglich zu Lösungen für wenig komplexe Probleme beitrug. Als Ziele wurden etwa gesetzt, den Kollegen häufiger Komplimente zu machen, die Dauer privater Telefonate am Arbeitsplatz zu reduzieren, mehr Akten zu sortie-ren oder mehr Wasser zu trinken. Bedenkt man die hohen Anforderungen, die Arbeitnehmer heute zu bewältigen haben, so ist zu bezweifeln, dass auf diese Art und Weise auch komplexe Probleme und Anforderungen der Arbeitswelt bewältigt werden können. Es lässt sich vermuten, dass der Fokus auf Wissensvermittlung im Rahmen dieser Art von Selbstmanagement-Training dazu veranlasst, weniger komplexe Probleme zu betrachten. Das verhaltenstherapeutische Grundwissen hebt die genaue Messbarkeit von Verhalten hervor. Vermutlich gingen die Proban-den bei ihrer Problemidentifikation nicht von ihrem aktuellen Selbstmanagement-Problem aus, sondern wählten stattdessen ein Thema, das aus ihrer Sicht zur Methode passte bzw. das sie für bearbeitbar hielten. Da das Follow-up von Godat & Brigham (1999) bereits einen Monat nach dem Training erfolgte, lässt sich zur Nachhaltigkeit der beobachteten Veränderungen keine Aus-sage treffen.

Auf die Studie von Gintner & Poret (2001) trifft ebenfalls zu, dass sich die Probanden (n=35), eine Zielgruppe von studierenden Gemeindemitarbeitern, lediglich mit wenig komplexen Prob-lemen beschäftigten. Interessant ist, dass die Autoren erstmals auch Aussagen zur Nachhaltig-keit eines Selbstmanagement-Trainings im engeren Sinne treffen. 69% der Teilnehmer erreich-ten oder übertrafen ihr selbst gesetztes Ziel bereits zum Ende des 30-stündigen Trainings.37 Im Follow-up nach zehn Wochen berichteten jedoch stichprobenübergreifend nur noch 46% der Teilnehmer über den Erhalt oder die Verbesserung ihres Zielniveaus bei Trainingsende. Ca. ein Drittel der Stichprobe wurde nach Definition der Autoren „rückfällig“ (d.h. ihr Zielverhalten wies im Follow-up Werte unter 50% des Baseline-Niveaus auf bzw. hatte sich im Vergleich zum Ende des Trainings um mindestens 70% verschlechtert). Die Autoren räumen ein, dass diese Follow-up-Effekte im Vergleich zu anderen Zielgruppen vermutlich noch überschätzt sind, da 34 der 35 Teilnehmer weiblich waren und „in comparison to males, females have shown greater mainte-nance of self-managed behaviors” (Gintner & Poret, 2001, S. 85). Leider wurde im Rahmen der Studie nicht untersucht, ob die „Rückfälligen“ sich eventuell schwerere Ziele gesetzt hatten oder ob sie möglicherweise durch problematischere Rahmenbedingungen oder besondere Ereignisse aus der Bahn geworfen wurden. Beides ist nach Angabe der Autoren durchaus denkbar.

37 Das Training fand über einen Zeitraum von drei Wochen statt, wobei die Probanden jeweils vier Tage pro Woche an zweieinhalb-stündigen Trainingseinheiten teilnahmen.

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Die Suche nach empirischen Belegen für die Wirksamkeit von Selbstmanagement-Trainings in deutschen Organisationen erschöpft sich sehr rasch. Klein (2001) stellt fest, dass „Selbstmana-gement als Training auf der Basis der Forschungsergebnisse Kanfers und seiner Mitarbeiterin-nen in Deutschland bislang noch nicht praktiziert“ (S. 115) wird. Ein am Markt angebotenes, nach den Überlegungen von Kanfer et al. (2000) konzipiertes Selbstmanagement-Training lässt sich für den deutschsprachigen Raum bis heute nicht im Internet recherchieren (Stand: Oktober 2008). Kleins (2001) Anliegen war es daher, „die für den klinischen Bereich entwickelten und hier als effektive Anwendungen empirisch gut belegten Verfahrensweisen für das Feld der Ar-beits- und Organisationspsychologie und damit für die Anwendung in Weiterbildungsprogram-men von Firmen nutzbar [zu] machen“ (S. 82). Der Fokus lag demnach auf dem Selbstmanage-ment von Berufstätigen. Gleichwohl führte er seine Studie beinah ausschließlich mit Langzeitar-beitslosen durch. Er begründet dies mit den „Rahmenbedingungen der Lebensgestaltung. Diese sehen nämlich bei Arbeitslosen [...] kaum äußere Kontrolleinflüsse vor. Insofern scheinen Selbstmanagement-Fertigkeiten [...] in diesem Bereich besonders relevant zu sein“ (ebd., S. 14). Dies klingt plausibel. Fraglich bleibt jedoch, inwieweit ein Selbstmanagement-Training für Unter-nehmen relevant ist, das an Menschen erprobt wurde, die unter völlig anderen Bedingungen leben. Kleins (2001) Teilnehmer setzten sich vorrangig zum Ziel, ihre Arbeitsplatzsuche effekti-ver und effizienter zu gestalten und mehr Sicherheit bei ihren Bewerbungen zu erlangen. Dies sind in der Regel keine Ziele, die für Organisationsmitglieder relevant sind. Da Kleins Studie zudem zahlreiche methodische Mängel aufweist38 und sich auf eine vergleichende Evaluation beschränkt, ermöglicht sie letztlich keine Aussage zur Wirksamkeit von Selbstmanagement-Trainings in Organisationen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in Bezug auf die Wirksamkeit verhaltenstherapeuti-scher Selbstmanagement-Trainings in Organisationen keine solide empirische Beweislage vor-liegt. Die wenigen vorhandenen Studien wurden größtenteils an für das Thema wenig relevanten Zielgruppen durchgeführt. Insgesamt zeigt sich, dass Selbstmanagement-Trainings nach Kanfer et al. (2000) für die selbständige Lösung wenig komplexer, im weitesten Sinne arbeitsbezogener Probleme hilfreich sein können. Die wenigen Daten, die zur Nachhaltigkeit vorliegen, deuten jedoch darauf hin, dass diese Effekte selten von Dauer sind.

3.3.2 Selbstmanagement-Training zur Förderung metam otivationaler und meta-volitionaler Kompetenzen nach Kehr (2004)

Die Motivationsforschung als Quelle des Kehr’schen Selbstmanagement-Trainings

Kehr (2002) versteht unter Selbstmanagement „die Art und Weise, wie eine Person mit ihren eigenen Motivations- und Willensprozessen umgeht“ (S. 13) bzw. „die Fähigkeit, die eigene Mo-tivation systematisch zu steigern und Handlungsbarrieren zu überwinden“ (Kehr, 1998, S. 52). Entsprechend stützt er die Inhalte seines Trainings auf die Forschung zu Mechanismen der Mo-tivation und Volition (z.B. Heckhausen, Gollwitzer & Weinert, 1987; Kuhl, 2001; Heckhausen,

38 Um nur einige zu nennen: Der Autor ignoriert die Alpha-Fehler-Kumulierung und rechnet eine Vielzahl von Mittelwertsvergleichen ohne die entsprechende Fehlerkorrektur. Die Wahrscheinlichkeit, dass viele Effekte nur zufällig signifikant wurden, ist somit sehr hoch. Das Ausschließen von Versuchsleitereffekten (Klein, 2001, S. 202 f.) erscheint darüber hinaus wenig plausibel: Es zeigten sich zwischen den beiden Gruppen Mittelwertsunterschiede in Bezug auf die Einschätzung von Kleins Engagements und seiner Kompe-tenz als Trainer. Seine Entscheidung zugunsten der Nullhypothese trifft Klein mit einer Alpha-Fehler-Wahrscheinlichkeit von 30% - Würde er sich an die Konventionen (Alpha-Niveau von 5%) halten, so hätte er sich für die Alternativhypothese entscheiden müssen. Darüber hinaus räumt der Autor Intergruppenunterschiede vor dem Training ein: "D.h. es ist anzunehmen, daß die 'Kanfer'-Probandinnen insgesamt von vornherein etwas trainingsmotivierter waren als die Trainees der 'Seiwert'-Gruppe" (Klein, 2001, S. 205). Diese Unterschiede sind wahrscheinlich mit den Effekten konfundiert. Darüber hinaus setzt Klein zur Messung der abhängigen Variablen durchweg traitorientierte Persönlichkeitsskalen ein, die konzeptionell zur Erfassung von Veränderungen nicht geeignet sind – obwohl zum Teil (z.B. zur Messung der Selbstwirksamkeitserwartung) auch Verfahren zur State-Messung verfügbar sind.

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2003). In Kehrs (2001; 2004) Modell stellen Motivation und Volition parallel operierende Syste-me dar. Das motivationale System ist demnach für die Entwicklung und Lenkung affektiver und kognitiver Präferenzen zuständig. Verhaltenstendenzen, die aus affektiven Präferenzen entste-hen, bezeichnet Kehr (2004) als „implizite Verhaltenstendenzen“ (S. 58). Diese grenzt er von den aus kognitiven Präferenzen entstehenden „Handlungsabsichten“ (ebda.) ab. Das volitionale System dient in diesem Modell der Realisierung kognitiv repräsentierter Handlungsoptionen. Solange eine explizite Handlungsabsicht durch die gegenwärtige Motivations- oder Bedürfnisla-ge unterstützt wird, befindet sich das Individuum in einer motivationalen Steuerungslage. Kehr (2001) geht jedoch davon aus, dass häufig große Diskrepanzen zwischen bewussten Zielen und impliziten Motiven bestehen, die eine Quelle psychischer Konflikte darstellen.39 Sobald ein derar-tiger intrapsychischer Konflikt (in Kehrs Terminologie eine Handlungsbarriere) entsteht, ist der Wechsel zur volitionalen Handlungssteuerung gefordert. Sie dient dem Ziel, die ungenügende Motivation zu kompensieren. Kehr (2004) zufolge geschieht dies entweder durch die Unterdrü-ckung störender (affektiver) Verhaltensimpulse (Impulskontrolle) oder durch die volitionale Un-terstützung bedürfnisdiskrepanter Absichten, um ihre Realisierung zu erleichtern (Zielstärkung). Die volitionale Handlungssteuerung bedient sich dazu verschiedener Mechanismen. Kehr (2004, S. 72ff.) bezeichnet sie als Motivationskontrolle (willkürliche Anregung spezifischer Motive), Emotionskontrolle (Herstellung einer förderlichen Emotionslage), Aufmerksamkeitskontrolle (se-lektive Aufmerksamkeitslenkung auf ausführungsrelevante Aspekte) und Entscheidungskontrolle (Vermeidung überlanger Entscheidungszeiten).

Auch wenn es mittels volitionaler Steuerung gelingt, fehlende Motivation zu kompensieren, hat sie eine Reihe unerwünschter Nebenwirkungen: Sie verbraucht kognitive Ressourcen, wird als Anstrengung oder Unlust erlebt, kann zu Stress, Rigidität in der Handlungsausführung oder Ent-fremdungsgefühlen bis hin zur Depression führen (vgl. Kehr, 2004, S. 101). In diesem Fall ver-sprechen metamotivationale und metavolitionale Strategien Abhilfe. Erstere werden eingesetzt, um „Handlungspläne an der impliziten Bedürfnisbasis auszurichten“ (Kehr 2004, S. 171). Da nur durch diesen Einsatz Handlungsbarrieren präventiv vorgebeugt wird, wird Metamotivation von Kehr (2004) als nachhaltiger bezeichnet. Metavolitionale Strategien dagegen werden eingesetzt, um „die Effizienz volitionaler Steuerungsanlagen zu verbessern sowie ihren Ressourcen-verbrauch und ihre Nebenwirkungen zu vermindern“ (Kehr 2004, S. 171) (z.B. über die Reduzie-rung von Überkontrolle). Diese Metastrategien bilden die Grundlage für die Trainingsmaßnahme.

Kehrs (2004) Training wurde im Rahmen eines konsistenten Theoriegebäudes entwickelt. Die eigenen Vorannahmen stützt er durch eigene empirische Grundlagenstudien zu Motivations- und Volitionsprozessen. Die Interventionsziele leitet er sauber aus seiner Theorie ab. Die nach-folgende Übersetzung in konkrete Interventionshandlungen ist jedoch wenig transparent. Die konsequente Darstellung im Rahmen des zuvor erarbeiteten Modells und dessen Terminologie erschwert den Einblick darin, was mit den Teilnehmern tatsächlich geübt wird. Anhang 1 gibt einen Überblick über die Strategien, die im Training letztlich vermittelt werden. Es fällt auf, dass diese sich in weiten Teilen mit klassischen kognitiven Strategien (vgl. Anhang 1, Neck & Manz, 1992) decken. Bei genauerer Betrachtung wirken die Inhalte nicht so schlüssig, wie die konsi-stente Darstellung vermuten lässt. Viele Verknüpfungen bleiben unklar (z.B. warum steigern Entspannungsübungen die Willensstärke?). Die Transformation der Modellannahmen zu Inter-

39 Kehr (2004) unterscheidet drei Arten internaler Konfliktkonstellationen zwischen impliziten und expliziten Motiven: Konflikte zwi-schen impliziten Motiven (die sich weitgehend dem Bewusstsein entziehen), Konflikte zwischen expliziten Motiven (Zielen) sowie Konflikte zwischen impliziten Motiven und expliziten Zielen. Seine Ausführungen gehen hauptsächlich auf den Konflikt zwischen expliziten und impliziten Motiven ein. Er geht davon aus, dieser sei „für das Volitionsverständnis besonders ergiebig“ (Kehr, 2004, S. 40).

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ventionen orientiert sich stark an den ausgewählten Diagnoseinstrumenten.40 Es sei an dieser Stelle kritisch angemerkt, dass die zentrale Bedeutung, die dem Einsatz dieser Messverfahren im Training zukommt, psychologisches Hoheitswissen suggeriert. Die Teilnehmer werden in eine für sie vermutlich gänzlich neue Terminologie eingeführt. Daraufhin werden ihnen ihre „objekti-ven“, „eigentlichen“ Motive und ihre „Defizite“ auf diesen neuen Dimensionen zurückgespiegelt. Der Autor bedient sich hier der Strategie, “one sure way to stir people up is to tell them that they are not what they think they are” (Swann, 1983, zitiert nach Kehr, 2004, S. 187). Dabei entsteht bisweilen der Eindruck, die Teilnehmer würden in der Wahrheit der Willenspsychologen missio-niert. Diese Konstruktion erscheint jedoch nicht so gesichert, als dass sie die normative Haltung, die mit dem Postulieren von „Defiziten“ und „Stärken“ einhergeht, rechtfertigen könnte.41

Das Selbstmanagement-Training von Kehr (2002; 2004) hat im Gegensatz zu Trainings nach Kanfer bislang keine merkliche Verbreitung gefunden. Entsprechend wird es bislang nur von ihm und seinen Mitarbeitern angeboten. Das Konzept richtet sich gezielt an Führungskräfte. Es wird im Rahmen eines zwei- bis dreitägigen Seminars mit Gruppen von acht bis zwölf Personen durchgeführt und ist sowohl als offenes wie auch als firmeninternes Training verfügbar (Kehr, 1998).42

Die Vermittlung metakognitiven Wissens als wesentliches Trainingsziel

Entsprechend der oben angeführten theoretischen Überlegungen konkretisiert Kehr (2004, S. 172) das Ziel des Selbstmanagement-Trainings dahingehend, dass generalisierbare, metakogni-tive Kompetenzen vermittelt werden, um motivationale und volitionale Prozesse zu unterstützen. „Die Teilnehmer sollen lernen, wie ihre Motivation funktioniert, wie sich die eigene Motivation systematisch steigern läßt und wie Handlungsblockaden überwunden werden können“ (Kehr, 1998, S. 53). Gesundes, funktionierendes Selbstmanagement besteht für Kehr (2002) darin, explizite Ziele unter Berücksichtigung impliziter Motive zu setzen und diese Ziele unter einem effizienten Einsatz volitionaler Strategien zu erreichen. Entsprechend werden Strategien vermit-telt, die dabei helfen, kognitive Ziele und Bedürfnisse in Einklang zu bringen. Pütz (1997) be-schreibt dies in einfachen Worten: „Kopf und Herz müssen in die gleiche Richtung weisen“ (S. 116). Trainingsziele bestehen unter anderem im Kennenlernen der eigenen impliziten Motive, im Erkennen und Reduzieren von Überkontrolle zugunsten expliziter Motive sowie in der Vermitt-lung von Techniken zur Überwindung von Handlungsbarrieren. Kehr (2000) zielt dabei auf „ei-nen befriedigenden Ausgleich zwischen theoretischem Anspruch, didaktischer Vermittelbarkeit und praktischem Nutzen“ (S. 70) ab.

Modulhafter Aufbau zur Vertiefung des motivationalen Wissens

Das Selbstmanagement-Training gliedert sich in sechs Module. Die anfängliche Überlegung, dass diese auch unabhängig voneinander absolviert werden könnten, erwies sich als nicht prak-tikabel (Kehr, 2004, S. 175). Die Module werden im Folgenden kurz skizziert. Den genauen Ab-lauf des Trainings von der Trainingsvorbereitung über die Durchführung bis zur Nachbereitung hat Kehr (2004, S. 179ff.) beschrieben.

40 Diese wurden nicht von Kehr entwickelt und weisen dementsprechend andere theoretische Bezüge auf. 41 Die meisten Empfehlungen stehen insofern auf wackeligem Boden, als sie häufig mehrere Voraussetzungen erfüllen müssen. Z.B. müssen für die Nützlichkeit, die aus der Empfehlung, die eigenen Ziele stärker auf die zurückgemeldeten impliziten Motive abzu-stimmen, möglicherweise resultieren könnte, erfüllt sein: Hypothese 1) Das Instrument zur Erfassung der impliziten Motive ist valide, Hypothese 2) Das Kompensationsmodell von Volition und Motivation (Kehr, 2004) inklusive seiner Vorannahmen ist gültig. 42 Für 1200 Euro je Teilnehmer können „Fach- und Führungskräfte“ bei Kehr, Rawolle & Hoch (2008) ein 3-tägiges Training buchen. Kehr (2002) hat zudem ein leicht verständliches Buch publiziert, mit dem Interessierte sich die Inhalte im Selbststudium erarbeiten können.

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1. Vor dem Training: Kehr möchte gezielt auf individuelle Stärken und Schwächen der Seminar-teilnehmer eingehen, weshalb sie als Vorbereitung auf das Training circa 90 Minuten lang Fra-gebögen ausfüllen. Die diagnostischen Instrumente zielen auf die Erfassung von Zielen, Zielkon-flikten, impliziten Motiven, volitionaler Kompetenz und rigider Selbstkontrolle ab. Ferner werden Erwartungen der Teilnehmer abgefragt.43

2. Einstieg: Das Training selbst beginnt mit einer Warm-up-Runde und einer allgemeinen Einfüh-rung in die Thematik. Die vorab erhobenen Teilnehmererwartungen werden diskutiert.

3. Ziele setzen und Zielkonflikte lösen: Die Teilnehmer spezifizieren in Modul 1 zunächst ihre vor Trainingsbeginn erhobenen Ziele. Es wird geprüft, ob die Ziele spezifisch und realistisch sind. Daraufhin lernen sie, eigene Zielkonflikte zu ermitteln und diese durch eine Umgewichtung von Prioritäten zu verringern.

4. Unbewusste Motive kennenlernen: Das zweite Modul ermöglicht den Teilnehmenden, ihre impliziten Motive zu erforschen. Dabei wird die individuelle Selbsteinschätzung der bewussten Motive mit den Ergebnissen einer standardisierten Erhebung der impliziten Motive vor dem Trai-ning kontrastiert. Verwendet wird in diesem Zusammenhang das Multi-Motiv-Gitter (Schmalt, Sokolowski & Langens, 2000) zur Messung des Leistungs-, Macht- und Anschlussmotivs. Ab-weichungen zwischen bewussten und unbewussten Motiven werden im Plenum oder in Einzel-gesprächen diskutiert. Dies soll Anregungen zur Selbstreflexion liefern.

5. Willensstärke erkennen und aufbauen: Eine Einführung in „die doppelte Aufgabenstellung und die Funktionsmechanismen volitionaler Handlungssteuerung“ (Kehr, 2004, S. 177f.) gibt Modul 3. Hierbei kommt das Volitional Components Inventory (VCI) von Kuhl & Fuhrmann (1998) zum Einsatz. Die Teilnehmer erhalten ihr „Willensprofil“, einen Überblick über stark oder defizitär ausgeprägte Willenskomponenten. Die Profile werden besprochen und Hausaufgaben verteilt, „mit denen die spezifischen Defizite angegangen werden können“ (Kehr, 1998, S. 56).

6. Erkennung und Reduzierung von Überkontrolle: In Modul 4 wird die rigide Selbstkontrolle thematisiert, die dazu führen kann, dass implizite und organismische Bedürfnisse bei der Bil-dung und Realisierung von Zielen nicht berücksichtigt werden. Trainingsziel ist es, zunächst Problembewusstsein zu wecken. Wieder wird das VCI genutzt, um Neigungen zur Überkontrolle zu diagnostizieren. Auch werden mentale Übungen zur Reduktion von Überkontrolle vermittelt. Ziel dieser Übungen ist es, eigene Bedürfnisse und Emotionen besser wahrnehmen zu können.

7. Intrinsische Motivation fördern: Wie nun Kongruenz bzw. eine größere Übereinstimmung zwi-schen impliziten und expliziten, kognitiven Zielen hergestellt wird, damit setzt sich Modul 5 aus-einander. Es werden zwei Wege zur Erhöhung intrinsischer Motivation („des Spaßfaktors“, Kehr, 1998) thematisiert: Die Anpassung der impliziten Motive an die Ziele oder die Anpassung der Ziele an die impliziten Motive. Durch mentale Simulationen lenken die Teilnehmer ihre Aufmerk-samkeit auf ihre Emotionen. Sie achten darauf, ob negative Gefühle entstehen. Diese sind ein Zeichen für mögliche spätere Handlungsbarrieren.

8. Handlungsbarrieren überwinden: Modul 6 befasst sich abschließend mit den Ursachen für eben diese Barrieren. Es erfolgt die Suche nach konkreten Möglichkeiten der Problemlösung und Überwindungsstrategien.

43 Etwas ketzerisch sei hier angemerkt, dass den Teilnehmern nach dem Ausfüllen einer 90-minütigen Fragebogenbatterie bereits relativ deutlich geworden sein dürfte, was sie im Training erwarten wird. Entsprechend könnte man meinen, es sei eher Erwartungs-management, welches der Autor betreibt, als eine offene Erwartungsabfrage.

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Kehr (1998) macht auch Angaben zu den eingesetzten Lehrmethoden. Es kommen insbesonde-re Lehrgespräche, mentale Simulationen und Problemgespräche zum Einsatz. In einer weiteren Publikation (2004) berichtet er ebenfalls über Plenumsdiskussionen, Fallstudien und Kleingrup-penübungen. Außerdem erhält jeder Teilnehmer ein begleitendes Heft und Übungen, die in Ein-zelarbeit vertieft werden können.

Wirksamkeit von Selbstmanagement-Trainings nach Kehr im Organisationskontext fraglich

Die einzigen beiden Wirksamkeitsüberprüfungen stammen von Kehr (2004) selbst und wurden im Rahmen seiner Habilitationsschrift veröffentlicht. Für die erste Studie führte er vierzehn zwei-tägige Selbstmanagement-Trainings (davon neun offene und fünf firmeninterne Seminare) durch. Die Zielgruppe bildeten 158 Selbständige oder Führungskräfte aller Führungsebenen. Bedauerlicherweise ist nicht ersichtlich, wie viele der Teilnehmer Selbständige waren. Es ist zu erwarten, dass diese Zielgruppe andere Bedingungen in Bezug auf ihr Selbstmanagement vor-findet als Führungskräfte im Rahmen ihrer Organisationen.

Für seine Evaluation wählte er ein Pretest-Posttest-Design, wobei der Pretest circa vier Wochen vor dem Training stattfand und der Posttest circa vier Monate nach dem Training erfolgte. Ca. 40% der Teilnehmer nahmen jedoch nicht an der Post-Messung teil. Es zeigte sich, dass gerade diese Teilnehmer sich bei der Befragung zum Trainingsende über das Training signifikant unzu-friedener geäußert hatten als diejenigen, die ihre Fragebögen nach vier Wochen ein zweites Mal ausfüllten. Um die Datensätze dennoch berücksichtigen zu können, übertrug der Autor die Da-ten des Pretests fiktiv in die Post-Messung. Die Evaluation unterstellt also, auch die unzufriede-nen Personen hätten auf die Befragung geantwortet und sich aber nicht verändert (Verschlech-terungen, wie sie in anderen Trainingsevaluationen zum Teil festgestellt werden, lassen sich dadurch nicht abbilden).

Die Teilnehmer waren mit dem Training durchschnittlich zufrieden und zeigten einen deutlichen theoretischen Wissenszuwachs. Ein zentrales Anliegen der Maßnahme bestand darin, die eige-nen impliziten Motive besser kennenzulernen und die eigene intrinsische Motivation durch eine Anpassung der Ziele an diese Motive zu fördern. Dieser Aspekt wurde jedoch nicht evaluiert. Die deutlichsten Effekte des Trainings bestanden in einer hoch signifikanten Erhöhung der volitiona-len Kompetenz und einer signifikanten Reduktion von Überkontrolle (gemessen mittels VCI). Die Effektstärken deuten auf kleine bis mittlere Effekte hin (d= 0,3 – 0,4). Da der Fragebogen mit den Teilnehmern im Training detailliert besprochen wurde, können soziale Erwünschtheitseffek-te nicht ausgeschlossen werden. Kehrs (2004) weitere abhängige Variablen sollten Aufschluss über die Steigerung der „Tätigkeitszentrierung“ und des „subjektiven Wohlbefindens“, sowie über den Abbau von „Stress“, „Energiedefizit“ und „Intrusionsneigung“ geben.44 Die Effekte wiesen in die erwartete Richtung und waren bis auf den Abbau der Intrusionsneigung signifikant. Dies ver-wundert in Anbetracht der großen Stichprobe nicht. Die Effekte in Bezug auf Wohlbefinden und Tätigkeitszentrierung waren jedoch nur sehr schwach ausgeprägt. Für den Stressabbau waren dagegen kleine bis mittlere, für den Abbau des Energiedefizits mittlere Effektgrößen festzustel-len. Da keine Kontrollgruppe eingesetzt wurde, ist leider nicht auszuschließen, dass es sich hierbei zum Beispiel um jahreszeitbedingte Effekte handelt.

Ein zentrales Anliegen von Selbstmanagement-Trainings im Allgemeinen wie auch Kehrs (2004) Training im Speziellen ist die Förderung der Zielerreichung. Kehr ergänzt dies durch ein spezifi-

44 Die Auswahl dieser abhängigen Variablen wird bei Kehr (2004) weder begründet noch werden die Variablen inhaltlich erläutert.

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sches Trainingsziel, Zielkonflikte zu reduzieren. Um die Zielerreichungserfolge beurteilen zu können, bildeten seine Teilnehmer zum Ende des Trainings Ziele und gaben im Rahmen der Post-Messung an, wie gut sie diese Ziele erreicht hatten. In diese Ergebnisse gingen folglich die 94 Datensätze derjenigen – vermutlich besonders motivierten Personen – ein, die an der Nach-befragung teilnahmen. Diesen Teilnehmern gelang es, ihre Trainingsziele „mäßig gut“ (Kehr, 2004, S. 215) zu erreichen (M = 4,65 (SD= 1,16) auf einer 7-stufigen Skala). Die Werte sind in-sofern wenig aussagekräftig, als es sich um eine Post-Messung handelt (n=94) und keine Ver-gleichswerte einer Kontrollgruppe vorliegen. Es ist denkbar, dass Führungskräfte, die keinerlei Training absolvierten, ihre Ziele ebenfalls „mäßig gut“ erreichen und das Training zur Zielerrei-chung kaum beiträgt. Die Teilnehmer geben jedoch an, dass sie sich durch das Training in ihrer Zielerreichung zumindest etwas unterstützt fühlen (auf einer 7-stufigen Skala lag die Bewertung der Zielunterstützung im Mittel bei 4,41 (SD= 1,41)). Ferner zeigte sich, dass das Training in Bezug auf die Zielkonflikte ohne Auswirkung blieb.

Kehr (2004, S. 216) räumt methodische Schwachstellen der Studie ein. Diese versucht er in einer Folgestudie zu beseitigen. Leider besteht diese in einem einzelnen Training an Studenten und ist damit für die vorliegende Arbeit wenig relevant. Die Ergebnisse sollen dennoch wieder-gegeben werden, da sie die Befunde der ersten Studie zum Teil erhellen. Die Vergleichbarkeit der beiden Studien ist jedoch eingeschränkt, da zusätzlich mehrere neu entwickelte Verfahren als abhängige Variablen eingesetzt wurden und gerade die abhängigen Variablen, auf denen sich in der Führungskräfte-Studie die größten Effekte zeigten (Energiedefizit und Stressabbau), nicht mehr verwendet wurden. Bedingt durch eine höhere Teilnehmerzahl (20 studentische Teil-nehmer statt der max. 12 Personen in den Führungstrainings) wurde bei den Studierenden zu-dem inhaltlich auf individuelle Feedbackgespräche verzichtet.

Im Ergebnis verbesserte das Selbstmanagement-Training die volitionale Kompetenz der studen-tischen Teilnehmer signifikant. Auf übrige modulspezifische Kriterien (und auch auf die Mehrzahl der modulübergreifenden Kriterien) hatte es keinen Einfluss. In Bezug auf die eingesetzten mo-dulübergreifenden Kriterien zeigten sich auf einem neuen Instrument zur „Selbsteinschätzung von Selbstmanagement-Kompetenzen“ hoch signifikante Unterschiede zwischen Trainings- und Kontrollgruppe. Diese Ergebnisse werfen den Verdacht auf, dass die vermeintlichen Kompe-tenzsteigerungen (gemessen am VCI) möglicherweise nur die gestiegenen Erwartungen der Trainingsgruppe an die eigene Kompetenz widerspiegeln. Da der Fragebogen den Teilnehmern zum Zeitpunkt der Nacherhebung bekannt und transparent war (im Training wird er detailliert besprochen), wäre dies (dissonanztheoretisch betrachtet) nur plausibel: Es ist zu erwarten, dass ein Teilnehmer, der davon überzeugt ist, durch ein Training beispielsweise besser mit seiner Überkontrolle zurechtzukommen und dem eine ihm bekannte Skala zur Messung von Überkon-trolle vorgelegt wird, sich konsequenterweise in Bezug auf Überkontrolle besser einschätzt als vor dem Training. Auf Basis einer etwas anderen Argumentationskette gelangt auch Kehr (2004, S. 226) zu dem Schluss, dass es sich möglicherweise bei den Trainingseffekten um reine Pla-cebo-Effekte handelt. Dieses Problem gilt ebenso für die Führungskräfte-Studie. Auch wenn Kehr (2004) bei der Bewertung seiner Studie von „vorsichtigem Optimismus“ (S. 227) spricht, so schränkt dies die Aussagekraft der Ergebnisse deutlich ein.

Die Zielerreichung (M= 4,09 (SD = 1,12) auf einer 7-stufigen Likert-Skala mit 7 als Maximum) und erlebte Zielunterstützung (M= 4,05 (SD = 1,49)) war ähnlich moderat, in der Tendenz noch geringer als in der Führungsgruppe der ersten Studie. Auch in dieser Studie wurden die Zielkon-flikte durch das Training nicht beeinflusst. Dieser wiederholte Befund deutet darauf hin, dass nach dem Training auftretende Zielkonflikte nicht gelöst oder reduziert werden konnten. Kehr

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(2004) diskutiert in diesem Zusammenhang mögliche Unzulänglichkeiten des Trainings und die Option, dass sich die Teilnehmer nach dem Training vielleicht schwierigere Ziele gesetzt haben als im Training. Darüber hinaus wäre denkbar, dass es nicht nur in der Hand der Teilnehmer liegt, Zielkonflikte zu vermeiden oder zu lösen. Möglicherweise verfolgen die Teilnehmer zusätz-lich zu ihren „ureigenen“ auch Ziele, die eher dem organisationalen oder familiären Kontext ent-springen. Dadurch wären auch die Ziele anderer Personen in den individuellen Zielsystemen repräsentiert.

Neben der oben skizzierten Studie sucht man Belege für die Wirksamkeit motivationspsycholo-gisch orientierter Selbstmanagement-Trainings an Zielgruppen aus dem Organisationskontext bislang vergeblich. Landmann, Pöhnl & Schmitz (2005) publizierten ein Training, das sich auf das Handlungsphasenmodell von Heckhausen (2003) bezieht. Ihre Teilnehmergruppe (N= 30) bestand jedoch aus erwerbslosen Frauen in einer Phase der Berufsrückkehr oder beruflichen Neuorientierung. Immerhin zeigen ihre Befunde, dass Selbstmanagement-Trainings dazu bei-tragen können, langfristig Selbstregulationskompetenzen zu fördern und die individuelle Zieler-reichung zu steigern – zumindest an Zielgruppen außerhalb des Organisationskontexts. Trai-ningsvarianten mit zum Teil ähnlichen theoretischen Bezügen wie im Modell von Kehr (2004) finden sich bei Storch & Krause (2005), Fuchs & Huber (2003) sowie Hofman (2001). Davon liegt jedoch lediglich zum Zürcher Ressourcen Modell von Storch & Krause (2005) eine Evalua-tionsstudie vor. Keller & Storch (2002) evaluierten ein Training mittels Zeitreihenanalyse und zeigten, dass Selbstmanagement-Trainings zu einer stabileren Stimmungslage zu führen ver-mögen. Ihre Ergebnisse sind jedoch ebenfalls nicht zielgruppenrelevant, da sie an Studierenden (N=11) durchgeführt wurden.

3.3.3 Selbstmanagement-Training nach Seiwert (1998)

Das Ratgebertraining als populärste Maßnahme der Trainingspraxis

Lothar J. Seiwert gilt „als der tonangebende Experte für Selbstmanagement in Deutschland“ (Klein et al., 2003, S. 158). Sein Selbstmanagement-Programm ist Klein et al. (2003) zufolge repräsentativ für die „in der Wirtschaft üblichen Selbstmanagement-Trainings“ (S. 157). Es wur-de laut Seiwert (1998) als Reaktion auf die von ihm diagnostizierte „Hetz-Krankheit“ entwickelt. Diese äußere sich darin, dass sich der Mensch nicht mehr nur dann beeile, wenn es notwendig sei, sondern eigentlich immer (vgl. ebd., S. 37ff.). Seiwert (2005) bezieht sich auf ein Modell der „Work-Life-Balance“. Er geht davon aus, dass die Lebensbereiche Arbeit/Leistung, Fami-lie/Kontakt, Körper/Gesundheit und Sinn/Kultur in Balance gehalten werden müssen. Ferner nimmt er für sich in Anspruch, neuere Erkenntnisse der Hirnforschung (Seiwert, 1998, S. 31 ff.) und der Motivationsforschung (vgl. ebd., S.34 f.) zu berücksichtigen. In Wissenschaftskreisen wird Seiwerts Ansatz als atheoretisch wahrgenommen (Kehr, 2004, S. 169; vgl. Klein, 2001). Folglich wird er eher der Ratgeberliteratur als der wissenschaftlichen Selbstmanagementliteratur zugeordnet (vgl. Kehr, 2004, S. 61). Dennoch ist es Seiwert gelungen, „ein sehr face-valides ‚Selbstmanagement’-Programm zu erstellen, das sich als Training in deutschen Unternehmen großer Popularität erfreut“ (Klein, 2001, S. 33). Seine Trainings haben auch deshalb eine so hohe Reichweite, weil er zahlreiche Bestseller zum Thema Zeit- und Lebensmanagement ver-fasst hat. Nach eigenen Angaben (Seiwert, 2008) haben sich diese über vier Millionen Mal ver-kauft und sind in mehr als 30 Sprachen übersetzt worden. Mit Vorträgen in Europa, Asien und den USA erreiche er mehr als 400.000 Zuhörer.

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Zeitmanagement als Allheilmittel

Das Konzept zielt in erster Linie auf eine sinnvolle und optimale Nutzung der zur Verfügung ste-henden Zeit ab. Für alle wichtigen Lebensbereiche soll dabei nicht nur Zeit geschaffen werden. Es gilt, „die vier Bereiche auch in Balance zu bringen und zu halten“ (Seiwert, 2005, S. 76). Die-se erstrebenswerte Balance der Lebensbereiche – die Seiwert in die Rangfolge "Leistung – Ge-sundheit – Kontakte – Frage nach dem Sinn“ bringt, unterscheidet sich individuell (vgl. ebd., S. 79 f.). Jede Person kann über individuell definierte Lebensziele ihre eigenen Vorstellungen in das Training einbringen. Der Weg zur Zielerreichung über Zeitmanagement-Techniken ist jedoch für alle gleich (Klein et al., 2003, S. 158). Entsprechend soll dieser „one best way“ im Training kennengelernt und die einzelnen Zeitmanagementtechniken eingeübt werden.

In fünf bis sieben Stufen von Lebenszielen zu Zeitmanagementtechniken

Zur Erreichung der Balance schlägt Seiwert ein siebenstufiges Erfolgsprogramm vor (vgl. Sei-wert, 1998, S. 89ff.):

1. Lebensvision: Entwicklung eines beruflichen und persönlichen Leitbildes ebenso wie des ers-ten Entwurfes der Lebensziele. In diesem Schritt sind die eigenen Werte hinzuzuziehen.

2. Lebensrollen: Definition der Rollen, die man im täglichen Leben einnimmt. Dadurch soll sich die langfristige Vision im Alltag festigen.

3. Schlüsselaufgaben: Definition der strategischen Schlüsselaufgaben der nächsten ein bis drei Jahre. In der Auseinandersetzung mit der eigenen Strategie werden in diesem Schritt die Aufga-ben gesucht, welche den größten Erfolg zur Erreichung der Strategie versprechen.

4. Jahresziele: Im vierten Schritt geht es um die Formulierung konkreter Ziele für die berufliche und persönliche Zukunft. Diese Ziele können sich auf drei bis fünf Jahre, mindestens aber auf 12 Monate beziehen. Sie sollen nach der SMART-Formel (spezifisch, messbar, aktionsorientiert, realistisch und terminierbar) formuliert werden.

5. Wöchentliche Prioritätenplanung: In diesem Schritt werden die wöchentlichen Prioritäten ge-plant. Diese sollte sich an der Wichtigkeit von beruflichen und persönlichen Zielen orientieren.

6. Tägliche Effizienz durch Zeitmanagementtechniken: Ziel ist es, die Tagesarbeit mithilfe von Zeitmanagement-Techniken effizient zu gestalten. Beispiele für solche Strategien sind die „Ziel-Mittel-Analyse“, das „Mindmap“, das „Pareto-Prinzip“, die „Eisenhower-Methode“, die „Salami-Taktik“ oder die „ALPEN-Methode“ (Seiwert, 1996).

7. Selbstmotivation: Im siebten Schritt geht es um das Aufbringen von Energie und Selbstdiszip-lin, welche die Basis des täglichen Erfolges bilden. Dabei soll auf den Ausgleich zwischen Selbstdisziplin und Belohnung geachtet werden.

Bei Beachtung dieser sieben Schritte soll die Erreichung der persönlichen Balance zwischen den vier Lebensbereichen möglich sein. Wenn man bedenkt, dass Seiwert (2005b) diese Schrit-te in seiner Hörbuchversion auf vier verkürzt (Schritte 1, 2, 5 & 6 der Aufzählung), dann wirkt diese Zusammenstellung recht willkürlich. Zusammenfassend fokussiert Seiwerts Konzept eher auf übergeordnete, komplexe und zeitlich weiter entfernte Lebensziele. Davon ausgehend wird das Projekt nach und nach in kleinere Handlungseinheiten unterteilt, bis hin zu alltäglichen Ver-haltensweisen im Sinne von Zeitmanagementhandlungen, welche die konkrete Umsetzung ge-währleisten (vgl. Klein et al., 2003).

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Kritische Würdigung klassischer Selbstmanagement-Interventionen 48

Umstrittene Wirksamkeit von Zeitmanagementtrainings

Bezogen auf die Umsetzung von Zeitmanagementtrainings in den USA monierten Hall & Hursch bereits 1981:

“Although the time management literature contains a number of suggestions concerning how one might use their time more effectively, there is a glaring lack of data to support any of the recommendations. Not only are there no data-based evaluations of time-management training, there are not even any uncontrolled case studies describing changes following time-use training” (S. 75).

Analog dazu stellen Klein et al. über 20 Jahre später fest, dass über Seiwerts Selbstmanage-ment-Training „im deutschsprachigen Raum keinerlei evaluierte Studien für den Wirtschaftsbe-reich vorliegen“ (2003, S. 158). Für einen Überblick über US-amerikanische Evaluationen von Zeitmanagementtrainings sei an Klein (2001, S. 61.) verwiesen. Sein Fazit: „Bislang erbrachten Evaluationsstudien kaum Hinweise darauf, daß typische Zeitmanagement-Trainings wirksam sind“. Er entwickelte daraufhin ein „Selbstmanagement-Training nach Seiwert“ (Klein 2001, S. 119). Dieses richtete sich nach den sieben Schritten zur persönlichen Zeitsouveränität und Ef-fektivität (Seiwert, 1998, S. 83). An einer Stichprobe von Langzeitarbeitslosen und freien Trai-nern, welche die Langzeitarbeitslosen weiterbildeten (N=106), verglich er es mit einem auf Kan-fers Modell basierenden Selbstmanagement-Training. Dabei stellte er eine deutlich geringere Effektivität des Seiwert’schen Trainings fest. Diese Beurteilung erfolgte anhand der Effekte auf die Variablen „Selbstmanagement-Fertigkeiten“, „Selbstwirksamkeit“, „Lebenszufriedenheit“, „zielbezogener Fortschritt“, „Bewertung des Trainings“, „Zielerreichung“ und „Einschätzung des Trainingstransfers“ (Klein et al., 2003). Die Werte der Probanden in den genannten Variablen verschlechterten sich sogar durch das Training.45 Die Autoren führen dies auf verschiedene As-pekte zurück: Erstens liegen die Lebensziele, auf die sich Seiwerts Ansatz bezieht, oft in der relativ fernen Zukunft, so dass sie im Laufe der Zeit Abwertungsprozessen unterliegen. Im Mo-dell von Kanfer et al. (2000) werden dagegen kleinere Ziele formuliert, deren Erreichung spürba-re Verbesserung nach sich zieht. Dadurch wird zum einen die Gefahr von Misserfolgen verrin-gert. Zum anderen wird der Transfer des Gelernten auf spätere Zeitpunkte oder andere Situatio-nen erleichtert (Klein et al., 2003). Zweitens werden im Training nach Seiwert Lösungen für Selbstmanagement-Probleme stärker vorgegeben, während die Teilnehmer im Kanfer-Training selbst nach Lösungen suchen müssen (ebd., S. 160). Die stärker individualisierten Lösungen, die aus dem Kanfer-Training resultieren, scheinen den Teilnehmer eher von Nutzen zu sein.

Zusammenfassend sprechen die Ergebnisse der Studie für den heuristischen Nutzwert psycho-logisch fundierter Selbstmanagement-Techniken. Auch stellen sie die Wirksamkeit von auf ratio-nalen Planungstechniken ausgerichteten Zeitmanagement-Trainings und damit „die derzeit [...] vorherrschende Unternehmenspraxis“ (Klein, 2001, S. 237) zumindest in Frage. Die Metaanaly-se von Melchers & König (2004) steht dagegen im Widerspruch zu Kleins (2001) Ergebnissen. Sie untersuchten in einer Metaanalyse die Wirksamkeit unterschiedlicher Interventionsprogram-me zur Verbesserung des persönlichen Zeitmanagements. Die Effekte der jeweiligen Methoden wurden sowohl an konkreten Zeitmanagement-Verhaltensweisen gemessen als auch am Aus-maß wahrgenommenen Stresses, Belastung oder empfundener Selbstwirksamkeit. Ein beson-ders auffallendes Ergebnis war, dass theoretisch eher schlecht fundierte Trainings (nämlich sol-che, die sich inhaltlich an Ratgeber-Literatur mit geringem wissenschaftlichen Gehalt orientier-ten), im Vergleich zu Interventionen, die zum Beispiel auf lerntheoretischen Grundlagen basier-ten, durchschnittlich am besten abschnitten. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass in den Studien,

45 Vgl. jedoch Fußnote 38 zu den methodischen Mängeln dieser Studie. Die Publikation von Klein et al. (2003) basiert auf den Er-gebnissen der Dissertation von Klein (2001).

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Kritische Würdigung klassischer Selbstmanagement-Interventionen 49

die in Melchers und Königs (2004) Metaanalyse einflossen, selten das genaue Vorgehen der Interventionen dokumentiert war. Macan (1994) stellte in ihrer Studie fest, dass durch Zeitmana-gementtrainings lediglich die wahrgenommene Kontrolle über die eigene Zeit stieg. Diese Wahrnehmung blieb jedoch ohne konkrete Auswirkungen auf das Arbeitsverhalten: „Contrary to popular time management claims [...], the link between perceived control over time and job per-formance was not significant” (Macan, 1994, S. 389). Diese widersprüchlichen Ergebnisse ver-deutlichen, dass noch großer Bedarf an Evaluationsstudien in Bezug auf die verschiedenen Selbstmanagementmodelle besteht.

3.4 Bestandsaufnahme: Selbstmanagement-Trainings in Organisati-onen

3.4.1 Bedarf an empirischer Forschung

Beim Studium der Selbstmanagementliteratur kommt man nicht umhin festzustellen, dass das Angebot an bewährten Selbstmanagement-Interventionen für Organisationsmitglieder nicht nur aus praxeologischer Sicht verbesserungswürdig (vgl. Kap. 1), sondern auch vom wissenschaftli-chen Standpunkt aus eher dürftig ist.46 Der Stand der empirischen Bewährung bleibt deutlich hinter dem Grad der Resonanz, die das Selbstmanagementthema in zahlreichen Publikationen erfährt, zurück. Wenn Selbstmanagement-Trainings überhaupt evaluiert werden, so wird meist auf klassische Vortest-Nachtest-Studien mit oder ohne Kontrollgruppe und ohne Follow-up zu-rückgegriffen. Das Ziel, Aussagen über intraindividuelle Veränderungen zu treffen, wird dabei aufgrund der eingesetzten Methode häufig verfehlt:

„They [Individuen mit Persönlichkeitsänderungen] could have been disguised by the usual aggregated statistics and overlooked as a result“ (Weinberger, 1994; zitiert nach Kehr, 2004, S. 228).

Es zeichnet sich jedoch eine leichte Tendenz ab, die auf weitere Studien hoffen lässt. Hielten Frayne & Latham 1987 noch fest, dass keine empirischen Studien zur Wirksamkeit von Selbst-management-Trainings im Organisationskontext durchgeführt würden, so waren es 2003 im-merhin schon „vier publizierte Studien“ (Klein et al., 2003, S. 157). In die obige Darstellung konn-ten bereits 11 Studien einbezogen werden. Bei eingehender Betrachtung (vgl. 3.3) kommt man jedoch zu dem Schluss, dass lediglich zwei dieser Studien eindeutig (Godat & Brigham, 1999; Gintner & Poret, 2001) und eine weitere (Kehr, 2004) möglicherweise47 Aussagen über die hoch relevante Zielgruppe der Organisationsmitglieder erlaubt. Einigen Autoren ist dies durchaus be-wusst. So räumen etwa Klein et al. (2003) als Mängel ihrer Studie ein, dass sich ihre Zielgruppe aus Erwerbslosen und freien Trainern von typischen innerbetrieblichen Trainingsteilnehmern klar unterscheidet. Zusammenfassend lässt sich in Bezug auf den Stand der Forschung zu Selbstmanagement-Interventionen in Organisationen Frayne & Geringer (2000) beipflichten:

“Empirical evidence is lacking concerning the effectiveness of individual self-management across different types of jobs and work situations and for white-collar workers and service organizations” (S. 361).

46 Dies betrifft laut Mittag & Hager (2000) offenbar nicht nur Selbstmanagement-Trainings: „Betrachtet man die im deutschsprachi-gen Raum publizierten Interventionsmaßnahmen eingehender, so muss festgestellt werden, dass zahlreiche dieser Programme oft kaum oder nur unzureichend im Hinblick auf ihre theoretische Fundierung, ihre praktische Umsetzung und ihre tatsächliche Wirk-samkeit und Effizienz evaluiert worden sind“ (S. 102). 47 Da Kehr (2004) in seiner Zielgruppe Selbstständige und Führungskräfte zusammen trainiert, ist unklar, ob seine Studie tatsächlich Aussagen über Organisationsmitglieder erlaubt.

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Kritische Würdigung klassischer Selbstmanagement-Interventionen 50

3.4.2 Erkenntnisse aus der bisherigen Interventions forschung

Die Aussagen, die bislang auf empirischer Basis getroffen werden können, deuten darauf hin, dass

� persönliche Veränderung zu wirksameren Veränderungen führt als Technik, bzw. es erfolg-reicher ist, die Teilnehmer eigene Lösungen entwickeln zu lassen, als Techniken vorzugeben (Klein, 2001).

� die Ausrichtung auf die Zukunft des einzelnen Teilnehmers mittels Zielsetzungstechniken und einer wie auch immer gearteten Selbstreflexion allen Selbstmanagement-Interventionen ge-mein ist und dass sich mittels dieser Techniken in der Regel Selbsterwartungen beeinflussen lassen. Konkret werden Erwartungen an sich selbst, wie sie ein Ziel darstellt, wahrscheinli-cher und die Erwartung, über wirksame Kompetenzen zu verfügen, das jeweilige Ziel zu er-reichen (Selbstwirksamkeitserwartung) lässt sich häufig ebenfalls positiv beeinflussen.

� von konkreten, aktuellen Zielen der Teilnehmer ausgegangen werden sollte anstatt mit über-geordneten Zielen zu beginnen (Klein et al., 2003). Außerdem ist eine detaillierte Suche nach Wegen zur Zielerreichung hilfreich (Kehr, 2004).

� dabei jedoch auch die „Stärke und Tiefe der Verankerung der echten Bedürfnisse“ berück-sichtigt werden sollte (Lewin, 1926, zitiert nach Kehr, 2004, S. 43). Durch die Intervention ist sicherzustellen, dass nicht nur kognitive Handlungsabsichten unterstützt werden. Stattdes-sen sollte sich die Person mitsamt ihrer impliziten Bedürfnisse wiederfinden (Kehr, 2004). Pütz (1997) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Probleme „mit emotionalem Grundcharakter“ (S. 350) nicht rationalisiert werden sollten und dass eine einseitige Orientie-rung auf kognitive Techniken zu vermeiden ist. Angebote müssen darüber hinaus bei Teil-nehmern eine Hemmschwelle überwinden, die es ihnen möglich macht, sich „als Person zu öffnen“ (Reppich, 2007) und entsprechend auch gezielt emotionale Lernziele integrieren.

� eine Begleitung der Teilnehmer bei der Umsetzung ihrer Projekte für die Förderung von Selbstmanagement-Kompetenzen sinnvoll erscheint (Frayne & Latham, 1987; Frayne & Latham 1989; Godat & Brigham, 1999; Frayne & Geringer, 2000; Gintner & Poret, 2001). Im Gegenzug dazu können die Teilnehmer ihre Ziele bei einem Programm en bloc erst nach dem Training umsetzen (Klein et al. 2003; vgl. Kehr, 2004). In diese Richtung geht auch die Kritik von Brühwiler (2001): „Seminare versprechen Lösungen, doch meist dominiert eine angenehme, anregende Umgebung, losgelöst vom Alltag, ferienähnlich an der Sonne, er-kenntnisheischend AHA-Erlebnisse mit andern [sic] teilend“ (S. 18). Es ist allerdings fraglich, inwieweit solche begleitenden Programme praktikabel sind, da sie im Widerspruch zur Se-minarpraxis in deutschen Unternehmen stehen (Klein, 2001).

3.4.3 Problemfelder der Selbstmanagement-Interventi onen

Die empirische Basis erlaubt kritische Aussagen zu den Erfolgen von Selbstmanagement-Interventionen. Individualisiertes Coaching bleibt bislang einer kleinen Elite vorbehalten. Im Trainingsbereich repräsentiert bis dato der Seiwert-Ansatz die Selbstmanagement-Interventionspraxis deutscher Organisationen (Klein, 2001). Damit sind „die meisten in Unter-nehmen durchgeführten Selbstmanagement-Trainings eigentlich Zeitmanagement-Seminare, die [...] keine zufriedenstellende, wissenschaftlich evaluierte Erfolgsbilanz aufweisen“ (Klein, 2001, S. 73). Die Popularität dieser Trainings erklärt sich – neben dem Mangel an überzeugenden Alternativen – vor allem durch ein gutes Marketing:

„Interestingly, according to Wexley (1989), most training programs are utilized simply because they are well adver-tised and marketed, not because they are the result of ‚technique based on rigorous empirical research’” (Godat & Brigham, S. 66).

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Kritische Würdigung klassischer Selbstmanagement-Interventionen 51

Möglicherweise spielt hierbei eine Rolle, dass „Technik sich leichter verkaufen lässt als persönli-che Veränderung“ (Diehl, 1992, S.126). Doch auch im Bereich der wissenschaftlich fundierten und evaluierten Angebote zur Selbstmanagement-Förderung eröffnen sich Problemfelder. Diese betreffen erstens den Komplexitätsgrad der bearbeiteten Problemstellungen, zweitens die mäßi-ge Unterstützung bei der Zielerreichung und drittens die Nachhaltigkeit interventionsbedingter Veränderungen. Diese Probleme wurden zum Teil bereits an anderer Stelle diskutiert und wer-den nachfolgend zusammengefasst.

Geringer Komplexitätsgrad in Selbstmanagement-Anliegen zugelassen

Verhaltenstherapeutisch orientierte Selbstmanagement-Trainings sind bislang am häufigsten erprobt worden. Im Rahmen dieser Trainings werden jedoch in der Regel nur sehr leichte Prob-leme (z.B. „mehr Wasser trinken“, „mehr Fragen stellen“, „mehr Ablage sortieren“ etc.; vgl. Go-dat & Brigham, 1999; Gintner & Poret, 2001) angegangen. Es fehlen Angebote, die der Ziel-gruppe helfen, auch für Probleme mit hohem Belastungsgrad wirksame Lösungen zu entwi-ckeln.48 Die Zielgruppe der Organisationsmitglieder wünscht sich vor allem praktische, umsetz-bare Lösungen für ihre eigenen Zielsetzungen und eine Berücksichtigung ihrer individuellen Si-tuation (vgl. 3.1.1).

Lediglich mäßige Zielerreichung

Sofern im Rahmen von Selbstmanagement-Trainings tatsächlich individuelle Ziele verfolgt wer-den, so werden diese nur mäßig erreicht. Nur wenige Autoren geben dies jedoch direkt an (z.B. Kehr, 2004). Beispielsweise verdeckt in der Studie von Landmann et al. (2005) das Ergebnis, dass die Experimentalgruppe signifikant besser als die Kontrollgruppe abschnitt, die Tatsache, dass 20 von 30 Personen der Experimentalgruppe angaben, ihr Ziel nicht erreicht zu haben. Klein (2001) fokussiert ebenfalls auf Unterschiede zwischen Trainingsgruppen. Die Zielerrei-chung seiner Teilnehmer misst er auf einer 5-stufigen Skala (1 - optimale Zielerreichung bis 5 - keine Zielerreichung). Die Mittelwerte für die Seiwert-Gruppe liegen bei 3,87, während die Kan-fer-Gruppe ihre Ziele im Schnitt mit 2,43 wesentlich besser erreicht (Standardabweichungen werden dazu leider nicht angegeben). Absolut betrachtet scheint damit ein Großteil der Gesamt-stichprobe ihr Ziel wenig oder nicht zu erreichen. Und: Selbst überwältigende Zielerreichungser-folge wie etwa bei Godat & Brigham (1999) (31 von 35 Personen erreichten ihr Ziel) relativieren sich, wenn man berücksichtigt, wie die Autoren Zielerreichung definieren: Ab 50% Veränderung in die gewünschte Richtung im Vergleich zur Baseline wird von Zielerreichung gesprochen. Dies bedeutet konkret, dass ein Teilnehmer, der den Kollegen bislang zwei Komplimente am Tag gemacht hat und nun über 3 an den Tag legt, als erfolgreich gilt – unabhängig davon, wie sinn-voll dieser Fortschritt ist und auf welches Ergebnis der Teilnehmer abzielte.

Geringe Nachhaltigkeit trainingsbedingter Veränderungen

Die einzige Studie, die explizit die Nachhaltigkeit eines Selbstmanagement-Trainings untersucht (Gintner & Poret, 2001) deutet auf eine geringe Dauer trainingsbedingter Veränderungen bei einem substanziellen Teil der Probanden hin. Dies deckt sich mit der Erfahrung, dass viele Trai-ningsansätze Schwächen beim Transfer des Gelernten in den Arbeitskontext aufweisen:

„The impressive effects of skills training often dissipate when the trainee returns to his or her work setting. [...] Lack of skill maintenance is a serious problem“ (Farley, 1983, S. 50; vgl. Landmann et al., 2005).

48 Es ist anzunehmen, dass dies in Coaching-Programmen geschieht. Jedoch erreichen diese Maßnahmen nur eine sehr kleine Zielgruppe und lassen aufgrund fehlender Evaluationen keine Aussagen über ihre Wirksamkeit zu.

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Dies scheint nicht nur auf Trainings im Allgemeinen, sondern insbesondere auch auf Selbstma-nagement-Trainings zuzutreffen. So berichtet die Neue Osnabrücker Zeitung (2008) im Zusam-menhang mit der Forschung Siegfried Greifs, dass im Rahmen von Zeitmanagementseminaren nur 40% der Teilnehmer von den erhaltenen Tipps „etwas“ umsetzen. Auch Klein (2001) stellte in vielen Gesprächen mit Unternehmern und ehemaligen Teilnehmern von Zeitmanagementse-minaren fest, dass die Aufrechterhaltung der Trainingseffekte über einen längeren Zeitraum „ei-nes der größten Probleme gängiger [...] Selbstmanagement-Trainings“ (S. 11) darstellt. Klas-sisch dürften Äußerungen sein wie die des Seminarteilnehmers, den Mayer & Götz (1998) zitie-ren: „Also praktisch verändert hat sich eigentlich wenig, ... ich sag’ mal, ich habe einiges ändern wollen, habe es aber nur einige Wochen durchgehalten“ (S. 289). Dies deckt sich mit der Erfah-rung von Selbstmanagement-Trainern:

„Die durchaus bewährten, äußerst vernünftigen Ratschläge und Methoden trafen zwar auf gläubiges Kopfnicken, wurden aber nur sehr zögernd, wenn überhaupt, in die Tat umgesetzt. Die Gewissheit verdichtete sich, daß den Su-chern nach besserem Selbst-Management nicht das Wissen fehlte, welche Lösungen sich für welche Problemsituati-onen anbieten. Vielmehr scheiterten sie daran, Wissen und Methoden tatsächlich in Handeln umzusetzen. Wir sahen uns mit einem ausgeprägten Verhaltensproblem konfrontiert, das bis zu dem paradoxen Tatbestand eskalieren konn-te, daß genau das Gegenteil von dem praktiziert wurde, was Lehrbücher und Seminarinhalte zu empfehlen wußten, obwohl die nachteiligen Folgen offensichtlich waren“ (Siegert, 1991, S. 9 f.).

Demnach ist ein Bedarf an Interventionsprogrammen, die Teilnehmer nachhaltig und effektiv bei der Lösung aktueller, bisweilen auch komplexer Probleme unterstützen, festzustellen. Bisher werden „überwiegend rein individualistisch-kognitive Ansätze verfolgt, die die Ursache von Selbstmanagement-Problemen beim Individuum im Bereich fehlender Fähigkeiten auf dem Ge-biet der Selbstmanagement-Techniken lokalisieren“ (Pütz, 1997, S. 349). Entsprechend sollte die Suche nach wirkungsvollen Alternativen ein „Mehr desselben“ (Watzlawick, Weakland & Fish, 2001) vermeiden. Redlich & Schley (1979) weisen darauf hin, dass „die kognitiven Ansätze mehr oder weniger offen zu einem individualistischen Menschenbild tendieren, das den For-schungsgegenstand ‚Mensch’ wiederum durch die Abstraktion von seinen sozialen Bezugsgrup-pen einseitig verkürzt“ (S. 662). Sie kritisieren den Gedanken an ein von seinen sozialen Bezie-hungen getrenntes Individuum:

„Man könnte davon sprechen, daß das Denken und Handeln ‚einsamer Individuen’ in einer abstrakten Umwelt im Mittelpunkt der theoretischen Überlegungen stehen. Menschen denken und handeln jedoch in sozialen Gruppen, orientiert an kulturellen, individuellen und Gruppennormen bzw. -werten, die sich im Verlauf gesellschaftlicher und individueller Geschichte entwickelt haben und sich laufend verändern. [...] [Daraus folgt, dass] „die Verhaltensmodifi-kation den Faktor ‚soziale Bezugsgruppe des Klienten’ einbeziehen muß. Mit ‚sozialen Bezugsgruppen’ sind die Inter-aktionspartner des Klienten gemeint, die selbst in einem komplexen Beziehungsgefüge zueinander stehen. [...] In diesen Bezugsgruppen hat der Klient seinen Platz, wirkt auf Ziele, Verhalten und (Selbst-)Beurteilungsmaßstäbe der anderen ein und wird umgekehrt von ihnen in seinen Intentionen und Verhaltensmustern beeinflußt“ (Redlich & Schley, 1979, S. 666).

Auch die Ergebnisse weiterer Autoren deuten darauf hin, dass die Berücksichtigung des sozia-len Kontexts für die Wirksamkeit von Selbstmanagement-Interventionen essenziell ist:

� Auf der Basis von Zeittagebüchern sowie problemzentrierter Interviews mit Führungskräften analysiert Pütz (1997) psychische Grundkonflikte im Selbstmanagement-Prozess. Er stellt dabei fest, dass „die Merkmale der Person [...] den Selbstmanagement-Prozeß [...] [ebenso beeinflussen] wie die ‚situative Ermöglichung’ und das ‚soziale Dürfen’“ (Pütz, 1997, S. 115). Des weiteren gelangt er zu der Überzeugung, dass „Schwierigkeiten im Selbstmanagement-Prozeß nur bei ‚ganzheitlicher Problemsicht’ bewältigt werden können, bei einer Problem-sicht also, die sowohl die Person als auch das Sozialgefüge betrachtet, in dem die Person tätig ist“ (S. 350) – „Interventionen sollten demzufolge nicht nur am Individuum ansetzen, sondern alle beteiligten Interaktionspartner berücksichtigen“ (S. 356).

� Latham & Frayne (1989) weisen darauf hin, dass Teilnehmer an Selbstmanagement-Trainings durch den starken Fokus auf das Individuum rückfallgefährdet sind. Sie betonen,

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dass die Unternehmenskultur trainiertes Verhalten unterstützen muss, damit es zu nachhalti-gen Effekten kommt. Als Eigenkritik an ihrer Studie führen sie an, dass sie keinen Versuch unternahmen, die Organisationskultur zu beeinflussen. Auch Pütz (1997) meint, dass die Normen und Werte der Organisationskultur bei Selbstmanagement-Interventionen Berück-sichtigung finden sollten und eine gezielte Organisationsentwicklung zur Lösung von Selbst-management-Problemen angebracht ist.

� Mace & West (1986) plädieren dafür, neben Selbstmanagement-Trainings auch externe Konsequenzen für das Zielverhalten in Selbstmanagement-Programme zu integrieren. Sie sind überzeugt davon, dass Selbstmanagement-Trainings für Studenten besonders dann ef-fektiv sind, wenn das Zielverhalten mit den externen Kontingenzen (z.B. Lob, bonus tokens) übereinstimmt. Möglicherweise erklären sich so langfristige Erfolge der Vertriebsmitarbeiter bei Frayne & Geringer (2000): Die durch das Training angeregte Nutzung von Selbstmana-gement-Techniken zur Steigerung der Verkaufsleistung wurde durch die kontingente Prä-mienzuteilung aufrechterhalten.

� Kehr (2004) stellte in zwei Studien fest, dass es seinen Teilnehmern trotz ausführlicher Be-rücksichtigung und Übung im Training nicht möglich war, Zielkonflikte zu reduzieren. Dies kann als Indiz dafür interpretiert werden, dass Zielkonflikte nicht allein intrapsychisch bedingt sind. Zielkonflikte sind möglicherweise ein Begleiterscheinung der Eingebundenheit in einen sozialen Kontext (vgl. Argyris, 1990; Pütz, 1997).

� In der Studie von Buhl et al. (2007) gaben Coaches an, dass eine der wesentlichen Ursa-chen dafür, dass verfügbare Selbstmanagement-Kompetenzen nicht angewendet werden, in der Ablehnung und den Widerständen des sozialen Umfelds läge. Schwierigkeiten träten insbesondere dann auf, wenn Bezugspersonen sich durch eine verstärkte Selbstfürsorge des Klienten oder eine Neuordnung seiner Prioritäten benachteiligt fühlten.

Entsprechend legen diese Ergebnisse nahe, individuelle Änderungsstrategien nur als ein Ele-ment der Veränderung zu begreifen. Kapitel 4 zeigt Ansätze auf, die vielversprechend erschei-nen, um in Ergänzung zu herkömmlichen Interventionen nachhaltige Veränderungen zu ermögli-chen.

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Neue Ansätze zur Selbstmanagement-Förderung 54

4 Neue Ansätze zur Selbstmanagement-Förderung

4.1 Anregungen aus der systemischen Organisationsbe ratung

Ein Ansatz, der stärker den sozialen Kontext (z.B. auch von Selbstmanagementhandelnden) ins Auge fasst, ist jener der systemischen Organisationsberatung.49 Wenn im Folgenden der Begriff „systemisch“ verwendet wird, so sind damit wesentliche Impulse gemeint, die aus einer Fülle heterogener systemtheoretischer Ansätze heraus Einzug in die Organisationsberatung gehalten haben (vgl. Groth, 1999; Simon, 2007).50 Baecker (1994) dagegen bezeichnet systemisches Denken schlicht als „Wiederentdeckung des gesunden Menschenverstands” (S. 131). Zentral für diese Denkschule sind unter anderem die Ideen der Selbstorganisation und Selbstreferentialität sowie die Abwendung von linear-kausalen Modellvorstellungen hin zur Berücksichtigung von Komplexität und Vernetztheit (Städtler, 1998). Schlippe & Schweitzer (2003) charakterisieren den Ansatz wie folgt:

„Systemische Therapie und Beratung stellen weder eine unmittelbar wissenschaftsgeleitete Anwendung systemtheo-retischer Konzepte noch einen rein handwerklichen Satz von Techniken dar. Zwischen beides treten die Person des systemisch Arbeitenden sowie der Kontext, in dem systemisch gearbeitet wird. Beides wird miteinander verbunden durch eine Reihe grundlegender, das konkrete Handeln inspirierender Prämissen und Haltungen“ (S. 116).

Die systemisch-lösungsorientierte Beratung bietet einen Fundus von Interventionen, welche den Kontext stärker berücksichtigen. Außerdem gibt sie Antworten darauf, in welcher Form Beratung Veränderung ermöglicht. Dadurch lassen sich neue Ansatzpunkte für die Erschließung von Selbstmanagement-Kompetenzen von Einzelindividuen in einem sozialen Kontext gewinnen. Genauer lassen sich Anregungen ableiten 1.) zum grundlegenden Verständnis der Wirkungs-weise beraterischer Interventionen, 2.) zum Interventionsdesign und 3.) zu einer hilfreichen Be-rater-Haltung.

4.1.1 Zu den Möglichkeiten von Veränderung durch In tervention

„Bei Interventionen handelt es sich um ein kompetentes Dazwischentreten (inter-venire) in ein psychosoziales Geschehen“ (Bungard & Antoni, 1995, S.380). Kompetent beinhaltet dabei, dass man absichtsvoll, zielgerichtet und vor allem erfolgreich ist. Diese auf den ersten Blick plausible Definition wird komplex, wenn man davon ausgeht, dass man es nicht mit einfachen linearen Ursache-Wirkungsbeziehungen zu tun hat. Stellt man nämlich die Lernfähigkeit sozialer Syste-me in Rechnung, so erscheinen technische, „triviale“ Modelle des Handelns, in denen ein defi-nierter Input (z.B. Beraterintervention) durch eine starre Regel zu einem eindeutigen Output (z.B. Teamkohäsion) führt, wenig angemessen (Foerster, 1999). Vor diesem Hintergrund lässt sich eine Intervention etwas präziser fassen als „eine zielgerichtete Kommunikation (d.h. eine bestimmte Wirkung beim Kommunikationspartner wird in das Kalkül der Kommunikation einbe-zogen) zwischen psychischen und/oder sozialen Systemen, in der die Autonomie des interve-nierten Systems respektiert wird“ (Willke, 1987, S. 333). Dabei ist es möglich, dass eine Inter-vention überhaupt nichts, etwas anderes oder gar das Gegenteil des Beabsichtigten bewirkt (ebd.). Interventionen können Veränderungen nicht „erzeugen“, jedoch durchaus „ermöglichen“

49 Historie und Grundannahmen dieses Ansatzes sind an anderer Stelle ausführlich dargestellt (z.B. Groth, 1999; König & Volmer, 1997, 2005; Kriz, 1999; Schlippe & Schweitzer, 2003; Königswieser & Hillebrand, 2005) 50 In diesem Zusammenhang sind besonders die folgenden Autoren zu nennen: Bertalanffy, 1979; Bateson, 1983; Luhmann, 1994; Maturana & Varela, 1987; Selvini-Palazzoli, 1992; Foerster, 1999; Watzlawick et al., 2001; Roth, 2001; Haken & Schiepek, 2005.

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Neue Ansätze zur Selbstmanagement-Förderung 55

(Arnold, 1997).

Beratung als Verstörung und Anregung

Interveniert wird vornehmlich über die Störung von Mustern der Interaktion und Kommunikation, welche mit der Erzeugung und Aufrechterhaltung von Problemen zusammenhängen könnten. Durch diese „Perturbation“ (vgl. Maturana & Varela, 1987) oder „Verstörung“ wird das System „aus der gewohnten Bahn geworfen“ (Bergner 1997, S. 153 ff.). Eingeschliffene Routinen wer-den in Frage gestellt und somit Lern- und Reflexionsprozesse angeregt. Die „Verstörung“ ist dabei eher angestrebtes Resultat als konkretes Handeln des Beraters, wie Schlippe & Schweit-zer (2003) am Beispiel eines Ameisen-Systems illustrieren:

„Nehmen wir als Beispiel einen Ameisenstamm, bei dem die Regel gilt, dass eine Ameise, wenn sie auf dem Weg zum Futter auf eine andere trifft, sich an diese anschließt und hinterher läuft. Die Ameisen finden auf diese Weise lange Zeit zu ihren Futterquellen. Ein Problem bekommen sie, wenn der Kopf der ersten Ameise einer langen Amei-senkette auf den Schwanz der letzten Ameise derselben trifft. Dann schließt sich der Kreis. Die Ameisen laufen dau-ernd in diesem Kreis herum und verhungern schließlich, weil sie vor lauter Kreisen nicht mehr zur Futterquelle finden. Systemische Therapie dieses Ameisenstammes im Sinne einer Verstörung würde bedeuten: An irgendeiner Stelle zwischen zwei Ameisen ein Brett zu legen, welches die Kette unterbricht. Damit wäre das Muster außer Kraft gesetzt, »verstört«, und die erste Ameise hinter dem Brett müßte einen neuen Weg suchen. Damit wäre die »Therapie« been-det: Verstörung kann eine sehr ökonomische lntervention sein: Keine Ameise muß »nachreifen«, keine muß hinzuler-nen, keiner müssen medikamentöse oder fürsorgerische Hilfestellungen zuteil werden. Die Unterbrechung des Mus-ters reicht“ (S. 123).

Das Beispiel zeigt auch, dass systemische Interventionen darauf gerichtet sind, Interaktions- und Kommunikationsmuster, die mit der Generierung und Stabilisierung von Lösungen zusam-menhängen könnten, zu initiieren (Simon & Rech-Simon, 2004). Die Konjunktiv-Formulierung soll darauf verweisen, dass es sich hierbei um einen „Trial-and-Error“-Prozess handelt. Die Ver-knüpfungen zwischen einem beobachteten Interaktions- und Kommunikationsmuster und einem Problem- oder Lösungsbezug sind Annahmen des Beraters und damit hypothetischer Natur. Die Interventionen werden auf Basis der Berater-Hypothesen in die „Black Box“ System gerichtet und im Anschluss an die begrenzt beobachtbaren Folgen überprüft und gegebenenfalls verän-dert (vgl. Königswieser & Exner, 2004). Dieser Prozess des „Suchens-und-(Er)-Findens“ (Simon & Rech-Simon, 2004) zeichnet sich durch eine hohe Lösungsorientierung aus. Das Interesse konzentriert sich darauf, eine mögliche Lösung zu finden. Weder wird eine bestmögliche Lösung gesucht, noch ein Erklärungsmechanismus dafür, warum eine Lösung funktioniert.

Voraussetzungen für den Interventionserfolg

In Anlehnung an Willke (1987) definieren Königswieser & Exner daher eine systemische Inter-vention als „eine zielgerichtete Kommunikation [...], in der man sich der prekären Ausgangslage des Versuchs der wirkungsvollen Beeinflussung eines autonomen sozialen Systems bewußt ist“ (2004, S. 17). Dieses Verständnis von Intervention erscheint angesichts der Schwierigkeit, in selbstorganisierten komplexen Systemen überhaupt „Dazwischenzutreten“ (von der dabei an den Tag gelegten Kompetenz ganz zu schweigen), als dem Betrachtungsgegenstand angemes-sen. Mit der Annahme einer zirkulären Basalstruktur (vgl. Maturana, 1982) geht einher, dass Systeme „so komplex [sind], dass sie für jeden Umweltkontakt ein verzweigtes Netz von Selbst-kontakten aktivieren können und müssen“ (Willke, 1984, S. 197). Dadurch können nur bedeut-same Informationen („Unterschiede, die einen Unterschied machen“ (Bateson, 1983, S. 582)) in die Informationsverarbeitung des Systems einbezogen werden. „Das System spielt nur seine eigene Melodie und kann nur seine eigene Musik hören“ – Mit dieser Metapher illustrieren Kö-nigswieser & Exner (2004, S. 22) die Auswirkungen der Selbstreferentialität von Systemen:

„Umweltanstöße wirken sich so aus als Interpunktionen systemeigener Prozesse. Sie müssen zum einen in der ‚Spra-che’ (d.h. in den relevanten Differenzen) des Systems formuliert sein, um überhaupt wahrgenommen zu werden, und sie müssen zum anderen als Kontextinformationen in die zirkuläre Operationsweise des Systems eingeschleust wer-den, um überhaupt wirksam zu werden“ (Willke, 1984, S. 197).

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Willke verweist hiermit auf drei wesentliche Bedingungen, die als Voraussetzung für den Erfolg von Interventionen betrachtet werden können:

1.) Anschlussfähigkeit als Qualität der Beziehung zwischen Berater- und Klientensystem

Die Anschlussfähigkeit des Beraters an das System ist gegeben. Dem Berater gelingt es, eine tragfähige Beziehung zum Klientensystem aufzubauen und seine (verbale wie nonverbale) Kommunikation so auszurichten, dass sie in die Wirklichkeitskonstruktion des Klienten integrier-bar ist (beispielsweise in Bezug auf Abstraktionsgrad, Wortwahl, Kleidung etc.). Dies setzt vor-aus, dass man die Operationsweise des Systems, in das man interveniert, bis zu einem gewis-sen Grad zu begreifen versucht (Moser, 1995).

2.) Interventionen als Impulse für die Selbstorganisation des Systems

Die Intervention setzt an den zirkulären Mustern an (im Gegensatz etwa zu Personen). Willke (1984, S. 198f.) spricht von einer „Konditionalisierung der Randbedingungen“, was den Aspekt betont, dass die eigentlichen Entwicklungsprozesse im Rahmen der Selbststeuerung des Sys-tems realisiert werden. Die Beratung kann lediglich auf den Kontext wirken, in dem diese Selbstorganisation stattfindet. Diese Art von Beratung „setzt auf beiden Seiten, der intervenie-renden wie der intervenierten, die Fähigkeit zur Reflexion voraus“ (Willke, 1989, S. 136). Statt eines interventionistischen Zugriffs werden Bedingungen geschaffen und Anregungen gegeben, auf die das jeweilige System im Rahmen seiner eigenen Funktionslogik reagiert (Moser, 1995, S. 233):

„Interventionen sind nur Impulse, aus denen das Klientensystem das macht, was es machen kann. […] Berater kön-nen nur den Widerspruch bezüglich Verändern und Bewahren öffnen. Das Klientensystem trifft die Entscheidung, wie es damit umgeht, selbst“ (Königswieser und Exner, 2004, S. 24). 51

3.) Unkonventionelle, neue und überraschende Anregungen zur Erweiterung von Freiheitsgra-den

Der Berater agiert so, dass im System „Information“ im Sinne Batesons (1983) (im Gegensatz zu „Rauschen“ und der Produktion von „Daten“) erzeugt wird (Anschlussfähigkeit ist dazu eine not-wendige, aber keine hinreichende Voraussetzung). Dazu ist es notwendig, ein neues, alternati-ves und überraschendes Element an die Stelle der gewohnten Denk-, Verhaltens-, und Kommu-nikationsmuster treten zu lassen.52 Kriz (1989) konkretisiert diesen Prozess:

Ausgangspunkt ist in der Regel, „daß die Freiheitsgrade im Ablauf der Kommunikationsmuster sehr entscheidend durch bestimmte Erwartungen und Realitätsdeutungen beschnitten werden und daß daher ein gemeinsamer Kern der einzelnen sehr differenzierten Interventionspalette darin besteht, viele neue Informationen und Deutungsalternativen in das […] System einzubringen, damit sich neue Sichtweisen, Interpretationen und Erwartungen aufbauen können. Perturbation bedeutet somit letztlich, daß die rigiden Strukturen komplex miteinander verbundener Prozesse der Wahrnehmung, Informationsverarbeitung und Handlung einer höheren Fluktuation ausgesetzt werden, so daß das System die homöostatische Bindung an die gegenwärtige Prozessstruktur überwindet und diese Prozesse in neuer Weise organisiert (vgl. Kriz, 1990)“ (Kriz, 1989, S. 7f.).

Die Hoffnung dahinter besteht darin, dass die neue, selbstorganisierte Struktur vom Klientensys-tem als angemessener beurteilt wird und Verbesserungen für die Systemmitglieder mit sich bringt.

51 Dieses Verständnis von Intervention steht bisweilen in der Kritik: „Man zieht sich auf die Aussage zurück, dass man nur irritieren kann, aber es von dem Klientensystem abhängt, wie es die Irritation aufgreift. (...) Es lässt sich bei systemischen Beratern insofern eine Tendenz zur Selbstimmunisierung beobachten, als dass sie sich mit ihrer Zurückhaltung in Bezug auf Erfolgskriterien gegen die Gefahr des Scheiterns schützen“ (Kühl, 2002, S. 250). Da im Rahmen dieser Arbeit jedoch durchaus Erfolgskriterien benannt wer-den (vgl. Kap. 5), kann diese Argumentation entkräftet werden. 52 Watzlawick et al. (2001) zufolge sollte ein „mehr desselben“ insbesondere auch deshalb vermieden werden, da ihrer Meinung nach häufig die Lösungsversuche eines Systems zu seinen Problemen führen.

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Die dargelegte Betrachtungsweise schließt jedoch nicht aus, dass sich ein Berater in guter Ab-sicht an Interventionen heranwagt. Ausgehend von Hypothesen sollte die beabsichtigte Wirkung der Intervention durchaus geplant werden. Die Intentionalität, die diesem Verhalten zugrunde liegt, beinhaltet eine Vorstellung über einen positiven Zielzustand sowie die Überzeugung, die-sen über eine bestimmte Vorgehensweise erreichen zu können (Moser, 1995, S. 231). Dieses handlungstheoretische Alltags-Bewusstsein wird durch die systemische Perspektive jedoch zur Bescheidenheit gemahnt. Jede Intervention (genau wie jede andere Handlung auch) bleibt ris-kant und mit einem hohen Maß an Unsicherheit verbunden – auch wenn sie theoretisch begrün-det und durchdacht wurde. Wimmer (2001) fasst dies wie folgt zusammen:

“Es ist günstig, sich zunächst einmal vor Augen zu halten, dass Beratung eine Dienstleistung ist, deren Gelingen äußerst unwahrscheinlich ist. Dies ist nicht nur eine hochgesponnene theoretische Einsicht! Wir mussten in unserer Beratungspraxis ganz hautnah die Erfahrung machen, dass Organisationen äußerst eigenwillige Systeme sind, die sich durch Leute, die von außen kommen, nur sehr schwer beeindrucken lassen“ (S. 202).

Umso wesentlicher wird die tatsächliche Erprobung und Evaluation der Pilotprojekte im Rahmen dieser Arbeit.

4.1.2 Selbstmanagementrelevante Fremd- und Selbster wartungen

Während herkömmliche Selbstmanagement-Programme vorwiegend darauf abzielen, die Selbsterwartungen der Teilnehmer zu verändern, legt ein systemischer Blickwinkel nahe, die sozialen Erwartungen des Kontexts ebenfalls zu berücksichtigen:

„Das Besondere von Personen im Vergleich zu Organisationen ist, dass sie sich nicht durch eine Änderung der Selbsterwartungen allein verändern lassen. Selbst wenn die einzelne Person bereit wäre, sich zu ändern, ist sie durch die sozialen Erwartungen festgelegt, mit denen sie täglich durch andere Personen und soziale Systeme konfrontiert wird. […] Man denke nur an den Manager, der am Montag voller Tatendrang von einem Wochenendseminar zurück-kommt und von seinen Vorgesetzten, Kollegen und Untergebenen in einer eigenen Art von 360-Grad-Feedback („Du bist plötzlich so anders“) innerhalb kürzester Zeit ausgekühlt wird“ (Kühl, 2006, S. 399).

Willke (1994) beschreibt die Natur dieser Erwartungen als ein aus Selbstverständnissen und Routinen verdichtetes Regelsystem, „welchem das einzelne Mitglied nur schwer entrinnen kann“ (S. 158). Im Gegensatz zu Willke verwendet Luhmann (1994) den Regelbegriff nicht. Er geht davon aus, dass „Strukturen sozialer Systeme in Erwartungen bestehen, daß sie Erwartungs-strukturen sind“ (1994, S. 398). Kneer und Nassehi (2000) weisen darauf hin, dass der Erwar-tungsbegriff bei Luhmann eine „Sinnform“ (S.93) meint und keine psychologische Kategorie. Eine Erwartung entsteht Luhmann (1994) zufolge „durch Einschränkung des Möglichkeitsspiel-raums. Sie ist letztlich nichts anderes als diese Einschränkung selbst“ (S. 397). Beispielsweise können aufgrund von Erwartungen Kommunikationen nicht durch beliebige, sondern nur durch bestimmte Kommunikationen fortgesetzt werden: „Viele der Nachfolgemöglichkeiten werden ausgeschlossen, einige werden wahrscheinlich“ (Kneer & Nassehi, 2000, S. 94).

Luhmann (ebd.) unterscheidet zwei Kategorien von Erwartungen in Abhängigkeit davon, was geschieht, wenn die Erwartung enttäuscht wird. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, die Er-wartung in Folge einer Enttäuschung entweder aufzugeben bzw. so anzupassen, dass sie mit dem Eingetretenen kompatibel ist (kognitives Erwarten) oder sie schlicht beizubehalten (norma-tives Erwarten). Für „lernbereite“ Erwartungen gilt, dass man bereit ist, sie zu ändern, „wenn die Realität andere, unerwartete Seiten zeigt“ (Luhmann, 1994, S. 437). Sie bezeichnet Luhmann als Kognitionen. Lernunwillige Erwartungen dagegen „werden auch im Enttäuschungsfalle kontrafaktisch festgehalten“ (S. 437). Luhmann (ebda.) spricht in diesem Fall von Normen. Die Erwartung, ein neuer Mitarbeiter werde das Büro am Freitagabend nicht vor 18 Uhr verlassen, mag beim einen Vorgesetzten im Enttäuschungsfall zu einer neuen Kognition führen („Aha, of-fenbar möchte Herr X früher ins Wochenende starten. Wie schade, dass er nicht so viel Einsatz

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zeigt wie seine Kollegen“). Die Feststellung, man sei enttäuscht, gilt demnach für kognitive Er-wartungen. Eine andere Führungskraft sieht in der Tatsache, dass der Mitarbeiter um 15 Uhr das Büro verlässt, vielleicht eine Normverletzung und einen Anlass für ein ernstes Gespräch („Herr X, Sie sind neu, daher können Sie das noch nicht wissen. Vor 18 Uhr verlässt hier nie-mand das Büro“). Denn die Enttäuschung normativer Erwartungen zieht schärfere Konsequen-zen nach sich: Hier werden die Enttäuschten ermutigt, zu zeigen, daß sie an ihren Erwartungen festhalten, Konflikte zu provozieren und sich nach Möglichkeit durchzusetzen“ (Luhmann, 1994, S. 454).

Eine Erwartung einer Person allein hat nach Luhmann (1994) jedoch noch keinen Strukturcha-rakter: „Soziale Relevanz und damit Eignung als Struktur sozialer Systeme gewinnen Erwartun-gen nur, wenn sie ihrerseits erwartet werden können“ (Luhmann 1994, S. 411). Erst wenn der neue Mitarbeiter im Beispiel erwartet, dass seine Führungskraft erwartet, dass er freitags min-destens bis 18:00 Uhr bleibt, ist eine Abstimmung im sozialen System möglich. „Erwartungser-wartungen veranlassen alle Teilnehmer, sich wechselseitige und in diesem Sinne strukturelle Orientierungen zu unterstellen“ (ebd., S. 414). Die Unterstellung des Mitarbeiters, dass der Vor-gesetzte etwas erwartet, ermöglicht den Abgleich von Erwartungen und Handlungen. Er kann auf dieser Basis ein konformes oder abweichendes Verhalten wählen. Somit wäre eine Erwar-tungserwartung auch dann strukturrelevant, wenn sie jeglicher Grundlage im Sinne ihres Zutref-fens entbehrt. Erwartet der Mitarbeiter, dass sein Vorgesetzter von ihm Arbeitseinsatz bis 18:00 Uhr erwartet, so wird er sich um 15:00 Uhr schuldbewusst mit der Entschuldigung eines Arzt-termins verabschieden – auch wenn der Vorgesetzte überzeugter Anhänger flexibler Arbeitszei-ten ist und sich für den Feierabend seiner Mitarbeiter gar nicht interessiert.

Da normative Erwartungen ein Strukturmoment sozialer Systeme darstellen, werden sie durch „Vorkehrungen für den Umgang mit faktisch eingetretenen Enttäuschungen“ abgesichert (ebd., S. 453). Luhmann benennt als Maßnahmen zur Enttäuschungsabwicklung: „Enttäuschungser-klärungen und […] Sanktionen - anwendbar je nachdem, ob kognitive oder normative Erwartun-gen enttäuscht worden sind“ (ebda.). Insbesondere die Vergabe bzw. der Entzug von Achtung bildet einen wesentlichen Sanktionsmechanismus: „Mit Achtung (...) soll eine generalisierte An-erkennung und Wertschätzung gemeint sein, mit der honoriert wird, daß ein anderer den Erwar-tungen entspricht, die man für eine Fortsetzung der sozialen Beziehungen vorauszusetzen müs-sen meint“ (Luhmann, 1994, S. 318). Die Beziehungsgestaltung wird also an die Erfüllung von Erwartungen geknüpft. Die Bildung von Erwartungserwartungen ist somit funktional, um sich in einem sozialen System Achtung zu sichern.

Können Erwartungen in einem sozialen System auch zum Gegenstand der Reflexion und der Diskussion werden? Luhmann (1994) zufolge sind Erwartungen und Erwartungserwartungen nur zum Teil der Kommunikation zugänglich. Viele der Erwartungsstrukturen bleiben latent. Biswei-len erklärt sich dies durch eine hohe Komplexität: „Viele der ausgeblendeten Möglichkeiten könnten aufgegriffen werden, wenn Kapazität gerade frei und Zeit und Gelegenheit günstig“ (1994, S. 460) wären. Solche Latenzen, die auf Unkenntnis, der Unmöglichkeit des Wissens, Mangel an Gelegenheit oder Ähnlichem beruhen, bezeichnet er als „faktische Latenz“ (ebd., S. 458f.). Im Gegensatz dazu spricht er von „strukturfunktionaler Latenz“, wenn „Bewußtheit bzw. Kommunikation Strukturen zerstören bzw. erhebliche Umstrukturierungen auslösen würde“ (ebd., S. 459). Durch diese Aussicht wird die Bewusstheit bzw. Kommunikation über die Erwar-tungen blockiert. Das heißt, dass über eine Erwartung nicht gesprochen wird bzw. sie als Selbstverständlichkeit keinen Weg ins Bewusstsein findet, ist funktional zur Erhaltung ihrer Struktur.

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Für Selbstmanagement-Interventionen in ein soziales System „Team“ lassen sich aus Luh-manns Ausführungen diverse Anregungen ableiten. Neben den Selbsterwartungen, also zum Beispiel der Entwicklung individueller Zielvorstellungen und der Gewissheit, diese Ziele mit den eigenen Möglichkeiten auch erreichen zu können, müssen für eine nachhaltige Änderung eben-falls die Fremderwartungen an die betreffende Person verändert werden. Eine alleinige Ände-rung nur der Selbst- oder nur der Fremderwartung greift hier zu kurz (vgl. Kühl, 2006, S. 399). Dieses Vorhaben ist nicht trivial:

„Die Frage ist […], ob eine solche kombinierte Veränderung von Selbst- und Fremderwartung nicht lediglich eine Pla-nungsphantasie ist. Personales Gedächtnis (die Selbsterwartungen) und soziales Gedächtnis (die Fremderwartun-gen) seien, so Luhmann (ebd.), so miteinander „verfilzt“, dass eine planmäßige Änderung kaum möglich erscheine“ (Kühl, 2006, S. 399).

Die empirische Exploration wird Aufschluss darüber geben, ob der Ansatz unter bestimmten Bedingungen doch praktikabel sein kann. Die kombinierte Veränderung von Selbst- und Fremd-erwartungen wirft die Frage nach der adäquaten Interventionsebene auf. Erfahrungen im Rah-men der Psychotherapie zeigen, dass mehrere Wege zum Ziel führen können:

„Sowohl aus der Therapieforschung als auch aus der unmittelbaren praktischen Erfahrung wissen wir, daß die Modali-tät der Intervention nicht mit der Modalität der jeweiligen Störung identisch sein muß. Dies bedeutet, daß z.B. sehr wohl mit einer Einzeltherapie eines Familienmitglieds auf das System ‚Familie’ Einfluß genommen werden kann, und daß sich jede systemische Intervention mit der Familie auch auf jedes einzelne Familienmitglied auswirkt“ (Kanfer et al., 2000, S. 25).

Das Interventionskonzept sollte daher einen Wechsel der Ebenen vorsehen. Sofern die Ände-rung von Selbsterwartungen im Vordergrund steht, bilden die beteiligten Teammitglieder als ein-zelne psychische Systeme die Zielgruppe. Die Bemühungen seitens des Intervenierenden müs-sen sich jedoch nicht auf die Modifikation von Selbsterwartungen beschränken. Über die Thema-tisierung von Erwartungserwartungen lässt sich auch bei der Arbeit mit Einzelnen der soziale Kontext einbeziehen. Es ist nicht bekannt, wie häufig individuelle Selbstmanagementvorhaben daran scheitern, dass die Betreffenden in den Konflikt mit ihren Erwartungserwartungen – also den Erwartungen, die sie ihren „significant others“ unterstellen – geraten. Man kann jedoch an-nehmen, dass diese Erwartungserwartungen weitaus verhaltenswirksamer sind als die tatsächli-chen Erwartungen der Bezugspersonen. Für den Einzelnen kann es hilfreich sein, Reaktionen im sozialen System auf sein Selbstmanagementhandeln oder seine Zielerreichung vorherzuse-hen. Eine Methode, die sich dazu besonders eignet, ist das zirkuläre Fragen (Simon, 1993; Pfef-fer, 2001). Sofern Schwierigkeiten antizipiert werden, können Maßnahmen zur Bewältigung be-reits zu einem frühen Zeitpunkt geplant werden. Möglicherweise lassen sie sich darüber leichter vermeiden.

Dass jeder Einzelne sein individuelles Selbstmanagementvorhaben vorantreibt, reicht jedoch in der Regel nicht aus, um die Fremderwartungen der anderen Teammitglieder zu beeinflussen. Die Routinen im Team (z.B. Überstunden als Regelfall, chaotische Teambesprechungen etc.) sind auf Fortsetzung gerichtet. Das heißt, die notwendige Energie für eine Veränderung wird nicht von selbst entwickelt. Zwar sorgt möglicherweise die Formalisierung des Prozesses („wir machen ein Selbstmanagement-Projekt“) dafür, dass sich das individuelle Selbstmanagement-Projekt bedeutend mehr in der „Öffentlichkeit“ (vor den Augen der anderen Teammitglieder) ab-spielt, als dies üblicherweise der Fall wäre. Dadurch wird vielleicht die Toleranz der Teammit-glieder (die Erwartungshaltung an zulässiges und nicht-zulässiges Verhalten) für die Dauer des Projekts ein wenig erweitert. Doch damit sich nachhaltig etwas ändert, müssen sich die Bezie-hungen zwischen den einzelnen Teammitgliedern verändern (Borwick, 1990) bzw. die Erwartun-gen, welche die Grundlage der Beziehungsgestaltung bilden. An dieser Stelle zielen die Inter-ventionen auf das Team als soziales System ab. Da eine Metakommunikation über strukturfunk-

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tional latente Erwartungen das Potenzial hat, just diese Latenz aufzuheben, bietet sich hier ein Stellhebel für die Irritation der Routinen im Team. Eine hilfreiche Methode dazu ist das Bilden von Hypothesen darüber, welche Regeln bzw. Erwartungen in dem sozialen System gelten und das Thematisieren dieser Hypothesen. Das Team hat dann die Entscheidung zu treffen, ob es einzelne dieser Hypothesen als nützlich bewertet, ob es sie weiter vertiefen möchte oder ob es eine Nicht-Thematisierung (und damit Latenz-Erhaltung) vorzieht. Diese Vorgehensweise grün-det auf das Vertrauen in die Fähigkeit der Teams, sich selbst zu organisieren.

Es bleibt festzuhalten, dass die folgenden Anregungen durch Luhmann (1994) in das Interventi-onsdesign einfließen sollen: Zum einen soll der Versuch einer kombinierten Veränderung von Selbst- und Fremderwartungen gewagt werden. Dazu erscheint es nützlich, auf individueller Ebene über zirkuläre Fragen auch Erwartungserwartungen zu thematisieren. Um auch die ge-teilten Erwartungsstrukturen der Teammitglieder besprechbar zu machen und gegebenenfalls zu verändern, empfiehlt es sich, über das Bilden und Zurückspiegeln von Hypothesen eine Meta-kommunikation über selbstmanagementrelevante Erwartungen bzw. Regeln im Team anzusto-ßen.

4.1.3 Haltung für systemische Selbstmanagement-Inte rventionen

Mit Haltung ist jener Teil an Vorannahmen, Werten und Überzeugungen gemeint, welcher die Grundlage für die Kommunikation bildet. Sie beinhaltet auch Beziehungsangebote der Beraterin an ihre Gesprächspartner. Die folgenden Überlegungen für eine nützliche und vielversprechen-de Haltung bei der Zielsetzung, Veränderungen in Teamkontext und Selbstmanagementhandeln zu ermöglichen, orientieren sich unter anderem an den Ausführungen von Schlippe und Schweitzer (2003) sowie Königswieser & Exner (2004). Vier Aspekte sind mir dabei besonders wichtig: Wertschätzung und Neutralität in der Beziehungsgestaltung, der Fokus darauf, den Möglichkeitsraum der Klienten zu erweitern, der Blick auf Ressourcen und das Finden von Lö-sungen sowie die Grundhaltung des Hypothesenbildens. Sie fließen in das Interventionskonzept sowohl bei der Wahl der Methoden als auch insbesondere bei deren konkreter Umsetzung in der Durchführungssituation ein.

Beziehungsgestaltung: Wertschätzung und Neutralität

In Bezug auf die Beziehungsgestaltung ist zunächst eine Haltung der Wertschätzung und Empa-thie den einzelnen Teammitgliedern gegenüber wesentlich. Verspüren die Teilnehmer echte Neugierde und Anteilnahme, so fällt es ihnen leichter, bisweilen als heikel und persönlich emp-fundene Selbstmanagementthemen zu besprechen. Es sollte eine Atmosphäre entstehen, wel-che die individuellen Sichtweisen der Teilnehmer willkommen heißt. Das Äußern konträrer Mei-nungen ist explizit erwünscht. Denn anstelle einer objektiven Wahrheit interessieren die einzel-nen Wahrheiten und Wirklichkeitskonstruktionen der Teammitglieder. Nur wenn diese einge-bracht werden, besteht eine Chance, sie auch zu verändern. Gleichzeitig sollte die professionel-le Distanz bzw. Neutralität der Beraterin verhindern, dass für Einzelne einseitig Partei ergriffen wird. Im Sinne einer Allparteilichkeit soll die Wertschätzung allen Teammitgliedern gleicherma-ßen zuteil werden. Auch gegenüber Ideen und Positionen sollte die Neutralität als ein bewusstes Nicht-Bewerten und Toleranz für Vielfalt spürbar werden. Werten und moralisches Urteilen ver-suche ich zu unterbinden. So möchte ich als Beraterin keine Bewertungen dahingehend vor-nehmen, was das „Problem“ des Teams ist, wodurch es zustande kam oder zu lösen ist usw. Äußern Teammitglieder Beschwerden (z.B. über chaotische Besprechungen, einzelne Verhal-tensweisen der Führungskraft etc.), so sollten sie sich dabei verstanden fühlen, jedoch im Unkla-

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ren darüber bleiben, ob ich das ebenfalls als Problem bewerte oder nicht und ob ich finde, dass sie das ändern sollten oder nicht. Es wird davon ausgegangen, dass die Art und Weise, wie sich das Team verhält, für die Beteiligten Sinn macht. Und es wird versucht zu verstehen, worin die-ser Sinn möglicherweise bestehen könnte. Da bei einem Interventionsprogramm immer die Ge-fahr besteht, ausschließlich in Richtung von Veränderung zu intervenieren, sollte ich den Blick der Teilnehmer auch auf Bewahrenswertes lenken bzw. darauf, warum ihr bisheriges Verhalten möglicherweise sinnvoll ist. Letztlich soll durch diese Art der Beziehungsgestaltung neben der Schaffung einer tragfähigen Arbeitsbeziehung selbstorganisiertes Lernen ermöglicht werden.

Anregen: Den Möglichkeitsraum erweitern

Gesucht wird im Rahmen der Beratung nicht nach einem one best way, der für alle gilt. Statt-dessen zielt die Beratung darauf ab, den „Möglichkeitsraum“ (Schlippe & Schweitzer 2003, S. 116 f. in Anlehnung an Foerster, 1983b) für den einzelnen Teilnehmer zu vergrößern. Denk- und Handlungsspielräume sollen erweitert werden. Im Sinne des Selbstmanagementgedankens steigt durch den Zugang zu neuen Denk- oder Verhaltens-Möglichkeiten die „innere Freiheit“ (vgl. 2.3.2). Im Rahmen der Beratung sollte nach Möglichkeit viel Neues, Ungewohntes und Überraschendes geschehen, um den „Möglichkeitssinn“ (Musil, 1978) der Klienten zu aktivieren. Die Beratung muss also auch ungewohnte Anregungen und Impulse einbringen. Dies soll zum Nachdenken anregen und begünstigen, dass neue Perspektiven eingenommen werden. Mögli-cherweise können dadurch bestimmte Aspekte (z.B. einschränkende Bedingungen für das indi-viduelle Selbstmanagement) anders gesehen werden. Diese neuen Sichtweisen sollten jedoch nicht überfordernd sein oder Widerstand erzeugen. Dazu sind ein behutsames Vorgehen der Beraterin und ein bedrohungsfreier Kontext, in dem die Teilnehmer sich auf das Ausprobieren einlassen können, vonnöten. Königswieser und Exner (2004) zufolge ist es dabei von Vorteil, wenn Interventionen bildhaft und „künstlerisch“ sind. Sie gehen davon aus, dass darüber die rechte Gehirnhälfte und Intuition stärker angesprochen werden und somit latente und unbewuss-te Inhalte besser erschlossen werden können.

Lösungs- und Ressourcenorientierung

Die Beratung sollte auf das pragmatische Ziel gerichtet sein, neue Lösungen und Möglichkeiten für die Teilnehmer auszuloten. Die vorhandene Zeit und Energie sollte dabei konsequent auf Lösungen ausgerichtet werden. Dies geschieht in Anlehnung an das lösungs- und ressourcen-orientierte Arbeitsmodell, das von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg (1998) entwickelt wurde. Zentraler Glaubenssatz dieses Modells ist, dass Reden über Probleme die Probleme größer werden lässt, während das Reden über Lösungen Lösungen wahrscheinlicher macht. Oder an-ders gesagt: Die Veränderungsenergie folgt der Aufmerksamkeit. Demnach bringt es keinen Mehrwert, Probleme ausführlich zu erkunden oder Ursachen für Schwierigkeiten zu analysieren. Stattdessen kann sogleich mit dem (Er-)Finden von Lösungen begonnen werden. Eine weitere zentrale Annahme in diesem Zusammenhang ist, dass den Teilnehmern nichts „fehlt”, sondern, dass alle Ressourcen zur Problemlösung im System vorhanden sind. Sie werden jedoch aktuell nicht genutzt. Im Rahmen der Beratung sollen in diesem Sinne vernachlässigte, vergessene oder unentdeckte Ressourcen gesucht und genutzt werden. Dies bedeutet konkret, danach zu suchen, was jetzt bereits gut in Bezug auf das Selbstmanagementhandeln gelingt, und mit den Teams Zielvisionen zu entwickeln, die positiv auf das Handeln zurückwirken.

Hypothesen als geistiges Leitradar

Schlippe und Schweitzer bezeichnen die Hypothesenbildung als „Grundhaltung“ systemischer

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Therapie und Beratung (2003, S. 127):

„Im Sprachgebrauch der experimentellen Wissenschaft ist eine Hypothese eine nicht bewiesene, vorläufig akzeptierte Annahme, die als Grundlage für weitere Untersuchungen dient, welche zu ihrer Bestätigung oder Verwerfung führen“ (Selvini-Palazzoli, 1992, S. 277).

Ausgehend von der wirklichkeitskonstruktiven Perspektive, nach der eine objektive Beobachtung ohnehin nicht möglich ist, mache ich mir bei der Methode der Hypothesenbildung die Voran-nahmen, durch die ich geleitet bin, explizit zu Nutze. Dabei suche ich jedoch nicht nach der ei-nen „richtigen“ Hypothese, sondern ziele auch hier darauf ab, den Möglichkeitsraum für den Klienten zu vergrößern. Hypothesen haben letztlich nur funktionellen Wert:

„Die Hypothese an sich ist weder richtig noch falsch, sondern viel eher mehr oder weniger nützlich. Auch eine Hypo-these, die sich als falsch erweist, trägt zur Informationsvermehrung bei, indem sie eine Anzahl Variablen ausschließt, die bis zu diesem Zeitpunkt im Bereich des Möglichen gelegen hatten. [...] Die Funktion der Hypothese ist deshalb im wesentlichen die eines Wegweisers zu neuen Informationen, die entweder zu ihrer Bestätigung, Verwerfung oder Umformulierung führen“ (Selvini-Palazzoli, 1992, S. 278, siehe auch Borwick, 1990, S. 380f.).

Somit führt die Vielfalt von Hypothesen zu neuen Erkenntnissen. Die Beurteilung des Anre-gungsgehalts bzw. der Nützlichkeit einer Hypothese liegt sinnvollerweise beim Klientensystem (vgl. Königswieser & Exner, 2004, S. 24). Für mich hat die Hypothese darüber hinaus eine Ori-entierungsfunktion („geistiges Leitradar“ (Gester, 1993, S. 141)) und reduziert damit auf nützli-che Weise die Komplexität (vgl. Schlippe & Schweitzer, 2003; Schmid, 1994). Die Herausforde-rung für mich besteht darin, eine Ordnung durch meine Hypothesen herzustellen, ohne an dieser festzuhalten. Stattdessen bin ich aufgefordert, im Sinne einer „fließenden Orientierung“ zwar Orientierungspunkte zum Verständnis einer Situation zu setzen, fortschreitend jedoch wieder loszulassen, um neue förderliche Orientierungen einzunehmen (Schmid, 1994, S. 44). Hypothe-sen sind darüber hinaus ein Instrument, um die unabhängige Außenperspektive als Beraterin und Forscherin zu wahren und mich davon abzuhalten, mich in die Problembeschreibungsmus-ter des Systems zu verstricken (Baumgartner, Häfele, Schwarz & Sohm, 1996). Beim Bilden von Hypothesen achte ich nämlich nicht auf Personen, sondern auf wechselseitige Bezüge, um mich den dahinter wirkenden Kommunikationsmustern anzunähern.

4.2 Anregungen aus der „Theory U“

Um Kommunikationsmuster und Sinnstrukturen in Systemen zu verändern, bedarf es „neben neuen kognitiven Konzepten auch neuer Erfahrungen, nicht nur der Kopf muß eine neue Ge-schichte erfinden, sondern der Leib muß sie neu erfahren” (Schlippe, 1995, zitiert nach Schlippe & Schweitzer, 2003, S. 117). Neben Schlippe betonen auch Kanfer et al. (2000), dass Selbst-management-Interventionen nicht auf der kognitiven Ebene verharren sollten:

„Auch ein erlebnisorientierter Zugang [...] kann für manche (z.B. übertrieben ‚kopflastige’ Klienten) eine veränderte Problemperspektive schaffen. Hierbei kommt es u.E. vor allem auf das grundsätzliche Prinzip an, eine andere als die gewohnheitsmäßig bevorzugte Art des Umgangs mit Problemen zu forcieren (z.B. nonverbales Erleben statt verbal-kognitives Diskutieren)“ (Kanfer et al., 2000, S. 61)

Da im Alltag der meisten Organisationsmitglieder das „Kopflastige“ dominieren dürfte, ist für Selbstmanagement-Interventionen in diesem Kontext besonders zu fordern, dass auch ein emo-tionales „Abholen“ der Teilnehmer erfolgt. Gallagher, Rocco & Landorf (2007) weisen auf die grundlegende Bedeutung von Emotionen, Werten und Spiritualität in Lernprozessen allgemein hin. Pütz (1997) ist der Meinung, dass gerade Selbstmanagement-Interventionen den Wertehin-tergrund berücksichtigen müssen:

„Dazu gehören der psychologische Hintergrund und die Frage danach, was dem eigenen Leben Sinn verleiht und demzufolge hochgradig motivierend sein kann, die Frage nach dem sozialen Hintergrund und den damit verbundenen Erfahrungen, Haltungen und Einstellungen sowie deren Entstehungsgeschichte, die Frage nach Zwängen, die entwe-

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der in der Sache oder im sozialen Umfeld begründet sind, und schließlich die Frage nach dem eigenen Projektions-hintergrund, den eigenen Erwartungen, Befürchtungen, Muß- und Sollvorstellungen (Gebote, Verbote, gesellschaftli-che Normen) oder den eigenen Idealen“ (S. 103).

Zusammenfassend geht es darum, Selbstmanagement-Interventionen eine bestimmte Qualität zu geben. Sie müssen eine gewisse emotionale Tiefe ermöglichen und Anschluss finden an das, was für den Einzelnen in seinem Leben Sinn stiftet. Doch wodurch lässt sich eine solche „Tiefe“ erlangen?

Laut Scharmer (2007b) braucht man dazu nicht zwangsläufig etwas anderes zu machen (was?), oder etwas gänzlich anders zu machen (wie?), sondern sollte sich stärker die Frage danach stellen, mit welcher Aufmerksamkeit (woher?) man sich zum Beispiel selbst managed. Sein An-satz weist der grundlegenden Struktur der Aufmerksamkeit als Quelle des Handelns eine zentra-le Bedeutung zu. Die innere Verfasstheit, aus welcher ein (individueller oder kollektiver) Akteur heraus agiert, so die Kernaussage Scharmers (2007a), bestimmt das Ergebnis der Handlung:

“Some of the most important variables that determine the quality of a situation – say, a meeting – are the ones that are least visible: our quality of attention and intention. They profoundly influence how a situation unfolds: “I attend and intend [this way] – therefore it emerges [that way]” (Scharmer, 2007b, S. 436).

Scharmer (2007a, S. 232ff.) unterscheidet vier Feldstrukturen der Aufmerksamkeit, aus denen sich jeder Wahrnehmungsakt bzw. jede soziale Handlung speist (vgl. Abb. 1):

Abb. 1: Vier Feldstrukturen der Aufmerksamkeit (Darstellung in Anlehnung an Scharmer, 2007b)

In der Struktur des „Downloading“ ist die Aufmerksamkeit auf die Einordnung in bekannte Zu-sammenhänge gerichtet. Wahrnehmung und soziale Interaktion aus dieser Aufmerksamkeitsva-riante resultieren in der Reinszenierung bekannter Muster. Im Modus des „Seeing (with fresh eyes)“ ist die Aufmerksamkeit auf Unterschiede gerichtet. Abweichungen zu den eigenen Bil-dern, Vorstellungen und Vorurteilen werden wahrgenommen. In der sozialen Interaktion findet sich diese Struktur in der Argumentation wieder. Aus dem Zustand des „Sensing (from the field)“ ergibt sich erstmals die Möglichkeit, einen Perspektivwechsel zu vollziehen und Dinge mit ande-ren Augen zu sehen. Die Aufmerksamkeit ist auf das soziale Feld jenseits der eigenen Grenzen gerichtet. In der Interaktion korrespondiert diese Aufmerksamkeitsstruktur mit dem Dialog. In der Struktur, die Scharmer als „Presencing” (aus presence + sensing) bezeichnet, eröffnet eine Ver-bindung mit dem eigenen höchstmöglichen Zukunftspotenzial einen Zugang zur kreativen Quel-

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le. In diesem Zustand der Selbst-Transzendenz ist die Aufmerksamkeit gänzlich im Hier und Jetzt verankert:

„I have named this discipline “presencing” because it involves a particular way of being aware of and experiencing the present moment. Presencing denotes the ability of individuals and collective entities to link directly with their highest future potential. When they are able to do this, they begin to operate from a more generative and more authentic presence in the moment in the now” (Scharmer, 2007b, S. 52).

Durch den Kontakt mit dem authentischen Selbst findet ein Erspüren der im Entstehen begriffe-nen Zukunft statt. Wahrnehmung und Interaktion werden aus der kreativen Quelle gespeist. Es handelt sich um einen Vorgang der intensiven Vergegenwärtigung, in dem Neues entsteht bzw. in Entwicklung begriffen ist. Hier zeigen sich Parallelen des Ansatzes zu praxisorientierten Kon-zepten der humanistischen Pädagogik, die Hagemann & Rottmann (1999) zufolge allesamt „auf der Erfahrung des Hier-und-Jetzt als unabdingbarerer Voraussetzung für Erkenntnis, Wachstum und Selbstverwirklichung“ (S. 62f.) basieren. Ein „Lernen aus der Zukunft“ wird Scharmer (2007a) zufolge durch die Verbindung zweier Selbstwahrnehmungen ermöglicht:

„One self is the person or community we have become as a result of a journey that took place in the past. The other self is the person or community we can become as we journey into the future […]. When our ‘self’ and our ‘Self’ begin to communicate, we establish a subtIe but very real link to our highest future possibility that can then begin to help and guide us in situations in which the past can’t offer us useful advice” (Scharmer, 2007a, S. 41).

Gleiche Handlungen (z.B. eine Gesprächsführung) führen demnach zu gänzlich unterschiedli-chen Ergebnissen in Abhängigkeit davon, ob der Akteur zum Beispiel im Modus des „Downloa-ding“ operiert oder einen Zugang zu seiner Empathie im Sinne des „sensing from the field“ hat. Es kommt folglich nicht nur darauf an, was und wie etwas getan wird, sondern auch darauf, aus welcher Quelle heraus etwas getan wird. So ist anzunehmen, dass auch in Bezug auf das eige-ne Selbstmanagement die innere Verfasstheit des sich selbst führenden Individuums für das Ergebnis von Selbstmanagement-Prozessen von Bedeutung ist. Selbstmanagement auf der Downloading-Ebene wirkt sich demnach qualitativ anders aus als Selbstmanagement in Kontakt mit dem eigenen höchstmöglichen Zukunftspotenzial.

Die eher verhaltensorientierten, erprobten Interventionskonzepte zum Selbstmanagement er-scheinen vor diesem Hintergrund besonders auf die zweite Ebene des „Seeing“ fokussiert. Eine naheliegende Erklärung dafür, dass Prozesse des Perspektivwechsels im Sinne des „Sensing“ ausgeklammert werden, liefert die Beobachtung, dass die Ansätze auf Einzelpersonen ausge-richtet sind und in der Regel kein Gegenüber in Betracht ziehen. Durch die Erweiterung des Be-trachtungsgegenstands auf Selbstmanagement im Team bieten sich jedoch Ansatzpunkte dafür, auch die Ebenen 3 („sensing“ bzw. „co-sensing“) und 4 („presencing“ bzw. „co-presencing”) für das individuelle Selbstmanagement nutzbar zu machen. Über den bewusst erlebten Zustand des Presencing werden Scharmer (2005) zufolge nachhaltige Lernprozesse angeregt (vgl. Sen-ge, Scharmer, Jaworski & Flowers, 2005):

„Eine neue Feldqualität des gemeinsamen Denkens, Sprechens und Handelns entsteht, wenn Gruppen und Individu-en beginnen, sich mit ihrer höchsten Möglichkeit zu verbinden. […] Eine Gruppe, der es bereits einmal gelungen ist, in diesem Modus zu funktionieren, findet es normalerweise leichter, dies ein weiteres Mal zu tun. Diese Lernerfahrung kann als anhaltende, gemeinsame Bindung, Bahnung oder Beziehung beschrieben werden. Sie bleibt sogar dann erhalten, wenn neue Mitglieder zu der Gruppe dazustossen [sic]“ (S. 18).

4.2.1 Der U-Prozess und seine Wendepunkte

Wodurch eröffnet sich ein solcher Zugang zu den „tieferen Schichten des Lernens“ (Scharmer, 2005, S. 11)? Dazu ist es laut Scharmer (2007a) notwendig, die gewohnten Grenzen des Den-kens zu überschreiten, die Intelligenz des Herzens zu nutzen und gewonnene Einsichten schnell ins Handeln zu übersetzen. Er beschreibt wesentliche Schritte, die Einzelnen und Gruppen hel-fen, Muster der Vergangenheit loszulassen, eine im Entstehen begriffene Zukunftsmöglichkeit

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wahrzunehmen und aus dieser Wahrnehmung heraus zu handeln. Die dabei vollzogene Bewe-gung fasst er mitsamt ihrer Wendepunkte als „U“ zusammen (vgl. Abb. 2). Die Herangehenswei-se lässt sich im Sinne eines Lernzyklus grob in drei grundlegende Schritte teilen. Scharmer (2005) umreißt sie wie folgt:

„(1) Beobachte, beobachte, beobachte: öffne und verbinde dich mit dem, was draußen vor sich geht; (2) lass das innere Wissen entstehen: öffne und verbinde dich mit dem, was von innen heraus entsteht; (3) handle schnell durch eine aktionsbezogene Integration von Kopf, Herz und Hand: bring das Neue in die Wirklichkeit, so wie es entstehen möchte“ (Scharmer, 2005, S. 11).

Die ersten beiden Phasen beschreiben die Reise zur Talsohle des „U“. Die letzte Phase be-schreibt die Aufwärtsbewegung entlang der rechten Seite des „U“ (vgl. Abb. 2).

Abb. 2: Das „U“ des Presencing-Prozesses (Quelle: Scharmer, 2009)

1.) Open mind – vom Downloading zum Sehen mit neuen Augen

Damit bei Einzelnen oder Teams ein Wechsel der grundlegenden Struktur der Aufmerksam-keitssteuerung möglich wird, sind zunächst alte Muster zu unterbrechen bzw. zu irritieren. Das Team muss aus dem Modus des „Downloading“ ausbrechen und innehalten. Dies deckt sich mit dem Verständnis systemischer Organisationsberater, die ebenfalls nach Wegen suchen, tradier-te Kommunikationsmuster zu stören. Scharmer (2007b) zufolge können dazu auch Selbstbeo-bachtungsprozesse systematisch genutzt werden. Ziel dieser Beobachtungen ist es, Zugang zu eigenen blinden Flecken zu finden. Die Grenzen der eigenen Wahrnehmung werden insofern überschritten, als vorschnelles Urteilen unterbunden wird. „Suspend judgment and connect to wonder” (S. 131) nennt Scharmer (2007b) diesen Schritt daher auch. Der Zielzustand des “open mind” deckt sich mit dem, was Eichhorn (2002) als Achtsamkeit beschreibt:

„Achtsamkeit bedeutet, auf eine bestimmte Weise aufmerksam zu sein: absichtlich, im gegenwärtigen Moment und nicht urteilend. Eine solche Aufmerksamkeit verzeichnet alles, was die Wahrnehmung durchläuft, mit Unvoreinge-nommenheit, als ein interessierter aber unbeteiligter Zeuge. […] Eine solche Form der Selbstreflexion stellt an sich schon eine Art des Heraustretens aus und der Distanzierung zu sich selbst und seinen eigenen Gedanken und Stim-mungen dar, und ist der erste Schritt der Veränderung“ (S. 113).

Um seinen Teilnehmern zu erleichtern, sich diesem Idealzustand anzunähern, setzt Scharmer auch auf die Gestaltung der Lernumgebung (“power of place”). So ermöglichen z.B. Orte inmit-ten der Natur einen besseren Zugang zum authentischen Selbst als verstaubte Schulungsräu-me.

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Eine weitere Hilfe, um eine Auseinandersetzung mit neuen Sichtweisen jenseits des Downloa-dings zu ermöglichen, besteht laut Scharmer darin, Dialoge zwischen den Beteiligten zu initiie-ren. Über sie wird das „gemeinsame Sehen“ möglich. Scharmer (2007b) bezieht sich v.a. auf das Dialogkonzept von Bohm (2005). Betont wird in diesem der Einsatz von nicht-wertender Aufmerksamkeit beim Zuhören bei gleichzeitiger Achtsamkeit auf die eigenen Gefühle und Re-aktionen. Bohm (2005) weist auf die Bedeutung des “In-der-Schwebe-haltens” (S. 66) von Ge-danken, Urteilen und Gewissheiten hin. Gemeint ist ein Gewahrwerden, was im Gesprächspart-ner vorgeht, ohne daraus Schlussfolgerungen oder Urteile abzuleiten. Weitere charakteristische Elemente des Dialogkonzepts bilden die grundlegende Haltung von Respekt und Wertschätzung und der Blick auf Potenziale und Ressourcen im Anderen. Im Rahmen des Dialogs gilt es zu-dem, nur das zu artikulieren und auszusprechen, was für einen selbst wahr und authentisch ist. Die eigene Person oder das Team kann im Idealfall durch einen Dialog „mit neuen Augen“ ge-sehen werden.

2.) Open heart und open will – Tiefung durch Empathie und Loslassen

Eine weitere Tiefung wird möglich, wenn es gelingt, eine “Öffnung des Herzens” zu vollziehen. Auf die Transformationskraft von Empathie, Echtheit und bedingungsloser Wertschätzung hat vor allem Carl Rogers (1981) aufmerksam gemacht. Auch Scharmer (2007b) verweist auf die Bedeutung des aktiven und intensiven Zuhörens und des Aufnehmens einer persönlichen Ver-bindung zum Gegenüber, um sich dem eigenen höchstmöglichen Zukunftspotenzial zu nähern. Ausschlaggebend ist an dieser Stelle der Kontakt in der Ich-Du-Beziehung (vgl. Buber, 1995). Lassen sich die Beteiligten darauf ein, den anderen ihr wahres Selbst zu zeigen, so kann durch Authentizität, Empfindsamkeit, Offenheit und Spontaneität eine größere Bewusstheit gegenüber Gefühlen und Vorstellungen des Anderen und auch eigenen Gefühlen entstehen (Rogers, 1981, S. 124). Durch den Zugang zu seiner Empathie wird für den Zuhörer erstmals ein Perspektiv-wechsel möglich: Die Welt kann aus den Augen eines Anderen betrachtet werden. Möglicher-weise werden in der Wahrnehmung auch andere Unterscheidungen aufgehoben und man sieht sich selbst in einer neuen Perspektive nicht mehr nur als außenstehenden Beobachter, sondern als Teil des Systems:

„When moving from seeing to sensing, perception begins to happen from the whole field. Peter Senge believes that this turn is at the heart of systems thinking. It’s about closing the feedback loop between people’s experience of reality (“what the system is doing to us”) and their sense of participation in the whole cycle of experience. When it happens, he said, people say something like “Holy cow! Look what we’re doing to ourselves!” (Scharmer, 2007b, S. 143).

Gelangt man in Gruppen gemeinsam in die Aufmerksamkeitsstruktur des „Sensing”, so führt dies laut Scharmer (2007a, S. 9f.) zu einem gemeinsamen Verständnis und einem tiefen kollek-tiven Sehen der gegenwärtigen Situation und der auftauchenden Möglichkeiten. Zum Grunde des „U” gelangt der Einzelne bzw. das Team laut Scharmer (2007b) nur durch „Loslassen”. Er schreibt, dass es an dieser Stelle darum geht, den Willen zu öffnen für das Hier und Jetzt. Weiß (2007) zufolge bildet dieser Prozess ein verbindendes Element mehrerer transpersonaler Ansät-ze.53 Sie beschreibt ihn wie folgt:

„Es geht darum, vollständig offen, aufnahmefähig, wach und lebendig zu sein und aufzuhören, die Welt in sich selbst und die äußere Welt zu zwingen, zu lenken und zu unterdrücken (vgl. BUBER 1990 S. 68; FISCHER 2006 S. 12; SCHOEN 1996 S. 63). […] Das 'Tun des Nicht-Tuns' [Buber] trägt zu einer gelasseneren Einstellung bei, die nicht zu Passivität führt, sondern dazu, dass man mit weniger Angst und Sorge handeln und auf diese Weise sein Potenzial möglichst vollständig entfalten kann” (S. 247f.).

53 Transpersonal meint einen „Oberbegriff für verschiedenartige Ansätze, die v.a. die Bedeutung außergewöhnlicher Bewusstseins-zustände und der außersinnlichen Wahrnehmung für die Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie thematisieren, also psycholo-gische Prozesse, die den engen Rahmen des Ich und der eigenen Person transzendieren und einen Paradigmawechsel der akade-mischen Psychologie fordern“ (Städtler, 1998, S. 1110f.).

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Presencing basiert letztlich auf dieser Kunst des Loslassens. In dem Moment, wo in Kontakt zum eigenen höchstmöglichen Zukunftspotenzial dem nachgegeben wird, was sich wandeln möchte und das im Hier und Jetzt Auftauchende angenommen wird, entsteht laut Scharmer (2007b) eine Verbindung zum wahren Selbst.

„Presencing […] means to connect with the Source of the highest future possibility and to bring it into the now. When moving into the state of presencing, perception begins to happen from a future possibility that depends on us to come into reality. In that state we step into our real being, who we really are, our authentic self. Presencing is a movement where we approach our self from the emerging future” (Scharmer, 2007b, S. 163).

Dies eröffnet eine Verbindung zu den Quellen der eigenen Energie und Kreativität. Alte Muster der Vergangenheit loszulassen und aus neuen Perspektiven zu sehen, was ist („seeing with fresh eyes”, „open mind”) sowie zu erspüren, was sein könnte („sensing from the field”, „open heart”), bereitet lediglich den Weg zu diesem Bewusstseinszustand. Am Boden des „U” stehen die Fragen „Wozu bin ich hier? Was ist mein Selbst? Was ist meine Bestimmung?” und „Was braucht die Zukunft von mir, um in die Welt zu kommen?”. Den Unterschied zum „sensing” bildet die Ausrichtung auf die gerade entstehenden Zukunftsmöglichkeiten:

„In many ways, presencing resembles sensing. Both involve shifting the place of perception from the interior to the exterior of one’s (physical) organization. The key difference is that sensing shifts the place of perception to the current whole while presencing shifts the place of perception to the source of an emerging future whole – to a future possibil-ity that is seeking to emerge” (Scharmer, 2007b, S. 163).

„Presencing” beschreibt demnach Momente der Sinnfindung und Selbstverwirklichung. Insofern finden sich auch hier Parallelen zur humanistischen Psychologie, deren prominente Vertreter glauben, dass die Suche nach Sinn, persönlicher Bedeutsamkeit und der Einbettung in das „große Ganze” nicht vergeblich ist:

„Es gibt keine Situation, in der das Leben aufhören würde, uns eine Sinnmöglichkeit anzubieten, und es gibt keine Person, für die das Leben nicht eine Aufgabe bereithielte“ (Frankl, 1978, S. 30 f.).

Um Presencing zu ermöglichen, bedarf es „Orte der Stille, durch die die Verbindung zu den Quellen der eigenen Kraft, Kreativität, Energie und authentischer Anwesenheit neu erschlossen und vertieft wird, sowohl auf individueller, als auch auf kollektiver Ebene” (Scharmer, 2005, S. 16). Es ist eine Atmosphäre zu schaffen, in der diese Prozesse Platz finden können. Auch hier gilt wieder, dass solche Momente nicht erwirkt, sondern nur ermöglicht werden können. Welche Möglichkeiten es gibt, Presencing-Prozesse zu fördern, ist noch unklar.54

3. Realisation - Handeln mit Kopf, Herz und Hand

Der Kontakt mit dem eigenen höchstmöglichen Zukunftspotenzial und die daraus resultierende Authentizität bzw. der Zugang zum wahren Selbst bildet laut Scharmer (2007b) den Schlüssel für die Gestaltung einer tragfähigen Vision (im Gegensatz zum Beispiel zu einer Vision aus dem downloading-Modus). Aus der Erfahrung des Presencing heraus gilt es, diese Vision und Ab-sicht zu schärfen. Die aus dem Prozess gewonnenen Einsichten sollen dann schnell in Handeln umgesetzt werden. Das Handeln dient dazu, zu erspüren, was noch notwendig ist, um die ge-fundenen Antworten und Lösungen zu perfektionieren. Die Zukunft soll durch das eigene Tun und Experimentieren erkundet werden. Scharmer (2007b, S. 203) bezeichnet diesen Schritt da-her auch als „Prototyping“. In diesem laufen in schnellen Zyklen Improvisations- und Lernpro-zesse ab. Die gewünschte Zukunft wird Schritt für Schritt in die Welt gebracht. In einem weiteren Anlauf gilt es, die Prototypen so in den Alltag einzubetten, dass sie weiterentwickelt werden kön-nen. Es wird eine Infrastruktur geschaffen, welche die Realisierung unterstützt. Sie erlaubt es,

54 „The development of new collective presencing practices is one of the most urgent and important undertakings of the years to come” (Scharmer, 2007b, S. 189).

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das Neue, das sich aus dem vorhergehenden Prozess ergeben hat, nachhaltig zu entwickeln. Bei der Infrastruktur kann es sich beispielsweise um unterstützende Orte, Rituale, Personen oder Prozesse handeln. Scharmer (2007b) gibt wenige Hinweise darauf, wie dieser Prozess-schritt methodisch zu unterstützen ist. Grundsätzlich ist jedoch denkbar, dass ein breites Inven-tar an Planungsmethoden zu diesem Zweck eingesetzt werden kann.

Scharmer (ebd.) betont, dass die skizzierten Schritte nicht sequenziell zu verstehen sind. In vie-len der Teilschritte des U-Prozesses würden in der Realität oft mehrere U’s durchschritten. Das Setzen von Schwerpunkten auf einzelne Phasen könne dennoch hilfreich sein. Die entspre-chenden Bewegungsmomente und Wendepunkte der drei Schritte entsprechen sich Scharmer (2005, S. 16) zufolge auf allen Systemebenen. Sie können somit sowohl auf der individuellen Ebene als auch auf Teamebene erlebt werden. Allerdings ist ein tiefgreifender Wandel aus Scharmers (2007b) Sicht nur im Kollektiv realisierbar:

“The collective serves as a gateway to access the deeper states of awareness and knowing […] To lead profound change is to shift the inner place from which a system operates. This can be done only collaboratively” (Scharmer, 2007b, S. 375ff.).

Das gemeinsame Sehen der Struktur, aus der sich die eigene Aufmerksamkeit in der Interaktion miteinander speist, hält Scharmer (2005) für ungemein wichtig. Seiner Meinung nach bildet es den größten Stellhebel, um ein “soziales Feld” zu verändern. Denn über diesen Quellort der Wahrnehmung hat jeder Einzelne vollständige Kontrolle:

“Die Feldstruktur unserer Aufmerksamkeit zu sehen bedeutet, dass wir sowohl die Struktur unserer Aufmerksamkeit, als auch gleichzeitig andere Möglichkeiten des Sehens wahrnehmen. Wenn wir uns hierauf konzentrieren, erlaubt uns diese Fähigkeit, die Struktur der Aufmerksamkeit von einem Modus in einen anderen zu verwandeln“ (Scharmer, 2005, S. 8).

Das ist der Grund, warum Scharmer (2005) seine Arbeit auch als „soziale Technologie der Frei-heit“ betitelt. Obwohl Scharmer (2007b) in diesem Zusammenhang erste Inspirationen dazu gibt, wie die Schritte des „U“ umgesetzt werden können, so sind diese Anregungen an vielen Stellen noch relativ abstrakt. Es handelt sich eher um nomopragmatische Aussagen (vgl. Patry & Per-rez, 2000). Der U-Prozess kann als Set technologischer Regeln mit noch recht hohem Allge-meinheitsgrad aufgefasst werden. Scharmer (ebd.) beschreibt anhand von Beispielen, wie er sein Konzept im Rahmen von Organisationsentwicklungsprojekten und Führungskräfteentwick-lungsprogrammen einsetzt. Auch Erfahrungsberichte von Akteuren des „Presencing Institutes“ (Presencing Institute, 2009) lassen vermuten, dass sich der Ansatz in der Praxis bewährt hat. Im Rahmen eines Seminars von Burkhard Bösterling und Dr. Matthias Lauterbach konnte ich selbst Erfahrungen mit dem Presencing-Prozess sammeln. Auch wenn eine wissenschaftliche Fundie-rung zur Bewährung des angenommenen Wirkmodells noch aussteht, kann als vorläufiges Fazit festgehalten werden, dass der Ansatz als Heuristik genutzt für die Interventionspraxis einen ho-hen Anregungsgehalt bietet. Darüber erscheint er in ein systemisches Beratungsverständnis gut integrierbar.

4.2.2 Interventionsdesign zum „Tiefen” von Selbstma nagement-Interventionen

Ein wirkungsvolles Selbstmanagement-Programm sollte auch die Ebenen 3 („sensing“) und 4 („presencing“) berühren. Es muss eine gewisse Motivation erzeugen, sich überhaupt ernsthaft mit den eigenen Zielen und dem eigenen Selbst zu befassen (Ausbruch aus dem „downloa-ding“). Es sollte jedoch nicht auf der gewohnten Ebene der rein kognitiven Auseinandersetzung („seeing“) verharren. Durch die Nutzung des Kollektiven als Zugang zu verschiedenen Bewusst-seinszuständen können Türen geöffnet werden, Selbstmanagement aus dem authentischen Selbst und mit Zugang zur kreativen Quelle zu initiieren.

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Einige konkrete Hinweise lassen sich aus der „Theory U” für das Interventionsdesign ableiten. Sie betreffen die Gestaltung der Lernumgebung, die Qualität der Selbstbeobachtung, den Ein-satz von Dialogmethoden und meditativen Praktiken und die gezielte Auseinandersetzung mit Sinnfragen. Außerdem legt auch die „Theory U” nahe, die Teilnehmer selbst nach ihren eigenen Lösungen suchen zu lassen.

Lernsetting und –atmosphäre

Bei der Gestaltung der Lernumgebung nach der Maxime des „power of place“ (Scharmer, 2007b) werden anregende Orte als Setting gewählt. Dabei liefert die Natur eine Projektionsflä-che für innere Prozesse und kann so als Hilfsmittel dienen. Wesentlich zur Gestaltung der Lern-atmosphäre trägt auch die Haltung des Intervenierenden bei. Sagt doch gerade die Theory U aus, dass die gleiche Intervention – aus unterschiedlichen Quellen gespeist – zu ganz unter-schiedlichen Ergebnissen führt. Die in 4.1.3 beschriebene Haltung muss dazu jedoch nicht revi-diert werden, sondern lässt sich gut mit dem Ansatz verbinden.

Selbstbeobachtung und Achtsamkeit

Eine Selbstbeobachtung mit der Zielrichtung „mehr Achtsamkeit” kann inneres Wachstum be-günstigen. Sie kann dazu anregen, aus fest gefügten Mustern auszubrechen. Indem die Teil-nehmer lernen, ihre Spontanurteile zu unterbinden, werden sie sich der Relativität ihrer Wertur-teile bewusst. Sie lernen, auch andere Wertvorstellungen gelten zu lassen. Dies bildet die Basis für Achtung und Wertschätzung der Anderen. Die individuelle Selbstbeobachtung findet in der Regel im Stillen statt und kann durch entsprechende Instruktionen und Aufgaben angeleitet wer-den.

Stille und Meditation

In Teamentwicklungen geht es manchmal „hoch her“. Es treffen unterschiedliche Standpunkte und Charaktere aufeinander, die sich in kurzer Zeit auf engem Raum intensiv miteinander aus-einandersetzen. Um in einem solchen Kontext einen achtsamen Umgang mit sich selbst und im Miteinander zu erhalten, kann es sinnvoll sein, gezielt Momente der Stille in das Interventions-design zu integrieren. Hierzu können auch meditative Praktiken hilfreich sein. Das Erleben des Hier und Jetzt wird in einem solchen Rahmen wahrscheinlicher.

Dialog

Zentral für die Entwicklung der menschlichen Potenziale ist laut Scharmer und Vertretern der Humanistischen Psychologie die Beziehungsfähigkeit. Entsprechend sollten im Interventionsde-sign Möglichkeiten für einen wirklichen Dialog vorgesehen sein. An dieser Stelle kann es hilf-reich sein, die Teilnehmer anzuleiten, damit sie den Unterschied zu Gesprächen in ihrem Alltag bewusst erleben und ihre Fähigkeit zur Empathie trainieren. Auch können über einen Dialog möglicherweise Erwartungserwartungen korrigiert werden und somit Veränderungen im Netz der Beziehungen entstehen.

Sinn

Dem Forschen nach dem Sinn kommt gerade bei der Bearbeitung von Selbstmanagementthe-men eine herausragende Rolle zu. Letztlich geht es um die Frage, wie persönliche Effektivität erreicht werden kann. Diese Frage kann nur individuell und vor dem Hintergrund eines endlichen Entscheidungsraums beantwortet werden. Heidegger (2006) verweist darauf, dass der Tod dem Dasein diesen Spielraum eröffnet und bewusst macht. Auch in Frankls (1977) Augen erhält das Leben erst durch seine Begrenzung durch den Tod seinen Sinn. Durch diese Endlichkeit wird

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der Mensch dazu herausgefordert, Verantwortung zu übernehmen. Im Ergreifen der eigenen Möglichkeiten in Ausrichtung auf die Zukunft bestimmt er sein eigenes Seinkönnen (Heidegger, 2006). Die methodische Umsetzung ins Interventionssetting kann über Reflexionsübungen so-wie gezielte Fragen, die vom Intervenierenden eingebracht werden, geleistet werden.

Suche nach Lösungen

„Jede Richtung, die von irgendeiner Person oder durch irgendeine Formulierung gewiesen wird, enthält Fehlerquellen“, schreibt Rogers (1981, S. 170). Auch in der „Theory U” wird Wert darauf gelegt, dass die Teilnehmer selbst ihre eigenen Lösungen finden. Jeder Einzelne muss die Ent-scheidung treffen, ob er sich auf den Prozess einlassen möchte oder nicht: „In doing this work, all we can do is to open the doors. But we can never ever take away the decision each human being makes: to go through this door – or to stop short of it” (Scharmer, 2007b, S. 189).

4.3 Fazit: Bewährte und neue Ansätze für Selbstmana gement-Interventionen

Ein Selbstmanagement-Interventionsprogramm, das bewährte Prinzipien der Selbstmanage-ment-Förderung mit neuen Ansatzpunkten der systemischen Organisationsberatung und der Theory U integriert, ist auf drei wesentliche Vorhaben ausgerichtet: 1.) Eine sinnvolle Kontrakt-gestaltung, 2.) die Veränderung von Selbsterwartungen und 3.) die Veränderung von Erwar-tungserwartungen bzw. Kommunikationsmustern im Team. Die drei Ansätze legen darüber hin-aus auch ein bestimmtes Format der Interventionen nahe: Die Teilnehmer sollten bei der Reali-sierung ihrer Selbstmanagementvorhaben nach Möglichkeit über einen längeren Zeitraum be-gleitet werden. Diese Begleitung sollte auch überraschende und eventuell ungewohnte Anre-gungen geben und dafür Sorge tragen, dass eine Atmosphäre entsteht, in der die Teilnehmer sich authentisch zeigen und einbringen können. Außerdem sollten im Prozess keine Lösungen vorgegeben werden. Die Erarbeitung maßgeschneiderter und damit auch passender Lösungen ist Aufgabe der Programmteilnehmer.

4.3.1 Drei Aufgaben systemischer Selbstmanagement-I nterventionen

Kontraktgestaltung als Auftakt jedes Selbstmanageme nt-Programms

Allen drei Ansätzen ist gemein, dass sie zu Beginn der Arbeit besondere Sorgfalt fordern. In der klassischen Selbstmanagement-Förderung ist vor allem die Rede davon, dass es zum Auftakt insbesondere der Akzeptanz des Programms, einer starken Änderungsmotivation und einer tragfähigen Allianz zwischen Teilnehmer und Therapeuten bzw. Trainer bedarf (Kanfer et al., 2000; Kehr, 2004). Scharmer (2007a, 2007b) spricht davon, zunächst einen „Container“ zu schaffen, aus dem heraus die übrigen Bewegungen ins Leben gerufen werden können. In der systemischen Organisationsberatung wird eher von Auftrags- und Zielklärung gesprochen. Da-bei wird besonders die Aufgabe des Beraters, sich um Anschlussfähigkeit an das System zu bemühen, betont (z.B. Königswieser & Exner, 2004). Im Grunde legen damit alle Ansätze nahe, dass zu Beginn eines Selbstmanagement-Programms die Beziehung zwischen Berater und Teil-nehmern zu klären ist. Dabei sollten erste Vorstellungen entstehen, in welcher Form und wie (nicht) miteinander gearbeitet wird. Es muss ferner gemeinsam grob abgesteckt werden, worauf die gemeinsame Arbeit hinauslaufen soll bzw. was ein wünschenswertes Ergebnis wäre. Dies sollte möglichst in einer Art und Weise geschehen, dass Energie für eine Veränderung mobili-siert wird und die Teilnehmer Lust bekommen, weiter zu arbeiten.

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Veränderung von Selbsterwartungen

Ein grundlegendes Ziel aller Selbstmanagement-Interventionen besteht in der Veränderung von Selbsterwartungen. In Form von Zielsetzungen verändern die Teilnehmer die Erwartungen an sich selbst. Die meisten Programme sind ebenfalls imstande, die Erwartung der Teilnehmer, diese Ziele mit eigenen Mitteln auch erreichen zu können (Selbstwirksamkeitserwartung), zu verändern. Pütz (1997) hebt dementsprechend die zentrale Position von Zielsetzungstechniken hervor:

„Die Zielsetzungsbemühungen sind der Kern des Selbstmanagement-Prozesses, weil sie die Wahl der situationsadä-quaten Verhaltens- und Problemlösungsstrategie fördern, weil sie Aufmerksamkeit und Anstrengungsbereitschaft erhöhen und den eigenen Bemühungen eine einheitliche Orientierung verleihen, so dass frei werdende Energie nicht in unterschiedliche Richtungen verpufft“ (S. 109).

Anstatt mit übergeordneten Zielen zu beginnen, sollten dabei ganz aktuelle und konkrete Ziele angegangen werden. Außerdem ist eine detaillierte Suche nach Wegen zur Zielerreichung hilf-reich (Kehr, 2004). Auch die systemische Organisationsberatung lehrt, dass darauf zu achten ist, dass das Wissen um den nächsten Schritt beim Klienten vorhanden ist. Es sollten also aktu-elle Ziele und konkrete nächste Schritte in Richtung der Lösung formuliert werden. Dabei sollten möglichst „Ich-nahe“ Ziele gewählt werden, die eine große Akzeptanz finden und mit dem Wer-tesystem des Teilnehmers im Einklang stehen (Pütz, 1997). Wünschenswert ist eine möglichst hohe Zielidentifikation bzw. Zielbindung (commitment), da dadurch die zur Zielerreichung not-wendige Motivation wahrscheinlicher verfügbar ist. Zu diesem Zweck setzen Kanfer et al. (2000) auch auf ein sogenanntes „Contract management“, eine schriftliche Fixierung der Ziele und der Bedingungen bei Zielerreichung, ein.

Durch den Zielbezug ist in Selbstmanagement-Programmen die Zukunft schon mitgedacht. Selbstmanagement impliziert immer, sich mit der eigenen Zukunft auseinanderzusetzen. We-sentlich dazu – und ebenfalls Grundlage jedes Selbstmanagement-Programms – ist eine Erhö-hung der Introspektion und der Reflexionsanteile. Brandstätter (1992, S. 58) hebt die Reflexion als Bedingung für Persönlichkeitsveränderung hervor. Und auch Tietze (2003) ist der Meinung, dass Reflexion besonders wichtig ist, „wenn man sein Verhaltensrepertoire weiterentwickeln möchte“ (S. 23). Menschen im Beruf denken in der Regel jedoch wenig über sich selbst nach (vgl. Müller, 2003, S. 184 f.). Im Rahmen einer Beratung können die notwendigen Impulse dafür gegeben werden:

„Personen und Gruppen reflektieren schon mal kurz und nehmen sich vor, sich zu ändern, aber sie tun dies selten systematisch, konsequent und nachhaltig. Selbst wenn sie professionell durch Berater oder Coaches angeleitet wer-den und üben, erfordert Selbstreflexion, damit sie auf hohem Niveau beibehalten wird, in Abständen immer wieder externe Anstöße“ (Greif et al., 2004, S. 215).

Müller (2003b, S. 185) ist der Meinung, dass oftmals eine gründliche Bestandsaufnahme aus-reicht, um den Bedarf an selbstverwirklichungsrelevanten Verhaltensänderungen zu identifizie-ren. Auch Rogers (1981) ist von der Macht der Selbstreflexion und der Fähigkeit zur Selbstände-rung überzeugt:

“Das Individuum verfügt potentiell über unerhörte Möglichkeiten, um sich selbst zu begreifen und seine Selbstkonzep-te, seine Grundeinstellung und sein selbstgesteuertes Verhalten zu verändern; dieses Potential kann erschlossen werden, wenn es gelingt, ein klar definiertes Klima förderlicher psychologischer Einstellungen herzustellen” (Rogers, 1981, S. 66).

Für ein Selbstmanagement-Programm bedeutet dies, dass methodisch nicht im Vordergrund stehen sollte, „Stoff“ zu vermitteln. Die Interventionen sollten sich darauf konzentrieren, mit den Teilnehmern durch persönliche Reflexion neue Sichtweisen zu erarbeiten. So können die Teil-nehmer ihr Verhalten und ihre subjektiven Deutungen aus unterschiedlichen Standpunkten be-trachten und hinterfragen, ob sie mit ihren aktuellen Selbsterwartungen richtig liegen.

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Neue Ansätze zur Selbstmanagement-Förderung 72

Ändern von Erwartungserwartungen

Das Projekt zielt auf die Beeinflussung des Kontexts für individuelles Selbstmanagementhandeln im Team ab. Hier liegt der größte Unterschied zu herkömmlichen Selbstmanagement-Interventionen. Möglicherweise löst bereits die Tatsache, dass die Arbeitskollegen zur gleichen Zeit in den gleichen Prozess involviert sind, etwas aus. Man muss ich vor Augen halten, dass diese Konstellation höchst ungewöhnlich ist. Die Auseinandersetzung mit Selbstmanagement-themen findet üblicherweise im stillen Kämmerlein statt. Die Projektteilnahme bietet den Kolle-gen eine weitere Möglichkeit zur Attribution möglicher Verhaltensänderungen („Aha, er macht ausnahmsweise pünktlich Feierabend. Er hat sich sicher vorgenommen, an seiner Worklife-Balance55 zu arbeiten“). Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass dies ausreicht, um Erwartungser-wartungen zu ändern. Das Reflektieren und Hinterfragen der individuell angenommenen Erwar-tungserwartungen in Coachingsitzungen bildet dazu einen besseren Ausgangspunkt. Aus dem Dialog zwischen Teammitgliedern können dann möglicherweise alternative oder korrigierte Er-wartungserwartungen und Sichtweisen resultieren. Auch hier kommt der Reflexion im Team ein hoher Stellenwert zu. Brandstätter (1992) zufolge sind nachhaltige Verhaltensänderungen des sozialen Verhaltens „wenn überhaupt, kaum durch Wissensvermittlung, schon eher durch reflek-tierte Erfahrungen in Trainingsgruppen zu erzielen“ (S. 58). Um eine Metakommunikation über Erwartungserwartungen anzuregen, in der auch latente Regeln diskutiert werden können, bietet es sich an, die Außenperspektive der Beraterin zu nutzen. Die Beobachtungen werden in Form von Hypothesen in das Team eingebracht. Das Team entscheidet über Fokus, Form und Intensi-tät der Diskussion. Systemische Selbstmanagement-Interventionen sollten demnach ausrei-chend Zeit für die Arbeit mit dem gesamten Team vorsehen.

4.3.2 Zum Format systemischer Selbstmanagement-Inte rventionen

Prozessarchitektur

Eine angemessene Bearbeitungsarchitektur sieht vor, die Teilnehmer über einen längeren Zeit-raum zu begleiten. Denn bei einem Block-Programm könnten die Teilnehmer ihre Ziele erst nach der Maßnahme angehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die guten Vorsätze im Berufsalltag un-tergehen, ist dann besonders groß. Die Interventionen sind also über einen gewissen Zeitraum zu staffeln. Die Teilnehmer erhalten durch ein solches Programm die Möglichkeit, die Ziele für ihre individuellen Selbstmanagementvorhaben festzulegen und diese im weiteren Verlauf zu präzisieren. Während sie bereits mit der Umsetzung beginnen, haben sie weiterhin einen An-sprechpartner. Zum Ende des Programms nehmen sie dann eine Erfolgsbewertung im Sinne einer Zwischen- oder – je nach Umfang des Zielhorizonts – Abschlussbilanz vor. Die Bereit-schaft von Unternehmen, an einem Pilotprojekt teilzunehmen, dürfte allerdings mit der Dauer der zu investierenden Tage in den Prozess abnehmen. Bezogen auf die Gesamtdauer der Interven-tionen ist daher ein Kompromiss zwischen Ideal und Zumutbarkeit zu suchen.

Individuelle Lösungssuche und Lösungsorientierung

Alle herkömmlichen Selbstmanagement-Trainings streben, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die Vermittlung bestimmter Techniken an, die Personen zu selbständigem und

55 Der Begriff „Work-Life-Balance“ wurde im Zusammenhang mit Seiwerts (2005) Konzept eingeführt. Er suggeriert jedoch, Arbeit und Leben seien etwas Getrenntes, deren Ausgleich es herzustellen gelte. Um sich von dieser irreführenden Interpretation abzu-grenzen, wird im Folgenden diese Schreibweise verwendet. Sie soll unterstreichen, dass es darum geht, in einer Lebensphase der Erwerbsarbeit einen Einklang zwischen unterschiedlichen, als wichtig empfundenen Lebensbereichen mit ihren jeweiligen Anforde-rungen herzustellen.

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Neue Ansätze zur Selbstmanagement-Förderung 73

erfolgreichem Handeln befähigen sollen. Die zuletzt betrachteten Ansätze legen jedoch nahe, keine Techniken oder Lösungen zu vermitteln und die Teilnehmer stattdessen selbst Lösungen entwickeln zu lassen. Im Rahmen der klassischen Selbstmanagement-Forschung konnte die Überlegenheit eines solchen Ansatzes empirisch belegt werden (Klein, 2001). Kanfer & Gaelick-Buys (1991) gehen ebenfalls davon aus, dass die Betroffenen ihr problematisches Verhalten selbst am besten ändern können. Trainer oder Therapeuten können dazu lediglich Hilfestellun-gen geben, indem sie zum Beispiel Selbstbeobachtungsprozesse anstoßen. Das dabei erlebte Gefühl von Kompetenz und Selbstbestimmung erhöht die Änderungsmotivation (Deci & Ryan, 1985). Auch für die Selbstwirksamkeitserwartung ist es förderlich, Fortschritte und Veränderun-gen auf eigene Bemühungen und nicht auf das Intervenieren eines Externen zurückzuführen.

Vertreter der systemischen Organisationsberatung gehen davon aus, dass aufgrund der Selbst-referenz von psychischen und sozialen Systemen Interventionen am Kontext ansetzen müssen. Die Anstöße und Anregungen aus dem Beratersystem muss das Klientensystem erst in seine eigene Funktionslogik übersetzen. Insofern kann ein Prozess, in dem Lösungen nicht im System entwickelt werden, nicht nachhaltig wirken. Aus diesem Verständnis heraus wird vermieden, in die Expertenrolle zu gehen und dem Kunden die Verantwortung für die zu fällenden Entschei-dungen abzunehmen. Die Verantwortung für die Lösungserarbeitung und notwendige Entschei-dungen bleibt ganz beim Kunden, damit die Lösungen in emotionaler Hinsicht vom System an-nehmbar und damit auch umsetzbar werden (Wimmer, 2008, S. 44). Der Berater sorgt jedoch durch seine Haltung und durch die Prozessarchitektur für eine konsequente Lösungsorientie-rung. Der Prozess ist darauf ausgerichtet, nützliche Lösungen für die konkreten Anliegen der Teilnehmer bereitzustellen. Bei der Erörterung der „Theory U“ wurde bereits darauf hingewiesen, dass auch dieser Ansatz auf die Zukunft ausgerichtet ist, die Entscheidung über Veränderung und Nicht-Veränderung beim Teilnehmer lässt und Wert auf eigene, individuelle Erfahrungen legt.

Prozessqualität: Anregung und Tiefe

Im Prozess sollen Lern- und Reflexionsprozesse angeregt werden. Diese sollen dazu führen, dass der einzelne Teilnehmer neue Perspektiven und Möglichkeiten sieht. Damit sich neue Denkanstöße ergeben, müssen im Beratungsprozess auch ungewohnte Elemente eingesetzt werden. Darüber hinaus ist eine einseitige Orientierung auf kognitive Techniken zu vermeiden. Über das Üben von Dialogen mit Teampartnern werden auch emotionale Lernziele im Pro-gramm abgebildet. Die Empathie der einzelnen Teammitglieder kann dazu beitragen, den Ein-zelnen „abzuholen“ und es ihm ermöglichen, sich als Mensch zu öffnen. Durch die Gestaltung der Lernumgebung, kleine Meditationen, den Einsatz von Musik und Momenten der Stille wird versucht, eine Atmosphäre zu gestalten, die Teilnehmern Zugang zu ihrem wahren, authenti-schen Selbst ermöglicht. Dabei haben die Teilnehmer die Möglichkeit, in ihrer Biographie nach Sinn zu forschen. Sie bekommen ein Gefühl dafür, was vor dem Hintergrund sinnstiftender As-pekte ihres Lebens für sie persönliche Effektivität ausmacht. Auf dieser Basis können Sie eine tragfähige persönliche Vision entwerfen und diese in eine Entwicklungsvorstellung integrieren (vgl. Pütz, 1997, S. 112). Dieses Verständnis von Selbstmanagement-Förderung deckt sich mit dem umfassender Persönlichkeitsentwicklung:

„Die Voraussetzung für ein effektives Selbstmanagement liegt einzig und allein darin, sich der eigenen Landkarte zu vergewissern und sie gegebenenfalls neu zu zeichnen. Landkarten sind Kristallisationen von Erfahrungen, die uns meist nicht mehr bewusst sind. Effektivität ist somit eine Frage der Persönlichkeitsentwicklung. Wir sehen die Welt nämlich immer so, wie wir selbst sind bzw. so, wie wir zu sehen gelernt haben“ (Graf-Götz & Glatz, 1998, S. 208).

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Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Interventionen 74

TEIL III: METHODE

5 Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Interventionen

5.1 Ziele des Programms

Das Programm soll es ermöglichen, Selbstmanagement-Anliegen so zu bearbeiten, dass dabei individuelle Handlungsmöglichkeiten nachhaltig erweitert werden. Dabei soll als Kontext für das Selbstmanagementhandeln des einzelnen Teilnehmers auch sein soziales Umfeld „Team“ in die Veränderung einbezogen werden. Die Beratung soll zu den Veränderungen auf Team- und Indi-vidualebene einen nützlichen Beitrag leisten. Das wesentliche Ziel besteht somit darin, die Betei-ligten auf dem Weg zu einem erfolgreichen Selbstmanagement zu unterstützen. Ein erfolgrei-ches Selbstmanagement geht mit der Annäherung an individuelle Ziele bzw. einer Zielerrei-chung einher. Die jeweiligen Veränderungsziele, die dabei erreicht werden, sind fakultativer Na-tur (vgl. Hager & Hassselhorn, 2000b). Im Idealfall führt das Vorgehen dazu, dass sich die ein-zelnen Teammitglieder nachhaltig in Richtung der von ihnen erwünschten Ziele verändern. Es ist zu erwarten, dass sie dabei auch auf Selbstmanagement-Strategien zurückgreifen. Das Pro-gramm zielt letztlich also auf intrapersonell wahrnehmbare Veränderungen ab.

Das Programm strebt ebenfalls an, Veränderungen im Teamkontext, in den das individuelle Selbstmanagementhandeln eingebettet ist, anzuregen. Die Interaktionsmuster sollen im Idealfall dergestalt verändert werden, dass Einzelne ihre individuellen Selbstmanagement-Anliegen im Team besser verfolgen können. Es wird angenommen, dass über die Arbeit mit dem Team der Rahmen, in dem sich der Einzelne selbst führt, beeinflusst werden kann. Dies wiederum sollte sich im Sinne „selbstmanagementunterstützender Bedingungen“ positiv auf die Nachhaltigkeit der gezeigten Selbstmanagement-Kompetenz der Einzelnen auswirken. Nachhaltigkeit bezieht sich dabei in erster Linie auf zeitlichen und Praxis-Transfer: Die Einsichten, die im Verlauf der Beratung gewonnen werden, sollen im gelebten Alltag verankert werden. Gezeigte Veränderun-gen sollten sich ferner stabilisieren und auch einige Zeit nach der Beratung anhalten. Nicht ge-meint ist dagegen ein Transfer im Sinne einer Problemlösungsmethode für zukünftige Selbst-management-Probleme (Methoden-Transfer). Dies wäre zwar wünschenswert, erscheint jedoch für eine Neuentwicklung im ersten Schritt zu anspruchsvoll. Das Programm hat somit (lediglich) den Anspruch, die Teilnehmer dabei zu unterstützen, in ihrem Alltag Veränderungen zu imple-mentieren. Dies ist bereits mehr, als herkömmliche Selbstmanagement-Trainings in der Regel zu leisten imstande sind.

5.1.1 Ethische Legitimierbarkeit der Interventionsz iele

Die Interventionsziele erscheinen mir insofern vertretbar, als sie die Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen zu erhöhen suchen, ohne dabei die Richtung vorzugeben. Wesentlich ist, dass den einzelnen Teilnehmern die Entscheidungshoheit darüber überlassen wird, a) ob sie am Pro-gramm teilnehmen möchten, b) ob sie eine Veränderung anstreben oder nicht und c) wie und auf welches Ziel dieser Wandel gerichtet sein soll. Die Teilnahme am Programm erfolgt freiwillig. Die individuellen Ziele der Teilnehmer und Teams werden nach Maßgabe persönlicher Autono-mie definiert. Dabei ist es akzeptabel, dass auf individueller Ebene Ziele entwickelt werden, die innerhalb des Teams im Widerspruch zueinander stehen. Ebenfalls ist verständlich, wenn Teil-

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Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Interventionen 75

nehmer oder Teams das Ziel entwickeln, den Status quo zu wahren und sich nicht ändern zu wollen. Das Interventionskonzept gibt den Rahmen vor, in dem bei entsprechender Bereitschaft die jeweiligen Ziele bearbeitet werden können. Die Verantwortlichkeit für den Prozess wird somit von Beraterin und Programmteilnehmern geteilt (vgl. Kanfer & Gaelick-Buys, 1991). Einem sys-temischen Verständnis zufolge ist es „Aufgabe des Beraters [...], Möglichkeiten für das System zu schaffen, sich durch seine Interventionen zu entwickeln. Der Berater ist nicht verantwortlich dafür, das System oder einzelne Individuen darin zu verändern. Ein System ist verantwortlich für die Veränderung oder das Wachstum, die stattfinden” (Borwick, 1990, S. 373). Kritisiert wird häufig, Berater mit einem solchen Verständnis von Intervention würden sich der Verantwortung entziehen und sich selbst gegen Misserfolg immunisieren (z.B. Kühl, 2002). Um diesem Vorwurf zu begegnen, werden im Abschnitt 5.1.2 in Form von Hypothesen die Erwartungen an die empi-rische Erprobung der Interventionen festgehalten.

Selbstmanagementansätze verstehen sich generell als egalitär und demokratisch (Kanfer et al., 2000). Kanfer & Gaelick-Buys (1991) zufolge sind Selbstmanagement-Interventionen weder di-rektiv, kontrollierend und autoritär noch sexistisch, elitär oder abhängigkeitsfördernd. Diese An-sprüche werden auch für das vorliegende Programm erhoben. Bei der Umsetzung ist dafür Sor-ge zu tragen, dass diese Prinzipien nicht verletzt werden. Die Durchführung der Maßnahmen erfolgt vor dem Hintergrund einer klar definierten Haltung (vgl. 5.3.1), die nicht beliebig ist, son-dern den wesentlichen Beitrag zur konzeptgemäßen Durchführung leistet. Dem Programm liegt ein humanistisches Menschenbild zugrunde, welches den Teilnehmern ein grundlegendes Be-dürfnis nach Selbstaktualisierung unterstellt. Ferner fußt das Konzept auf der Überzeugung, dass jedes Individuum weiß, was für es selbst am besten ist. Es wird somit eine grundlegende Fähigkeit zur Selbstfürsorge angenommen. In Bereichen, in denen diese – zum Beispiel durch psychische Störungen – eingeschränkt ist, wird von der Anwendung des Programms abgeraten.

5.1.2 Hypothesen: Erwartete Veränderungen

Es ist Ansatz der Grounded Theory sowie vieler qualitativer Forscher, theoretisches Vorwissen zu suspendieren und Hypothesen und Theorien erst im Kontakt mit dem Feld auszubilden (vgl. Lamnek, 2005). Hierdurch soll die Gefahr vermieden werden, dem Feld Strukturen „überzustül-pen“, die ihm fremd sind. Auch soll es den Forscher davor bewahren, seine Aufmerksamkeit nur auf Erwartetes zu lenken und dadurch nicht mehr offen für Neues zu sein. Andere Autoren sind mit Popper (1982) der Meinung, dass sich Vorwissen aus dem Prozess der Beobachtung nicht eliminieren lässt: „Es gibt keine reinen Beobachtungen: sie sind von Theorien durchsetzt und werden von Problemen und Theorien geleitet“ (S. 76). Konstruktivistische Konzeptionen gehen sogar einen Schritt weiter, indem sie Theorie als das „Medium der Erfahrung“ (Rusch, 2004, S. 185) verstehen. Theoretische Vorannahmen bestehen demnach immer und sind nicht auszu-schließen. Sie strukturieren unsere Wahrnehmung und Beobachtung. Kriz (1988) veranschau-licht jedoch, wie die Erwartungen von Forschern zu Artefakten führen können. Demnach er-scheint es empfehlenswert, die eigenen Vorannahmen zu explizieren, um der Gefahr eines un-reflektierten „Durchschlagens“ der eigenen Hypothesen vorzubeugen.

Der Anspruch eines jeden – also auch des hier vorgestellten – Programms geht mit Wirksam-keitsbehauptungen einher. Aus diesen lassen sich inhaltliche (nicht-statistische) Hypothesen ableiten (Hager, 2000b). Sie haben in der technologischen Forschung in der Regel eher den Status von „Vermutungen“ (Hager, 1992, S. 11). „Obwohl es sich also um theoretisch nicht wei-ter fundierte Behauptungen [...] handelt, stellen sie dann ‚wissenschaftliche Hypothesen’ dar, wenn sie [...] grundsätzlich empirisch prüfbar sind“ (Hager, 2000b, S. 187). Dementsprechend

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soll versucht werden, die impliziten Annahmen des Programms zu explizieren, um sie der empi-rischen Prüfung zugänglich zu machen. Dabei ist ein streng deduktives Vorgehen unangebracht. Denn die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Programms sagt letztlich nichts über zugrunde liegende Theorien aus. Die Orientierung an Hypothesen birgt jedoch den Vorteil einer zielgerich-teten Auswertung der Daten. Die Entdeckung neuer Aspekte des Untersuchungsgegenstands schließt sie dabei nicht aus (Steinke, 1999, S. 18).

Hypothese 1: Prozessqualität

Hypothese 1 betrifft die Art und Weise, wie die Teilnehmer den Prozess der Beratung wahrneh-men. Es soll geprüft werden, ob die Prozessqualität positiv erlebt wird.

Hyp. 1: Die Prozessqualität der Beratung wird von den Teilnehmern positiv wahrgenommen.

Die Zufriedenheit der Programmteilnehmer stellt ein explizites, angestrebtes Ziel und eine be-deutsame (wenn auch nicht hinreichende) Wirkungsvariable (Patry & Perrez, 2000) dar. Rossi & Freeman (1988) verweisen darauf, dass die Zufriedenheit der Teilnehmer mitunter auch „der entscheidende Indikator für die richtige Programmimplementation“ (S. 88) ist. Da in der vorlie-genden Studie jedoch noch keine Erfahrungen mit dem Programm vorliegen, trifft dies nicht un-bedingt zu. Es ist zum Beispiel durchaus denkbar, dass die Teilnehmer unzufrieden sind, obwohl das Programm wie geplant implementiert wurde. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn das Programm am eigentlichen Bedarf der Zielgruppe vorbei geht. Zumindest aber erscheint die Zufriedenheit der Teilnehmer mit dem Beratungsprozess essenziell für das Einlassen auf den Prozess sowie die weitere Teilnahme am Projekt (vgl. Rossi & Freeman, 1988; Hager & Hassel-horn, 2000b). Zwar kommt das Erreichen der Zufriedenheit noch keinem Nachweis für die Wirk-samkeit der Maßnahme gleich. Es bildet jedoch die Voraussetzung dafür, dass die weiteren Pro-grammziele überhaupt erst erreicht werden können. Es ist zu erwarten, dass die Teilnehmer insbesondere dann mit dem Programm zufrieden sind, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

� Die Teilnehmer erleben, dass der Beratungsprozess zur Wahrnehmung erweiterter individu-eller Handlungsmöglichkeiten und neuer Perspektiven führt.

� Sie bemerken, dass das Vorgehen sich auf die Suche nach Lösungen richtet, anstatt sich mit Problemen aufzuhalten.

� Sie erleben die einzelnen Maßnahmen als sinnvoll und nützlich.

� Sie erleben das Verhalten der Beraterin als anschlussfähig.

Hypothese 2: Veränderungen im Team

Ziel des Programms ist es, einen Kontext zu schaffen, der sich förderlich auf die Nutzung der vorhandenen Ressourcen individueller Selbstmanagement-Kompetenz auswirkt. Entsprechend soll die Beratung dahingehend wirken, Veränderungen im Team anzuregen:

Hyp. 2: Die Beratung führt zu Veränderungen der Kommunikationsmuster im Team.

Eine Veränderung von Erwartungserwartungen einzelner Teammitglieder sollte sich in den Kommunikationsmustern des Teams niederschlagen. Da Interaktions- und Kommunikationsmus-ter weitgehend selbstorganisiert sind, kann nicht vorhergesehen werden, wie und wohin sie sich verändern. Es können keine neuen und „besseren“ Muster entwickelt und vorgeschrieben wer-den (Kriz, 1989). Scharmer (2007b) spricht in diesem Zusammenhang von der Komplexität der Veränderungen eines „sozialen Felds“:

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“In physics we know that a material alters its behavior when it changes from one state to another. […] In groups, organizations, and larger systems it is the structure of the relationship among individuals that when changed gives rise to different collective behavior patterns. From here on I will call these collective behavior patterns social fields. [...] We know much less about the structural patterns and states of social fields, or about the conditions that can cause a so-cial field to shift from one state to another and about the new patterns of behavior that will result” (Scharmer, 2007b, S. 228).

Er ist der Meinung, dass “the mechanism that causes a field to alter from one state to another is a shift in the source of attention from which the individual and collective perception and action happens” (Scharmer, 2007b, S. 229). Dieser Prozess entzieht sich der Beobachtung und ist da-her nur schwer nachvollziehbar. Für die Teammitglieder selbst sollten jedoch graduelle Verände-rungen im Verhalten untereinander erlebbar und wahrnehmbar sein. König & Volmer (2005) zu-folge lassen sich Veränderungen in den Interaktionsmustern zum Beispiel daran bemerken, dass weniger desselben getan wird, etwas anderes getan wird oder die Tonart des Verhaltens eine andere ist.

Hypothese 3: Selbstmanagementunterstützung

Im Kern zielt das Programm darauf ab, das Selbstmanagement des einzelnen Teammitglieds zu unterstützen. Entsprechend sollten sich als Ergebnis der Beratung entsprechende Veränderun-gen beim einzelnen Programmteilnehmer zeigen:

Hyp. 3: Die Beratung trägt dazu bei, Teammitglieder in ihrem Selbstmanagement zu unterstüt-zen.

Die Ergebnisqualität wird daran bemessen, inwiefern das Programm einen Beitrag zu einem verbesserten Selbstmanagement leistet. Es soll dann von einem Beitrag bzw. Unterstützung gesprochen werden, wenn im Beratungsprozess die Selbstmanagement-Kompetenz der Team-mitglieder erschlossen wird und sich der Prozess förderlich auf die Zielerreichung auswirkt. Dass die Teilnehmer auf ihre Selbstmanagement-Kompetenz zurückgreifen, sollte sich unter anderem darin manifestieren, dass sie Methoden anwenden, die im wissenschaftlichen Diskurs als Selbstmanagement-Strategien beschrieben werden (vgl. Anhang 1):

Hyp. 3a: Die Teilnehmer planen oder wenden Selbstmanagement-Strategien an.

Diese Selbstmanagement-Strategien werden im Interventionskonzept nicht didaktisch vermittelt. Der Prozess ist jedoch darauf ausgelegt, dass jeder Einzelne individuelle Lösungen für seine Selbstmanagement-Probleme findet. Es ist zu erwarten, dass dabei auch auf den Fundus von Selbstmanagement-Strategien zurückgegriffen wird, der in der Fachliteratur beschrieben wird.

Hyp. 3b: Der Prozess wirkt sich förderlich auf das Erreichen individueller Ziele aus.

Dass die Teilnehmer sich individuelle Ziele setzen und dabei unterstützt werden, sich diesen zu nähern, ist ein gemeinsames Merkmal aller Selbstmanagement-Programme. Entsprechend soll-te auch das entwickelte Programm zur Zielerreichung der Teilnehmer beitragen.

Hypothese 4: Nachhaltigkeit

Grundlegendes Problem bisheriger Selbstmanagement-Interventionen ist ihre geringe Nachhal-tigkeit. Ohne zeitlichen Transfer kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass tatsächlich Kompetenzen entwickelt wurden. Entsprechend sollte das entwickelte Programm hier Abhilfe schaffen. Mit dem vorliegenden Programm wird jedoch keine Kompetenzbildung im klassischen Sinne angestrebt. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass die Intervention zur Nutzung bereits vorhandener Kompetenzen beiträgt. Die angestrebte Stabilität bezieht sich jedoch – genau wie bei Selbstmanagement-Trainings – auf die Anwendung von Selbstmanagement-Fähigkeiten.

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Hypothese 4: Der Prozess wird als nachhaltige Veränderung erlebt.

Hager & Hasselhorn (2000a) sprechen von längerfristig verfügbaren Kompetenzen, wenn die Veränderungen über einen Zeitraum von einem Monat hinausgehen. Da sich in dieser Studie der Interventionsprozess über einen längeren Zeitraum erstreckt, sollten erreichte Veränderun-gen mehrere Monate nach Abschluss der Beratung eine gewisse Stabilität aufweisen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Das Programm strebt an, seine Teilnehmer nachhaltig in ihrem Selbstmanagement zu unterstützen. Es wird angenommen, dass sich ein Teil dieser Unterstützung aus Veränderungen im Team ergibt. Der Weg hin zu den Veränderungen soll von den Teilnehmern als fruchtbar erlebt werden.

5.2 Zielgruppe

Das Programm richtet sich an bestehende Teams, deren Mitglieder in ihrem Berufsalltag stark auf Selbststeuerung angewiesen sind. Als Voraussetzung dafür gilt gemeinhin ein entsprechen-der Handlungsspielraum. Dieses Kriterium schließt indirekt das Merkmal „Bildungsabschluss“ mit ein, da höhere Handlungsspielräume in der Regel mit höheren Qualifikationen einhergehen. Insbesondere an „Pioniergruppen“ oder Teams mit kreativen Tätigkeitsinhalten dürften höhere Selbstmanagement-Anforderungen gestellt werden.

Die Teammitglieder sollten in ihrer täglichen Arbeit Berührungspunkte haben, das heißt im Team arbeiten: „’Teamarbeit’ impliziert [...], daß eine Gruppe von Mitarbeiterinnen mit gemeinsamen oder ähnlichen Aufgaben die jeweils unterschiedlichen Erfahrungen, Fähigkeiten und Kenntnisse in das Team einbringt, austauscht und dadurch gemeinsam zu nutzen versucht“ (Herwig-Lempp, 1993, S. 3). Das Team sollte auf diese Art von Interaktion angewiesen sein, um seine Ziele erfül-len zu können. Diese Voraussetzung ist deshalb entscheidend, weil damit jedes Teammitglied neben seinen individuellen Zielen auch ein oder mehrere Teamziele verfolgt. Dies sorgt gewis-sermaßen für „verschärfte Bedingungen“ in Bezug auf das individuelle Selbstmanagement.

Aus Gründen der praktischen Durchführbarkeit sollte die Teamgröße zehn Personen nicht über-steigen. Die Grenzziehung „Wer gehört mit zum Team? Wer nicht?“ sollte vom jeweils beforsch-ten System vorgenommen werden. Die Erfahrung mit soziometrischen Verfahren zeigt, dass von sozialen Systemen wie Schulklassen und Arbeitsgruppen durchaus zu erwarten ist, dass ihre Mitglieder sehr differenzierte Angaben dazu machen können „wer dazu gehört“ oder nicht (vgl. Moreno, 1974). Diese Vorgehensweise nimmt ferner Rücksicht auf die Tatsache, dass sich die informelle Struktur der Beziehungen häufig nicht mit der formalen Organisationsstruktur deckt.56

Gefordert ist in jedem Fall die Teilnahme und Mitarbeit der jeweiligen Teamleitung. Die Einbin-dung der Führungskraft ist deshalb zentral, weil sie den Rahmen für die Selbststeuerung ent-scheidend mitbeeinflusst. Der Handlungsspielraum für Selbststeuerung ergibt sich aus dem Zu-sammenspiel zwischen Führungskraft und Mitarbeitern. Gemeinsam gestalten sie die Art und Weise, wie Führung und Selbstführung in der jeweiligen Organisation verstanden werden. Ge-gen die Einbeziehung der Führungskraft lässt sich einwenden, dass die Anwesenheit eines in der Machthierarchie Höhergestellten Mitarbeiter dazu verleiten könne, sich in ein besonderes Licht zu stellen oder sich so zu zeigen, dass befürchtete Sanktionen verhindert werden. Die sys-temische Perspektive wird dieser individualpsychologischen Betrachtungsweise vorgezogen.

56 Greif appellierte bereits 1978 an die Organisationsforschung, diese „beobachtete Relationsstruktur“ (S. 221) verstärkt zu berück-sichtigen. Aus pragmatischen Gründen wird jedoch in der Forschung üblicherweise noch immer auf formelle Grenzmarker vertraut.

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Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Interventionen 79

Dies geschieht mit Blick auf die Nachhaltigkeit der anvisierten Veränderungen. Will man Verän-derungen im Teamkontext anregen, die den Teammitgliedern ein besseres Selbstmanagement ermöglichen, so ist die Führungskraft als Teil des Systems unabkömmlich.

Voraussetzung für die Durchführung der Maßnahme ist außerdem die Bereitschaft der Team-mitglieder, auch persönliche Ziele und Anliegen zum Thema zu machen. Denn beim Thema Selbstmanagement geht es um den „ganzen Menschen“. Somit ist die Trennung von Berufs- und Privatperson problematisch (Mayer & Götz, 1998). Entsprechend sollte die Teilnahme jedes Einzelnen ausdrücklich freiwillig erfolgen. Durch diese motivationale Voraussetzung sowie die Notwendigkeit, als Team bzw. Organisation Zeit und Personalkosten in den Prozess zu investie-ren, findet eine klare Selbstselektion statt. Wie in diesem Zusammenhang die Ansprache orga-nisiert werden kann, damit die Akzeptanz durch die Zielgruppe möglichst groß ist (vgl. Rossi & Freeman, 1988) zeigt Kapitel 9 auf.

5.3 Interventionskonzept

Die Ziele des Programms erfordern die Entwicklung „systemischer Selbstmanagement-Interventionen“. Damit sind Interventionen gemeint, die das Selbstmanagement des einzelnen Teammitglieds über die Erweiterung individueller Handlungsmöglichkeiten zu verbessern su-chen, dabei jedoch auch den sozialen Kontext im Blick haben, bzw. über diesen Kontext auf die individuellen Handlungsmöglichkeiten zurückwirken. Entsprechend sollte ein Großteil der Inter-ventionen darauf angelegt sein, Veränderungen im Teamkontext anzuregen. Das Erkenntnisin-teresse ist dagegen darauf gerichtet, was dies in Bezug auf das Selbstmanagement des jeweili-gen Individuums bewirkt. Im Rahmen der Detailplanung der Interventionen ist daher zu überle-gen, wie der Wechsel zwischen den Interventionsebenen Team und Individuum sinnvollerweise gestaltet werden kann.

Der folgende Abschnitt widmet sich der Aufgabe, die Anregungen aus „klassischer“ Selbstma-nagement-Förderung, systemischer Perspektive und „Theory U“ in Handlungsanweisungen zu übersetzen. Natürlich gilt es dabei, aus einer Vielzahl möglicher Umsetzungsmöglichkeiten aus-zuwählen. Demnach spielen auch persönliche Präferenzen der Autorin eine Rolle. Kreativität ist jedoch erlaubt – denn es existieren keinerlei strikte Algorithmen oder Transformationen, die von Theorie zu Forschungshandeln führen (Kriz, 1988, S. 181).

Zur Entwicklung des Interventionsprogramms wurde wie folgt vorgegangen:

1.) Literaturstudium zu Selbstmanagement-Trainings, Methoden der systemischen Beratung und der „Theory U“: In diesem Schritt erfolgte eine breite Recherche und ein erneutes Studium von Unterlagen aus besuchten Weiterbildungskursen auf der Suche nach Anregungen für die Um-setzung der einzelnen Schritte (vgl. Kap. 4).

2.) Entwicklung des Konzepts auf der Basis von Erfahrungen mit der Konzeption und Durchfüh-rung von Interventionen im Bereich Teamentwicklung und Training: Im nächsten Schritt wurde unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit für potenzielle Teams ein Maximalrahmen festgesteckt, der aus drei Workshops und zwei Einzelterminen mit jedem Teammitglied besteht. Vereinzelt wurden hierzu Meinungen von Unternehmensvertretern eingeholt, die bestätigten, dass die Ge-samtdauer von fünf Tagen je Teammitglied nicht überschritten werden sollte, um die Akquise von Teams nicht unnötig zu erschweren. Bei der Detailkonzeption jeder Maßnahme wurde auf die jeweilige Dramaturgie (z.B. eines Workshoptages bzw. Gesamtworkshops) geachtet und ein Wechsel der Lernmethoden und Arbeitsformen vorgesehen, um Lebendigkeit und Teilnehmer-

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Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Interventionen 80

orientierung der Workshops zu gewährleisten. Dabei wurde auf Anregungen aus der Fachlitera-tur zur Gestaltung von Workshops (z.B. Knoll, 1993, 2003; Klebert, Schrader & Straub, 2002) zurückgegriffen. Auf dieser Basis wurden erste Entwürfe für Drehbücher entwickelt, die den je-weiligen Ablauf strukturieren.

3.) Diskussion entwickelter Drehbücher mit Kollegen und Einarbeitung der jeweiligen Anmerkun-gen: Um eine Plausibilitätsprüfung vorzunehmen, wurde die Rückmeldung von mit Teament-wicklungen und Trainingsmaßnahmen erfahrenen Kolleginnen eingeholt. Dazu wurden die Drehbücher (vgl. Beispiele in Anhang 4 und 5) durchgesprochen. Im Wesentlichen konnten so unterschiedliche Einschätzungen der für die in den jeweiligen Abschnitten benötigten Zeit be-rücksichtigt und ausreichend Pufferzeit eingeplant werden.

5.3.1 Interventionsarchitektur

Vier grundlegende Settings ergeben sich aus der Kombination der betrachteten Interventions-ebene mit der Position, die der Berater zum Klientensystem einnimmt. All diese Varianten kom-men im Interventionsprogramm zum Einsatz, jedoch in unterschiedlichem Umfang:

1. Die Beraterin arbeitet mit den einzelnen Individuen. Dies ist das Setting des klassischen Einzelcoachings. Da im Projekt individuelle Selbstmanagement-Anliegen bearbeitet werden sollen, erscheinen zumindest zwei dieser Sitzungen unverzichtbar. In der ersten Sitzung werden Ziele geklärt und die nächsten Schritte erarbeitet. In einer weiteren Sitzung zum Ende des Projekts erfolgt eine Selbstbewertung der Zielerreichung durch den Teilnehmer.

2. Es findet ein selbstorganisiertes Lernen der einzelnen Teammitglieder statt. Es handelt sich also eher um ein Selbst-Coaching. Die Beraterin gibt dazu im Vorfeld Anregungen und fin-det möglicherweise Wege, die Durchführung zu beobachten. Auf diese Variante wird zu-rückgegriffen, indem nach jeder Maßnahme „Hausaufgaben“ angeregt werden. Die Durch-führung der Aufgaben wird jedoch nicht kontrolliert. Es hängt also gänzlich von der Motiva-tion des Einzelnen und dem Anregungsgehalt der Aufgaben ab, ob diese Form der Inter-vention zum Tragen kommt. Die Möglichkeit besteht jedoch für jeden Teilnehmer, der dafür aufgeschlossen ist.

3. Die Beraterin arbeitet mit dem gesamten Team. Dies entspricht dem Modus von Teament-wicklungen oder Teamsupervisionen. Diese Form bildet einen wesentlichen Bestandteil des Programms. Kommunikation und Interaktion im Team sind eine notwendige Voraussetzung, um Kommunikationsmuster und Erwartungserwartungen ändern zu können. Die Beraterin nutzt ihren Auftrag in diesem Kontext dafür, die Art und Weise der Kommunikation gezielt zu beeinflussen, damit Veränderung möglich wird.

4. Alternativ ist es auch möglich, dass das Team miteinander Selbstmanagement-Anliegen bearbeitet und die Beraterin „nur“ beobachtet. Dies entspricht dem Setting der Intervision. Da die Teammitglieder in die Lage versetzt werden sollen, sich selbst zu helfen, erscheint auch diese Variante vielversprechend. Sie hat im Programm jedoch keinen hohen Stellen-wert, da sie sonst eine andere Einführung erfordern würde (vgl. Tietze, 2003). In einer Workshopsequenz kommt diese Form jedoch zum Einsatz.

Abb. 3 gibt einen Überblick über die gewählte Interventionsarchitektur. Der chronologische Ab-lauf für die Teammitglieder stellt sich wie folgt dar: Nachdem sich das Team auf der Basis von Vorgesprächen darauf verständigt hat, am ersten Workshop teilzunehmen, beginnt das Projekt mit einem eintägigen Auftragsklärungsworkshop mit dem gesamten Team. In diesem wird eine

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Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Interventionen 81

Bestandsaufnahme zum Thema Selbstmanagement durchgeführt und eine grobe Zielrichtung abgesteckt. Entscheidet sich das Team nach diesem Workshop für die Fortführung des Projekts, nimmt jedes Teammitglied circa einen Monat später an einer zwei- bis zweieinhalbstündigen Coachingsitzung teil. Mit jedem Einzelnen werden in diesem Gespräch die persönlichen Ziele und nächsten Schritte für den Prozess definiert und – sofern ein Ziel angestrebt wird – schriftlich festgehalten. Nach circa ein bis zwei Monaten darauf – abhängig davon, wann ein Termin ge-funden werden kann – findet ein zweitägiger Teamworkshop statt. In diesem stehen der Einzel-ne und seine persönliche Zukunftsvision im Vordergrund. Die Kollegen unterstützen als Spar-ringspartner im Tandem oder mittels kollegialer Fallberatung den Prozess jedes Einzelnen. Wie-derum ein bis zwei Monate später treffen die Teammitglieder in einem eineinhalbtägigen Work-shop zusammen. In diesem konkretisieren sie ein attraktives Zukunftsmodell für die Zusammen-arbeit im Team und leiten daraus einen konkreten Maßnahmenplan ab. Den Abschluss des Pro-jekts bildet ein eineinhalbstündiges Evaluationsinterview mit jedem Teammitglied, das circa ei-nen Monat nach dem letzten Workshop stattfindet. In diesem bewertet der Befragte seine per-sönliche Zielerreichung und zieht seine Bilanz zum Gesamtprojekt. Drei Monate nach dem Inter-view erhält jedes Teammitglied per E-Mail einen Follow-up-Fragebogen mit der Bitte, diesen schnellstmöglich zurückzusenden. Im gesamten Projekt findet eine begleitende Evaluation statt.

2,5 h

1,5 Tage

Einzel-coaching

Arbeit mit jedem Teammit-glied

Team-Work-shops

1 Tag 2 Tage

Einzel-arbeitTeammit-glieder(Anregung)

Projekt-monat

1 2 3-4 5-6 6-7 9-10

Evaluations-interview

Follow-up

1,5 h2,5 h

1,5 Tage

Einzel-coaching

Arbeit mit jedem Teammit-glied

Team-Work-shops

1 Tag 2 Tage

Einzel-arbeitTeammit-glieder(Anregung)

Projekt-monat

1 2 3-4 5-6 6-7 9-101 2 3-4 5-6 6-7 9-10

Evaluations-interview

Follow-up

1,5 h

Abb. 3: Diagramm der Interventionsarchitektur

5.3.2 Interventionsdesign

Workshop I – Anschluss und Kontraktgestaltung

Der erste Workshop bietet dem Team die Möglichkeit zum Kennenlernen der Beraterin und ihrer Arbeitsweise – und vice versa. Auch wenn bereits im Vorfeld einiges unternommen wird, um die Beziehung zwischen Beratersystem und Klientensystem (im Rahmen der Vorgespräche, vgl. 9.1.2) zu klären, so ist dieser Prozess nicht abgeschlossen. Zum einen stellt er eine fortlaufende Aufgabe während des gesamten Projektes dar. Zum anderen werden durch Symbole und Ver-halten zu Beginn häufig wesentliche Weichen für den weiteren Projektverlauf gestellt. Darum

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Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Interventionen 82

stellt ein übergeordnetes Ziel für den ersten Workshop die positive Einstimmung auf den Pro-zess und die Schaffung einer angenehmen und offenen Arbeitsatmosphäre dar. Sie soll die Ba-sis für eine tragfähige weitere Zusammenarbeit bilden. Ein weiteres Ziel besteht darin, ein ge-meinsames Verständnis von „Selbstmanagement“ zu etablieren und den Begriff so greifbar zu machen, dass der Bezug zwischen dem Thema und ihrer Berufspraxis den Teilnehmern deutlich wird. Ferner sollen mit Blick auf das Bewahrenswerte Zielvorstellungen und zu bearbeitende Themen für den Gesamtprozess erarbeitet werden. Dabei steht eine Zusammenschau der Sichtweisen und das Erzeugen eines gemeinsamen Bilds über Bewahrenswertes und Verände-rungsbedarf im Team im Zusammenhang mit dem Selbstmanagement der Einzelnen im Vorder-grund. Nicht zuletzt soll auch deutlich werden, ob zu dem Thema genügend Energie für eine weitere Zusammenarbeit vorhanden ist.

Abb. 4: Flipchart zur Wahrheit der Situation (WS I) Abb. 5: Flipchart zum Blitzlicht am Morgen (WS I)

Einstieg mit der Wahrheit der Situation und Erwartungsabfrage

Zunächst erfolgt eine Einleitung durch die Beraterin, in der diese auf die „Wahrheit der Situation“ (Schulz von Thun, 1981) eingeht (vgl. Abb. 4). Hintergrund dieser Einleitung ist die Idee, mit gutem Beispiel voranzugehen, was die eigene Authentizität betrifft. Denn damit die Teilnehmer aus dem „Downloading“ ausbrechen können, ist auch die Haltung der Beraterin entscheidend (vgl. 4.1.3). Zum Einstieg wird ebenfalls geklärt, ob ein Duzen oder Siezen stimmiger ist und es werden gegebenenfalls notwendige organisatorische Fragen geklärt. Danach wird ein Blitzlicht angeleitet (vgl. Abb. 5). In diesem stellen sich die Teilnehmer vor und äußern, was für sie ein gutes Ergebnis für den heutigen Tag sowie für den Gesamtprozess wäre. Sie werden auch ge-fragt, was sie bereit sind, dazu beizutragen. Diese Frage transportiert die Information, dass sich die Veranstaltung nicht für den „Konsum“ eignet, und trägt so weiter zur Klärung der Beziehung (Beraterin – Team) bei. Während der Runde fragt die Beraterin nach, sofern ihr etwas unklar bleibt und gibt die verstandenen Erwartungen mit eigenen Worten wieder. Nach dem Blitzlicht

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Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Interventionen 83

nimmt sie Stellung zum Gehörten und zeigt auf, welche der Erwartungen sich mit ihrer Vorstel-lung des Prozesses decken und welche Erwartungen (heute oder im Gesamtprozess) vermutlich enttäuscht werden. Dieser Block gibt der Beraterin die Möglichkeit, die Teilnehmer kennenzuler-nen und zu jedem Einzelnen in Beziehung zu treten. Außerdem kann erstmals nach den Vorge-sprächen (die möglicherweise bereits vor längerer Zeit stattgefunden haben) auf die Erwartun-gen der Teilnehmer eingegangen werden. Dies ist ein wesentlicher Schritt in der Kontraktgestal-tung.

Anschließend wird auf die Wünsche der Teilnehmer für den Tag Bezug genommen. Es wird die Zustimmung der Teilnehmer eingeholt, dass eine gemeinsame Bestandsaufnahme und Stand-ortbestimmung in Bezug auf das Thema Selbstmanagement im Team erfolgt. Auf Basis dieser Analyse würde dann die Zielrichtung des Projekts bestimmt.

Bestandsaufnahme mittels Appreciative Inquiry

Für die Bestandsaufnahme im Team wird die Methode des Appreciative Inquiry (AI, Cooperrider, 2003; Cooperrider & Whitney, 2006) genutzt. Dadurch sollen defizitorientierten Einstellungen bei der Situationsanalyse vermieden und das Vorhandene anerkannt werden. Entwicklungsprozes-se sollen auf den Stärken im Team aufgebaut werden und nicht auf den Defiziten. Durch die Wertschätzung dessen, was bereits gut funktioniert, soll das Augenmerk auf das Bewahrenswer-te im Team gelenkt werden. Bereits vorhandene Lösungen erfahren dadurch ihre verdiente Wertschätzung. Besonders prägnante Erfolgserlebnisse der Vergangenheit können auch darauf hinweisen, wie Erfolge der Zukunft aussehen könnten. „Bildungsfähige Personen oder Organisa-tionen können sich nämlich durch neue Informationen auch dazu entscheiden, bisheriges nützli-ches und sinnvolles Verhalten bewußt(er) aufrechtzuerhalten“ (Götz, 1995, S. 2). Es wird davon ausgegangen, dass auf diese Weise eine positive Gesprächsatmosphäre entsteht und die Be-reitschaft, sich auch mit Veränderungs- bzw. Verbesserungsmöglichkeiten zu befassen, unter-stützt wird. Außerdem sind die Teilnehmer aufgefordert, die Haltung des AI möglichst konse-quent umzusetzen. Dies dürfte einen Unterschied zur Kommunikation machen, wie sie alltäglich im Team abläuft. Die Teilnehmer werden so in einem strukturierten und Orientierung bietenden Rahmen auf den Dialog vorbereitet.

Sie erhalten nach einer kurzen Einleitung zu Grundidee und Zweck der Methode einen Leitfa-den. In diesem finden sich Informationen zur Methode, Tipps und Anregungen für den Intervie-wer sowie Fragen, die sich auf persönliche Erlebnisse in Bezug auf Selbstmanagement im eige-nen Team beziehen. Nach dem Durchlesen der Instruktion wird von der Beraterin die grundle-gende Haltung betont, von der das Interview getragen werden sollte. Fragen zum Vorgehen werden geklärt. Die Teilnehmer finden sich dann in Tandems zusammen (sofern die Zahl nicht aufgeht, wird auch eine Dreiergruppe gebildet). Die Tandems ziehen sich zurück und führen jeweils zwei einstündige Interviews durch. Während der Gespräche sitzt die Beraterin jeweils abwechselnd bei einem der Tandems. Sie steht in dieser Zeit für Fragen zur Verfügung und in-terveniert immer dann, wenn vom AI zu stark abgewichen wird und das Gespräch seine kon-struktive Prägung zu verlieren droht.

Nach den Interviews wird gemeinsam im Plenum reflektiert, wie es den Teilnehmern in der Inter-viewsituation ergangen ist. Nach der Mittagspause setzen sich die Tandems wieder zusammen und tauschen sich zu drei Leitfragen in Bezug auf ihre Geschichten und Interviewinhalte aus. Highlights aus den Interviews, Fähigkeiten und Stärken, die sie in diesem Team in Bezug auf Selbstmanagement sehen, und das was sie tun müssten, um mehr solcher positiver Erlebnisse zu haben, notieren sie auf Moderationskarten. Danach stellt je Leitfrage jedes Tandem seine

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Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Interventionen 84

Ideen vor und pinnt dabei seine Karten an. Nach jeder Leitfrage erfolgt eine kurze Reflexion im Team über wahrgenommene Gemeinsamkeiten, Unterschiede und gegebenenfalls Konsequen-zen für das Team, bevor zur nächsten Leitfrage (und Metaplanwand) übergegangen wird. Zwei der gefüllten Metaplanwände werden dann weiter bearbeitet. Die Beraterin beginnt mit den Fä-higkeiten und Stärken im Team. Sie benennt erste Kategorien, die sie im Wust der Karten er-kennt, und fordert die Teilnehmer auf, ihr beim Clustern der Karten zu helfen. Auf Zuruf vom Team werden Cluster gebildet und Karten zugeordnet. Die Beraterin illustriert die gefundenen Oberbegriffe mit Bildern und fügt die einzelnen Bilder nach Möglichkeit zu einem Gesamtbild zusammen. Ziel dieses Prozesses ist, dass am Ende anstelle einer losen Kartensammlung ein Gesamtbild entsteht, in das wiederum einzelne Bilder und Kartencluster eingebettet sind. Dieser Prozess wird für das Thema „vom Team gesehener Handlungsbedarf“ wiederholt. Anschließend erfolgt bei Bedarf eine weitere Diskussion im Plenum. Die Teilnehmer entwickeln auf diese Wei-se ein gemeinsames – noch grobes – Bild über eine attraktive Zielvorstellung für das Team und über den Veränderungsbedarf.

Stimmungsbilder zur Visualisierung der Vielfalt an Perspektiven

Nach einer Pause werden die Teilnehmer gebeten, einige Stimmungsbilder abzugeben, um die Bestandsaufnahme abzurunden. Es finden daraufhin drei anonyme Punktabfragen an verdeck-ten Wänden statt. Die Befragten nehmen jeweils auf Skalen von 1 bis 10 bzw. einem Koordina-tensystem mit zwei Skalen Stellung dazu, 1.) wie wichtig ihnen das Thema Selbstmanagement erscheint und wie viel sie denken, noch lernen zu können, 2.) wie gut sie ihre individuellen Ziele in diesem Team erreichen und wie sehr sie sich dabei durch andere im Team unterstützt fühlen und 3.) wie zufrieden sie mit dem derzeitigen Zustand im Team sind. Außerdem haben sie die Möglichkeit, eine Problemdefinition oder einen konkreten Veränderungswunsch aufzuschreiben (die Karte wird von der Beraterin abgeschrieben, um die Anonymität zu garantieren). Die Ergeb-nisse werden dann veröffentlicht und nacheinander diskutiert. Die Punktabfragen dienen als Kontrapunkt zur Vergemeinschaftung der Sichtweisen und betonen stärker die ganz individuelle Sicht. Dadurch, dass jeder einzeln und anonym punktet und das Ergebnis sich aus der Zusam-menschau mehrerer Einzelperspektiven ergibt, steht das Team möglicherweise bei größerer Streuung vor einem Rätsel, was in den Köpfen der anderen jeweils vorging. Die Beraterin fragt das Team jeweils, wie es das Ergebnis interpretiert und was es daraus für Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht. Durch die Interpretation werden unterschiedliche Deutungen und Hypothesen aufgeworfen. Möglicherweise ergibt sich daraus noch eine weitergehende Diskussi-on im Team.

Austausch über das Projekt

Im Anschluss werden die weiteren geplanten Interventionssettings und Etappen des Projekts anhand eines Flipcharts (vgl. Abb. 12) illustriert und ausführlich erläutert. Die Teilnehmer haben die Möglichkeit, Fragen zu stellen und zu diskutieren. Abschließend werden sie gebeten, in einer Feedbackrunde jeweils einen Rückblick und einen Ausblick vorzunehmen. Im Rückblick geht es darum, zu berichten, wie sie den Tag erlebt haben, was ihnen durch den Kopf geht und in wel-cher Stimmung sie den Workshop verlassen. Als Ausblick wird um Stellungnahme gebeten da-zu, ob sie sich eine weitere Arbeit in der Zukunft wünschen, was sie sich für diese Arbeit wün-schen und was das Ziel dieser Arbeit sein sollte. Hierüber werden erste Erfolgskriterien für den Prozess definiert. Die Beraterin erhält eine Vorstellung, welche Erwartungen erfüllt sein müssen bzw. welche Ziele erreicht werden sollten, damit sich das Engagement in den Augen der Team-mitglieder lohnt.

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Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Interventionen 85

Hausaufgabe

Die erste Aufgabe, die die Teilnehmer zum Abschluss des Workshops als Arbeitsblatt erhalten, findet sich exemplarisch für weitere Aufgaben in Anhang 9. Sie besteht aus:

� einer Selbstbeobachtungsaufgabe (die Teilnehmer sollen beobachten, was ihre Umwelt ih-nen an Änderungen abverlangt),

� einer Geschichte, die anregt, darüber nachzudenken, dass man sich nicht von der Meinung anderer abhängig machen kann, sondern seine eigenen Entscheidungen treffen muss,

� einem Arbeitsblatt, in dem die Teilnehmer festhalten können, was sie in ihrem Leben beibe-halten und verändern möchten

� und einem Arbeitsblatt, in dem die Teilnehmer notieren, welches privat wie beruflich jeweils ihre drei wichtigsten Ziele in den nächsten sechs Monaten sind.

Es wird betont, dass die Aufgabe als Anregung zu verstehen ist und eine gute Vorbereitung für das Einzelcoaching darstellt, diese Vorbereitung jedoch nicht notwendigerweise erforderlich ist. Im Anschluss an den Workshop erhalten die Teilnehmer ein Fotoprotokoll, in dem mindestens auch die Erwartungs- und Feedbacksequenzen mitprotokolliert sind. Sie werden gebeten, Punk-te, die möglicherweise falsch festgehalten wurden, zu korrigieren und zurückzusenden.

Einzelcoaching – Anschluss und Zielklärung

Im Mittelpunkt des circa 2,5-stündigen Einzelcoachings steht die Zieldefinition jedes Einzelnen für sein konkretes Selbstmanagement-Projekt. Die Interventionen in diesem Kontext sollen dazu beitragen, selbstkongruente Ziele zu setzen und diese in zielrealisierendes Handeln im Berufs-alltag zu überführen. Dabei soll bereits bei der Planung der Kontext berücksichtigt werden, in dem das Selbstmanagementhandeln des Einzelnen stattfindet. Das Einzelcoaching bietet ein Forum, um den Kontrakt mit jedem einzelnen Teammitglied zu gestalten. Es besteht die Mög-lichkeit, viel über den Einzelnen und seine Wirklichkeitskonstruktion zu erfahren. Durch die Durchführung der Gespräche mit allen beteiligten Teammitgliedern ergibt sich ein weiterer Zu-gang zum Team. Bei der Planung der Einzelcoachings wurde auf Methoden der lösungsorien-tierten Kurzzeitberatung (Jong & Berg, 1998) zurückgegriffen. Der Gesprächsleitfaden in An-hang 5 orientiert sich unter anderem an den Ausführungen Sparrers (2002). Die lösungsorien-tierte Beratung bietet gute Ansätze, um in kurzer Zeit unter Einbeziehung der Ressourcen des Klienten eine „Vision einer befriedigenderen Zukunft“ (Jong & Berg, 1998, S. 17) zu erarbeiten. Die Methode kommt zudem der Forderung nach, die Teilnehmer bei Selbstmanagement-Interventionen ihre eigenen Lösungen finden zu lassen bzw. in ihrem Bezugsrahmen zu bleiben.

Anwärmphase

In jedem Einzelcoaching wird den Teilnehmern zunächst Zeit gegeben, sich mit der neuartigen Situation vertraut zu machen. Letztere ergibt sich daraus, dass die Betroffenen mit einer relativ fremden Person und bei laufendem Aufzeichnungsgerät ein Gespräch über sich selbst, ihre Zie-le und Vorstellungen führen. Diese Konstellation ist in der üblichen Berufspraxis auch für dieje-nigen, die bereits Coachingerfahrung gesammelt haben, zunächst ungewohnt. Daher werden zu Beginn ausführlich Sinn und Zweck der Tonbandaufnahme, was mit den Daten weiterhin ge-schieht, der Gesprächsrahmen und mögliche -ablauf erläutert und die Zustimmung dazu erfragt. Anschließend werden eher „niederschwellige“ Fragen zur Schilderung der eigenen Arbeitstätig-keit und zu den eigenen beruflichen und privaten Präferenzen und Vorlieben gestellt. Bereits hier können sich erste Hinweise auf Ressourcen der Beteiligten finden. Erst dann wird der Blick

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auf die momentane Lebenssituation gelenkt und nach aktuellen Herausforderungen gefragt.

Zielexploration

Aus diesen Herausforderungen wird ein emotional bedeutsames Ziel bzw. ein gewünschter Ziel-zustand herausgearbeitet. Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass tatsächlich auch aktuelle und nicht allzu übergeordnete Ziele genannt werden. Wesentlich für die Auswahl des Ziels ist die Wichtigkeit für den Betroffenen. Mit ausreichend Motivation für den Prozess ist nur zu rech-nen, wenn über tatsächlich bedeutsame, „Ich-nahe“ Ziele gesprochen wird. Sofern mehrere Zie-le genannt werden, wird geklärt, welches der Ziele gegenwärtig bedeutsamer ist. Denn Selbst-management-Interventionen sind erfolgreicher, wenn die Teilnehmer ihre Bemühungen zunächst auf ein einzelnes Ziel konzentrieren (Frayne & Geringer, 2000). Der Versuch, mit den einzelnen Teilnehmern klare Ziele zu formulieren, ist auch im Sinne der Evaluation sinnvoll (vgl. Rossi & Freeman, 1988). Sofern ein bedeutsames Ziel gefunden wird, wird dieses weiter exploriert. Da die Teilnehmer das Ziel im ersten Schritt eher aus ihrer Wahrnehmung eines Problemzustands heraus formulieren, wird im weiteren Prozess versucht, sich einer Lösung in der Zukunft zu nä-hern. Dies geschieht zum Beispiel über das Stellen der Wunderfrage (vgl. Sparrer, 2002, S. 58ff.). Die Antworten auf diese Frage helfen, das Ziel verhaltensnah zu formulieren, kleine Schritte auf dem Weg zum Ziel zu identifizieren und die Gewissheit der Möglichkeit einer Lösung zu vermitteln.

Klärung von Kontext und Konsequenzen durch zirkuläre Fragen

Im Anschluss werden die Konsequenzen möglicher Veränderungen erfragt. So können mögliche Reaktionen von wichtigen Anderen antizipiert und die Folgen der eigenen Zielerreichung für den Kontext ausgelotet werden. An dieser Stelle stehen also angenommene Erwartungen der Teammitglieder übereinander bezogen auf die geplanten Selbstmanagementaktivitäten und -ziele im Vordergrund. Zirkuläre Fragen bieten die Möglichkeit, sich der Struktur des sozialen Systems (den vorliegenden Erwartungen und der reflexiven Erwartung von Erwartungen) zu nähern (Pfeffer, 2004, S. 72; vgl. Simon, 1993, S. 273). Dazu setzt die Beraterin das Handeln des jeweiligen Klienten mit dem Handeln der anderen Teammitglieder in Beziehung. Ein Über-blick über in diesem Zusammenhang einsetzbare Fragetechniken findet sich bei Pfeffer (2004).

Dokumentation der entwickelten Selbstmanagementstrategien und Ziele

Nachdem vielfältige Lösungen und nächste Schritte vom Klienten erarbeitet wurden und auch Eventualmaßnahmen geplant wurden, wie mit möglichen ablehnenden Reaktionen des Kontexts umgegangen werden kann, macht die Beraterin eine Pause. In dieser fasst sie alle genannten Schritte zur Lösung auf Basis ihrer Notizen schriftlich zusammen. Der Teilnehmer wird seiner-seits gebeten, auf einem Arbeitsblatt sein Ziel zu formulieren und anzugeben, bis wann er es erreicht haben möchte. Dies soll die Kontraktgestaltung unterstützen. Die Vorgehensweise ori-entiert sich am „Contract management“ von Kanfer et al. (2000), die ebenfalls eine schriftliche Fixierung der Ziele einsetzen – wenngleich die Formulierung hier nicht mit der gleichen Strin-genz wie im therapeutischen Kontext verfolgt wird.

Hausaufgabe

Die Teilnehmer erhalten als zweite Hausaufgabe den Zettel mit den von ihnen genannten Lö-sungen mitsamt einer individuell zugeschnittenen Aufgabe. Diese kann beispielsweise darin bestehen, zwei Tage in der Woche auszuwählen, an denen sie sich so verhalten, als ob das Wunder geschehen sei und zu beobachten, ob dies einen Unterschied macht. Bei einer anderen

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Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Interventionen 87

Variante werden Teilnehmer, die sich viel vorgenommen haben, instruiert, sich zweimal in der Woche jeweils eine der Wunder-Handlungen auszusuchen und diese durchzuführen. Sofern die Wunderfrage im Coaching nicht gestellt wurde, kommen auch andere Aufgaben zum Einsatz. In jedem Fall nehmen diejenigen Teilnehmer, die ein Ziel formuliert haben, auch selbst erarbeitete Anregungen für nächste Schritte aus dem Gespräch mit. Sie erhalten ebenfalls ein Chart mit einem Koordinatensystem und eine Erläuterung, wie sie dieses zur Selbstbeobachtung bei der Umsetzung ihres Selbstmanagementvorhabens nutzen können.

Kontextexploration durch Aufstellungen und Gedankenexperimente

Danach wird ein weiterer Teil der Sitzung dazu genutzt, einen anderen Zugang zum eigenen Selbstmanagement-Projekt zu finden. Sofern das eigene Vorhaben im Zusammenhang mit wich-tigen Anderen und dem Teamkontext steht, bietet die Aufstellungsarbeit eine gute Möglichkeit, mit dem inneren Bild vom betreffenden System zu arbeiten. Über den Einsatz von Bauklötzen als Repräsentanten werden die jeweiligen Systemteile externalisiert und eine Beziehungsstruk-tur der einzelnen Elemente untereinander abgebildet. Zunächst ist dabei zu klären, wer alles an dem individuellen Selbstmanagementthema beteiligt ist und eine Rolle spielt – auch über das Team hinaus. Die Teilnehmer werden durch die Aufstellung in Kombination mit zirkulären Fra-gen gefordert, sich “in die Position eines Beobachters von Beobachtern zu begeben” (Pfeffer, 2004, S. 72), etwa über Fragen wie “Wenn die Teamleitung Teammitglied xy befragen würde, was es von Deinem Plan hält, was meinst Du würde es ihm antworten?”. Durch hypothetische Fragen („Angenommen, dass...“) lädt die Beraterin zu Gedankenexperimenten ein. So können alternative Szenarien durchgespielt werden. Insgesamt lädt die Methode zu Perspektivwechseln im Sinne des „seeing with fresh eyes“ ein. Dabei ist es nicht notwendig, ein fertiges Lösungsbild zu erarbeiten. Denn auch „unvollendete Aufstellungen lösen intensive Suchprozesse aus, […] [häufig] finden die Aufstellenden dann Lösungen, die ganz andersartig scheinen als die, die in der Aufstellung aufleuchteten“ (Weber, 2000, S. 59).

Workshop II – Was braucht die Zukunft von mir, um i n die Welt zu kommen?

„Soll Selbstmanagement sinnvoll verankert werden, dann bedarf es der Auseinandersetzung mit den eigenen Werten (Wer will ich sein im Leben? Wie will ich sein?) und den eigenen Zielen (Was will ich erreichen? Was ist mir wichtig?)“ (Pütz, 1997, S. 115). Dabei steht weniger die Frage nach Effizienz als nach persönlicher Effektivität im Vordergrund. Einen Rahmen für diese Auseinandersetzung bietet der zweite Teamworkshop. Es wird versucht, einen Raum zu gestal-ten, in dem neue Formen des Umgangs miteinander erprobt werden können und möglicherwei-se auch unterschiedliche Ebenen des Bewusstseins angesprochen werden. Im Fokus des zwei-ten Workshops steht nicht das Team, sondern die Einzelperson im Team. Es geht darum, dass diese in Kontakt mit ihrem wahren Selbst eine persönliche Zukunftsvision entwickelt. Entspre-chend steht der Workshop unter der Leitfrage „Was braucht die Zukunft von mir, um in die Welt zu kommen?“.

Einladung und Einstieg

Vor dem Workshop erhalten die Teilnehmer eine Ankündigung per Mail, in der sie über Fokus, Inhalt und Setting informiert werden. Sie wissen zum Beispiel, dass am Nachmittag des ersten Tages eine Outdoor-Sequenz geplant ist, und werden gebeten, wetterfeste Kleidung mitzubrin-gen. Der Workshop beginnt mit einer Begrüßung, in der Inhalte und Ziele der zwei Tage wieder-holt werden. Dabei wird der Unterschied zwischen Effizienz und Effektivität an Beispielen erläu-tert und mit der Leitfrage des Workshops in Bezug gebracht. Es wird die Metapher der Expediti-

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on verwendet, um zu beschreiben, dass es am ersten Tag um eine Reise zum Selbst geht, bei der man hoffentlich anders zurückkommt, als man losgegangen ist, und dass am nächsten Tag die „Rückreise“ ins Team erfolgt. Danach wird eine Morgenrunde angeleitet, in der die Teilneh-mer sich dazu äußern, wie sie heute hier sind und welche Wünsche sie an die zwei Tage haben.

Input zu den vier Ebenen des Zuhörens

Im Anschluss wird angekündigt, dass für die Reise zum Selbst wesentlich ist, wo man herkommt und dass der erste Teil der Reise sich damit beschäftigt, mehr von den anderen darüber zu er-fahren. Da es jedoch darum gehe, die Dinge qualitativ anders zu machen als üblich, und direkt in der ersten Sequenz damit begonnen werden solle, werde vorab ein Modell vorgestellt. Es folgt eine Erläuterung der „Vier Ebenen des Zuhörens“ in Anlehnung an die Feldstrukturen der Auf-merksamkeit der Theory U durch die Beraterin. Anschließend werden die Teilnehmer gefragt, inwiefern das Modell bei ihnen Resonanz erzeugt. In der anschließenden Diskussion können die Teilnehmer Fragen klären und eigene Bezüge zum Modell entwickeln. Erschöpft sich die Dis-kussion, so wird die Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf den Boden gelenkt.

Dialog als Haltungsübung und Identitätsklärung

Dort liegen in der Mitte des Stuhlkreises viele Postkarten, auf denen verschiedenartige Wege in unterschiedlichen Landschaften abgebildet sind. Die Teilnehmer wählen eine Karte, die sie vor dem Hintergrund ihrer eigenen Lebensreise anspricht. Danach suchen sie sich einen Tandem-partner, mit dem sie einen Dialog führen zum Thema „Was hat dieser Weg mit mir zu tun?“. Scharmer (2007b, S. 277ff) zufolge kann es dem Ziel, die Teilnehmer emotional zu aktivieren und ihnen zu ermöglichen, ihr Herz zu öffnen, dienlich sein, persönlich bedeutsame Geschichten zu erzählen oder Dialoginterviews zu führen über die Lebensreise, die den Interviewten zu ge-nau diesem Platz in seinem Leben geführt hat. Der Zugang über individuelle Geschichten biete eine der effektivsten Methoden, um das Urteilen anzuhalten und sich mit seiner Neugier zu ver-binden. Die Teilnehmer werden instruiert, zu versuchen, durch ihre Neugier und Anteilnahme in den Gesprächen auch auf die „3. Ebene des Zuhörens“ (sensing) zu gelangen. Um ihnen zu erleichtern, ihr Herz zu öffnen, wird vor dem Beginn der Dialoge ein Musikstück gespielt. Die Teilnehmer können diese Zeit nutzen, um sich innerlich auf die Dialoge vorzubereiten.

Die biographischen Reflexionen bieten gleichzeitig eine Hilfe zu Identitätsklärung. Um die prinzi-piell „unentscheidbaren Fragen“ (Foerster, 1993a, S. 73f.) wie „Wo geht es hin?“ „Wer will ich werden?“ zu entscheiden, dient die eigene Biographie als Basis, um eine Richtung für die Zu-kunft zu erzeugen. Es geht um die Konstruktion eines persönlichen Referenzsystems, um auf dieser Basis Entscheidungen über die Zukunft treffen zu können (vgl. Gester, 2008). Nach den Dialogen treffen alle Teilnehmer wieder zusammen. Jeweils ein Tandem nimmt vor der Gruppe Platz und jeder stellt dem Plenum einige Highlights aus dem Gespräch mit dem Tandempartner anhand dessen Wege-Karte vor. Danach findet eine gemeinsame Reflexion im Plenum statt. Die Teilnehmer berichten, wie sie die Gespräche erlebt haben und welche Unterschiede zur Alltags-kommunikation sie wahrgenommen haben.

Biographische Reflexion mit Wille zum Sinn

Nach einer Pause wird eine kurze Geschichte vorgelesen und eine Einzelarbeit angeleitet, die dazu beitragen soll, Aspekte der eigenen Biographie neu oder wieder zu entdecken, die helfen, einen höheren Grad an Stimmigkeit zu erleben oder für Zukunftsentscheidungen gerüstet zu sein. Dazu nehmen die Teilnehmer die Perspektive eines „Schülers des Lebens“ (Eichhorn, 2002, S. 117) ein. Sie sollen sich vorstellen, jemand hätte ihre gegenwärtigen Herausforderun-

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gen absichtlich gestaltet, um ihnen eine wichtige Lernerfahrung zu ermöglichen und auch ihre vergangene Lebensreise so untersuchen, als sei sie eine Vorbereitung für das, was kommt (vgl. Teilnehmerinstruktion in Anhang 8). Diese Übung soll den „Willen zum Sinn“ aktivieren, so dass auch in schwierigen Lebenssituationen und Wendepunkten Sinn gesehen werden kann. Mögli-cherweise regt sie zu neuen Interpretationen der eigenen Biographie an. Durch die Perspektive lässt sich Konsistenz erzeugen und gleichzeitig auf Ressourcen fokussieren.

Zukunftskonzeptionen und die Konfrontation mit der eigenen Zeitlichkeit

Im nächsten Schritt wird im Zusammenhang mit der Gestaltung des weiteren Weges wieder auf die Frage „Was braucht die Zukunft von mir, um in die Welt zu kommen?“ Bezug genommen. Über einen kurzen Theorie-Input wird angeregt, über das eigene Verständnis von Zukunft und die eigene Verantwortlichkeit bei deren Ausgestaltung nachzudenken. Es werden drei Konzepti-onen von Zukunft (in Anlehnung an Bauer, 2006) vorgestellt und jeweils mit laminierten Bildern untermalt.57 Die unterschiedlichen Auffassungen von Zukunft und ihre Relevanz im Alltag wer-den mit den Teilnehmern diskutiert. Es wird darauf verwiesen, dass die Konzeption einer unbe-rechenbaren und machbaren Zukunft die Grundlage für Selbstmanagement und die weitere Ar-beit bildet.

Danach werden die Teilnehmer aufgefordert, sich mit ihrer eigenen Zukunft auseinanderzuset-zen. Es findet eine Stillarbeit statt, die von der Beraterin zunächst mit lautem Denken vorgeführt wird. Anhand eines Maßbands greift sie die aktuelle durchschnittliche Lebenserwartung (die geschlechtsspezifischen Zahlen werden genannt) mit der rechten Hand in Zentimetern ab. Die linke Hand fasst dann bis zum eigenen Alter vor. Der verbleibende Abschnitt wird still betrachtet. Die Beraterin setzt sich in den Kreis der Teilnehmer und lässt das Maßband vorne liegen. Die Teilnehmer, die diese Übung ebenfalls durchführen möchten, gehen jeweils nach vorne. Wäh-rend der Übung wird nicht gesprochen. Die Konfrontation mit der eigenen Zeitlichkeit soll den eigenen Gestaltungsspielraum bewusst machen und für die eigene Verantwortung im Ergreifen von Möglichkeiten sensibilisieren. Es wird auch erhofft, dass sie zu Authentizität und einem Be-sinnen auf das Wesentliche einlädt.

Reflective Journalling zur individuellen Zukunftsplanung

Um diesen Prozess fortzuführen, findet eine weitere Einzelarbeit mit der Methode des „reflective journalling“ (Scharmer, 2007b) statt. Die Beraterin liest zwölf Fragen (in Anlehnung an Bösterling & Lauterbach, 2007 und Scharmer, 2007b) vor und lässt ausreichend Pausen, damit die Teil-nehmer ihre Antworten auf die Fragen in Stichworten festhalten können. Die Fragen leiten durch das „U“ des Presencing-Prozesses: Von den aktuellen Herausforderungen und Möglichkeiten über das Öffnen des Herzens für das Wesentliche, dem Lauschen auf Antworten aus der Zu-kunft hin zu einer Vision für das eigene Leben und ihrer konkreten Umsetzung in Prototypen und praktische Schritte. Nach den Einzelarbeiten ist Zeit für eine Reflexion im Plenum vorgesehen.

57 Dabei handelt es sich um folgende Auffassungen: 1.) „Die Zukunft kommt uns entgegen“ (Zukunft als Schicksal, das definiert und (auf einer anderen Ebene) vorbestimmt, nur noch nicht bekannt ist). Diese Zukunftsverständnis verdichtet sich in der Vorstellung eines Deus ex machina und in Bemühungen der Mantik. 2.) „Zukunft ist komplex, aber berechenbar“ (Zukunft als vorhersehbar, sofern man alle Details, die in kausalem Zusammenhang stehen, kennt). Diese Konzeption kulminiert in der Idee eines Lapla-ce’schen Dämons und lag beispielsweise dem Versuch, „die Grenzen des Wachstums“ (Meadows, Meadows, Randers & Behrens, 1972) zu ermitteln, zugrunde. 3.) „Zukunft ist machbar“ (Zukunft als Konsequenz dessen, wer wie welche Verantwortung in der Gegenwart übernimmt). Diese Auffassung von Zukunft legt den Abschied von der Annahme von Veränderungen einer objektiven Welt und Sachzwanglogiken nahe. Veränderungen resultieren aus Entscheidungen. Es geht darum, einen Zugang zu sich selbst zu finden, um bewusste Entscheidungen zu treffen und die Verantwortung für diese Entscheidungen zu tragen.

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Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Interventionen 90

Im Dialog – mit einem Kollegen und der Natur zu sich selbst

Die nächste Workshopsequenz findet im Freien statt. Hintergrund dazu sind neben eigenen Er-fahrungen die Überlegungen Scharmers (2007b): “Nature can […] function as a teacher and gateway into that deeper place” (S. 188). Eine reizarme, aber anregende Umgebung soll den Teilnehmern helfen, ihr Bewusstsein zu erweitern und sich für eine höchstmögliche Entwicklung zu öffnen. Bei der Vorbereitung des zweiten Workshops ist dieser Ort sorgfältig auszuwählen. Die Teilnehmer bilden Tandems. Nach einem kurzen Input der Beraterin zu drei Feinden des Prozesses, die es zu überwinden gilt (der Stimme des Urteils, Zynismus und emotionaler Dis-tanz und Angst, vgl. Scharmer, 2007b), erhalten die Tandems eine Instruktion mit Anleitungen zu Schritten und Leitfragen. Diese sollen ihnen helfen, Klarheit in ihren Selbstmanagement-Anliegen zu gewinnen. Die Schritte beinhalten Anregungen aus dem U-Prozess (der den Teil-nehmern jedoch nicht explizit vermittelt wurde). Die Sequenz ist so aufgebaut, dass die Teil-nehmer zweieinhalb bis drei Stunden Zeit für diesen Prozessschritt haben. Nach der Durchfüh-rung von „Hebammengesprächen“ („Was will ich in die Welt bringen?“) suchen sie gemeinsam Orte in der Landschaft, die ihre gedankliche Reise unterstützen und nutzen ihre Wahrnehmung, um projektiv Bezüge zu ihren Selbstmanagementthemen herzustellen. Im nächsten Schritt schaffen sie sich Räume der Stille, in denen sie für sich sind und Raum zum „Loslassen“ haben. Danach treffen sie wieder im Tandem zusammen und überlegen gemeinsam, wie sie die Ant-worten, die sie womöglich gefunden haben, in ihren Alltag transportieren können bzw. wie sie einen Rahmen schaffen können, in dem die Zukunft gedeihen und in die Welt gelangen kann. Im Anschluss an die Sequenz findet an einem Treffpunkt außerhalb des Trainingsraums im Plenum eine kurze Rückmeldung zu den gemachten Erfahrungen statt.

Sammeln zum Einstieg in Tag 2 und Visualisierung des eigenen Anliegens

Am nächsten Workshoptag werden in einer Morgenrunde die „Reste von gestern“ diskutiert. Anschließend leitet die Beraterin eine kurze Meditation an, um an den gestrigen Prozess anzu-knüpfen und den Teilnehmern zu ermöglichen, die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu richten. Danach werden die Teilnehmer dazu ermutigt, ein Bild ihrer gestrigen Erfahrungen zu malen und darin das zu verarbeiten, was sie bereit sind, mit dem Team zu teilen. Die Leitfragen für das Bild sind „Was habe ich gestern erlebt? Was will ich in die Welt bringen? Was muss ich loslas-sen? Was braucht die Zukunft von mir, um in die Welt zu kommen? Wie kann mir das Team dabei helfen? Wo hake ich noch?“. Die Teilnehmer stellen daraufhin jeweils ihr Bild vor. Die Be-raterin fragt so lange nach, bis das Anliegen des Einzelnen klarer wird. Sobald ein ausreichen-der Konkretisierungsgrad erreicht ist, wird derjenige gebeten, eine Frage zu formulieren. Diese wird visualisiert und neben dem Bild aufgehängt. Haben alle Teammitglieder diese Phase been-det, findet eine Diskussion über die Konsequenzen dieser Anliegen für das Team statt, aus der wesentliche Erkenntnisse von der Beraterin visualisiert werden.

Kollegiale Beratung und Feedback

Nach einer Pause wird die kollegiale Beratung als Methode, die es erlauben wird, einige der Anliegen weiter zu bearbeiten, vorgestellt. Diese Methode hat sich in mehreren Kontexten als äußerst nützlich erwiesen (vgl. Tietze, 2003).58 Dazu erhalten die Teilnehmer Leitfäden, in denen

58 Tietzes (2003) Konzept sieht vor, dass die Teilnehmer vor dem Einstieg in eine kollegiale Beratung ein zweitägiges Training ab-solvieren, in dem sie mit den jeweiligen Rollenanforderungen, Ablauf und Methoden vertraut gemacht werden. Dies versetzt die Teilnehmer in die Lage, die Beratungen gänzlich unabhängig von einer externen Beratung durchzuführen. Hier wird eine andere, minimalistischere Variante der kollegialen Beratung eingesetzt. Die Methode soll dabei nicht im Vordergrund stehen. Sie soll es den Beteiligten lediglich erlauben, andere Interaktionsformen auszuprobieren und hilfreiche Lösungen für individuelle Selbstmanage-mentanliegen zu finden.

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Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Interventionen 91

der Ablauf einer kollegialen Beratung genau strukturiert ist. In Abhängigkeit der Beratungs- und Supervisionserfahrung der Teilnehmer übernimmt die Beraterin einen stärker moderierenden Part oder hält sich mehr im Hintergrund. Tietze (2003) zufolge sollte eine kollegiale Beratung in Gruppen von „mindestens fünf, besser sechs Personen“ (S. 12) stattfinden, da sich erst dann das volle Potenzial der Methode entfalten kann. Daher finden die Beratungen im Plenum statt. Sie bilden einen Rahmen, in dem sich die Teammitglieder gegenseitig bei der Planung ihrer Selbstmanagementvorhaben unterstützen. Sie erfahren dadurch mehr darüber, was die Berate-nen bewegt und wie sie mit dem Teamkontext als Bühne für ihr Selbstmanagement zurecht-kommen. Gleichzeitig können sie unterschiedliche Sichtweisen einbringen und gemeinsam Vor-schläge zur Lösung von Problemen erarbeiten. Nach den Beratungen findet ein Austausch über die gemachten Erfahrungen statt. Es schließt sich eine Feedbackrunde an, in der die Teilnehmer eine Rückmeldung zu den beiden Tagen geben.

Hausaufgabe

Die dritte Hausaufgabe, welche im Anschluss an das Feedback ausgeteilt wird, enthält:

� den Auftrag, sich jeden Morgen zu fragen, was heute das Allerwichtigste ist, das man tun muss, und zu überlegen, wie man die für sich beste Zeit des Tages nutzen möchte,

� ein Zitat, das an die Achtsamkeit für den gegenwärtigen Schritt appelliert

� und ein Arbeitsblatt, in dem die Teilnehmer den Weg zu ihrem Ziel Schritt für Schritt rekapitu-lieren und einen individuellen Maßnahmenplan erstellen können.

Workshop III – Was braucht die Zukunft vom Team, um in die Welt zu kommen?

Im dritten Workshop werden sämtliche Hypothesen, welche die Beraterin im bisherigen Verlauf der Beratung gebildet hat, zurückgespiegelt. Daher erfordert dieser Workshop im Vorfeld eine ausführlichere Vorbereitung als die anderen Maßnahmen. Im Prinzip wird dazu aus der Grund-gesamtheit aller Beobachtungen und Irritationen der Beraterin geschöpft. Während Alltagshypo-thesen jedoch häufig linear kausal formuliert, individualisierend und negativ konnotiert sind (Bsp. „Der Mitarbeiter denkt nicht mit, weil er unmotiviert ist“), werden bei systemischen Hypothesen „Personen in einem sinnstiftenden Kontext im Zusammenwirken mit anderen Personen be-schrieben. Die angefertigten Beschreibungen implizieren, dass die Person sich auch anders verhalten könnte. Die Begründung für beschriebene Verhaltensweisen liegen in ihrer Funktiona-lität für das weitere Zusammenwirken der beteiligten Personen und in positiv konnotierten Ei-genschaften der Person“ (Gester, 1993, S. 145). Das konkrete Vorgehen bei der Hypothesenbil-dung ist dadurch gekennzeichnet, dass alle zur Verfügung stehenden Informationsquellen ge-nutzt werden und auf ihrer Basis Hypothesen angestrebt werden, die (vgl. Gester, 1993; Baum-gartner et al., 1996; Schlippe & Schweitzer, 2003):

� sprachlich so formuliert sind, dass sie anschlussfähig sind,

� wertschätzend formuliert sind,

� möglichst alle, zumindest viele Akteure des Problemsystems umfassen,

� Handlungen der verschiedenen Akteure miteinander verknüpfen bzw. Aussagen über zwi-schenmenschliche Relationen treffen,

� positive Konnotationen beinhalten (z.B. wohlwollende Unterstellungen, gute Absichten, die mit negativen Folgen verbunden sind),

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Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Interventionen 92

� auf die Funktionalität von Handlungen verweisen (also z.B. auch die positiven Aspekte, die mit dem Leiden an einem Problem einhergehen, herausstellen),

� einen Bezug zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft herstellen und insbesondere zukunftsorientiert sind,

� möglichst zeitinstabil bzw. temporär sind,

� Handlungen mit ihrem spezifischen, sinnstiftenden Kontext verknüpfen,

� ressourcen- statt problemorientiert sind und

� unkonventionell sind.

Eine Möglichkeit, Interaktionsmuster bewusst zu machen und den Blick der Systemmitglieder auf die Wechselwirkungen zu richten, bietet auch die Visualisierung sogenannter „Teufelskreise“ oder „Schicksalskreisläufe“. Da linear-kausale Erklärungsmodelle das Alltagsdenken dominieren und die Interpunktion (d.h. die im Grunde willkürliche Auslegung des einen Verhaltens als Ursa-che und des anderen als Reaktion darauf, vgl. Watzlawick, 1969) je nach Beobachter bzw. In-teraktionspartner variiert, eröffnet die damit einhergehende Ent-Individualisierung und Ent-Moralisierung den Mitgliedern des Systems neue Perspektiven und Lösungsansätze (Schulz von Thun, 1981, S. 82 ff.).

Einstieg in Workshop III: Gestern, morgen, heute

Der Workshop beginnt mit einer kurzen Begrüßung, in der auf das Ziel des Workshops hinge-wiesen wird, eine gemeinsame Zukunftsvision zu entwickeln und erste Maßnahmen in diese Richtung zu planen. Der Workshop steht unter der Leitfrage „Was braucht die Zukunft vom Team, um in die Welt zu kommen?“. Danach erhalten alle Teilnehmer einen „Stille-Punkt“ – eine Moderationskarte, die sie im Verlauf des Workshops einsetzen können. Es wird vereinbart, dass eine Minute Stille herrschen wird, sobald ein Teilnehmer seine Karte in die Mitte des Kreises legt. Dies ermöglicht den einzelnen Teilnehmern eine starke Intervention in das Workshopge-schehen. Sie können Akzente setzen, indem sie ein Innehalten aller steuern und dafür sinnvolle Momente auswählen. Somit verfügen sie über eine weitere Option, um aus dem „Downloading“ auszubrechen und gegenwärtig zu sein. Die Teilnehmer nehmen im Anschluss zu drei Fragen Stellung (vgl. Abb. 6), notieren ihre Antworten auf Moderationskarten und präsentieren sie am Metaplan. Darüber entsteht ein Bild über die Erwartungen der Einzelnen an die Team-Zukunft und an den Workshop. Es folgt eine Diskussion über die Gemeinsamkeiten in den Zukunftsvor-stellungen der Einzelnen.

Vorstellung und Diskussion der Hypothesen

Um dem Team eine Außenperspektive zu ermöglichen, leitet die Beraterin danach das Vorstel-len der Hypothesen ein (vgl. Bsp. in Abb. 7). Dabei wird deutlich herausgestellt, dass die Hypo-thesen keinen Wahrheitsanspruch haben und es nicht etwa um eine Diagnose geht, sondern um Gedanken und Beobachtungen der Beraterin, die möglicherweise mehr über die Beraterin als über das Team aussagen. Die Teilnehmer entscheiden, welche der Hypothesen sie nützlich finden und welche bei ihnen Resonanz erzeugen. Daraufhin werden die Hypothesen auf Flip-chartpapier im Raum ausgehängt und kurz vorgelesen. Die Teilnehmer erhalten beliebig viele Klebepunkte und werden gebeten, die Hypothesen durchzugehen und jeweils einen Punkt zu kleben bei Sätzen oder Visualisierungen, die bei ihnen etwas auslösen. Auch werden sie darauf hingewiesen, dass sie den weiteren Verlauf des Umgangs mit den Hypothesen selbst steuern können. Alles ist erlaubt – vom stillen Lesen und Reflektieren über „Tratschen“ in kleinen Grup-

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pen über einzelne Aussagen bis hin zu abstrakten Diskussionen über die Gesamtsituation im Plenum. Die Teilnehmer bestimmen somit selbst, wie sie mit den Hypothesen umgehen wollen. Die Hypothesen sollen die Kontextabhängigkeit des Verhaltens deutlich machen und zu neuen Interpretationen des Gewohnten anregen. Die einzelnen Teammitglieder können sich als Teil des Systems sehen und entdecken, wie sie möglicherweise auch selbst daran beteiligt sind, sich ihre „Probleme“ zu schaffen. Die Funktionalität dieser Probleme wiederum wird ebenfalls aufge-zeigt. Die Hypothesen bilden ein Angebot zur Kommunikation über Erwartungserwartungen. Strukturfunktionale Latenzen müssen jedoch nicht unbedingt aufgehoben werden. Sofern es den Hypothesen gelingt, diese überhaupt zu berühren, können sich die Teilnehmer jederzeit ent-schließen, sie nicht zu thematisieren.

Abb. 6: Fragen zum Workshop-Einstieg Abb. 7: Beispiel für eine einzelne Hypothese

Visuelle Annäherung an die Teamvision

Um das Möglichkeitsdenken des Teams zu aktivieren und eine geteilte Vision der Zukunft zu entwickeln, werden die Teilnehmer anschließend gebeten, gemeinsam ein Bild zu entwerfen, das ihre Zielvorstellungen für einen zukünftigen Zustand im Team wiedergibt. Die Teilnehmer erstellen zusammen das Bild und beschreiben es in allen Einzelheiten. Diese werden von der Beraterin auf Moderationskarten notiert und zusammengefasst. Die Beraterin fragt nach, wann diese Zukunft voraussichtlich erreicht sein wird, mit welchen Gefühlen und Gedanken diese Zu-kunft verbunden ist und wo im Prozess der Erstellung des Bildes bereits die ersten Keime der gewünschten Zukunft zu entdecken waren. Die dabei festgestellten Ressourcen, die auf dem Weg zur Vision helfen könnten, wenn sie konsequent angewendet würden, werden ebenfalls festgehalten.

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Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Interventionen 94

Futur Perfekt: Drehbuch für die erfolgreiche Zusammenarbeit im Team

Um Ideen über den Weg zur gewünschten Vision anzuregen und das gemeinsame Zukunftsbild noch plastischer und konkreter werden zu lassen, wird die Technik des Futur Perfekts ange-wandt (in Anlehnung an Vogel, Bürger, Nebel & Kersting, 1994). Die Teilnehmer stellen sich einen Sprung zu dem Zeitpunkt vor, zu dem die Vision bereits seit einem Jahr Realität ist. Für einen Sender, der eine Dokumentation über herausragend erfolgreiche Teams drehen wird, be-reiten sie eine Vorbesprechung der Dreharbeiten vor. In zwei Kleingruppen überlegen sich die Teilnehmer, was genau die Aspekte ihrer guten Zusammenarbeit ausmacht und wie das Ergeb-nis aussieht. Sie überlegen sich Szenen, in denen einem Außenstehenden die positiven Aspekte und Grundlagen ihrer Zusammenarbeit deutlich werden können. Außerdem nehmen sie einen Rückblick vor auf den Weg, der sie zu diesem Ergebnis geführt hat. Die anschließende Ergeb-nispräsentation sollen die Teilnehmer möglichst lebendig gestalten. Über diese Übung werden die Teilnehmer angehalten, das zunächst noch recht abstrakte Zukunftsbild zu operationalisie-ren und beobachtbar zu machen. Dadurch wird deutlicher, welche konkreten Veränderungen angestrebt werden.

Kohlköpfe und Schwimmhilfen auf dem Weg zur Zukunftsvision

Im nächsten Schritt soll eine klare Vorstellung darüber entstehen, was für die Veränderung auf-gegeben bzw. losgelassen werden muss. Darum führt die Beraterin über eine Geschichte die Metapher der „Kohlköpfe“ ein (in Anlehnung an Klein, 2006, S. 59ff.). Diese stehen für Ballast, der über Bord geworfen werden muss, um eine Veränderung zu ermöglichen. Die Teilnehmer führen in Einzelarbeit eine Inventur durch und identifizieren jeweils einen „Kohlkopf“ und eine „Schwimmhilfe“ – einen hilfreichen Prozess oder Umstand, der beibehalten werden sollte, weil er die Veränderung begünstigt. Danach haben sie in Dialogen mit den anderen Teilnehmern die Möglichkeit, Klarheit über die von ihnen benannten Aspekte zu gewinnen. Sie erhalten dann die Gelegenheit, die Kohlköpfe und Schwimmhilfen in Stillarbeit zu präzisieren oder zu revidieren. Abschließend findet eine Präsentation und Diskussion aller identifizierten Themen statt. Ziel die-ser Sequenz ist es, den Teilnehmern eine realistische Vorstellung auch der Mühen und Hinder-nisse, die sie auf dem Weg zu ihrer Zukunftsvorstellung erwarten, zu vermitteln – ohne dass die Motivation und Energie, welche aus dem Erarbeiten der gemeinsamen Zukunftsvorstellung re-sultiert, verpufft. Danach wird der erste Workshoptag mit einer offenen Feedbackrunde beendet.

Ankommen in Tag 2

Am nächsten Morgen beschreiben die Teilnehmer, wie der Tag verlaufen würde, wenn alles nur nach ihnen ginge. Dies bietet den Teammitgliedern Gelegenheit zum „Ankommen“ und der Be-raterin die Möglichkeit, die Bedürfnisse der Einzelnen zu ermitteln und zu prüfen, ob sie sich im weiteren Workshopverlauf realisieren lassen. Es folgt eine Teamaufgabe, in der das Team eine Decke um 180 Grad wenden muss, während alle Teammitglieder zu jedem Zeitpunkt (dicht bei-einander) auf der Decke stehen. Sie soll dem Team ein kleines Erfolgserlebnis vermitteln, das Wir-Gefühl stärken, Nähe ermöglichen und einen Raum der Stille und Besinnung einleiten. Nach Beendigung der Übung bleiben die Teilnehmer auf der Decke stehen, schließen – sofern sie mögen – die Augen und hören ein ruhiges Musikstück. Danach wird von der Beraterin eine kur-ze Meditation angeleitet. Sie soll dazu beitragen, die Teilnehmer in ihrer Authentizität zu bestär-ken und die Verbindung zum Team zu spüren. Die Teilnehmer beenden die Übung, indem sie eine gemeinsame Bewegung finden, mit der sie die Decke verlassen.

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Das weitere Vorgehen über Skalierungsfragen im Raum

Anschließend wird Bezug auf das Veränderungsvorhaben genommen. Die Teilnehmer werden um ihre Einschätzung zum Umfang des Vorhabens gebeten. Dies wird methodisch durch Skalie-rungsfragen unterstützt. Im Raum ist dazu auf Moderationskarten eine zehnstufige Skala ausge-legt. Über der Zehn hängt oder steht das Bild, das die Teilnehmer am gestrigen Tag von ihrer Zukunft gemalt haben. Die Teilnehmer werden gebeten, sich zur Frage „Wo stehen wir jetzt (als Team)?“ im Raum zu positionieren. Danach werden sie dazu befragt, was sie bewegt hat, diese Stufe auszuwählen, was aus ihrer Sicht hilfreich war, um an diesen Platz zu gelangen, und was ein guter nächster Schritt für das Team wäre. So können Bilder vom Ausmaß der Veränderung und erste Ideen zum weiteren Vorgehen gewonnen werden.

Identifikation individueller Ressourcen auf dem Weg zur Veränderung

Der Logik folgend, dass es leichter ist, zu neuen Ufern aufzubrechen, wenn dafür schon die nö-tigen Hilfsmittel an Bord sind, werden in der nächsten Workshopsequenz Ressourcen gesam-melt. Um den Kollegen zudem neue Interaktionen zu ermöglichen, wird eine Feedbackmethode eingesetzt. In der Vorbereitung schreibt dazu jedes Teammitglied mindestens zwei Ressourcen auf, die ihm an jedem anderen Teammitglied in der Vergangenheit schon einmal aufgefallen sind. Dann nimmt abwechselnd eine Person vor der Gruppe auf dem „Stuhl der Ressourcen“ Platz. Die Teammitglieder treten einzeln vor und geben der Person ein Feedback, welche Res-sourcen sie wahrgenommen haben und verschenken dabei ihre Ressourcenkarten. Danach wird der Feedbacknehmer von der Beraterin befragt, wie es ihm damit geht, was ihn überrascht hat, wozu er noch Fragen hat etc. Aus dieser Übung geht jeder Teilnehmer mit einem kleinen Stapel von Ressourcenkarten hervor.

Zwei konkrete nächste Schritte in die Teamzukunft

In einer Einzelarbeit überlegt daraufhin jedes Teammitglied mit dem Wissen um seine Ressour-cen zwei konkrete nächste Schritte, die es selbst in Richtung der Teamzukunft gehen kann. Es soll sich dabei um gut erreichbare und motivierende Schritte handeln, von denen der erste be-reits in den nächsten 72 Stunden, der zweite innerhalb der nächsten 14 Tage angegangen wird. Die Schritte werden visualisiert und dem Team präsentiert. Dabei überlegt das Team gemein-sam und hält schriftlich fest, wer die Umsetzung dieser Schritte kontrollieren wird. Diese Inter-vention stellt sicher, dass erste Maßnahmen in Richtung der Veränderung im Sinne von „Proto-typen“ geplant und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch tatsächlich umgesetzt werden. Sie berei-tet damit den Transfer in den Team-Alltag vor.

Konkretisierung des Maßnahmenplans

Anschließend leitet die Beraterin ein Brainstorming an. Die Teilnehmer überlegen sich weitere Maßnahmen, die über die nächsten Schritte hinausgehen. Danach wird ausgewählt, welche der Vorschläge tatsächlich in den Maßnahmenplan übernommen werden sollen. Sofern hilfreich, werden die Maßnahmen weiter in kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen unterteilt. Anschlie-ßend werden die Verantwortlichkeiten geklärt. Aus dem Plan sollte klar hervorgehen, wer was mit wem bis wann erledigt, wie Fortschritte beobachtet und gemessen werden können und wer die Umsetzung kontrolliert. Um die Konsequenzen der Maßnahmen abzuschätzen, werden die Teilnehmer gebeten, sich kurz in Murmelgruppen zusammenzusetzen. Sie diskutieren, welches die Vorteile der durch die Maßnahmen initiierten Veränderungen für sie sein werden. Außerdem überlegen sie, wer als Erstes außerhalb des Teams merken wird, dass sich etwas verändert hat und woran – und wie Außenstehende vermutlich reagieren werden. Gegebenenfalls ergeben

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Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Interventionen 96

sich dadurch noch weitere Maßnahmen. Der Plan bildet die Grundlage für die weitere Umset-zung der Veränderungen. Er wird zum Workshopende der Teamleitung übergeben.

Feedback und Hausaufgabe

Nach dem Workshopfeedback erhalten die Teilnehmer eine vierte und letzte Aufgabe. Sie bein-haltet

� die Anregung zu einer Praxis des reflexiven Tagebuchs, mithilfe derer die Teilnehmer weiter-hin ihre Zukunft aus der Gegenwart heraus aktiv gestalten und aufmerksam bleiben für die Chancen und Möglichkeiten, die sich ihnen bieten sowie

� eine Geschichte, die verdeutlicht, dass man weniger Gefahr läuft, vermeintlichen Idealen hinterherzulaufen, wenn man sich darüber im Klaren ist, was man wirklich vom Leben will.

Erfolgsbewertung im Evaluationsinterview

Zusätzlich zur kontinuierlichen Bewertung des Prozesses durch die Teilnehmer findet zum Ab-schluss der Beratung eine Beurteilung im Rahmen des Evaluationsinterviews statt. In ihrem Zentrum steht die Überprüfung der individuellen Zielerreichung. Sie gibt Aufschluss darüber, inwieweit die gesetzten Ziele umgesetzt werden konnten, und hat entsprechend informativen und motivationalen Wert (Redlich & Schley, 1979). Durch das Rekapitulieren des Prozesses und der erfolgten eigenen Bemühungen wird eine interne Kausalattribution und die Bestätigung, dass man selbst in der Lage ist, seine Probleme zu lösen, angestrebt. Auch macht die abschlie-ßende Erfolgsbewertung des Gesamtprojekts deutlich, inwiefern diese Art von Vorgehen auch bei anderen Problemen und Zielvorstellungen erfolgreich sein kann. Es werden Transfermög-lichkeiten geprüft und Gelerntes reflektiert. Darüber hinaus wird prospektiv abgeschätzt, inwie-fern etwaige Veränderungen nachhaltig sein können bzw. ermittelt, was dazu noch nötig ist. Die abschließende Erfolgsbewertung wird in Kapitel 7 im Zusammenhang mit der Erläuterung des Evaluationsinterviews genauer ausgeführt. An dieser Stelle wird deutlich, dass die Trennung zwischen Intervention und Evaluation in der Umsetzungspraxis häufig wenig relevant ist.

5.3.3 Zusammenfassung und Methoden-Überblick

In Kapitel 4 wurden drei wesentliche Aufgaben identifiziert, die das Programm leisten soll. Die nachfolgende Zusammenfassung zeigt auf, wie diese Aufgaben im Beratungsprozess umgesetzt werden.

Kontraktgestaltung und Zielsetzung

Die Kontraktgestaltung und Zielsetzung für den Gesamtprozess erfolgt vor allem im ersten Workshop und im Einzelcoaching. Der gemeinsame Blick auf Bewahrenswertes und Verände-rungswünsche im Team gibt die Richtung für den Gesamtprozess vor. An diese Ergebnisse wird inhaltlich besonders im dritten und letzten Workshop angeknüpft. In der Zwischenzeit werden zunächst auf individueller Ebene Zielvorstellungen für den zukünftig gewünschten Zustand jedes einzelnen Teammitglieds entwickelt.

Für die Kontraktgestaltung und Zielsetzung werden die folgenden Methoden herangezogen:

� Erwartungsabfragen

� Feedbackrunden

� Begriffsklärung „Selbstmanagement“

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� Appreciative Inquiry-Interviews mit anschließender Kleingruppenarbeit

� Visualisierung von Bewahrenswertem und Veränderungsbedarf in zwei Bildern

� Skalierungsfragen

� Input der Beraterin zum geplanten Vorgehen inkl. Visualisierung

� Diskussionen und Klärung von Fragen der Teilnehmer

� Zielklärung im lösungsorientierten Interview (unter Umständen auch Wunder-Frage)

� Schriftliches Fixieren des Einzel-Kontrakts.

Veränderung von Selbsterwartungen

Darauf folgt gewissermaßen eine „Experimentierphase“, in der Raum für Neues geschaffen wer-den soll. Potenzial, die Selbsterwartungen zu verändern, haben dabei vor allem die Hausaufga-ben, das Einzelcoaching und der zweite Workshop. Hier wird die Selbstbeobachtung aus neuen Blickwinkeln und mit neuen „Auflagen“ (z.B. sich aus der Sicht der anderen sehen) angeregt. Die individuellen Selbstmanagement-Anliegen werden so bearbeitet, dass die Teilnehmer möglichst neue Perspektiven und Möglichkeiten sehen und individuelle Lösungen finden. Die im Einzelco-aching formulierte Selbsterwartung wird in Form eines schriftlichen Kontrakts festgehalten. Mög-licherweise verändern sich durch die Reflexion und Interaktion im zweiten Workshop die Sicht-weisen auf die eigene Biographie oder die eigenen Prioritäten. Dabei kann geprüft werden, ob das gesetzte Ziel auch in einem Zustand größtmöglicher Authentizität und im Kontakt zu den eigenen Zukunftsmöglichkeiten sinnvoll erscheint. Eventuell nötige Kurskorrekturen für das ei-gene Selbstmanagement können identifiziert werden.

Methodisch unterstützt wird die Veränderung der Selbsterwartungen durch die folgenden Ele-mente:

� Beobachtungsaufgaben

� ein lösungsorientiertes Interview (inkl. Skalierungsfragen)

� Hausaufgabe, erste kleine Schritte in die Praxis umzusetzen (Aufgabe 2)

� Systemaufstellungen mit Bauklötzen und/oder zirkuläre Fragen

� Dialoge über die eigene Biographie

� die Reflexion über Sinn in der eigenen Biographie

� Reflective Journalling (Scharmer, 2007b)

� die Konfrontation mit der eigenen Zeitlichkeit

� Dialoge über die eigenen Vorhaben und Projekte mit Teamkollegen

� Nutzung der Landschaft als Projektionsfläche

� Rückzug in die Stille

� eine Meditation

� Erstellen eines Bilds zum eigenen Selbstmanagementvorhaben

� kollegiale Beratung zu Selbstmanagement-Anliegen

� eine Aufgabe zur Fokussierung der Aufmerksamkeit (Aufgabe 3) und

� die schriftliche Fixierung des Wegs zum eigenen Ziel (Aufgabe 3).

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Veränderung von Erwartungserwartungen

Eine Veränderung der Erwartungserwartungen kann theoretisch vom ersten Workshop an ge-schehen. Durch den fortwährenden Austausch auf der Metaebene im Rahmen der Workshops steht es den einzelnen Teammitgliedern offen, die Erwartungen der anderen zu überprüfen. Dies ist in der Regel eher implizit möglich. Wenn beispielsweise über die Zukunft des Teams gespro-chen wird und eine Person ihre Zielvorstellungen äußert, dann lässt sich daraus zwar einiges über ihre Werte und Prioritäten und die allgemeinen Erwartungen an die anderen Teammitglie-der ableiten. Eine direkte Zuordnung im Sinne von „Diese Person erwartet von mir in dieser Si-tuation genau dieses Verhalten“ ist jedoch nicht in jedem Fall möglich. Im Rahmen der Einzelco-achings werden die Erwartungserwartungen direkter thematisiert. Hier ist allerdings keine Kor-rektur durch eine andere Instanz möglich. Die Erwartungen können durch die Beraterin lediglich hinterfragt werden. Bei der Rückspiegelung der Hypothesen im dritten Workshop werden beo-bachtete Interaktionsmuster und -phänomene und angenommene Verhaltenszusammenhänge im Team besprechbar gemacht. Hier bietet sich dem Team die Möglichkeit, Erwartungserwar-tungen direkt zu klären.

Doch eine Veränderung besagter Erwartungen resultiert nicht nur aus Gesagtem. Auch die Art und Weise, in der Kommunikation stattfindet, vermag möglicherweise über neue Erfahrungen mit den Teamkollegen Erwartungen zu ändern (z.B. im Sinne von „Das hätte ich gar nicht ge-dacht, dass der ein ähnliches Anliegen hat wie ich und sich für meine Vorgehensweise interes-siert“). Während inhaltlich das Thema Selbstmanagement fokussiert wird, steht in Bezug auf die Form der Kommunikation im Vordergrund, im Team neue Interaktionen zu erproben. Die Vorga-be eines klaren Settings für das Miteinander (z.B. „wertschätzendes Erkunden (AI)“, „Dialog“, „Sparringspartner-Tandems“, „Meditation“, „kollegiale Beratung“) und die Begleitung durch die Beraterin sollen den Teilnehmern ermöglichen, sich darauf einzulassen. Denkbar ist, dass sich so allmählich die Verhaltensflexibilität des Teams erweitert. Das Sammeln eigener Erfahrungen mit unterschiedlichen Verhaltensweisen versetzt die Teilnehmer in die Lage, auszuwählen, was sie vielleicht auch in ein ganz alltägliches Setting übernehmen möchten.

Von den folgenden methodischen Elementen wird erwartet, dass sie zur Veränderung von Er-wartungserwartungen beitragen können:

� Diskussionen im Rahmen der drei Team-Workshops

� Appreciative Inquiry-Interviews mit Teamkollegen und Austausch über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Inhalten aller Interviews

� Einbeziehung des Kontexts durch systemische Fragen im lösungsorientierten Interview im Rahmen des Einzelcoachings

� Systemaufstellung mit Bauklötzen im Einzelcoaching

� Dialog mit Teamkollegen mit Anleitung zur Übung von Empathie und „sensing“

� Tandemarbeit an individuellen Zielen mit Teamkollegen als Sparringspartnern

� Vorstellen und Diskussion der Selbstmanagement-Anliegen im Team

� Durchführung kollegialer Beratungen zu Selbstmanagement-Anliegen

� Diskussion der Hypothesen der Beraterin im Team

� Entwicklung von Zielvorstellungen für einen zukünftigen Zustand im Team und Diskussion über ein gemeinsames Zukunftsbild sowie darüber, was für die Veränderung nötig ist

� Gegenseitiges Feedback über wahrgenommene Ressourcen

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Die Entwicklung systemischer Selbstmanagement-Interventionen 99

� Planung von Maßnahmen für die Verankerung von Neuem im Team.

Die Tabelle in Anhang 2 setzt die Programminhalte zu den Programmzielen in Relation. Sie bie-tet einen Überblick über die Ziele der drei Interventionsansätze (vgl. Kap. 4) sowie ihre Umset-zung in Settings und Methoden. Zu jedem Setting finden sich die entsprechenden Ziele, formu-liert aus den drei theoretischen Perspektiven. Zwischen diesen sind jenseits des unterschiedli-chen Fachjargons deutliche Parallelen feststellbar. Es wird ersichtlich, welche Methoden und Techniken zur Erreichung eines bestimmten Ziels eingesetzt werden. Auch wird hervorgehoben, welche Interventionsebene im jeweiligen Setting im Vordergrund steht.

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Forschungsverständnis und Evaluationsparadigma 100

6 Forschungsverständnis und Evaluationsparadigma

6.1 Konstruktivistische Grundannahmen

Der Arbeit wird ein konstruktivistisches erkenntnistheoretisches Fundament zugrunde gelegt. Im Hinblick auf diesen Bezugsrahmen werden die folgenden Grundannahmen im Sinne eines „kleinsten gemeinsamen Nenners“ konstruktivistischer Positionen59 geteilt: Im Hinblick auf die Frage, was der Mensch in der Welt eigentlich erkennen kann, wird die Auffassung vertreten, dass der Zugang zur Außenwelt nur mittelbar ist.60 Was wir als Wirklichkeit wahrnehmen, ist Er-gebnis eines aktiven Konstruktionsprozesses, der durch unseren Wahrnehmungsapparat vermit-telt ist (vgl. Kriz, Lück & Heidbrink, 1987).61 Unsere Erkenntnis ist dadurch gebunden an die Mo-dalitäten, Kategorien und Konzepte, mit denen unser Gehirn Erfahrungen strukturiert. Das Pro-dukt unseres (aktiv konstruierten) Wissens über die Welt ist jedoch nicht beliebig. Von ihm wird gefordert, dass es im Rahmen der jeweils verfügbaren kognitiven Strukturen mit anderen Erfah-rungen kompatibel ist und erfolgreiche Handlungen in einer komplexen (Außen-) Welt ermöglicht (vgl. Siebert, 1998; Rusch, 2004). Funktioniert unser Wissen in unserer jeweiligen Umwelt, so bedeutet das jedoch nicht, dass wir damit etwas über „die Realität“ wüssten oder Zugang zu einer objektiven „wahren Wirklichkeit“ gefunden hätten. Viele weitere Theorien und Erklärungs-möglichkeiten erweisen sich möglicherweise als ebenfalls viabel (vgl. Steinke, 1999, S. 95). Daraus folgt, dass jegliches Wissen über die Welt unhintergehbar perspektivisch ist: „Alles was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt“ (Maturana, 1982, S. 34). Letztlich sagt damit eine Beobachtung mehr über den Beobachter aus als über den Beobachtungsgegenstand.

Der Untersuchungsgegenstand als Konstruktion des Forschers

Häufig begegnet man in methodologischen Abhandlungen der Forderung, die Methode möge dem Betrachtungsgegenstand gerecht werden (z.B. Lamnek, 2005). Dieses Verständnis von „Gegenstandsangemessenheit“ kommt zum Beispiel bei Steinke (1999) zum Ausdruck:

„Qualitative Forschung ist dadurch charakterisiert, daß die jeweiligen Untersuchungsgegenstände die Auswahl bzw. Entwicklung der Forschungsmethoden bestimmen und nicht etwa umgekehrt“ (S. 38).

Die Aussage klammert den Blick des Forschers aus und suggeriert, der Untersuchungsgegens-tand sei etwas von seiner Beobachtung Getrenntes.62 Hier wird die Auffassung vertreten, dass bereits der Gegenstand eine Konstruktionsleistung des Forschers darstellt. Er lässt sich damit nicht unabhängig vom Erkenntnisprozess des Untersuchers betrachten. Es ist demzufolge die Ausgangs-Konstruktion des Forschers über seinen Gegenstand, die für die Wahl der Methode ausschlaggebend ist. Die gewählte Methode wiederum lässt nur eine bestimmte Perspektive auf den Gegenstand zu. So wird letztlich alles, was über einen Gegenstand festgestellt werden kann, im Rahmen einer konkreten Untersuchungshandlung durch die Interaktion des Gegens-

59 Zu den verschiedenen Konstruktivismuskonzeptionen vgl. Rusch (2004) und Hug (2004). 60 Das bedeutet nicht, dass Erkenntnis völlig unabhängig von der Außenwelt stattfindet. Dass eine von uns und unserer Erkenntnis unabhängige Realität vorhanden ist, wird vom Konstruktivismus nicht bestritten (Steinke, 1999, S. 86). 61 Dass die menschliche Wahrnehmung zugleich Bedeutungen vermittelt, illustriert das folgende Zitat Heinz von Foersters: „’Da draußen’ gibt es nämlich in der Tat weder Licht noch Farben, sondern lediglich elektromagnetische Wellen; ‚da draußen’ gibt es weder Klänge noch Musik, sondern lediglich periodische Druckwellen der Luft, ‚da draußen’ gibt es keine Wärme oder Kälte, sondern nur bewegte Moleküle mit größerer oder geringerer durchschnittlicher kinetischer Energie usw. Und schließlich gibt es ‚da draußen’ sicherlich keinen Schmerz“ (Foerster, 1993, S. 31). 62 Steinke widerspricht sich hier selbst, da sie an anderer Stelle darlegt, dass „Gegenstände nicht ‚an sich’, unabhängig von den Wahrnehmungs- und Erkenntnisprozessen, betrachtbar bzw. erkennbar“ sind (Steinke, 1999, S. 142).

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Forschungsverständnis und Evaluationsparadigma 101

tands mit einer gewählten Methode (und mit dem Forscher selbst) produziert.

Anforderungen an den Forscher

Grundsätzlich sind zu jedem Zeitpunkt viele gleichwertige Perspektiven und Untersuchungsmög-lichkeiten denkbar. Von keiner kann in Anbetracht der angestellten Überlegungen behauptet werden, sie liefere die „Wahrheit“ über „den“ Gegenstand. „Es gibt keine Wahrheit – nur Verant-wortung“ so Heinz von Foerster (1994, S. 64). Wie der Forscher seinen Gegenstand konstruiert, liegt in seiner Verantwortung. Es existieren keine faktischen Sach- bzw. Methodenzwänge, an die sich Forscher zu halten haben, wenn sie theoriegeleitete Erwartungen durch methodische Verfahren überprüfen. In der Regel werden sie sich jedoch um die Anschlussfähigkeit ihrer Kon-struktionen an den wissenschaftlichen Diskurs bemühen und damit um eine „Viabilität 2. Ord-nung“ im Sinne Glasersfelds (1996, S. 197).63 Daraus wiederum lassen sich einige Prognosen für die Adhärenz an bestimmte Forschungslogiken ableiten. Dennoch gilt, dass Konstruktionen – also auch solche über geeignete Methoden – letztlich nur nach ihrer Funktionalität für bestimmte Zwecke bewertet werden können (vgl. Steinke, 1999). Das bedeutet für die Entwicklung des Evaluationsansatzes, dass

1. das Kriterium „Ziel / Zweck der Evaluation“ genauer zu spezifizieren ist. Nur mit Bezug dar-auf lässt sich eine Bewertung der Brauchbarkeit weiterer Konstruktionen treffen.

2. die Perspektive auf den Untersuchungsgegenstand herausgearbeitet werden muss. Dies bedeutet, dass die Frage „Wie sehe ich den Forschungsgegenstand?“ explizit zu beantwor-ten ist.

3. Entscheidungen für und wider methodische Zugänge argumentativ begründet und transpa-rent dargelegt werden, um die Anschlussfähigkeit an den wissenschaftlichen Diskurs zu ge-währleisten.

Diesen Anforderungen soll im Folgenden nachgekommen werden.

6.2 Evaluationsziel und Forschungsfragen

Ziel der vorliegenden explorativen Studie ist es, eine erste Basis an empirischen Erkenntnissen zu schaffen. Hierzu ist eine Evaluation notwendig, die es ermöglicht, aus der Erprobung der In-terventionen an Teams relevante Erkenntnisse zu gewinnen. Die Evaluation selbst sollte einen Beitrag zur Verbesserung des Interventionsprogramms leisten und erste Aussagen zur Wirk-samkeit der Interventionen ermöglichen.

6.2.1 Forschungsfragen zur Implementationsforschung

Die Studie erhebt keinen Anspruch auf die empirische Bestätigung von Theorien, sondern er-bringt den Nachweis von Anwendungsbeispielen für den Programmeinsatz.64 Den Anwendungen kommt im Rahmen der Exploration eine wichtige Rolle zu, da sie zur Verbesserung des Inter-ventionsprogramms beitragen. Die Durchführung unter Alltagsbedingungen ermöglicht es, Prob-leme oder Faktoren, welche die Zielsetzung des Programms gefährden, aufzudecken und ge-

63 Viabilität 2. Ordnung entsteht, wenn individuelle Konstruktionen intersubjektiv verstärkt, das heißt von anderen bestätigt werden (vgl. Rusch, 2004). 64 Kriz et al. (1987, S. 204ff.) weisen darauf hin, dass im Übrigen auch Theorieprüfungen häufig nur der Charakter von Anwen-dungsbeispielen zukommt.

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Forschungsverständnis und Evaluationsparadigma 102

eignete Lösungen zu finden. Ferner liefert die Erprobung Anhaltspunkte für blinde Flecken bei der Programmentwicklung. Themen, die bei der Formulierung des Programms nicht bedacht wurden, im Organisations- bzw. Teamkontext jedoch eine Rolle spielen, können so identifiziert werden.

Ziel ist es, die Umsetzung und Ausführung der Maßnahmen im alltagspraktischen Einsatz zu prüfen und zu bewerten. Um dies leisten zu können, ist eine Beobachtung des Beratungspro-zesses entscheidend. Dabei gilt es die folgenden Fragen zu beantworten, die zum Teil in Anleh-nung an Rost (2000, S. 134f.) formuliert wurden:

� Welche Rezipienten werden erreicht bzw. nehmen am Programm teil? Lassen sich Rück-schlüsse ziehen, für welche Art von Teams das Programm attraktiv ist und für welche Teams es nicht in Frage kommt?

� Wie ist die Akzeptanz in verschiedenen Teams im Verlauf der einzelnen Projekte? Wird das Programm akzeptiert oder stößt es auf Widerstand? Gibt es diesbezüglich gruppenspezifi-sche Wirkungen?

� Auf welche Probleme, Hindernisse oder unvorhergesehenen Ereignisse stößt die Maßnah-me? Gibt es Implementationshindernisse auf sachlicher oder sozialer Ebene? Wie wird mit ihnen umgegangen?

� Welchen anderen Einflüssen sind die betroffenen Personen gleichzeitig ausgesetzt? Gibt es zeitgleiche konkurrierende oder gegenläufige Einflüsse? Wie wird damit umgegangen?

� Welche Interessenskonflikte gibt es?

� Welche Abweichungen werden vorgenommen (z.B. um die Kompatibilität mit den Bedingun-gen vor Ort zu erhöhen oder um der aktuellen Gruppendynamik und Bedürfnissen der ein-zelnen Teilnehmer besser gerecht zu werden)?

� Welche Hypothesen über mögliche Verbesserungen bei der Umsetzung lassen sich ablei-ten?

Die Beantwortung dieser Fragen stellt das primäre Ziel der Erprobung und Evaluation dar.

6.2.2 Forschungsfragen zur Wirksamkeitsbewertung

Auf Basis der Rekonstruktion der Teilnehmererlebnisse wird eine Einschätzung getroffen, ob der Beratungsprozess zu erwünschten Veränderungen beiträgt. Denn das Ziel der Interventionen ist es, konstruktive Irritationen und Suchprozesse auszulösen und diesen Prozess so zu begleiten, dass erwünschte Veränderungen mit höherer Wahrscheinlichkeit eintreten. Die Evaluation soll Aufschluss darüber geben, inwiefern die Beratung die beabsichtigte Wirkung hat. Dabei geht es um die Abschätzung von Bruttowirkungen. Eingeschätzt werden sollen sowohl die Effekte, die aus der Interventionsmaßnahme resultieren, Neben- und Folgewirkungen wie auch Wirkungen, die durch die Interventionssituation und aufgrund der Entwicklung der Einzelpersonen und Teams sowie weiterer Faktoren zustande kommen (vgl. Hager, 2000a, S. 157). Dabei wird von der folgenden Wirksamkeitsdefinition von Hager (2000) ausgegangen:

„Eine Interventionsmaßnahme kann dann als effektiv oder wirksam beurteilt werden, wenn sie nachweislich entweder als hinreichend intensiv (oder substantiell) bewertete Veränderungen auf ihre internen programmspezifischen Ziele hin erzeugt (Ausmaß der Veränderungen bzw. Verbesserungen) oder wenn sie sich ihren internen Zielen hinreichend annähert bzw. wenn sie – im Idealfall – diese erreicht (Ausmaß der Zielerreichung). Für die Interventionsarten Trai-ning, Beratung, Therapie und Unterricht ist der Wirksamkeitsnachweis zusätzlich an das Auftreten eines zeitlichen Transfers (Persistenz, Dauer) und von als hinreichend intensiv bewerteten Verbesserungen auf die externen Ziele hin gebunden, die für diese Klasse von Interventionsarten als verbindlich vorgegeben wurden“ (Hager, 2000a, S. 155).

Die Bewertung muss die Perspektive der Teilnehmer berücksichtigen. Denn die Wirkung von

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Forschungsverständnis und Evaluationsparadigma 103

Interventionen wird durch das System, in welches interveniert wird, definiert (König & Volmer, 2005, vgl. 4.1.1). Demnach steht im Mittelpunkt, wie Teilnehmer die Interventionen erleben. Da dabei die Perspektive jedes einzelnen Teilnehmers interessiert, sollten „Messungen“ nicht auf Team-, sondern auf Individualebene stattfinden. Ausgehend von diesen Informationen kann in einem nächsten Schritt geprüft werden, ob überhaupt eine Wirkung eintritt und um welche Art von Wirkung es sich handelt. Dann kann durch einen Vergleich mit den Programmzielen ent-schieden werden, ob die Wirkung ihnen entspricht oder ob es sich um nicht-intendierte Neben-wirkungen handelt. Im Einzelnen werden Antworten auf folgende Fragen gesucht:

� Wie erleben Teilnehmer das Interventionsprogramm? Welche Interventionen werden von den Teilnehmern als wirksam erlebt? Welche bleiben wirkungslos?

� In welchen Erlebens- und Verhaltensbereichen werden Veränderungen beobachtet (und von wem)?

� Auf welcher Ebene werden Veränderungen beobachtet (Individual- vs. Teamebene)?

� Inwiefern decken sich die Veränderungen mit den anvisierten Zielen des Programms?

� Wie intensiv sind die Veränderungen in Summe? Was spricht dafür, was dagegen, von einer substanziellen Wirkung zu sprechen?

� Inwiefern sind die Wirkungen von Dauer?

� Welche Hypothesen lassen sich über die Bedingungen und das Zustandekommen individuel-ler Selbstmanagementverbesserungen in Teams ableiten?

Im Schwerpunkt handelt sich beim zweiten Aspekt um eine Ergebnis- oder Outcome- Evaluati-on. Eine solche Feststellung nach Beendigung des Programms reicht laut Hager und Hassel-horn (2000, S. 72) in der Regel für Evaluationszwecke aus.

Zusammenfassend lassen sich die Evaluationsziele wie folgt präzisieren: Es soll eine globale Evaluation (Mittag & Hager, 2000, S. 106) erfolgen, in der das Gesamtprogramm im Hinblick auf seine Durchführbarkeit und grundsätzliche Wirksamkeit bewertet wird. Der Studie kommt eine deskriptiv-explorierende Funktion zu (vgl. Hopf, 1991). Es wird geprüft, ob das Vorgehen, zur Förderung von individuellem Selbstmanagement im Team zu intervenieren, nicht nur theoretisch naheliegend, sondern auch praktisch durchführbar sein kann. Etwaige Probleme oder Konflikte, die aus dieser Vorgehensweise resultieren, werden festgehalten. Abschließend erfolgt eine Be-wertung, ob die Programmziele bei der vorgesehenen Zielgruppe erreicht wurden. Ausgehend von dieser Bewertung kann eine erste Einschätzung getroffen werden, ob es weiter verfolgens-wert erscheint, Selbstmanagement auch aus systemischer Perspektive zu betrachten.

6.3 Evaluationsparadigma – Die Qual der Wahl

Zunächst gilt es, eine sinnvolle Entscheidung zugunsten eines Evaluationsparadigmas zu tref-fen. Um die Kontroverse zwischen quantitativen (bzw. empirisch-analytischen, nomothetischen) und qualitativen (bzw. phänomenologisch-holistischen, idiographischen) Ansätzen „rankt sich eine umfangreiche, aber wenig ergiebige Literatur“ (Rossi & Freeman, 1988, S. 188). Wenig ergiebig deshalb, weil hier häufig ein Wettbewerb um die „bessere“ Konstruktion entbrennt. Da-bei wird vergessen, dass es sich in beiden Fällen um Konstruktionen handelt, die sich für be-stimmte Systeme und im Hinblick auf bestimmte Zwecke als mehr oder weniger funktional er-weisen können, jedoch keinem pauschalen Wahrheits-Claim standhalten.

Folgt man Kuhn (1967), dann ist die Debatte auch deshalb so wenig fruchtbar, weil zwischen

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Forschungsverständnis und Evaluationsparadigma 104

konkurrierenden Paradigmen nicht auf Basis rationaler Gründe differenziert werden kann. Denn jedes Paradigma basiert auf seinen eigenen theoretischen Annahmen, einem eigenen Vokabu-lar und methodischen Techniken, welche in Summe gewissermaßen eine Sprachbarriere zwi-schen zwei Paradigmen errichten. So beruhen auch quantitative und qualitative Verfahren auf unterschiedlichen Forschungsphilosophien, die auch auf jeweils „unterschiedliche Vorstellungen von Wirklichkeit und von der Art und Weise, wie diese zu untersuchen sei“ (Loosen, 2004, S. 100) zurückgehen.65 Paradigmen können nicht direkt miteinander verglichen werden, da ihnen völlig unterschiedliche Standards bzw. Gütekriterien zugrunde liegen. Kuhn nennt das die „In-kommensurabilität“ von Paradigmen.66 Steinke (1999, S. 99) berichtet darüber hinaus über Stu-dien, die demonstrieren, dass sich nicht nur wissenschaftstheoretisch, sondern auch empirisch in Wissenschaftskontroversen keine Einigung über gültige Kriterien der Bewertung von For-schungsergebnissen herstellen lässt. Dennoch soll an dieser Stelle ein Versuch gewagt werden, das qualitative und quantitative Paradigma gegeneinander abzuwägen. Auch wenn die daraus resultierende Wahl keinem Rationalitätsanspruch standhält, soll der dokumentierte Prozess des Abwägens dem Leser meinen Forschungsstandpunkt deutlicher vermitteln. Dazu werden Anfor-derungen an den Evaluationsansatz festgehalten. Das Evaluationskonzept soll folgende Aspekte berücksichtigen:

1. Das Forschungsdesign passt zum Untersuchungsgegenstand „Selbstmanagement im Team“ und zu meinem Forschungsverständnis.

2. Die Evaluation leistet einen Beitrag zur Verbesserung des Interventionsprogramms und ermöglicht erste Aussagen zur Wirksamkeit der Interventionen.

3. Das gewählte Design reduziert die Komplexität, die bei der Betrachtung einer realen Welt zwangsläufig entsteht, in angemessener Art und Weise.

Diese Anforderungen werden nun jeweils auf epistemologischer, methodologischer und for-schungspraktischer Ebene diskutiert.

6.3.1 Stimmigkeit von Methode und Gegenstandskonstr uktion

Kritischer Rationalismus vs. Panta rhei

Zunächst kläre ich mit Blick auf erkenntnistheoretische Grundpositionen, ob eher qualitative und/oder eher quantitative Methoden zur Art und Weise passen, wie ich den Gegenstand kon-struiere. Die derzeit gängige wissenschafts- und erkenntnistheoretische Position der quantitati-ven empirischen Sozialforschung bildet der Kritische Rationalismus67 (Bortz & Döring, 1995, S.

65 Von einer ausführlichen Gegenüberstellung qualitativer und quantitativer Prinzipien oder der Beschreibung historischer Hinter-gründe beider Zugänge soll an dieser Stelle abgesehen werden. Entsprechende Ausführungen finden sich in der einschlägigen Fachliteratur (z. B. Mayring, 2002; Lamnek, 2005). Die Besonderheiten beider Paradigmen werden in der nachfolgenden Diskussion mit Bezug auf die geplante Evaluation herausgearbeitet. 66 Kriz, Lück & Heidbrink (1987, S. 78) zufolge werden lediglich Teilaspekte von Paradigmen inkommensurabel. Streng genommen handelt es sich bei der Unterscheidung zwischen interpretativem/ qualitativem und normativem/ quantitativem Paradigma (z.B. Bun-gard & Lück, 1991) nicht um Paradigmen im Sinne Kuhns (1962). Der Begriff setzt die Existenz eines einzigen Paradigmas über einen längeren Zeitraum voraus. Da quantitative jedoch neben qualitativen Ansätzen fortbestehen und keine „qualitative Revolution“ stattgefunden hat, werden die Voraussetzungen für die Anwendung des Begriffs nicht erfüllt. Die Unterscheidung wird hier dennoch vorgenommen, da den Schlussfolgerungen Kuhns (1962) auch ein gewisser Erklärungsgehalt für die vorliegende Kontroverse zu-kommt. 67 Forschung konzentriert sich vor dem Hintergrund des Kritischen Rationalismus darauf, aus Theorien abgeleitete Hypothesen Falsifikationsversuchen zu unterziehen (Popper, 1982). Theorien sollten immer so konstruiert werden, dass sie falsifizierbar sind. Wenn sie dies erfüllen und wiederholt Falsifikationsversuche bestehen, dürfen sie als „bewährt“ gelten. Um das Kriterium der Falsifi-zierbarkeit zu erfüllen, müssen Basissätze aufgestellt werden, die durch Beobachtung intersubjektiv nachprüfbar sind. Die (vorläufi-ge) Akzeptanz von Basissätzen kann durch die Einhaltung gültiger methodologischer Regeln und Einigung innerhalb einer Forscher-gemeinschaft hergestellt werden (Kriz et al., 1987, S. 140).

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21) gemeinsam mit auf ihm basierenden neopositivistischen, empirisch-analytischen Theoriean-sätzen (Kriz et al., 1987). Bislang existiert kein klarer wissenschaftstheoretischer Bezugsrahmen für die qualitative Methodologie (vgl. Steinke, 1999). Ein solcher ist hier auch gar nicht nötig, da von einer konstruktivistischen wissenschafts- und erkenntnistheoretischen Position ausgegan-gen wird.68

Beide wissenschaftstheoretischen Positionen haben unterschiedliche Implikationen für das Bild von Forschung, Forscherrolle und Forschungsgegenstand. Die positivistische und empirisch-analytische Haltung strebt danach, den Einfluss des Forschers zu minimieren, um sich ein ma-ximal getreues Abbild der Welt zu schaffen. Sie legt den Fokus auf das „tatsächlich Gegebene“ (Lamnek, 2005). Erkenntnisziel ist das Auffinden nomothetischer Sätze (Kriz et al., 1987) und das Erschließen allgemeingültigen, gesicherten Wissens. Der Forschungsprozess soll dabei möglichst wertfrei bleiben und umfassend kontrolliert werden. Die Methodik misst sich an den Idealen der Objektivität, Reliabilität und Validität. Es sollen „reine Fakten“ in Datenform erhoben werden und vorurteilsfrei, wirklichkeitsgetreu und exakt beschrieben werden. Forschungsprak-tisch ist der Rückgriff auf innerhalb der wissenschaftlichen Community anerkannte mathema-tisch-naturwissenschaftliche Methoden charakteristisch. Ausgangspunkt sind Theorien und ihre Überprüfung unter Anwendung deduktiver Logik. Zulässig zur empirischen Hypothesenprüfung sind nur standardisierbare und intersubjektiv nachvollziehbare Erfahrungsdaten (Lamnek, 2005, S. 8). Auch wenn dies keine ontologische Objektivität im Sinne einer korrespondenztheoreti-schen Wahrheitsauffassung, wie sie im „naiven Empirismus“ der Psychologie laut Kriz et al. (1987) häufig vertreten wird, impliziert, so wird doch ein Ideal „aperspektivischer Objektivität“ (Steinke, 1999, S. 132) zugrunde gelegt.69 Dieses beruht auf der Idee, verschiedene Forscher könnten zum selben Ergebnis gelangen, wenn der Einfluss des Forschers auf die Forschung eliminiert würde – zum Beispiel, indem Abfolgen genau definierter Arbeitsschritte sowie formale Regeln konsequent eingehalten werden. Diese Vorstellung setzt jedoch die Annahme von Un-tersuchungsgegenständen voraus, die von den eingesetzten Methoden sowie der Person des Erkennenden gänzlich unabhängig sind (vgl. Hug, 2004). Der Gegenstand wird also quasi durch die Forschung aus seinem Dornröschenschlaf geweckt. Darüber hinaus dürfte sich der Untersu-chungsgegenstand auch nicht über die Zeit verändern, da sonst keine (späteren) identischen Replikationsstudien möglich wären (Steinke, 1999, S. 138).

Diese Konzeption von Objektivität bzw. Reliabilität wird hier zurückgewiesen. Es entspricht mei-ner Überzeugung, dass es keinen Zugang zu einer Wirklichkeit (und damit auch zu einem For-schungsgegenstand) außerhalb der eigenen Wirklichkeitskonstruktion gibt. Außerdem geben mir Heraklits Worte, man könne „nicht zweimal in den gleichen Fluß steigen“ (zitiert nach Vorländer, 1969, S. 91) zu denken. In der vorliegenden Studie ist das Interventionsprogramm, das als Un-

68 An dieser Stelle sei angemerkt, dass bei der weiteren Diskussion um qualitative Forschung die objektive Hermeneutik ausge-schlossen wird. Sie hat den Anspruch, „objektive“ latente (Tiefen-) Strukturzusammenhänge aufzudecken und weist daher keine Kompatibilität mit den Prämissen des Konstruktivismus auf. Für das Gros der qualitativen Methoden gilt jedoch, „dass viele Charak-teristika der qualitativen Methodologie mit konstruktivistischen Überlegungen übereinstimmen“ (Loosen, 2004, S. 102; vgl. auch Steinke, 1999, die Überschneidungen herausarbeitet, den Konstruktivismus als „angemessen für qualitative Forschung“ bewertet und ihn als Bezugsrahmen für ein methodologisches Fundament zur Diskussion von Bewertungskriterien qualitativer Forschung wählt). 69 Die Konzeption von Objektivität im Sinne von Intersubjektivität nimmt Bezug auf konsenstheoretische Wahrheitsvorstellungen. Doch auch sie geht davon aus, dass ceteris paribus die intersubjektiv gleiche bzw. zumindest ähnliche Erfahrung in der Auseinan-dersetzung mit einem Forschungsgegenstand gemacht werden könnte. Im Kern bezieht sich auch das Reliabilitätskriterium auf das Ausmaß, in dem Ergebnisse unter den gleichen Bedingungen reproduzierbar sind. Reliabilität soll die Möglichkeit intersubjektiver Erfahrung garantieren (Kriz, 1988, S. 68). Andere Forscher sollten nahezu identische Ergebnisse erhalten, sofern sie die gleichen Instrumente in der gleichen Art und Weise mit den gleichen Untersuchungssubjekten unter denselben Rahmenbedingungen verwen-den (ebda.). Eine hohe Objektivität in Durchführung und Auswertung bildet somit auch die Voraussetzung für eine hohe Reliabilität (Bortz & Döring, 1995). Beide Kriterien setzen damit eine äußere Realität voraus, die sich direkt in den Forschungsresultaten spie-gelt (Moser, 1995, S. 119).

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tersuchungsgegenstand bei der Evaluation im Vordergrund steht, in ständiger Veränderung beg-riffen. Denn prinzipiell kann es nie in exakt identischer Weise umgesetzt werden. Letztlich ist jede Erprobungssituation eine einmalige, nicht wiederholbare Situation mit einer hoch spezifi-schen Konstellation von Bedingungsfaktoren. Doch nicht nur das Interventionsprogramm und mein Erkenntnisprozess sind in Bewegung. Auch die beobachteten psychischen wie sozialen Systeme sind dynamisch und verändern sich im Laufe der Zeit (Kanfer et al., 2000, S. 25). Das heißt, auch die Zielpersonen, die davon profitieren sollen, sind unter anderem aufgrund ihrer Lernfähigkeit permanenter Veränderung unterworfen. Fasst man ihre Kognitionen im Sinne be-teiligter psychischer Systeme auf, so ist davon auszugehen, dass auch die Vorstellung von ih-rem Selbstmanagement oder das Erleben der Interventionen keine grundlegende Konstanz auf-weist. Außerdem unterliegen alle Beteiligten Wandlungen im Rahmen der individuellen Biogra-phie sowie der historischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Diese Kontextgebun-denheit ergänzt die Subjektgebundenheit von Forschung: „Fakten, Daten, Ordnungen oder Strukturen [sind] nicht ‚an sich’ gegeben, sondern in spezifischen kulturellen, historischen und gesellschaftlichen Kontexten im Lichte bestimmter Perspektiven von forschenden Aktanten [sic] gemacht“ (Hug, 2004, S. 129).

Beratung und Forschung als Co-Produktion von Wirklichkeiten

Forschung verstehe ich deshalb vor dem Hintergrund interaktionistischer, phänomenologischer und konstruktivistischer Überlegungen als ein In-Beziehung-Treten. Die Kommunikationshand-lungen entstehen in einem spezifischen Kontext von Berater-Klienten- bzw. Forscher-Forschungsteilnehmer-System (vgl. König & Volmer, 2005). Alles was ich als Forscherin oder Beraterin im Rahmen meiner Forschung und Beratung beobachten kann, sind Phänomene, die ich mit-erzeuge. Sie existieren folglich nicht unabhängig von mir, sind jedoch auch nicht von mir alleine geschaffen. Die Beratung konstruiert in diesem Zusammenhang gemeinsam mit dem Klientensystem „Problemwirklichkeiten“ (Schiepek, 1987, S. 14). Wenn man die Zielsetzung der Interventionen bedenkt und den Kontext der Evaluation einbezieht, ließe sich auch von „Lö-sungswirklichkeiten“ sprechen.

Mir ist wichtig, die Perspektiven und Wirklichkeitsentwürfe der Untersuchungsteilnehmer zu re-konstruieren. Sie sind diejenigen, die Auskunft darüber geben können, was die Interventionen in ihrem Selbstmanagementhandeln bewirken und ob sie Veränderungen und Verbesserungen wahrnehmen. In diesem Punkt orientiert sich mein Forschungshandeln an der Humanistischen Psychologie, die das Erleben als primäres Phänomen ansieht und ihm eine größere Bedeutung als Verhalten oder Theorien beimisst (Kriz et al., 1987, S. 246). Dazu bedarf es auch eines An-knüpfens an die Interpretationsmuster und Sinnstrukturen der Beforschten (Moser, 1995, S. 61). Qualitative Forschung, die sich weniger an „objektiven“ Maßen orientiert und sich stattdessen eher für Zusammenhänge „vor allem aus der Sicht der jeweils Betroffenen“ (Kiefl & Lamnek, 1984, S. 474) interessiert, erscheint somit unter epistemologischen Gesichtspunkten für das vorliegende Erkenntnisinteresse funktionaler. Sie ist besser geeignet, „die Innenperspektive [...] der Untersuchten deutlich zu machen“ (Moser, 1995, S. 99). Damit werden auch „Common Sense und lebensweltlicher Erfahrungsschatz der untersuchten Gesellschaftsmitglieder“ (Lam-nek, 2005, S. 8) der Forschung zugänglich.

Vereinbarkeit mit epistemologischen Gesichtspunkten für Methodologie nicht ausschlaggebend

Für die Anwendung in dieser Arbeit bedeutet dies jedoch noch nicht den Verzicht auf quantitati-ve Methoden. Denn letztlich ist der Zusammenhang zwischen Erkenntnistheorie und Methodolo-gie nicht zwingend. Loosen (2004) etwa plädiert für eine konstruktivistische (Re-)Interpretation

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dieses Verhältnisses. Hug (2004) spitzt die Frage dahingehend zu, ob man überhaupt nicht-konstruktivistisch forschen könne. Loosen argumentiert (2004, S. 94f.), dass der empirische Forschungsablauf relativ unabhängig von erkenntnistheoretischen Prämissen ist. In forschungs-pragmatischer und methodischer Hinsicht ändere sich an der Erhebung von Daten auch aus einer konstruktivistischen Forschungsperspektive heraus nichts Grundlegendes:

„Empirische Methoden überprüfen Hypothesen und nicht die Wirklichkeit, deren beobachtungsunabhängige Existenz deswegen auch nicht vorausgesetzt werden muss – zumindest muss der Vergleich mit der Wirklichkeit methodolo-gisch nicht zwingend in die Methoden hineingeholt werden“ (Loosen, 2004, S. 96).

Es kann sich also lohnen, die methodologischen Gütekriterien des Kritischen Rationalismus auch unter konstruktivistischen Vorzeichen beizubehalten.

Fallstruktur – idiographisch oder quasi-nomothetisch?

Bezüglich der Frage der Stimmigkeit von Methode und Gegenstandskonstruktion sind ein idi-ographischer und ein quasi-nomothetischer Ansatz gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu klären, ob Flexibilität die Priorität vor Standardisierung einzuräumen ist. Außerdem stellt sich die Frage, wie die Ursache-Wirkungs-Verknüpfungen in Bezug auf das Interventionsprogramm ge-dacht werden und welche Konsequenzen daraus für die Wahl der Methode resultieren.

In der vorliegenden Studie wird keine Repräsentativität der Ergebnisse angenommen. Es sollen in der Exploration „typische Fälle“ betrachtet werden, insofern als Teams mit hohen Selbstma-nagement-Anforderungen ausgewählt werden. Da das hier entwickelte Programm nur eine Prob-lemlösung für diese Zielgruppe anbietet, wäre eine andere Stichprobenwahl wenig sinnvoll. In-nerhalb der Zielgruppe zu einer repräsentativen Auswahl von Teams zu gelangen, ist nicht nur theoretisch schwierig, sondern erscheint auch forschungspraktisch unmöglich. Dies ist aber auch nicht nötig. Denn über die Forschungsfragen kann bereits eine kleine Stichprobe Auf-schluss geben.

Durch die Fokussetzung auf Teams wird eine Fallstruktur im Sinne der betrachteten Team-Fälle nahegelegt. Die Zielsetzung, vor allem den Einzelnen in seinem Selbstmanagement voranzu-bringen, erfordert jedoch eine Überprüfung auf individueller Ebene. Gegenstand der Evaluation ist entsprechend, wie Einzelpersonen in Teams auf das Programm reagieren. Innerhalb der qua-litativen Methodologie existieren unterschiedliche Auffassungen darüber, welches Vorgehen in einem solchen Fall zulässig ist. Eine konsequent idiographische Forschung, welche die Kontext-gebundenheit von Kommunikation berücksichtigt, verbietet an dieser Stelle das Herauslösen einzelner Aussagen aus dem individuellen Fall und aus dem Team-Fall. Einzelfälle werden erst in ihrem Verlauf interpretiert, lediglich über den Vergleich der Fälle gelangt man zu einer verall-gemeinernden Interpretation. Das Fallverständnis der Grounded Theory stellt hierzu jedoch eine Alternative bereit:

„Das Forschungsinteresse ist bei diesem Verfahren auf die Erforschung eines Phänomens und weniger auf die Erklä-rung und Beschreibung von (einzelnen) Fällen gerichtet. Entsprechend werden [...] Untersuchungsfragen nicht so formuliert, daß sie an einzelnen Fällen festgemacht werden. In der Grounded Theory wird in der Regel nicht nur ein Fall (im Sinne von einer Person, einer Abteilung) untersucht [...]. Die Theorie entsteht nicht über die Rekonstruktion von Einzelfällen und einer anschließenden vergleichenden Analyse. [...] Einzelfälle sind bereits von Beginn an in die Theoriebildung einbezogen. [...] Ziel ist die Bildung einer Theorie über ein Untersuchungsphänomen, die alle unter-suchten Fälle erklärt“ (Steinke, 1999, S. 37).

Flick (1991a, S. 163) bezeichnet diese Vorgehensweise als „Quasi-Nomothetik“, da die einzelne Aussage zugunsten der sich darin abbildenden allgemeinen Struktur aus ihrem Kontext heraus-gelöst wird. Diese Verfahrensweise verspricht in Bezug auf die übergreifenden Evaluationsfra-gen eine bessere Passung als eine rein idiographische Vorgehensweise, weil über die Einzel-personen und Teams hinweg Aussagen zum Interventionsprogramm gewonnen werden können.

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Forschungsverständnis und Evaluationsparadigma 108

Standardisierung versus Offenheit

Während in der quantifizierenden Forschung der Standardisierung von Instrumenten und Vorge-hensweisen ein hoher Stellenwert beigemessen wird, vermeidet es qualitative Forschung, „so weit wie möglich, bereits durch rein methodische Vorentscheidungen den Bereich möglicher Erfahrung einzuschränken“ (Kardorff, 1991, S. 4). Eine präzise Versuchsplanung und Operatio-nalisierung von Variablen hat den Vorteil, dass dem Forscher häufig ausführliche Begründungen seiner Methodenwahl erspart bleiben. Denn er folgt den von der Mehrheit der psychologischen wissenschaftlichen Community anerkannten Regeln. Zum anderen sorgt bei einem quantitativ perspektivierten Untersuchungsgegenstand die Vorbereitung des Forschers dafür, dass bei der Datenauswertung eine klare Entscheidung zwischen Null- und Alternativhypothese getroffen werden kann. Gerade dies bildet jedoch auch den wesentlichen Nachteil der experimentell-analytischen Vorgehensweise: Bereits vor dem ersten Feldkontakt sind alle Eventualitäten vom Forscher durchdacht (allenfalls ein Pretest liefert hier Korrekturmöglichkeiten). Durch standardi-sierte Erhebungsinstrumente wird außerdem ein enger Rahmen für die Reaktionsmöglichkeiten der Versuchspersonen abgesteckt. Somit kann auch kein Ergebnis außerhalb dieses Rahmens erwartet werden. Hier setzt die Forderung qualitativer Forscher nach „Offenheit“ (Lamnek, 2005) und „Gegenstandsentfaltung“ (Steinke, 1999) an:

„Der Forschungsprozeß muß so offen dem Gegenstand über gehalten werden, daß Neufassungen, Ergänzungen und Revisionen sowohl der theoretischen Strukturierungen und Hypothesen als auch der Methoden möglich sind, wenn der Gegenstand dies erfordert“ (Mayring, 1990, S. 16).

Da der „Gegenstand“ als Konstruktion des Forschers betrachtet werden kann, ließe sich der letzte Teil dieses Zitats paraphrasieren als „wenn der Forscher einsieht, dass seine Sicht des Gegenstands der Überholung bedarf“. Aus konstruktivistischer Sicht relativiert sich diese Art von Offenheit – denn im Grunde kann der Forscher nur das wahrnehmen, wofür er bereits Katego-rien, Schemata und Begriffe hat (und was er nach Arnold (2006) aufgrund seiner eigenen Bio-graphie „verkraftet“). Die Situation weist also Parallelen zum quantitativ gesteckten Rahmen auf – mit dem Unterschied, dass der analytische Experimentator sich zuvor mehr Gedanken um den Rahmen gemacht hat und sich dadurch vielleicht sogar der Grenzen seiner Konstrukte bewuss-ter ist als der qualitative Forscher.

Entscheidung für Flexibilität

Trotz dieses scheinbaren Sorgfalts-Vorteils schließt quantitative Forschung in der Regel das Nicht-Vorhergesehene und Ungeplante aus der Berücksichtigung aus. In der vorliegenden Stu-die kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass im Vorfeld alles bedacht werden könne und nichts Unvorhergesehenes passieren werde, das sich als wesentlich erweisen könnte. Ge-rade in Bezug auf das entwickelte Interventionsprogramm sowie den Ansatzpunkt, Selbstmana-gementfragestellungen in Teams zu bearbeiten, liegen noch keinerlei Erfahrungen vor. Es ist kaum vorhersehbar, wie die Teilnehmer auf die geplanten Selbstmanagement-Interventionen reagieren werden. Ich habe als Forscherin daher die Pflicht, die Perspektiven der „Untersuchten“ ernst zu nehmen und ihnen zuzuhören, und meine Weltsicht (dass das Programm nützlich sein kann) in Anbetracht des Gehörten einer Überprüfung auszusetzen. Baecker (2006) bringt die dahinter stehende Haltung mit der Frage auf den Punkt „Wie komme ich der Intelligenz einer Praxis auf die Spur, wenn ich nur die Intelligenz einer Wissenschaft habe?“ Eine wesentliche Quelle für die Variation der eigenen Weltsicht bilden also die Forschungsteilnehmer. Dement-sprechend ist Steinke (1999) zuzustimmen:

„Es geht gerade darum, die Erhebungssituation so zu gestalten, daß die Perspektiven des Untersuchten auf das Un-tersuchungsphänomen zugelassen und gefördert werden, die nicht vorab bedacht wurden“ (S. 139).

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Forschungsverständnis und Evaluationsparadigma 109

Lineare Kausalität gegen Komplexität

Im Rahmen der Evaluation stellt sich ebenfalls die Frage, welche Wirkungs-Modelle herangezo-gen werden. Die quantitative Methodologie basiert im Wesentlichen auf der Annahme kausaler Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Die vermuteten Entwicklungen sind häufig linearer Natur. Es wird angenommen, ein Treatment als unabhängige Variable (Input) führe zu einer kontinuier-lichen Verbesserung auf den Maßen einer abhängigen Variable (Output). Heinz von Foerster (z.B. in Kriz, 1999) hat überzeugend argumentiert, dass dieses Verständnis, den Output wie bei einer „trivialen Maschine“ als einfache Funktion des Inputs zu sehen, für dynamische Entwick-lungsprozesse lebender, selbstorganisierter Systeme unangemessen ist (vgl. Kanfer et al., 2000). Auch Bateson (1983) wehrt sich gegen lineare Kausalitätsannahmen, da damit a priori wesentliche Aspekte nicht erfasst werden:

„Wenn aber der gesamte Geist und die äußere Welt im allgemeinen [sic] nicht diese geradlinige Struktur haben, dann werden wir, indem wir ihnen diese Struktur aufzwingen, blind für die kybernetischen Kreisläufe des Selbst und der äußeren Welt. Unsere bewußte Auswahl von Daten wird keine ganzen Kreisläufe enthüllen, sondern nur Bögen von Kreisläufen, die durch unsere selektive Aufmerksamkeit von ihrer Matrix abgeschnitten sind“ (S. 572).

In dieser Arbeit werden Kompetenzentwicklungsprozesse in Bezug auf das individuelle Selbst-management angenommen, die über Kontextfaktoren des Teams vermittelt sind. Zwar weiß man, dass kollektive Lernprozesse anders verlaufen als individuelle. Es gibt jedoch kaum Ant-worten darauf, wie sie ablaufen, wie sie mit individuellen Lernprozessen zusammenhängen und wie sie zu evaluieren sind (Bernien, 1997). In Anbetracht dessen wird ein linear-kausaler Wir-kungszusammenhang der Komplexität psychologischer Veränderungsprozesse nicht gerecht:

„Da Kompetenzentwicklung nicht auf isoliertes Speicherwissen abhebt, sondern auf Problemlösung von Sachverhal-ten und Selbstorganisation, setzt sie komplexe Wirkungsketten in Gang, die nicht oder nur sehr schwer ursächlich und zweifelsfrei auf bestimmte Maßnahmen, Instrumente, Lernformen oder -methoden zurückzuführen sind“ (Bernien, 1997, S. 30).

Doch welches Vorgehen ist zu wählen, wenn die Wirkungszusammenhänge unbekannt sind? Moser (2004) weiß einen Ausweg:

„Wenn man [...] keine genaue Vorstellung von möglichen Eigenschaften und Wirkungsweisen eines Zusammenhangs hat, bietet sich möglicherweise eine Komplexitätssteigerung durch eine ‚dichte Beschreibung’ (Geertz) in offenen Interviews an, die anschließend etwa mithilfe einer Konversations- oder einer Inhaltsanalyse reduziert werden kann“ (Moser, 2004, S. 23).

Die Entscheidung mit Blick auf die Stimmigkeit zwischen Gegenstandskonstruktion und Methode fällt somit zugunsten qualitativer Methoden aus.

Teams in ihrer natürlichen Umgebung gegen standardisierte Rahmenbedingungen

Unter forschungspraktischen Gesichtspunkten ist es naheliegend, die Teams in ihrer Alltagsum-gebung (ihrer Organisation) aufzusuchen und Workshops und Interviews dort zu verorten. Dies ist sinnvoll, da der Organisationskontext das Selbstmanagementhandeln entscheidend prägt. Den Forderungen im Rahmen eines Quasiexperiments (Unabhängigkeit von Untersucher-Variationen und Randbedingungen der äußeren Situation als Voraussetzung für Replizierbar-keit) wäre damit schwer nachzukommen. Angewendet auf die vorliegende Studie ließe sich die Forderung nach Objektivität darüber umsetzen, die äußeren Bedingungen möglichst konstant zu halten (z.B. in Bezug auf den Ort der Durchführung der Workshops, die verwendeten Materia-lien, die Workshopzeiten, Pausen etc.) und „die soziale Interaktion zwischen Untersucher und Pb [Proband] [z.B. in Pausen] auf ein unumgängliches Minimum zu reduzieren“ (Lienert, 1969, S. 13). Anschließend sollten mehrere instruierte Forscher die Workshops und Interviews „leitfa-dengemäß“ durchführen.

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Forschungsverständnis und Evaluationsparadigma 110

Führten zwei unterschiedliche Forscher jeweils mit dem gleichen Team den gleichen Workshop durch, so sollten sie im Idealfall exakt die gleichen Ergebnisse erzielen. Das wird jedem, der einmal die Komplexität und Einzigartigkeit eines Workshops erlebt hat, hochgradig unrealistisch anmuten. Menschliche Interaktionen lassen sich kaum „störungsfrei“ gestalten. Und sozialpsy-chologische Einflüsse entfalten selbst in der hoch standardisierten Situation des psychologi-schen Experiments ihre Wirkung (z.B. Rosenthal, 1976). Praktisch gesehen müssten die Teil-nehmer alle aus derselben Organisation stammen – denn die Herkunft aus unterschiedlichen Unternehmenskulturen könnte eine erneute Quelle von Störvariablen bedeuten. Doch selbst innerhalb einer großen Organisation können unterschiedliche Subkulturen angenommen werden – vor diesem Einfluss wäre man also nicht gefeit.

Hier lässt sich die Frage der Passung zum Untersuchungsgegenstand nach dem Ausschlussver-fahren zugunsten qualitativer Methoden beantworten. Entscheidend ist auch, dass im qualitati-ven Ansatz die Beziehung zwischen Forscher und Beforschtem ernster genommen wird und Gegenstand von Planung und Reflexion ist. So ist mit Moser (1995) für die Arbeit in Organisati-onen das Fazit zu ziehen:

„Insgesamt [...] scheinen qualitative Methoden eher geeignet, den Ansprüchen einer praxisnahen Forschung zu genü-gen, welche daran interessiert ist, mit ihrer Arbeit an das Praxissystem anzuschließen“ (S. 98).

6.3.2 Beitrag zu den Evaluationszielen

Know-how-Gewinnung als legitimes Erkenntnisinteresse

Zur Frage, welches Paradigma eher geeignet erscheint, die Evaluationsziele (Verbesserung des Programms und erste Abschätzung der Wirksamkeit) zu erfüllen, lassen sich aus epistemologi-scher Sicht unterschiedliche Erkenntnisansprüche differenzieren. Aus dem Blickwinkel des Kriti-schen Rationalismus ist der Erkenntnisgewinn von Evaluation als wissenschaftlichem Unterfan-gen zumindest zweifelhaft. Denn das Erkenntnisziel ist nicht auf die Prüfung von Wirkungstheo-rien gerichtet, sondern konzentriert sich nur auf ein spezielles Programm. Das bessere Ver-ständnis über ein solches Programm sowie seine Verbesserung ist aus dieser Perspektive kein „legitimes“ Erkenntnisziel. Im Hinblick auf Aussagen zur Wirksamkeit gehen die Meinungen aus-einander. Es besteht selbst unter Anhängern des Kritischen Rationalismus Uneinigkeit über den epistemologischen Status von Wirksamkeitshypothesen (vgl. Hager & Patry, 2000). Die Position, die sich mit dem Unterfangen dieser Studie vereinen lässt, skizzieren Hager und Patry (2000) wie folgt:

„Die andere Auffassung sieht dagegen auch derartige Hypothesen als wissenschaftlich an, weil sie mit wissenschaftli-chen Mitteln empirisch prüfbar sind und weil sie damit auch grundsätzlich an der Empirie scheitern können. Aus die-ser Sicht trägt auch der wissenschaftlich-empirische Nachweis, dass ein Produkt wirksam oder nicht wirksam ist, zum (wissenschaftlichen) Erkenntnisgewinn bei, auch wenn dieser in erster Linie für die technologische Praxis von Bedeu-tung ist“ (S. 4f.).

Vor dem Hintergrund konstruktivistischer Überlegungen trifft das Erkenntnisvorhaben, ein ethisch legitimierbares Programm zu erproben und verbessern zu wollen, dagegen nicht auf Widersprüche:

„Anders als in anderen empirischen Programmen ist es im Empirischen Konstruktivismus zum Beispiel kein rational begründbares Ziel, eine ontische Realität erkennen zu wollen. Begründbar ist dagegen der Versuch, mit den Mitteln rationaler Wirklichkeitskonstruktion nach viablen neuen oder alternativen Lösungen für Probleme zu suchen, die wir in und mit unseren Wirklichkeiten haben. Das Ziel solcher Anwendungen ist immer die Gestaltung von Wirklichkeit; der Weg dorthin ist immer die Veränderung ihrer kognitiv-sozialen Konstruktion; das Mittel ist immer der Anstoß von Ver-änderungen im Denken und Handeln durch Veränderung von Bedingungen kognitiv-sozialer Wirklichkeitskonstruktion“ (Rusch, 2004, S. 187).

Es gilt dabei Verhältnisse (aktiv) herzustellen, die mit theoretischen Annahmen in Einklang ste-

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Forschungsverständnis und Evaluationsparadigma 111

hen (vgl. Holzkamp, 1972). Somit werden erfolgreiche Handlungen zum Erkenntnisziel.70 Eine Synthese zwischen dieser pragmatischen Position, konstruktivistischen Überlegungen, for-schungspraktischem Handeln und grundlegenden Lernprozessen findet sich bei Rusch (2004):

„Das forschungspragmatische Handeln wird im Rahmen eines Empirischen Konstruktivismus am Grundmodus des kognitiven operationalen Lernens orientiert, nämlich an der Selbstbobachtung des Tuns mit Blick auf dessen Folgen, genauer: unter dem Aspekt der Erreichung von Absichten, Zielen oder Zwecken. Damit ist das forschungspraktische Handeln faktisch und pragmatisch eingebunden in den Zusammenhang des Handeln-Lernens beziehungsweise die Gewinnung, die Konstruktion von Know-how. Der Modus dieses Lernens ist das Erfahrungen Machen mit erfundenen konzeptuellen Konstrukten (wie Begriffen, Schemata, Frames, Scripts, etc.) oder mit Verhaltens- oder Handlungsmo-dellen im (Handlungs-)Rahmen der Verfolgung jeweils spezifischer Beschreibungs-, Erklärungs- oder Gestaltungszie-le. Dieser allgemeine Modus des Lernens kann wissenschaftlich diszipliniert werden, indem er besonderen Anforde-rungen [...] unterworfen wird“ (S. 184 f.).

Statt des Anspruchs auf Wahrheit erhebt Forschung mit konstruktivistischem Vorzeichen also den Anspruch auf Handlungsrelevanz der Erkenntnisse. Sie relativiert mit Blick auf die Subjekt-gebundenheit von Erfahrung a priori den Geltungsbereich möglicher Erkenntnis und öffnet den Blick für die Pluralität und Toleranz unterschiedlicher Sichtweisen. Somit erscheint diese Per-spektive mit dem primären Ziel der Evaluation (Verbesserung des Programms) sehr gut verein-bar.

Praktische anstelle statistischer Bedeutsamkeit

In Bezug auf die Erfüllung der Evaluationsziele differieren qualitative und quantitative Methoden vor allem im Hinblick darauf, wo sie bezogen auf die Herstellung von Bedingungen kontrollierter Praxis ihren Schwerpunkt setzen. Vertreter des quantitativen Paradigmas halten es für die „zent-rale wissenschaftliche Aufgabe von Wirksamkeitsevaluationen [...], denjenigen Anteil an den insgesamt beobachteten Veränderungen zu ermitteln, der allein auf die durchgeführte Interven-tionsmaßnahme zurückzuführen ist“ (Mittag & Hager 2000, S. 117). Dies ist einzig durch ein Vergleichsgruppendesign und die Kontrolle von Störfaktoren zufriedenstellend realisierbar (Ros-si & Freeman, 1988; Hager & Hasselhorn, 2000a; Patry & Perrez, 2000). Es reicht aus dieser Sicht nicht aus, festzustellen, dass eine Wirkung aufgetreten ist, sondern es muss ermittelt wer-den wie stark bzw. intensiv diese ausgefallen ist (Hager, 2000a, S. 156). In der Regel werden Effektgrößen (z.B. der standardisierte Mittelwertsabstand zwischen Experimental- und Ver-gleichsgruppe) als statistische Operationalisierung der Wirkungsintensität herangezogen. Prob-lematisch ist, dass Effektgrößen sich in Feldstudien nicht ohne Weiteres als das Maß praktischer Bedeutsamkeit, als das sie gehandelt werden, interpretieren lassen. Entsprechend fordern zum Beispiel Vertreter der Psychotherapieforschung, der ökologischen Validität (Brunswik, 1955) Vorrang zu geben vor der internen Validität:

„Die situationsgerechte, komplexitätserhaltende und den subjektiven Bedingungen des Klienten gerecht werdende Datenerhebung (relative Exaktheit) ist unserer Auffassung in der Praxis nach wichtiger als der Versuch, krampfhaft strengste methodische Erfordernisse aus der psychologisch-experimentellen Grundlagenforschung in den Bereich der klinischen Praxis und Evaluation herüberzuretten“ (Kanfer et al., 2000, S.120).

Diese Argumentation lässt sich auf das Ziel meiner Studie übertragen, neben der Verbesserung des Programms auch erste Aussagen zur Wirksamkeit zu treffen. Da dabei „sowohl das Pro-gramm wie die Umstände seiner Ausführung und das zwischenzeitliche Geschehen als ‚Paket’ interessieren, kann man auf die Vergleichsgruppe verzichten“ (Mittag & Hager, 2000, S. 103). Da es in dieser Studie zudem nicht um die Evaluierung eines bereits etablierten Programms geht, sondern gewissermaßen um eine Testphase, ist eine qualitative Vorgehensweise indiziert.

70 Diese Auffassung geht konform mit der philosophischen Position des amerikanischen Pragmatismus, als dessen prominente Vertreter Charles S. Peirce, William James und John Dewey zu nennen sind (vgl. Siebert, 1998). Erkenntnis und Wahrheitsbildung sind in dieser Denkrichtung eng mit lebensweltlichen Handlungen verknüpft. Gelebte Erfahrung führt dann letztlich zu Theoriebildung und -änderung.

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Forschungsverständnis und Evaluationsparadigma 112

Auch Rossi und Freeman (1988) heben die Bedeutung qualitativer Methoden bei der Entwick-lung und Implementation eines Programms hervor. Es geht darum, „durch ‚Feedback’ [...] die Arbeitsweise eines Programms zu verbessern“ (Rossi & Freeman, 1988, S. 188). Da dabei die individuelle Bedeutung, welche die Teilnehmer dem Interventionsprogramm beimessen, interes-siert, stehen „nicht-reaktive Messungen“ (Bungard & Lück, 1991) nicht zur Diskussion. Stattdes-sen gilt es, „den von den Untersuchten im Feld verwendeten Äußerungen bzw. Konstruktionen Raum zu geben“ (Steinke, 1999, S. 84).

Ohne Uniformität kein Vergleichsgruppendesign

Ein qualitativer Ansatz ist also die Methode der Wahl, um ein Programm zu verbessern. In Be-zug auf die Abschätzung von Wirkungen bleibt er jedoch angreifbar. Daher möchte ich nach dem Ausschlussverfahren darlegen, welche forschungspraktischen Gründe gegen ein Ver-gleichsgruppendesign sprechen.

Um eine Wirksamkeitshypothese zu testen, ist zunächst eine isolierte Evaluation vonnöten. Um die Feststellung der grundsätzlichen Wirksamkeit meines Programms vorzunehmen, wäre es notwendig, den Vergleich zu einem weiteren Interventionsprogramm „mit grundsätzlich anderen spezifischen Programmzielen“ (Mittag & Hager, 2000, S. 117) zu suchen. Es wäre also zunächst ein weiteres Programm zu entwickeln oder auszuwählen, das nicht auf Selbstmanagement-Verbesserungen abzielt (nehmen wir zu Illustrationszwecken ein Gedächtnistraining an). Dann wäre es entscheidend, dass Experimental (EG)- und Kontrollgruppe (KG) die gleichen Randbe-dingungen durchlaufen: Zu diesen zählen unter anderem „gleiche Anzahl der Interventionssit-zungen, gleiche Dauer dieser Sitzungen, gleiche Gruppenzusammensetzungen (oder Einzelin-terventionen), gleichartige emotionale oder soziale Beziehungen in beiden Versuchsgruppen usw.“ (Hager, 2000b, S. 188). Nicht nur, dass es bei der Arbeit mit Teams hochgradig unrealis-tisch erscheint, solche gleichartigen Bedingungen in beiden Versuchsgruppen herstellzustellen – allein der Versuch, zwei gleich attraktive Programme zu finden und ein Unternehmen davon zu überzeugen, seine Mitarbeiter für die Teilnahme freizustellen, dürfte an Grenzen stoßen. Und man stelle sich die Verwirrung der Kontrollgruppe vor, die vor und nach ihrem Gedächtnistrai-ning im Team nach persönlich bedeutsamen Zielen gefragt würde und am Ende ihre Zielerrei-chung einschätzen müsste!

Auch eine Wartekontrollgruppe hilft hier nicht weiter, da durch ihren Einsatz keine interventions-gebundenen Wirkungen, das heißt Wirkungen der Interventionssituation als solche, kontrollier-bar sind (und damit wäre die „zentrale wissenschaftliche Aufgabe von Wirksamkeitsevaluatio-nen“ nach Mittag und Hager (2000, S. 117), die Ermittlung von Nettowirkungen, verfehlt). Da die Interventionssituation in dieser Studie für die Wirkung entscheidend ist und somit eher Bruttowir-kungen interessieren, wäre dies dennoch eine mögliche Alternative. Jedoch müsste das erste lösungsorientierte Interview auch an der Kontrollgruppe durchgeführt werden, da auf seiner Ba-sis die Ziele festgelegt werden, die bei der Beurteilung des Programms als Kriteriumsmaß he-rangezogen werden. Doch das Interview ist bereits eine wesentliche Intervention des Pro-gramms, der Status als Kontrollgruppe wäre somit hinfällig. Und angenommen man behelfe sich damit, die Daten unterschiedlich zu erheben – bei der Experimentalgruppe wie geplant im Ge-spräch und bei der Wartekontrollgruppe über einen Fragebogen. Dann ließe sich kaum die glei-che Datenqualität realisieren und die Vorgehensweise wäre immer der Kritik anfällig, dass nicht das Gleiche gemessen wurde. Man könnte das Problem zu lösen suchen, indem andere quanti-tative Maße eingesetzt würden, die Aufschluss darüber gäben, ob das Programm zu einer Selbstmanagement-Verbesserung führt. Doch ein Blick über bereits existierende Messverfahren (Klages, 2007) zeigt, dass herkömmliche Verfahren dies nicht zu leisten imstande sind.

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Forschungsverständnis und Evaluationsparadigma 113

Vergleichende Evaluation im vorliegenden Fall wenig sinnvoll

Eine weitere Möglichkeit wäre der Versuch einer vergleichenden Evaluation. Dazu müsste man im vorliegenden Fall zunächst ignorieren, dass „vergleichende Evaluationen [...] in aller Regel erst dann Sinn [machen], wenn ein Programm isolierte Evaluationen mit Erfolg durchlaufen hat“ (Mittag & Hager, 2000, S. 117). Der Vorteil dieser Vorgehensweise wäre, dass Experimental- und Alternativprogramm die gleichen Ziele verfolgen dürften. Dies würde die Kommunikation bei der Akquise von Programmteilnehmern im Vergleich zu dem bereits skizzierten Kontrollgrup-pendesign erheblich erleichtern. So wäre etwa eine vergleichende Evaluation von Einzelcoa-chings (alternativ auch Selbstmanagement-Trainings) mit dem hier vorgestellten Programm denkbar. Angenommen, der nötige Aufwand hierfür wäre zu leisten, so wäre die Studie dennoch in mehrerer Hinsicht angreifbar:

1. Es ließe sich immer argumentieren, dass in puncto Stichprobe gravierende Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen (Einzelpersonen vs. Teammitglieder) bestehen. Macht man sich die Mühe, auch für das reine Coaching-Treatment Teams zu rekrutieren, so bleibt das Standard-Totschlagargument, die Teams seien nicht vergleichbar. Dieses ließe sich nur umgehen, indem man die Teams aufteilt und die eine Hälfte der Personen dem Coa-ching-Treatment, die andere Hälfte dem Team-Treatment zuteilt. Da aber davon auszuge-hen ist, dass beim Team-Treatment auch Rückwirkungen auf das gesamte Team erfolgen (und damit auf die Coaching-Gruppe), wäre diese Vorgehensweise ebenfalls ausgeschlos-sen.

2. Dadurch, dass diese Dissertation in kein Forschungsprojekt eingebunden ist und außer den eigenen finanziellen Ressourcen keine weiteren Mittel zur Verfügung stehen, läge die Ent-wicklung und Durchführung des Programms immer noch in einer Hand. Somit bliebe der Vorwurf des Versuchsleitereffekts. Man könnte immer vorwerfen, ich hätte bewusst oder unbewusst mit der Coaching-Gruppe weniger intensiv, weniger wertschätzend, weniger en-thusiastisch etc. gearbeitet, weil ich von der überlegenen Wirksamkeit meines Programms überzeugt sei.

3. Störvariablen könnten in den beschriebenen Settings nicht kontrolliert werden. Beispiels-weise könnte zeitlich höchstens versucht werden, bestimmte Abstände einzuhalten. Es könnte jedoch aufgrund der beschränkten Zeitressourcen nicht in gleichen Zeiträumen in beiden Experimentalgruppen interveniert werden. Somit wäre immer einzuwenden, die Pro-gramme unterschieden sich bezüglich der Ziele und Randbedingungen voneinander und stellten somit nur eine schwache Form der wechselseitigen Kontrolle dar (Hager, 2000b, S. 192).

Das entscheidende Argument gegen eine vergleichende Evaluation ist jedoch, dass sie trotz hohem Aufwand keine Aussagen zur grundsätzlichen Wirksamkeit, sondern nur Ergebnisse zur relativen Wirksamkeit des Interventionsprogramms erlaubt. Was das bedeutet, lässt sich ge-danklich durchspielen, wenn man sich die möglichen Ergebnisse vergegenwärtigt: Nehmen wir an, die Hypothese, dass mein Programm wirksamer ist als ein Vergleichsprogramm „Coaching“, wird bei der empirischen Überprüfung nicht bestätigt. Für den Fall, dass keine Unterschiede zwi-schen den Treatments festgestellt werden oder dass mein Programm schlechter abschneidet als das Coaching-Programm, lässt sich der Befund nicht eindeutig interpretieren. Ich erhalte keine Hinweise, um zu entscheiden, ob beide Maßnahmenprogramme unwirksam sind oder ob mein Programm im Vergleich zum Coaching-Programm so wesentlich weniger wirksam war, dass ich es als unwirksam einstufen muss (Hager & Hasselhorn, 2000a):

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Denn „man kann [...] auf Grund von vergleichenden Evaluationen nicht die Frage beantworten, ob das weniger wirk-same Programm in der konkreten Untersuchung überhaupt wirksam gewesen ist“ (Hager, 2000b, S. 193).

Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich beide Programme in der eigenen Unter-suchung als unwirksam erweisen. Damit bliebe als Haupterkenntnis einer sehr aufwändigen Studie nur eine Effektivitätsrangfolge zweier unwirksamer Programme (ebda.). Diese Überle-gungen verdeutlichen, warum vergleichende Evaluationen wie auch die übrigen denkbaren qua-siexperimentellen Designs aus forschungspraktischer Sicht für die vorliegende Fragestellung ausgeschlossen werden.

6.3.3 Komplexitätserhaltende Komplexitätsreduktion

Die letzte Anforderung an den Evaluationsansatz ist eine eher pragmatische und betrifft die Art und Weise der Informationsgewinnung und -aufbereitung. Im Rahmen der Evaluation ist die zu reduzierende Komplexität nicht (nur) selbst erzeugt (etwa durch die Auswahl betrachteter Begrif-fe, Konzepte und Theorien) und auf ein theoretisches Sprachgebilde bezogen, sondern ent-springt den Bedingungen der Organisationspraxis und der Empirie. Anders gesagt: Es erfolgt eine Transformation von der Sprachebene zur Erfahrungs- und Handlungsebene (vgl. Kriz et al., 1987, S. 62). Die gemachten Erfahrungen müssen in einem nächsten Schritt wieder auf die Sprachebene zurückgeführt werden. Da verschiedene methodische Zugänge ein unterschiedli-ches Potenzial zur Komplexitätsreduktion aufweisen, besteht bei der Umsetzung in methodische Handlungsoperationen die Gefahr, durch eine übermäßige Simplifikation über das Ziel hinaus zu schießen.

Darüber, ob eher quantitative oder qualitative Methoden eine angemessene Komplexitätsreduk-tion leisten, wird seit jeher trefflich gestritten. Qualitative Forscher sehen die Komplexitätsreduk-tionsleistung der quantitativen Forschung als Übersimplifizierung an. Die Kritik am quantitativen Paradigma zielt häufig darauf ab, dass wesentliche Aspekte (z.B. die Situationsdefinition der Versuchspersonen) aus der Erkenntnis ausgeblendet würden (vgl. Bungard & Lück, 1991; Gstettner, 1991; Lamnek, 2005). Oder dass die Fragestellungen zum Teil bis zur Belanglosigkeit eingeschränkt würden, um „sichere“ Erkenntnisse zu liefern (Moser, 1977, S. 11). Gomez (1981) spricht im Namen vieler qualitativer Forscher, wenn er eine „positivistische und reduktionistische Forschungseinstellung“ für Forschung in sozialen Systemen für „absolut ungenügend, ja sogar verhängnisvoll“ (S. 19) hält. Quantitative Forscher dagegen kreiden der qualitativen Forschung ihre Komplexitätserhaltungsleistung als Mangel an. Vertretern des Konstruktivismus werfen sie häufig Antiempirismus vor. Auf qualitative Forschungsarbeiten beziehen sie sich häufig erst gar nicht, womit diese als „unwissenschaftlich“ abgestraft werden. Ansonsten wird der Vorwurf laut, es würden mit enormem Aufwand Trivialitäten zutage gefördert. Im Sinne des Werte- und Ent-wicklungsquadrats (Schulz von Thun, 1999) könnten beide Richtungen davon profitieren, sich von der jeweils anderen „eine Scheibe abzuschneiden“.

Der Forschungsgegenstand, Selbstmanagement-Prozesse einzelner Individuen in sozialen Sys-temen anzuregen und zu beobachten, ist zweifelsohne bereits komplex konstruiert. Qualitative Methoden in einem konstruktivistischen Bezugsrahmen scheinen eher in der Lage, diese Kom-plexität angemessen zu erhalten. Kelle (1997) schreibt in diesem Zusammenhang „Komplexe Probleme erfordern komplexe Bearbeitungen“ (S. 207). So ist wohl auch Kleinings (1991) Emp-fehlung zu verstehen:

„Wissenschaftliche Forschung […] soll dann ‚qualitativ’ vorgehen, wenn die Gegenstände und Themen, nach allge-meinem Wissensstand, nach Kenntnis des Forschers oder auch nur nach seiner Meinung, komplex, differenziert, wenig überschaubar, widersprüchlich sind oder wenn zu vermuten steht, daß sie nur als ‚einfach’ erscheinen, aber – vielleicht – Unbekanntes verbergen“ (S. 16).

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Die quantitative Methodik offenbart dagegen im Hinblick auf Komplexitätsreduktion ihre Stärken und ist hier meines Erachtens klar im Vorteil. Die Standardisierung der Messinstrumente und Operation mit metrischen Variablen erleichtert die Vergleichbarkeit innerhalb und zwischen Stichproben. Man hat es eben nicht mit unterschiedlichen Weltbildern zu tun, sondern mit einer Bezugsgröße, die vom Forscher vorgegeben ist und daher für ihn leicht zu interpretieren ist. Zudem reduziert die Standardisierung den Aufwand in der Durchführung enorm. Die Angabe der Ergebnisse von Signifikanztests und Effektgrößen erleichtert darüber hinaus den Anschluss an den wissenschaftlichen Diskurs. Die Ergebnisse lassen sich beispielsweise auch in Metaanaly-sen weiterverarbeiten. Sie sind leichter kommunizierbar und erfüllen die Anforderung an Kom-plexitätsreduktion damit auch über die Grenzen der Wissenschaft hinaus. Auch die Ergebnisse dieser Studie sollen nicht zu komplex sein, da sie auch Personalentwicklern Hilfestellung bieten sollen.71

Im Hinblick auf Komplexitätsreduktion bietet die Standardisierung im Rahmen eines Vortest-Nachtest-Vergleichsgruppendesigns enorme Vorteile durch die Verschlankung von Durchfüh-rung und Auswertung. Während mittels quantitativer Methoden eine größere Zahl von Proban-den untersucht werden kann, ist dies bei einem qualitativen Design mit Blick auf Ressourcen (Zeit und Kosten) kaum zu bewältigen. Beispielsweise würde der Einsatz eines Fragebogens statt des hier geplanten eineinhalbstündigen Interviews zur Festlegung des Kriteriumsmaßes bei einer Stichprobe von N=41 (und angenommenen 12 Stunden Transkription pro Interview sowie 8 Arbeitsstunden pro Tag) bereits 61 Tage Arbeit ersparen (ohne die Auswertung in Betracht zu ziehen, die durch den Einsatz von Statistik-Software ebenfalls um ein Vielfaches weniger auf-wändig wäre). Ein solcher Fragebogen steht jedoch nicht zur Verfügung. In ihrer Diplomarbeit begutachtete Klages (2007) die auf dem deutschen Markt erhältlichen Verfahren zur Messung von Selbstmanagement-Kompetenz anhand des auf der DIN 33430 aufbauenden Kriterienkata-logs „DIN Screen“ (Kersting, 2006). Keines der Verfahren eignet sich für die vorliegende Frage-stellung.72 Entsprechend fällt trotz des höheren Komplexitätsreduktionspotenzials quantitativer Methoden die Entscheidung zugunsten qualitativer, „situationsadäquate[r], flexible[r] und die Konkretisierung fördernde[r] Methoden“ (Lamnek, 2005, S. 10) aus.

Es bleibt jedoch das Problem, aus der Vielfalt möglicher Beobachtungen auszuwählen und nicht den Überblick zu verlieren. Loosen (2004) findet eine pragmatische Lösung, indem sie die Aus-einandersetzung mit Komplexität auf Abschnitte des Forschungsprozesses beschränkt:

„Der unter konstruktivistischer Perspektive anfallende (Re-)Interpretationsbedarf fällt viel mehr am Anfang – zum Beispiel bei grundlegenden methodologischen und methodischen Konzeptionsüberlegungen – und am Ende von empirischen Studien – etwa bei der Interpretation der Ergebnisse – an. [...] Der konzeptionelle methodologische ‚Un-terbau’ muss dabei deutlich umfangreicher und umfassender angelegt werden als der Rückbezug auf die eigentliche methodische Arbeit“ (S. 94f.).

Loosens Ansatz verspricht für das Forschungshandeln Entlastung. Auch der Rückgriff auf Hypo-thesen (vgl. 5.1.2) und Forschungsfragen (vgl. 6.2) erscheint aus Gründen der Komplexitätsre-duktion sinnvoll. Sie können genutzt werden, um die Aufmerksamkeit im Rahmen der Auswer-tung zu fokussieren. Indem sich die Ergebnisdarstellung an ihnen orientiert, wird die Nachvoll-ziehbarkeit für den Leser erhöht. Ergänzend dazu sollte der Blick auch auf Überraschendes und Unerwartetes gelenkt werden. Es sollten gerade die Aspekte betrachtet werden, die sich nicht

71 Organisationswissenschaftliche Untersuchungen über Problemlösestrategien von Entscheidungsträgern (z.B. March & Olsen, 1976) deuten darauf hin, dass der Differenzierungsgrad dazu nicht zu hoch sein sollte. 72 Dies erklärt sich damit, dass die Verfahren entweder im Organisationskontext nicht zumutbar erscheinen, nicht veränderungssen-sitiv sind oder durch den expliziten Bezug auf ganz konkrete Selbststeuerungs-Theorien ein anderes Verständnis von Selbstmana-gement implizieren (z.B. Selbstmanagement als reine Strategieanwendung) als das dieser Arbeit zugrunde gelegte.

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mit den Hypothesen decken. Denn die informationsreduzierende Selektion mittels Hypothesen kann den Blick für unerwartete oder nicht in das zugrunde gelegte Schema passende Elemente verschließen (Lamnek, 2005). Daher ist die „Bereitschaft [gefordert], bestehendes Wissen zu verwerfen, um im Angesicht unerwarteter empirischer Daten nach neuem Wissen bzw. neuen Regeln zu suchen“ (Steinke, 1999, S. 24).

6.3.4 Fazit: Entscheidung für einen qualitativen Ev aluationsansatz

Der qualitative Zugang erscheint nach Abwägung der Anforderungen insgesamt angemessener für das geplante Forschungsvorhaben. Insbesondere die Art und Weise, wie der Gegenstand konstruiert wurde, weist eine hohe Stimmigkeit zu qualitativen Methoden auf. Im Hinblick auf die Evaluationsziele haben sowohl quantitative als auch qualitative Methoden Vor- und Nachteile. Bedenkt man jedoch die Prioritäten der Evaluationsziele (dass das Programm in erster Linie verbessert werden soll), offenbart sich eine bessere Passung qualitativer Methoden. Der quanti-tative Ansatz bietet auf methodologischer und forschungspraktischer Ebene deutliche Vorteile im Hinblick auf Komplexitätsreduktion und Ökonomie sowie eine verbesserte Anschlussfähigkeit an das Regelwerk der psychologischen wissenschaftlichen Community. Tabelle 1 fasst die Diskus-sion zusammen, indem die Argumente jeweils in eine Plus-Minus-Bewertung für oder wider die Angemessenheit des qualitativen oder quantitativen Paradigmas überführt wurden.

Aus konstruktivistischer Sicht ist man als Forscher unabhängig vom gewählten Methodenansatz gut beraten, Zurückhaltung in Bezug auf Geltungsansprüche seiner Erkenntnisse zu üben. Die Spezifik einer konstruktivistischen Methodologie liegt schlicht in der „Interpretation dessen, was man macht, das heißt Interpretation eigener Handlungen und eigener mentaler Operationen“ (Glasersfeld, 1997, S. 360, zitiert nach Moser, 2004, S. 12). Das Handeln nimmt neben der Selbstreflexion in diesem Kontext eine hohe Bedeutung ein. Die Leitidee ist die der „reflection in action, d.h. die fallspezifische Lösung von Problemen, deren Komplexität die der empirisch ab-gesicherten Modelle übersteigt und die Anwendung auch impliziten Handlungswissens verlangt“ (Kubowitsch, 2002, S. 180). Qualitative Forschung ist aus dieser Perspektive ein Prozess, der verändernd auf die Konstruktionen des Forschers rückwirkt – und zugleich das Potenzial hat, verändernd in die Praxis einzugreifen.

Tabelle 1: Abwägung des Evaluationsparadigmas im Hinblick auf die Anforderungen dieser Studie.

PASSUNG ZWISCHEN UNTERSUCHUNGS-GEGENSTAND UND METHODE

VERBESSERUNG DES PROGRAMMS UND ERSTE ABSCHÄTZUNG DER WIRKSAMKEIT

ANGEMESSENE KOMPLEXITÄTS-ERHALTUNG BZW. -REDUKTION

FOKUS

Qualitativ Quantitativ Qualitativ Quantitativ Quali tativ Quantitativ

Epistemologische Ebene

+ +/- + - + -

Methodologische Ebene

+ - +/- +/- - +

Forschungs-praktische Ebene

+ - + - - +

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Ein Evaluationskonzept für systemische Selbstmanagement-Interventionen 117

7 Ein Evaluationskonzept für systemische Selbstmana ge-ment-Interventionen

7.1 Die Basis des Evaluationsansatzes: Respekt vor der Praxis

„Organisationstheoretisch betrachtet ist die qualitative Evaluationsforschung einer von etlichen wissenschaftlichen Versuchen, organisatorische Wandlungsprozesse zu initiieren, zu begleiten und bewerten“ (Kraus, 1991, S. 412). Diese Auffassung konvergiert mit den Idealen der Hand-lungsforschung:73 Im Rahmen dieses Konzepts lassen sich Parallelen zwischen Forschung und Beratung ziehen. In beiden Fällen wird versucht, Lernprozesse anzuregen, mit dem Ziel, Hand-lungsalternativen zur Lösung auftretender Probleme zu entwickeln (Stockmann, 2000, S. 18). Die geplante Studie reiht sich demnach gut in Praxisforschungskonzepte ein. Sie entspricht zugleich den Anforderungen an angewandte Forschung (vgl. Rossi & Freeman, 1988) und ist ebenfalls kompatibel mit einem Konzept von systemischer Empirie, wie es Müller (2000) vertritt. Die folgenden Kennzeichen von Handlungsforschung (nach Kriz et al., 1987, S. 218) scheinen realisiert:

� Die Problemauswahl und -definition entspringt eher einem gesellschaftlichen Bedürfnis (dem Bedarf an nachhaltigen Lösungen zur Förderung individueller Selbstmanagement-Kompetenz in Organisationen) als rein wissenschaftlichen Bezügen.

� Forschungsziel ist weniger das Prüfen theoretischer Aussagen, sondern das praktisch ver-ändernde Eingreifen in Teams. Die Studie ist auf das Hervorbringen und Verändern von Mus-tern gerichtet (Selbstmanagement- bzw. Kommunikationsmuster) und gleichzeitig auf eine Erweiterung der Wissensbestände darüber, was bei einer solchen Vorgehensweise zu be-achten ist.

� Es werden keine einzelnen Variablen isoliert, sondern das soziale Feld interessiert (mit dem Fokus auf Selbstmanagement) in seiner Gesamtheit.

� Befragte und Beobachtete werden im Gesamtprozess nicht nur als Datenlieferanten oder Forschungsobjekte, sondern als lernende Subjekte betrachtet, die mit dem Forscher in ei-nem Interaktionsprozess stehen (vgl. Moser, 1977; Mayring, 1990; Lamnek, 2005).

Der letzte Punkt verweist auf den grundlegenden Aspekt der Beziehungsdefinition zwischen Forscher und „Beforschten“. Die strenge Reglementierung der Interaktion zwischen beiden, wie sie in der experimentellen Forschung üblich ist, wird im Rahmen qualitativer Forschung aufge-hoben (Steinke, 1999). Insofern gilt es, die Rollen neu zu definieren. Dabei gehe ich von einem Beziehungsverständnis aus, das durch die folgenden Prinzipien gekennzeichnet ist:

1.) Respekt vor der Praxis

Respekt vor der Praxis bedeutet für mich über höfliche Umgangsformen hinaus, mit meinen For-schungsteilnehmern eine Beziehung „auf Augenhöhe“ zu realisieren. Dies beinhaltet den Re-spekt vor der Autonomie jedes einzelnen Teilnehmers, eine grundlegende Wertschätzung für ihn als Mensch sowie nicht nur Toleranz für, sondern Neugier auf andere Wirklichkeitskonstruktio-nen als die meine. Diese Haltung schließt nicht aus, dass unterschiedliche Rollen eingenommen

73 „Die für die soziale Praxis erforderliche Forschung läßt sich am besten als eine Forschung im Dienste sozialer Unternehmungen oder sozialer Technik kenneichnen. Sie ist eine Art Tat-Forschung (‚action research’), eine [...] zu sozialem Handeln führende For-schung. Eine Forschung, die nichts anderes als Bücher hervorbringt, genügt nicht“ (Lewin, 1953, S. 280). Für eine Charakterisierung von Handlungsforschung (auch Aktionsforschung, Praxisforschung) sei an Moser (1995), für einen historischen Abriss an Müller (2000) verwiesen.

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Ein Evaluationskonzept für systemische Selbstmanagement-Interventionen 118

werden oder komplementäre Kommunikation (vgl. Watzlawick, 1997), wie sie beispielsweise ein Interview darstellt, erfolgt. Gesucht wird jedoch vorrangig der Dialog mit den Beteiligten (vgl. Moser, 1977).

2.) Bemühen um eine „Win-win-Situation“

Eine „Win-win-Situation“ ist dann gegeben, wenn sowohl Forscher als auch Beforschte vom For-schungsprozess profitieren. Von einer Forschung in reiner Dienstleistungsfunktion (z.B. Moser, 1995, S. 91) möchte ich mich dabei jedoch distanzieren. Aus meiner Sicht handelt es sich eher um eine Austauschbeziehung: Meine Interventionen stellen eine Dienstleistung für die Teams und Einzelpersonen dar. Die Beratung soll ihnen nützen. Im Gegenzug fordere ich jedoch re-gelmäßig ihre Rückmeldung und Reflexion über das Prozessgeschehen ein. Dies ist der Nutzen, den ich für mein Forschungsvorhaben aus der Beziehung ziehe. Die von mir in diesem Zusam-menhang gesammelten Informationen müssen jedoch nicht zwangsläufig (wie beispielsweise von Moser, 1977, gefordert) in den Interaktionsprozess zurückfließen. Sie sind zum Teil nur für das Wissenschaftssystem von Interesse. Lediglich die Informationen, die sich als weitere Inter-vention eignen (z.B. die über den Verlauf der Beratung gesammelten Hypothesen, die im dritten Workshop eingesetzt werden) werden wieder in das Praxissystem eingebracht.

3.) Wechsel zwischen Innen- und Außenperspektive

Sämtliche Interaktionen und Erfahrungen, die ich mit einem Team mache, finden im Kontext eines Berater-Klienten-Systems statt (vgl. Königswieser & Exner, 2004). In Anlehnung an die ethnopsychoanalytische Forschung und humanistische Prinzipien erscheint es sinnvoll, die Wahrnehmung aus der „Innenperspektive“ (Flick, 1991a, S. 155) dieses Systems zu nutzen. Auch um die Teammitglieder und ihre zum Teil selbst konstruierten Beschränkungen für das eigene Selbstmanagement verstehen zu können, erscheint dieser Blickwinkel nützlich. Ziel ist es, durch die Beziehung und Distanzverminderung in der Terminologie Maslows „interpersona-les Wissen“ zu erschließen (im Gegensatz zu „Zuschauerwissen“) (Kriz et al., 1987, S. 249). Jedoch gilt es auch, eine Außenperspektive des Beratersystems auf das Klientensystem zu wahren und ein „going native“ (Kraus, 1991, S. 414) zu verhindern. Dafür ist eine Distanzierung vom Klientensystem nötig. Es wird bewusst die Rolle eines „professionellen Fremden“ (Agar, 1980, zitiert nach Flick, 1991a, S. 154) eingenommen. Dies erlaubt das Hinterfragen von Selbst-verständlichkeiten oder die Reflexion eingespielter Routinen des Teams. Der Übergang zwi-schen Innen- und Außenperspektive lässt sich auch als Wechsel zwischen Erfahrung und Selbstbeobachtung veranschaulichen.

Kriz et al. (1987) warnen, dass Forscher im Rahmen der Handlungsforschung sehr leicht in Rol-lenkonflikte geraten können. Ein möglicher Weg, einen Teil dieser Konflikte zu vermeiden, scheint mir die Variation der Schwerpunktsetzung im Forschungsverlauf. Dies entspricht eben-falls der Forderung Kühls (2008), im Rahmen von Evaluationen die Funktion des „Lernens“ und der „Legitimation“ zu entkoppeln. Dabei orientiere ich mich an der geläufigen Unterscheidung zwischen formativer und summativer Evaluation.74 Im Verlauf der formativen Evaluation bin ich eher in meiner Rolle als Beraterin gefordert und orientiere mich am Praxissystem. Bei der sum-mativen Evaluation konzentriere ich mich auf die Forscherrolle und orientiere mich am Wissen-schaftssystem. In der formativen Phase liegt der Schwerpunkt auf der erfolgreichen Durchfüh-

74 „Dementsprechend können Evaluationen mehr formativ, d.h. aktiv-gestaltend, prozeßorientiert, konstruktiv und kommunikations-fördernd angelegt sein, oder mehr summativ, d.h. zusammenfassend, bilanzierend und ergebnisorientiert“ (Stockmann, 2000, S. 14; vgl. Rossi & Freeman, 1988).

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Ein Evaluationskonzept für systemische Selbstmanagement-Interventionen 119

rung und dem Lernen aus den Pilotprojekten. Im Rahmen der summativen Evaluation wird das Gesamtprojekt bilanziert und auch unter Legitimationsaspekten betrachtet. Zugrunde gelegt wird ein Evaluationsmodell, das über mehrere Phasen formativer Evaluation zu einer summativen Schlussevaluation gelangt (vgl. Abb. 8). Dies stellt laut Moser (1995, S. 107) eine Variante von Praxisforschung dar.

Team 1 Team 2 Team 3 Team 4 Team 5 Team 6

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entw

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Phasen formativer Evaluation

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mative

Evaluation

Team 1 Team 2 Team 3 Team 4 Team 5 Team 6

Kon

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Phasen formativer Evaluation

Sum

mative

Evaluation

Abb. 8: Das Evaluationsmodell, das dieser Studie zugrunde gelegt wird

7.2 Evaluationsphasen

7.2.1 Phase 1: Formative Evaluation

Das Forschungsvorhaben hat in der ersten Phase den Charakter eines verändernden Rückwirkens auf das Prozessgeschehen. Dabei steht die effektive Durchführung der einzelnen Teamprojekte bzw. Erprobung der Interventionen im Vordergrund. Ziel der formativen Evaluation ist es demnach, die einzelnen Teammitglieder bei der Erreichung ihrer Ziele und der Bewältigung konkreter Selbstmanagementaufgaben zu unterstützen, den Verlauf zu dokumentieren sowie Anhaltspunkte für den laufenden Projekterfolg zu gewinnen. Diese Evalua-tion liefert bei jedem Feldkontakt Hinweise, um die Planung des weiteren Vorgehens zu optimie-ren. Durch Verlaufsdokumentation und Reflexion in und zwischen den Feldkontakten werden Erfolge und Probleme bei der Umsetzung identifiziert. Dies hat den Vorteil, dass schon frühzeitig Anhaltspunkte für Verbesserungen zur Verfügung stehen. Auf ihrer Basis können dann bereits im weiteren Verlauf mögliche Lösungen (in Form von Abweichungen vom Konzept) entwickelt werden – und nicht erst zum Ende der Evaluation. Das Ziel, das Interventionsprogramm zu verbessern, wird in dieser Phase erreicht. Die Logik dahinter illustriert Moser (1995) wie folgt:

„Hier geht es um die konstante und über mehrere Handlungszyklen laufende Beobachtung des Handelns. Dabei wer-den die Ergebnisse riskanten Handelns mit ihren Auswirkungen auf verschiedene Handlungskontexte dauernd beo-bachtet [...]. Aus dieser Beobachtung bilden sich Erfahrungen, die es erlauben, mit einer gewißen [sic] Wahrschein-lichkeit Veränderungen vorauszusagen, oder unvorhergesehene Folgen über neue Interventionen abzustoppen. Es ist, wie wenn man vor einem riesigen Schaltbrett sitzt und einen Bildschirm kontrolliert, auf welchem sich verschie-denste Bewegungen abzeichnen. Indem man langsam lernt, über Beobachtung und Handeln (Knöpfe und Hebel drücken) die Bewegungen zu steuern, gewinnt man eine verstärkte Kontrolle über sein Handeln und kann in Grenzen

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Ein Evaluationskonzept für systemische Selbstmanagement-Interventionen 120

vorhersagen, was geschieht“ (S. 232).

Auf eine Pilotstudie kann dabei verzichtet werden, da im Grunde alle Teams „Piloten“ darstellen und gleichberechtigt zum Sammeln von Erfahrungen beitragen. Dazu werden Beobachungsda-ten unterschiedlicher Ebenen genutzt.

Zunächst wird über die Umsetzung des Interventionsprogramms ein Impuls für die Selbstbeobachtung des Teams gegeben (z.B. Frage in einem Workshop „Was läuft im Hinblick auf Selbstmanagement gut in unserem Team?“). Sodann wird die angeregte Selbstbeobachtung des Teams (Beobachtung 1. Ordnung) aus der Beraterperspektive beobachtet (Beobachtung 2. Ordnung). Dabei wird zum einen der Inhalt dieser Selbstbeobachtung beobachtet (z.B. was im Rahmen der Diskussion in einem Workshop gesagt wird). Ferner wird auch auf die Art und Wei-se geachtet, wie das Team sich selbst beobachtet (z.B., dass wiederholt ein starker inhaltlicher Fokus auf sachliche Aspekte gelegt wird oder dass die Führungskraft immer als Erste das Wort ergreift). Auf einer Metaebene wird darüber hinaus der Prozess beobachtet (d.h. die Durchfüh-rung der Maßnahme, z.B. die zeitliche Dauer der Diskussion). Ebenfalls beobachtet werden die eigenen Reaktionen in der auftretenden Situation (z.B. Ungeduld als innere Reaktion, Unterbre-chung der Diskussion und Paraphrasieren der Standpunkte zweier Konfliktparteien als spontane Intervention). Es wird darüber hinaus auf Feedback der Teilnehmer geachtet (z.B. nonverbale Signale wie Gähnen). Die Befragten werden zum Teil auch explizit zu ihrem Erleben befragt und geben so Rückmeldungen (z.B. Unzufriedenheit mit dem Verlauf der Diskussion). Auf die Beo-bachtungen und das Feedback der Teilnehmer gründen sich meine Hypothesen über Interakti-ons- und Kommunikationsmuster im Team, implizite Kontraktangebote an die Beratung sowie mögliche sinnvolle weitere Vorgehensweisen (z.B. eine Pause zu machen). Anschließend wird überprüft, ob dem Drehbuch gefolgt werden kann oder Bedarf besteht, Abweichungen und Ver-änderungen vorzunehmen. Gegebenenfalls wird das Konzept angepasst.

Dieses zyklische Vorgehen, in dem sich Informationssammlung und Handeln jeweils abwech-seln (vgl. Moser, 1977, S. 16), ist der grundlegende Modus der Handlungsforschung. Lewin (1953, S. 283f.) spricht von einem Kreis, in dem sich die Phasen der Planung, Handlung und Tatsachenfindung über das Ergebnis der Handlung abwechseln. Der formative Evaluationspro-zess zielt so auf die Ausarbeitung von Handlungsmöglichkeiten ab. Es handelt sich also eher um eine „science for action“ als eine „science for knowledge“ (vgl. Stockmann, 2000). Die formative Evaluation verpflichtet sich dementsprechend eher der Praxis und erst in zweiter Linie der Wis-senschaft (vgl. Patry & Perrez, 2000). So meinen auch Mittag & Hager (2000):

„Bei der formativen Evaluation zur Verbesserung eines Programmes stehen wissenschaftliche und insbesondere quantitative Methoden eher im Hintergrund; formative Evaluationen sind im Allgemeinen eher informell“ (S. 106).

Was ist vor diesem Hintergrund das „Produkt“ der formativen Evaluationsphase? Evaluationser-gebnis ist im Wesentlichen ein Interventionsprogramm, das unter realen Bedingungen mit Teams getestet wurde. Darin werden erprobte Handlungsmöglichkeiten zur Förderung von Selbstmanagement in Teams dokumentiert. Letztlich wird durch die Evaluation aber auch die Frage beantwortet, ob die Verfolgung der systemischen Perspektive, Selbstmanagement von Teammitgliedern mittels Teamberatung zu fördern, praktikabel sein kann. Es wird deutlich, wel-che Aspekte dabei zu beachten sind und welche neuen Fragen und Probleme sich durch dieses Vorgehen ergeben können. Die Ergebnisse liefern Aufschluss über mögliche Implementations-hindernisse und unvorhergesehene Ereignisse sowie Verbesserungsmöglichkeiten bei der Um-setzung. Abweichungen vom Konzept werden dokumentiert, um Alternativen der Program-mimplementation aufzuzeigen. Darüber hinaus liefern die Erprobungen Beispiele, die das Vor-gehen veranschaulichen und konkretisieren. Ferner finden sich im Anhang (4-9) Beispiele für die

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erprobten Materialien, die Trainer und Berater im Sinne eines Baukastenprinzips im Rahmen von Teamberatungen und zum Teil auch Einzelcoachings einsetzen können (z.B. Teilnehmerin-struktion, Interviewleitfaden, Hausaufgabe).

7.2.2 Phase 2: Summative Evaluation

Die abschließende summative Evaluation orientiert sich an den Projektzielen. Sie erfasst und bewertet die Projektergebnisse und beantwortet die Frage nach der übergreifenden Programmwirksamkeit. Mosers (1995) Forderung nach Distanz und Rollenteilung (Intervenie-render versus Forscher) wird zum einen durch die zeitliche Distanz zum Interventionsgesche-hen, zum anderen durch die Durchführung einer zusätzlichen externen Teilevaluation entspro-chen. Das im Prozess gesammelte Datenmaterial wird rekonstruiert. Dabei werden jeweils meh-rere Einzel- und Team-Fälle herangezogen. Die summative Evaluation erkundet in erster Linie, wie die Befragten die Interventionen erlebt haben, welche Veränderungen sie feststellen und wie sie die Nachhaltigkeit dieser Veränderungen beurteilen. Dabei sollen verschiedene Standpunkte der Beteiligten deutlich werden. Für bestimmte Phänomene oder Veränderungen sollten auch plausible Erklärungen diskutiert werden. Ferner ist festzustellen, ob es sich bei den Veränderungen auch um die vorgesehenen und beabsichtigten Wirkungen handelt und ob das Programm frei von negativen Nebenwirkungen ist. Auf dieser Basis kann eine Aussage getroffen werden, inwieweit die Programmziele erreicht wurden. Damit sind die wesentlichen Aufgaben einer summativen Evaluation erfüllt.

Um auch der „science for knowledge“ (vgl. Stockmann, 2000) gerecht zu werden, ist ein weiterer Rückbezug auf den wissenschaftlichen Diskurs vonnöten, wie Moser (1995) verdeutlicht:

„Das Design von Evaluationsprozessen orientiert sich letztlich an Brauchbarkeitskriterien zur Einschätzung eines Projektes. Der Methodeneinsatz erfolgt nicht nach der Maßgabe eines wissenschaftlichen Diskurses, dessen Leitkrite-rium der Wahrheitsanspruch ist. Dennoch unterscheidet sich wissenschaftliche Evaluationsforschung von Feedback-Prozessen und praktischen Evaluationsaktivitäten, indem sie auf den Einbezug von reflexiven Elementen besteht, die auf den wissenschaftlichen Diskurs abzielen“ (S. 89).

Durch die betrachteten Fälle können Hypothesen formuliert werden, „die anhand von Praxispro-zessen formuliert werden, sich aber auf den Hintergrund wissenschaftlicher Theoriebildung be-ziehen“ (Moser, 1995, S. 112). Damit wird der Rückbezug auf die theoretischen Vorannahmen geleistet. Letztlich soll dabei die Frage beantwortet werden, ob die systemische Perspektive eine nützliche zur nachhaltigen Unterstützung individueller Selbstmanagement-Prozesse ist bzw. wo diese Vorgehensweise an Grenzen stößt.

7.3 Gütekriterien dieser Arbeit

Die klassischen Gütekriterien der quantitativen Forschung sind etablierte Spielregeln der psy-chologischen wissenschaftlichen Community. Für qualitative Forschung dagegen existieren „keine allgemein akzeptierten Kriterien zur Bewertung der Wissenschaftlichkeit“ - die klassischen Maßstäbe werden „vielfach sogar als explizit unangemessen für qualitative Forschung angese-hen“ (Loosen, 2004, S. 102). Als Konsequenz daraus müssen die Gütekriterien qualitativer For-schung neu definiert werden, damit sie zu Vorgehen und Ziel der Analyse passen (Mayring, 2002, S. 140).

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7.3.1 Anschlussfähigkeit

Von der unternommenen Forschung ist zu fordern, dass sie sich ob der Unmöglichkeit intersub-jektiv identischer Erfahrung um Viabilität der von ihr verwendeten Konzepte und Konstruktionen bemüht. Es ließe sich argumentieren, dass damit dem Reliabilitätskriterium unter konstruktivisti-schem Vorzeichen noch am ehesten Rechnung getragen wird. Dies ist zum einen für den Be-reich der Praxis einzufordern:

„Versteht man den Forschungsablauf als kommunikative Beziehung zwischen Forscher und Forschungsobjekt, so ergibt sich die Intersubjektivität nicht aus der Standardisierung der Methoden, sondern aus der Anpassung der Me-thoden an das individuelle Forschungsobjekt sowie der Verständigung und dem Verstehen zwischen Forscher und Forschungsobjekt“ (Lamnek, 2005, S. 13)

Dieses Bemühen um Passung, Verständigung und Verstehen wird in der vorliegenden Arbeit in das Kriterium der Anschlussfähigkeit übersetzt (vgl. 7.3.1). Eine Dissertation, die nur in der Pra-xis Anschluss findet, hätte ihr Ziel jedoch verfehlt. Insofern muss das Kriterium der Anschlussfä-higkeit auch mit Blick auf das Wissenschaftssystem erfüllt werden. Die Ergebnisse der For-schung sollen also möglichst vielseitig anschlussfähig sein, sowohl im Wissenschafts-, als auch im Praxissystem Anklang finden. Denn „je besser dies gelingt, desto höher ist die Qualität des wissenschaftlich generierten Wissen zu veranschlagen“ (Moser, 1995, S. 122). Moser (ebd.) weist darauf hin, dass dies nicht trivial ist. Denn beide Systeme beziehen sich auf unterschiedli-che Leitdifferenzen (Brauchbarkeit im Praxis- versus Wahrheit im Wissenschaftssystem, vgl. Müller, 2000). Der Aktionsforscher ist gefragt als „‚Go between’ zwischen Wissenschafts- und Praxissystem, [...] Vermittler zwischen zwei Welten“ (Moser, 1995, S. 91). Zwar entspringen For-schungsvorhaben eher den Bedürfnissen der Praxis und erfüllen im Kontext des Praxissystems (auch) eine Dienstleistungsfunktion. Doch Forschung führt dabei eine eigensinnige Perspektive ein (ebd., S. 84). Bezogen auf die Praxis ist Anschlussfähigkeit gefragt, weil der Anspruch be-steht, möglichst nah an die „Alltagswelt der beforschten Subjekte“ (Mayring, 2002, S. 146) anzu-knüpfen. Das gewährleistet die ökologische Validität der Untersuchungssituation.

Eine hohe Alltagsnähe und Orientierung am „Alltagswissen der Untersuchten“ (Steinke, 1999, S. 33) wird im Fall dieser Untersuchung angenommen. Denn die Programmteilnehmer machen eigene Selbstmanagementerfahrungen sowie Erfahrungen mit dem Programm und berichten darüber. Damit verbunden ist auch der Versuch, eine Interessensübereinstimmung mit den Un-tersuchungsteilnehmern zu erreichen. Die Studie, ihre Ziele und Konsequenzen sollen für sie einen Wert haben. Unter dem Gesichtspunkt praktischer Handlungsrelevanz ist es von großer Bedeutung, diese Anschlussfähigkeit zu jedem untersuchten Team herzustellen. Es ist davon auszugehen, dass bereits vor dem Erstkontakt zwischen Team und Beraterin eine Selektion im Hinblick auf die Anschlussfähigkeit stattfindet. In der Regel wird nämlich zunächst eine Einzel-person im Umfeld des Teams kontaktiert (vgl. 9.1.2). Sie trifft die erste Entscheidung darüber, ob sie das Programm und die Beraterin für anschlussfähig hält. Ab dem Kontakt mit dem gesamten Team entwickelt sich eine (einmalige) Beziehung zwischen Team und Forscherin. Nur wenn in den ersten Phasen dieses Prozesses eine tragfähige Beziehung gelingt, besteht überhaupt die Chance, das Programm in Gänze durchzuführen. Dazu bedarf es, dass jedes Teammitglied den Nutzen, den es für sein Selbstmanagement aus dem Projekt ziehen kann, realisiert. Anders ge-sagt, Anschlussfähigkeit in der Praxis ist die conditio sine qua non für eine Teilnahme und das Gelingen der Interventionen. Entsprechend muss ich mich als Beraterin/Forscherin darum be-mühen, mich im Rahmen des mir Möglichen und bei Wahrung meiner Authentizität auf die Wirk-lichkeitskonstruktionen meiner Teilnehmer einzustellen. Dies betrifft vor allem meine Sprache und nonverbale Signale. Es handelt sich hierbei um kein leichtes Unterfangen. Denn zu Beginn

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des gemeinsamen Arbeitsprozesses – wenn die ersten Weichen für die Beziehung gestellt wer-den – liegen erst wenige Anhaltspunkte über die Teilnehmer vor. Andererseits ist zu erwarten, dass die Teilnehmer tolerant und offen an das Projekt herantreten, weil sie sonst auf die Teil-nahme verzichtet hätten.

Umsetzung des Kriteriums der Anschlussfähigkeit an das Praxissystem

In dieser Studie wird die Anschlussfähigkeit in folgender Weise berücksichtigt:

� Die Problemdefinition entstammt der Alltagspraxis in Organisationen (vgl. Kap. 1).

� Nützlichkeit für die Beteiligten ist Bestandteil der Programmziele und eine Dimension zur Beurteilung des Konzepts (vgl. Kap. 5, 8, s.o.).

� Die Teilnehmer bringen eigene (individuelle oder Team-) Zielsetzungen, die sie als relevant erachten, in das Projekt ein (vgl. Kap. 5, 9).

� Im Rahmen der Zielgruppendefinition wird überlegt, wo die Fragestellung theoretisch die höchste Anschlussfähigkeit hat (vgl. Kap. 3, 5).

� Das Vorgehen bei der Teamakquise sowie Gründe für Absagen werden dokumentiert, um Rückschlüsse auf die grundsätzliche Anschlussfähigkeit zu erhalten (vgl. Kap. 9, 10).

� Die Klienten beurteilen nach jedem Kontakt mit der Beraterin die Prozessqualität der Bera-tung und geben in diesem Zusammenhang ein Feedback über die Anschlussfähigkeit der Beraterin sowie über das Ausmaß, in dem sie die Maßnahme als sinnvoll und nützlich erle-ben (vgl. Kap. 8).

� Die Untersuchung findet in der Regel im konkreten sozialen Raum der Untersuchten statt, das heißt vor Ort in den Unternehmen (vgl. Kap. 9).

� Es wird die Sprache der Befragten aufgenommen; die Erhebungsmethoden sind an der na-türlichen Sprache orientiert. Auch über den Begriff „Selbstmanagement“ findet mindestens einmal, in der Regel jedoch mehrmals eine Verständigung mit dem gesamten Team statt (vgl. Kap. 9).

� Im Forschungsprozess werden außerdem offene Fragen bevorzugt, so dass ein Andocken der Forscherin an das (Alltags-)wissen der Befragten wahrscheinlich ist (vgl. Kap. 8).

� Es werden kulturelle Anpassungen vorgenommen, um die Zumutbarkeit des Programms positiv zu beeinflussen (z.B. bei der Einführung bestimmter Übungen, vgl. Kap. 9).

Umsetzung des Kriteriums der Anschlussfähigkeit an das Wissenschaftssystem

Bezogen auf die wissenschaftliche Anschlussfähigkeit leistet Forschung „Übersetzungsarbeit zwischen Wissenschafts- und Praxissystem“ (Moser, 1995, S. 85). Evaluationsforschung ist je-doch „in ihrem Ursprung im Praxissystem beheimatet“ (ebd., S. 89). Entsprechend findet diese Vorgehensweise am ehesten Anklang in dem Teil des Wissenschaftssystems, welcher als „Wahrheitskriterium“ das Kriterium des pragmatischen Nutzens akzeptiert (vgl. Kvale, 1991). Diese Schlagseite zugunsten der Praxis ergibt sich aus der „Nutzungsorientierung als Triebkraft von Evaluationsstudien“ (Kraus, 1991, S. 413). Ziel einer Dissertation ist es jedoch auch, An-schlussfähigkeit an den wissenschaftlichen Diskurs zu gewinnen. Die Produkte der Forschung müssen dazu von der jeweiligen Community akzeptiert werden (Danziger, 1990, S. 6). Entspre-chend müssen die in dieser Gemeinschaft vorherrschenden Erwartungen getroffen werden. Da-bei ist die Akzeptanz der Ergebnisse auch davon abhängig „inwieweit sie für potentielle Abneh-mer interessant sind, inwieweit sie Möglichkeiten für Anschlußforschungen eröffnen oder beste-hende Forschungsrichtungen legitimieren und bestätigen“ (Steinke, 1999, S. 100).

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Ein Evaluationskonzept für systemische Selbstmanagement-Interventionen 124

Hier werden die folgenden Anstrengungen im Dienste der Anschlussfähigkeit an die Wissen-schaft unternommen:

� Die Problemstellung wird begründet und die eigene Fragestellung abgeleitet (vgl. Kap. 1).

� Es wird Bezug genommen auf einen Kanon von Publikationen der Selbstmanagement-Forschung, der systemischen Organisationsberatung sowie methodologischer Abhandlungen (vgl. Literaturverzeichnis).

� Die verwendeten begrifflichen Konstrukte werden definiert (vgl. Kap. 2).

� Der Stand der Forschung zu Selbstmanagement-Interventionen wird recherchiert und aufbe-reitet (vgl. Kap. 2, Kap. 3) und zu weiteren Theorien in Bezug gesetzt (vgl. Kap. 4).

� Die Handlungen im Rahmen des konzipierten Interventionsprogramms in Theorie und Praxis werden dokumentiert (vgl. Kap. 5, Kap. 9, Anhang 3-9).

� Die klassischen Herangehensweisen und Kriterien werden in der Reflexion über Methodolo-gie beachtet und die Entscheidungen, die zum Untersuchungsdesign führten, dokumentiert (vgl. Kap. 6, s.o.).

� Es erfolgt eine empirische Überprüfung der eigenen Annahmen (vgl. Kap. 5 bis Anhang), wie dies von psychologischer Forschung im Allgemeinen erwartet wird.

� Es wird auf bewährte Auswertungsmethoden der qualitativen Forschung und die in diesem Bereich als gültig akzeptierten Spielregeln zurückgegriffen (vgl. Kap. 8).

� Die Ergebnisse werden mit Bezugnahme auf den Stand der Forschung diskutiert (vgl. Kap. 12).

� Es werden Empfehlungen für weitere Forschungsvorhaben, die auf den Ergebnissen auf-bauen und/oder Fehler der vorliegenden Studie vermeiden, gegeben (vgl. Kap. 13).

7.3.2 Reflektierte Subjektivität

Die Forschungssituation ist einzigartig, komplex und nicht vollständig standardisierbar. Sie ist geprägt durch die Subjektivität des Forschers und der Beforschten sowie der Interaktion zwi-schen beiden. Dadurch ist keine vollständige Replikation dieser Forschung möglich. Peirce hat dies radikal formuliert als „Individualismus und Falschheit sind ein und dasselbe“ (zitiert nach Kriz et al., 1987, S. 65). Mit dem Verweis auf unumgehbare Subjektivität gehen andere Quali-tätsanforderungen an Forschung einher: Forschung sollte die Selbstreferenz ernst nehmen (Mül-ler, 2000) und die Subjektivität für den Verständigungsprozess nutzen (Steinke, 1999). Für diese Arbeit wird als weiteres Gütekriterium aufgestellt, im Forschungsprozess möge sich eine reflek-tierte Subjektivität zeigen. Diese erfordert den bewussten Umgang mit der eigenen Beobach-tung. Dabei ist es hilfreich, sich grundsätzlicher Einschränkungen bewusst zu sein. Zum Beispiel kann man „nicht einfach nur mal so hingucken“ (Neubert & Klein, 2002, S. 7). Beobachtung ist nur über Kommunikation möglich (Pfeffer, 2004). Damit stellt die Beobachtung zugleich eine Intervention dar. Ein bewusster Umgang mit der eigenen Beobachtung erfordert außerdem das gezielte Einnehmen einer Perspektive:

Doch „im Gegensatz zur Alltagswelt, die ‚selbstverständlich’ da ist, wird ‚Erkenntnis’ [...] erst durch bewußtes und reflexives Einnehmen einer Perspektive zum Gegenstand, aus welcher heraus der Mensch auf sich selbst und seinen Erfahrungsprozeß (in Auseinandersetzung mit anderen) ‚zurückblickt’“ (Kriz et al., 1987, S. 72).

Dies erfordert, zunächst den eigenen Standpunkt, die eigene Perspektive zum Untersuchungs-gegenstand, herauszuarbeiten. Dabei muss z.B. dargelegt werden, welches die Interessen sind, die zur Evaluation führten (Neubert & Klein, 2002, S. 4f.). Die Entscheidungen im Forschungs-

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prozess sowie die Spielregeln der jeweiligen „scientific community“ sollten möglichst explizit ge-nannt werden (Müller, 2000).

Auf der Ebene des Forschungshandelns ist zu beachten, dass die jeweiligen Daten konstruiert sind. Sie stellen eine gemeinsame Fabrikation von Forscher und Beforschten dar. Die eingesetz-ten Methoden schließlich erfassen nur selektive Wirklichkeitsausschnitte. Entsprechend bedingt der gesamte Verlauf des Forschungsprozess eine selbsteinschließende Reflexion. Pfeffer (2004) fordert, sie als expliziten Bestandteil von Forschung zu gewährleisten. Dabei ist der Dis-kurs mit anderen Forschern z.B. durch die Darstellung unterschiedlicher Perspektiven vorweg-zunehmen. Erst dies rückt das Ergebnis aus dem subjektiven Einfluss heraus. Die methodologi-sche Reflexion als Selbstbeobachtung der Wissenschaft nimmt dabei laut Moser (2004, S. 12) einen besonderen Stellenwert ein.

Die Reflexivität bedarf zudem der Dokumentation. Es ist festzuhalten, wo möglicherweise Fehler gemacht wurden und was durch die betrachteten Aspekte ausgeblendet blieb. Bei der Selbstre-flexion sollten Widersprüche integriert werden (Schmid, 1994). Jede Hypothese sollte als eine mögliche Erklärung unter vielen angesehen werden. Zusätzlich zur kontrollierten Selbstreflexion sollten „Außenperspektiven geschaffen werden, die das Forschungshandeln und die getroffenen Interpretationen der ForscherInnen reflektieren“ (Müller, 2000, S. 170). Reflexionen mit externen Experten liefern eventuell Beobachtungen 2. Ordnung darüber, was durch die Forscher-Beobachtung ausgeblendet wurde. Ideal wäre es, die Auswertung in Form eines argumentativen Diskurses innerhalb einer Gruppe vorzunehmen (vgl. Kriz et al., 1987, S. 239ff.). Jede Interpre-tation stünde so zur Diskussion, jeder Konsens wäre ein multiperspektivisch ausgehandelter. Leider ist eine solche Vorgehensweise im Rahmen eines Dissertationsvorhabens ohne instituti-onelle Anbindung schlecht zu realisieren. Punktuell sollte jedoch die Einbindung von Außenper-spektiven – durch die Beauftragung einer externen Evaluatorin, die Einbringung von For-schungsanliegen in Supervisionsgruppen und den Peer-to-peer-Austausch mit anderen For-schern – realisiert werden.

Umsetzung des Kriteriums der reflektierten Subjektivität

Im Rahmen dieser Arbeit wird dem Kriterium der reflektierten Subjektivität wie folgt entsprochen:

� Der individuelle Standpunkt, die Motivation für das eigene Erkenntnisinteresse sowie die Ad-ressaten dieser Arbeit werden transparent gemacht (vgl. Kap. 6, s.o.).

� Entscheidungen im Forschungsprozess, Spielregeln der psychologischen wissenschaftlichen Community sowie Methodenreflexion werden beschrieben (vgl. Kap. 6, 13).

� Die eigene Reflexivität wird im Rahmen der Hypothesenbildung systematisch als Erkennt-nisquelle genutzt (vgl. Kap. 5, 9, 10).

� Die Reflexion der Forscherin wird formalisiert durch Notizen während jedes Feldkontakts und das Erstellen von Protokollen im Anschluss (vgl. Kap. 9).

� Es werden explizit Schwierigkeiten und Abweichungen sowie offen gebliebene Aspekte und Schwächen der Studie dargestellt (vgl. Kap. 9-13).

� Es erfolgt eine punktuelle Reflexion mit externen Experten zur Einbindung von Außenper-spektiven auf das Forschungsgeschehen.

� Die Evaluation findet in Teilen als Fremdevaluation statt, so dass ein Austausch zu verschie-denen Wahrnehmungen gewährleistet ist (vgl. Kap. 9, 11).

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7.3.3 Glaubwürdigkeit

Über die Anschlussfähigkeit hinaus muss Forschung um die intersubjektive Verstärkung ihrer Konstruktionen durch andere Forscher (Viabilität 2. Ordnung), bemüht sein. Diese ist nur wahr-scheinlich, wenn andere Wissenschaftler den Ergebnissen Glauben schenken. Glaubwürdigkeit stellt damit das dritte Gütekriterium dieser Arbeit dar. Die Erkenntnisse müssen dazu als gültig (valide) anerkannt werden. Validität bezeichnet „im alltagssprachlichen Gebrauch [...] Wahrheit, Stärke, Richtigkeit, Erklärungskraft, Zusammenhang, Vertrauens- und Glaubwürdigkeit einer Aussage“ (Kvale, 1991, S. 427). Im Forschungskontext bezieht sich Validität (Gültigkeit) darauf, inwiefern die Ergebnisse kongruent sind mit dem theoretischen Bezugsrahmen bzw. inwiefern ich im Rahmen einer Theorie handlungsrelevantes Wissen erschließe (Kriz, 1988). Das Validi-tätskriterium wird insofern für diese Arbeit aufrechterhalten, als handlungsrelevantes Wissen erschlossen werden soll. Da spezifische Facetten klassischer, an quantitative Forschung ange-lehnte Validitätskonzeptionen jedoch keine Berücksichtigung finden (z.B. „interne Validität“), wird stattdessen das Gütekriterium der „Glaubwürdigkeit“ formuliert.

Eine „pragmatische Validierung“ (vgl. Kvale, 1991, S. 430) des Programms findet darüber statt, dass sich die formative Evaluation an der Relevanz und Nützlichkeit für die intendierte Zielgrup-pe orientiert (vgl. Moser, 1995, S. 89).75 Damit die Ergebnisse von der wissenschaftlichen Com-munity als handlungsrelevant erkannt werden, ist eine hohe Glaubwürdigkeit der Darstellung, wie man zu diesen Erkenntnissen gelangt ist, notwendig. Der Glaubwürdigkeit des Forschers kommt vor allem aufgrund der fehlenden Korrespondenz zwischen Theorie und Empirie eine hohe Bedeutung zu:

„Denn mit den beiden notwendigen Transformationen zwischen der Sprach- und der Erfahrungsebene wird Wissen-schaft untrennbar mit menschlichen Handlungen verbunden. Und offenbar liegt die einzige Möglichkeit, diese Kluft zwischen Sprache und Erfahrung zu überwinden, in der Zuflucht zu so ‚unempirischen’ und ‚unwissenschaftlichen’ Aspekten wie ‚Vertrauen’ in die ‚Kompetenz’ und ‚Glaubwürdigkeit’ der Forscher“ (Kriz et al., 1987, S. 62).

Auch Lincoln & Guba (1985, S. 290) halten es für wesentlich, dass ein Forscher die Rezipienten seiner Arbeit davon überzeugt, dass seine Forschung wertvoll und beachtenswert ist. Sie nen-nen das Kriterium „Vertrauenswürdigkeit“.

Entscheidend für die Erhöhung der Glaubwürdigkeit ist es, den eigenen Forschungsprozess zu dokumentieren (vgl. die Kriterien der „Verfahrensdokumentation“ von Mayring (2002) oder „Transparenz“ von Moser (1995)). Indem möglichst viele Teile transparent gemacht werden, erhöht sich die Nachvollziehbarkeit für den Leser. Jedoch sind hier immer wieder Kompromisse nötig. Denn keinem Leser wären stundenlange Tonbandaufzeichnungen auf einer Begleit-CD oder Hunderte Seiten von Transkriptionen zuzumuten. So bleibt die Entstehung von Daten in der Forschungssituation vom Nachvollzug weitgehend ausgeschlossen (Steinke, 1999, S. 141). Die Rezipienten der Forschung sind immer auf Informationen aus der subjektiven Perspektive des Forschers angewiesen. Qualitative Forschung gebraucht außerdem nicht selten Methoden, die speziell für den spezifischen Gegenstand entwickelt oder modifiziert wurden. Um den For-schungsprozess nachvollziehbar zu gestalten, müssen gerade diese individualisierten Vorge-hensweisen genau dokumentiert werden:

„Dies betrifft die Explikation des Vorverständnisses, [die] Zusammenstellung des Analyseinstrumentariums, [die] Durchführung und Auswertung der Datenerhebung“ (Mayring, 2002, S. 145).

75 Das dabei zugrunde gelegte Verständnis von Validität lässt sich wie folgt illustrieren: „Daten sind valide und theoretische Erklä-rungen zutreffend, wenn mit ihnen einschlägige Probleme gelöst werden können, beziehungsweise wenn sie in irgendeiner Weise ‚nützlich’ sind“ (Moser, 2004, S. 22).

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Ein weiterer Weg, die Glaubwürdigkeit zu erhöhen, besteht im Rückgriff auf von der Gemein-schaft qualitativer Forscher anerkannte Methoden. Dabei werden bestimmte dokumentierte Ver-fahrensregeln eingehalten. Abweichungen von den Richtlinien sind gesondert darzustellen und zu begründen. Diese „Regelgeleitetheit“ (Mayring, 2002) soll vermeiden, dass die Datenauswer-tung willkürlich abläuft (vgl. Moser, 1977). Die verwendeten Prozeduren müssen dabei explizit gemacht werden (Steinke, 1999).

Kontrovers diskutiert wird der Beitrag der kommunikativen Validierung zur Glaubwürdigkeit. Das Prinzip besteht darin, die Ergebnisse einer qualitativen Studie nochmals durch die Auskunfts-personen selbst bestätigen zu lassen. Wenn diese sich in den Interpretationen und Schlussfol-gerungen, die aus ihren Äußerungen abgeleitet werden, wiederfinden, spricht dies für die Gültig-keit der Ergebnisse. Ob dieses Vorgehen zur Validierung beiträgt, wird teilweise bezweifelt:

“Die Leistungsfähigkeit des Konzeptes der kommunikativen Validierung […] muß allerdings kritisch, das heißt realis-tisch beurteilt werden: Denn ein Interpretament kann durchaus auch dann gültig sein, wenn es ein Betroffener vehe-ment ablehnt“ (Moser, 1995, S. 67).

Hilfreich ist hier die Unterscheidung zwischen Konstruktionen erster und zweiter Ordnung.76 Im vorliegenden Fall werden (aus reinem Pragmatismus) kommunikative Validierungen der Kon-struktionen erster Ordnung nur sparsam eingesetzt. Eine kommunikative Validierung der Inter-viewtranskripte beispielsweise ist nicht realisierbar, weil diese aus Kapazitätsgründen nicht im-mer zeitnah erstellt werden können. Da bereits der Prozess des Konstruierens der Daten auf größtmögliche Verständigung abzielt, erscheint dieser Schritt jedoch verzichtbar. Im Rahmen der gemeinsamen Teamkonstruktionen in den Workshops dagegen wird jeweils ein Protokoll erstellt und an alle Teammitglieder gesandt. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass durch das selektive Mitprotokollieren der Beraterin bereits relativ viel Komplexität der Ursprungssituati-on verloren geht. Konstruktionen zweiter Ordnung wiederum werden nur gezielt als weitere In-tervention eingesetzt (z.B. beim Zurückspiegeln der Hypothesen der Beraterin in Workshop III). Sie erlauben es, die Subjektivität der Forscherin als Außenperspektive auf das beobachtete Sys-tem zu nutzen, um Veränderungen im beforschten System anzuregen. Alle weiteren Konstrukti-onen zweiter Ordnung (z.B. die Ergebnisse der summativen Evaluation) werden jedoch nicht kommunikativ validiert. Mit jedem Teilnehmer die Ergebnisse zu diskutieren, würde erstens den Rahmen der Studie sprengen. Zweitens ist für die Evaluation ein höheres Abstraktionsniveau interessanter: Die Schlussfolgerungen werden nicht auf der Einzelfall-Ebene gezogen, sondern auf Ebene der Gesamtstichprobe. Dazu können die Einzelpersonen jedoch kaum Aussagen treffen. Drittens wird kein absoluter Wahrheitsanspruch erhoben. Zwar bilden die Ergebnisse „meine“ Wahrheit als Forscherin ab, zu der ich im Bemühen um Korrektheit und Nachvollzieh-barkeit gelangt bin. Doch muss ich mir bewusst sein, dass es immer auch anders sein könnte und andere Forscher möglicherweise gänzlich andere Interpretationen vornehmen würden.

Für die Güte quantitativer Daten spielt in diesem Zusammenhang das Ausmaß, in dem mehrere Auswerter desselben Materials zu gleichen Ergebnissen gelangen (Interrater-Reliabilität), eine wichtige Rolle. Im Fall von qualitativen Daten ist die intersubjektive Übereinstimmung nicht an quantitativen Kennwerten festzumachen. Das Prinzip, dass eine Übereinstimmung mehrerer Beurteiler für die Gültigkeit eines Urteils spricht, ist jedoch auch für die qualitative Sozialfor-schung relevant. Bei der konsensuellen Validierung (Bortz & Döring, 2006) einigen sich mehrere Personen (unabhängig voneinander oder als Ergebnis einer Diskussion) auf den Bedeutungs-

76 „Konstruktionen erster Ordnung sind Konstruktionen der Untersuchten, auf denen aufbauend der Forscher im Forschungsprozeß Konstruktionen zweiter Ordnung generiert“ (Steinke, 1999, S. 113).

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gehalt des Materials. Im Fall, dass bei der Validitätsprüfung von Interpretationen kein Konsens erreicht wird, müssen die fraglichen Auslegungen überarbeitet und verändert werden. In dieser Studie schließt die summative Evaluation eine solche konsensuelle Validierung der Schlussfol-gerungen aus 13 Evaluationsinterviews bzw. zwei Teams zwischen der Autorin und einer exter-nen Evaluatorin ein.

Eine weitere Strategie, die Glaubwürdigkeit zu erhöhen, besteht in der Triangulation (Lincoln & Guba, 1985; vgl. Flick, 1991b; Mayring, 2002). Sie trägt dazu bei, unterschiedliche Perspektiven auf den Forschungsgegenstand zu gewinnen und Methodenartefakte zu vermeiden. Die Trian-gulation „knüpft an Arbeitstechniken des Journalismus an: Informationen, Aussagen, Daten wer-den erst dann als wahr akzeptiert, wenn sie von einer anderen Quelle bestätigt worden sind“ (Kraus, 1991, S. 414). Dabei lassen sich Daten-, Untersucher-, Theorie-, und methodologische Triangulation unterscheiden (Steinke, 1999), je nachdem, welche Quelle hinzugenommen wird. Jede dieser Formen kann dazu beitragen, dass „die verschiedenen Perspektiven, die im Hinblick auf den Gegenstand vertreten werden, zur Sprache kommen“ (Moser, 1995, S. 119). Triangula-tion stellt somit eine Strategie dar, mittels derer zusätzliche Anregungen gewonnen werden kön-nen. Sie ist zudem der Breite und Tiefe der Analyse zuträglich (Flick, 1991b).77 Möglicherweise führt sie zu alternativen Deutungen und hilft, die Interpretation abzurunden.

Umsetzung des Kriteriums der Glaubwürdigkeit

Das Bemühen um Glaubwürdigkeit spiegelt sich in dieser Arbeit wie folgt wider:

� Die Interventionsziele und entwickelten Interventionen (vgl. Kap. 5), die leitenden Hypothe-sen und Forschungsfragen (vgl. Kap. 5-6) die eingesetzten Evaluationsinstrumente (vgl. Kap. 8, Anhang 10-11), das Vorgehen bei der Teamakquise und der praktische Ablauf der In-terventionen und Erhebungen (vgl. Kap. 9) sowie das Vorgehen bei der Auswertung (vgl. Kap. 8) werden nebst Beispielen für das in der Praxis eingesetzte Material (vgl. Anhang 3-9) nachvollziehbar dokumentiert.

� Es erfolgt eine Orientierung an Gütekriterien (s.o.).

� Im Sinne der Methoden- und Daten-Triangulation wird zu Evaluationszwecken ein Metho-den-Mix eingesetzt; zum Teil werden mehrere Methoden angewendet, um ein und dasselbe Phänomen (z.B. Prozessqualität der Beratung) zu untersuchen (vgl. Kap. 8, 11).

� Die Auswertung erfolgt regelgeleitet und systematisch; sie orientiert sich an den Ablaufre-geln, die Mayring (2003) empfiehlt; dabei werden die Regeln zur Aufbereitung des Datenma-terials dargelegt und das Auswertungsverfahren, an dessen Regeln sich das praktische Vor-gehen der Datenauswertung orientiert, explizit erläutert (vgl. Kap. 8). Außerdem werden Bei-spiele für Kodiervorgänge gegeben (vgl. Anhang 12).

� Es werden ausdrücklich auch die Fälle analysiert, die den Hypothesen zuwiderlaufen (vgl. Kap. 10-11).

� Es werden viele Originalzitate der Teilnehmer eingebunden, um die Analyseergebnisse zu illustrieren und die Nachvollziehbarkeit zu erhöhen (vgl. Kap. 9-11).

� Es findet insofern in Teilen eine Untersucher-Triangulation statt, als die Hälfte der Evaluati-onsinterviews von einer externen Evaluatorin durchgeführt wird, die ihre eigene Auswertung

77 Triangulation wird häufig auch als Strategie der Validierung diskutiert (z.B. Flick, 1991b, S. 433). In diesem Zusammenhang hat es „eine breite Diskussion ausgelöst, in der der Validierungsanspruch von vielen Autoren angezweifelt wird“ (Steinke, 1999, S. 46). Denn letztlich gerät durch Triangulation als Validierungsstrategie die Konstruiertheit von Gegenständen durch Methoden wieder aus dem Blick. Über die Hintertür schleicht sich dadurch wieder ein „objektives“ Gegenstandsverständnis ein. Das hier vertretene Ver-ständnis von Triangulation erhebt keinen Validierungsanspruch, sondern hat die Anregung weiterer Perspektiven zum Ziel.

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im Rahmen ihrer Diplomarbeit vornimmt (vgl. Nöh, 2010). Die endgültige Ergebnisstruktur (vgl. Kap. 11) ist also in weiten Teilen das Resultat einer intersubjektiven Konsensbildung.

� Aspekte, die der Gültigkeit der Ergebnisse abträglich sein könnten, werden aufgezeigt und diskutiert (vgl. Kap. 13).

Die drei Gütekriterien „reflektierte Subjektivität“, „Anschlussfähigkeit“ und „Glaubwürdigkeit“ sind nicht unabhängig voneinander und nicht „meßtechnisch zu verstehen“ (Moser, 1995, S. 122). Vielmehr stellen sie Leitkriterien dar, an welchen ich mich orientiere, um die Qualität zu sichern.

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Erhebungs- und Auswertungsmethoden 130

8 Erhebungs- und Auswertungsmethoden

8.1 Erfolgsmaße, Erhebungsmethoden und Erhebungszei tpunkte

8.1.1 Formative Evaluation: Erfolgsindikatoren im l aufenden Beratungsprozess

Im Rahmen der formativen Evaluation gilt es, Rückschlüsse auf das Erleben der Teilnehmer im Verlauf der Beratung zu gewinnen. Da sie hierzu am besten selbst Auskunft geben können, ist eine Befragung der Teilnehmer die Methode der Wahl. So lässt sich frühzeitig abschätzen, ob die Effekte in die gewünschte Richtung gehen. Im Rahmen von Hypothese 1 (vgl. 5.1.2) werden Annahmen zur beabsichtigten Prozessqualität getroffen. Treffen diese zu, so sollten sich bereits im Verlauf der Beratung Anhaltspunkte für ihre Gültigkeit finden lassen.

Dem Erleben der Teilnehmer kommt hier eine Kontrollfunktion zu (vgl. Stockmann, 2000). Da die Zufriedenheit der Teilnehmer als Indikator für eine erfolgreiche Programmimplementation be-trachtet werden kann, „ist die Befragung der Teilnehmer die einzig richtige Strategie“ (Rossi & Freeman, 1988, S. 88). Die Ergebnisse liefern eventuell Hinweise darauf, wie die Kooperations-bereitschaft erhöht werden kann (Rossi & Freeman, 1988). Es ist davon auszugehen, dass das subjektive Anspruchsniveau interindividuell variiert. Insofern bildet die Zufriedenheitsmessung unter Umständen die Voraussetzung, auf einzelne Teilnehmer besser eingehen zu können.

Rückmeldungen über das Erleben der Teilnehmer während der Programmimplementation bieten also eine Entscheidungshilfe für die Steuerung der Beratung. Auf ihrer Grundlage kann ent-schieden werden, ob das geplante Programmdesign realisiert werden kann oder ob es modifi-ziert werden muss. Darüber hinaus ist jede Erhebung oder Befragung auch als Intervention zu verstehen. Durch die Evaluation lassen sich gleichzeitig Erhebungszwecke und Veränderungs-ziele verfolgen (vgl. Schiepek, 2003). Insofern sollten auch Maßnahmen ergriffen werden, um die Kooperation der Teilnehmer zu erhöhen.

Der Zumutbarkeit der Evaluationsinstrumente kommt eine große Bedeutung zu. Die Maßnah-men sollten einen leichten Zugang zum sozialen Feld bieten, also möglichst frei von Hürden sein. Der beanspruchte Aufwand zur Erhebung sollte dazu möglichst gering sein. Auch ist zu fordern, dass sich die Maßnahmen gut in das Interventionsprogramm integrieren. Dies ist wahr-scheinlicher, wenn die Erhebungen jeweils nach sinnvollen Einheiten im Interventionsprozess erfolgen. Darüber wird an die Erwartungen der Teilnehmer angeknüpft. Insgesamt kann die for-mative Evaluation von möglichst häufigen Bewertungen nur profitieren. Daher erscheint eine Bewertung nach jedem Feldkontakt sinnvoll.

Der Fragebogen zur Bewertung der Prozessqualität

Zur regelmäßigen Bewertung der Prozessqualität wurde ein Fragebogen konzipiert. Die Kon-struktion des Fragebogens erfolgte nach Festlegung der interessierenden Dimensionen im Dis-kurs mit Mitgliedern der Mailingliste „SYSTEM-L“. Die Mailingliste richtet sich an Fachleute, die sich beruflich in Theorie, Praxis oder Forschung mit systemischem Denken und Handeln befas-sen. Als virtuelle "Praxisgemeinschaft" vereint sie über 1000 Kollegen unterschiedlicher Berufs-gruppen, vor allem beratender, lehrender und klinischer Berufe (Systemische Gesellschaft, 2008). Die Teilnehmer wurden unterrichtet, dass ich ein Instrument suche. Es sollte abbilden, inwiefern ein Workshop als lösungsorientiert, brauchbar und nützlich erlebt wird, inwiefern die Teilnehmer erleben, dass sich ihr Möglichkeitsraum erweitert und sie neue Perspektiven sehen.

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Erhebungs- und Auswertungsmethoden 131

Außerdem sollte abgefragt werden, inwiefern die Beraterin als anschlussfähig bzw. ihre Haltung als hilfreich erlebt wird. Dies alles sollte in möglichst allgemeinverständlicher Terminologie ohne Fachtermini, in zumutbarer Länge und möglichst wissenschaftlich fundiert (z.B. bereits einge-setzt im Rahmen von Forschung) erfragt werden. Drei Experten beteiligten sich an der Diskussi-on. Zwei der Antwortenden empfahlen mir auf Basis des Einsatzes in ihrer Evaluationspraxis eine 10-stufige Skalierung der geforderten Dimensionen. Die Itemformulierungen waren in ihren Beispielen recht wortgetreue Übersetzungen der gefragten Dimensionen. Der fertige Fragebo-gen wurde an die Antwortenden zurückgesandt. Aufgrund dieser Vorgehensweise kann ihm eine hohe Augenscheinvalidität zugesprochen werden. Sein Vorteil liegt in der schnellen und zumut-baren Anwendung begründet.

Die Items sind in Tabelle 2 wiedergegeben. Die Teilnehmer bewerten die Items 1-6 jeweils auf einer 10-stufigen Skala. Die Itemformulierungen werden angepasst, je nachdem, ob der Bogen nach einem Interview oder einem Workshop eingesetzt wird. In Anhang 10 findet sich eine Ver-sion, die den Programmteilnehmern für einen Workshop vorgelegt wurde. Die Items 1-6 liefern ordinalskalierte Daten. Bei den Items 7 und 8 handelt es sich um offene Fragen. Über sie wer-den Verbesserungswünsche und Faktoren ermittelt, die zur Zufriedenheit beitragen und ent-sprechend beibehalten werden sollten. Im Kontext der formativen Evaluation kommt ihnen eine große Bedeutung zu.

Tabelle 2: Items zur Bewertung der Prozessqualität

ITEM NR.

ITEMFORMULIERUNG OPERATIONALISIERTE DIMENSION

1 Welchen Wert würden Sie dem Workshop / Interview insgesamt geben?

Übergreifende Zufriedenheit des Teilnehmers

2 Inwiefern haben Sie erlebt, dass sich der Workshop anstelle von Problemen an Lösungen orientiert?

Wahrgenommene Lösungsorientierung

3 Inwiefern hat der Workshop dazu beigetragen, dass Sie neue Perspektiven oder Möglichkeiten sehen?

Perspektivwechsel und Erweiterung des Mög-lichkeitsraums

4 Inwiefern haben Sie den Workshop/ das Interview als sinnvoll und nützlich erlebt?

Wahrgenommener Nutzen und Sinnhaftigkeit (im Kontext der Bearbeitung des Themas Selbstmanagement)

5 Inwiefern wurde das Verhalten und die Haltung der Beraterin als hilfreich erlebt?

Anschlussfähigkeit der Beraterin

6 Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Mitarbeit und Ihrem Beitrag zu diesem Workshop?

[Intervention]

7 Was war so gut, dass es im weiteren Projektverlauf beibehalten werden sollte?

Aspekte, die zur Zufriedenheit beitragen

8 Was muss passieren, damit sich die Skalenwerte in Ihrer Bewertung nach oben verschieben?

Verbesserungswünsche

Items 1-3 geben Aufschluss über 1.) die Zufriedenheit des Teilnehmers mit der Maßnahme, 2.) das Ausmaß, in dem die Maßnahme als lösungsorientiert wahrgenommen wird und 3.) das Ausmaß, in dem ein Perspektivwechsel oder eine Erweiterung des Möglichkeitsraums erlebt wird. Item 4 ist ein Indikator dafür, inwiefern die Intervention als sinnvoll und nützlich erlebt wur-de. Dass sich das Interventionsprogramm auf die Verbesserung von Selbstmanagement-Kompetenzen richtet, ist der Kontext, in dem diese Bewertung interpretiert wird. Item 5 ist ein Maß dafür, inwiefern die Beraterin als anschlussfähig erlebt wird. Da das Wort „anschlussfähig“

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im alltäglichen Gebrauch erklärungsbedürftig ist, wurde es bei der Itemformulierung durch „Ver-halten und Haltung sind hilfreich“ operationalisiert. Item 6 entspringt nicht den Zielen der forma-tiven Evaluation, sondern ist in erster Linie als Intervention gedacht. Teilnehmer beantworten hier die Frage, wie zufrieden sie mit ihrer Mitarbeit im Rahmen des Workshops bzw. Interviews sind. Da diese Frage im Kontext einer Erfolgsbewertung der Maßnahme gestellt wird, transpor-tiert sie gleichzeitig die Information, dass der Erfolg der Maßnahme auch von der individuellen Mitarbeit abhängt. Indem der Teilnehmer sie beantwortet, reflektiert er (im Idealfall) sich selbst bzw. seine Haltung dem Projekt und der Beraterin gegenüber. Diese Intervention trägt zu einer impliziten Kontraktklärung im Verlauf des Projekts bei: Der Teilnehmer ist nicht Konsument der Maßnahmen, sondern arbeitet aktiv an der Erreichung seiner eigenen Ziele mit.

Eine Bewertung der Prozessqualität mithilfe des Fragebogens erfolgt nach Abschluss jedes Workshops und nach dem ersten Interview. Entsprechend liegen der formativen Evaluation je Team vier Befragungen jedes Teammitglieds zugrunde. Zusätzlich wird der Fragebogen einge-setzt, um retrospektiv im Rahmen der summativen Evaluation eine Gesamtbewertung des Pro-jekts vorzunehmen. Die Teilnehmer werden gebeten, ihre Namen auf den Bögen anzugeben. Über die Zuordnung der Fragebögen zur jeweiligen Person lässt sich der sukzessive Verlauf der Wahrnehmung der Prozessqualität über fünf verschiedene Erhebungszeitpunkte nachvollziehen. So lässt sich differenzieren zwischen Personen, welche die Prozessqualität kontinuierlich positiv wahrnehmen und solchen, die die Prozessqualität eher negativ wahrnehmen. In reinen Quer-schnittserhebungen oder bei Anonymität der Teilnehmer wäre dagegen auch die Interpretation möglich, dass eine Person, die zuvor sehr positive Einschätzungen abgegeben hat, plötzlich den nächsten Workshop sehr negativ bewertet. Für die formative Evaluation ist es entscheidend, diese Differenzierung vornehmen zu können, da sich dadurch Aussagen zur Akzeptanz der Maßnahme präzisieren lassen.

Protokolle der Prozessreflexionen

Nach dem Prinzip der Methoden-Triangulation soll das Erleben der Teilnehmer auch auf ande-rem Wege erfasst werden. Lamnek (2005) kritisiert die Vorstrukturierung durch Fragebögen und weist darauf hin, dass nichtstandardisierte Befragungen sich besser zur Exploration von Sach-verhalten eignen. Auch Jäpelt (2004, S. 71) gibt „Narrationen über besondere Ereignisse, Wahr-nehmungen und Gefühle“ den Vorzug vor „verallgemeinerbaren Kennziffern“. Entsprechend werden als weitere Erhebungsform Prozessreflexionen eingesetzt. Diese werden im Workshop protokolliert. Dabei wird Flicks (1991a) Forderung entsprochen: „Bei Fragestellungen, für die dies ausreicht, sollten ‚antiquierte’ Formen der Dokumentation wie Protokollierung von Antwor-ten und Beobachtungen gewählt werden“ (S. 161). Aus der großen Materialfülle, die im Rahmen der Workshops entsteht, muss dabei ausgewählt werden. So werden vor allem die geäußerten Erwartungen, welche zu Beginn der Workshops erfragt werden, und die Prozessreflexionen pro-tokolliert. Die Erwartungen sind wichtig, um die Anschlussfähigkeit der Beraterin und der Inter-ventionen abschätzen zu können. Die Prozessreflexionen sind bedeutsam, da sie die Grundlage für eine erste Einschätzung der Wirkungen bilden. Im Einzelcoaching erfolgt eine solche Pro-zessreflexion zum Abschluss der Sitzung. Sie wird auf Tonband aufgenommen und transkribiert. Im Rahmen der Workshops findet zum Abschluss jedes Workshoptages eine Prozessreflexion statt. In zweitägigen Workshops (vgl. WS II und WS III) werden folglich zwei Prozessreflexionen vorgenommen. Zusätzlich werden weniger umfangreiche Reflexionen im Anschluss an die ein-zelnen Übungen durchgeführt und Beobachtungen der Beraterin bei der Durchführung der Übungen festgehalten.

Die Daten, die auf diesem Wege gewonnen werden können, enthalten eine gruppendynamische

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Komponente. Im Gegensatz zum Fragebogen handelt es sich eher um ein Produkt der Interakti-on zwischen Forscherin (die offene Fragen stellt und nachhakt) und Team (das auf die Fragen und auf die Antworten der anderen Teammitglieder Bezug nimmt). Da es nicht möglich ist, alles Gesagte festzuhalten, wird dieses Produkt durch den Akt des Protokollierens durch die Forsche-rin gefiltert. Im Sinne einer kommunikativen Validierung werden die protokollierten Erwartungen und Prozessreflexionen nebst einem Fotoprotokoll der Moderationsergebnisse den Teilnehmern zur Verfügung gestellt. Die Datenbasis der formativen Evaluation gestaltet sich somit wie folgt: Die vier Bewertungen der Prozessqualität je Teilnehmer werden ergänzt durch fünf Prozessre-flexionen auf Teamebene und eine Prozessreflexion auf Individualebene. Die protokollierten Erwartungen und Moderationsergebnisse sowie gesondert festgehaltene zusätzliche Beobach-tungen und Ereignisse dienen vor allem der Dokumentation des Prozesses.

8.1.2 Summative Evaluation: Erfolgskriterien zur Be urteilung des Programms

Die zusammenfassende Evaluation des Programms nach seiner Durchführung gibt Aufschluss darüber, ob die Programmziele erreicht werden. Die aufgestellten Hypothesen (vgl. 5.1.2) bilden den Prüfstein für diese Bewertung. Demzufolge muss die Evaluation ermöglichen, zusätzlich zu den vorwiegend offenen Fragen aus Kap. 6 die folgenden geschlossenen Fragen zu klären:

� Haben sich Muster der Interaktion und Kommunikation im Team verändert?

� Führt der Beratungsprozess dazu, dass erweiterte individuelle Handlungsmöglichkeiten wahrgenommen werden?

� Wirkt sich der Prozess förderlich auf die Erreichung individueller Ziele aus?

� Planen oder wenden die Teilnehmer Strategien an, die im wissenschaftlichen Diskurs als Selbstmanagement-Strategien beschrieben werden?

� Wird der Prozess als nachhaltige Veränderung erlebt?

Das übergreifende Ziel besteht darin, das individuelle Selbstmanagement zu verbessern. Dabei handelt es sich um ein „relatives” Operationsziel (vgl. Rossi & Freeman, 1988, S. 22). Denn das Ziel orientiert sich am Ausgangszustand. Um relative Veränderungen zu beurteilen, werden in der Regel Vortest-Nachtest-Differenzen herangezogen (Hager & Hasselhorn, 2000). Diese Vor-gehensweise erscheint jedoch bezogen auf diese Studie aus den folgenden Gründen nicht sinn-voll:

� Die individuellen Ziele der Einzelpersonen können bei standardisierten Messungen nicht berücksichtigt werden, sind jedoch maßgeblich für eine Beurteilung des Selbstmanagement-erfolgs.

� Eine Vortest-Nachtest-Erhebung würde das Untersuchungsphänomen zu stark vorstrukturie-ren (vgl. Steinke, 1999, S. 123). Die Reduktion auf einzelne operationalisierbare Dimensio-nen birgt die Gefahr, wesentliche Wirkungen des Programms nicht erfassen zu können, da sie zuvor nicht bedacht wurden (vgl. Bernien, 1997).

� Bestehende quantitative Maße für Selbstmanagement eignen sich nicht zur Evaluation (vgl. Kap. 6).

� Kompetenzentwicklung ist ein sehr subjektiver Prozess, der von Außenstehenden nicht er-fasst werden kann (Jäpelt, 2004). Der Maßstab für Kompetenzentwicklung oder Zielerrei-chung kann daher Bernien (1997, S. 30) zufolge nur auf einer Selbsteinschätzung beruhen.

� Durch die zweifache Erhebung an denselben Personen resultieren methodische Probleme (vgl. Hager & Hasselhorn, 2000).

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� Sie steht im Gegensatz zur Forderung, qualitative Forschung an natürliche Gesprächssitua-tionen anzulehnen (vgl. König & Volmer, 2005).

Entsprechend wird keine Vortest-Nachtest-Erhebung durchgeführt. Hager & Hasselhorn (2000) verweisen auf eine weitere Option:

“Eine vor allem in der klinischen Psychologie verbreitete Alternative für die Ermittlung des Grades der Veränderung besteht in einer globalen, retrospektiven Schätzung der erreichten Veränderung zu einem nach Ende der Intervention liegenden Zeitpunkt. Dazu bedarf es nicht unbedingt des expliziten Einbezugs von Erhebungen zu früheren Zeitpunk-ten, da die Veränderung „direkt“ eingeschätzt werden soll“ (S. 71).

Zusätzlich zu den eingetretenen Veränderungen wird erhoben, ob der neue Zustand als besser beurteilt wird als der Ausgangszustand (vgl. Kriz, 1989, S. 8f.). Diese Vorgehensweise erlaubt es, sich an den Zielen der Teilnehmer zu orientieren. Sie ist angelehnt an die lösungsorientierte Kurztherapie (vgl. Jong & Berg, 2003). Hier gilt, dass man verstehen kann, was „besser“ heißt, ohne zu wissen, was „gut“ heißt. Subjektive Bedeutungen wie auch Erfahrungen und persönli-che Ansichten lassen sich durch sprachliche Interaktion besser als durch andere qualitative Me-thoden erfassen (Mayring, 2002).

Das Evaluationsinterview als Mittel zur Einschätzung von Veränderungen

Ein Interview bildet das Herzstück der summativen Evaluation. Neben der Vermeidung obiger Nachteile bietet es einige Vorzüge: Es erlaubt den Gebrauch der Alltagssprache und schränkt somit die Artikulationsmöglichkeiten der Befragten wenig ein. Offene Fragen ermöglichen, dass Interviewpartner die Situation auf der Basis der für sie relevanten begrifflichen Unterscheidun-gen darstellen können. So werden keine Kategorien von außen vorgegeben (König & Volmer, 2005, S. 74). Dadurch ist die Methode in verschiedenen (Team-)Kontexten gut einsetzbar. Offe-ne Fragen bieten einen Spielraum für nicht vorhergesehene Äußerungen. Damit werden auch Aspekte, die zuvor nicht bedacht wurden, zum Gegenstand der Betrachtung. Außerdem wird die Erhebung unterschiedlicher Sichtweisen des Programms innerhalb eines Teams möglich (vgl. König & Volmer, 2005). Dadurch erlaubt ein Interview die Erhebung einer Fülle von Daten. Ne-benbei wird die Vertrauensbeziehung zwischen Forscher und Interviewpartnern intensiviert (vgl. Mayring, 1990). Das Interview bietet einen guten Rahmen, um den Teilnehmern zu zeigen, dass ihre Meinung ernst genommen wird. Die Interviewpartner sind als Experten für ihr Selbstmana-gement, ihr Team und das Erleben der Beratung gefordert. Bereits die Definition als Interviewsi-tuation signalisiert Interesse am Gegenüber. Face-to-Face-Interviews weisen daher in der Orga-nisationspraxis in der Regel eine hohe Akzeptanz auf. Für den Interviewer liegt ein weiterer Vor-teil darin, dass er bei etwaigen Unklarheiten direkt nachfragen kann. Durch aktives Zuhörens kann er sein Verständnis weiter verbessern, indem er zum Beispiel das Verstandene in eigenen Worten wiederholt und dem Interviewpartner die Möglichkeit bietet, ihn zu korrigieren. Nachteile des Interviews im Hinblick auf die geplante Studie sind im hohen Aufwand für Organisation (Terminabstimmung, Raumplanung etc.), Durchführung, Datenaufbereitung und Auswertung zu sehen. Auch ist nicht auszuschließen, dass „die Fragen an subjektiven und objektiven Rele-vanzstrukturen vorbeizielen oder der Befragte bewußt oder unbewußt bei ihrer Beantwortung eine bestimmte Form der Selbstdarstellung wählt“ (Flick, 1991a, S. 157). Diese Nachteile sind der gewählten Methode inhärent und lassen sich nicht umgehen.

Eine ausführliche Darstellung alternativer Interviewformen findet sich u. a. bei Mayring (2002) oder Lamnek (2005). Während alle Wert auf eine offene Frageformulierung legen, variiert ihr Strukturiertheitsgrad. Eingesetzt wird in dieser Studie ein teilstandardisiertes, circa 1,5-stündiges Interview. Das Interview ist insofern problemzentriert (Mayring, 1990), als die Problemstellung (Bewertung des Programms) bereits vor der Interviewphase erarbeitet wurde. Der Leitfaden fin-

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Erhebungs- und Auswertungsmethoden 135

det sich in Anhang 6. In ihm sind zu den jeweiligen Themenbereichen mehrere Alternativfragen enthalten. Nicht alle dieser Fragen werden gestellt. Es wurden jedoch bei allen Gesprächspart-nern die Themenblöcke angesprochen, die in Tabelle 3 aufgeführt sind und in der Folge erläutert werden.

Tabelle 3: Thematische Abschnitte im Leitfaden des Evaluationsinterviews

THEMATISCHE ABSCHNITTE IM EVALUATIONSINTERVIEW

Einstieg

Persönliche Zielerreichung und dazu genutzte Strategien

Erlebte Veränderungen im Gesamtprozess auf Individual- und Teamebene

Konsequenzen der Veränderungen für das eigene Selbstmanagement

Beitrag und Wirksamkeit sowie Fehler und Versäumnisse der Beratung

Nachhaltigkeit und Transfer

Globale Zufriedenheit mit dem Projekt

Nach der Erläuterung der Zielsetzung des Gesprächs und einer ersten Sondierungsfrage („Wie ist es Dir seit unserem letzten Workshop ergangen?“) folgen Fragen zur individuellen Zielerrei-chung. Dabei wird auf die im lösungsorientierten Interview formulierten Ziele Bezug genommen. Diese „kriteriumsorientierte Prüfung von Veränderungen wird den Erfordernissen des [...] Einzel-falles am ehesten gerecht; damit wird auch der Tatsache Rechnung getragen, daß es keine all-gemeingültigen Evaluationskriterien gibt“ (Kanfer et al., 2000, S. 120). Skalierungsfragen helfen dem Teilnehmer zu präzisieren, inwiefern Fortschritte in Bezug auf das eigene Ziel gemacht und persönliche Ziele erreicht wurden.

Diese Verfahrensweise, den Interventionserfolg anhand einer individuellen Bezugsnorm zu prü-fen, erinnert an das Goal Attainment Scaling (GAS, Kirusek & Sherman, 1968).78 Die zuvor fest-gelegten Ziele werden auf einer 10-stufigen Skala hinsichtlich des Zielerreichungsgrads einge-schätzt. Von Berechnungen, wie sie beim GAS vorgenommen werden, wird abgesehen. Denn dass die Abstände der einzelnen Skalenstufen eine Vergleichbarkeit auf Intervallskalenniveau erreichen (dass es also für einen Teilnehmer in etwa genauso schwierig ist, vom Wert 0 auf 1 sowie von 7 nach 8 zu gelangen) erscheint sehr unrealistisch (vgl. Sparrer, 2002). Vielmehr ist außerdem von Interesse, wie es den Interviewpartnern gelungen ist, etwaige Verbesserungen in der Zielverfolgung zu erzielen.

Zur Beurteilung der Veränderungen im Gesamtprozess wird den Interviewpartnern ein Koordina-tensystem vorgelegt, auf dessen x-Achse die einzelnen Etappen des Teamprojekts eingetragen sind (siehe ausgefülltes Beispiel im Anhang 7). Die Teilnehmer werden gebeten, zwei Kurven über den Projektverlauf einzuzeichnen: eine blaue für etwaige Veränderungen jedweder Art, die sie bei sich selbst festgestellt haben, und eine braune Linie, welche etwaige Veränderungen im Team repräsentiert. Die Teilnehmer erläutern ihre Zeichnung. Dabei wird durch Nachfragen konkretisiert, welche Veränderungen sie wahrgenommen haben und wie sie sich diese erklären.

78 Das GAS wird vorrangig im Bereich der Therapieevaluation eingesetzt. Es versteht sich als eine grundlegende Evaluationsstrate-gie, in der die Erreichung von zuvor selbst gesetzten Zielen eines Klienten als Erfolgskriterium gilt. Neben einigen praktischen Schwierigkeiten (siehe Rossi & Freeman, 1988, S. 24) ist das Verfahren jedoch auch methodisch umstritten (siehe Rose, 2001; Dahling, 2006). Daher wird lediglich die Grundidee übertragen.

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Erhebungs- und Auswertungsmethoden 136

Auch die Veränderungsintensität und die Beständigkeit der Veränderungen werden erfragt. An-schließend wird eine zusammenfassende Beurteilung der Konsequenzen der skizzierten Verän-derungen für das eigene Selbstmanagement erbeten. Die Interviewpartner legen beispielsweise dar, welche Auswirkungen die Veränderungen im Team für ihr individuelles Selbstmanagement hatten. Für eine erste Abschätzung der Wirksamkeit müssen die skizzierten Veränderungen auch hinreichend eindeutig auf Programmwirkungen zurückführbar sein. Auch hier wird auf die Urteilsfähigkeit der Teilnehmer vertraut. Die Teilnehmer werden gebeten einzuschätzen, wel-chen Anteil die Beratung an den Veränderungen hatte und welche weiteren Einflussfaktoren zu den Veränderungen beigetragen haben. Auch geben sie Auskunft dazu, was die Beratung in ihren Augen hätte leisten müssen, jedoch versäumt hat. Die Programmteilnehmer bewerten, welches Nachhaltigkeitspotenzial sie den Interventionen einräumen. Auch wird eruiert, was sie in Zukunft erneut anzuwenden gedenken. Abschließend wird eine Zufriedenheitsbewertung vor-genommen. Es wird festgehalten, welche Aspekte zur Zufriedenheit beitragen konnten und was unzufrieden stimmte. Die einzelnen Dimensionen des Fragebogens zur Prozessqualität werden genutzt, um eine retrospektive Gesamtbewertung des Beratungsprozesses vorzunehmen. Diese Gesamtbewertung wird zusammen mit den Protokollen der Prozessreflexionen sowie den Fra-gebögen zur Prozessqualität zur Triangulation der Interviewinhalte verwendet.

Der Follow-up-Fragebogen

Als Erhebungszeitpunkt für das Evaluationsinterview wurde ein Abstand von circa einem Monat zum Abschluss des letzten Workshops festgelegt. Die Daten erlauben daher – abgesehen von einer groben prospektiven Abschätzung – noch keine Aussagen zur Nachhaltigkeit. Entspre-chend wurde ein Follow-up-Fragebogen konzipiert, der Aufschluss darüber gibt, wie die Verän-derungen drei Monate nach dem Evaluationsinterview – also vier Monate nach Abschluss der Interventionen – beurteilt werden. Der Fragebogen ist in Anhang 11 aufgeführt. Die Teilnehmer schätzen die erzielten Veränderungen auf einer 5-stufigen Likert-Skala (von „keine Nachhaltig-keit“ bis „sehr hohe Nachhaltigkeit“) ein. Dabei sind drei Bereiche vorgegeben, zu denen jeweils Stellung genommen wird: Die persönliche Zielerreichung, Veränderungen im Team und indivi-duelle Veränderungen. Zu jeder Frage werden die Antwortenden gebeten, anzugeben, was sie zu diesem Urteil bewegt hat. Ferner ist Raum für weitere Kommentare und Anmerkungen vorge-sehen.

Zusammenfassung: Erhebungsinstrumente im Beratungsprozess

Abb. 9 gibt einen Überblick über die Erhebungsinstrumente, Datenquellen sowie Erhebungszeit-punkte im Verlauf des Beratungsprozesses. Im unteren Teil der Abbildung sind die einzelnen Interventionsmaßnahmen dargestellt. Der obere Teil veranschaulicht, zu welchem Zeitpunkt daraus Daten für die Evaluation resultieren.

Insgesamt gehen die folgenden Daten in die Evaluation ein:

� Das Transkript eines lösungsorientierten Interviews je Teilnehmer (inkl. Prozessreflexion),

� die Protokolle der Erwartungssequenzen von je 3 Workshops pro Team,

� die Protokolle aus fünf Prozessreflexionen je Team (im Rahmen von drei Workshops),

� fünf Fragebögen zur Erhebung der wahrgenommenen Prozessqualität je Teilnehmer (darun-ter eine retrospektive Gesamteinschätzung),

� ein Evaluationsinterview zur Prozessbeurteilung je Teilnehmer und

� ein Follow-up-Fragebogen zur Beurteilung der Nachhaltigkeit je Teilnehmer.

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Erhebungs- und Auswertungsmethoden 137

Abb. 9: Erhebungszeitpunkte und Daten in Relation zu den Maßnahmen des Interventionsprogramms

Der Klassifikation von Flick (1991a) folgend sind somit alle drei Klassen von Erhebungsmetho-den repräsentiert: Methoden, bei denen die Datensammlung stärker durch den Forscher struktu-riert ist (Fragebögen), Erhebungen, bei denen eine Strukturierung der Datensammlung durch Subjekt und Forscher erfolgt (qualitative Interviews), wie auch Methoden, bei denen Subjekt, Forscher und Situation die Datensammlung strukturieren (Protokolle). Dadurch wird der Rahmen für Interaktionen in der Erhebungssituation variiert.

8.2 Qualitative Datenauswertung

Die Interviews, Protokolle und offenen Fragen der Fragebögen werden mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2002) ausgewertet. Dieses Verfahren eignet sich, um auf der Ba-sis komplexen Materials Vorstellungen von Zusammenhängen zu entwickeln (Moser, 2004). Die Methode wird ebenfalls systemischen Ansprüchen gerecht (Müller, 2000). Das Vorgehen bein-haltet die Festlegung von Analyseschritten, die Unterteilung des Materials in sinnvolle Einheiten und die systematische Analyse des Materials (Mayring, 2002). Flick (1991a) beschreibt den Pro-zess wie folgt:

„Gleiche und ähnliche Aussagen werden zusammengefaßt, ein Deutungsmuster, eine Kernvariable wird als wesent-lich herausgearbeitet. Texte werden dabei auch besser ‚handhabbar’, einzelne Fälle lassen sich zusammenfassen. [...] Vagheiten und Vieldeutigkeiten, die etwa den alltäglichen Umgang mit diesen Texten (etwa auf Seiten der partizi-pierenden Subjekte) kennzeichnen, werden dabei sukzessive vereindeutigt und ausgeschlossen“ (S. 166).

Bei der Zusammenfassung von Textelementen werden die Verfahrensregeln nach Lamnek (2005) berücksichtigt. In diesem Sinne kann das Vorgehen in dieser Studie als regelgeleitet be-zeichnet werden. Die nachfolgende Darstellung der Auswertung orientiert sich am neunstufigen Ablaufmodell für die praktische Durchführung von qualitativen Inhaltsanalysen von Mayring (2003).

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Erhebungs- und Auswertungsmethoden 138

8.2.1 Auswahl und Aufbereitung des Ausgangsmaterial s

Unter welchen Umständen das Material entsteht und wie es sich formal charakterisieren lässt, wurde im vorangegangenen Teil der Arbeit beschrieben. In Anbetracht der gewählten Stichprobe (vgl. Kap. 9) werden insgesamt die folgenden Daten ausgewertet:

� 22 Prozessreflexionen aus 22 Workshoptagen

� 34 Einzelcoachings

� 24 Evaluationsinterviews sowie

� Antworten auf jeweils zwei offene Fragen in den ausgewerteten 146 Feedbackbögen zur Prozessqualität

� Antworten auf 24 Follow-up-Fragebögen.

Um fundierte Aussagen treffen zu können, wird bei der Auswertung jeweils die maximal verfüg-bare Stichprobe herangezogen. Während beispielsweise für die Bewertung der Planung und Anwendung von Selbstmanagement-Strategien Transkripte von 34 Einzelcoachings als Auswer-tungsmaterial zur Verfügung stehen, sind es bei der Bewertung des Gesamtprozesses nur noch 24 Evaluationsinterviews, deren Transkripte in die Auswertung einfließen (vgl. die Ergebnisse der Drop-out-Analyse in 10.1.2). Diese Strategie wurde gewählt, um ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten, welches kritische Meinungen einschließt. Da davon ausgegangen werden muss, dass vor allem die Personen oder Teams, die den Interventionen kritisch gegenüber ste-hen, im Verlauf des Beratungsprozesses aussteigen, ist es wichtig, dass diese Stimmen – so-weit möglich – im analysierten Material repräsentiert sind.

Aufbereitungstechniken

Für jede Prozessreflexion wird ein Protokoll erstellt. Für jeden Workshop wird dabei eine eigene Textdatei angelegt. Die Einzelcoachings und Evaluationsinterviews werden mithilfe von Auf-nahmegeräten als mp3-Datei gespeichert. Die Aufzeichnungen werden verschriftlicht, wobei mehrere Bearbeitungsschritte vorgenommen werden. Da in dieser Studie die thematischen In-halte und weniger sprachliche Besonderheiten wie Dialekt oder Satzbau von Interesse sind, werden die Texte in korrektes Schriftdeutsch überführt. Es werden Transkriptionsregeln für eine kommentierte wörtliche Transkription in Anlehnung an Kuckartz, Dresing, Rädiker und Stefer (2007, S. 27ff) zugrunde gelegt.79 Beim weiteren Vorgehen ist zu beachten, dass die Texte eine neue, konstruierte Realität darstellen, mit der weitergearbeitet wird (Flick, 1991a; Steinke, 1999). Da die Transkription fremd vergeben und von insgesamt fünf verschiedenen Personen gegen Bezahlung durchgeführt wird, sind systematische Verzerrungen in Richtung der Erwartungen der Forscherin bei der Konstruktion der Texte unwahrscheinlich. Denn nur punktuell erfolgt eine Überarbeitung durch die Autorin dahingehend, dass Auslassungen und unverständliche Teile auf Basis des erneuten Abhörens der Tonbänder ergänzt werden. Tabelle 4 gibt Aufschluss dar-über, welches Material zur Beantwortung welcher Fragen im Rahmen der qualitativen Datenana-lyse herangezogen und ausgewertet wird.

79 Nachdem die ersten 14 Transkripte auf diese Weise erstellt wurden, wurde die Vorgehensweise aufgrund des sich abzeichnenden hohen Aufwands angepasst und rationeller transkribiert. Dieses Vorgehen ist laut Flick (1991a) bei psychologischen Fragestellungen durchaus legitim.

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Erhebungs- und Auswertungsmethoden 139

Tabelle 4: Fragestellungen und ausgewertetes Material im Rahmen der qualitativen Datenanalyse

FRAGESTELLUNG AUSGEWERTETES MATERIAL

Wie ist die Akzeptanz in verschiedenen Teams im Verlauf der einzelnen Projekte?

22 Prozessreflexionen aus 22 Workshoptagen80, Transkripte der Feedbacksequenzen von 34 Einzelcoachings, Transkripte von 24 Evaluationsinterviews

Auf welche Probleme, Hindernisse oder unvorher-gesehenen Ereignisse stößt das Interventionspro-gramm?

22 Prozessreflexionen aus 22 Workshoptagen, Transkripte von 34 Einzelcoachings, Transkripte von 24 Evaluationsinter-views, Antworten auf offene Fragen aus 146 Fragebögen zur Prozessqualität

Wie erleben die Teilnehmer die jeweiligen Interven-tionen?

22 Prozessreflexionen aus 22 Workshoptagen, Transkripte von 34 Einzelcoachings, Transkripte von 24 Evaluationsinter-views, Antworten auf offene Fragen aus 146 Fragebögen zur Prozessqualität

In welchen Erlebens- und Verhaltensbereichen werden von den Teilnehmern Veränderungen beo-bachtet und auf welcher Ebene?

16 Prozessreflexionen aus 16 Workshoptagen (WS II und III), Transkripte von 24 Evaluationsinterviews, Antworten auf offe-ne Fragen aus 24 Follow-up-Fragebögen

Wie ist die Nachhaltigkeit der Veränderungen ein-zuschätzen?

Transkripte von 24 Evaluationsinterviews, Antworten auf offe-ne Fragen aus 24 Follow-up-Fragebögen

Wie ist die Intensität der Veränderungen einzu-schätzen?

8 Prozessreflexionen aus 8 Workshoptagen (WS III), Transkripte von 24 Evaluationsinterviews, Antworten auf offe-ne Fragen aus 24 Follow-up-Fragebögen

Inwiefern planen oder wenden die Teilnehmer Stra-tegien an, die im wissenschaftlichen Diskurs als Selbstmanagement-Strategien beschrieben wer-den?

Transkripte von 34 Einzelcoachings, Transkripte von 24 Eva-luationsinterviews

Wie wirkt sich der Prozess auf die Erreichung indi-vidueller Ziele aus?

16 Prozessreflexionen aus 16 Workshoptagen (WS II und III), Transkripte von 24 Evaluationsinterviews, Antworten auf offe-ne Fragen aus 24 Follow-up-Fragebögen

8.2.2 Vorgehen bei der Inhaltsanalyse

Ziel der Analyse ist es, die Sichtweisen der Befragten in ihrem Erleben des Programms zu re-konstruieren. Aufgabe der Interpretation ist vor allem eine Reduktion der Komplexität. Diese ergibt sich daraus, dass die Perspektiven von bis zu 41 Personen aus sechs unterschiedlichen Teams über einen jeweils längeren Beratungsprozess mit einer Vielzahl unterschiedlicher Ein-zelinterventionen miteinander verbunden werden (vgl. 9.1.3). Den Schwerpunkt der Auswertung bildet die induktive Ermittlung eines Systems von inhaltlichen Kategorien in Verbindung mit einer strukturierenden Inhaltsanalyse. Im Mittelpunkt der Auswertung steht die Generierung eines Ka-tegoriensystems, das die inhaltlichen Kernaspekte der analysierten Texte wiedergibt. Zur Erstel-lung dieses Systems wird die Software MaxQDA 2007 genutzt.

Die Kategorienbildung erfolgt sowohl theorie- als auch empiriegeleitet. In Abb. 10 ist der Ablauf der Kategorienbildung dargestellt. Zu Beginn der Analyse stehen die Fragestellungen fest, die anhand des vorliegenden Materials beantwortet werden sollen. Die Analyse und Interpretation der Texte soll Aufschluss über das Interventionsprogramm geben. Abgeleitet von den For-

80 Die Angaben beziehen sich auf die Summe des ausgewerteten Materials. Aussagen zu den jeweiligen Settings werden jedoch separat ausgewertet. So werden für das Erleben von Workshop II die entsprechenden acht Prozessreflexionen von vier Teams herangezogen, für das Erleben der Einzelcoachings die Transkripte dieser 34 Sitzungen etc.

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Erhebungs- und Auswertungsmethoden 140

schungsfragen und den Hypothesen werden jeweils Einzelfragen an das Material herangetra-gen. Die Hauptfragestellungen, auf welche sich die Analyse konzentriert, sind:

1. Wie erleben die Teilnehmer die Interventionen?

2. Welche Veränderungen nehmen sie auf individueller wie auf Teamebene wahr?

Weitere Differenzierungen dieser übergeordneten Fragestellungen sind in Tabelle 5 aufgeführt. Aus diesen Fragestellungen ergeben sich erste Kategorisierungsdimensionen für die Auswer-tung der Texte. Die Dimensionen legen fest, welche unterschiedlichen Inhalte aus dem Text extrahiert werden. Beispielsweise stellen in dieser Arbeit die Frage nach Implementationshin-dernissen und die Frage nach der Anwendung von Selbstmanagement-Strategien zwei ver-schiedene thematische Dimensionen dar. Da die Festlegung von Dimensionen auf „theoreti-schen Erwägungen über Gegenstand und Ziel der Analyse“ (Mayring, 2002, S. 116) basiert, ist sie ein deduktiver Schritt, der den Ausgangspunkt für die induktive Kategorienbildung darstellt.

Abb. 10: Ablaufmodell der Kategorienbildung (Quelle: modifizierte Darstellung nach Mayring, 2002, S. 116)

Zur Erschließung inhaltlicher Kategorien wird das vorliegende Textmaterial mit Blick auf die ein-zelnen Dimensionen zeilenweise durchgegangen, bis die ersten Aussagen gefunden werden, die sich auf die gesuchten Dimensionen beziehen. Von diesen Aussagen werden diejenigen einander zugeordnet, die sich inhaltlich ähnlich sind. Als Abstraktion dieser inhaltsgleichen Ele-mente wird eine Kategorie mit entsprechender Bezeichnung bzw. Definition gebildet. Einer sol-chen Kategorie werden bei der weiteren zeilenweisen Bearbeitung des Materials alle passenden Textstellen zugeordnet (Subsumption). Textstellen, die nicht zu der bereits aufgestellten Katego-rie passen, führen zur Formulierung neuer Kategorien (vgl. Mayring, 2002). Die Kategorienbil-dung wird so lange fortgeführt, bis das Datenmaterial ausgeschöpft ist und sich keine neuen Kategorien mehr erschließen. An diesem Punkt wird das Kategoriensystem hinsichtlich seiner Logik, der Zuordnung der einzelnen Elemente zu den Kategorien und der Trennschärfe der Ka-tegorien überarbeitet und revidiert. In einem iterativen Prozess werden bereits gebildete Katego-rien oder Zuordnungen von Textelementen so lange überprüft, bis das Kategoriensystem logisch und stimmig erscheint.

Im Fall dieser Studie ist die kleinste Analyse- bzw. Kodiereinheit eine einzelne Proposition (d.h.

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Erhebungs- und Auswertungsmethoden 141

der Satzinhalt oder ein Wort, das den Bedeutungsgehalt eines Satzes hat) im Kontext der Ge-samtheit der Äußerungen einer Person im Rahmen eines jeweiligen Interventionssettings (z.B. „Einzelcoaching“ oder „Evaluationsinterview“). Bei der Auswertung der Workshopprotokolle bil-det ebenfalls eine Proposition die kleinste Analyseeinheit, jedoch bezieht sich der Kontext hier auf die Gesamtäußerungen eines Teams. Diese Analyseeinheiten werden als „Textstellen“ oder „Textelemente“ bezeichnet. Die Auswertungseinheit bildet im ersten Durchlauf der einzelne Fall (z.B. das einzelne Evaluationsinterview). Im zweiten Durchlauf werden alle Fälle innerhalb eines Teams betrachtet (z.B. alle Evaluationsinterviews je Team), um mögliche Unterschiede zwi-schen den Teams zu entdecken. Der dritte Durchlauf bezieht das gesamte Material über alle Teams hinweg in die Analyse ein (z.B. die Evaluationsinterviews der Gesamtstichprobe). Bei den Prozessreflexionen erübrigt sich der erste Durchlauf, da die Prozessreflexionen bereits ein Teamprodukt darstellen und das individuelle Erleben nicht abbilden.

Zur Aufarbeitung des erhobenen Materials kommen in erster Linie die inhaltsanalytischen Tech-niken der Zusammenfassung und Strukturierung zur Anwendung (Mayring, 2002). Sie ermögli-chen eine Konzentration auf die wichtigen Inhalte der Antworten, einen geringeren Materialum-fang und ein höheres Abstraktionsniveau der Daten (Mayring, 1990). Die Zusammenfassung dient der Bündelung bedeutungsgleicher oder -ähnlicher Textelemente. Aufgrund der großen Materialmenge wird auf das Paraphrasieren der einzelnen Textstellen verzichtet. Da die Katego-rienbildung häufig induktiv erfolgt, wird die Analysetechnik der Zusammenfassung besonders häufig genutzt. Unter der Technik der Strukturierung versteht man das Herausfiltern und Ordnen bestimmter Elemente des Textmaterials unter zuvor definierte Ordnungskriterien (Mayring, 2002, S. 115). Diese Ordnungskriterien sind im besagten Kategoriensystem verankert. So geben bei-spielsweise die wissenschaftlichen Selbstmanagement-Strategien (vgl. Anhang 1) die Katego-rien vor, denen passende Textelemente aus den Einzelcoachings und Evaluationsinterviews zugeordnet werden. Obwohl die Bemühungen darauf gerichtet sind, möglichst trennscharfe Ka-tegorien zu definieren, werden manche Textelemente bei der strukturierenden Analyse mehr als einer Kategorie zugeordnet. Da die quantitative Auszählung einzelner Kategorien keinen wichti-gen Analyseschritt dieser Studie darstellt, ist dies nicht als Verzerrung der Ergebnisse zu wer-ten. Vielmehr hängen einzelne Kategorien inhaltlich eng zusammen. Somit erscheint es nicht nur legitim, sondern auch sinnvoll, einzelne Elemente als repräsentativ für mehrere Kategorien zu betrachten. Die Alternativstrategie, der Aussage einzelne Propositionen zu entnehmen und diese jeweils den passenden Kategorien zuzuordnen, wird vor dem Hintergrund verworfen, dass die Äußerung als Ganzes wichtige Kontextinformationen beinhaltet, welche die jeweiligen Ein-zelaussagen möglicherweise relativieren. Mehrere Aussagen derselben Person, die als bedeu-tungsgleich angesehen werden, werden dagegen als Wiederholungen betrachtet und gebündelt.

Das Ergebnis der Analyse ist ein System von Antwortkategorien pro Fragestellung inklusive der jeweils zugeordneten Analyseeinheiten. Die grundsätzliche Möglichkeit, das Kategoriensystem der Überprüfung durch einen zweiten Rater auszusetzen, ist nicht nur aus Kapazitätsgründen nicht realisierbar, sondern auch theoretisch schwierig, wie Steinke (1999) verdeutlicht:

„Denkbar wäre eine Interkoder-Korrelation beispielsweise bei der Inhaltsanalyse, nachdem die Analysekategorien endgültig festgelegt wurden. Da qualitative Forschung aber induktivistisch bzw. abduktiv orientiert ist […] dürften In-terkoder-Korrelationen in der qualitativen Forschung kaum anwendbar sein (im Unterschied zur Annahme von Silver-man, 1993, S. 148)“ (S. 148).

Die Interpretation der jeweiligen Antwortkategorien in ihrer Bedeutung für die Fragestellung wird im Zusammenhang mit der Darstellung der Ergebnisse in den Kapiteln 11 und 12 dargestellt. Für die Interpretation ist die Frage maßgeblich, was sich aus dem Erleben der Teilnehmer für die Bestätigung oder Widerlegung der Hypothesen schließen lässt. Da diese Interpretation im

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Diskurs erfolgt und Verständnisfragen sofort geklärt werden können, wird auf die Erstellung von Kodierleitfäden mit Definitionen der einzelnen Kategorien, Ankerbeispielen und Kodierregeln weitestgehend verzichtet. Lediglich für die Auswertung der Selbstmanagementstrategien wurde ein Kodierleitfaden erstellt, da dieser sowohl von der Autorin als auch von der externen Evalua-torin genutzt wurde (vgl. Anhang 12). In den übrigen Fällen lassen sich die Kodierregeln und Ankerbeispiele aus dem Textmaterial im genutzten Softwareprogramm MaxQDA 2007 leicht rekonstruieren.

8.3 Auswertung der Fragebögen

Die Fragebögen zur Prozessqualität und aus dem Follow-up werden mittels deskriptiver Daten-analyse ausgewertet. Aufgrund der geringen Stichprobengröße (vgl. 9.1.3) erscheint die Anwen-dung weiterer quantitativer Methoden wenig sinnvoll. Tabelle 5 gibt Aufschluss darüber, zu wel-chen Fragen jeweils welches Material herangezogen wird und welche Merkmale im Fokus der Datenanalyse stehen. Die Ergebnisse der qualitativen Analyse werden mit den Ergebnissen der deskriptiven Datenanalyse kontrastiert bzw. durch sie ergänzt.

Tabelle 5: Fragestellungen, ausgewertetes Material und Auswertungsfokus im Rahmen der deskriptiven Datenanalyse

FRAGESTELLUNG AUSGEWERTE-TES MATERIAL

BETRACHTETE MERKMALE

Welche Rezipienten werden erreicht bzw. nehmen am Programm teil?

Erhobene deskriptive Daten

Alter, Geschlecht, Qualifikation, Branche, Dauer der Betriebs- und Teamzugehörigkeit

Wie ist die Akzeptanz in verschiede-nen Teams/ bei verschiedenen Perso-nen im Verlauf der einzelnen Projek-te?

146 Fragebögen zur Prozessqualität

Median der Einschätzungen je Team; Konstanz der Beurteilungen der Prozessqualität je Team / je Person

Wie erleben die Teilnehmer die Pro-zessqualität?

146 Fragebögen zur Prozessqualität

Gesamtbewertung, erlebte Lösungsorientierung, Perspektivwechsel und Erweiterung des Mög-lichkeitsraums, wahrgenommener Nutzen und Sinnhaftigkeit, Anschlussfähigkeit der Beraterin

Wie ist die Nachhaltigkeit der Verän-derungen einzuschätzen?

Follow-up-Fragebögen

Nachhaltigkeit der individuellen Zielerreichung, der individuellen Veränderungen und der Verän-derungen im Team

Wie wirkt sich der Prozess auf die Erreichung individueller Ziele aus?

24 Evaluations-interviews

Zielerreichungsgrad

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Erprobung des Interventionsprogramms 143

TEIL IV: ERGEBNISSE DER EVALUATION

9 Erprobung des Interventionsprogramms

9.1 Stichprobengewinnung und Zielgruppe

9.1.1 Sampling-Strategie

Da keine statistische Absicherung des Interventionskonzepts, sondern eine Exploration das Hauptziel der Arbeit darstellt, ist eine theoretische Stichprobe gefragt (Lamnek, 2005). Dabei steht nicht eine große Zahl von Fällen im Vordergrund, sondern eine Auswahl von für meine Fragestellung typischen Fällen. Die Sampling-Strategie ist in der vorliegenden Studie zum einen theoriebezogen - vor dem Hintergrund der theoretischen Überlegungen zum Selbstmanagement sind nur besondere Personengruppen entscheidend. Ein wesentliches Selektionsmerkmal bilden die Selbstmanagement-Anforderungen. Zum anderen wird eine opportunistische Sampling-Strategie verfolgt: Je nach Verfügbarkeit von Teams sollen alle Möglichkeiten genutzt werden, um die Stichprobe möglichst ressourcenschonend zu rekrutieren. Die Größe der zu untersu-chenden Gruppe muss noch nicht vor Beginn der Untersuchung festgelegt bzw. errechnet wer-den. Zu jedem Zeitpunkt können abhängig von der bis dato erreichten Informationsausschöp-fung weitere Fälle untersucht oder kann die Datenerhebung beendet werden, „wenn eine theore-tische Sättigung erreicht ist“ (Lamnek, 2005, S. 193). Dies kommt dem hier beschriebenen For-schungsvorhaben (und wohl den meisten Projekten dieser Art) insofern entgegen, als die Anzahl der potenziellen Teams ohnehin durch verschiedene Faktoren stark begrenzt ist: Die Teilnehmer müssen unter anderem bestimmte Kriterien erfüllen sowie Interesse und Teilnahmebereitschaft mitbringen. So kann im Vorfeld kaum festgelegt werden, wie viele Personen untersucht werden. Denn es ist nur bedingt absehbar, wie viele sich dazu mit vertretbarem Aufwand anbieten.

9.1.2 Vorgehen bei der Teamakquise

Die Suche und Ansprache von Teams fand im Zeitraum von September 2007 bis November 2008 statt. Zur Gewinnung von Teams wurden auf bestehende Netzwerke und Kontakte zurück-gegriffen. Insgesamt wurden 64 Ansprechpartner kontaktiert und mit Informationen über das Projekt versorgt. Bei 28 dieser Personen handelte es sich um Multiplikatoren, wie beispielsweise Berater, die in mehrere Unternehmen Einblick haben. Diese wurden gebeten, Ansprechpartner in Unternehmen oder Teams zu nennen, die das Projekt interessieren könnte. Mit potenziellen Auftraggebern wurde in der Regel von mir selbst oder auch durch den jeweiligen Multiplikator telefonisch abgeklärt, ob ein grundsätzliches Interesse an der Teilnahme bestünde. In der Folge wurden die relevanten Ansprechpartner per Mail kontaktiert. In Anhang 3 findet sich ein Schrift-stück, welches hierzu mit geringfügigen Variationen eingesetzt wurde.

Als Auswahlkriterien, anhand derer die avisierten Auftraggeber überprüften, ob ihr Team für das Projekt in Frage käme, wurden zum einen hohe Selbstmanagement-Anforderungen und Hand-lungsspielräume der Teammitglieder, zum anderen ein Interesse an der Weiterentwicklung des Teams und der eigenen Person definiert. Um Interesse zu wecken und bereits zu diesem Zeit-punkt die Wahrscheinlichkeit für eine bessere Anschlussfähigkeit durch ein gezieltes Erwar-tungsmanagement zu erhöhen, wurde im Text erwähnt, dass „in der betrieblichen Praxis eher

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Erprobung des Interventionsprogramms 144

ungewöhnliche“, „erlebnisaktivierende“ und „kreativitätsfördernde Methoden“ eingesetzt würden. Die Frage, wo die Systemgrenze zu ziehen sei in Bezug auf die Teamzusammenhörigkeit, wur-de dem betreffenden Team überlassen (vgl. Greif, 1978, S. 216 f.). Auf Nachfragen, wer teil-nehmen solle, wurde lediglich geantwortet, dass es wünschenswert sei, das „gesamte Team“ in die Maßnahme einzubeziehen. Explizit bestanden wurde auf die Teilnahme der Teamleitung. Die Beratung wurde mit dem Hinweis auf den Dissertationskontext kostenlos angeboten. Die Investition seitens der Organisation beschränkte sich somit auf die Freistellung der Mitarbeiter für die Dauer der Maßnahmen sowie die Bereitstellung von Räumlichkeiten zur Durchführung der Workshops und Einzelinterviews.

Meldete ein Unternehmen Interesse zurück, so wurden vor einem Treffen Telefonate, manchmal auch persönliche Gespräche mit der Team-, Abteilungsleitung oder Geschäftsführung durchge-führt. Daraus resultierten zehn jeweils ein- bis zweistündige Vorgespräche, davon acht mit dem gesamten Team, an zweien nahmen nur die jeweiligen Teamleitungen teil. Die Gespräche, die mit dem Gesamtteam erfolgten, liefen wie folgt ab: Nach der Vorstellung meiner Person und einer kurzen Vorstellungsrunde fragte ich die Gruppe, was für sie heute ein gutes Ergebnis wä-re. Dann wurde mit der Frage „Was bedeutet Selbstmanagement für Sie?“ das Selbstmanage-ment-Verständnis der Teilnehmer erfragt. Die Beiträge der Teammitglieder wurden von mir auf-gegriffen und in Bezug zur Selbstmanagement-Definition dieser Arbeit gesetzt (vgl. 2.2). Um diesen Prozess plastischer zu gestalten, wurde ab dem vierten Teamgespräch auch das in Abb. 11 dargestellte Flipchart eingesetzt.

Anschließend wurden die Teilnehmer gebeten, an einem kleinen Experiment teilzunehmen. Wir suchten einen Ort auf, an dem genügend Bewegungsfreiheit gegeben war. Alle Teilnehmer wur-den aufgefordert, gedanklich zwei Personen aus dem anwesenden Team auszuwählen und auf ein Signal hin ein gleichseitiges Dreieck mit diesen Zielpersonen zu bilden. Daraus ergibt sich ein Prozess des „Einschwingens“ aufeinander, in dem einzelne Personen ihren Platz mehrmals verändern, was wiederum Bewegungen anderer Teilnehmer nach sich zieht. Da die Teams zwi-schen fünf und zehn Personen umfassten, dauerte es meist nicht lange, bis ein Gleichgewichts-zustand gefunden war. Dann wurde gezielt nachgefragt, um Vermutungen zu erheben, wer sich auf wen bezogen habe, ob es Personen gebe, deren Fortbewegen keine Reaktion nach sich zog etc. Häufig ließ sich hier feststellen, dass die Situation trotz einfacher Regeln bereits zu hoher Komplexität führte und die Teilnehmer im Prozess so auf ihre Zielpersonen fokussiert waren, dass sie nicht bemerkten, ob ihre eigene Bewegung etwas auslöste. Aus meiner Frage „Was glauben Sie, könnte diese Übung mit Selbstmanagement im Team zu tun haben?“ ergab sich eine Diskussion um gegenseitige Einflüsse und Einschränkungen im Team und Schwierigkeiten des Selbstmanagements.

Ich fragte daraufhin, ob irgendwer im Team Erfahrung mit Selbstmanagement- oder Zeitmana-gementtrainings habe. Sofern dies bejaht wurde, bat ich die Person, zu beschreiben, was in sol-chen Trainings in der Regel vermittelt wird. Hatte noch kein Teammitglied ein derartiges Semi-nar besucht, schilderte ich kurz übliche Inhalte (dabei beschränkte ich mich auf die Trainingsin-halte nach Seiwert (vgl. 3.3.3), da diese am weitesten verbreitet sind). Im Anschluss daran legte ich meinen Ansatzpunkt dar, das heißt die Hypothese, dass die Bearbeitung von Selbstmana-gementthemen in Teams eine nachhaltigere Untersützung der Einzelnen ermöglicht.

Daraufhin skizzierte ich meine Vorstellung vom Projektverlauf mithilfe des Flipcharts in Abb. 12. Die einzelnen Etappen bzw. Interventionssettings wurden erläutert und die dahinter stehende Intention benannt. Auch wurde auf das Konzept von Prozessberatung hingewiesen und das da-zugehörige Rollenverständnis erläutert: Die Beraterin gibt Struktur und Rahmen, stellt Fragen

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und koordiniert den Verlauf. Alle Teammitglieder sind verantwortlich für den Inhalt und die Ent-wicklung von Lösungen. Die Führungskraft ist – im Bewusstsein ihrer besonderen Rolle – als Teilnehmer eingebunden. Es wurde erklärt, dass in der Beratung keine Expertenratschläge im Sinne von „so wird’s gemacht“ erteilt würden und dass im Unterschied zu Selbstmanagement-Trainings keine „Tools“ vermittelt würden. Danach wurden Fragen der Teilnehmer in Bezug auf das Rollenverständnis, den Prozess und organisatorische Aspekte geklärt. Dabei wurde betont, dass es Ziel der Maßnahme sei, sowohl den Einzelnen wie auch das Team voranzubringen, wobei im Vordergrund stünde, den Teamkontext so zu gestalten, dass persönliche Ziele besser erreicht werden könnten. Wichtig sei die freiwillige Teilnahme jedes Einzelnen zu jeder Zeit. Es wurde angeboten, dass die Entscheidung zur Teilnahme oder Nicht-Teilnahme möglicherweise nach dem ersten Workshop leichter fiele. Es wurde „gewarnt“, dass die Teilnehmer bereit sein müssten, sich auf eine Reflexion über sich selbst und das eigene Team einzulassen. Wün-schenswert sei auch das Ausprobieren von bzw. Einlassen auf andere Formen der Kommunika-tion sowie das Einbringen eigener Anliegen. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass keine ver-traulichen Informationen inner- oder außerhalb des Teams und des Unternehmens weitergege-ben würden.

Abb. 11: Flipchart zur Selbstmanagement-Definition Abb. 12: Flipchart zum Projektverlauf

Sieben der zehn Teams entschieden sich daraufhin, am Auftragsklärungs-Workshop teilzuneh-men. Eines der Teams sagte diesen jedoch eine Woche vor Beginn aufgrund von gerade statt-findenden Reorganisationsmaßnahmen ab. Auf diese Weise konnten letztlich 41 Teammitglieder in sechs Teams gewonnen werden, die in der Folge näher beschrieben werden (vgl. Tabelle 6). Als Zeitpunkt für die Bestimmung der deskriptiven Daten der Stichprobe wurde der erste Work-shop gewählt.

Team 1

Bei Team 1 handelte es sich um eine Gruppe wissenschaftlicher und studentischer Mitarbeiter aus dem fakultätsübergreifenden Forschungsschwerpunkt, den das „Zentrum Mensch-

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Maschine-Systeme (ZMMS)“ der Technischen Universität Berlin repräsentiert. Das Team be-schäftigt sich mit der Erforschung und Entwicklung von effektiven und effizienten Mensch-Maschine-Systemen, insbesondere zur Realisierung von Brain-Computer Interfaces, welche in der Lage sind, sich an Beanspruchung und aktuelle Leistungsfähigkeit der Nutzer anzupassen.

Das Team aus (z. T. angehenden) Wirtschaftsingenieuren, Psychologen, einem Mathematiker und einem Informatiker setzte sich zu Beginn der Studie aus fünf Männern und drei Frauen zu-sammen. Die Führungskraft war männlich. Die Altersspanne lag zum Zeitpunkt des For-schungsbeginns zwischen 23 und 32 Jahren. Der Altersdurchschnitt lag bei 28 Jahren. Alle Teammitglieder verfügten über einen Hochschulabschluss oder waren im Begriff, einen zu er-werben. Die Teammitglieder standen allesamt am Anfang ihres Berufslebens. Im Mittel hatten sie eine Berufserfahrung von 2,6 Jahren und gehörten seit 2 Jahren dem Team an. Eine Beson-derheit des Teams bestand darin, dass lediglich drei der Teammitglieder während der Durchfüh-rung des Projekts in einem (befristeten) Angestelltenverhältnis mit der Forschungseinrichtung standen. Nur der Leiter der Forschungsgruppe arbeitete angestellt und in Vollzeit. Die beiden weiteren Angestellten hatten Teilzeit-Verträge als studentische Hilfskräfte von 60-80 Std. im Mo-nat. Alle weiteren bezogen kein Entgelt von der Forschungseinrichtung. Ihre Motivation, sich in der Teamarbeit einzubringen, begründete sich aus ihren individuellen Zielen: Ein Teammitglied schrieb seine Studienarbeit, zwei weitere ihre Diplomarbeit und ein Mitglied seine Doktorarbeit über die Forschungsthemen. Zwei Mitarbeiter waren an einem anderen Lehrstuhl angestellt, ein Doktorand bezog ein Graduiertenstipendium und promovierte an einem anderen Forschungsin-stitut.

Team 2

Team 2 entstammte der Toll Collect GmbH, welche als Betreibergesellschaft mit circa 600 Mit-arbeitern für den Aufbau und den Betrieb des Mauterhebungssystems für schwere Nutzfahrzeu-ge auf Bundesautobahnen zuständig ist. Für den Auftraggeber Bund übernimmt die Toll Collect im Rahmen eines Public Private Partnership - Modells alle Details der Mauterfassung und der Mautzahlung. Das Team aus der Abteilung Verfahrensentwicklung sorgt für die Weiterentwick-lung des Mautsystems rund um die automatische Einbuchung per Fahrzeuggerät.

Das Team bestand zum Zeitpunkt der Durchführung aus sechs Männern und einer Frau im Alter von 31 bis 52, durchschnittlich 42 Jahren. Der Leiter der Abteilung Verfahrensentwicklung war gleichzeitig Leiter des Teams und nahm ebenfalls am Projekt teil. Alle Teammitglieder verfügten über einen Hochschulabschluss in Informatik oder Elektrotechnik. Lediglich der Leiter hatte ein kaufmännisches Studium absolviert. Obwohl die Teammitglieder auf eine breite Berufserfahrung von im Durchschnitt 16 Jahren zurückblickten, arbeiteten sie als Team erst seit etwas über zwei Jahren zusammen. Als Besonderheit des Teams stellte sich im Projektverlauf heraus, dass kei-ne direkte Zusammenarbeit im Team zur Erfüllung der Gesamtaufgabe erforderlich war. Es han-delte sich also eher um eine Gruppe von Spezialisten, die alle sehr eigenständig und ohne gro-ße Interdependenzen ihr detailliertes Aufgabengebiet bearbeiteten.

Team 3

Als Team 3 nahm der Leitungskreis des Fachbereichs „Wohnen“ der Lebenshilfe Bremen e.V. am Projekt teil. Die Lebenshilfe Bremen berät und begleitet Menschen mit geistiger Behinderung bei ihrer Lebensgestaltung und in allen Lebensphasen. Der Fachbereich Wohnen realisiert ver-schiedene Angebote, um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der begleiteten Menschen ein-gehen zu können. Dazu gehören etwa pädagogisch begleitete Wohngemeinschaften für Men-

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schen mit hohem Unterstützungsbedarf, Wohngruppen, die punktuell betreut werden, Wohntrai-ning für Erwachsene mit geistiger Behinderung, die allein oder mit einem Partner in einer eige-nen Wohnung leben möchten sowie externes und ambulant betreutes Wohnen.

Das Team setzte sich zum Zeitpunkt der Erhebung aus einem Fachbereichsleiter, zwei Fachbe-reichsleitungsassistenzen und drei weiblichen sowie vier männlichen Teamleitungen zusammen. Es handelte sich um ein Führungsteam, in dem jeder Leitung ein Team von Mitarbeitern zuge-ordnet war. Lediglich zwei Stellen hatten keine disziplinarische Personalverantwortung. Dabei handelte es sich um die Assistenzen der Fachbereichsleitung, die beide mit konzeptionellen Aufgaben (z.B. der Weiterentwicklung der pädagogischen Ansätze) und Sonderaufgaben (Pro-jektarbeit, Durchführung von Teamentwicklungen etc.) betraut waren. Alle Teammitglieder hat-ten einen Abschluss in Sozialarbeit oder Diplom-Pädagogik, in der Regel mit einem Schwer-punkt auf Sozialpädagogik, Sonderpädagogik oder Behindertenpädagogik. Sie waren zum Zeit-punkt der Durchführung zwischen 33 und 57 Jahren alt. Der Altersdurchschnitt lag bei 45 Jah-ren. Das Team zeichnete sich durch eine lange Betriebszugehörigkeit von im Mittel 17 Jahren aus. Im Leitungsteam arbeiteten sie seit durchschnittlich sechs Jahren zusammen.

Team 4

Die Teilnehmer von Team 4 waren Mitarbeiter der Contact Software GmbH. Das Unternehmen bietet mit circa 100 Mitarbeitern Lösungen für das CAD-Datenmanagement, Produktdatenmana-gement und Product Lifecycle Management. Zu den Kunden zählen insbesondere Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, der Automobil- und Konsumgüterindustrie, der Energie-versorgung und dem öffentlichen Nahverkehr. Bei diesen Kunden handelt es sich um global agierende Unternehmen, die mithilfe der Contact-Software ihre weltweiten Produktentwicklungs-prozesse steuern.

Am Projekt nahm ein Projektteam aus der 25-köpfigen Abteilung Softwareentwicklung teil. Ob-wohl die Aufbauorganisation keine Teamstruktur vorsieht, arbeiteten zu Projektstart in einem besonders aufwändigen Entwicklungsprojekt fünf Männer bereits seit über einem Jahr zusam-men. Eine Person hatte dabei explizit die Teamleitungsrolle inne. Eine Besonderheit des Teams bestand darin, dass alle Mitarbeiter gleichzeitig in anderen Projekten involviert waren. Das Team wurde vom Abteilungsleiter als „Teilzeitteam“ beschrieben. Die Teammitglieder waren zu Pro-jektbeginn zwischen 29 und 44 Jahren (durchschnittlich 36 Jahre) alt. Alle hatten einen Hoch-schulabschluss in Informatik absolviert. Im Mittel arbeiteten sie seit sechs Jahren im Unterneh-men, während der jüngste Neuzugang vor 1,5 Jahren erfolgte und die längste Betriebszugehö-rigkeit bei 12 Jahren lag. Die durchschnittliche Berufserfahrung lag bei knapp 8 Jahren, variierte jedoch stark (Range = 16,5).

Team 5

Team 5 bildete das Team „Konzernstrategie“ der Otto Group. Die Otto Group ist in 19 Ländern mit insgesamt 123 wesentlichen Gesellschaften repräsentiert. Mit circa 53.000 Mitarbeitern weltweit gehört das Unternehmen zu den führenden Handels- und Dienstleistungskonzernen. Das Team hat die Aufgabe, die strategische Entwicklung des Konzerns voranzutreiben. Insbe-sondere bedeutet dies, eine Vielzahl von Informationen zu Geschäftsoptionen zu recherchieren, zu analysieren und zu bewerten sowie Entscheidungsvorlagen für den Vorstand vorzubereiten. Auch die Begleitung und Sicherstellung der Implementierung von konzernrelevanten strategi-schen Projekten fällt in den Zuständigkeitsbereich des Teams, darunter unter anderem die Um-setzung eines employee self-service-Portals.

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Dem Leiter Konzernstrategie arbeiteten drei Personen (zwei Frauen und ein Mann) direkt zu. Eine Teamassistentin war darüber hinaus in das Team integriert, jedoch auch für einen weiteren Bereich und Leiter zuständig. Einem weiteren Mitarbeiter oblag ein etwas anderer Verantwor-tungsbereich, da er sich beinahe ausschließlich um die Umsetzung des employee self-service-Portals kümmerte. Dies schlug sich auch in unterschiedlichen Qualifikationen nieder: Während der Mitarbeiter mit der Sonderaufgabe ein Studium der Wirtschaftsinformatik besucht hatte, hat-ten alle anderen Teammitglieder einen kaufmännischen Hintergrund. Die Assistentin verfügte über einen Ausbildungsabschluss, die übrigen Personen über einen betriebswirtschaftlichen Hochschulabschluss. Das Team arbeitete im Mittel etwas über zwei Jahre zusammen. Bis auf die Assistentin, die bereits seit 17 Jahren bei der Otto Group angestellt war, war dies für die Teammitglieder die erste Stelle im Konzern. Für drei der Teammitglieder handelte es sich auch um ihre erste Arbeitsstelle nach dem Studium. Der Altersdurchschnitt lag bei 33 Jahren, wobei vier Teammitglieder in der Altersgruppe zwischen 26 und 30 Jahren lagen, der Teamleiter und die Assistentin dagegen zwischen 40 und 44 Jahre alt waren. Die Berufserfahrung rangierte entsprechend zwischen 1,5 und 25 Jahren.

Team 6

Als weiteres Team beteiligte sich ein Team der Abteilung „Kompetenzentwicklung“ der Volkswa-gen Coaching GmbH (n=5) am Projekt. Die VW Coaching ist Dienstleister für Ausbildung, Per-sonalentwicklung und Unternehmensberatung. Als 100%-ige Tochter der Volkswagen AG be-schäftigt sie mehr als 730 Mitarbeiter an sechs Standorten. Die Abteilung „Kompetenzentwick-lung“ am Standort Hannover ist insbesondere Ansprechpartner für den Hauptkunden VW Nutz-fahrzeuge, jedoch auch für externe Kunden. Innerhalb dieser Abteilung ist das Team „Techni-sche Qualifizierung“ verantwortlich für Trainingsangebote zur Vermittlung technischen Wissens auf dem Gebiet der Automobil- und Produktionstechnik. Sein Portfolio umfasst beispielsweise Seminare zu Robotertechnik, IT, Hydraulik, Pneumatik, Schweißtechnik und Elektrotechnik.

Während eine Frau mit kaufmännischer Ausbildung für das Seminarmanagement zuständig war, waren die übrigen Teammitglieder männlich und für jeweils unterschiedliche Qualifizierungs-schwerpunkte verantwortlich. Sie hatten entsprechend ihrer Trainingssparte einen technischen Qualifikationshintergrund mit Schwerpunkten in den Fachrichtungen Elektrotechnik oder Ma-schinenbau. Zwei hatten ein Hochschulstudium, einer eine Meisterprüfung und ein weiterer eine Ausbildung abgeschlossen. Das Durchschnittsalter lag bei 46 Jahren (Range = 9). Die Mehrzahl der Teammitglieder arbeitete bereits seit ihrem Berufseinstieg im VW-Konzern, was die hohe mittlere Betriebszugehörigkeit von 24 Jahren erklärt. Während vier der Teammitglieder bereits seit 15 Jahren zusammen arbeiteten, war eine Person erst vor drei Jahren zum Team gestoßen.

9.1.3 Zusammenfassende Betrachtung der Stichprobe

Tabelle 6, Tabelle 7 und Abb. 13 fassen die Informationen über die Stichprobe zusammen. Von den insgesamt 41 Personen der Gesamtstichprobe sind 80% männlich. 90% sind Akademiker, wobei der Hochschulabschluss bei 12 % zum Zeitpunkt der Erhebung noch ausstand. 50 % der Stichprobe haben einen technischen, 31% einen geistes- und sozialwissenschaftlichen, 17% einen kaufmännischen und 2% einen sonstigen Qualifikationshintergrund. Technische Fachrich-tungen wie Informatik, Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen sind damit überdurch-schnittlich häufig vertreten. Dies spiegelt jedoch vornehmlich die Auswahl angesprochener Un-ternehmen wider (aus dem sozialen Bereich wurden beispielsweise nur zwei Unternehmen an-gesprochen, da hier weniger Kontakte bestanden) und lässt sich nicht als Indikator für die Ak-

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zeptanz des Programms (vgl. 10.1) werten.

Tabelle 6: Überblick über die Stichprobe (N=41)

TEAM UNTER-NEHMEN

ABTEILUNG ALTER TEAMGRÖßE/ VERTEILUNG GESCHLECHT

BESONDERHEIT

1 Technische Universität Berlin

Mensch-Maschine-Systeme, PhyPa – Physiological Parameters for Adaptive Human-Machine-Interaction

23-32 8; 3 w, 5 m Nur drei Teammitglie-der haben eine Anstel-lung bei der TU

2 Toll Collect GmbH

Verfahrensentwicklung, Automatische Verfahren

31-52 7; 1 w, 6 m Arbeitsprozess erfor-dert keine direkte Zu-sammenarbeit

3 Lebenshilfe Bremen e.V.

Fachbereich Wohnen 33-57 10; 4 w, 6 m Leitungskreis mit 7 Teamleitungen, einem Fachbereichsleiter (FBL), und zwei FBL-Assistenzen

4 Contact Software GmbH

Projektteam aus der Ab-teilung Softwareentwick-lung

29-44 5; 5 m Projektteam, die meis-ten Teilnehmer sind auch in weitere Projek-te eingebunden

5 Otto Group Konzernentwicklung/ Kon-zernstrategie

26-44 6; 3 w, 3 m 1 Person zuständig für andere Aufgabe, 1 Assistentin für Team und weiteres Team zuständig

6 VW Coa-ching GmbH

Technische Qualifizierung 42-51 5; 1 w, 4 m Arbeitsprozess erfor-dert keine direkte Zu-sammenarbeit, 1 Assis-tentin

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

Team 1 Team 2 Team 3 Team 4 Team 5 Team 6

Mittleres Alter

Berufserfahrung

Teamzugehörigkeit

Abb. 13: Alter, Berufserfahrung und Teamzugehörigkeit im Mittel je Team, Angaben in Jahren (N= 41)

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Erprobung des Interventionsprogramms 150

Die Gesamtstichprobe ist eher heterogen. Daher sind die Mittelwerte in Tabelle 7 als Charakte-ristikum für die Stichprobe wenig aussagekräftig. Range und Standardabweichung verdeutlichen jeweils die hohe Streubreite um die Mittelwerte. Die größte Gemeinsamkeit lässt sich in der Dauer der Teamzugehörigkeit finden: Mit Ausnahme von Team 6 arbeiten die Teammitglieder über alle Teams hinweg erst seit wenigen Jahren zusammen (vgl. Abb. 13).

Tabelle 7: Überblick über deskriptive Daten der Gesamtstichprobe (N=41), Angaben in Jahren

ALTER BERUFS-ERFAHRUNG

BETRIEBS-ZUGEHÖRIGKEIT

TEAM-ZUGEHÖRIGKEIT

Mittelwert 38,41 13,43 9,13 4,20

Standard-abweichung

9,34 10,92 9,80 4,42

Range 34 37,5 29 14

9.2 Durchführung der Pilotprojekte

Die Durchführung der Pilotprojekte erfolgte versetzt im Zeitraum von Oktober 2007 bis Septem-ber 2009. Im Folgenden wird auf die einzelnen Interventionssettings Bezug genommen. Je Set-ting wird dargestellt, wie sich die Durchführung gestaltete und welche Abweichungen vom Kon-zept vorgenommen wurden, um zum Beispiel die Kompatibilität mit den Bedingungen vor Ort zu erhöhen oder um der aktuellen Gruppendynamik und Bedürfnissen der einzelnen Teilnehmer besser gerecht zu werden. Auch werden weitere Informationen dazu gegeben, welche Einzel-handlungen die Umsetzung des Interventionskonzepts unterstützten (z.B. spontane Interventio-nen, die zuvor nicht geplant waren, in der Situation jedoch sinnvoll erschienen). Dem ist hinzu-zufügen, dass in Abhängigkeit der Teamgröße und Gruppendynamik manche Sequenzen länger oder kürzer ausfielen. Jeder Trainer kennt die zeitlichen Schwankungen, die sich bei der Durch-führung ein und desselben Konzepts an unterschiedlichen Gruppen ergeben können. Diese rein zeitlichen Abweichungen, die auch mit einer unterschiedlichen Pausengestaltung einhergehen können, bleiben hier unerwähnt. Entscheidend für die Auswahl der dargestellten Abweichungen ist das Kriterium, dass das ursprüngliche Drehbuch inhaltlich modifiziert wurde, indem bestimm-te Sequenzen oder Inhalte ausgelassen bzw. andere hinzugefügt wurden.

Auch auf Besonderheiten und Unvorhergesehenes soll an dieser Stelle eingegangen werden. Denn gerade diese Elemente geben Aufschluss über die besonderen Bedingungen, die bei der Umsetzung des Programms in die Praxis zu berücksichtigen sind. Die Grundlage für die Darstel-lung bilden zunächst Beobachtungen der Beraterin. Um darüber hinaus einen Eindruck zu ge-winnen, inwieweit die Interventionen erfolgen konnten und die beabsichtigte Wirkung hatten, wird die Selbstbeobachtung der Teilnehmer im Prozess dargestellt. Dazu wurden alle Work-shopprotokolle und Antworten auf offenen Fragen der Fragebögen zur Prozessqualität mittels des in Kap. 8 beschriebenen Verfahrens der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Auf Aus-führungen zur Auswertungsmethodik soll an dieser Stelle zugunsten der Lesbarkeit verzichtet werden. An dieser Stelle ist lediglich festzuhalten, dass sich die Äußerungen in den Fragebögen mit den dokumentierten Prozessreflexionen deckten.

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9.2.1 Workshop I: Anschluss und Kontraktgestaltung

Der erste Workshop wurde mit sechs verschiedenen Teams und insgesamt 41 Personen durch-geführt. Der Workshop fand bei vier Teams in einem Besprechungs- oder Schulungsraum ihres Unternehmens, für zwei Teams in einem Seminarhotel statt. Die Örtlichkeit hatte insofern Aus-wirkungen auf den Workshopverlauf, als die Teammitglieder in den Unternehmen in Workshop-pausen häufiger ihren Arbeitsplatz aufsuchten, Gespräche mit anderen Kollegen führten u.ä. – während die Teams in den Seminarhotels diese Zeit für gemeinsame Pausen nutzten. Das Se-minarhotel bildete somit die „ablenkungsfreiere“ Umgebung. In allen teilnehmenden Teams duz-ten sich die Teammitglieder untereinander. Entsprechend wählten auch alle Teams das Du zwi-schen Beraterin und Teilnehmern.

Erwartungen an den Workshop

In der Erwartungsabfrage wurde über alle Teams hinweg deutlich, dass die Vorgespräche wenig zur Orientierung und Strukturierung von Erwartungen beigetragen hatten. Es wurde ein sehr breites Spektrum von Erwartungen genannt. Im Hinblick auf das Workshopergebnis wurde häu-fig der Wunsch nach Orientierung laut (z.B. WS1T281: „Dass klarer wird, was passiert hier?“). In Bezug auf den Gesamtprozess wurden am häufigsten Wünsche genannt, welche die Zusam-menarbeit im Team betreffen. Dabei ging es den Teilnehmern vorrangig darum, eine bessere Organisation im Team zu finden, als Team zusammenzuwachsen, einen guten Platz im Team zu finden oder die vermuteten Potenziale im Team besser auszuschöpfen. Mehr über die ande-ren Teammitglieder zu erfahren und sie besser kennenzulernen, wurde ebenfalls in jedem Team als Erwartung geäußert. Häufig wurden auch Probleme mit dem eigenen Selbstmanagement genannt. Hierbei handelte es sich um das Erleben von Druck und Überforderung, das Gefühl, vielen anderen Personen oder den eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden zu können, Prob-leme mit dem eigenen Zeitmanagement und Konzentrationsschwierigkeiten durch ständige Ab-lenkungen. Die Teilnehmer wünschten sich daher Verbesserungen in diesen Bereichen. Das Erlernen eines besseren Umgangs mit der eigenen Zeit und einer effizienteren Arbeitsweise schien vielen dabei zentral. Nicht zuletzt nannten die Teilnehmer auch individuelle Zielbereiche, in denen sie sich eine persönliche Entwicklung wünschten (WS1T3: „Für mich selbst mehr Ge-lassenheit“ oder WS1T4: „Wenn ich eine Perspektive dafür habe, dass die Arbeit mehr Spaß macht, ich weiß, wie ich da hinkomme“). Viele wünschten sich, aus dem Workshop einen kon-kret erfahrbaren Nutzen ziehen zu können. In einem Team erhoffte sich die Führungskraft eben-falls ein Feedback zu ihrer Art zu führen.

Die Teilnehmer hatten darüber hinaus mehr oder weniger klare Erwartungen an die Arbeitsweise im Prozess. So wünschten sich viele „Tipps“ (WS1T1), „Tools“ (WS1T5), „Instrumente“ (WS1T2), „Methoden“ (WS1T3) oder ein „Rezept“ (WS1T2) für ein besseres Selbstmanage-ment. Einige Teilnehmer erhofften sich aus dem Prozess ebenfalls neue Blickwinkel und Anre-gungen. Team 3 war es besonders wichtig, dass der Prozess nachhaltig wirke. Der erste Work-shop sollte aus Sicht der Teilnehmer auch Spaß machen und Lust darauf, weiterzumachen. Da-zu wünschten sich einige, dass auch Stärken weiterentwickelt würden bzw. nicht nur aus negati-

81 Die Abkürzung WS1T2 steht für „Workshop I, Team 2“. In analoger Weise werden die weiteren Quellen markiert. Dabei stehen „EC“ für Einzelcoaching, „WS“ für Workshop, „B+Nr.“ für das anonyme Kürzel eines Befragten, „FB“ nach der Maßnahmenbezeich-nung für einen Fragebogen zur Prozessqualität einer Maßnahme, „F“ vor dem Teilnehmerkürzel für das Follow-up. Sofern Anmer-kungen aus Fragebögen stammen, sind sie den Kürzeln von Einzelpersonen zugeordnet. Die Abkürzung „ECFBT1B1 lässt sich folglich interpretieren als „Fragebogen zur Prozessqualität bezogen auf das Einzelcoaching, Team 1, Befragter 1". Zur besseren Lesbarkeit wurden für die Evaluationsinterviews keine Maßnahmenkürzel vergeben. Die Angabe „T3B7“ bezieht sich also auf ein Zitat von Team 3 und Befragtem Nr. 7 im Evaluationsinterview.

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ven Erfahrungen und der Bearbeitung von Problemen gelernt würde. Die Durchführung einer Bestandsaufnahme erschien einigen Teilnehmern für den ersten Workshop sinnvoll. Auffällig war, dass in einem Team (Team 6) sehr wenig Zielvorstellungen für sich selbst und für das Team genannt wurden (z.B. WS1T6: „Ob es heute ein Ergebnis gibt, kann ich nicht sagen“). Auch in Team 2 fanden sich zwei Personen, die keinerlei Erwartungen an den Prozess formu-lierten und stattdessen eine abwartende Haltung einnahmen.

Durchführung der Appreciative Inquiry-Sequenz

Im Hinblick auf die Durchführung der AI-Interviews zeigten sich die meisten Teammitglieder überrascht, da ihnen die Vorgabe von zwei Stunden „extrem lang“ (WS1T2) erschien. In der Reflexion über die Interviews berichteten sie jedoch, dass die Zeit schnell vergangen sei (WS1T6: „das ging ruckzuck“) und dass sie diese gut füllen konnten (WS1T2: „überraschend, wie viel ich darüber erzählen konnte“) bzw., dass sie sich noch viel länger hätten austauschen können. Während der Interviews war zu beobachten, dass die Interviewqualität sehr stark vari-ierte. Die Interviewsituation als solche war für viele Teilnehmer ungewohnt. Auch fiel es den Teilnehmern häufig schwer, sich auf positive Erlebnisse und Erfahrungen zu beschränken. Hier wurde seitens der Beratung am häufigsten interveniert. Tabelle 10 fasst die zuvor nicht geplan-ten Interventionen im Verlauf des ersten Workshops zusammen und beschreibt die Beobach-tungen, aufgrund derer sie initiiert wurden.

Von fünf Teams wurden die Interviews als interessant gewertet. Die Teilnehmer berichteten, dass es angenehm sei, für einen echten Austausch, bei dem man sich ganz auf die Zuhörer- bzw. Sprecherrolle konzentrieren könne, Zeit zu haben. Sie erlebten, dass es gut täte, das Inte-resse des anderen zu spüren und dass sich „spannende“ (WS1T1) Gespräche entwickelten. Dabei scheint es unerheblich, ob man das Interview mit jemandem führt, mit dem man eher sel-ten zusammenarbeitet. Auch Kollegen, die sich schon lange kennen, finden gute Anknüpfungs-punkte. Von einigen Teilnehmern wurde in den Fragen ein Weg gesehen, sich immer tiefer auf das Thema einzulassen. Die Fragestellungen wurden als intensiv und pointiert erlebt und führten durch das konzentrierte Nachfragen zu einem „Mini-Erkenntnisprozess“ (WS1T3) oder „Aha-Erlebnissen“ (WS1T1). Viele Teilnehmer berichteten, dass es ihnen schwer fiele, „so positiv zu denken“ oder „konstruktiv zu sein“ (WS1T1):

WS1T4: „Wir sind keine Hype-Menschen. Ich habe hohe Anforderungen, bevor ich sage: ‚Das ist super!’“

Sie hatten das Gefühl, dass „die Probleme auch auf den Tisch müssen“ (WS1T1). Dennoch konnten sie der Vorgehensweise in der Regel etwas abgewinnen (WS1T4: „Erfrischend, das mal so zu sehen“) oder erlebten, dass ihnen das Einlassen auf die Fragen mit Fortschreiten des In-terviews leichter fiel (WS1T2: „Irgendwann steigert man sich rein“).

Zwei Teams taten sich mit der Interviewsituation und den Fragen jedoch sehr schwer. Sie be-schrieben die AI-Interviews als großen Kontrast zu ihrer alltäglichen Herangehensweise, welche das Aufmerksamsein für Fehler fordere:

WS1T6: „Wir haben die technische Denke: Wir suchen nicht nach dem, was läuft, wir gucken, ‚wo klemmt es?’“82

In Team 6 gaben die Teilnehmer an, die Fragen kaum beantworten zu können, da sie eher Rou-tinetätigkeiten ohne „herausragende“ Momente zu verrichten hätten. Außerdem hätten sie durch ihr eher isoliertes Arbeiten wenig Möglichkeit, sich positive Beispiele an anderen abzuschauen.

82 Vgl. WS1T4 „Das ist bedingt durch unsere Mentalität. Wir setzen uns selten mit Dingen auseinander, die gut sind und erfolgreich. Wir müssen eher auf die Fehler schauen.“

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Diese Äußerungen deuten darauf hin, dass bei der Auswahl des Teams die Selektionskriterien (hohe Selbstmanagement-Anforderungen mit wenigen Routinetätigkeiten und erforderliche Zu-sammenarbeit im Team) zu nachlässig gehandhabt wurden und das Team nicht der Zielgruppe des Programms entsprach. In diesem Team gelang es der Beraterin außerdem nicht, über die AI-Interviews und spontane Interventionen die Neugierde aufeinander zu wecken. Möglicherwei-se erschwerte die sehr lange Teamzugehörigkeit und das Gefühl, die anderen Personen bereits „durch und durch“ zu kennen, die Durchführung der AI-Interviews.83

Beim Zusammenführen und Clustern der Antworten in ein Bild zeigte sich, dass die Durchfüh-rung mit dem großen Team 3 (n=10) besonders lange dauerte. Hier kam etwas Zeitnot auf. Das Kürzen der Pausen, um die Bearbeitung sicherstellen zu können, blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit der Teilnehmer und war sicher keine optimale Lösung.

Durchführung der Punktabfragen zur anonymen Skalierung

Die anonymen Skalierungsfragen führten zu unterschiedlichen Reaktionen. Mit Blick auf domi-nante Gefühle führte das Punkten bei Team 1 eher zu Aufbruchsstimmung, bei Team 2 und 4 erweckte es keine spürbaren affektiven Reaktionen. Bei Team 3 und 6 löste es Zufriedenheit und Bestätigung und bei Team 5 Überraschung und Nachdenklichkeit aus. Für Team 1 stand bei der Interpretation der Antworten die „große Heterogenität“, das unterschiedliche „Zufriedenheits-potenzial“ und der daraus resultierende Handlungsbedarf im Vordergrund. Teams 2 und 4 gin-gen eher analytisch an die Fragen heran, was sich auch in Diskussionen über die Skalen (z.B. „Für wie realistisch halte ich die ‚10’?“) äußerte. Sie hielten vor allem fest, dass eine gewisse Zufriedenheit durchaus gegeben sei. In Team 3 und 6 zeigte sich eine große Übereinstimmung in den Einschätzungen, gepaart mit einer hohen Zufriedenheit mit dem derzeitigen Zustand im Team. Während in Team 3 jedoch noch Potenzial zur Verbesserung gesehen wurde („wäre auch komisch, wenn alles super und perfekt wäre, Potenzial zur Weiterentwicklung gibt es im-mer“), war Team 6 rundum zufrieden („noch besser geht doch kaum“). In Team 6 waren die Teilnehmer außerdem der Meinung, dass das Thema Selbstmanagement zwar wichtig sei, dass sie diesbezüglich jedoch nicht mehr allzu viel lernen könnten. Für Team 5 war das Ergebnis überraschend und löste im ersten Moment Betroffenheit aus („erstaunlich, dass wenig individuel-le Ziele erreicht werden und dass sich nur einer davon [Anm.: vom Team] unterstützt fühlt“). Es wurde intensiv diskutiert, was dieses Ergebnis für das Team bedeute. Als Fazit wurde festgehal-ten, dass eine Lösung darin bestünde, die mit dem Workshop eingeschlagene Richtung weiter zu verfolgen.84

Insgesamt wenige Abweichungen vom Konzept

Insgesamt wurden die Auftaktworkshops – abgesehen von einzelnen in Tabelle 8 skizzierten unvorhergesehenen Ereignissen und Interventionen ohne nennenswerte Abweichung von der ursprünglichen Planung durchgeführt. Eine Ausnahme hierzu bildete Team 6. Da hier nach den Skalierungsfragen und den Beobachtungen aus Erwartungsabfrage und AI-Sequenz deutlich wurde, dass a) keine ausreichende Veränderungsmotivation für den im Interventionsprogramm angelegten Prozess vorhanden war und b) das Team nicht den Zielgruppenvoraussetzungen entsprach, wurde nach der Punktabfrage ein Maßnahmenplan erstellt. Dieser bündelte die erar-

83 Dies äußerte sich so, dass während der Interviews dem Gegenüber häufig Antworten „in den Mund gelegt“ wurden, in der Haltung einander gegenüber keine Neugierde zu spüren war und dies auch in der Reflexion bestätigt wurde (WS1T6: „Ich weiß schon, was er sagen wird, und warte auf die Antwort“). 84 WS1T5: „Wir müssten eigentlich mehr miteinander machen. Es ist nicht bekannt, wo der andere da ist. Das geht nur mit der Zeit, dass man Vertrauen fasst. Das deckt sich eigentlich ganz gut mit unseren Wünschen.“

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Erprobung des Interventionsprogramms 154

beiteten Ergebnisse (insbesondere aus der AI-Sequenz und den gemeinsamen Antworten auf die Frage „Wovon müssten wir mehr machen, um mehr solcher positive Erlebnisse zu haben?“). Die Maßnahmen wurden jeweils terminiert und Verantwortliche für die Umsetzung benannt. Dies geschah mit der Intention, den Prozess – auch wenn er sich auf ein Vorgespräch und einen Workshop beschränkte – so abzurunden, dass die Teilnehmer etwas Umsetzbares mitnehmen. Entsprechend wurde in diesem Team auch nicht zur Diskussion gestellt, ob eine weitere ge-meinsame Arbeit gewünscht werde, sondern der eigene Eindruck zurückgespiegelt und die ab-schließende Zustimmung dazu erhoben.

Tabelle 8: Spontane Interventionen im Rahmen von Workshop I

BEOBACHTUNG INTERVENTION

Die Teilnehmer äußern den Wunsch nach „Tools“, Tipps, Rezepten oder laden aufgrund ihres Verhal-tens dazu ein, auf den impliziten Kontrakt „Du bist die Expertin. Sag mir, wo es lang geht!“ einzusteigen.

Ablehnen der impliziten Kontrakte und Begründung der Ablehnung. Erläuterung des Konzepts von Pro-zessberatung im Gegensatz zu Expertenberatung und Darlegung der Überzeugung, dass jeder der Teilnehmer eigene Lösungen zu entwickeln vermag.

Die Situation „Interview“ bzw. „Dialog“ ist für die Teil-nehmer sehr ungewohnt. Sie gehen sehr zögerlich an die Aufgabe heran.

Starke Anleitung bis hin zu Tipps zur Körpersprache und intensive Begleitung der Tandems während der Interviews.

Teilnehmer suchen sich sehr schnell einen Interview-partner oder eine Person, mit der sie sich bereits sehr vertraut zeigten.

Hinweis „Sucht Euch bitte jemanden aus, mit dem Ihr sonst nicht so viel zu tun habt“.

Aufgrund der ungeraden Personenzahl im Team las-sen sich nicht ausschließlich Tandems bilden.

Bildung einer Dreier-Gruppe.

In den AI-Interviews findet statt der Interviewsituation ein gemeinsames Überlegen statt: „Wie war das noch mal damals?“

Verweis auf „Es ist seine/ihre Geschichte“ und Er-munterung, neugierig darauf zu sein, wie die Person sich erinnert und die Situation erlebt hat.

Bei der ersten Frage des AI-Leitfadens („Einstieg ins Team“) rekapitulieren die Teilnehmer lange und aus-führlich die Teamhistorie.

Hinweis: „Bitte nicht zu sehr mit der ersten Frage aufhalten, da die anderen für das Thema Selbstma-nagement relevanter sind“.

Die Teilnehmer beginnen während der AI-Interviews Probleme und Schwierigkeiten anstatt der Erfolge und Highlights zu erläutern.

Kurzes „Stop“ zum Unterbrechen der Schilderung und erneute Erläuterung der Arbeitsaufgabe. Äußern von Verständnis für das Abdriften, z.B. „Ich weiß, es ist eine schwierige Aufgabe“.

Einzelne Teilnehmer berichten, dass sie zwischen-zeitlich Schwierigkeiten mit dem Begriff „Selbstma-nagement“ haben: „Ich weiß gar nicht mehr, was das heißt“.

Einleitung einer erneuten Diskussion des Begriffs. Die Teilnehmer werden dazu angehalten, ihr Ver-ständnis von Selbstmanagement zu schildern und mit Beispielen zu illustrieren. Anschließend wird auf die eigene Studie und die Definition der Coaches hinge-wiesen (Buhl et al., 2007).

Die Teilnehmer wünschen sich „Benchmarks“ zum Vergleich mit anderen Teams oder Hinweise, wie das „ideale Team“ auszusehen habe.

Darlegung der eigenen Überzeugung, dass es keine allgemein übertragbaren Sollwerte gibt und jedes Team in Abhängigkeit vom Ausgangszustand selbst in der Lage ist, die Verbesserungen zu finden, die das Team voranbringen können. Diskussion der un-terschiedlichen Auffassungen.

Eine Teilnehmerin bricht beim Schildern der eigenen Situation, die als sehr belastend empfunden wird, in Tränen aus. Gleichzeitig versucht sie dies zu verber-gen und äußert, wie unangenehm ihr das sei.

Aktives Zuhören und Rückmelden des Verstandenen. Frage, ob sie wissen möchte, wie ihre Teamkollegen die Tränen aufgefasst haben. Hinweis darauf, dass man Phantasien entwickelt, wie andere etwas auf-nehmen und damit manchmal „ganz schön daneben liegt“. Auf Ok hin Anleitung eines Blitzlichts im Team. Danach Frage, wie es der Teilnehmerin jetzt geht.

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Erprobung des Interventionsprogramms 155

Erwartungen an die weitere Zusammenarbeit

In der Abschlussrunde äußerten die Teilnehmer der übrigen fünf Teams, dass sie sich eine wei-tere Zusammenarbeit wünschten. Als Erwartung an diese formulierten sie vor allem eine Fort-führung der in Workshop I erlebten Arbeit, die aus Sicht einiger Teilnehmer zu einem besseren Kennenlernen untereinander führe:

WS1T5: „Ich wünsche mir, dass wir weiter so offen miteinander sind und uns aneinander heranlassen ‚Was bewegt mich, wo will ich hin’.85

Dabei wurde häufig als Ziel genannt, die anderen Teammitglieder besser zu verstehen:

WS1T5: „Wir müssen uns besser verstehen und können dafür die Weichen stellen.“86

Alle Teams wünschten sich für ihr Team einen konkreten Nutzen und Verbesserungen, die je-doch recht allgemein und abstrakt blieben:

WS1T4: „Zusammenarbeit zu verbessern, dass wir das fachliche Ziel besser erreichen können als auch den Weg besser genießen können.“87

Dazu sollte einigen Teilnehmern zufolge die effiziente Gestaltung der eigenen Arbeit im Vorder-grund stehen:

WS1T1: „Ziel sollte sein, uns effizienter und effektiver zu machen, unsere Selbstmanagement-Fähigkeit zu steigern.“

Für manche Teilnehmer stand als Ziel für die weitere Arbeit nicht das Teamergebnis, sondern der individuelle Nutzen im Vordergrund:

WS1T5: „Bis zum Ende zu sehen ist schwierig, deswegen finde ich es gut, dass man sich erst mal um sich kümmert.“

Sie wünschen sich vor allem eine individuelle Zielklärung (WS1T4: „Ich denke, dass mir dafür meine eigenen Ziele klarer werden müssen“) und Zielerreichung (WS1T1: „Meine Ziele umset-zen, indem ich das für mich nutzen lerne“).88 Das Team soll den Einzelnen dabei unterstützen.89 In zwei Teams waren einzelne Teilnehmer eher skeptisch im Hinblick auf einen möglichen indi-viduellen Nutzen der gemeinsamen Arbeit (WS1T2: „Nicht überzeugt, was ich am Ende davon mitnehmen kann“). In diesen Fällen war auch eine Unsicherheit über die Unwägbarkeiten des weiteren Wegs der Zusammenarbeit spürbar (WS1T2: „Wie wir weiter voran kommen, ist noch unklar, Mittel noch nicht greifbar“). 90

In Bezug auf die weitere Zusammenarbeit wünschen sich die Teilnehmer in erster Linie eine Konkretisierung der Lösungen und Ergebnisse (WS1T1: „Für die Zukunft konkret einsteigen in Themen“).91 Dabei sollen unterschiedliche Schwerpunkte vertieft werden (z.B. WS1T3: „mehr

85 Vgl. WS1T3: „Weiter so in der Zusammenarbeit und Kreativität. Darauf achten, öfter in so Sitzungen zusammenzuarbeiten. Weiter so Sitzungen dazu, wie wir miteinander umgehen“ und WS1T5: „Weiter so wie heute, dass wir uns auch auf andere Art und Weise kennen lernen.“ 86 Vgl. WS1T4: „Dass wir uns besser kennenlernen, ein bisschen was im Umgang darüber lernen. Z.B. was für andere motivierend ist, wie etwas auf mich wirkt. Mehr Bewusstsein dafür kriegen, wie wir uns selbst sehen und von den anderen gesehen werden.“ 87 Vgl. WS1T5 „In Bezug auf das Team wünsche ich mir, dass es uns einfach etwas bringt und dass „mehr Team“ dabei raus-kommt“, WS1T5: „Schön wäre, wenn wir als Team zusammenwachsen und uns besser verstehen. Und dass es nicht nur irgendwo nett war, sondern, dass wir das in der Arbeit auch schnell merken im Sinne von vorher-nachher“ und WS1T2: „Verbesserungen im Team zu erzielen“. 88 Vgl. WS1T5: „Dass jeder das als Chance nimmt, zu schauen, was er anders machen will“ und WS1T5: „Dazulernen, individuellen Zielen näher kommen.“ 89 Z.B. WS1T5: „Ziel wäre, dass wir das in der Mitte [Anm.: mittleres Schaubild: individuelle Zielerreichung und Unterstützung bei der Erreichung individueller Ziele durch das Team] gut hinkriegen und jeder sich individuell gut entfalten kann und das Team dafür eine gute Grundlage bildet.“ 90 Vgl. WS1T5: „Ich bin mir nicht sicher, was es am Ende bringt. Ich habe nicht die klare Überzeugung, weiß nicht, was da raus-kommt, dass mir das etwas bringt. [...] Für mich hängt Vieles von den Einzelinterviews ab, davon, was für einen Draht man findet und wie man auf den Punkt kommt.“ 91 Vgl. WS1FBT1B1: „konkreter, pragmatischer werden“, WS1FBT5B2: „konkretere Tipps für den Alltag entwickelt werden“, WS1FBT5B6: „konkrete Lösungsvorschläge erarbeiten“ und WS1FBT4B5: „Aussicht auf "harte" Ergebnisse.

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Erprobung des Interventionsprogramms 156

Zeit lassen, um einzelne zentrale Themen zu vertiefen“, WS1T3: „gerne noch mehr Selbsterfah-rung“, WS1T5: „mehr Hintergründe, theoretisches Fundament“ und WS1T4: „mehr Workshops“). In den Fragebögen äußerten die Teilnehmer zudem auf die Frage, was noch passieren müsse, damit ihre Bewertung besser ausfiele, häufiger, dass sie ihren eigenen Beitrag zu verbessern wünschen und sich mehr einbringen wollen.92 Vielen erscheint auch die nachhaltige Umsetzung gefundener Lösungen zentral:

WS1T6: „Ich hoffe, dass das, was wir uns wünschen, klappt. Dass das, was wir heute erarbeitet haben, umgesetzt wird.“93

Workshop I als anregender Auftakt für die weitere gemeinsame Arbeit

In der abschließenden Reflexion äußerten sich die Teilnehmer in vielerlei Hinsicht positiv über den Workshop. Sie beurteilten den Tag als „interessant“, „sehr positiv“, „produktiv“, „belebend“, „eine gute Sache“, „wichtig und gut“ oder „ziemlich perfekt“. In allen Teams fanden sich auch Stimmen, die darauf hindeuten, dass das Workshopgeschehen als eher ungewöhnlich erlebt wurde (z.B. WS1T5: „War ein völlig neues Erlebnis für mich“, WS1FBT3B6: „’Ungewöhnliche’ Herangehensweise“).94 Der Tag löste vor allem Interesse und Neugier aus. Offenbar stimmte die Zusammenarbeit einige Teammitglieder auch nachdenklich:

WS1T5: „Ich bin nachdenklich über mich und das Team, bzw. auch über die individuellen Leute im Team“.

Besonders gefiel allen Teams die positive Atmosphäre innerhalb der Workshops sowie die Art und Weise der Kommunikation, die zu einer erlebten Offenheit untereinander führte. Diese Kommunikation wurde zum Teil als Kontrastpunkt zum alltäglichen Austausch erlebt:

WS1T1: „Spezieller Raum, wo dazu angehalten, dass ein offenes und ehrliches Miteinander-Sprechen ohne zuviel Tech-Talk stattfindet“.95

Die Teilnehmer äußerten sich außerdem sehr positiv über die eingesetzten Methoden, den Fra-gestil und die Visualisierung.

Sehen von Gemeinsamkeiten und Ressourcen

Der Workshop ermöglichte es den Teammitgliedern, Gemeinsamkeiten in ihren Ansichten zu finden. Dies begrüßten viele Teilnehmer:

WS1T6: „Fand das schon toll, dass wir bei der Beurteilung ziemlich nahe liegen.“96

Dass bereits viele Ressourcen vorhanden seien, auf denen man aufbauen könne und dass die-ses sie zuversichtlich stimme, hoben Teilnehmer in allen Teams hervor:

WS1T3: „Das ist ein gutes Fundament, eine gute Substanz, die nicht gleich beim ersten Unwetter zusammenbricht.“97

92 Z.B. WS1FBT4B5: „Mein Beitrag: bessere Formulierungen, besser aufpassen“ und WS1FBT1B8: „Dass ich mich traue, mich selbst mehr einzubringen“. 93 Vgl. WS1T3: „Wünsche mir, dass wir die Sachen, die wir uns vornehmen, auch machen“ und WS1T3: „Wenn ich daran denke, was wir an Visionen erarbeiten und immer wieder gibt es aber Situationen, dass man sich getrieben fühlt und in altes Fahrwasser zurückfällt, nicht nachhaltig Lösungen umsetzt. Dass wir da darauf achten, würde ich mir wünschen.“ 94 Vgl. WS1T4: „Ich fand es sehr angenehm für etwas, das für uns digitale Menschen eher außerhalb der normalen Erlebniswelt ist“, WS1T6: „eine sehr ungewohnte Geschichte“ und WS1T1: „Dass man Zeit hat nachzudenken über Dinge, über die man sich sonst keine Gedanken macht.“ 95 Vgl. WS1T1: „neue Kommunikation“, WS1T1: „Auf viele gute Sachen konzentriert, sonst eher auf Negatives konzentriert“, WS1T2: „Wir konnten gelöster miteinander reden“, WS1FBT1B6: „die ‚vollständige’ Kommunikation“ [Anm.: hat gut gefallen], WS1FBT5B2: „Zeit, sich auszutauschen und zu öffnen“, WS1FBT4B2: „ausreden lassen, keinen Zeitdruck aufkommen lassen“ und WST4B3: „Offene Kommunikation, andere Sichtweisen zulassen“. 96 WS1T5: „Gut zu sehen, dass mehr oder weniger alle die gleichen Punkte sehen“, WS1T1: „nicht nur ‚funktioniert irgendwie’ – jetzt auch ähnliche Ansichten“, WS1T2: „Erkenntnis, dass alle das ähnlich sehen“ und WS1T3: „Schön, dass wir in vielen Punkten relativ eng beieinander sind, dass wir ähnliche Schwerpunkte sehen; die Richtung ist die gleiche, die inhaltliche Haltung ähnlich, das ist für die Prozesse ganz förderlich“. 97 Vgl. WS1T1: „Gut, man sieht, wie viel gut läuft“, WS1T3: „Stimmt mich optimistisch, denke trotz Chaos ‚irgendwie schaffen wir das schon’“, WS1T5: „Wir sind auf einem guten Weg, wir haben viele vernünftige Ansätze“ und WS1T6: „Ich denke, wir sind da auf ei-

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In drei Teams wurde das Bedürfnis geäußert, Dinge in die Tat umzusetzen (z.B. WS1T1: „Am liebsten jetzt sofort anfangen!“).98

Die Sonderrolle der Teamleitung

Die Teamleiter erhielten über den Workshop Informationen, die ihnen üblicherweise schwer zu-gänglich sind. Sie hatten die Möglichkeit, die Mitarbeitersicht mit ihrer individuellen Sicht ab-zugleichen und ziehen in der Abschlussrunde Bilanz. Dabei stellen sie Differenzen fest (Leitung Team 6: „In der Quintessenz bin ich sehr überrascht“)99 oder fassen Zuversicht, da böse Überra-schungen ausblieben:

Leitung Team 3: „Ich bin beruhigt, ich war in Sorge, wie es den Kollegen geht; jetzt beruhigt, dass Teamzusammen-halt und Teamatmosphäre richtig gut sind.“100

Einem Teamleiter wurde auch deutlich, dass er sich noch mehr mit seinen Mitarbeitern beschäf-tigen müsse:

Leitung Team 5: „Das mit der individuellen Zielerreichung geht mir durch den Kopf. Mir ist selbst noch nicht bewusst, was Teammitglieder hier erreichen wollen. Ich müsste mehr wissen, damit ich fördern kann.“

Kritik an Pausensetzung, Moderationsstil und Methoden

Einzelne erleben den Workshop als sehr anstrengend (z.B. WS1T1: „ich bin platt, geröstet, Kopf ganz leer“, WS1T3: „bin unheimlich geschafft“), wobei einige die Anstrengung ambivalent bewer-ten:

WS1T3: „Hat sich leicht angefühlt, auch wenn es anstrengend war, aber insgesamt sehr leicht angefühlt.“101

Team 3 kritisierte in diesem Zusammenhang die fehlende Pausensetzung am Nachmittag. Ein-zelne Teammitglieder berichteten über individuelle Schwierigkeiten mit dem Selbstmanagement-Begriff102 oder mit der Form des Interviews (WS1T6: „Das Interview haftet mir noch nach, das fand ich sehr schwierig“). Drei Personen wünschten sich in den Fragebögen Änderungen am Moderationsstil in Richtung mehr Direktivität. Sie befürworteten zum Beispiel, Personen, die sich zunächst zurückhaltend einbringen, zur Meinungsäußerung aufzufordern (WS1FBT1B2), mehr Interventionen seitens der Leitung vorzunehmen (WS1FBT5B1) oder „den Diskussionsrahmen an manchen Stellen [zu] erweitern und Ideen konkreter, verbindlicher herauszustellen“ (WS1FBT3B3).

Konkretisierungsgrad unterschiedlich bewertet

Für die Mehrzahl der Teilnehmer ging das Workshopende mit dem Gefühl einher, produktive und greifbare Ergebnisse erarbeitet zu haben:

WS1T6: „Wir haben was Greifbares, was uns wirklich weiterbringen wird.“103

Einzelnen Teilnehmern waren die Ergebnisse jedoch noch nicht konkret genug:

nem guten Weg“. 98 Vgl. WS1T1: „Tatendrang, das so umzusetzen“, WS1T3: „Im Rahmen meines Selbstmanagements muss ich ran“, WS1T3: „Ich bin gespannt, was ich für mich rausarbeite“ und WS1T4: „Bin aufgerüttelt, will was tun“. 99 Vgl. Leitung Team 4: „Interessant, ein paar Punkte rausgehört, die mir bisher nicht so bewusst waren, was ich im Team ein biss-chen anders eingeschätzt hätte“ und Leitung Team 1: „Manche Dinge nicht so klar, von mir anders gesehen“. 100 Leitung Team 5: „Ich bin ganz beruhigt, weil nichts hochgekommen ist, womit ich nicht gerechnet hätte.“ 101 Vgl. WS1T3: „Gehe schläfrig hier raus, aber erfrischt schläfrig.“ 102 WS1T5: „Mir hat gefehlt, dass ich besser verstehe ‚Was ist Selbstmanagement?’ Das ist zwischendurch immer mal wieder verlo-rengegangen. Kommt mal wieder und ist dann mal wieder weg. Wie hängt das jetzt mit Selbstmanagement zusammen?“ 103 Vgl. WS1T1: „Greifbare Sachen, die man gleich anwenden kann“, WS1T1: „Sehr praktische Vorschläge, die realisierbar“, WS1T3: „Es kommt eine Menge bei raus, ergibt sich viel durch die Arbeit“, WS1T4: „Es kam etwas dabei raus“ und WS1T5: „Hat greifbar gemacht, was sich jeder wünscht“.

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WS1T5: „Für mich aber sehr abstrakt. Ich bin sehr auf praktische Lösungen bedacht. Ich hätte lieber etwas Konkretes, insgesamt zu schwammig. Ich bräuchte konkrete Anhaltspunkte, um mich selber besser zu managen.“104

Die Ergebnisse wurden in der Regel auch als bedeutsam und nützlich bewertet. Eine Person war hier jedoch anderer Meinung.105 Von dieser Person wurden Zweifel laut, ob die Arbeit den Einzelnen in der vorhandenen Arbeitsorganisationsstruktur überhaupt von Nutzen sein könne:

WS1T2: „Skeptisch, wir sind zu sechst an sechs Baustellen. Wenn ich es nicht weiß [Anm.: Wissen über Teamkolle-gen], mache ich meine Arbeit trotzdem. Die anderen sind da, aber ich brauche sie nicht. Wir sind alle Einzelkämpfer“.

Abschluss und Nachbereitung

Nach der Abschlussrunde erfolgte das Ausfüllen und Einsammeln der Fragebögen zur Prozess-qualität. In Einzelfällen wurde zugelassen, dass die Bögen zum nächsten Termin mitgebracht wurden, zum Beispiel wenn Einzelne sich früher aus dem Workshop verabschieden mussten. Diese Personen wurden jedoch instruiert, den Bogen zum nächstmöglichen Zeitpunkt auszufül-len. Alle erhielten nun die erste Aufgabe, die sie bis zum Einzelcoaching durchführen konnten. Es wurde betont, dass es sich dabei um eine Anregung handele, die auf das Einzelcoaching vorbereite, jedoch als Vorbereitung nicht zwingend notwendig sei. Auf jeden Workshop folgte die Zusendung eines Fotoprotokolls inklusive der protokollierten Erwartungs- und Feedbacksequen-zen. Die Teilnehmer wurden gebeten, diese auf die Richtigkeit der Darstellung und den Ergän-zungs- bzw. Reduktionsbedarf zu überprüfen und sich bei empfohlenen Änderungen zu melden. Dies sollte einer kommunikativen Validierung der Workshopprotokolle dienen. Kein Teilnehmer machte jedoch von dieser Möglichkeit in Workshop I oder einem der Folge-Workshops Gebrauch.

9.2.2 Einzelcoaching – Anschluss und Zielklärung

34 Einzelcoachings wurden in fünf Teams jeweils am Arbeitsort der Teilnehmer in einem Einzel-büro oder Besprechungsraum durchgeführt. Die Teamleiter waren im Vorfeld gebeten worden, einen störungsfreien Raum zu reservieren. Dieses Vorgehen wurde gewählt, um den Aufwand für die Teilnehmer möglichst gering zu halten. Da die Unternehmen sich auf Berlin, Bremen, Hannover und Hamburg verteilten, wurden die Termine pro Stadt und Team auf jeweils zwei bis vier Tage gelegt. Dies hatte zur Folge, dass bis zu drei 2,5-stündige Sitzungen an einem Tag durchgeführt wurden. Da das lösungsorientierte Interview im Vordergrund der Termine stand, wurden die Sitzungen in den ersten beiden Teams als „Interviews“ angekündigt. Bei Team 2 führte dies jedoch vereinzelt dazu, dass die Teilnehmer sich in der Rolle des passiven Informati-onslieferanten sahen. Um derartige Missverständnisse zu vermeiden, wurden die Termine bei allen weiteren Teams als „Coachingsitzung“ angekündigt.

Schaffung einer offenen Gesprächsatmosphäre

Verschiedene Autoren heben die entscheidende Bedeutung der Beziehung zwischen Interviewer und Befragtem hervor (z.B. Mayring, 1990). Friedrichs (1990) stellt heraus, dass die Qualität der Beziehung hinsichtlich ihrer Offenheit, Ehrlichkeit und Intensität bedeutsam ist. In den Einzelsit-zungen habe ich mich darum bemüht, eine offene und freundliche Gesprächsatmosphäre herzu-stellen. Vor Beginn des eigentlichen Interviews wurden einige Worte mit den Teilnehmern ge-wechselt, um eine möglicherweise verspannte Stimmung aufzulockern. Um Orientierung zu bie-ten, wurde zunächst ausführlich erläutert, wie die Daten weiter verwendet würden und das Ein-

104 Vgl. WS1T1: „Bedauern, dass wir das nicht konkreter anpacken. Eventuell sprengt das den Rahmen.“ 105 WS1T2: „Nicht klar, dass heute etwas mitgenommen. Habe mich zwar nett mit meiner Kollegin unterhalten, aber...“

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verständnis für das Verwenden des Tonbandgerätes eingeholt. Auffällig war in diesem Zusam-menhang, dass die Tonbandaufnahme, obwohl sie zuvor bereits angekündigt worden war, in der Regel auf Überraschung stieß. Dann wurde der geplante Ablauf umrissen und auf die Möglich-keit, Fragen zu stellen, hingewiesen. Eine Haltung des „freundlichen Gewährenlassens“ ist nach Maccoby & Maccoby (1976) besonders günstig für das Entstehen einer offenen Gesprächsat-mosphäre. Das heißt, der Interviewer zeigt Reaktionen, die auch in einer normalen Gesprächssi-tuation vom Gegenüber erwartet werden, beispielsweise Lachen, Erstaunen und unterstützende Bemerkungen (ebd., S. 62-64). Selbst lange Pausen wurden zugelassen, damit sich der Ge-sprächspartner gedanklich sortieren konnte. Durch diese Pausen und das Paraphrasieren der Äußerungen der Teilnehmer verlangsamte sich das Gespräch nach und nach. So gelang es, offene, vertrauensvolle und oftmals sehr persönlich werdende Gespräche zu führen.

Durchführung des lösungsorientierten Interviews

Das lösungsorientierte Interview wurde anhand der orientierenden Leitfragen (vgl. Anhang 5) durchgeführt. Während des Interviews machte ich mir Notizen, um im Anschluss an das Ge-spräch die verschiedenen Lösungswege zusammenfassen zu können. Die Interviews selbst dauerten jeweils 60 bis 135, in der Regel jedoch 90 Minuten (die restliche Zeit war für weitere Interventionen reserviert). Da die Teilnehmer zum Erzählen ermuntert wurden, spiegeln die Schwankungen in der Dauer der Interviews in erster Linie interindividuelle Unterschiede wieder. In Team 3, das aus dem sozialen Bereich stammte und dessen Mitglieder in der Selbstreflexion sehr geübt sind, dauerten die Interviews in der Regel bedeutend länger als in allen anderen Teams.

Tabelle 9: Kategorien von Selbstmanagement-Zielen der befragten Teilnehmer

KATEGORIE KODIERREGEL BEISPIEL

Worklife-Balance und zeitliche Frei-räume (10 Nennungen)

Hier werden alle Textelemente zugeordnet, die mit einem veränderten Umgang mit der eigenen Zeit einhergehen und auf das Schaffen von Freiräumen für als wichtig bewertete Aktivitäten oder Lebensbereiche abzielen.

„Balance in mein Leben zu bringen: mehr Freizeit, weniger Arbeit, mehr soziales Leben“ (T1B3)

Konzentration auf neue Prioritäten (6 Nennungen)

Hier werden alle Textelemente zugeordnet, bei denen es um das Fortführen gewohnter Aktivitä-ten auf andere Art und Weise bzw. mit einer geänderten Einstellung geht.

„Mehr Gelassenheit“ (T3B7)

Arbeit an konkreten Skills (6 Nennungen)

Hier werden alle Textelemente zugeordnet, bei denen es um den Erwerb oder Ausbau von konkreten Fähigkeiten geht.

„Meine Konfliktfähigkeit zu verbessern. Dissens bewusster wahrnehmen und auf Konflikte gezielter eingehen“ (T2B7)

Zukunftsplanung (4 Nennungen)

Hier werden alle Textelemente zugeordnet, bei denen es um die Klärung und Gestaltung mögli-cher zukünftiger beruflicher (Karriere-) Optionen geht.

„Ein klares Zielbild (inkl. Kriterien) zu entwickeln, wie meine nächste Stelle/ mein nächster Entwicklungsschritt aus-sehen und ausgestaltet sein soll“ (T5B1)

Absolvieren eines konkreten Projekts (4 Nennungen)

Hier werden alle Textelemente zugeordnet, bei denen es um die Bearbeitung oder Beendigung eines konkreten Projekts geht.

„Die einzelnen Bausteine für meine Dis-sertation abzuschließen“ (T1B6)

Mit 30 der Teilnehmer konnten zum Abschluss des Interviews konkrete Ziele für das eigene Selbstmanagement festgehalten werden. In einer Inhaltsanalyse wurden diese Ziele in fünf Ka-tegorien unterteilt, die jeweils samt Kodierregel und Beispiel in Tabelle 9 einzusehen sind. Da die Teilnehmer ihr Ziel abschließend selbst verschriftlichten, notierten sie im Anschluss an das

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lösungsorientierte Interview bisweilen auch mehrere Ziele. Die Inhaltsanalyse wurde jedoch nur über das Ziel durchgeführt, das auch Gegenstand des vorhergehenden Gesprächs war. Die Er-fahrungen mit den vier „Nonrespondern“, die kein Ziel formulierten, werden in Kapitel 10 separat ausgewertet. Sie hatten insoweit Auswirkungen auf die weitere Durchführung, als der Einstieg in die Gespräche nach Team 2 ausführlicher gestaltet wurde. Die Teilnehmer wurden zu Beginn des Gesprächs länger als zuvor dazu aufgefordert, von sich zu erzählen. Außerdem wurde von der ursprünglichen Idee der Aufstellungen abstrahiert und auf Interventionen zurückgegriffen, die in der jeweiligen Situation passend erschienen (vgl. Tabelle 10).

Weitere Interventionen

Im Anschluss an die Interviews und eine Pause war Zeit für eine weitere Intervention reserviert. Während im Vorfeld vor allem Aufstellungen mit Bauklötzen geplant waren, erwies sich dies in der Durchführungssituation als nicht immer passend. Wenn beispielsweise über zirkuläre Fragen vorab ausgeschlossen wurde, dass der Gesprächspartner bei der Entstehung, Aufrechterhaltung und Lösung seines Problems Kontextpersonen beteiligt sieht und er seine Schwierigkeiten auf innere Konflikte zurückführte, erschienen andere Methoden (z.B. Arbeit mit dem inneren Team) naheliegender. Tabelle 10 listet die Interventionen im Rahmen des Einzelcoachings auf.

Tabelle 10: Spontane Interventionen im Rahmen des Einzelcoachings

BEOBACHTUNG INTERVENTION

Die Teilnehmer erscheinen durch die Ankün-digung der Tonbandaufnahme verunsichert.

Ausführliche Erläuterung, was genau in welchem Schritt mit den Daten passiert, Lieferung von Beispielen für die Verwendung der Daten.

In den Erzählungen der Teilnehmer drohen Kompetenzen und Stärken oder erste Schritte in die gewünschte Richtung „unterzugehen“ (z.B. durch Erwähnen „nebenbei“ oder hasti-ges Sprechen).

Hervorheben über Äußerungen wie „Oh, da hast Du aber schon einiges gemacht!“ oder Fragen („Das – [Wdh. Der Stärke] kannst Du gut, oder?“), um den Blick auf Ressourcen zu richten.

Der Gesprächspartner zensiert sich bei der Benennung eines Ziels selbst z.B. mit Bemer-kungen wie „Es geht hier ja eher um Zeitma-nagement/ Berufliches/ …“

Verweis darauf, dass es darum geht, eigene Ziele zu verfolgen und da-bei die Ziele im Vordergrund stehen sollen, die gegenwärtig als wirklich wichtig empfunden werden – unabhängig davon, ob man der Meinung sei, sie passten besonders gut „ins Thema“.

Die Teilnehmerin zeigt sich in ihrer Körper-sprache bei einem persönlichen Thema sehr agitiert, benennt jedoch auf die Frage, wel-ches Ziel momentan wichtiger ist, ein unver-fängliches berufliches.

Zurückspiegeln der eigenen Überraschung, dass dieses Thema gewählt wurde und der Beobachtungen der Körpersprache, die zu der Hypothe-se verleiteten, das andere Thema berühre sie mehr.

Der Teilnehmer ist sich unsicher, ob er ein als sehr persönlich empfundenes Ziel tatsächlich zum Gesprächsthema machen soll.

Eröffnung der Option, das Thema im Laufe des Gesprächs zu wechseln, falls Irritationen auftreten und Einholung des Einverständnisses, vorerst zu dem Thema weiterfragen zu dürfen.

Der Teilnehmer ist sich nicht sicher, welche Ziele er verfolgen möchte. Als Ziel wird die Zielklärung benannt.

Aufstellung im Raum mit Bodenankern für die verschiedenen Lebensbe-reiche. Anleitung des Teilnehmers, in den verschiedenen Lebensberei-chen die Ist-Situation nachzuspüren. Zeichnerisches Übertragen der räumlichen Erlebnisse in eine Landkarte der eigenen Ziele. Aufstellung der Soll-Situation im Raum. Diskussion über mögliche Ziele.

Die Teilnehmer äußern, gegenwärtig in ihrem Leben keinerlei Herausforderungen zu sehen.

Positive Konnotation herausstellen, z.B. „Das ist schön, Du ruhst in Dir“, Auftragsklärung: „Was muss in den nächsten 2 Stunden passieren, da-mit Du zufrieden aus dem Gespräch herausgehst?“

Der Teilnehmer benennt ein Ziel, das letztlich nicht von ihm selbst beeinflussbar ist.

Hinweis auf diese Eigenschaft des Ziels und Verabredung, die Schritte zu beleuchten, die an das Ziel heranführen, jedoch noch unter eigener Kontrolle stehen. Im weiteren Gesprächsverlauf Umformulierung des Ziels.

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Erprobung des Interventionsprogramms 161

BEOBACHTUNG INTERVENTION

Der Teilnehmer berichtet ausschließlich über interne Barrieren zur Problemlösung. Auf zir-kuläre Fragen hin erscheinen andere Perso-nen an der Entstehung, Aufrechterhaltung und Lösung des Problems unbeteiligt.

Klärungsversuch über Aufstellen des inneren Teams (vgl. Schulz von Thun, 1999) und Ausagieren im Rollentausch (vgl. Ameln, Gerstmann & Kramer, 2004) bezogen auf eine konkrete Situation.

Die Arbeit am Ziel erfordert v.a. Änderungen in Einstellungen des Teilnehmers.

Teilnehmer wählt aus einer großen Auswahl von Bildern ein Bild für sei-ne/n Ziel-Einstellung/Zustand und ein Bild für seine/n Ausgangs-Einstellung/Zustand. Ausführliche Exploration der Bilder, Assoziationen, Gefühle, Einstellungen, Verhaltensweisen. Festhalten etwaiger neuer Ideen für den Weg vom Ausgang zum Ziel.

Durch ein sehr langes Interview bleibt nur noch sehr wenig Zeit für eine Abschlussinter-vention.

Teilnehmer wählt aus einer großen Auswahl von Bildern ein Bild, das für seinen Zielzustand steht. Ausführliche Exploration des Bilds im Hinblick auf Gefühle, Einstellungen, Verhalten. Ermittlung eines hilfreichen Ein-satzes der Visualisierung des Bilds. Einprägen des Bilds im Sinne einer kräftigen Vision.

Der Weg zum Ziel scheint sehr klar zu sein. Dennoch ist es dem Teilnehmer in der Ver-gangenheit nicht gelungen, sein Ziel zu errei-chen.

Wahl von zwei Bildern, die für Ziel- und Ausgangssituation stehen, Ver-ortung der Bilder im Raum. Exploration der Bilder. Rollentausch mit ei-nem Ich, das das Ziel bereits erreicht hat (Beraterin nimmt dabei die Rolle des Hilfs-Ichs ein) (vgl. Ameln, Gerstmann & Kramer, 2004). Voll-zug der Schritte von Ausgang zum Ziel und Exploration der Frage „Was war nötig, um den ersten Schritt zu machen?“

Hilfreiche Wirkungen: Anregung, Klärung, Lösungsfindung, Entlastung

Einige hatten das Gefühl, dass das Gespräch zur Klärung beitrug. Die Ausrichtung auf ein Ziel fanden sie hilfreich. Die Lösungsorientierung im Gespräch und das Erinnern früherer Lösungen wurden von den Teilnehmern positiv gesehen. Die Struktur des lösungsorientierten Interviews verhalf einigen zum Perspektivwechsel:

Vgl. ECT1B3: „Ich finde Deine Strategie – also erst mal mich so über den Weg dieser Zielvorstellung dahin zu führen, das alles auszumalen und so weiter und wenn das dann völlig klar ist oder vor Augen ist, dann den Weg dahin auszu-füllen sozusagen, zu strukturieren – das, finde ich, ist eine gute Strategie halt, um die ganzen Bedenken und all diese Blockaden, diese ganzen Perspektiven-Blockaden auch loszuwerden oder einfach so zu überspringen.“106

Entsprechend berichteten viele Teilnehmer über Gedanken, Ideen und Anregungen, die sie sich zuvor noch nicht gemacht hätten und das Sehen neuer Möglichkeiten und Lösungen:

ECT1B2: „Also, ich glaube, dass ich, dass mir jetzt auch aufgefallen ist, dass ich eigentlich .. viele Möglichkeiten noch habe.“

Lediglich eine Person gab an, keine neue Sichtweise gewonnen zu haben (T5B2). Auch das konsequente Einbeziehen des Kontexts wurde von einigen Teilnehmern als hilfreich empfunden, um konkrete Lösungen zu generieren:

ECT2B2: „Am interessantesten fand ich das mit den Bauklötzen. [I: Mhm] Also so diese, diese, diese Visualisierung von, von diesem Beziehungsgeflecht [I: Mhm], in dem man sich befindet. Es sieht ja eigentlich ganz einfach aus (la-chend) [I: Mhm], wie man so was löst.“107

106 Vgl. ECT1B2: „Ja../ehm/.. ja ich fand das schon toll, also, wie Du diese Fragen, man angeregt wird, selber auch.. schon .. mal Strategien nach Strategien zu suchen, wie man das ändern kann. Weil man sonst sich immer so ein bisschen erschlagen lässt so von der Problematik. Und durch diese also durch die Fragen, die Du stellst, .. , gerät man in eine ganz andere Rolle. Also, man gerät dann eher in die Rolle von einem Lösungssuchenden und nicht von einem, der die Probleme sich an denen so festbeißt, also ich /eh/ sehe dann immer die Probleme sehr deutlich und sehr klar vor mir, aber /ehm/ .. aber bin dann ein bisschen, bin dann so gelähmt, dass ich bei der Lösungssuche, glaube ich, nicht alle Möglichkeiten so ausschöpfe [I: Mhm], die man so hat. .. Und das fand ich schon gut, dass /eh/ durch /eh/ durch diese ungewöhnlichen Fragen man auch mal /eh/ sich selber gezwungen hat, zu gucken /ehm/ was hab ich denn eigentlich für Möglichkeiten. Also, man hat so eine /eh/, so eine positive /eh/ Lösungssuche, die dann halt, [I: Mhm] Ja, das fand ich sehr gut, also, dass man da ganz automatisch /ehm/ nach Strategien gesucht hat.“ 107 Vgl. ECT1B1: Aber ansonsten, ich finde das ganz schön /ehm/ sich, also diese Konstellation um einen herum zu vergegenwärti-gen. Das lässt Dinge konkreter werden“ und ECT2B7: „Das /ehm/ so dieses In-Beziehung-Setzen der Gruppen, die wichtig sind. Das ist eigentlich etwas, was auch, das ich eigentlich nie mache. Also, es ist so so eine Art der Reflexion .. /ehm/ ... Ja, so ein, so eine Bestandsaufnahme eigentlich tatsächlich .. Das /ehm/ habe ich in so, in der Art /eh/ noch nicht gemacht. Das wäre etwas [I: Mhm],

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Erprobung des Interventionsprogramms 162

Für manche Teilnehmer hatte das Gespräch auch eine entlastende Funktion. Sie schöpften neues Selbstvertrauen und waren bestärkt, auf dem richtigen Weg zu sein. Dadurch fühlten sie sich im Anschluss an das Gespräch gelassener oder weniger ängstlich:

ECT5B4: „Mir ist im Laufe des Gesprächs doch noch mal bewusst geworden, dass ich eigentlich keine Angst zu ha-ben brauche. Weil so was kommt bei solchen Themen ja gerade, wenn es um Job und Zukunft geht, auch auf. Und ich habe mir irgendwie gerade noch mal selbst versichert, dass das eigentlich nicht der Fall ist. Dass ich da, dass das eigentlich ok ist.“

Hilfreiche Methoden

Von beinahe allen Teilnehmern wurden die eingesetzten Methoden (Wunder-Frage, Aufstellung, Visualisierung über Karten, Hausaufgabe…) als interessant und hilfreich bewertet. Insbesondere der Effekt der Visualisierung komplexer Zusammenhänge wurde sehr geschätzt:

ECT1B6: „Also, es ist eben so, dass es eben durch die Visualisierung /eh/ .. viel strukturierter war. Ich hätte dir viel-leicht auch alles das sagen können. Aber erstens wäre es schwierig gewesen, die Worte zu finden, das zu tun, ande-rerseits auch den Zusammenhang zu finden [I: Mhm]. Und hier hat man eben so was Geometrisches, wo man einfach mit umgehen kann.“108

Auch würden die Methoden und Fragen zu einem hohen Detaillierungsgrad der Lösungen füh-ren. So gingen viele mit dem Ausblick auf konkrete nächste Schritte aus dem Gespräch:

ECT5B1: „[…] konkreteren Plan einfach zu haben, oder, ja, das gedanklich ja zum Teil schon so ein bisschen durch-gespielt zu haben. Das, was vorher als ‚ich nehme mir eigentlich mal vor, etwas zu tun’, ist jetzt greifbarer geworden, was gut ist. Und auch unterstückelt in, erst mal in erste Teilziele. Und nicht gleich das große Ziel vor Augen, wo man sagt, ‚das möchte ich jetzt erreichen’ und man übersieht dann, dass da irgendwie x steps irgendwie dazu gehören. Sondern jetzt erst mal den ersten Step zu fokussieren und dann eben weiter zu gehen. Das ist ganz gut, erst mal so ein kleines Nahziel dann zu haben.“

Hilfreich empfanden viele die schriftliche Zusammenfassung und Wiederholung der Lösungen durch die Beraterin am Ende des Gesprächs.109 Das Wissen über mögliche nächste Schritte re-sultierte für einige auch in der Motivation, diese gleich umzusetzen:

ECT5B4: „Ich glaube, dass ich heute wie nach einem Wunder nach Hause gehe. Ich bin irgendwie, ich fühle mich jetzt – ich weiß nicht – motivierter […]. Ich überlege schon die ganze Zeit, wie ich heute Abend [Maßnahme anonymisiert]. Weil das auf dem Zettel auch drauf steht.“110

Manche äußerten jedoch auch die Befürchtung, dass es schwierig werden könne, die gefunde-nen Lösungsansätze konsequent beizubehalten und umzusetzen:

ECT3B1: „Also, ich weiß nicht, ob ich das jetzt so streng durchhalten kann. Weil meistens falle ich ins Bett abends. Aber im Grunde sollte man es.“

Lösungsorientierter Ansatz hilfreich, aber anstrengend

Viele Teilnehmer hoben positiv hervor, die Lösungen selbst entwickelt zu haben:

ECT5B5: „Eben aus mir heraus auch Entscheidungen zu treffen, was ich gewillt bin, zu tun. Das finde ich wichtig. Also, du machst da keine Vorgaben und Lösungsansätze, sondern die kommen ja aus einem selbst. Und das ist dann auch einfacher in der Umsetzung. Weil es kommt ja schon aus einem selbst raus“.

Interessanterweise widersprach diese Vorgehensweise auch bei den Befürwortern häufig den Erwartungen:

was man auch /ehm/, glaube ich, ganz gut so privat machen könnte.“ 108 Eine Person war jedoch der Meinung, die Aufstellung sei überflüssig gewesen und habe keinen Mehrwert zum Gespräch ge-bracht. 109 Eine Person, bei der ich die Erwähnung dieser Zusammenfassung zu Gesprächsbeginn vergessen hatte, merkte in ihrem Frage-bogen an, dass es für sie im Gespräch entlastend gewesen wäre, zu Beginn eine Orientierung zu erhalten, wie die Ergebnissiche-rung gestaltet würde. 110 Vgl. ECT5B5: „Ich fühle mich ganz gut und positiv gestimmt, so dass ich das Gefühl habe: ‚So, ich packe das jetzt an, ich mache das’. Super gut ist dieser Leitfaden.“

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Erprobung des Interventionsprogramms 163

ECT2B4: „Eine unangenehmere Art und Weise wäre gewesen, wenn es jetzt von Deiner Seite aus /eh/.. Handlungs-vorschläge gegeben hätte, sowas wie gute Ratschläge oder so [I: ‚Mach doch mal, ja?’] Ja, ‚zeig mal’. Also, da hätte ich jetzt, das hätte ich am Anfang erwartet […], dass man gesagt hat: ‚So und so musst Du das machen, so geht das.’“111

Der Fokus auf sich selbst und die geforderte Selbstreflexion wurde von einigen als anstrengend, jedoch auch als bereichernd empfunden:

ECT3B8: „Ich finde das für mich immer so anstrengend, in so einen direkten Dialog mit mir zu kommen. Dabei ist es häufig auch, was am effektivsten ist. Sich dann wirklich auf die Probleme bei sich selber einzulassen. Und nicht zu gucken, was ist an den anderen scheiße.“ [I: „Das war schwierig.”] Das finde ich anstrengend. Aber es ist halt auch am effektivsten.“

Kritikpunkte einzelner Teilnehmer

Einzelne waren enttäuscht, keine Ratschläge oder Hinweise erhalten zu haben. Sie wünschten sich von der Beraterin „noch mehr Ideen, Aktionismus, Weisheiten“ (ECT1B3) oder „Beratungs-input“ (ECT5B4). Weitere Kritikpunkte bezogen sich auf die Umstände des Einzelcoachings. Eine Person war der Meinung, das Gespräch müsse „noch länger und ausführlicher sein, damit man noch ‚tiefer’ gehen kann“ (ECT1B1). Eine andere Person erklärte, sie bräuchte etwas Zeit zum Warmwerden und daher auch mehrere Gespräche bzw. ein vertieftes Kennenlernen der Beraterin (vgl. Kap. 10). Anderen hätte ein früherer Termin, weniger Arbeitsbelastung um das Gespräch herum oder ein „Interview außerhalb des Arbeitsalltags: mehr Zeit und Abstand“ (ECFBT2B5) gut getan. Die Personen, die kein Ziel hatten, wiesen darauf hin, dass die Sitzung nur Sinn mache, wenn ein Ziel gefunden würde. Auch Personen mit aus ihrer Sicht eher „klei-nen“ Zielen gaben im Fragebogen an, ihre Einschätzungen würden sich verbessern, wenn sie „selbst mehr ‚kritische’ Bereiche“ (ECFBT4B2) sähen oder Bedarf hätten, „Lösungen zu anderen Problemen“ (ECFBT4B4) zu finden.

9.2.3 Workshop II: Was braucht die Zukunft von mir, um in die Welt zu kommen?

Die Durchführung von Workshop II war – zumindest am ersten Tag – für alle Teams mit einem Ortswechsel verbunden. Die regionale Verteilung der Teams und die unterschiedlichen Jahres-zeiten und Wetterlagen zum Zeitpunkt der Durchführung hatten Variationen zur Folge. Während bei drei Teams ein Tagungszentrum oder Hotel mit nahe gelegenem Waldstück bzw. Feldwegen gewählt wurde, fiel die Wahl im Winter auf einen Indoor-Regenwald. Entscheidend für die Aus-wahl der Orte waren der Zugang zur Natur und die Möglichkeit, abseits vom Tagesgeschäft kon-zentriert und ungestört miteinander zu arbeiten. Der Indoor-Regenwald erfüllte die letztgenannte Bedingung leider nicht. Der Temperaturunterschied von 25° C, die ungewohnte Luftfeuchtigkeit und der hohe Lärmpegel waren für das Team sehr anstrengend. Die übrigen Teams fanden je-doch eine störungsfreie Umgebung vor. Bei einem Workshop wurde die Outdoor-Sequenz durch starken Regen verkürzt. Zwei Teams kehrten am zweiten Tag in den gewohnten Seminarraum am Arbeitsplatz zurück. Ein Team entschied sich für eine Übernachtung am Tagungsort und die weitere Nutzung der Räumlichkeiten dort. Das letzte Team wählte für den zweiten Tag einen anderen, zuvor noch nicht genutzten Tagungsraum in der Nähe des Arbeitsorts. Am zufriedens-ten über die Workshopbedingungen äußerte sich das Team, das sich für die Übernachtung und den Verbleib am Tagungsort entschieden hatte.

111 Vgl. ECT3B2: „Ich fand das jetzt echt schön. Aus dem letzten Gruppenleiterkurs war das wirklich eher so Zeitmanagement für die Arbeit. Also ganz viel so 20/80-Regel oder mit A, B und C-Aufgaben, das ging alles so in die Richtung. Das hätte ich jetzt auch so erwartet.“

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Erprobung des Interventionsprogramms 164

Neues Setting löst Neugierde aus

Die Teilnehmer wurden circa eineinhalb bis zwei Wochen vor dem Workshop per E-mail über Durchführungsort, Workshopzeiten und etwaige Anforderungen wie das Mitbringen wetterfester Kleidung informiert. Dabei wurde den Teilnehmern für die offenen Gespräche gedankt und dar-auf hingewiesen, dass im Laufe von Workshop II unter der Leitfrage "Was braucht die Zukunft von mir, um in die Welt zu kommen?" die persönlichen Zielsetzungen der Einzelnen im Vorder-grund stünden. Jeder werde dazu viel Raum zur Selbstreflexion haben und von seinen Teamkol-legen als Sparringspartnern unterstützt. Dem Team würden Möglichkeiten geboten, Formen des Zuhörens und des Zusammenarbeitens mit dem Ziel zu erproben, konkrete Lösungen für die Fragen, die für die Einzelnen von Bedeutung seien, zu erarbeiten. Dabei gehe es darum, auf kreative Weise Neues in die Welt zu bringen, weswegen auch der gewohnte Rahmen verlassen werde.

In der Erwartungssequenz wurde deutlich, dass das neue Setting und die Ankündigung des Workshops bei den Teilnehmern Neugierde ausgelöst hatten. Konkrete Erwartungen blieben jedoch in allen Teams in der Regel aus. Die Teilnehmer wünschten sich, die neue Umgebung erkunden und nutzen zu können, sie erhofften sich Konzentration und Ruhe und neue Erkennt-nisse jedweder Art. Sie freuten sich auf den Austausch und die Zusammenarbeit im Team. Eini-ge Teilnehmer nahmen Bezug auf die Coachingsitzungen. Sie äußerten sich in der Regel dahin-gehend, dass die Sitzungen hilfreich für sie waren. Bei der Bearbeitung der individuellen Ziele waren sie auf unterschiedlichem Stand. Während einige über Schwierigkeiten bei der Umset-zung berichteten, stellten andere fest, dass das individuelle Thema noch aktuell und präsent sei. Einzelne hatten ihr Ziel bereits erreicht oder ihr damaliges Ziel war durch andere wichtige The-men von der Tagesordnung verdrängt worden. In Team 3 beklagten in diesem Zusammenhang zwei Teilnehmer, dass der Abstand zwischen den letzten Gesprächen und Workshop II zu groß gewesen sei.112

Interindividuelle Unterschiede im Aufnehmen der Interventionen stärker als Teamunterschiede

Die Durchführung erfolgte am ersten Tag bis auf Anpassungen in Bezug auf die Zeiten und eini-ge spontane Interventionen konzeptgemäß. Tabelle 11 dokumentiert die ungeplanten Interventi-onen über den gesamten Workshop. In allen Teams löste das auf der Theory U (Scharmer, 2007b) basierende Modell der vier Ebenen des Zuhörens hohen Diskussionsbedarf aus. Die Teilnehmer zeigten sich sehr interessiert und suchten Bezüge und Beispiele aus ihrer eigenen Praxis, um das Modell zu verstehen. Im weiteren Verlauf des ersten Tages wurde deutlich, dass die einzelnen Sequenzen für die Teilnehmer unterschiedlichen Anregungsgehalt boten und sehr individuell ausgestaltet und aufgenommen wurden. Insgesamt waren dabei mehr interindividuel-le Unterschiede als Unterschiede zwischen den Teams zu beobachten.

Während die erste Übungssequenz für den Dialog von vielen Teilnehmern als zu kurz empfun-den wurde, (z.B. WS2T1: „Da haben wir es gerade auf Ebene 3 geschafft, jetzt hätten wir erst loslegen können“), gelang es in Tandems mit reservierten Teilnehmern kaum, die Zeit auszufül-len. Es fiel den Teilnehmern unterschiedlich leicht, die Perspektive als „Schüler des Lebens“ (Eichhorn, 2002) einzunehmen (von WS2T3: „Zu abstrakt, schwierig zu denken“ bis WS2T5: „Ich fand es nicht schwer. Es ist gut, sich zu verdeutlichen, für was es gut ist. Dann kann man an Herausforderungen auch anders herangehen.“). Auch der aus diesem neuen Blickwinkel gezo-

112 Aufgrund dringlicher Betriebsbelange war der Termin in diesem Team mehrere Monate nach hinten verschoben worden. Vgl. eine ausführliche Darstellung der zeitlichen Variationen in 10.2.1.

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Erprobung des Interventionsprogramms 165

gene subjektive Nutzen wurde unterschiedlich bewertet. Einzelne Teilnehmer zogen es vor, die Visualisierung ihrer restlichen Lebens- und Gestaltungszeit nicht vorzunehmen. Andere distan-zierten sich während des Vollzugs über humoristische oder zynische Gesten oder Aussagen von der Aufgabe. Bei anderen wiederum ließ sich Ernsthaftigkeit und Nachdenklichkeit beobachten.

Die 12 Fragen zur Anregung eines Presencing-Prozesses bewerteten die Teilnehmer ebenfalls sehr unterschiedlich. Während einige die Fragen damit abtaten, sie hätten sie sich „zum Teil schon gestellt“ (WS2T1) oder es „deckte sich mit den Gedanken, die ich mir eh schon mache“ (WS2T5), empfanden andere, dass ihnen die Fragen „durch eine gedankliche Eingrenzung“ zu mehr Klarheit verhalfen (WS2T3). Wieder andere erlebten die Fragen als „schwierig, schwam-mig. Es wurde leichter, wenn man es konkretisiert hat“ (WS2T3). Andere konnten dem „Weg der Fragen […] vom Allgemeinen und dann wieder rausgehen“ (WS2T3) etwas abgewinnen. Man-che kamen nur mit einem Teil der Fragen zurecht (WS2T4: „Die Fragen haben mich nicht alle so angesprungen, zu manchen fiel mir nichts ein“). Und während es einigen Teilnehmern gelang, sehr konkrete Antworten zu finden (WS2T4: „Es war kein Zauberwerk. Ich habe ganz konkrete Sachen, wo ich was mit anfangen kann“), gaben andere an, durch die Fragen eher verunsichert bis verärgert zu sein (WS1T5: „Ich fühlte mich ärgerlich. Schon wieder die gleichen Fragen, auf die ich keine Antwort habe!“). Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Auseinandersetzung mit den Workshopinhalten sehr individuell geprägt war und die vorgesehenen Sequenzen Raum für vielfältige Reaktionen ließen.

Abweichungen vom Konzept nehmen im Workshopverlauf zu

Variationen zum ursprünglichen Konzept, die regelmäßig von den Teilnehmern vorgenommen wurden, betrafen vor allem die Tandem-Sequenz am Ende des ersten Tages. Beinahe alle Teil-nehmer berichteten in der anschließenden Reflexion, die Fragen in Eigenregie so angepasst zu haben, dass sie ihnen für das Gespräch stimmig erschienen. Auch der vorhergesehene Moment der Stille wurde unterschiedlich gehandhabt. In den meisten Tandems wurde die in der Instrukti-on angegebene Zeit zumindest verkürzt. In einigen Tandems wurde dieser Punkt ganz ausge-lassen und die Zeit für ein gemeinsames vertiefendes Gespräch genutzt. Dabei hatte auch die Umgebung einen deutlichen Einfluss. Im Indoor-Regenwald war es laut Meinung der Teilnehmer zu laut für einen stillen Rückzug. Hier wurde nur von einem Team die individuelle Auszeit ge-nutzt. Aufgrund des starken Regens wurden in einem anderen Team die Aufenthalte im Freien deutlich verkürzt und die Gespräche drinnen fortgesetzt. Jedes Tandem (bzw. bei ungerader Gruppengröße auch Dreier-Gruppen) sorgte für die Gestaltung, die in dem Moment hilfreich er-schien. Diese Vorgehensweise resultierte in einer hohen Zufriedenheit. Nahezu alle äußerten sich sehr positiv über die offenen und hilfreichen Gespräche dieser Workshopsequenz. Lediglich ein Tandem berichtete, „etwas hängen geblieben“ zu sein, von den Gesprächen habe nur einer der beiden Teilnehmer profitiert. Die beiden erklärten dies damit, sich zu sehr an den Fragen orientiert zu haben, die für die besprochene Situation nicht zu passen schienen.

Am zweiten Workshoptag wurden deutlich mehr Anpassungen vorgenommen. Lediglich bei Team 4 erfolgte im Vergleich zum Konzept keine Modifikation. In den Teams 3 und 4 war die Mehrzahl der Teilnehmer am Morgen gespannt darauf, an den Themen des gestrigen Tages weiterzuarbeiten:

WS2T4: „Ich bin mir da schon sehr klar, das ist schon relativ konkret in mir drin. Das sind Sachen, die ich machen möchte. Das kam so an die Oberfläche, da möchte ich mich mit beschäftigen“.113

113 Vgl. WS2T3: „Gestern, das hatte was von Weiterentwicklung, auch viel Neues, was entsteht. Das finde ich spannend, mich da zu verorten und da Einfluss zu haben, mitzuwirken.“

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Erprobung des Interventionsprogramms 166

Tabelle 11: Spontane Interventionen im Rahmen von Workshop II

BEOBACHTUNG INTERVENTION

Die Zielgruppe ist sehr technisch orientiert und mit psychologischen Methoden unvertraut.

Hinweis: „Vieles wird Euch heute ungewohnt vorkommen“ und Appell, das Einlassen darauf nur mal auszuprobieren, so weit wie es möglich erscheint.

Zwei Teilnehmer äußern in der Einstiegsrunde, dass sie heute lieber bei ihrer Projektarbeit wären und sich nicht sicher seien, ob der Workshop ihnen nüt-zen werde.

Erzählen der Anekdote „Säge schärfen“ (Seiwert, 1998, S. 37). Erläuterung der Theory U. Dabei Bezugnahme auf die Äußerun-gen und das Modell. Aufzeigen, dass eine Teilnahme im Downlo-ading-Modus die befürchteten Ergebnisse hervorbringen könnte. Appell an den Versuch, sich einzulassen und einzubringen.

Eindruck, dass Diskussionen v.a. zur Verfechtung des eigenen Standpunkts ausgetragen werden (De-bating mindset laut Theory U), Spüren der eigenen Unruhe.

Direktives Abbrechen der Diskussionen und Verweis darauf, dass im Rahmen des Workshops versucht werden solle, sich zu öffnen und sich mit den Standpunkten der anderen zu verbinden und dass dazu im ersten Schritt das Hinterfragen und die Neugierde auf die anderen Standpunkte gehöre. Teilnehmer doppeln in dem, was bisher verstanden wurde und Haltung „beides gilt“ transpor-tieren.

Teilnehmer sind eher kurz angebunden oder äußern sich nur zögerlich.

Mobilisieren der eigenen Neugierde und intensives exploratives Hinterfragen im Plenum, um den Teilnehmern ein Modell zu bie-ten und eine Atmosphäre zu schaffen, in der Neugierde aufeinan-der entstehen kann.

Das Team zeigt die Tendenz, kritischen Teilneh-mern „das Wort abzuschneiden“ bzw. zu versuchen, sie von ihrer eigenen Meinung zu überzeugen.

Hinweis, dass man das unterschiedlich sehen könne und dass es mir wichtig sei, im Workshop die verschiedenen Standpunkte und Sichtweisen zu hören. Unterstützung der kritischen Teilnehmer durch Nachfragen. Bei konfliktären Sichtweisen darauf achten, dass alle zu Wort kommen.

Beim Formulieren der Anliegen aus den Bildern nennen die Teilnehmer Anliegen, in denen ihr eige-ner Beitrag unklar bleibt, z.B. „Kann ich auf Euch zählen?“

Nachfragen mit Fokus auf den eigenen Beitrag (zu den Teampro-zessen, Problemen etc.), bis die Frage so formuliert ist, dass sie vom Fallgeber Aktion erfordert (z.B. „Wie kann ich…“).

Vermutung, dass das Malen beim Team Widerstand oder Befürchtungen auslösen könnte.

Hinweis auf „eine kleine Zumutung“ beim Einleiten der Aufgabe.

Konflikt zwischen zwei Teilnehmern bricht auf (Teil-nehmerin empfindet es als respektlos, dass ein an-derer Teilnehmer auf sein Handy schaut und äußert bei seinem nächsten Beitrag die Bemerkung „Was für ein Macho-Spruch“, daraufhin fühlt sich der Teil-nehmer verletzt und „in Schubladen gesteckt“).

Doppeln der Teilnehmer zu ihrem Verständnis der Situation und was ihnen daran jeweils wichtig ist. Daraufhin Frage „Welche Re-geln brauchen wir hier in diesem Team?“ und Brainstorming mit dem gesamten Team. Anschreiben der Regeln (z.B. („Ich lasse mich so weit darauf ein, wie es mir persönlich möglich ist“, „Ich achte darauf, wie ich etwas formuliere (Ich- statt Du-Botschaften)“, „Achtung vor Schubladendenken“) und Diskussion, ob es sich um Regeln handele, hinter denen alle stehen können.

Einer Teilnehmerin kommen bei der Präsentation ihres Bildes und Anliegens die Tränen. Sie stürmt sofort aus dem Raum, die übrigen Teilnehmer schauen betreten drein.

Ankündigung, dass ich gleich nach der Teilnehmerin schauen möchte, es jetzt eine kurze Pause gibt und wir gleich weiter spre-chen. Daraufhin kurzes vertrauensvolles Gespräch mit der Teil-nehmerin und Vereinbarung eines für die Teilnehmerin akzeptab-len weiteren Vorgehens. Teilnehmerin offenbart den übrigen Teamkollegen, was in ihr vorgegangen ist und sagt, wie es ihr jetzt geht. Anschließend Anleitung eines Blitzlichts, in dem die Teammitglieder ihre eigene Befindlichkeit und Reaktion kund tun.

Wiederholtes Äußern, dass Tools gewünscht wer-den.

Mitbringen von „Tools“ in Form eines schriftlichen Überblicks über mögliche Selbstmanagement-Strategien.

Auch war das Bedürfnis entstanden, von den anderen Teilnehmern mehr zu erfahren. Einzelne beschäftigten noch die vier Ebenen des Zuhörens:

WS2T3; „Das mit dem Zuhören hat mich angeregt, auf welcher von den vier Stufen ich da bin, verbindet sich mit Situ-ationen, die man kennt. War gut, das zu vergegenwärtigen“.

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Erprobung des Interventionsprogramms 167

Andere schätzten die Reflexion am Vortag:

WS2T3: „Gestern hat mal wieder gezeigt, dass es Sinn macht, sich von Zeit zu Zeit Gedanken zu machen darüber ‚Was will ich? Wo will ich hin? Was bin ich?’“

Hohe Prozessintensität birgt Herausforderungen

Die Teilnehmer in den Teams 1 und 5, sowie Einzelne in Team 4 waren am Morgen erschöpft. Sie machten dafür vor allem die ungewohnte Reflexionsdichte am Vortag verantwortlich. Die Mehrzahl der Teammitglieder äußerte, sie hätte sich am Abend des Vortags verausgabt und sei noch sehr müde:

WS2T5: „Eigentlich bin ich ganz guter Dinge nach Hause gegangen, aber ich war erschlagen. Es hat vieles angesto-ßen, wo ich genauer drüber nachdenken muss. Heute bin ich sehr müde.“

Durch die Intensität der Beschäftigung mit sich selbst und dem eigenen Selbstmanagement tau-chen beim Einzelnen viele Fragen auf. Diese zunächst zuzulassen, ohne sofortige Antworten parat zu haben, fällt manchen Teilnehmern sehr schwer. Sie suchen nach Wegen, die Komplexi-tät möglichst schnell zu reduzieren:

WS2T5: „Ich habe viele Gedanken im Kopf, was gut ist. Aber es ist noch ein großer Berg. Ich möchte einen Ansatz finden, wo der Berg abgebaut werden kann“.

Einige Teilnehmer scheinen sich auch unter Druck zu setzen, die „passenden“ Probleme oder Ziele zu haben, um aus allen Sequenzen des Workshops und von allen Fragen gleichermaßen Nutzen zu ziehen:

WS2T4: „Ich glaube, bei mir gibt es eine gewisse Spannung zwischen hochtrabenden Erwartungen (Erwartungen aus Ratgebern, Literatur) und den Zielen, die ich formuliert habe. Das kam mir zu banal vor und nicht erstrebenswert, zu tief hingehängt.“

Dies scheint der Hinweis auf eine versäumte Intervention: Dass vielleicht nicht jeder Teilnehmer in gleichem Maße von allen Sequenzen profitiert und dass jeder für sich schaut, welche Teile er intensiv nutzen kann und mag, wurde von mir als Selbstverständlichkeit unterstellt und nicht formuliert. Insbesondere bei trainings- und workshopunerfahrenen Zielgruppen scheint es je-doch wichtig, dies zu betonen, um dem Bemühen der Teilnehmer, vermeintlichen Erwartungen seitens der Beratung gerecht zu werden, entgegenzuwirken.

Wendepunkt durch die Offenbarung eigener Anliegen im Team

Das Vorstellen der eigenen Bilder zum gestrig Erlebten und zu den persönlichen Zielen bot den Wendepunkt für den weiteren Workshopverlauf. An dieser Stelle galt es für jeden Teilnehmer, zu entscheiden, wie viel er von sich zeigen und im Team offenbaren wolle. Die Teilnehmer von Team 1 zeigten sich hier sehr mutig und authentisch. Die Zuhörer reagierten mitfühlend und betroffen, wodurch sich eine sehr dichte Atmosphäre aufmerksamer Ernsthaftigkeit entwickelte. Nach dem Herausarbeiten der Anliegen wirkte das gesamte Team sehr erschöpft. Dieser Ein-druck wurde von mir hinterfragt und vom Team bestätigt. Daraufhin wurde ein Ausblick auf die Planung für den Rest des Tages gegeben und die Methode der kollegialen Fallberatung erläu-tert. Das Team sah sich nicht in der Verfassung, einen Fall mit der gebotenen Tiefe zu behan-deln. Es wurde der Wunsch geäußert, die Fälle unbedingt im nächsten Workshop zu bespre-chen, nur sei es heute „zu viel“. Dazu teilte ich meine zeitlichen Bedenken mit und wies auf die thematische Fokussierung (Workshop II „Ich“, Workshop III „Team“) hin. Die Teilnehmer entwi-ckelten den Lösungsvorschlag, sich in der Zwischenzeit in Eigenregie zusammenzusetzen und die Anliegen mithilfe der Handouts zur kollegialen Beratung und eines internen Moderators zu bearbeiten. Mit dieser Aussicht wurde der Workshop am Nachmittag vorzeitig beendet. (Leider fand – wie ich später erfuhr – die geplante zwischenzeitliche Sitzung aufgrund von Termin-schwierigkeiten nie statt).

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Erprobung des Interventionsprogramms 168

In Team 5 wurden die Anliegen von der Mehrzahl der Teilnehmer eher kryptisch formuliert und ausweichend auf Fragen zur Konkretisierung der Anliegen geantwortet. Ich interpretierte dies als Signal, nicht weiter nachzubohren und insistierte nach einigen Fragen nicht weiter, um die per-sönlichen Grenzen zu respektieren. Nach dem Vorstellen der Bilder stellte der Teamleiter die Frage: „Ist das alles ehrlich? Wie viel davon ist Abbild dessen, was erwartet wird?“. Auf Nach-fragen erläuterte er seine Bedenken: „Vielleicht bin ich ja ein riesiger Egoist und ich habe eigent-lich schon gekündigt und mache das jetzt trotzdem mit und erzähle hier was“. Darum gebeten, ihr Empfinden zu schildern, äußerten die anderen Teilnehmer alle ungefähr das Gleiche: Das dargestellte Anliegen sei vermutlich nicht die allerwichtigste Frage, die die Einzelnen gerade umtreibe, aber im beruflichen Bereich, um den es hier gehen solle, stelle es sicher das aktuelle Anliegen dar. Außerdem stellten sie Fortschritte in ihrer Offenheit im Vergleich zum Projektstart fest.114 Von mir befragt, was die gerade stattgefundene Diskussion zukünftig für jeden Einzelnen im Team bedeute, war das Team der Meinung, es müsse „nicht mehr passieren, als sich sowie-so entwickelt“ und es bräuchte „ein bisschen mehr Zeit, bis Vertrauen aufgebaut ist“. Für das Verhalten untereinander bedeute dies, aufeinander zuzugehen und nachzufragen. Lediglich ei-nes der Anliegen erschien mir nach dieser Runde transparent und greifbar. So fragte ich die Teilnehmerin, die es geäußert hatte, ob es für sie in Ordnung wäre, mit ihrem Anliegen zu be-ginnen. Daraufhin wurde eine kollegiale Beratung durchgeführt, mit deren Ergebnis die Fallgebe-rin sehr zufrieden war. Die Frage, ob jetzt nach Kenntnis der Methode noch ein weiteres Team-mitglied Interesse hätte, zu seinem Anliegen beraten zu werden, verneinten die übrigen Team-mitglieder. Sie brachten zum Ausdruck, dass die übrigen Anliegen zu vage dafür seien. Darauf-hin wurde der Workshop im Einvernehmen mit dem Team mit einer Feedbackrunde vorzeitig beendet. Während die Stimmung am Ende des ersten Workshoptages noch zufrieden bis eu-phorisch gewesen war, zeigte sich das Team in dieser Feedbackrunde jedoch insgesamt eher unzufrieden mit dem Workshop.

In Team 4 lief das Vorstellen der Anliegen von außen betrachtet recht sachlich und nüchtern ab. Wie sich aus den Äußerungen der Teilnehmer im weiteren Workshopverlauf zeigte, bildete die Tatsache, über persönliche Anliegen zu reden, für das Team jedoch einen großen Unterschied zur Kommunikation, wie sie üblicherweise wahrgenommen wurde:

WS2T4: „Momentan ist es so, dass so etwas so gut wie nie im Team besprochen wird.“115

Zu drei der fünf Anliegen fand eine kollegiale Beratung statt. Dabei orientierten sich die Teil-nehmer stark an dem vorgegebenen Leitfaden. Anschließend wurde eine gemeinsame Reflexion angeleitet, inwiefern die Methode der kollegialen Beratung auch in den Teamalltag passen wür-de. Nach kontroverser Diskussion, in der deutlich wurde, dass unterschiedliche Meinungen zur Kompetenz des Teams im Umgang mit Problemen vorherrschten, einigte sich das Team darauf, zukünftig bedarfsorientiert kollegiale Beratungssitzungen anzusetzen. Im Falle eines Anliegens sollte sich der Fallgeber 2-3 Personen auswählen und eine Sitzung einberufen. Dieses Vorge-hen sollte sowohl für die Lösung technischer Probleme als auch für die Klärung persönlicher Befindlichkeiten eingesetzt werden.

In Team 3 gelang es der Teamleitung nicht, in der vorgesehenen Vorbereitungszeit ihr Bild zu erstellen. Sie bat darum, zunächst bei den anderen Teammitgliedern zuhören zu dürfen und ihr

114 Teamleitung: „Wenn wir vor dem Projektstart ein Bild hätten malen sollen und jetzt auch, und dann vergleichen, was wäre pas-siert?“ Beraterin: „Was ist Deine Vermutung?“ Teamleitung und Teilnehmer: „Die Bilder wären nicht so offen gewesen.“ 115 Vgl. „Die Art, wie das hier aufgebaut ist, dass mehrere Leute da sitzen und darauf trainiert sind, erst mal still zuzuhören – da fehlt uns die Erfahrung. Das ist nicht rein technisch bedingt.“

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Erprobung des Interventionsprogramms 169

Bild in der anschließenden Pause zu malen. Das Team war mit diesem Vorgehen einverstan-den. Die vorgestellten Anliegen bezogen sich zum Teil auf persönliche Bedürfnisse (z.B. Verein-barkeit von Berufs- und Privatleben), zum Teil eher auf die professionelle Rolle als Führungs-kraft (z.B. das persönliche Handeln, um bestimmte Veränderungen voranzutreiben). Die Atmo-sphäre beim Vorstellen der Bilder war offen und aufmerksam. Das Einbringen der persönlichen Themen schien allen eher leicht zu fallen. Ich gewann den Eindruck, dass die Kommunikation sich durchaus im Rahmen des Gewohnten abspielte. In der Pause nach dem Vorstellen der Bil-der erarbeitete die Teamleitung ihr Anliegen auf einem Flipchart. Da ihr Ansatz eine strukturelle Lösung vieler der in den Anliegen der Teammitglieder implizit enthaltenen Schwierigkeiten be-deutete und mit einer neuen Struktur der Zusammenarbeit einherging, entstand durch die Prä-sentation hoher Diskussionsbedarf. Den Einzelnen über kollegiale Beratungen bei ihren indivi-duellen Anliegen weiterzuhelfen, schien in diesem Moment in Anbetracht der „Rundumlösung“ wenig attraktiv. Darum wurde mit dem Team ein neues Vorgehen entwickelt und abgestimmt. Es wurden Tandems gebildet, die in einer weiteren Übung des Dialogs ihre Gedanken und Ideen rund um das Anliegen der Teamleitung ergründen sollten. Die Teamleitung hatte die Sonderrol-le, als stiller Beobachter zwischen den Tandems zu wechseln und ihr Bild von den Reaktionen im Anschluss an das gesamte Team zurückzumelden. Dies löste eine weitere ausgiebige Dis-kussion im Plenum aus, zumal in zwei Gruppen eine weitreichende Konkretisierung des Ansat-zes in Richtung spezifischer Umsetzungsideen vorgenommen worden war. Die Diskussion dreh-te sich nach einiger Zeit nur noch um diese beiden Alternativen und es bildeten sich zwei Lager. Ich schlug vor, die verbleibende Zeit zu nutzen, um einen Schritt zurückzugehen und die Anfor-derungen an eine gute Lösung – unabhängig von den konkreten Umsetzungsoptionen – aufzu-nehmen. Alle Teammitglieder beteiligten sich rege an der Diskussion und Visualisierung dieser Anforderungen. Im Anschluss an diesen Überblick beschloss das Team, die Ideen zunächst „sacken zu lassen“ und die Diskussion gegebenenfalls im nächsten Workshop oder im Rahmen der nächsten regelmäßigen Teamsitzungen weiterzuführen.

Hilfreiche Denkanstöße für das eigene Selbstmanagement

Die Teilnehmer äußerten in allen Teams mehrfach, der Workshop habe sie angeregt, weiter nachzudenken oder anders zu handeln. Einige hatten den Eindruck, es sei ein Prozess ange-stoßen worden, der noch keine fertigen Lösungen liefere und eine weitere Beschäftigung erfor-dere:

WS2T5: „Es ist nicht abgeschlossen, sondern ein Denkprozess, der weitergeht, Ideen, mit denen man noch schwan-ger geht.“116

Die geleistete Denkarbeit wurde von einigen als sehr anstrengend empfunden (WS2T5: „ich war relativ erschlagen“)117 und zum Teil ambivalent betrachtet („WS2T1: Anstrengend, aber entspan-nend, weil andere Anstrengung“). Viele bewerteten die zwei Tage jedoch als hilfreich für das eigene Selbstmanagement: Sie empfanden das Nachdenken über konkrete Änderungen und Lösungen als konstruktiv.118 Die hilfreiche Qualität für das eigene Selbstmanagement resultierte insbesondere aus dem Austausch mit den Teamkollegen:

WS1T3: „Die Methodik mit dem Zuhören hat sehr geholfen, dass ich an meine Kernsachen auch rankam. Mit den Karten auch – wo steht man zurzeit? Das hat dazu beigetragen, dass ich klarer werde für mich.“119

116 Vgl. WS2T1: „Noch keine Lösungen, aber dafür muss ich noch viel tiefer gehen, es war hauptsächlich das Erkennen.“ 117 Vgl. WS2T3: „Heute war ich oftmals erschöpft von dem vielen Drübernachdenken über irgendwelche Sachen.“ 118 Z.B. WS2T3: „Hat geholfen, über das Thema intensiver nachzudenken und es zu konkretisieren.“ 119 Vgl. WS1T3: „Für mein Selbstmanagement war hilfreich, eine Spiegelung zu kriegen, die Rückmeldung von den Kollegen.“

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Erprobung des Interventionsprogramms 170

Einige Teilnehmer waren jedoch der Meinung, es könne sich erst im Nachgang des Workshops zeigen, ob sich die angestoßenen Prozesse als hilfreich für das eigene Selbstmanagement er-wiesen.

Zielklarheit, Konzentration auf das Wesentliche und neue Möglichkeiten

Einige berichteten über mehr Klarheit über eigene Ziele:

WS2T5: „Mein Argumentationsmantra wird fester, ich kann mir selber sagen, was ich eigentlich will, es ist nicht mehr so ganz diffus. Manchmal muss man Dinge erst häufig genug sagen, dann wird da auch etwas draus, dadurch in so etwas wie eine Zukunftstrance verfallen.“120

Andere hatten den Eindruck, sich wieder stärker auf das Wesentliche konzentriert zu haben:

WS2T1: „An Tag eins habe ich den Blick geschärft für Sachen, die wirklich wichtig sind. Das war ein Refokussieren auf mein Leben und meine Absicht. Hat geholfen, Dinge in mir zu finden.“121

Die meisten Teilnehmer nahmen für sich ganz unterschiedliche Denkanstöße oder Erkenntnisse mit, die ihnen neue Ansatzpunkte für ihr Selbstmanagement eröffneten:

WS2T1: „Neue Ansatzpunkte für Selbstmanagement gewonnen – nicht das Erstbeste nehmen und dann erst dies, dann merken, ich will doch das, sondern eher grundlegend: Lieber gleich die ganze Pflanze entfernen mit der Wurzel, statt am Pilz herumzukratzen.“122

Einige entdeckten für sich neue Varianten, an Dinge heranzugehen:

WS2T1: „Bei mir selber hat sich verändert, dass ich mich mehr fokussiere darauf, was ich mir vorgenommen habe und die Art und Weise verändere, wie ich da rangehe, auf dass ich mich nicht selber ausbremse.“123

Einzelne Teilnehmer berichteten, dass sich ihr Verständnis von Selbstmanagement gewandelt habe:

WS2T1: „Hatte einen großen Einfluss auf die Idee von meinem Selbstmanagement.“124

Sonderrolle der Teamleitung

Die Teamleiter berichteten auch in diesem Workshop, dass sie Zugang zu Informationen erhiel-ten, die ihnen sonst verschlossen blieben.125 Dies ermöglichte es ihnen, konkreten Handlungs-bedarf für sich zu sehen:

Leitung Team 5: „Ich habe mitgenommen, ich brauche viel mehr Verständnis für das, was bei Euch passiert; welche Lebenssituation steckt dahinter.“126

Während dies den einen zuversichtlich stimmte (Leitung Team 3: „Es war hilfreich für mich. Ich habe schon eine Idee, wie es voran gehen kann“), löste es beim anderen jedoch eher Bestür-zung aus (Leitung Team 1: „Wie viele Probleme sich in meinem Verantwortungsbereich auftun! Ich weiß nicht, wie das weitergehen soll“).

120 Vgl. WS2T1: „Hilft mir, die Ziele genauer zu sehen, wo ich auch hin will.“ 121 Vgl. WS2T3: „Noch mal ins Bewusstsein zu kriegen, was ist eigentlich wichtig und das näher ranzuholen, fand ich gut.“ 122 Vgl. WS2T1: „Die Erkenntnis, sich mit den richtigen Dingen zur richtigen Zeit 100% zu beschäftigen, werde ich zur Direktive für mein Selbstmanagement machen“, WS2T4: „Es war auch hilfreich, sich noch mal deutlich zu machen, dass irgendwas Neues bei einem selber anfängt“ und WS2T3: „Gestern die verschiedenen Ebenen des Zuhörens, das hat mir Denkanstöße gegeben, die ich in unserer Arbeit versuchen werde zu berücksichtigen“. 123 Vgl. WS2T1: “Bei mir geändert hat es die Fragen, die ich mir stelle, um Probleme zu erkennen. Es hat angeregt, mal weiterzufra-gen, ob das wirklich die Frage ist, oder ob noch eine dahinter ist.“ 124 Vgl. WS2T5: „Hilfreich war es eher im Sinne von Selbstführung als Selbstmanagement im operativen Sinne.“ 125 Z.B. Leitung Team 4: „Ich bekomme Sachen mit, die ich sonst nicht mitbekomme.“ 126 Vgl. Leitung Team 3: „Ich muss gucken, dass ich mir mehr Gedanken mache über Strukturen, wo sich der Fachbereich hin entwi-ckeln kann.“

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Erprobung des Interventionsprogramms 171

Neue Qualität der Teamkommunikation

In Bezug auf das Team war eine wesentliche Änderung, welche die Teilnehmer der Teams 1, 3 und 4 durch den Workshop initiiert sahen, die verstärkte Bewusstheit über Probleme im Team und das Sehen eines konkreten Veränderungsbedarfs.127 Alle Teams erklärten in diesem Zu-sammenhang, dass ihnen der Workshop neue Ansatzpunkte für die Zusammenarbeit eröffnet habe:

WS2T1: „Jetzt haben wir die Chance, uns zu helfen. Und statt nebeneinander zu arbeiten, miteinander zu arbeiten.“

Im Rückblick auf den Workshop stellten alle Teams Unterschiede zur Kommunikation im Team-alltag fest. Diese reichen von der Beobachtung rein quantitativer Veränderungen (WS2T4: „wir haben mehr miteinander gesprochen als wir das sonst miteinander tun“) hin zum Wahrnehmen einer anderen Qualität der Kommunikation:

WS2T1: „Wir reden total viel miteinander, aber offenbar über nichts Wichtiges. Das ist explizit und nicht zufällig ges-tern anders gewesen. Ich glaube, dass man das auch in den Alltag hineinbewegen kann […] Es war was Anderes. Das waren andere Formen von Dialog […] Wir haben uns auf einer ganz tiefen Ebene unterhalten.“

Veränderte Wahrnehmung der Teamkollegen und des Teams

In den Teams 1, 4 und 5 berichteten viele Teilnehmer über ihren Eindruck, sich besser und an-ders kennengelernt zu haben:

WS2T1: „Wir haben uns als Menschen kennengelernt, nicht nur als Kollegen.“128

Einige Teilnehmer hatten den Eindruck, dass sich dadurch ihre Wahrnehmung des Teams ver-ändert habe:

WS2T1: „Das Bild von dem Einzelnen und vom Gefüge hat sich sehr stark geändert. Wenn es vorher mit vier Farben war, dann jetzt mit acht.“

Sie berichteten über ihre Wahrnehmung eines veränderten Teamklimas in Richtung eines ge-steigerten Vertrauens. Das Wissen über die anderen ermögliche ihnen mehr Verständnis für ihre Teamkollegen:

WS2T5: „Man kennt sich besser, hat mehr Verständnis für die jeweilige Situation.“129

Außerdem hätten sie Barrieren abgebaut, die einen intensiveren Austausch verhinderten:

WS2T1: „Die Bereitschaft, über Dinge zu reden, ist jetzt da. Eine Schwelle wurde gesenkt durch diese Aktion.“130

In Team 3 erfolgten kaum Rückmeldungen in diese Richtung. Da es sich hier um ein Team han-delte, in dem die Teammitglieder bereits sehr großes Vertrauen und eine hohe gegenseitige Wertschätzung zu ihren Ressourcen zählten, war in diesem Team möglicherweise ein „Decken-effekt“ erreicht. Lediglich ein vergleichsweise neuer Mitarbeiter berichtete über ein neues Bild, das ihm helfe, seinen Platz im Team zu finden:

WS2T3: „Wir sind als Team für mich noch mehr greifbar. […] Für mich hat sich verändert, ich bin gelassener, fühle mich mehr eingenordet im Team.“

Sehr positive Beurteilung des Workshops in drei Teams

Die Bewertung des Workshops fiel in den Teams 1, 3 und 4 sehr positiv aus. Den Teilnehmern

127 Vgl. WS2T4: „Es verändert die Lust oder die Sensibilisierung auf Veränderung. Ich habe Lust auf Veränderung, dadurch, dass konkrete Punkte da sind. Lust, die auch anzugehen.“ 128 Vgl. WS2T4: „Im Team hat sich insgesamt insofern was verändert, als wir ein bisschen besser verstehen, wie die anderen ticken, wie der andere das Team sieht. Und auch so ein bisschen, wie er sich dabei fühlt. Ob er zufrieden ist oder unzufrieden.“ 129 Vgl. WS2T1: „Es ist persönlicher und begründeter geworden, warum andere so sind.“ 130 Vgl. WS2T5: „Am signifikantesten hat sich etwas im Team verändert, dass man sich mehr traut nachzufragen“ und WS2T4: „Es hat geholfen, Hemmungen abzubauen“.

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Erprobung des Interventionsprogramms 172

gefiel neben den konkreten Ideen und Ergebnissen insbesondere das Setting (z.B. die Outdoor-Sequenz, die Dauer von zwei Tagen etc.), die Moderation ohne Zeitdruck und mit Raum für un-terschiedlichste Themen und der Ansatz bzw. die „Philosophie“ und Struktur des Workshops. In den Feedback-Fragebögen äußerten sich die Teilnehmer vor allem positiv zu einzelnen Metho-den oder zur Methodenvielfalt. Auch das der Theory U entlehnte Modell der „Vier Ebenen des Zuhörens“ blieb bis zum Workshopende präsent und wurde von vielen der Teilnehmer als Mehrwert erlebt. Daneben freuten sich die Teams über die positive Atmosphäre im Workshop.

Kritik von Team 5: Zu viele Gedanken, zu verwirrend, zu viel Zeit investiert

In Team 5 zeigte sich eine Person sehr unzufrieden mit dem Workshop. Sie beklagte, dass sie persönlich keinen Nutzen aus dem Workshop ziehen könne („Es hat sich nichts geändert, ich habe keine neue Sichtweise“) und stellte fest, dass die Kosten-Nutzen-Relation für sie nicht stimme. Der positive Effekt, der für das Team gesehen wurde, hätte aus ihrer Sicht auch auf andere Weise und in kürzerer Zeit erzielt werden können:

WS2T5: „Den Effekt, den wir jetzt haben, hätte man auch durch etwas anderes haben können. Gemeinsam Fall-schirmspringen zum Beispiel.“

Die Frage, was hätte passieren müssen bzw. zukünftig passieren sollte, damit die Person zu-frieden sei, konnte sie nicht beantworten.131 Auch die anderen Teilnehmer äußerten sich darauf-hin eher kritisch. Vieles sei wenig konkret und dadurch unbefriedigend geblieben („insgesamt schwammig“). Gewünscht hätten sie sich stattdessen ein greifbares Handwerkszeug und Anlei-tungen zum Selbstmanagement.132 Vor allem die Fragen am ersten Tag wären sehr verwirrend und zu viel gewesen.133 Nur das Teammitglied, das kollegial beraten wurde, war zufrieden mit den konkreten Lösungen für das eigene Anliegen und entschuldigte dies damit, dass sein Fall „praktischer gelagert“ sei. Die Kritik fand sich für Team 5 ebenfalls in den Fragebögen zur Pro-zessqualität wieder.

In den übrigen Teams wurden in den Prozessreflexionen und in den Fragebögen als Kritik ledig-lich von sehr wenigen Personen persönliche Präferenzen geäußert, die im Widerspruch zur ge-wählten Vorgehensweise standen (z.B. WS2FBT3B8: „An manchen Stellen gerne mal etwas schneller“ oder WS2FBT3B7: „Die Einheiten könnten gerne etwas kürzer sein bzw. einige Me-thoden einbauen, die etwas mehr Bewegung ermöglichen“).

9.2.4 Workshop III: Was braucht die Zukunft vom Tea m, um in die Welt zu kom-men?

Workshop III wurde circa zwei Wochen im Voraus per E-Mail angekündigt. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass sich der letzte Workshop weniger um den Einzelnen, sondern um die Zukunft des Teams sowie eine gemeinsame Teamvision drehen würde. In den Berichten zu wichtigen Ereignissen der Zwischenzeit, dem Zukunftspotenzial des Teams und den Erwartungen an den Workshop äußerten die Teammitglieder in Team 1, 4 und 5 sehr homogene Vorstellungen, wäh-rend diese in Team 3 auseinander gingen.

131 WS2T5: „Ich hatte keine Erwartungen, daher weiß ich nicht, was sich hätte verändern müssen, damit ich zufrieden wäre.“ Für eine ausführliche Betrachtung der Kommentare des Teilnehmers vgl. 11.5.3). 132 WS2T5: „Gewünscht hätte ich mir Tools, im Sinne von ‚Das passt am besten zu...’“ 133 WS2T5: „Schwierig fand ich die Fragen. Das war viel und abstrakt. Den Fragen zu folgen, war etwas zu viel für den ersten Tag.“

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Erprobung des Interventionsprogramms 173

Ausgangssituation in den Teams variiert

In Team 1 wurde vor allem über individuelle Fortschritte in den persönlichen Zielen berichtet. Die Führungskraft stellte in diesem Zusammenhang fest, dass sie seit dem „hohen Impact“ des letz-ten Workshops häufig allein im Büro sei, sich alle Teammitglieder „herausziehen“ würden und unter dem Erfolg der individuellen Projekte (WS3T1: „Private Projekte gehen ab wie eine Rake-te“) der Teamgeist leiden würde. Die Teammitglieder erklärten dies damit, dass sie viel über ihre Prioritäten nachgedacht hätten und sich seit dem letzten Workshop stärker auf ihre individuellen Ziele fokussiert hätten (WS1T3: „Durch den letzten Workshop persönliche Ziele an die Oberflä-che gespült“). Sie hatten jedoch auch ähnliche erste Vorstellungen über die Zukunft des Teams und erstrebenswerte Teamziele. Die Wünsche gingen dahin, den Workshop zu nutzen, dafür Ideen zu entwickeln, Prioritäten zu setzen und erste Maßnahmen in die Richtung der gemein-samen Zukunftsidee festzulegen.

In Team 3 berichteten die Teammitglieder zum Teil über Fortschritte bei ihren persönlichen Zie-len. Für viele hatte die Zwischenzeit in dem Sinne zu einer Klärung beigetragen, dass den Teammitgliedern ihre Aufgaben bewusster und deutlicher geworden waren und Unsicherheiten ausgeräumt wurden. In Bezug auf die gewünschte Zukunft war keine klare Richtung erkennbar. In Zusammenhang mit dem höchstmöglichen Zukunftspotenzial des Teams wurden eher Ände-rungen in Bezug auf konkrete fachliche Themen und Aspekte wie „das Miteinander beibehalten“ geäußert. Dementsprechend waren auch die Wünsche an die beiden Workshoptage sehr hete-rogen. So wurden sowohl Ist-Analysen, die Ideenentwicklung für diverse fachliche Themen, Dis-kussionen der Effizienz der Teamarbeit, die Entwicklung einer gemeinsamen Vision, die Abwä-gung konkreter Ideen zur Reorganisation der Teamarbeit und die konkrete Planung und Umset-zung von Entscheidungen verlangt.

Team 4 hatte entgegen der vorangegangenen Planung in der Zeit zwischen Workshop II und III keine Möglichkeit gehabt, als Team zusammenzuarbeiten. Aufgrund der Einbindung in andere Projekte und bedingt durch Urlaubszeiten waren immer nur einige der Teammitglieder im Unter-nehmen präsent gewesen. Somit hatten lediglich Einzelpersonen an Detailverbesserungen ge-arbeitet. Insgesamt hatte wenig Kommunikation im Team stattgefunden. Die Teammitglieder äußerten sich unzufrieden darüber, nichts von den Vorhaben aus Workshop II umgesetzt zu haben. Lediglich eine Person hatte signifikante Veränderungen vorangetrieben und damit positi-ve Erfahrungen gemacht. Die Bemühungen waren jedoch aufgrund mangelnder Zeitressourcen eingeschlafen. Die Wünsche an den dritten Workshop bestanden vorrangig darin, Verbindlich-keiten zu schaffen und sich auf Maßnahmen zu einigen, die auch tatsächlich umgesetzt würden.

Team 5 zeigte sich insbesondere dadurch beeindruckt, dass sich eine Teilnehmerin in der Zwi-schenzeit entschlossen hatte, das Team zu verlassen. Die betreffende Person war der Meinung, dass dies viel Kommunikation im Team angestoßen habe. Ein anderes Teammitglied äußerte, in der Zwischenzeit eine „bessere und offenere Team-Kommunikation“ wahrgenommen zu haben, was es darauf zurückführte, dass der Umgang vertrauter sei und man mehr übereinander wisse. In ihrer Zukunftsvorstellung und den Erwartungen an den Workshop lagen die Teammitglieder sehr nah beieinander. Sie wünschten sich, Zeit zu haben, die gemeinsame Vision und Zielvor-stellung auszuarbeiten.

Sehr unterschiedliche Reaktionen auf die Hypothesen

Auf die Hypothesen reagierten die Teams unterschiedlich. In den Teams 1, 3 und 5 bewerteten die Teammitglieder viele der Hypothesen als hilfreich, neu oder interessant. Die Teilnehmer stellten einen direkten Bezug zu ihrem Teamalltag fest:

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Erprobung des Interventionsprogramms 174

WS3T3: „Wir schneiden uns ins eigene Fleisch oft. Das waren gute Analysen, weshalb wir nicht vorankommen.“134

In Team 4 dagegen empfand nur die Teamleitung die Hypothesen als interessant und hilfreich für die weitere Arbeit.

In Team 1 entstand kein Bedarf, einzelne Hypothesen im Plenum zu diskutieren. Die Stimmung im Team nach Betrachtung der Hypothesen war optimistisch und zuversichtlich. Die Teammit-glieder äußerten, wesentliche Punkte bereits in den letzten beiden Workshops bzw. im Einzel-coaching identifiziert zu haben. Die Hypothesen bestärkten sie, auf dem richtigen Weg zu sein (WS3T1: „Vieles wird schon angegangen, da haben wir unsere Werkzeuge“). Sie fühlten sich aufgefordert, unabhängig voneinander ihr Verhalten zu überdenken (WS3T1: „Wir sollten die Punkte, für die wir selbst verantwortlich sind, herausfiltern“). Die Führungskraft teilte mit, dass die Gesamtheit der Hypothesen ihr das Gefühl von Entlastung vermittle:

Leitung Team 1: „Entlastend, dass die Dinge so komplex sind. […] Das Bewusstsein, dass es eine schwierige Aufga-be ist, hilft, anders ranzugehen.“

In Team 3 ging jedes der Teammitglieder auf seine Weise mit den Hypothesen um – manche blieben sitzen und ließen sie auf sich wirken, andere gingen herum und verliehen der bei ihnen ausgelösten Resonanz durch die Klebepunkte Ausdruck, einige suchten sich Gesprächspartner und tauschten sich zu den Hypothesen aus, wieder andere blieben still für sich. Die Stimmung wirkte insgesamt eher nachdenklich. In einem gemeinsamen Fazit im Plenum waren manche der Meinung, alle Hypothesen seien wichtig und relevant. Andere fühlten sich besonders durch enger definierte Themen angesprochen. Insgesamt war der Wunsch vorhanden, mit den Hypo-thesen weiterzuarbeiten. In der weiteren Diskussion ergaben sich vier Themencluster, die als „Zukunftsthemen“ definiert wurden. Diese Cluster wurden systematisch nacheinander bearbeitet, wobei die Beraterin jeweils die Moderation übernahm und Ergebnisse am Flipchart visualisierte. Zu jedem Thema wurden Befindlichkeiten und Meinungen aufgenommen und diskutiert, eine Zielrichtung entwickelt und sinnvolle nächste Maßnahmen geplant.

In Team 5 erfolgte eine intensive Diskussion jeder Hypothese, die von mindestens einem Teammitglied einen Klebepunkt erhalten hatte. Das Team ging im Raum umher, stellte sich vor die jeweiligen Plakate und trat in den Dialog miteinander. In dem Zusammenhang fanden viele gegenseitige Feedbackprozesse statt. Das Klima der Diskussion war von ungewohnt hoher Of-fenheit, großer Intensität und Aufmerksamkeit geprägt. In der nachfolgenden Reflexion gaben die Teammitglieder an, Unterschiede zu ihrer Alltagskommunikation bemerkt zu haben (WS3T5: „Das war was Neues für uns als Team“).

Obwohl die Vielfalt an Klebepunkten darauf hindeutete, dass viele der Hypothesen bei Team 4 Resonanz erzeugten, stellten die Teammitglieder keinen Transfer zu ihrer alltäglichen Zusam-menarbeit her. Während der Betrachtung der Hypothesen blieb jeder für sich. Die Einzelnen wirkten eher verunsichert und etwas ratlos und gaben an, die Hypothesen „schwierig“ zu finden. Sie äußerten in der Reflexion, es seien sehr viele Hypothesen und es fiele ihnen schwer, sie zu analysieren und eine Bewertung vorzunehmen. Einzelne hatten die Instruktion, zu prüfen, ob sie sich von irgendeiner Hypothese angeregt fühlten, offenbar in den Auftrag, eine möglichst trenn-scharfe Bewertung vorzunehmen, übersetzt und sich dadurch unter Druck gesetzt:

WS3T4: „Die Hypothesen fand ich schwierig. Sie sind ziemlich ähnlich einige. Ich bin versucht, aufpassen zu müssen, dass ich nicht an widersprüchliche Sachen was ranklebe. Sich zu entscheiden fiel mir schwer. Es hat alles Resonanz erzeugt. Es fiel mir schwer, etwas auszuklammern.“

134 Vgl. WS3T1: „Schlaglichter auf neuralgische Punkte gelenkt.“

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Andere wiederum nahmen unerwartete Interpretationen vor. So wurde zum Beispiel in einer Hypothese die mögliche Funktionalität eines bestimmten Problemmusters angesprochen. Dies deuteten Einzelne im Sinne einer bewussten Entscheidung und disqualifizierten die Hypothese damit (WS3T4: „Das nehme ich nicht wahr, dass wir das mit einer Absicht oder einem Ziel ma-chen“). Lediglich die Teamleitung fand die Hypothesen nützlich, unternahm jedoch keine An-strengung, dies dem Team genauer zu erläutern und wurde von mir dazu auch nicht aufgefor-dert.

Veränderung der Drehbuchnutzung im weiteren Workshop

Der restliche Teil des Workshops verlief bei keinem der Teams in gleicher Weise. Der geplante Ablauf ließ sich nicht immer implementieren. Die unterschiedlich lange und unterschiedlich in-tensive Beschäftigung mit den Hypothesen verlangte jeweils ein angepasstes Zeitmanagement. Außerdem brachten die Teams in Eigeninitiative verschiedene neue Impulse ein, die weiter ver-folgt wurden. So wurden die Elemente des Drehbuchs in den Workshops eher bausteinartig ge-nutzt und an die individuelle Teamsituation angepasst.

Nach der Hypothesendiskussion wurde von Team 1 gemeinsam das Bild zur Zukunftsvision er-stellt. Die einzelnen Elemente des Bildes wurden danach herausgearbeitet und auf Metaplankar-ten festgehalten. In diesem Zusammenhang zogen die Teammitglieder unter anderem als Fazit, dass der gegenwärtige Organisationskontext keine optimalen Bedingungen liefere, um die Zu-kunftsvision angemessen umsetzen zu können. Die Führungskraft eröffnete daraufhin die Opti-on, den Organisationskontext gesammelt als Team zu verlassen und berichtete über ein konkre-tes Angebot in diese Richtung. Sie bat darum, das Forum zu nutzen, um diese Möglichkeit zu diskutieren. Da das Team einverstanden war, wurden die unterschiedlichen Meinungen erörtert und in einem gemeinsamen Forderungskatalog gebündelt. Dieser sollte der Führungskraft als Vorbereitung für ein anstehendes Gespräch dienen. Anschließend wurde wieder auf die allge-meine Zukunftsvision Bezug genommen und die „Kohlköpfe“ und „Schwimmhilfen“ für die Ver-änderung bearbeitet. Die Teammitglieder brachen die Veränderungsnotwendigkeiten dabei alle auf ihren ganz persönlichen Beitrag herunter. Das Loszulassende wie auch die Veränderungshil-fen wurden ausgiebig in alternierenden Tandems diskutiert, bevor der Workshop mit einer Feed-backrunde endete. Am nächsten Morgen wurde der Vortag eine Stunde lang für ein am ersten Tag verhindertes Teammitglied rekapituliert. Anschließend wurden im Brainstorming erste Maß-nahmen für die nächsten 72 Stunden erarbeitet. Da eine dieser Maßnahmen vorsah, sich die Stärken und Schwächen des Teams bewusster zu machen und sich dazu auszutauschen, wur-de anstelle des Austauschs zu den Ressourcen diese Maßnahme direkt umgesetzt (vgl. Tabelle 12). Anschließend wurden der Maßnahmenplan weiter ausgeführt und die Verantwortlichkeiten festgehalten. Im Rahmen dieser Planung trat die bereits diskutierte Option wieder in den Vor-dergrund. Um dem Team zu ermöglichen, sich in die konkrete Situation gedanklich und emotio-nal hineinzuversetzen und dabei das im Workshop Erlebte zu transferieren, wurde zum Ab-schluss die Methode des „Transfers durch die logischen Ebenen“ angewandt (diese ist bei Ha-venith (2006) beschrieben und wird daher nicht ausgeführt).

Von Team 3 wurden die Hypothesen so ausführlich bearbeitet und in Maßnahmen überführt, dass das Visionsbild zunächst aufgrund von Zeitnot ausgelassen wurde. Die Diskussion zu den Hypothesen wurde jedoch im Laufe des Nachmittags immer zäher. Nach einer Pause und einem erforderlichen Raumwechsel rückte im Zusammenhang mit dem letzten Themencluster ein fach-liches Thema in den Vordergrund, wodurch spürbar mehr Lebendigkeit entstand. Anstatt die Teamzukunft zu visualisieren, schlug ich daher vor, die Zukunft eingegrenzt auf die Entwicklung des fachlichen Themas (das bereits in Workshop II mehrmals angeklungen war) zu verbildli-

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Erprobung des Interventionsprogramms 176

chen. Trotz der fortgeschrittenen Zeit entstand schnell ein Bild, aus dem mehrere Elemente her-ausgearbeitet wurden. Daraufhin wurde der Workshoptag mit einem Feedback beendet. In der Morgenrunde äußerten viele der Teilnehmer das Bedürfnis, die fachliche Vision weiter voranzu-treiben. Ich spiegelte meinen Eindruck zurück, dass vor allem Energie für dieses Thema vor-handen zu sein schiene, und wies darauf hin, dass die Diskussion über die Zusammenarbeit im Team dann auf diesen Bereich eingeschränkt bliebe. Da alle mit diesem Kurswechsel einver-standen waren, wurde die „Reise in die Zukunft des Teams“ dazu genutzt, Elemente der Vision zu konkretisieren. Vier Kleingruppen erhielten den Auftrag, Ideen zu jeweils einem Teil der Visi-on zu entwickeln und ihre Ergebnisse lebendig aufzubereiten. Nach der Präsentation der Grup-penergebnisse wurde im Plenum ein Maßnahmenplan für die nächsten 72 Stunden und vier Wochen aufgestellt. In diesen wurden ebenfalls die bereits am Vortag festgelegten Aufgaben eingearbeitet. Um die Maßnahmen sofort terminieren und mit Verantwortlichkeiten hinterlegen zu können, erklärten sich die Teilnehmer bereit, das vorgesehene Workshopende eine halbe Stunde nach hinten zu legen.

Tabelle 12: Spontane Interventionen im Rahmen von Workshop III

BEOBACHTUNG INTERVENTION

Der Workshop beginnt statt morgens am Nachmittag nach einem halben Arbeitstag.

Anleitung der Teilnehmer, zum Einstieg im Raum herum zu gehen und sich die Fähigkeiten und positiven Eigenschaften jedes Kollegen vor Augen zu rufen, ihn dann per Handschlag zu begrüßen und sich dabei in die Augen zu schauen.

Zwei Teammitglieder fehlen am ersten Tag. Vor der Runde zu „Gestern, morgen, heute“ Blitzlicht zu den Phantasien, warum zwei Stühle leer geblieben sind.

Ein Teammitglied, das am ersten Tag fehlte, ist am zwei-ten anwesend. / Ein Teammitglied fehlt am ersten Nach-mittag.

Nach der Morgenrunde/Mittagspause Durchführung einer Briefing-Session, in der das Team für den Teilnehmer den gestrigen Tag rekapituliert. Der Teilnehmer wird gebeten, die bisherigen Ergebnisse bei wichtigen Punkten der Diskussion mit eigenen Kommentaren und Beiträgen zu ergänzen.

Bei der Bewertung der Hypothesen tritt durch die Anlei-tung, auf „Resonanz“ zu achten, Verunsicherung auf. Die Teilnehmer fragen mehrmals nach, wie sie zustimmende und ablehnende Resonanz auseinanderhalten können.

Es werden blaue Punkte für ablehnende Resonanz (Ärger, Empörung) und rote Punkte für zustimmende Resonanz vergeben. In der Reflexion zeigte sich jedoch, dass die Teil-nehmer damit nicht zurechtkamen und in der Regel blaue und rote Punkte zugleich an Hypothesen klebten, teilweise sogar von ein und der selben Person ein blauer und ein roter Punkt an eine Hypothese geklebt wurden.

Die Teamleitung gerät bei der Diskussion der Hypothe-sen durch sehr direktes Feedback „unter Beschuss“. Das Team steht der Führungskraft auch räumlich gegenüber.

Stärkung der Führungskraft durch räumliche Nähe (seitlich in den Rücken stellen). Fragen an die Führungskraft, die ihr Zeit verschaffen, das Gehörte zu verarbeiten.

Während am Abend des ersten Workshoptags eine hohe Anregung, Gestaltungswille, sowie eine positive und of-fene Atmosphäre zu verspüren sind, herrscht am Morgen bei der Frage nach konkreten nächsten kleinen Schritten in Richtung der gemeinsamen Zukunftsvision (und somit eigenen Beiträgen dazu) eine gänzlich entgegensetzte Dynamik mit Gefühlen von Ohnmacht und Äußerungen wie „Wir können nichts beeinflussen“, „Das ist abhängig von Entscheidungen anderer“. Bei der Diskussion der Kohlköpfe („Was muss ich loslassen…?“) sind alle sehr zögerlich. Die Führungskraft entzieht sich der Diskussion und sagt, ihr fiele dazu gar nichts ein.

Frage an die Führungskraft: „Willst Du es wirklich wirklich wirklich – diesem (Teamzukunfts-)Bild näher zu kommen?“ (Antwort ausweichend mit „größtenteils ja“). Zurückspiegeln meiner Wahrnehmung der Zögerlichkeit, Passivität und Ohnmacht im Team und des Gegensatzes zur gestrigen Diskussion der Hypothesen. Frage ans Team „Was ist los? Wie erlebt ihr das gerade?“. Diskussion unter Einbeziehung aller Teammitglieder. Herausstellen und Doppeln der Ansicht der Führungskraft, dass sich nichts ändern müsse, um den anderen Teammitgliedern eine Chance zu geben, andere Meinungen dazu zu äußern.

Die Teamleitung äußert den Wunsch, zukünftig an den Hypothesen weiter zu arbeiten.

Zusätzlich zum Fotoprotokoll Mitliefern eines Ausdrucks der Hypothesen. Weiterführender Telefontermin mit der Füh-rungskraft.

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Erprobung des Interventionsprogramms 177

BEOBACHTUNG INTERVENTION

In der Mittagspause am 2. Workshoptag wartet eines der Teammitglieder auf mich und drückt seine Besorgnis aus, dass die Aspekte, die das Miteinander betreffen und die in den Hypothesen diskutiert wurden, von der Führungs-kraft nicht gesehen werden wollen („Da will er nicht ran“). Klage darüber, dass das Team bereits über Feedbacks etc. versucht hätte, ein Bewusstsein auszulösen, dass eine Änderung gewünscht wird, dass diese aber bislang ignoriert würden.

Hinweis, dass diese Sichtweise wichtig ist, dass sie jedoch untergehen wird, wenn sie keinen Weg in die Teamdiskussi-on findet. Bitte, sie in die Diskussion am Nachmittag einzu-bringen. Um dafür Raum zu geben, Aufforderung am Nach-mittag, die Hypothesen noch mal durchzugehen und das Zukunftsbild dahingehend zu ergänzen, dass die Aspekte, die aus der gestrigen Diskussion wichtig sind, auch ihren Platz finden.

Beim Visualisieren der Teamvision übernehmen Einzelne stark die Steuerung. Andere Teammitglieder halten sich daraufhin zurück und steigen aus der Diskussion aus.

Nach Fertigstellung des Bilds Frage an jeden Einzelnen: „Wie zufrieden bist Du mit Eurem gemeinsamen Ergebnis? Wie sehr kannst Du Dich mit dieser Vision identifizieren?“ Verdeutlichung der Situation, dass die Hälfte der Anwesen-den aus dem Prozess „ausgestiegen“ ist. Frage „Wie konnte es dazu kommen?“ Gemeinsame schrittweise Rekapitulation des Prozesses und Identifikation konkreter Verhaltenswei-sen, die dazu beitrugen. Frage: „Wie gelingt es / kann es gelingen, dass sich dies im Teamalltag nicht wiederholt?“ mit Visualisierung der Ergebnisse am Flipchart.

Auf dem Maßnahmenplan taucht der Wunsch auf, Stär-ken und auch Schwächen im Team zu diskutieren und am Workshopnachmittag ist noch Zeit dafür.

Kartenabfrage, in der jede Person aus ihrer Selbstwahrneh-mung heraus jeweils 3 Stärken/ 3 Schwächen/ ihren Nutzen vom und Beitrag zum Team formuliert. Vorstellung des Joha-ri-Fensters. Reihum stellt jeder unkommentiert eine Karte vor. Vom Team Feedback zu den Karten unter der Leitfrage: „Was davon nehme ich ähnlich wahr, was anders?“ und Ein-sortierung im Johari-Fenster auf Flipchart. Anschließend Erarbeitung der Stärken und Schwächen des Teams.

Nach der Reflexion, in der die Reaktion der Teammitglieder auf die Hypothesen im Vordergrund stand, wurde Team 4 aufgefordert, sich von den Hypothesen inspirieren zu lassen und wesentli-che Themen zu benennen, die im Verlauf des weiteren Workshops eine Rolle spielen sollten. Die einzelnen Themen wurden jeweils so weit vertieft, dass ihr Umfang deutlich wurde und mit Stichworten am Flipchart festgehalten. Nach der Mittagspause wurde das Bild der Teamvision begonnen. Ich beobachtete, dass sich die Zusammenarbeit dabei schwierig gestaltete und letzt-lich nur zwei von vier der zu diesem Prozessschritt anwesenden Teammitglieder in den Prozess integriert waren. Daraufhin forderte ich das Team zur Metakommunikation über den Teampro-zess beim Bildmalen auf (vgl. Tabelle 12). Anschließend wurde ein bestehendes „Erfolgsrezept“ der Zusammenarbeit im Team herausgearbeitet. Dieses wurde sogleich angewendet, indem die Vision nicht im Plenum, sondern in 2er-Teams via „Reise in die Zukunft des Teams“ weiter kon-kretisiert wurde. Die Ergebnisse aus beiden Teams wurden im Anschluss am Flipchart fest-gehalten.

Da ein Teammitglied am ersten Nachmittag fehlte, startete das Team am nächsten Tag nach der Morgenrunde mit einem Briefing über die Vision und die einzelnen Aspekte. Der Teilnehmer konnte sich in den Gedanken der anderen gut wiederfinden. Es folgte die Skalierung, bei der die Teilnehmer sich im Raum auf Zahlen positionierten, die die gefühlte Entfernung zur Vision wi-derspiegelten. Anschließend wurden die Ressourcen, die geholfen hatten, vom Ausgangspunkt auf diese Zahl zu gelangen, herausgearbeitet und der nächste wichtige Schritt, um einen Fort-schritt zu machen, festgehalten. Danach arbeiteten die Teilnehmer jeweils in Einzelarbeit zwei gut umsetzbare und motivierende Schritte (für die nächsten 72 Stunden und die nächsten 14 Tage) aus, zu denen sie sich bereit erklärten. Diese wurden im Maßnahmenplan gebündelt. Der Plan wurde daraufhin weiter vervollständigt und es wurden verbindliche Beschlüsse getroffen. Abschließend gaben sich die Teammitglieder über die „Ressourcen-Karten“ ein Feedback. Sie

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Erprobung des Interventionsprogramms 178

benannten diejenigen Ressourcen ihrer Kollegen, die sie positiv stimmten, den Maßnahmenplan in die Tat umsetzen zu können.

In Team 5 war die Zeitaufteilung für den Workshop aufgrund betrieblicher Erfordernisse so modi-fiziert, dass zunächst ein Nachmittag und anschließend ein ganzer Tag zur Verfügung standen. Nach der Diskussion über die Hypothesen wurde noch am ersten Tag das Teambild zur Zu-kunftsvision erstellt und die Vision durch die „Reise in die Zukunft des Teams“ konkretisiert. An-statt zwei Kleingruppen zu bilden, zogen es die Teammitglieder vor, an der letzten Aufgabe ge-meinsam im Plenum zu arbeiten. Die konkretisierte Vision wurde mittels Metaplankarten visuali-siert. Nach dem Herausarbeiten der Elemente des Bilds wurde der erste Tag mit einer Feed-backrunde beendet. Der zweite Tag begann mit der Suche nach ersten kleinen Schritten in Rich-tung der Zukunftsvision und der Diskussion der Kohlköpfe und Schwimmhilfen. Diese Diskussion verlief sehr zäh, weshalb eine Diskussion des Teamprozesses auf der Metaebene angestoßen wurde (vgl. Tabelle 12). Danach wurde eine lange Mittagspause eingelegt, da zwei Teammit-glieder einen Termin wahrnehmen mussten. Nach der Pause wurde der gegenseitige Austausch zu den Ressourcen angeleitet. Dieser wurde von den Teammitgliedern sehr positiv aufgenom-men und sorgte für eine positive und konstruktive Stimmung im Team. Gemeinsam wurde an-schließend ein Maßnahmenplan für die nächsten 72 Stunden und 14 Tage erarbeitet.

Eine Variation zum Konzept, die regelmäßig von den Teilnehmern vorgenommen wurde, betraf den Umgang mit den vorhergesehenen Momenten der Stille. Die Stillepunkte wurden in den insgesamt acht Workshoptagen nur in einem Team einmal von einer Teilnehmerin genutzt. In diesem Fall wurde der Punkt von ihr eingesetzt, um in einer Debatte einen Moment der Besin-nung zu schaffen.

Hohe Zufriedenheit mit den Ergebnissen

Der Workshop schloss bei allen Teams mit einer gemeinsamen Prozessreflexion. Die große Mehrzahl der Teilnehmer äußerte sich sehr positiv über den Workshop. Alle Teams zeigten sich zufrieden mit der Atmosphäre, Kommunikation und Zusammenarbeit im Workshop:

WS3T5: „Ich fand wir waren gestern und heute ziemlich konstruktiv und konkret.“135

Manche führten dies auch auf die Moderation zurück. Besonders in Team 3 und Team 4 gefiel auch die Struktur bzw. der geplante Ablauf des Workshops:

WS3T4: „Gefallen hat mir, dass wir einen logisch zwingenden Verlauf hatten. Wir haben angefangen mit Problem-punkten. Dann eine Problembehandlung durch die Hypothesen. Dann ein Optimum definiert, Ziel gesetzt, das erst mal quasi unerreichbar schien. Und dann versucht, das in kleinen Schritten und dann immer größeren, zusammen im Team überlegt, wie man aus dem Startzustand den Endzustand erreicht, in kleinen bewältigbaren Schritten.“

In Team 1 fand die Offenheit und Flexibilität des Workshops, die sich darin äußerte, das konkre-te Thema aufgreifen zu können, besonderen Anklang. Während die Teilnehmer von Team 3 die „Durststrecke“ am ersten Tag nach der Mittagspause kritisierten (WS3T3: „Die Stimmung war nach dem Mittag mies, ich weiß nicht, woran es lag“),136 waren sie sehr zufrieden mit der Lö-sung, sich auf das Thema mit der meisten Energie zu konzentrieren:

WS3T3: „Ich habe den Eindruck, dass wir heute und gestern nach dem Umzug bei einem Thema angelangt sind, das uns anregt und das uns am Herzen liegt.“137

135 Vgl. WS3T4: „Ich habe die Kommunikation innerhalb des Teams als sehr angenehm empfunden, es wurde sehr viel miteinander gesprochen.“ 136 Vgl. WS3T3: „Nach dem Mittag hatte ich das Gefühl, dass wir ein bisschen angeschoben werden mussten.“ 137 Vgl. WS3T3: „Gut, dass wir zu dem wieder hingefunden haben, wo wir beim letzten Mal aufgehört haben, hin zum Problem“ und WS3T3: „Das Thema heute war toll. Zu überlegen, wie wäre es schön und was würde man sich wünschen“.

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Erprobung des Interventionsprogramms 179

Auf die Frage, ob und welche Veränderungen wahrgenommen würden, antworteten Teammit-glieder in allen Teams, dass sie das Zukunftspotenzial des Teams bewusster wahrnähmen:

WS3T1: „Hat mir auch bewusst gemacht, wie gut das Team ist. Und wie toll die Menschen darin sind. Und wie schön es wäre, wenn wir einen Kontext haben, in dem das aufblüht und in dem ich gerne abends lange hier bleibe.“138

Konkrete Zukunftsideen und Maßnahmen entwickelt

Alle Teams zeigten sich in der Abschlussrunde begeistert von den gemeinsam entwickelten Zu-kunftsideen:

WS3T4: „Das sind Überpunkte, mit denen ich mich identifizieren kann. Ich finde die Sachen gut, die wir erarbeitet haben.“139

Auch hoben viele Teilnehmer in allen Teams den Konkretisierungsgrad positiv hervor:

WS3T3: „Wir haben für die Ideen Konzepte entwickelt, Punkte, wo wir konkreter loslegen können. Das finde ich gut.“140

Sie waren zufrieden, zu detaillierten Maßnahmenplänen mit klaren Verantwortlichkeiten gelangt zu sein und die Ergebnisse ihrer Arbeit dokumentiert zu finden. Sie meldeten zurück, dass die nächsten Schritte nun klar seien und sie wüssten, wie sich der weitere Weg gestalten würde:

WS3T5: „Toll, dass wir das in den Steps erarbeitet haben. Und es ist schön, das auch angehen zu können.“141

Einige wenige Teilnehmer äußerten Zweifel oder Befürchtungen im Hinblick auf die Umsetzung des Maßnahmenplans. Während diese für zwei Personen vor allem mit der Vielzahl der geplan-ten Aktivitäten zusammenhingen (WS3T3: „Ein bisschen Angst habe ich vor dem Maßnahmen-plan“), ging die Sorge einer weiteren Person eher um die „Umgebung“ und Rahmenbedingun-gen, die sich ändern könnten.

Individuelle Präferenzen für bestimmte Methoden oder Interventionen

Viele Teilnehmer fanden Gefallen an konkreten Methoden und hoben diese positiv hervor. Dabei zeigten sich auch Teampräferenzen im Sinne sehr positiver Rückmeldungen zu den Hypothesen in Team 3 und den Ressourcenkarten in Team 4 und 5. In Team 4 und Team 5 äußerten einige Teilnehmer auch Kritik an konkreten Methoden, wie etwa Schwierigkeiten mit dem Bild und den Hypothesen in Team 4 oder den „Kohlköpfen“ und der Skalierungsaufgabe in Team 5. Eine gänzlich andere Ausrichtung der Beratung mit mehr „Input“ wünschten sich ein Teilnehmer in Team 4 und eine Person aus Team 5 (WS3FBT5B4: „externen Input erhöhen (Beratungsan-teil)“). Eine Person entgegnete daraufhin, dass es ihr gefallen habe, die Lösungen selbst zu ent-wickeln:

WS3T4: „Gut fand ich: […] Du hast uns nichts vorgegeben. Wir haben das selbst erarbeitet. Es ist ein Ergebnis von uns und nicht von Dir.“

Außerdem wurden individuelle Präferenzen zur Zeiteinteilung, die im Workshop keine Berück-sichtigung fanden, kritisiert.142 In Team 5 hatte eine Person den Eindruck, dass zu viele inhaltli-

138 Vgl. WS3T4: „Ich habe ein besseres Gefühl für die Zukunft, bin zuversichtlich“, WS3T5: „Ich muss ehrlich sagen, wenn wir von den 40 Sachen, die wir aufgeschrieben haben, nur zehn realisieren, sind wir einen Riesenschritt vorangekommen. Selbst die zehn schlechtesten wären schon ein großer Fortschritt“ und WS3T3: „Ich finde es sehr spannend, kann mir gut vorstellen, dass es gut sein kann, auch für die Mitarbeiter“. 139 Vgl. WS3T3: „Toll, dass wir eine Vision hinbekommen haben“, WS3T5: „Wir haben einige frische Ideen bekommen, was man machen kann und wieder anders machen kann“ und WS3T1: „Beeindruckend, wie viel wir gemacht haben, viel Kreativität und Ziel-führung.“ 140 Vgl. WS3T1: „Schön, dass es so konkret wurde“, WS3T4: „Gefallen hat mir, dass viele konkrete Maßnahmen herausgekommen sind“ und WS3T5: „Es ist ein gewisser Konkretheitsgrad. Da kann ich was mit anfangen“. 141 Vgl. WS3T3: „Gute Perspektive: Es ist ein Weg da, was da passieren wird. Und wir haben im Team die Aufgaben verteilt, was steht da jetzt an.“ 142 Z.B. WS3FBT1B3: „Noch mehr Zeit“, WS3FBT5B2: „weniger Zeit“, WS3T4: „Ich bin der Meinung, man hätte es ein bisschen

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che Wiederholungen auftraten. Eine weitere Person in diesem Team nannte als Wunsch ein persönliches Feedback von der Beraterin:

WS3T5: „Ich finde es sehr nett, dass wir Feedback bekommen haben, mit dem wir arbeiten können. Ich hätte mir das auch für mich gewünscht. So Hypothesen mit individuellem Zuschnitt. Manche sind in sehr zugespitzter Form. Das wäre gut, eine Sichtweise auf sich zu erhalten, die einem im Gespräch keiner sagt. Das verbal rüberzubringen ist richtig schwer. Wenn man dann so ein Blatt bekommt, das wäre hilfreich.“

Mehr Nähe in einigen Teams

In den Teams 1, 4 und 5 hatten die Teilnehmer den Eindruck, dass durch den Workshop mehr Nähe im Team entstanden sei:

WS3T4: „Wir sind vertrauter miteinander. Ich denke, dann kann man auch besser zusammenarbeiten. Denn das müs-sen wir auch.“143

Dies ging einher mit mehr Wissen über die Vorstellungen der anderen Teammitglieder und mit dem Gefühl, die anderen besser zu kennen:

WS3T1: „Viel gelernt über die anderen und über die Ziele der anderen.“144

Teilweise Veränderungen in der Teamkommunikation wahrgenommen

In Team 1 und Team 5 wurde über Änderungen in der Kommunikation des Teams berichtet:

WS3T5: „Da war eine Offenheit, wenn wir diskutiert haben darüber, was man gesagt hat […] Das war deutlich persön-licher zum Beispiel.“145

Unterschiedliche Bewertungen in Team 4

In Team 4 waren drei Personen der Meinung, mehr Zuversicht und Aufbruchsstimmung zu ver-spüren:

WS3T4: „Mehr Aufbruchsstimmung da als die letzten Male. Dadurch, dass wir so Termine da stehen haben.“146

Die übrigen beiden Teammitglieder waren dagegen der Meinung, im dritten Workshop habe sich im Gegensatz zu den anderen beiden Workshops nichts oder nur wenig verändert:

WS3T4: „Die ganz großen Erkenntnisse im Vergleich zu den ersten beiden Malen hat es nicht gegeben.“

Auswirkungen auf das individuelle Selbstmanagement noch nicht abzusehen

Einzelne in den Teams 1, 3 und 5 berichteten über im Workshop gewonnene Anregungen:

WS3T3: „Für das, was latent war, und wo ich mich gefragt habe, ‚Was müsste ich anders machen?’, habe ich Ideen gewonnen.“147

Die Frage nach den Auswirkungen auf das eigene Selbstmanagement war für viele Teilnehmer schwer zu beantworten. Die Mehrheit war der Meinung, die Auswirkungen seien noch nicht ab-zusehen. Einige führten dies auf einen mittelbaren Einfluss zurück:

verkürzen können“ und WS3T5: „Mehr Zeit bzw. Pausen zwischen den einzelnen Themen“. 143 Vgl. WS3T5: „Ich finde gut, dass wir da ein Stück weit dadurch näher gekommen sind und uns mehr kennen gelernt haben“ und WS3T1: „Ich fand den Tag gut, weil man doch mehr miteinander redet […]. Verändert hat sich, dass man sich schon näher kommt“. 144 Vgl. WS3T4: „Wir haben ähnliche Probleme identifiziert und auch ähnliche oder gleiche Lösungen. Das heißt, wir können uns vorstellen, das so auf die gleiche Art zu lösen“ und WS3T5: „Ich glaube schon, dass sich etwas verändert hat im Team und auch bei mir. Ein näheres Kennenlernen der anderen, dadurch, dass man die Gedanken und Gefühle von anderen hört“. 145 WS3T1: „Ich habe das Team anders wahrgenommen. Dass die Einzelnen mehr ihre eigenen Interessen formulieren und klarer ihre Meinung sagen. Das ist kompliziert, aber gut. Die Teamgespräche sind fruchtbarer als vor den ganzen Workshops. Das war eher diktatorisch früher.“ 146 Vgl. WS3T4: „Bei mir hat sich verändert: Ich bin guter Dinge durch den letzten Maßnahmenkatalog, den wir zusammengestellt haben. Die Chance, dass es wirklich verwirklicht wird, ist hoch“ und „Ich habe ein besseres Gefühl für die Zukunft, bin zuversichtlich, habe den Eindruck, dass meine Unzufriedenheit besser geworden ist“. 147 Vgl. WS3T1: „Die Deadlines zwingen dazu, über manche Dinge nachzudenken“ und WS3T3: „Für mein Selbstmanagement bin ich bemüht, zu überlegen, ‚was bedeuten die Hypothesen für mich?’ Ich denke das ist hilfreich“.

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WS3T5: „Die Maßnahmen werden uns einen ganzen Schritt nach vorne bringen, auch in der Außenwirkung des Teams. Und das würde dann auch eine ganze Menge Auswirkungen haben auf unsere Arbeitsorganisation und unser Selbstmanagement.“

Während viele Teilnehmer den Eindruck hatten, der dritte Workshop bleibe ohne Auswirkungen für das eigene Selbstmanagement,148 sahen einzelne Personen Auswirkungen auf ihr zukünfti-ges Selbstmanagement bedingt durch eine Veränderung des Rollenbilds149 oder das Erreichen der angestrebten Rahmenbedingungen:

WS3T3: „Wenn die Bewohner verlässliche Strukturen haben und die Mitarbeiter auch, dann müsste es schon mit dem Teufel zugehen, wenn sich das auf mich nicht auch auswirken würde.“150

Einzelne Telinehmer fühlten sich in ihrem Arbeitshandeln - insbesondere durch das Feedback zu ihren Ressourcen - individuell bestärkt.151

9.2.5 Evaluationsinterview

Die Evaluationsinterviews begannen circa einen Monat nach Abschluss des dritten Workshops. Die Durchführung erfolgte am Arbeitsort der Teilnehmer. Die Gespräche dauerten jeweils circa 1,5 Stunden. Zwei Evaluationsinterviews fielen am Tag der Durchführung krankheits- bzw. ar-beitsbedingt aus und wurden telefonisch nachgeholt. In manchen Teams erstreckte sich der Durchführungszeitraum aufgrund von Terminschwierigkeiten auf bis zu fünf Wochen. Somit lie-gen zwischen den Einschätzungen der Teammitglieder Intervalle von bis zu über einem Monat. In diesen war zum Teil viel vorgefallen. Zum Beispiel war Team 5 in der Zwischenzeit im Zuge einer Reorganisation aufgelöst worden. Am Tag der Durchführung der ersten beiden Interviews dieser Gruppe hatten die Teammitglieder dies gerade erfahren. Somit ist bei der Auswertung der Interviews immer die aktuelle Teamsituation zum Zeitpunkt der Gespräche zu berücksichtigen.

Während die Evaluationen für Team 1 und Team 5 selbst durchgeführt wurden, konnte für die Evaluation von Team 3 und 4 eine externe Evaluatorin gewonnen werden. Somit wurden 11 Interviews von mir selbst durchgeführt und 13 Interviews in Fremdevaluation. Über eine gemein-same Vorbereitung und Besprechung des Leitfadens wurde sichergestellt, dass die Evaluations-inhalte die gleichen waren. Die summative Evaluation über einen Teil der Daten findet sich bei Nöh (2010). Auffällig im Rahmen der Durchführung war, dass vier der acht Teammitglieder von Team 3 im Gespräch mit der externen Evaluatorin den Wunsch nach einem abschließenden Termin mit mir äußerten. Dies deutet darauf hin, dass der gemeinsamen Rückschau auf den Beratungsprozess auch die Funktion zukommt, die Arbeitsbeziehung zwischen Beraterin und Teilnehmern angemessen zu beenden.

148 Z.B. WS3T1: „Auf die Art und Weise, wie ich Selbstmanagement betreibe, hatte das keinen so starken Einfluss. Das war bei dem anderen Workshop anders. Da ging es auch stärker um uns als Individuum.“ 149 Z.B. WS3T3: „So eine veränderte Wohnstruktur, da wird man noch mehr zum Manager, zum Ressourcenmanager. Ressourcen, die man dann verteilen muss.“ 150 Vgl. WS3T4: „Ich habe den Eindruck, dass ich mir klarer bin, was ansteht. Also die Frage ‚Was machen wir nächste Woche?’, die stellt sich nicht.“ 151 Z.B. WS3T5: „Und ich habe einen Verstärker bekommen, dass man durchaus so arbeiten kann, wie ich arbeite.“

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Weitere Ergebnisse der formativen Evaluation 182

10 Weitere Ergebnisse der formativen Evaluation

Um dem Leser ein umfassendes Bild über die Reaktionen der Teilnehmer im Projektverlauf zu ermöglichen und Faktoren, die sich als relevant für die Prozessqualität erwiesen, aufzuzeigen, werden die Erfahrungen im Rahmen der Teamakquise und Durchführung sowie die Workshop-protokolle analysiert. So wird erstens auf die Akzeptanz, auf die das Programm im Rahmen der Durchführung gestoßen ist, geschlossen. Zweitens werden Hindernisse für die Umsetzung unter den Bedingungen der Praxis berichtet. Drittens werden die bisher dargestellten spontanen Re-aktionen der Teilnehmer auf die Maßnahme durch eine Auswertung der Fragebögen zur Pro-zessqualität ergänzt.

10.1 Akzeptanz des Programms

10.1.1 Akzeptanz des Programms bei Erstkontakt

Die Erfahrungen im Verlauf der Teamakquise lassen Rückschlüsse darauf zu, für welche Art von Teams das Programm (nicht) in Frage kommt. Als häufigster Grund, das Programm nach ersten schriftlichen Informationen nicht in Erwägung zu ziehen, wurde der Zeitaufwand genannt. Fünf Tage pro Teammitglied in einen Prozess zu investieren, der auf „weiche Themen“ abzielt, er-schien vielen Unternehmen als zu hoher Preis. Nicht auszuschließen ist auch, dass der Hinweis auf den Pilot- und Forschungscharakter des Programms einen Einfluss auf die Absagen hatte. Einige Absagen erfolgten, da gerade mit Nachdruck übergeordnete Projekte verfolgt wurden. Wenn beispielsweise eine Fusion, eine Reorganisation oder eine SAP-Einführung viel Kapazität banden, hatten die Verantwortlichen die Befürchtung, dass die Mitarbeiter gerade für ein weite-res Projekt „nicht den Kopf frei“ hätten. Teamleiter und Personalentwicklungsverantwortliche speziell aus Unternehmensberatungen und bei IT-Dienstleistern zeigten sich sehr interessiert an dem Projekt. Sie sahen es jedoch aufgrund der Leistungserbringung beim Kunden als unrealis-tisch an, in Zeiten guter Auftragslage Termine zu finden, an denen das gesamte Team an der Maßnahme teilnehmen könnte. Keines der Unternehmen gab als Grund an, dass es an Teams mit dem gesuchten Profil (vgl. 5.2) mangele. Des Öfteren wurden Nachfragen zu diesem Punkt geklärt, die darauf schließen ließen, dass solche Teams in der heutigen Unternehmensland-schaft recht verbreitet sind.

Aufschlussreich sind die Gründe der drei Teams, die sich im Anschluss an ein ausführliches Vorgespräch gegen die Teilnahme am Programm entschieden. Hier erfolgte jeweils eine Nach-besprechung mit einer Person aus dem Team, um die Beweggründe für die Entscheidung zu erfahren. Für ein ehrenamtliches Beratungsteam war in Bezug auf die Absage das Gefühl aus-schlaggebend, dass die eigenen individuellen Ziele in der Arbeit bereits sehr gut erreicht wür-den. Da jedes Teammitglied sich im Rahmen seines ehrenamtlichen Engagements nur so weit einbrachte, wie es von der Arbeit profitierte, entfiel der herkömmliche Konflikt zwischen Team-zielen und persönlichen Zielen. Entsprechend war für manche im Team der Fokus auf den Ein-zelnen und die persönliche Weiterentwicklung nicht von Interesse.

Bei einem weiteren Team erfolgte zunächst ein Vorgespräch mit der Geschäftsführung. Diese äußerte in Bezug auf das Team (welches an einem anderen Standort arbeitete), dass sie dort starke Konflikte vermutete und sich nicht sicher sei, ob die Maßnahme in diesem Fall ange-bracht sei. Sie dachte auch, dass die Einstellung des Teams allein dadurch kritisch sein würde,

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Weitere Ergebnisse der formativen Evaluation 183

dass der Kontakt über die Geschäftsführung hergestellt werde. Sie wollte die Entscheidung über eine Teilnahme jedoch dem Team überlassen. Im Team herrschte im Vorgespräch eine sehr angespannte Stimmung. Die Teammitglieder äußerten sich nur sehr zögerlich. Auf die allgemei-ne Frage, was sie unter Selbstmanagement verstünden, wurden vor allem Teamthemen ge-nannt. Es war in diesem Zusammenhang die Rede vom Umgang mit Konflikten. Auch die „Ver-meidung von Mobbing“ wurde erwähnt. Im weiteren Gespräch stellte das Team viele Fragen insbesondere zum Vorgehen bei der Dokumentation und Veröffentlichung der Dissertation. Bei der Ankündigung, dass die Einzelcoachings und Evaluationsinterviews auf Tonband aufgenom-men würden, verriet die Mimik der Teammitglieder Unbehagen. Insgesamt wurde deutlich, dass im Team große Befürchtungen vor der Weitergabe von Informationen an Dritte – insbesondere innerhalb des Unternehmens, zum Beispiel die Geschäftsführung – bestanden. Auch die Mittei-lung, dass die Daten anonymisiert würden und an die Geschäftsführung nur vom Team abge-segnete Informationen zurückgemeldet würden, brachte keine sichtliche Beruhigung. Die Absa-ge dieses Teams (mit der Begründung, das Team sei in Zeitnot und nicht überzeugt, dass der Nutzen den Aufwand übersteige) verwunderte nicht.

Ein weiteres Team, das nur aus drei Personen bestand, stellte in der Diskussion um eine Teil-nahme fest, dass es mit der aktuellen Teamsituation zufrieden war. Das Team sei klein und je-der „bekomme vom anderen etwas mit“. Insofern wurde kein Bedarf für eine „Auszeit“ mit weite-rem Austausch im Team gesehen. Der Zeitaufwand erschien vor dem Hintergrund der Team-größe als zu hoch. Da sich viele Projekte verdichteten, erschien auch das Timing nicht günstig für einen solchen Prozess. Zudem war eine der drei Personen dem Projekt gegenüber skeptisch eingestellt, da sie sich nicht vorstellen konnte, wie ein Teamworkshop abläuft.

Auch die Fragen, die im Rahmen anderer Vorgespräche gestellt wurden, deuten darauf hin, dass vor allem technisch und betriebswirtschaftlich orientierte Zielgruppen von prozessorientier-ten Ansätzen kein Bild haben. Ihre Erfahrungen beschränken sich auf Trainings zur Vermittlung klar definierter Inhalte, Beratung als Analysen und Ratschläge von Experten. Welche Erfahrun-gen im Rahmen einer Prozessbegleitung gemacht werden können, war für mich verbal schwer zu transportieren an Personen, die eine ähnliche Erfahrung noch nicht gemacht hatten. Die meisten Teammitglieder gaben trotz Erläuterungen und Beispielen an, keine klare Vorstellung zu haben, „worauf wir uns da einlassen“. Team 6 äußerte sich trotz fehlender Bilder sehr ablehnend gegenüber – wie sie es formulierten – „Wolkenschieberei“ und „Überfachlichem“ im Allgemeinen (nahm jedoch trotz dieser Vorbehalte am ersten Workshop teil). Die Vorstellung, sich mit einer Psychologin auf etwas so „wenig Handfestes“ einzulassen, weckt Befürchtungen. Die Führungs-kraft von Team 2 brachte dies im Vorgespräch folgendermaßen auf den Punkt:

„Es darf nicht zu spirituell und abgehoben werden, sonst wird es schwierig, die bei der Stange zu halten. Da haben die keinen Bock drauf.“

Die Anschlussfähigkeit des Programms ist somit bei technisch orientierten Zielgruppen zunächst fraglich. Sehr positive Rückmeldungen kamen dagegen von den beiden Teams aus dem sozia-len Bereich, mit denen Vorgespräche geführt wurden. Die Gesprächspartner vermittelten durch ihre Rückfragen und Äußerungen während und nach dem Vorgespräch den Eindruck, eine klare Vorstellung von Konzept und Ablauf gewonnen zu haben. Diese wurde ihnen sicherlich auch dadurch erleichtert, dass sie bereits über Erfahrungen mit Prozessbegleitung verfügten. Die bei-den Teams äußerten eine hohe Aufgeschlossenheit für das Vorgehen. Bedenken um einen möglicherweise zu hohen Aufwand oder zu geringen Nutzen wurden hier im Gegensatz zu den übrigen Teams nicht laut.

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Weitere Ergebnisse der formativen Evaluation 184

10.1.2 Akzeptanz im Verlauf der Projekte: Drop-out- Analyse

Auch der Grad der Mitwirkung der Programmteilnehmer bzw. die Ausfallquoten im Verlauf der Projekte lassen Rückschlüsse auf die Akzeptanz einer Maßnahme zu. Daher erfolgt eine Analy-se der Drop-outs und der Gründe für den Ausstieg aus dem Programm. Von den 41 Teilneh-mern in sechs Teams bei Projektbeginn (Zeitpunkt erster Workshop) absolvierten 24 Personen aus vier Teams das gesamte Programm. Die Abbruchquote beträgt somit 41%. 70% dieser Aus-fälle waren dadurch bedingt, dass zwei Teams aus dem Programm ausstiegen. Die Ausfälle im Projektverlauf verteilen sich wie folgt auf die jeweiligen Teams (vgl. Tabelle 13):

Tabelle 13: Verteilung der Teilnahme im Verlauf der Projekte

MAßNAHME

TEAM

WS I Einzelcoaching WS II WS III Evaluations-interview

Follow up

Team 1 Alle Drop-out: eine Person

Drop-out: eine weitere Person

Rest Rest Rest

Team 2 Alle Alle Drop-out: gesamtes Team

Team 3 Alle Alle Drop-out: zwei Personen

Rest Rest Rest

Team 4 Alle

Team 5 Alle Drop-out: eine Person

Rest Rest Rest Rest

Team 6 Alle Drop-out: gesamtes Team

Team 1: Am ersten Workshop nahmen alle acht Teammitglieder teil. Eine Teilnehmerin ent-schied sich im Anschluss gegen die Teilnahme, da sie das Team mitten im Projekt verlassen würde. Die Arbeit mit dem Team wurde mit sieben Personen fortgesetzt. Ein weiterer Teilneh-mer nahm nur an Auftragsklärungsworkshop und Einzelcoaching teil und verließ das Team an-schließend überraschend. Die Teamleitung hatte keine Anhaltspunkte für seinen Aufenthaltsort und vermutete ihn im Ausland. Da kein Arbeitsvertrag bestand, war er nicht zu einer Abmeldung verpflichtet. Die Person antwortete auf eine nachträgliche Befragung, dass sie aufgrund eines weiteren zeitaufwändigen Projekts zu vielen Terminen nicht in der Stadt gewesen sei und eine Anwesenheit im Team nicht mehr erforderlich erschien, um ihr definiertes Selbstmanagement-Ziel zu erreichen. Krankheitsbedingt fehlte außerdem eine Person an einem Tag des zweiten Workshops. Aufgrund von Verpflichtungen wie Prüfungen oder anderen Arbeitsterminen fehlten ein Teammitglied am dritten Workshop und ein weiteres am ersten Tag des dritten Workshops.

Team 2: Alle sieben Personen nahmen am ersten Workshop teil. Der Abteilungsleiter konnte in den letzten beiden Stunden nicht teilnehmen. Ferner wurde mit allen Personen das Einzelcoa-ching durchgeführt. Nachdem der zweite Workshop mehrmals verschoben werden musste und so zwischen dem Einzelcoaching und dem nächstem Workshop eine 6-monatige Pause gelegen hätte, wurde das Projekt abgebrochen (Details dazu s.u.).

Team 3: Alle zehn Personen nahmen am ersten Workshop und am Einzelcoaching teil. Danach fiel eine Person aufgrund einer Langzeiterkrankung aus. Eine weitere Person entschloss sich, nicht weiter teilzunehmen. Es handelte sich um einen Teilnehmer in Altersteilzeit, der auf Nach-frage äußerte, dass ihn sowohl zeitliche als auch inhaltliche Probleme zu dieser Entscheidung bewogen hätten. Er habe keine gewinnbringende Perspektive gesehen und „nicht die Motivati-

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Weitere Ergebnisse der formativen Evaluation 185

on“ gehabt. Aufgrund seiner großen Lebenserfahrung passe es für ihn nicht, sich von einer jun-gen Frau Anfang 30 coachen zu lassen. Somit war bei dieser Person offensichtlich die An-schlussfähigkeit der Beraterin nicht gegeben. Am zweiten und dritten Workshop fiel jeweils ein Teammitglied am zweiten Workshoptag krankheitsbedingt aus.

Team 4: Alle fünf Personen nahmen an sämtlichen Maßnahmen teil. Am ersten Tag des dritten Workshops war eine Person aufgrund von Anforderungen aus einem anderen Projekt abwe-send.

Team 5: Alle sechs Teammitglieder nahmen am ersten Workshop teil. Im Anschluss daran ent-schied sich ein Mitarbeiter, nicht am Projekt teilzunehmen. Er äußerte Unzufriedenheit mit Dis-kussionen auf der Metaebene und wünschte sich stattdessen konkrete, schnell umsetzbare Lö-sungen. Da er zeitlich sehr eingebunden sei, wolle er keine weitere Zeit für derartige Diskussio-nen im Team opfern. An den weiteren Maßnahmen nahmen alle Teammitglieder teil. Im dritten Workshop hätten zwei Personen aufgrund eines wichtigen Termins den Workshop für circa 2 Stunden verlassen müssen. Stattdessen wurde jedoch zeitlich umdisponiert, so dass der Work-shop mit allen Teammitgliedern fortgeführt werden konnte.

Team 6: Fünf Teammitglieder nahmen am ersten Workshop teil. Aufgrund der Krankheit eines Familienangehörigen war eine Person, die üblicherweise dem Team angehörte, abwesend. Nach dem ersten Workshop fiel die Entscheidung, nicht am Projekt teilzunehmen (Details s.u.).

Als individuelle Beweggründe für den Ausstieg von 12% der Stichprobe aus dem Programm lassen sich demnach festhalten:

� Langzeitkrankheit (eine Person, 2%),

� das Verlassen des Teams (zwei Personen, 5%),

� mangelndes Vertrauen in die Kompetenz der Beraterin bzw. fehlende Anschlussfähigkeit der Beraterin (eine Person, 2%) und

� Unzufriedenheit mit dem Konkretisierungsgrad des ersten Workshops und Einschätzung, dass der Nutzen des Projekts den Zeitaufwand nicht rechtfertige (eine Person, 2%).

Nur zwei Einzelpersonen bzw. 5% der Stichprobe scheiden somit aus Akzeptanzgründen aus. Wesentlich komplexer sind die Beweggründe in Fällen, in denen sich ganze Teams für den Aus-stieg aus dem Programm entschieden. Daher werden sie etwas ausführlicher dargestellt.

Team 6: Abbruch nach dem ersten Workshop

Der Kontakt zum Abteilungsleiter von drei Teams wurde von seinem Vorgänger, mit dem ich gemeinsam Weiterbildungen besuche, hergestellt. Dieser hielt nach ersten Informationen über das Projekt eines seiner ehemaligen Teams (aufgrund der vermuteten großen Aufgeschlossen-heit für das Thema) für besonders geeignet für die Maßnahme. Der neue Abteilungsleiter ent-schied sich jedoch, ein anderes Team anzusprechen. Im gemeinsamen Vorgespräch mit Abtei-lungsleiter, Teamkoordinator und Team wurde deutlich, dass diese Auswahl beim Team für Verwirrung sorgte. Äußerungen wie „Wenn man das so hört – gibt es bei uns Defizite?“ und „Das vermutet man ja gleich, warum hat unser Chef uns als Team dazu angehalten?“ ließen darauf schließen, dass das Team den Vorschlag eines Teamberatungsprojekts als Kritik der Abteilungsleitung wertete. Nach intensiven Diskussionen einigte sich das Team jedoch darauf, am ersten Workshop teilzunehmen – ohne den Abteilungsleiter.

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In der Anfangsrunde dieses Workshops wurde häufig geäußert, wie positiv die Zusammenarbeit im Team gesehen werde. Es fiel auf, dass nur wenige Erwartungen und Zielvorstellungen für sich selbst oder das Team genannt wurden. Im Verlauf des Workshops klärte sich, dass viele der Voraussetzungen für die Passung zum Projekt nicht erfüllt waren: In den Appreciative Inqui-ry- Interviews war es den Teammitgliedern nicht möglich, positive Beispiele für ein herausragen-des Selbstmanagement von Kollegen oder Führungskräften zu benennen. Die Teammitglieder erklärten dies damit, dass sie bei ihrer Arbeit in der Regel nicht die Möglichkeit hätten, sich bei anderen Positivbeispiele abzuschauen. Auch fiel es ihnen schwer, „herausragende“ Momente zu benennen. In der Reflexion dazu gaben sie alle bis auf den Teamkoordinator an, Routinetätig-keiten zu verrichten, in denen sich wenig „Herausragendes“ manifestieren könne. Es zeichnete sich somit ein Bild von Abteilungsmitgliedern, die vorwiegend isoliert voneinander in getrennten Fachgebieten und Tätigkeitsbereichen arbeiten und dabei überwiegend Routinetätigkeiten ver-richten. Dies lässt nicht auf die hohen Selbstmanagement-Anforderungen und die Teamstruktur schließen, auf die das Programm ausgelegt ist. Darüber hinaus stellte sich im Workshop heraus, dass der Koordinator zwar formell in seiner Funktion als Teamleiter eingesetzt war, informell jedoch nur als primus inter pares betrachtet wurde. Sofern vom „Chef“ die Rede war, bezog sich das Team immer auf die Abteilungsleitung. Somit war für das Projekt nicht das relevante System anwesend.

In der vorhandenen Teamkonstellation („ohne Chef“) herrschte eine sehr hohe Zufriedenheit. In der Skalierungsfrage nach der Zufriedenheit mit dem aktuellen Zustand im Team lag der Team-mittelwert bei einer sensationellen 8,5 (auf einer Skala von 1-10, 10= maximale Zufriedenheit). Entsprechend wurde auch wenig bis keine Veranlassung für Änderungen gesehen. Die Gruppe war möglicherweise schon so gut eingespielt, dass sie keinen Anlass sah, dies aufs Spiel zu setzen. Vielleicht spielte hierbei auch die Tatsache eine Rolle, dass die Personen bereits (bis auf eine Person, die neu dazu gekommen war) seit 15 Jahren zusammen in der gleichen Abtei-lung arbeiteten. Gestützt wird diese Vermutung durch die Beobachtung, dass es den Teammit-gliedern im Rahmen der AI-Interviews besonders schwer fiel oder auch gar nicht gelang, die Haltung fragender Neugierde einzunehmen. So intervenierte ich sehr häufig, weil ich beobachte-te, dass dem Interviewpartner Antworten „in den Mund gelegt“ wurden. „Ich weiß schon was er sagen wird und warte auf die Antwort“, so der Tenor in der gemeinsamen Reflexion. Die Aussa-gen von zwei Teammitgliedern, „für neu zusammengestellte Teams“ sei das Projekt „sicher su-per“, sie würden sich aber bereits so lange kennen, unterstreichen dies.

Team 2: Abbruch nach den Einzelcoachings

Der Kontakt zum zweiten Team, das aus dem Programm ausstieg, kam über einen persönlichen Kontakt zu einem der Geschäftsführer des Unternehmens zustande. Er vermittelte den Kontakt zum Abteilungsleiter, mit dem ich das Vorgespräch führte. Der Abteilungsleiter ließ sich für das Konzept schnell begeistern. Er war für mehrere Teams verantwortlich und zunächst unschlüssig, welches für die Maßnahme in Frage käme. Seine Wahl fiel letztlich auf das Team, das aus sei-ner Sicht am meisten von mehr Kommunikation untereinander profitieren könnte. Dass ich das Projekt dem Team vorstelle, hielt er nicht für nötig und wollte dies im nächsten Regelmeeting selbst tun. Ich erhielt von ihm die Rückmeldung, dass er „nicht unbedingt offene Türen einge-rannt“ habe, dass jedoch alle „neugierig“ wären und am ersten Workshop teilnehmen wollten. Aus den Bemerkungen im ersten Workshop nahm ich den Eindruck mit, dass der Termin für die Teammitglieder eher ungünstig gelegen war. Dennoch waren alle anwesend. Den Workshop bewerteten die Teammitglieder positiv und wünschten sich eine Fortführung des Projekts. Es kamen jedoch erste kritische Stimmen auf, die meinten, sie seien nicht überzeugt, dass das Pro-

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jekt einen Nutzen bringe. Denn für ihre Leistung sei es unerheblich, ob sie sich im Team gut oder schlecht verstünden. Sie seien alle „Einzelkämpfer“ und arbeiteten unabhängig voneinan-der.

In den Einzelcoachings erhielt ich von drei der sieben Teammitglieder keinen Auftrag. Sie gaben an, aktuell keine Ziele oder Herausforderungen für sich zu sehen. Nach einem guten Ergebnis des Gesprächs und des gesamten Projekts gefragt, nannten sie sehr allgemeine Themen (z.B. „Kommunikation im Team verbessern“) und ließen sich nicht darauf ein, diese weiter zu konkre-tisieren. Eine Person gab an, aus ihrer Sicht sei das Projekt überflüssig. Dies hätte ich zu Be-ginn des nächsten Workshops gern mit dem gesamten Team angesprochen. Dieser wurde je-doch zunächst aufgrund eines administrativen Fehlers und danach von meiner Seite aufgrund eines Krankenhausaufenthalts jeweils kurz vor Terminbeginn verschoben, so dass sich eine Lücke von fünf Monaten ergab. Die Abteilungsleitung wollte den Prozess danach fortsetzen. Da ich jedoch große Zweifel hatte, dass dies seitens des Teams gewünscht war, vereinbarten wir, dass das Team darüber entscheiden solle. Ich erleichterte dem Team eine Absage, indem ich den Beteiligten für die bisherigen Erkenntnisse ausgiebig dankte und darauf hinwies, dass sie sich nicht verpflichtet fühlen sollten, am Projekt weiter teilzunehmen, wenn irgendetwas dagegen spräche. Ich wies auf die Möglichkeit hin, das Projekt auch in kleinem Kreis fortzuführen und bat im Falle weiteren Interesses um eine schriftliche Anmeldung zum nächsten Workshop mit der Begründung, warum es aus ihrer Sicht Sinn machen würde, das Projekt nach so langer Pause fortzuführen. Daraufhin erhielt ich von beinahe allen Teammitgliedern die Rückmeldung, dass sie eine Fortsetzung des Prozesses nicht für sinnvoll hielten, teilweise mit der Angabe von Grün-den. In Telefoninterviews mit vier Teammitgliedern wurden diese Beweggründe weiter geklärt: Die einhellige Meinung war es, dass die Abstände zwischen den Maßnahmen inzwischen zu groß geworden seien. Das Timing für eine Fortführung sei überdies schlecht, da gerade eine große Veränderung der Organisationsstruktur mit ungewissem Ausgang bevorstehe. Den Hauptgrund dafür, dass das Projekt nicht zu ihnen passe, sei jedoch die Fokussetzung auf das Team. Die Kommentare der Beteiligten lauteten:

„Strukturell sind wir schon ein Team, aber was wir tun ist keine Teamarbeit. Wir haben alle einzelne Baustellen und wenig Berührungspunkte. Wenn wir da jetzt die Teamidee rausarbeiten und unsere Zusammenarbeit in den Fokus nehmen, dann ist das vielleicht schön, weil wir gut persönlich miteinander auskommen. Aber der Nutzen ist halt nicht da“ (NBT2B3152), „Vielleicht ist unser Team aus sechs individuellen Spezialisten nicht unbedingt geeignet für diese Studie. Ein Team braucht halt auch Team-Aufgaben. Wir arbeiten viel alleine“ (NBT2B4) oder „Letzten Endes jagt jeder seinen Zielen nach und irgendwie läuft alles“ (NBT2B2).

Die telefonischen Rückmeldungen waren ebenfalls aufschlussreich in Bezug auf Fehler, die mir bei der Teamakquise unterlaufen waren. Ich erfuhr, dass das Team nicht – wie von mir beab-sichtigt – freiwillig am Programm teilgenommen hatte, sondern den Auftakt so erlebte, dass die Maßnahme von der Geschäftsführung verordnet worden war. Dadurch waren die meisten im Team zunächst eher negativ eingestellt (NBT2B1: „Und dass so richtig was daraus wird, das glaubte ich nicht, ich war von vorneherein nicht positiv gepolt“), zumal der erste Workshoptermin aus ihrer Sicht „absolut reingequetscht“ (NBT2B5) worden war und sie dafür Aufgaben verschie-ben und Überstunden machen mussten:

NBT2B1: „Ich meine, wenn man dann von einem [Name der Abteilungsleitung] im Teammeeting gesagt bekommt: ‚Da ist eine Doktorandin und das machen wir jetzt mal und es trifft das Team [Name des eigenen Teams]’, dann denkt man erst mal „Ach, du liebe Zeit“ und dann sagen die anderen ‚Ihr kriegt ne Psychologin’“.

152 Die Abkürzung „NB“ steht für die telefonische und schriftliche Nachbefragung, die bei Team 2 vorgenommen wurde, gefolgt vom Kürzel des jeweiligen Teilnehmers.

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Die Teammitglieder, die ein persönliches Ziel verfolgt hatten, äußerten sich zwar positiv über die Effekte der Einzelcoachings:

NBT2B4: „Gebracht hat es aber was. Ich mache aus dem ‚persönlichen Wunder’, dass ich circa 33% aller Mails nicht lese (nämlich die unwichtigen), eine tägliche Erscheinung. Positiv: Es entlastet spürbar. Negativ: Das schlechte Ge-wissen geht nicht ganz weg“.

Eine Person meinte jedoch, sie habe die Strategien aus dem Gespräch „eine Zeitlang ganz gut praktiziert“, lasse sie nun aber „wieder schleifen“ (NBT2B7). Somit ist bei Abbruch des Pro-gramms wie auch bei herkömmlichen einzelnen Trainings- oder Coachingmaßnahmen keine Nachhaltigkeit zu erwarten.

Die beiden Teams weisen einige Gemeinsamkeiten auf: In beiden Fällen handelte es sich um Teams, deren Abteilungsleiter sie aus mehreren Teams für die Teilnahme ausgewählt hatte. Bei beiden Führungskräften fiel die Wahl auf jenes Team, für das sie sich in der Teamkommunikati-on „Fortschritte“ wünschten. Es gelang mir bei beiden Abteilungsleitern nicht, den Hinweis, dass eher der Selbstmanagementbedarf als die Kommunikationsfähigkeit das Auswahlkriterium sein sollte, so überzeugend zu platzieren, dass er Eingang in die Überlegungen gefunden hätte. Auf beide Teams wurde ein mehr oder weniger starker Druck ausgeübt, am Programm teilzuneh-men.153 Und in beiden Fällen stellte sich erst nach Beginn des Projekts heraus, dass die Voraus-setzung der Zusammenarbeit im Team im Alltag nicht gegeben war. Stattdessen handelte es sich um Arbeitsgruppen mit gleichem thematischen Schwerpunkt, deren Mitglieder ohne große Berührungspunkte ähnliche Ziele in ihrem eigenen Verantwortungsbereich verfolgten.

Als Fazit der Drop-out-Analyse lässt sich festhalten, dass von 41 Teilnehmern zwölf Personen aus dem Projekt ausstiegen, weil bei der Auswahl der Teams wesentliche Voraussetzungen („Zusammenarbeit im Team“ und „Freiwilligkeit“) zu wenig berücksichtigt wurden. Unter diesen Bedingungen ist für das Interventionsprogramm keine Akzeptanz zu erwarten. Zwei weitere Per-sonen nahmen aufgrund geringer Akzeptanz des Programms oder der Beraterin nicht weiter am Projekt teil. Drei weitere Personen stiegen aus Gründen, die mit dem Projekt in keinem Zusam-menhang stehen, aus.

10.2 Implementationshindernisse

Unter dem Schlagwort „Implementationshindernisse“ werden im Folgenden Faktoren beschrie-ben, welche die konzeptgemäße Umsetzung des Interventionsprogramms in den Pilotprojekten erschwerten oder unmöglich machten. Dabei werden zunächst Hindernisse unterschieden, die zu beobachtbaren zeitlichen und inhaltlichen Variationen führten. Die zugrunde liegenden kon-kurrierenden Einflüsse oder unvorhersehbaren Ereignisse, die zu den Abweichungen führten, werden aufgezeigt. Es wird verdeutlicht, wie mit ihnen umgegangen wurde. Als programmbe-dingte Irritationen und Konflikte werden dagegen Einflüsse dokumentiert, welche die Durchfüh-rung ebenfalls erschwerten, jedoch weniger durch „harte Fakten“ belegbar sind. Sie sind eher auf der Ebene der intra- bzw. interindividuellen Wirklichkeitskonstruktionen zu lokalisieren. Die leisen Zwischentöne, die der Beraterin im Verlauf der Durchführung auffielen, werden hier sys-tematisiert und interpretiert. Sofern möglich, werden beispielhaft Zitate der Teilnehmer ange-führt, welche die Eindrücke stützen.

153 Dieser Druck wurde auch im Vorgespräch mit dem anderen Team sehr direkt spürbar, als die Abteilungsleitung auf Äußerungen einiger Teammitglieder, sie seien „als Techniker“ gegenüber „überfachlichen“ Themen „kritisch eingestellt“ vehement betonte, das sei für ihn ein Zeichen, dass die überfachliche Lernbereitschaft fehle. Und jemand, der sich nicht weiterentwickeln wolle, sei in seiner Abteilung am falschen Platz.

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10.2.1 Konkurrierende Einflüsse

Tabelle 14 gibt die Durchführungszeitpunkte der jeweiligen Maßnahmen wieder. Es zeigt sich, dass die geplanten Abstände von in der Regel einem Monat zwischen den Interventionen nicht immer realisiert werden konnten. Insbesondere zwischen der Durchführung des zweiten und dritten Workshops liegen mindestens zwei, in einem Fall sogar drei Monate.

Tabelle 14: Durchführungszeiträume der Interventionsmaßnahmen

MAßNAHME

TEAM

WS I Einzel-coaching

WS II WS III Eval.-interview

Follow up

Team 1 Oktober 07 Dezember 07 Januar 08 März 08 Mai 08 August 08

Team 2 November 07 Dezember 07– Januar 08

Projektende

Team 3 September 08 Oktober 08 Februar 09

April 09 Juni 09 September 09

Team 4 Februar 09 März 09 Mai 09 August 09 September 09 Dezember 09

Team 5 August 08 September 08 – Oktober 08

Oktober 08

Januar 09 März 09 Juni 09

Team 6 Februar 09 Projektende

Als wesentliche Hindernisse für die plangemäße Umsetzung stellten sich die folgenden Faktoren heraus:

� Reorganisationen der Organisationsstruktur: Ein Team, das ursprünglich die Teilnahme am Interventionsprogramm vorgesehen hatte, entschied sich aufgrund einer bevorstehenden Reorganisation kurzfristig, gar nicht erst an der Maßnahme teilzunehmen. Bei Team 2 war eine Umstrukturierung einer der Gründe für die Nicht-Fortsetzung des Projekts (s.o.). In Team 5 fand eine Reorganisation erst zum Ende des Projektes statt. Diese hatte Konse-quenzen für die Nachhaltigkeit der Interventionswirkung. Dass jedoch der Vorgesetzte der Teamleitung das Unternehmen zu Beginn des Projekts verließ und die Zukunft des Teams ungewiss war, belastete die Teammitglieder bereits während des Projekts.

� Dringende betriebliche Probleme: In Team 3 wurde ein Workshop verschoben, weil ein vor-dringliches, mit der Personaleinsatzplanung und Rekrutierung verbundenes Problem den Einsatz eines Großteils des Teams erforderte. Es wurde entschieden, einen bereits geplan-ten Workshop zu verschieben, da die Teamleitung der Meinung war, dass die Teammitglieder gedanklich zu stark durch das Problem beansprucht würden.

� Konkurrierende Projekte und Termine: Dass explizit Teams ausgewählt wurden, die hohen Selbstmanagement-Anforderungen ausgesetzt sind, geht damit einher, dass in diesen Teams häufig eine Vielzahl von Projekten mit wechselnden Anforderungen zu bewältigen ist. Die daraus resultierenden Aufgaben sind im Vorfeld nicht immer genau planbar und termi-nierbar. Zudem sind die Teammitglieder nicht immer gemeinsam in einem Projekt tätig, son-dern arbeiten „an mehreren Fronten“. So kann es sich im Einzelfall sehr schwierig gestalten, Termine zu finden, an denen sich das gesamte Team gemeinsam einen bis zwei Tage Zeit für einen Workshop nimmt.

� Urlaubszeiten: Mit steigender Teamgröße wird es zunehmend schwieriger, alle Teammitglie-der für die Maßnahmen zu vereinen. Doch bereits in kleinen Teams von fünf Personen kann

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eine alternierende Urlaubsplanung in Kombination mit Erfordernissen aus der Projektarbeit dazu führen, dass drei Monate lang kein gemeinsamer Termin gefunden wird – wie das Bei-spiel von Team 4 zeigte.

� Nicht-Verfügbarkeit der Beraterin aufgrund unvorhergesehener Ereignisse: Der zweimalige mehrwöchige Ausfall der Beraterin aufgrund von Knochenbrüchen ließ ebenfalls einige Ter-minverschiebungen nötig werden.

Pausen zwischen einem und zwei Monaten zwischen den Workshops beeinträchtigten die Um-setzung des Interventionsprogramms nicht weiter. Die Teilnehmer meldeten jedoch ausnahms-los zurück, dass eine Pause von drei Monaten zwischen den Einzelmaßnahmen zu lang sei. In der Zwischenzeit ergeben sich meist viele andere Themen, die die Beschäftigung mit dem eige-nen Selbstmanagement in den Hintergrund drängen. Außerdem wird der „rote Faden“ des Pro-jekts weniger deutlich wahrgenommen.

Zeitliche Variationen

Lediglich 16 von 22 Workshoptagen konnten mit der jeweils vollen Anzahl der Teammitglieder durchgeführt werden. Dabei kam es zu Abwesenheiten von wenigen Stunden bis hin zu einem Tag. Gründe dafür waren Krankheiten oder wichtige andere Termine. Umgegangen wurde mit diesen Ausfällen auf unterschiedliche Weise. So erfolgte auch bei kurzen Ausfällen der Teamlei-tung immer ein nachträgliches telefonisches Briefing durch mich. Bei Team 1 waren die Ausfälle in Kombination mit den Drop-outs und der vorhandenen Organisationsstruktur so auffällig, dass dazu eine Hypothese formuliert und an das Team zurückgespiegelt wurde. Bei anderen Ausfäl-len wurden die übrigen Teilnehmer gebeten, den jeweiligen Teamkollegen über das weitere Workshopgeschehen zu informieren. Workshop III wurde für Team 5 zeitlich umgestellt und so angepasst, dass zwei Personen mittags einen längeren Termin wahrnehmen konnten. Da in Team 1 am ersten Tag des dritten Workshops gleich zwei Teilnehmer fehlten, wurden von den Anwesenden die Phantasien abgefragt, warum die anderen fehlen. Für Teilnehmer, die erst am zweiten Tag einer Maßnahme in das Workshopgeschehen (wieder) einstiegen, wurde ein circa einstündiges Briefing durch die Kollegen durchgeführt.

Inhaltliche Variationen

Das Interventionsprogramm ist darauf ausgelegt, dass die Teams und Einzelpersonen ihre eige-nen (Selbstmanagement-)Themen einbringen können. Es traten jedoch auch Situationen auf, in denen das Team durch bestimmte Themen so gefangen genommen war, dass dies in der kon-kreten Interventionssituation eine größere inhaltliche Abweichung vom vorgesehenen Drehbuch erforderte. Themen, die eine solche Durchschlagskraft hatten, waren:

� Ein Angebot an das Team, den Organisationskontext zu wechseln: Team 1 erhielt kurz vor dem dritten Workshop ein noch nicht näher präzisiertes Angebot von einer anderen Organi-sation, das dem Team ermöglicht hätte, geschlossen in einen neuen Kontext zu wechseln. Dies hätte die Rahmenbedingungen für die eigene Arbeit massiv verändert.

� Die Auflösung des Teams: Team 5 wurde am Tag der ersten beiden Evaluationsinterviews schriftlich darüber informiert, dass das Team aufgelöst würde. Für ein Teammitglied war un-klar, ob es seinen Arbeitsplatz in einem neu gebildeten Team behalten würde. Auch wussten die Betreffenden nicht, ob sie weiterhin mit ihrer Führungskraft zusammenarbeiten würden.

� Eine Arbeitsorganisationsidee mit weitreichenden Folgen: In Team 3 entwickelte die Füh-rungskraft am zweiten Tag von Workshop II eine Idee, welche einige der auf individueller Ebene offenbarten Selbstmanagement-Probleme strukturell durch neue Konstellationen und Formen der Zusammenarbeit zu lösen versprach.

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� Ein ungelöstes Problem fachlicher Natur: In Team 3 bahnte sich in Workshop II und III im Zusammenhang mit der Beschäftigung mit der eigenen bzw. Team-Zukunft immer wieder ein Thema den Weg an die Oberfläche. Es handelte sich um ein Angebot der Organisation an ih-re Kunden, mit dem viele der Führungskräfte unzufrieden waren. Eine Neuausrichtung die-ses Angebots ging mit vielerlei Auswirkungen in Bezug auf die Gestaltung der Beziehung zu Kunden, die Arbeitsorganisation, die Anforderungen an die Mitarbeiter und die Zusammenar-beit im Team einher.

Auch wenn diese Themen im weitesten Sinne mit dem Thema Selbstmanagement in Verbin-dung gebracht werden können (da sie die Verfolgung der eigenen Ziele jeweils begünstigen und behindern und bewusste Entscheidungen erfordern), so führen sie doch von der Beschäftigung mit individuellen Selbstmanagement-Anliegen im Team weg. Jedoch wurde in allen Fällen ent-schieden, dem Thema den Vorzug zu geben, für das gerade mehr produktive Energie vorhan-den war. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass neuere Change Management-Konzepte (z.B. Bruch & Vogel, 2009) nahe legen, das Kraftpotenzial organisationaler Energie optimal zu nutzen und zu erhalten. Ein „fahrplangemäßes“ Abarbeiten des ursprünglichen Leitfadens hätte dem Team an dieser Stelle vermutlich keinen Mehrwert gebracht. In den Evaluationsinterviews wurde die Entscheidung zugunsten der Themen des Teams von einigen Teilnehmern positiv hervorge-hoben:

T3B2: „Weil uns die Wohngemeinschaften so am Herzen lagen, ist Claire auch darauf eingegangen. Eigentlich sollte es eher um’s Team gehen. Das fand ich beeindruckend. Ein geplantes Thema nach hinten zu stellen und uns dann den Raum zu geben, an unserem Thema zu arbeiten.“

10.2.2 Programmbedingte Irritationen und Konflikte

Die Konflikte, die durch die Teilnahme am Interventionsprogramm hervorgerufen werden kön-nen, lassen sich zwei Klassen zuteilen: Zum einen sind Konflikte zu nennen, die sich als eher personenbezogen interpretieren lassen. Dabei spielen Faktoren, die es den einzelnen Teilneh-mern erschweren, sich auf das Programm einzulassen, eine Rolle. Somit handelt es sich um Hindernisse, mit denen vermutlich in jedem Selbstmanagement-Programm, das der Persönlich-keitsentwicklung einen hohen Stellenwert einräumt, zu rechnen ist. Diese Schwierigkeiten, sich auf die Interventionen einzulassen, können aus einer gering ausgeprägten Ambiguitätstoleranz, geringem Leidensdruck der Teilnehmer, aus unerfüllten Erwartungen in der Beziehung zur Bera-terin und aus einem stark differierenden Beratungsverständnis resultieren. Besonders von Be-deutung für das neu entwickelte Programm ist vor allem die zweite Kategorie von Konflikten. In ihr werden die Reibungen zusammengefasst, die speziell aus der Durchführung des Selbstma-nagement-Programms im Team resultieren. Dies sind Konflikte, die man sich durch die her-kömmliche Durchführung von Selbstmanagement-Interventionen auf Individualebene erspart. Es handelt sich hierbei zum einen um die erforderliche Positionierung der Teilnehmer zwischen authentischer Selbstoffenbarung und mikropolitisch sinnvollem Handeln. Auch divergierende Wünsche in Bezug auf Nähe und Distanz im Team zwischen unterschiedlichen Teammitgliedern sind hier zu nennen. Außerdem können der Wunsch nach Zugehörigkeit (und damit der Teil-nahme am Programm) und das jeweilige Timing der Interventionen für Konfliktstoff sorgen. Die Ausprägung der Konflikte variiert in Abhängigkeit von Persönlichkeitsmerkmalen der Teilnehmer, dem gegebenen Team- und Organisationskontext und der Interpretation der Beratungssituation. Im Folgenden wird zunächst auf die eher personenbezogenen Konflikte eingegangen.

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Geringe Ambiguitätstoleranz

Die intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Zukunft bildet einen wesentlichen Bestandteil des Programms. Es gilt, Anhaltspunkte für die Gestaltung der eigenen Zukunft in der Gegenwart zu erspüren und sie als Orientierung für ein In-die-Welt-Bringen der erwünschten Zukunft in Handeln umzusetzen. Damit wird die Aufmerksamkeit auf Freiheiten und Wahlmöglichkeiten, jedoch auch auf die Verantwortung, welche die Teilnehmer für die Gestaltung ihres Lebens tra-gen, gelenkt. Im Vordergrund stehen jene „prinzipiell unentscheidbaren Fragen“, welche laut Heinz von Foerster (1993a) die einzigen sind, die tatsächlich wir entscheiden und die uns die Wahl lassen, „wer wir werden möchten“ (S. 73). So ist die Beschäftigung mit dem eigenen Selbstmanagement, wie sie im Interventionsprogramm konzipiert ist, ein Paradebeispiel für eine ambigue Situation. Eine solche ist nach Budner (1962) durch die Kriterien der Neuheit, Komple-xität und Unlösbarkeit und durch das Fehlen von ausreichenden Hinweisen charakterisiert. Im Rahmen der Prozessreflexionen ließ sich beobachten, dass sich die Teilnehmer in dem Maße, in dem sie die gegebenen Widersprüchlichkeiten und Mehrdeutigkeiten zulassen und Unsicher-heit aushalten können, stark unterscheiden. Ein Teilnehmer brachte seine Verunsicherung am ersten Abend des zweiten Workshops auf den Punkt:

WS2T4: “Ich fand es brutal, diese Fragestellungen, mit denen man sich nicht alle Tage beschäftigt. Da hat man wenig Gelegenheit, drüber nachzudenken. In dem zügigen Tempo den ganzen Tag über… Da hast Du keine Antworten drauf! Bei einigen Fragen fällt mir nicht viel zu ein. Da kamen negative Gefühle von ’Junge, Du bist nicht vorbereitet’, so in der Richtung. Das hinterlässt ein bisschen ein unzufriedenes Gefühl. Den Perfektionisten in einem, den wurmt das.”

Unter dem Konzept der Ambiguitätstoleranz verstehen Psychologen die Fähigkeit, „Vieldeutig-keit und Unsicherheit zur Kenntnis zu nehmen und ertragen zu können“ (Dorsch, 2004, S. 33). Furnham und Ribchester (1995, S. 179) zufolge verweist Ambiguitätstoleranz auf die Art und Weise, wie Informationen über ambigue Situationen oder Stimuli angesichts ungewohnter, kom-plexer oder inkongruenter Hinweise wahrgenommen und verarbeitet werden. Vage, unvollstän-dige, vielfältige, unstrukturierte, inkonsistente, widersprüchliche, mehrdeutige oder unklare Sinn-zusammenhänge werden von Personen mit niedriger Ambiguitätstoleranz als bedrohlich oder unangenehm erlebt (Norton, 1975, S. 608). Reis (1997) zufolge handelt es sich weniger um ein überdauerndes Persönlichkeitsmerkmal als ein situationsspezifisches Konstrukt. Aus seinem Inventar, das fünf faktorenanalytisch unterscheidbare Dimensionen der Ambiguitätstoleranz be-nennt, scheint inhaltlich der Faktor „Offenheit für neue Erfahrungen“ am ehesten auf die im Rah-men dieses Programms geforderte Dimension der Ambiguitätstoleranz zu passen. In Bezug auf dieses Merkmal konnten im Zuge der Durchführung der Pilotprojekte interindividuelle Unter-schiede ebenso wie Unterschiede zwischen den Teams beobachtet werden. Es ist anzunehmen, dass Gruppenunterschiede auch auf das Konto der beruflichen Sozialisation gehen. Die folgen-de Aussage eines Teilnehmers legt dies nahe:

WS2T4: “Ich denke, den Grund dafür zu kennen. Ich habe mich selbst darauf hintrainiert, pragmatisch an Sachen ranzugehen, zynisch und rational zu sein. Das ist ein Stück Berufskrankheit. Weil wir gewohnt sind, mit Maschinen zu arbeiten und uns dazu zwingen, Algorithmen zu formulieren.“

Insbesondere die Teams 4 und 5, von denen erwartet wird, dass sie in ihrem Alltag schnelle Lösungen produzieren, konnten mit der Verunsicherung schlechter umgehen als die Teams 1 (Forschungsteam zur Brain-Computer-Interaction) und 3 (Team von sozialpädagogisch geschul-ten Führungskräften, die Wohnangebote für Menschen mit geistiger Behinderung realisieren). Letztere üben sich häufig in Reflexion und Perspektivwechsel. Vor allem technisch orientierte Zielgruppen, deren Werte sich auch in Abgrenzung zu „psychologisch-sozial-erlebnisorientierten“ Werten entwickelt haben, scheinen durch das Programm mit gänzlich neu-en Anforderungen konfrontiert:

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WS2T4: “Wir lösen viele Dinge mit einem Debugger und formulieren Algorithmen. Das steckt bei uns stark drin, das Denken in Anforderung – Lösung. Ich glaube, hier geht es auch darum, andere Dinge zu sehen. Wir sind gezwungen, aus unserer technischen Denke rauszukommen und auch den Menschen hinter den Prozessen zu sehen.”154

Es lässt sich folgern, dass die Zumutbarkeit des hier vorgestellten Interventionsprogramm bei Zielgruppen mit geringer Ambiguitätstoleranz155 eingeschränkt ist. Denn für diese Gruppe geht die Teilnahme mit Stress und möglicherweise auch Phasen des Unwohlseins einher. Zum ande-ren ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Teilnehmer wenig „mitnehmen“, weil sie die auftreten-de Komplexität nicht zulassen. Denn Unsicherheit kann direkt reduziert werden, indem sich die Teilnahmer gar nicht erst auf die Intervention einlassen (z.B. WS1T5: „Ich hätte lieber etwas Konkretes, insgesamt zu schwammig“, WS2T5: „Die Fragen sind zu schwammig“). Folglich ist bei der Umsetzung Fingerspitzengefühl und eine Anpassung an die Grenzen und das Tempo der jeweiligen Kultur gefragt. Auf interindividuelle Unterschiede in der Ambiguitätstoleranz lässt sich im Team-Setting möglicherweise schlecht eingehen. Andererseits kann beobachtet werden, dass die Teilnehmer aus dem Angebot des Interventionsprogramms diejenigen Fragen und Übungen herausfiltern, die sie persönlich ansprechen und die ihnen hilfreich erscheinen. Somit kann darauf vertraut werden, dass jedes Teammitglied und jedes Team über die Grenze seiner Ambiguitätstoleranz wacht und „überfordernde“ Interventionen auf Widerstand stoßen bzw. nicht fruchten. Aus der Beobachtung des Einflusses der Ambiguitätstoleranz können demnach keine Schlüsse für Änderungen im Interventionsprogramm gezogen werden. Es wäre falsch, an dieser Stelle in vorauseilendem Gehorsam Modifikationen vorzunehmen. Möglicherweise würden da-durch wesentliche Impulse für die Entwicklung der Teilnehmer aus dem Programm ausgeblen-det.

Fehlende Änderungsmotivation

Ein weiterer Faktor, der für das Einlassen auf das Interventionsprogramm entscheidend ist, er-scheint beinahe trivial: Ohne persönliches Anliegen erfolgt kein Auftrag an die Beraterin. Oder: „Wer keine Konflikte hat, braucht auch keine Selbstkontrolle“ (Kastner, 1999, S. 63). Durch die spezielle Situation – die Initiative zur Durchführung des Projekts wurde von der Beraterin ergrif-fen und stammte nicht (wie etwa beim Besuch eines Selbstmanagement-Trainings oder dem Aufsuchen eines Coaches) von den Teilnehmern selbst – können Anliegen nicht vorausgesetzt werden.156 Es sind durchaus Lebensphasen denkbar, in denen sämtliche Herausforderungen „mit Bordmitteln“ zu bewältigen sind und eine externe Beratung wenig zusätzlichen Nutzen ver-spricht. Auch gibt es Zeiten, in denen Menschen gerade nicht der günstige Zeitpunkt – Philoso-phen sprechen vom richtigen „Kairos“ – für die intensive Beschäftigung mit sich selbst und den eigenen Zielen gegeben scheint. Ohne das Erleben von Konflikten und eines gewissen „Lei-densdrucks“ entsteht jedoch nicht die Spannung zum erwünschten Zielzustand, welche die nöti-ge Energie für eine Veränderung liefert. Im Zuge der Drop-out-Analyse wurde bereits darauf hingewiesen, dass das Fehlen aktueller Herausforderungen und Anliegen einen Faktor für das Ausscheiden aus dem Interventionsprogramm darstellte. Doch auch graduelle Unterschiede in der Änderungsmotivation zeigten ihre Wirkung. Diese Unterschiede ließen sich aus den Aussa-

154 Vgl. WS2T4: „An bestimmten Stellen sind die Fragen, dadurch, dass sie relativ weit weg sind für uns - für einen Großteil unseres Berufslebens ist es eher Input Input Input - relativ ungewohnt und dadurch an bestimmten Stellen auch relativ schwierig. Man bräuchte mehr Zeit, um in die Gedankenwelt reinzukommen.” 155 Es wurde bereits darauf verwiesen, dass Ambiguitätstoleranz als inhaltsspezifisches Konstrukt gedacht ist. So ist an dieser Stelle eine niedrige Ambiguitätstoleranz bezogen auf neue Erfahrungen mit sich selbst und der eigenen sozialen Umwelt gemeint. Eine Person, die in diesem Bereich eine geringe Ambiguitätstoleranz aufweist, kann möglicherweise in einem anderen Bereich – z.B. in Bezug auf die Lösung technischer Probleme – durchaus ein hohes Maß an Unsicherheit, Mehrdeutigkeit und Komplexität aushalten. 156 In Team 6 war dieser Fall zu beobachten: WS1T6 „Ich sehe nicht einen Handlungsbedarf. Weil wenn es Reibereien gibt, dann verhalten wir uns ganz normal.“

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Weitere Ergebnisse der formativen Evaluation 194

gen der Teilnehmer im Einzelcoaching erschließen:

I: „Ja, was passiert, wenn jetzt nichts passiert, wenn es so weiter läuft?“ ECT5B5: „Ich weiß es nicht. Ich glaube, dann werde ich mich umorientieren müssen, um mich zu retten.“

Teilnehmer, die einen ähnlich hohen Leidensdruck wie die zitierte Person äußerten, zeigten ein höheres Engagement im definierten Selbstmanagement-Projekt und eine größere Offenheit für Interventionen. Teilnehmer mit geringem Leidensdruck nahmen dagegen eher „aus reinem Inte-resse“ teil und waren damit in einer vornehmlich beobachtenden Haltung. Sie bezogen die Inter-ventionen weniger auf sich und ihre Anliegen und fanden demgemäß weniger Entsprechungen und Hilfestellungen:

WS2T4: „Da konnte ich gar nicht richtig drauf antworten. Weil ich gar nicht so viele Probleme sehe oder nichts Be-sonderes an Zielen habe. Wenn alles ganz normal ist und man es einigermaßen beibehalten möchte, dann sind die Fragen zu weit gegriffen. Kleine Ziele kann man nicht so gut unterbringen.“

Somit ist das Programm für Personen mit geringer Änderungsmotivation (sowohl bezogen auf das Team als auch auf individuelle Anliegen) als wenig hilfreich einzuschätzen.

Irritationen in der Berater-Klienten-Beziehung

Das Interventionsprogramm sieht vor, dass neben der Teamarbeit auch mit jedem Einzelnen gearbeitet wird. Dies stellt hohe Anforderungen an die Beraterin insofern, als sie in kurzer Zeit zu jedem Teilnehmer eine tragfähige, von Vertrauen geprägte Beziehung aufbauen muss. Zent-ral ist dafür das nach dem ersten Teamworkshop stattfindende Einzelcoaching. Anders als in einem klassischen Coaching wird durch den Rahmen des Teamprojekts und dadurch, dass für die Erprobung nicht mehr als eine Beraterin zur Verfügung steht, das Eingehen auf einzelne Teilnehmer erschwert. So können aus Kapazitätsgründen keine zusätzlichen Sitzungen angebo-ten werden, um den Bedürfnissen Einzelner gerecht zu werden. Auch fehlt die Möglichkeit, an einen anderen Coach zu verweisen. Die zwischenmenschliche Passung ist jedoch nicht in je-dem Fall gegeben. Es entsteht nicht immer ein „guter Draht“ zu jedem Teilnehmer. Kommt im Einzelcoaching keine gute Beziehung zustande, so fehlt manchen Teilnehmern die Grundlage, sich weiter auf das Interventionsprogramm einzulassen. Das folgende Gespräch mit der Person, die sich in der Rückschau auf das Projekt am wenigsten zufrieden zeigte, fand beim Ausfüllen des Bewertungsbogens für das Einzelcoaching statt. Der Teilnehmer äußert ein Bedürfnis, dem im weiteren Programmverlauf nicht Rechnung getragen werden kann:

T5B2: „Ich finde, diese Werte können sich nur verbessern, wenn man sich besser kennt, intensiver spricht, länger spricht, und man dann auch tiefer einsteigen kann. Das geht meiner Meinung nach nicht so schnell. Für mich nicht. Oh ja, vielleicht schreibe ich das so...“ I: (liest vor) „Vertieftes Kennenlernen.“ T5B2: „Genau. Das ist gut, ja.“ I: „Oder warm werden?“ T5B2: (liest vor) „Wie zufrieden sind Sie mit ihrem Beitrag zu diesem Interview? Könnte besser sein, aber ich glaube dazu–“ I: „Könnte besser sein inwiefern, also was – “ T5B2: „Ja, ich könnte vielleicht konkreter werden hier und da, und in Beispielen. Aber wahrscheinlich geht das für mich erst nach ein paar Gesprächen, dass ich...“ I: „Also, du brauchst einfach ein bisschen Zeit, um [T5B3: Ja.] ja, dich irgendjemanden zu nähern dann auch.“ T5B2: „Ja.“

Die Durchführbarkeit der Einzelcoachings hängt somit nicht nur von den Anliegen der Teilneh-mer ab, sondern auch von ihrer Offenheit und Bereitschaft, sich recht schnell auf eine Arbeits-beziehung mit der Beraterin einzulassen. In Team 2 waren drei Personen und in Team 3 eine Person, mit denen keine Auftragsklärung zustande kam. Als „Nonresponder“ in Bezug auf die Maßnahme geben sie Anlass zu verschiedenen Hypothesen über hinderliche Faktoren. In allen Fällen gaben die Teilnehmer an, aktuell in ihrem Leben keine Herausforderungen bewältigen zu müssen und demnach kein Anliegen an die Beratung zu haben. Bei zwei Personen handelte es

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Weitere Ergebnisse der formativen Evaluation 195

sich um ältere Teammitglieder, die in ihrer aktuellen Lebensphase auf eine bewegte Vergan-genheit zurückblickten und nach Durchforsten mehrerer Lebensbereiche im Moment kein Be-dürfnis feststellten, etwas zu verändern oder gezielt zu bewahren. Auf die Frage, welche Erwar-tungen sie an die Beratung hätten, hielten sie fest, dass sie für sich persönlich keinen Bera-tungsbedarf sähen und formulierten Anliegen und Wünsche bezogen auf das Gesamtergebnis im Team. Die beiden jüngeren Personen dagegen erklärten die Herausforderungslosigkeit zum Lebensmotto:

ECT2B3: “Ich mache mir da keine Gedanken drüber […] Ich habe keine Agenda […] wie bei Forrest Gump […] Ich mache mir keinen unnötigen Stress […] Irgendwie hat man immer Glück und es klappt immer. Und genau so ist es bei mir ja auch immer gewesen.“157

Diese „Unbeschwertheit“ (ECT2B1) ließ sich mit einem Coaching als Maßnahme schlecht ver-einbaren. Zu viel Reflexion und „Nachdenken über sich selbst“ störte aus Sicht der Coachees das Gefühl, „im Fluss“ zu sein (ECT2B1). Die beiden Teilnehmer hatten entsprechend auch kei-ne Erwartungen an die Beratung:

ECT2B3: Ja, also mein Verständnis ist es, dass Du was mit uns machst, und die Probanden sollen die Fragen beant-worten oder ihre Meinung, die sollen alles über sich ergehen lassen. Und da, hier bin ich, das mache ich so. Aber ich habe das jetzt nicht so verstanden, dass man da jetzt einen [I: Dass Du da einen Nutzen von haben könntest], dass ich, dass ich da jetzt einen großen Nutzen davon habe.“

Die Antwort zeigt, dass die Beziehung zur Beraterin als eine zwischen „aktiver Forscherin mit Plan“ und passiver Versuchsperson, die „alles über sich ergehen lässt“, definiert wird. Da diese Reaktion in der Beratungssituation bei mir Irritation auslöste, möchte ich kurz auf die Hypothe-sen eingehen, die mir im Anschluss an die Gespräche durch den Kopf gingen. Zunächst sind zwei grundlegende Denkrichtungen möglich. Die eine gewichtet die sachlichen, expliziten Äuße-rungen der Teilnehmer höher. Aus dieser Perspektive ist zunächst davon auszugehen, dass die Teilnehmer tatsächlich aktuell keinerlei Herausforderungen für sich sehen. Bei den beiden älte-ren Teilnehmern (s.o.) stellte ich dies nicht in Frage, da sie vermittelten, sich momentan in einer Phase hoher Zufriedenheit mit ihrem Leben zu befinden und angaben, die aktuellen, kleinen „Herausforderungen“ allesamt gut bewältigen zu können. Bei einer der beiden Personen konnte in einer späteren Befragung jedoch ermittelt werden, dass beim Ausstieg aus dem Programm auch eine Rolle spielte, dass sie sich von einer jungen Frau nicht „coachen lassen“ wollte (s.o.). Möglicherweise wäre bei der Durchführung der Pilotprojekte durch einen älteren Mann auf das Beziehungsangebot eingegangen worden. Somit drängt sich der Verdacht auf, dass auf die Schilderung nicht vorhandener Herausforderungen als sozial verträgliche und höfliche Alternati-ve zu einer „Beziehungsverweigerung“ zurückgegriffen wurde.

Irritierend in den Schilderungen der beiden jüngeren Teilnehmer war die Aussage, dass es sich um einen Dauerzustand handele. Sollte es tatsächlich Personen geben, denen – abgesehen von basalen Prozessen der Selbstregulation – bewusste Selbstmanagementanstrengungen fremd sind, oder so zuwider, dass sie grundsätzlich darauf verzichten? Ist es möglich, durchgängig störungs- und konfliktfrei zu leben und jederzeit mit sich im Reinen zu sein? Dann hätte die Psy-chologie diese Art von Lebenskunst womöglich bislang übersehen. Das Menschenbild des kon-flikthaften und nach Selbstaktualisierung strebenden Individuums bedürfte der Ergänzung. Vor der Anwendung von Programmen wie dem hier vorgestellten müsste dann genauer abgeklärt werden, ob jede Zielperson tatsächlich von Selbstmanagement-Problemen betroffen ist. Nach etlichen Gesprächen mit Kollegen erschien mir diese Hypothese unwahrscheinlich.

157 Vgl. ECT2B1: „Eine, so eine richtige Baustelle hab ich noch nie gehabt, wie gesagt, ich lass mich schön treiben. […] Vorher hat es bisher immer gut funktioniert. Und .. ich hatte nie richtig so Steine im Weg.“

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Weitere Ergebnisse der formativen Evaluation 196

Die zweite Denkrichtung misst der unausgesprochenen Weigerung, sich auf die Vorgehenswei-se und eine Beziehung zur Beraterin einzulassen, eine höhere Bedeutung bei. Dieser Logik fol-gend haben die Teilnehmer einen triftigen Grund, sich im Setting des Einzelcoachings nicht au-thentisch zu zeigen. Folgende Hypothesen liefern einige mögliche Gründe:

1. Die Berater-Klienten-Beziehung ist (noch) nicht stabil genug. Die Beraterin hat zu schnell persönliche Fragen gestellt, ohne dass das nötige Vertrauen oder ihre Glaubwürdigkeit etabliert wären.

2. Die Teilnehmer sind durch die Tonbandaufnahme verunsichert und sind sich nicht sicher, wie viele der Informationen vielleicht ins Team durchdringen oder in die weitere Arbeit ein-fließen und beschließen daher, zunächst zurückhaltend zu sein.

3. Sich mit der Beraterin über persönliche Dinge zu unterhalten, erscheint aufgrund ihrer Per-son nicht stimmig oder passend.

4. Sich mit der Beraterin über persönliche Dinge zu unterhalten, erscheint aufgrund des defi-nierten Beziehungsrahmens „Forscher – Proband“ nicht stimmig oder passend.

5. Die Fragen und Methoden sind im Vergleich zum eigenen Arbeitsalltag so ungewöhnlich, dass es zum „Kulturschock“ kommt. Der Widerstand ist ein Zeichen für eine „Methoden-Aversion“.

6. In der Vergangenheit wurde die Erfahrung gemacht, dass es sich in dieser Organisation bewährt, sich nach außen zwar kooperativ zu zeigen, jedoch die eigenen Gedanken und Probleme für sich zu behalten. Angesichts einer neuartigen Situation wird zunächst auf die-se Strategie zurückgegriffen.

7. Es ist bekannt, dass die Beraterin in einer wie auch immer gearteten Beziehung zum Ge-schäftsführer steht. Vorsicht ist geboten, damit keine Informationen an ihn fließen, die nachteilig auf die eigene Person zurückwirken könnten.

8. Die Teilnehmer denken üblicherweise wenig über sich selbst nach und sind mit der Frage nach den eigenen Zielen überfordert. Sie bräuchten mehr Zeit oder vorbereitende Schritte, um sich darüber Gedanken zu machen.

9. Die Teilnahme am Programm erfolgte nicht freiwillig, sondern auf Geheiß der Geschäftsfüh-rung. Es wird daher nur „das Nötigste“ mitgemacht, um die Minimalanforderungen der Teil-nahme zu erfüllen.

10. Die Ziele, welche die Teilnehmer verfolgen, sind im Kontext des Teams möglicherweise unerwünscht (z.B. eine Beförderung oder ein Wechsel des Teams). Um zu vermeiden, dass sie im Team publik werden, werden sie erst gar nicht genannt.

11. Da die Sitzung als „Interview“ angekündigt wurde, haben die Teilnehmer die Erwartung, lediglich Informationen zu liefern und empfinden es als unpassend, über sich selbst nach-zudenken.

12. Die Teilnehmer haben bereits in der ersten Sitzung erkannt, dass das Programm nicht zum Team passt und ihnen keinen Nutzen bringen wird und sehen daher keine Veranlassung, in die Beziehung zur Beraterin zu investieren.

13. Die Teilnehmer haben erkannt, dass das Interventionsprogramm nicht das eigentliche Prob-lem der Abteilung trifft. Sie versprechen sich vom Einzelcoaching keinerlei Ergebnisse und sehen daher keinen Anlass für das Thematisieren persönlicher Ziele.

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Durch eine telefonische Nachbefragung unter anderem dieser beiden Teilnehmer nach Abbruch des Projekts in Team 2 konnten mehrere dieser Hypothesen (genauer: Hypothesen Nr. 8-13) aus Sicht der Teilnehmer verifiziert werden. Dadurch kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die übrigen Hypothesen nicht auch zumindest teilweise zutreffen. Das Beispiel zeigt auch, dass sich in der Beratungssituation über die subjektiven Empfindungen der Beraterin hinaus nur schwer Indikatoren für die Einschätzung der Beziehung gewinnen lassen. Viele Faktoren sind miteinander verwoben. Nicht immer ist die zwischenmenschliche Passung („Chemie“) aus-schlaggebend. In einer „schlechten“ Beziehung zwischen Teilnehmer und Beraterin können un-terschiedliche Einflüsse zum Ausdruck gelangen.

Als Lehre wurde aus diesen Hindernissen gezogen, dass die Einzelcoachings ein zentrales Fo-rum darstellen, das für die Anschlussfähigkeit der Beraterin beim Einzelnen ausschlaggebend ist. In allen folgenden Coachings wurde daher ein das Forschungsvorhaben sicherndes Ziel ver-folgt: Während zuvor stärker im Vordergrund stand, zum Ende des Gesprächs ein möglichst gut formuliertes Ziel für die Evaluation vorliegen zu haben, wurde im Nachgang zu Team 2 mehr Wert auf die Anschlussfähigkeit gelegt. Dies geschah mit der Intention, die Anstrengungen ge-zielter darauf zu richten, das umfassende Forschungsvorhaben (überhaupt) umzusetzen. Diese Änderung führte im Einzelcoaching insbesondere zu längeren Anwärmphasen.

Ruf nach Expertenberatung

Eine weitere Hürde bei der Umsetzung betrifft ebenfalls die Beziehungsdefinition zwischen Bera-ter und Klient. Das Programm sieht vor, dass die Lösungen von den Teilnehmern selbst entwi-ckelt werden und die Beraterin den Prozess dafür gestaltet und anleitet. Von den Teams der Stichprobe hatte lediglich Team 3 in der Vergangenheit Erfahrungen mit einer solchen Prozess-beratung gesammelt. Während die Teams 1, 2, 4 und 6 noch keinerlei Erfahrung mit Beratung im engeren Sinne gemacht hatten (d.h. lediglich Seminarbesuche kannten), handelte es sich bei Team 5 um ein internes Beraterteam mit Ausrichtung auf klassische betriebswirtschaftliche Ex-pertenberatung. Dieses Beratungsverständnis sieht vor, dass der Berater in erster Linie Fachex-perte ist, der das Know-how vermittelt, welches der Klient zur Lösung seiner Probleme benötigt. Es zeigte sich, dass ein solches Beratungsverständnis einen Hemmschuh für das Einlassen auf das Programm darstellen kann. Der Versuch, vom ersten Gespräch an deutlich zu transportie-ren, dass keine Ratschläge gegeben und Lösungen von den Teilnehmern selbst erarbeitet wür-den, muss als gescheitert bewertet werden. Die Äußerungen der Teilnehmer zeigten, dass dies offenbar nur von Team 3, dessen Teilnehmer ohnehin schon ein Verständnis für diese Art von Arbeit aufbrachten, aufgenommen wurde. Auch in Team 2 wurde der Ansatz von Einzelnen be-fürwortet („Es gibt keine Strategien oder Werkzeuge, die über das hinausgehen, was man schon kennt“, WS1T2). Einzelne zeigten sich jedoch sehr überrascht, da sie eher mit Ratschlägen ge-rechnet hatten (vgl. Kap. 9). Die meisten Teilnehmer hatten keine Vorstellung, wie sich Prozess-beratung in der Praxis konkret gestaltet und welche Konsequenzen sich daraus für sie ergeben. So wurde in den Teams 1 und 4 vereinzelt und in Team 5 bei jedem Kontakt der Ruf nach „Tools“, „Tipps“, „Benchmarks“ (Vergleichen mit anderen Teams) oder „Ratschlägen“ laut:

WS2T5: „Ich hätte mir mehr Tools, etwas Konkretes erhofft. Selbstmanagement in dem Sinne, dass man etwas hat, wo man sich entlanghangeln kann. Nicht nur Gedanken.“

Die berufliche Sozialisation scheint insofern als Moderatorvariable eine Rolle zu spielen, als die Erwartung an eine „ordentliche Beratung“ bei Personen, die selbst eine Expertenberatungsrolle einnehmen, gefestigter ist und weniger Abweichungen duldet. Im folgenden Dialog, (der im An-schluss an das Einzelcoaching stattfand) werden die durch die Beraterin und das Programm unerfüllten Erwartungen deutlich:

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ECT5B4: „Ich hätte mir gewünscht, dass das vielleicht noch ein bisschen, dass noch ein bisschen mehr noch Bera-tungsinput kommt. So ein bisschen ’wie kann mir der Coach jetzt helfen auf diesem Weg?’Aber vielleicht ist es auch von der Erwartung zu hoch, ich weiß es nicht. Aber nach dem Motto: „Andere in der Situation haben sich folgender-maßen verhalten“ oder ’Ich kenne da welche’ ... Also das Aspirin sozusagen, was man schnell mal einwirft, um kurz-zeitig bestimmte Schmerzzustände beiseite legen zu können. Und da vermute ich, dass mein eigener Erfahrungs-schatz vielleicht nicht allumfassend ist, sondern dass es da auch noch andere gibt, wo man sagen kann, ‚Mensch, da gibt es folgende Sachen, die man machen kann. Und wenn man das tut, dann hilft das […].’“ I: „Weil letztlich, also mein Ansatz geht davon aus, dass letztlich jegliches Aspirin auch nur die körpereigenen Endor-phine anregt. Und das sollte jetzt quasi ein Weg sein, diese körpereigenen Endorphine anzuregen, ohne Aspirin.” ECT5B4: “Ja. Aber dann muss es halt auch Aspirin sein, körpereigen ist ja gut. Aber manchmal geht es eben nicht ohne Aspirin.”

Möglicherweise könnte hier Abhilfe schaffen, im Rahmen der Kontraktgestaltung noch stärker darauf zu achten, dass die Teilnehmer ein klares Bild davon erhalten, worauf sie sich mit dem Programm einlassen. Doch dies ändert an den grundlegenden Erwartungen an eine Beratung vermutlich wenig. In Team 5 wurde versucht, den Bedürfnissen der Teilnehmer dadurch nach-zukommen, dass der Überblick über die in Selbstmanagement-Trainings vermittelten Selbstma-nagement-Strategien (siehe Anhang 1) ausgeteilt wurde und angeboten wurde, darüber bei Be-darf zu sprechen. Dies trug jedoch nicht zur Zufriedenheit der Teilnehmer bei; das Angebot wur-de auch nicht in Anspruch genommen. In Team 4 wurde stärker darauf geachtet, die Teilnehmer im Prozess darauf aufmerksam zu machen, dass bestimmte Prozesselemente als „Tools“ für die Zusammenarbeit dienen können (z.B. die verschiedenen Ebenen des Zuhörens, der Dialog, die kollegiale Beratung, Prozessreflexionsrunden etc.). Dies half, den Blick der Teilnehmer für das Nützliche an der Prozessberatung zu schärfen.

WS2T4: “Ich habe ein Werkzeug bekommen, z.B. den Fragenkatalog. Eigentlich liegt die Lösung in einem selbst. Wir haben auch ein gewisses Werkzeug bekommen, auch für die Problemlösung im Team.”

In diesem Team blieb nur eine Person unzufrieden mit dem Format der Beratung:

WS2T4: “Insgesamt der Workshop, die Darreichungsform passt mir weniger gut. Ich fände es besser, wenn mehr Elemente des Frontalunterrichts da wären, dass harte Fakten in dich reingepumpt werden. Das hier ist teilweise zu verspielt für mich, auch wenn es Spaß gemacht hat.”

Die Reflexion der Beratungsmethoden auf der Metaebene sollte jedoch nicht zu viel Raum ein-nehmen, damit sie nicht von der Beschäftigung mit sich selbst und den Teamthemen ablenkt. In Team 5 waren einige Teilnehmer, bedingt durch ihre Beratungsrolle, sehr daran interessiert, die eingesetzten Methoden und das Vorgehen der Beraterin zu hinterfragen.158 Dies sorgte für theo-retische Diskussionen, die der Selbsterfahrung abträglich waren. Es scheint plausibel, dass ein Einlassen auf die Methoden durch das Einnehmen einer Metaperspektive erschwert wird, da eine solche in der Regel mit Abstraktion und emotionaler Distanzierung einhergeht.

Beobachtete Konflikte, die auf die Bearbeitung von Selbstmanagementthemen im Team zurück-geführt werden, werden in den nachfolgenden Abschnitten aufgezeigt.

Schlechtes Timing versus Teil sein

Es wurde bereits bei den eher personbezogenen Implementationshindernissen darauf verwie-sen, dass durch die spezifische Ausgangskonstellation im Projekt nicht bei allen Teilnehmern ein Anliegen vorausgesetzt werden kann. Noch unwahrscheinlicher dagegen ist es, dass bei allen Teammitgliedern gleichzeitig Leidensdruck bzw. Änderungsmotivation vorhanden und zudem gerade das richtige „Kairos“ für die Interventionen gegeben ist. Bei der Durchführung eines

158 Dieser Wunsch blieb bis zum Ende des Projekts bestehen, wie der folgende Dialog illustriert: I: „Was hätte noch passieren müs-sen, damit du zufriedener bist?“ T5B4: „Ah, das alte Thema, ich hätte gerne genau verstanden, was passiert. [I: „Was wo passiert?“] In den Workshops. Was genau das Ziel ist, wie du vorgehst, was deine Gedanken sind dazu, warum du das jetzt machst, solche Themen. […] Ich weiß nicht, ob das für den Prozess förderlich gewesen wäre, ich hätte natürlich auch (). Aber für meine Neugier wäre das sehr gut gewesen.“

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Teamprojekts kommen die Teilnehmer jedoch gewissermaßen in Zugzwang. Sie möchten Teil sein und sich dem Team weiterhin zugehörig fühlen. Dazu gehört auch, am Interventionspro-gramm gemeinsam mit den Teamkollegen teilzunehmen und sich nicht abzusondern. Ein Kon-flikt ergibt sich demnach aus dem Wunsch nach Zugehörigkeit und dem Rahmen des Projekts, der ausdrücklich die Bearbeitung von Selbstmanagementthemen (die zunächst auf individueller Ebene verortet sind) vorsieht:

ECT2B1: „Also, wenn ich da sage ‚nee, ich hab kein Thema’, dann sagen die ’ja, T2B1, warum hast Du denn keins?’, oder was? Ich weiß nicht, woran liegt es, weil ich nicht die Prioritäten auf irgendetwas setzten wollte oder konnte, /ehm/ an dem wo ich dann sage, ‚Ok, daran muss ich arbeiten.’

Für diesen Konflikt kann keine optimale Lösung vorgeschlagen werden. Eine halbherzige Teil-nahme erscheint wenig sinnvoll, verspricht sie doch keinen individuellen Nutzen des Pro-gramms. Auch wirkt es sich vermutlich nachteilig auf die Dynamik in der Interventionssituation aus, wenn einige Personen nur „halb dabei“ sind. Ein Ausstieg aus dem Programm dagegen verbleibt nicht ohne Auswirkungen auf das Team. Der Teilnehmer, der in Team 5 die Entschei-dung traf, nach dem ersten Workshop nicht weiter am Projekt teilzunehmen, kann hier als Bei-spiel angeführt werden. Da er für einen anderen Aufgabenbereich zuständig war, der wenig Ko-operation mit dem Rest des Teams erforderte, schien der Ausstieg zunächst nicht weiter prob-lematisch. Im Nachhinein jedoch bedauerten zwei der Teammitglieder, dass die Person nicht teilgenommen habe.159 Sie sehen die Gefahr, dass man dadurch ein „Subteam der sich besser Verstehenden“ (T5B4) schafft. Der Ausfall von jeweils zwei Teilnehmern in Team 1 und 3 dage-gen blieb offenbar ohne nachteilige Auswirkungen. Zumindest wurden von den übrigen Team-mitgliedern im Prozess keine Irritationen geäußert. Lediglich ein Teilnehmer aus Team 3 wünschte sich bei der rückblickenden Bewertung im Evaluationsinterview, dass die Beraterin den Ausstieg eines Kollegen aus dem Prozess stärker thematisiert hätte. Es kann vermutet wer-den, dass die Angabe „guter Gründe“ (z.B. Krankheit) für den Ausstieg aus dem Projekt dafür sorgt, dass der Konflikt entschärft wird und das Team verständnisvoll reagiert.

Authentizität versus Mikropolitik

Die Teilnehmer haben im Rahmen des Interventionsprogramms (vor allem im Rahmen von Workshop II) die Möglichkeit, anders als in der üblichen Teaminteraktion zu agieren, indem sie etwas von sich zeigen. Dieser Schritt erfordert jedoch Mut, sich auf neues, unbekanntes Terrain vorzuwagen. Im rückblickenden Evaluationsinterview zieht ein Teilnehmer den Vergleich mit einem „Striptease“:

T1B1: „Also, ich glaube, ich komme einfach noch besser zurecht. Weil wir füreinander ja schon so ein bisschen Strip-tease hinlegen mussten. Und dazu braucht man ja ein gewisses Vertrauen in den anderen. Und das hat die Vertrau-ensbasis sehr gestärkt. Das würde ich schon sagen.“ I: „Und was hast du als Striptease empfunden?“ T1B1: „Das ist einfach, ich - wenn man mich nicht fragt, erzähle ich nichts. Und viele Leute fragen nicht. [I: Ja.] Und deswegen erzähle ich halt nichts. Und hier war es ja schon irgendwie unter der Anleitung musste man einander be-fragen. Und das ist für mich schon immer so ein Schritt, der zu so einer Selbstentkleidung führt: Ich erzähle jetzt mal über meine Ziele und meine Wünsche und meine Hoffnungen. Und das ist – ich finde das nicht so selbstverständlich.“ I: „Also, Du hast von dir selbst...“ T1B1: „Etwas preisgeben.“ I: „Etwas preisgegeben, was eingebracht, in das Team.“ T1B1: „Genau. Ja, und ich finde, das ist nicht – ich hatte auch schon Arbeitskollegen, denen ich nie etwas erzählt habe. Man arbeitet halt miteinander.“

In diesem Zusammenhang begegnet man im Organisationskontext häufig der Einstellung, dass es von Nachteil sei, sich vor den Kollegen (und erst recht vor der eigenen Führungskraft) „die

159 T5B4: „Schade, weil ich glaube, am Ende hätte es ihm auch viel geholfen“ und T5B2: „Also, erst einmal grundsätzlich ist es sowieso schade und auch, finde ich, nicht empfehlenswert, dass während des Prozesses einer aus dem Team nicht mitmacht.“

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Blöße“ zu geben. Die Befürchtung, dass man vor den Kollegen etwas preisgeben müsse, das man lieber für sich behalten möchte, wurde bereits in einigen Vorgesprächen thematisiert. Sie kann so weit gehen, dass das Programm insgesamt abgelehnt wird. Denn die Arbeit mit dem individuellen Selbstmanagement der Teammitglieder erfordert eine authentische Basis. Seitens der Beratung muss dafür eine Atmosphäre geschaffen werden, in der die Teilnehmer sich mit ihren persönlichen Anliegen gut aufgehoben fühlen. Teilnehmer am Programm können dennoch in einen Konflikt geraten zwischen dem Bestreben, etwas von sich zu offenbaren und sich au-thentisch in die Teamarbeit einzubringen und der Absicht, strategisch klug zu agieren, zum Bei-spiel um ihre langfristigen Selbstmanagement-Ziele besser zu erreichen.160

Insbesondere für Team 5 wird angenommen, dass die Teammitglieder mit diesem intraindivi-duellen Konflikt stark beschäftigt waren. Unter anderem die folgenden Beobachtungen führten zu dieser Annahme: Im ersten Workshop zeigten die Teammitglieder ein hohes Maß an Zurück-haltung und Zögerlichkeit in ihren Wortbeiträgen. Es entstand der Eindruck, dass immer zu-nächst abgewartet wurde, was die Führungskraft oder andere Kollegen äußerten, bevor jemand selbst Stellung bezog. Bereits die Anfangsfrage „Wer bin ich?“ stürzte die Teammitglieder in große Verlegenheit. Sie brachten viele Kommentare dazu an, dass diese Frage sehr schwer zu beantworten sei. In Workshop II konnte beobachtet werden, dass persönliche Fragen in Tan-dem- oder Dreiergesprächen von Einzelnen verbal und nonverbal zurückgewiesen wurden. Ein-zelne Gespräche verliefen dadurch sehr zäh. Am zweiten Tag wurden die eigenen Anliegen von der Mehrheit der Teammitglieder zum Teil so kryptisch formuliert, dass lediglich Vermutungen angestellt werden konnten, was die Person gerade beschäftigte. Auf Nachfragen der Beraterin wurde nur ausweichend geantwortet. Diese beobachteten Verhaltensweisen lassen sich als funktional zur Wahrung der eigenen Privatsphäre bzw. der Außendarstellung, welche die Teil-nehmer für die Arbeit zulassen, interpretieren. Entsprechend wurde von der Teamleitung auch die Frage gestellt, ob die Diskussion wirklich „ehrlich“ sei. Darum gebeten, ihr Empfinden dazu zu schildern, nahmen die anderen Teammitglieder jedoch die Gelegenheit, „tiefer“ zu gehen, nicht wahr. Die Bearbeitung von Selbstmanagement-Anliegen im Team wurde deutlich dadurch erschwert, dass die Teilnehmer stark zwischen „beruflicher“ und „privater" Person trennten und sich auf ein unverfängliches berufliches Terrain zu beschränken suchten. Lediglich eine Person, die den Mut hatte, ihr Anliegen zu offenbaren, fand Lösungen, die sie zufrieden stellten.

Das Beispiel von Team 5 sowie die Erfahrungen im Rahmen der Teamakquise lassen vermuten, dass das Setting des Interventionsprogramms gewisse Selbstoffenbarungsängste provoziert. Sofern Nicht-Authentizität den Teilnehmern aus irgendeinem Grund funktional erscheint, werden diese Ängste zum Hindernis für die konzeptgemäße Umsetzung des Programms. Auch kann Unzufriedenheit mit dem Programm entstehen, da die Teilnehmer sich möglicherweise unter Druck gesetzt fühlen, „dem Teamprozess zuliebe“ etwas zu tun, was ihre persönliche Grenze überschreitet. Es ist zu vermuten, dass die Schwelle für eine authentische Selbstoffenbarung in einer eher „politischen“ Organisationskultur, in der diplomatisches Agieren gefordert ist und die Planung der eigenen Selbstdarstellung zum Tagesgeschäft gehört, eher erhöht ist („Und wir sind hier extrem politisch verstrickt“, ECT5B4). Doch auch die Art der Selbstmanagementthemen, die die Teilnehmer gerade beschäftigen, hat einen deutlichen Einfluss. So ist es aus mikropolitischer Perspektive sicherlich angeraten, den Wunsch nach einer Beförderung (womöglich auf den Pos-ten des Teamleiters) nur an den relevanten Stellen zu platzieren:

160 Vgl. T4B2: „Man muss bereit sein, persönliche Dinge preiszugeben, und man muss auch bereit sein, sich auch auf die anderen Personen einzulassen. In dem Zuge steckt auch ein Risiko, vielleicht eventuell zu viel preiszu geben oder etwas preiszugeben, was man nicht möchte. Bei manchen Fragen überlegt man ja auch: ‚Sage ich jetzt zuviel oder nicht?’“

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NBT2T1: “Dann auch die Frage, wie persönlich, was möchte ich Dir überhaupt erzählen? Vielleicht habe ich da etwas, das möchte ich Dir aber gar nicht erzählen, z.B. wenn ich Abteilungsleiter werden möchte oder so.”

Auch bei einer beruflichen Neuorientierung möchte man sich von den Teamkollegen nicht in die Karten schauen lassen, bevor man selbst Klarheit über seine nächsten Schritte gewonnen hat. Manche Themen sind wiederum zu privater Natur. Dass das momentan wichtigste Ziel ist, einen Partner zu finden, und man deswegen an seiner Work-life-Balance feilt, ist etwa ein Anliegen, das man vielleicht mit engen Freunden, jedoch nicht mit seinen Kollegen teilen möchte. Jeder Teilnehmer muss folglich auswählen, was er sich selbst und den anderen zumuten will. In ihrer Kommunikation gleichzeitig authentisch und selektiv zu sein, stellt einen Balanceakt dar, der für einige Personen ungewohnt ist und der möglicherweise als hohe Beanspruchung erlebt wird. So lassen sich auch manche Sorgen zu Workshopbeginn dadurch erklären, dass den Teilnehmern plötzlich bewusst wird, dass es zu einer Veröffentlichung ihrer Selbstmanagementthemen kom-men könnte:

WS2T3: “Ich habe die Befürchtung, ich finde mein Thema nicht mehr so gut. Das Thema, das wir damals besprochen haben. Oder ich müsste mir etwas anderes suchen.”

Die Entscheidung, wie viel jeder von sich zeigen möchte, kann keinem Teilnehmer abgenom-men werden. In der rückblickenden Bewertung des Gesamtprozesses weist ein Teilnehmer dar-auf hin, dass hier auch dispositionelle Unterschiede zu berücksichtigen sind:

I: “Ja. Oder einfacher, womit müssen sie [Anm.: potenzielle weitere Teilnehmer] rechnen, wenn sie sich auf eine sol-che Intervention einlassen?“ T3B8: “Dass man sich sehr persönlich auseinandersetzt. Das geht schon ans Eingemachte. Das habe ich in diesen Einzelgesprächen und in Bredbek [Anm.: Ort von Workshop II] gemerkt. Es ist schon ein persönliches Einlassen, was ich kann. Ich bin da ein offenes Buch. Aber das kann nicht jeder. Das ist manchmal schwierig, sich so persönlich zu geben. Man sollte wissen, dass das so ist und, dass es dazu kommen kann. Es ist im Grunde wie so ein Öffnen. Da-vor muss man sich nicht scheuen, weil es die eigentliche Chance ist.”

Wichtig ist daher, dass den Teilnehmern für die Entscheidung im Workshop Zeit gelassen wird und jede Entscheidung – auch diejenige, sich nicht „öffnen“ zu wollen – respektiert wird.

Nähe versus Distanz

Die Bearbeitung von Selbstmanagementthemen im Team wirft die Frage auf, welcher Stellen-wert dem Team für die individuelle Entwicklung seiner Mitglieder zukommt. Fragen, die sich je-des Teammitglied in diesem Zusammenhang stellen muss, sind etwa „Ist das hier für mich ‚nur ein Job’?“, „Wie wichtig ist es mir, eine Vertrauensbasis mit meinen Kollegen zu haben und mit ihnen auch über persönliche Dinge reden zu können?“, „Wo sollte das kollegiale Miteinander aufhören und meine Privatsphäre beginnen?“. Sprengstoff für interindividuelle Konflikte verbirgt sich darin, dass bei diesen Fragen unterschiedliche persönliche Präferenzen und Bedürfnisse aufeinanderprallen. Die Teilnehmer werden insbesondere durch die Interventionen in Workshop II für dieses Thema sensibilisiert. In die Reflexion werden dann Fragen eingebracht wie: „Ist das überhaupt der Ort? Möchte ich das eigentlich, auch Persönliches von mir einbringen?“ (WS2T5). Eine Person aus Team 1 brachte zum Ausdruck, dass sie sich unwohl fühle, weil ihr das „zu nah“ käme und sie merken würde, wie sie „innerlich dicht mache“ (WS2T1) und Fluchtimpulse verspüre. Daraufhin entwickelte sich eine Diskussion des gesamten Teams darüber, ob es von Vorteil sei, sich füreinander zu öffnen, so dass man „daran Teil hat als Mensch“ (WS2T1). Es wurde diskutiert, dass man sich verletzlich damit mache, dass es von einigen möglicherweise als „Schwäche“ gesehen werde. Andererseits wurden Chancen darin gesehen, dass Vertrauen wachse und man viele Dinge ansprechen könne. Ein Teilnehmer plädierte dafür, das Team solle die „Riesen-Chance“ nutzen, sich menschlich füreinander zu öffnen, und nicht nur „hinter Fas-

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saden“ miteinander zu interagieren (WS2T1). Die betreffende Person betonte jedoch, für sie sei das nichts. Dies sei nicht „der erste Freundeskreis“ und sie befürchte zu viel „Durcheinander“.161 Die anderen Teammitglieder brachten ein, dass „das auch einiges mit Angst zu tun habe“, zum Beispiel „Angst, dass es nicht hier [Anm.: im Sinne von „im Raum“] bleibt“.

Sofern das Thema „Nähe / Distanz – wieviel ist gut für uns?“ im Rahmen der Workshops explizit zur Sprache kam, habe ich als Beraterin besonders darauf geachtet, dass unterschiedliche Hal-tungen und Meinungen geäußert und als gleichwertig gültig behandelt wurden. Versuche zum Beispiel der „nähe-affinen“ Teilnehmer, die „Distanzierteren“ zu bekehren, habe ich unterbunden und darauf hingewiesen, dass es zu diesem Thema kein „richtig oder falsch“ gibt, sondern un-terschiedliche Meinungen und Bedürfnisse. Ausgangspunkt für dieses Handeln war die Annah-me, dass die Teammitglieder miteinander ihren eigenen Weg finden müssen (und in der Ver-gangenheit bereits gefunden haben), Nähe und Distanz möglichst so zu regulieren, dass Frust-ration und Aggression erträglich bleiben. Dabei sind alle in gleicher Weise gefordert. Weder von außen noch von Einzelnen im Team kann ein Optimum definiert oder vorgegeben werden. Auch wenn Studien zeigen, dass Teamkohäsion bzw. „die Pflege persönlicher Beziehungen vorteilhaft für die Effektivität“ (Scholl, 2003) sein kann, reicht dies nicht, um „Nähe“ als ein erstrebenswer-tes Ziel zu postulieren. Im Einzelfall ist eher die Frage zu beantworten, wie viel Distanz sich das Team leisten kann, ohne dass sein Auftrag oder Teammitglieder darunter leiden.

Auch wenn es kein ausdrückliches Ziel des Interventionsprogramms darstellt, so gehen viele Interventionen damit einher, dass sie die Nähe im Team eher intensivieren. Personen mit einem stärkeren Bedürfnis nach Distanz fällt es schwerer, sich auf Teile des Interventionsprogramms (z.B. intensive Dialoge mit den Kollegen über den eigenen Weg) einzulassen:

T1B4: „Und ja dann hat sich das so wieder normal eingeschliffen, sag ich mal.“ I: „Was meinst du mit eingeschliffen?“ T1B4: „Ja, so, wieder auf normal gekommen alles so.“ I: „Dein was ist auf normal gekommen, dann?“ T1B4: „Meine Stimmung, meine Beziehung dazu, und so weil als erstes dachte ich, „Da kannst Du dich ja nie wieder blicken lassen hier“. Das war viel zu viel erzählt, und“ I: „Ja, also das war für dich eine Grenze, die da überschritten war? Deine persönliche Grenze, dass du dich da pein-lich berührt fühltest, oder?” T1B4: „Ja. Ich kann es schlecht beschreiben. Das war mir dann auch zuviel. Einfach zu viel.“ I: „Und dann brauchtest du wieder ein bisschen Abstand und dann hat sich das wieder eingerenkt?“ T1B4: „Genau.“ I: „Ok.“ T1B4: „Es ist halt häufig bei mir so, dass ich mal Abstand brauche, oder so. Auch wenn ich mit [Anm.: enge Bezugs-person, anonymisiert] wochenlang unterwegs bin. Irgendwann muss ich dann sagen, ‚So nee, jetzt muss ich mal allei-ne zu Hause für mich mauscheln.’ Denn sonst ist, ab und zu brauche ich halt dann Zeit und Abstand von so einem Zeugs, von allem.“

So war auch zu beobachten, dass einige Teilnehmer in den Workshops über Humor, zynische Kommentare oder Abstand zum Team wieder für die aus ihrer Sicht nötige Distanz sorgten. Auf diese Weise nehmen sie sich jedoch die Gelegenheit, über das „Sensing“ (vgl. 4.2) auf die Per-spektiven anderer einzulassen und darüber Anregungen für ihr Selbstmanagement mitzuneh-men. Schwierig wird es, wenn direkte Zurückweisung geäußert wird. Eine Person zeigte etwa anlässlich der Frage eines Teamkollegen im Dialog über den eigenen Lebensweg mit dem Kom-mentar „Das ist mir zu persönlich“ klar ihre Grenzen auf. Dies führte in der weiteren Kommunika-tion dazu, dass der Gesprächspartner kaum noch Nachfragen stellte und kein Dialog zustande kam.

161 Vgl. T4B3: „Einerseits ist man privat, aber man möchte nicht zu privat werden, wie das im Arbeitsleben nun mal eben ist. Das sind nicht meine Kumpels und ich bin auch nicht deren Kumpel. Ich bin ein Arbeitskollege. Wir duzen uns, reden vielleicht auch mal über ein paar Sachen, aber das war es dann halt auch. Was auch okay ist.“

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Weitere Ergebnisse der formativen Evaluation 203

10.3 Prozessqualität

Die wahrgenommene Prozessqualität liefert Hinweise auf die generelle Zufriedenheit der Teil-nehmer mit dem Programm. Insgesamt 146 Fragebögen geben darüber Aufschluss. Da in Be-zug auf die Auswertung der Fragebögen zur Prozessqualität schiefe wie zweigipflige Verteilun-gen durch das arithmetische Mittel schlecht repräsentiert wären, wurde der Median als auf-schlussreichstes deskriptives Maß ausgewertet.162 Dabei wurde die Dimension „Zufriedenheit mit der eigenen Mitarbeit“ nicht berücksichtigt. Wie bereits ausgeführt wurde, ist diese Frage vor allem als Intervention gedacht. Eine vergleichende Auswertung, welche die Auswertung der Di-mension einschloss, ergab zudem nur sehr geringfügige und unsystematische Abweichungen von der Auswertung unter Ausschluss der Dimension. Einen Überblick des Medians der fünf restlichen Dimensionen der Prozessqualität je Interventionssetting und Team bietet Tabelle 15.

Die Bewertungen für den ersten Workshop fallen insgesamt etwas niedriger aus als die restli-chen Beurteilungen. In Bezug auf die Dimension des Sehens neuer Perspektiven und Möglich-keiten sind niedrigere Werte erwartungskonform, da der erste Workshop noch nicht auf eine Perspektivenerweiterung abzielt. Die niedrigeren Gesamtwerte resultieren jedoch nicht allein aus geringeren Ausprägungen auf dieser Dimension. Bei näherer Betrachtung ist kein eindeuti-ges Muster zu identifizieren. Festzuhalten ist zunächst, dass sich die Wertungen des Fragebo-gens zur Prozessqualität in Workshop I offenbar nicht als Prädiktor für die weitere Teilnahme am Programm eignen. Auch spielen Effekte der Selbstselektion beziehungsweise, dass nur noch zufriedene Teilnehmer am Programm weiter teilnehmen, eine eher geringe Rolle in Bezug auf nachfolgende höhere Wertungen.

Tabelle 15: Median der fünf Dimensionen der Prozessqualität je Maßnahme und Team (Skala 1-10)

MAßNAHME

TEAM

WS I EINZELCOACHING

WS II WS III BEWERTUNG GESAMTPRO-ZESS

Team 1 7,00 (n= 8) 8,00 (n= 7) 8,00 (n= 6) 8,00 (n= 5) 8,00 (n= 6)

Team 2 6,00 (n= 7) 8,00 (n= 7)

Team 3 8,00 (n= 10) 9,00 (n= 10) 9,00 (n= 8) 9,00 (n= 8) 9,00 (n= 8)

Team 4 8,00 (n= 5) 8,00 (n= 5) 8,00 (n= 5) 8,00 (n= 5) 8,00 (n= 5)

Team 5 6,50 (n= 6) 8,00 (n= 5) 5,00 (n= 5) 8,00 (n= 5) 7,00 (n= 5)

Team 6 7,00 (n= 5)

Median TOTAL

7,00 (n= 41) 8,00 (n= 34) 8,00 (n= 24) 8,00 (n= 23) 8,00 (n= 24)

Insgesamt kann die Einschätzung der Prozessqualität bei den Personen, die die Zielgruppen-voraussetzung erfüllten (Teilnehmer aus den Teams 1, 3, 4 und 5), als durchweg hoch betrach-tet werden. Der Wert, der die Verteilung in zwei Hälften teilt, liegt überwiegend am oberen Ende

162 Darüber hinaus kann ohnehin nur ein Ordinalskalenniveau der Daten angenommen werden, so dass eine Mittelwertsbildung streng genommen nicht zulässig wäre.

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Weitere Ergebnisse der formativen Evaluation 204

der Skala (vgl. Tabelle 15). Auch bleiben die Einschätzungen im Verlauf des Projekts innerhalb der Teams relativ konstant. Eine Ausnahme bildet die Bewertung des zweiten Workshops durch Team 5. Die Unzufriedenheit der Teilnehmer mit dem zweiten Workshoptag (vgl. 9.2.3) spiegelt sich hier in einem Median von 5 wider. Dass sich diese Entsprechung zu den Aussagen aus der Prozessreflexion findet, spricht für die Validität des Fragebogens zur Messung der Zufriedenheit der Teilnehmer mit dem Prozess.

Das Beispiel zeigt jedoch auch, dass die Teilnehmer relativ wenig zwischen den einzelnen Di-mensionen der Prozessqualität differenzieren. Ein Halo-Effekt ist beobachtbar: Die allgemeine Unzufriedenheit „überstrahlt“ die Einzelbewertungen und findet nicht nur in der globalen Zufrie-denheitsbewertung Niederschlag. Stattdessen wird der Workshop gleichzeitig als weniger lö-sungsorientiert, weniger Perspektiven und Möglichkeiten bietend, weniger sinnvoll und nützlich sowie das Verhalten der Beraterin als weniger hilfreich bewertet. Diese geringe Differenziertheit findet sich durchgängig in allen Teams und bei der Bewertung aller Maßnahmen. Über alle Teams und Maßnahmen hinweg liegt der Median bis auf eine Ausnahme für alle Dimensionen des Fragebogens bei 8 (vgl. Abb. 14). Die Einschätzung, inwiefern Verhalten und Haltung der Beraterin als hilfreich erlebt wurden, liegt mit einem Median von 9 etwas höher. Eine Hypothese für diese einzige Differenzierung besteht darin, sie als Zeichen sozialer Erwünschtheit zu deu-ten. Da dieses Item direkt auf eine Bewertung der Beraterin abzielt, nutzen die Teilnehmer es möglicherweise, um ihrer Wertschätzung Ausdruck zu verleihen oder um befürchtete Sanktionen bei negativen Bewertungen zu vermeiden.

Betrachtet man die Kontinuität der Beurteilungen der einzelnen Teilnehmer über den Verlauf des Projekts, so bleiben Überraschungen weitgehend aus. Obwohl die Bewertungen der Teilnehmer in Bezug auf einzelne Dimensionen durchaus mehr oder weniger stark variieren, zeigen sich in der Bewertung über alle Dimensionen hinweg keine größeren Schwankungen zwischen den Maßnahmenbewertungen, die über die bereits skizzierten Trends (geringere Bewertung von Workshop I, positivere Bewertung der Beraterin) hinausführen. So weicht auch die rückblickende Einschätzung des Gesamtprozesses nur bei einer Person (T5B2, vgl. 11.5.3) stark von den Wer-ten ab, die aufgrund der Bewertungen der vorhergehenden Einzelmaßnahmen zu erwarten ge-wesen wäre. Zusammenfassend wird die Prozessqualität im Verlauf der Projekte von den Teil-nehmern mit einem hohen Maß an Kontinuität als hoch beurteilt.

Abb. 14: Median der einzelnen Dimensionen des Fragebogens zur Prozessqualität über alle Maßnahmen und Teams

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Weitere Ergebnisse der formativen Evaluation 205

Die Angaben aus dem Fragebogen zur Prozessqualität sind jedoch insofern zu relativieren, als sie nur eine Ergänzung zu den qualitativen Aussagen (vgl. Kap. 9 und 11) darstellen. Der Fra-gebogen kann als Instrument nur eine grobe Einschätzung liefern. Die Angaben sind mit Vor-sicht zu genießen, weil die Teilnehmer den Fragebogen jeweils unterschiedlich nutzen und in-terpretieren. Für den individuellen Umgang der Teilnehmer mit dem Fragebogen sprechen etwa die folgenden Beobachtungen: Die bei jeder Maßnahme interindividuell sehr heterogenen Be-wertungen auf die Frage hin „Inwiefern haben Sie erlebt, dass sich die Beratung anstelle von Problemen an Lösungen orientiert?“ lassen darauf schließen, dass den Teilnehmern die Beurtei-lung dieses Aspekts schwer fiel. Der Bewertung scheinen sehr unterschiedliche Interpretationen von „Lösungsorientierung“ zugrunde zu liegen. Einige Aussagen von Teilnehmern im Rahmen der abschließenden Beurteilung des Gesamtprozesses bestätigen diese Vermutung:

I: „Ok, und inwiefern hast du erlebt, dass sich die Beratung anstelle von Problemen an Lösungen orientiert?“ T1B3: „Ich würde jetzt sagen, uh, schwer.” I: „Schwer warum?“ T1B3: „Weil es schwer einzuschätzen ist, inwiefern Dinge, die vielleicht die Probleme fokussieren, eigentlich Teil der Lösungen sind. Also, zum Beispiel, wenn ich das Bewusstsein eines Teammitglieds auf seine eigenen persönlichen Probleme lenke, kann man vielleicht sagen, das ist problemorientiert. Aber es ist vielleicht ein absolut notwendiger Schritt in der Lösung.”

Außerdem wurde über alle Teilnehmer hinweg zwar beinahe die gesamte zur Verfügung ste-hende Skala genutzt, da Werte von 2 bis 10 vergeben wurden. In den Bemerkungen zur Frage, was passieren müsse, damit sich die Skalenwerte in der Bewertung nach oben verschieben, fanden sich jedoch häufig Kommentare wie „Für mein Gefühl kann die 10 nie erreicht werden“ (ECFBT3B4) oder „Die Werte sind hoch; da ich selbst nicht genau alles einschätzen kann, sind sie nicht maximal“ (WS1FBT1B7) oder aber „Das ist mehr eine Sache der Einstellung zu An-kreuztests“ (WS2FBT1B4). Diese beispielhaften Aussagen zeigen, dass die Teilnehmer jeweils unterschiedliche Maßstäbe anlegen, die auch von ihrer Einstellung zu Diagnostik im Allgemei-nen geprägt sind.

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Ergebnisse der summativen Evaluation 206

11 Ergebnisse der summativen Evaluation

In jeweils 1,5-stündigen rückblickenden Evaluationsinterviews rekonstruierten die Teilnehmer gemeinsam mit der Evaluatorin den Gesamtprozess der Intervention und die dabei erlebten Veränderungen. Nachfolgend wird mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse der 24 Inter-viewtranskripte (und je nach Fragestellung zusätzlichem Material, vgl. 8.2.1) das Erleben der Teilnehmer rekonstruiert. Im Mittelpunkt der Auswertung steht, welche Veränderungen die Pro-banden an sich selbst und in Bezug auf ihr Team erlebt haben und welche Rückwirkungen zwi-schen Team- und Individualebene wahrgenommen wurden. Ausgewertet werden auch die Be-wertungen des Beitrags der Beratung zu den erlebten Veränderungen sowie die Nachhaltigkeit der Veränderungen.

11.1 Veränderungen auf individueller Ebene

Die Auswertung der Evaluationsinterviews zeigt, dass die Programmteilnehmer den Prozess sehr unterschiedlich erleben und ausgestalten. Nur auf wenige Teilnehmer treffen alle nachfol-gend aufgeführten Veränderungen gleichzeitig zu. So heben die Befragten in ihrem Rückblick auch differierende Aspekte hervor. Beispielsweise betont eine jüngere Teilnehmerin, dass sie über den Teamprozess, ihre im Einzelcoaching entwickelten Selbstmanagement-Strategien und den Besuch eines Seminars ein starkes Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten gewonnen habe. Dieses begünstigte ihre Zielerreichung. Eine erfahrene Teamleitung steht dagegen nach dem Prozess mit einem klaren Gefühl der Verantwortung vor Problemen, die zuvor im Dunklen lagen. Dieses geschärfte Problembewusstsein macht sie unzufriedener als vor Projektbeginn. Ein anderer Teilnehmer hat das Gefühl, eine große innere Klarheit darüber gewonnen zu haben, was ihm im Leben wirklich wichtig ist. Die Umsetzung dieser Erkenntnis ins Handeln zeigt erste Fortschritte, doch es ist noch ein weiter Weg bis zu seinem ehrgeizigen Ziel. Diese Beispiele zeigen, dass der Fokus, den die Teilnehmer bei der Wahrnehmung und Schilderung der Verän-derungen legen, sehr unterschiedlich sein kann. Nicht nur die Fülle, auch die Intensität der Ver-änderungen wird interindividuell sehr unterschiedlich wahrgenommen. Für einzelne Personen stehen im Projektrückblick eher die Veränderungen im Team im Vordergrund. Andere sehen die Priorität bei ihrem eigenen Entwicklungsprozess. Die Veränderungen, die über alle Programm-teilnehmer hinweg am häufigsten berichtet werden, lassen sich wie folgt zusammenfassen.

11.1.1 Zufriedenheit, Wohlbefinden und Stressfreihe it als Lohn erfolgreichen Selbstmanagements

Zwei Drittel der Teilnehmer berichten zum Zeitpunkt des Evaluationsinterviews über eine höhere Zufriedenheit und das Gefühl, sich in ihrer aktuellen Lebenssituation wohler zu fühlen:

T1B6: „Ich bin nicht mehr so k.o., ich bin nicht mehr so unzufrieden. Mir geht es eigentlich gut und ich bin produktiv dabei.“

Bei einigen Teilnehmern zeigt sich dies besonders in Bezug auf ihre Arbeitsituation (z.B. „dass ich mich in meiner Rolle wohler fühle“, T3B6; „dass ich mich in meiner Arbeitsituation gut fühle“, T3B8). Andere bemerken die Veränderung eher im privaten Bereich („Und ich merke es daran, dass ich mein Privatleben wieder besser genießen kann“, T3B7). Wieder andere berichten über globale Veränderungen (T4B3: „Weil ich mich einfach wesentlich besser fühle und weil ich mich auch wieder besser konzentrieren kann“).

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Ergebnisse der summativen Evaluation 207

Zwei Personen, darunter eine Teamleitung, berichten hingegen, dass sie als Ergebnis des Pro-jekts unzufriedener seien. Dies begründen sie mit einem neu gewonnenen Bewusstsein über Probleme:

Teamleitung: „Bei mir könnte er [Anm.: ein Außenstehender] wahrscheinlich eine höhere Unzufriedenheit bemerken, weil mir Probleme deutlicher geworden sind. Mein Verdrängungsmechanismus klappt nicht mehr so gut wie zuvor.“

Diese Unzufriedenheit wird jedoch als konstruktiv empfunden, da sie sinnvollen Veränderungen den Weg bereitet.

Weniger Stressempfinden trotz hoher Anforderungen

Einen Monat nach den Interventionen berichten viele Teilnehmer, dass sie mehr Entspannung oder Gelassenheit verspüren. Sie fühlen sich weniger durch Stress beansprucht:

T1B1: „Also, ich fühle mich nicht mehr so ausgelaugt. Ich hatte vor allem im letzten Jahr viel stärkere Phasen, wo ich viel mehr auf einmal gemacht habe und auch schlichtweg an manchen Tagen total ausgeknockt war. Das hatte ich eigentlich nicht mehr. Mir geht es sehr gut.“163

Das Gefühl, mit den aktuellen Anforderungen besser zurechtzukommen, ist offenbar nicht auf sinkende Belastungen oder veränderte Rahmenbedingungen zurückzuführen. Die Anforderun-gen sind nach wie vor hoch:

T3B6: „Ich glaube, die würden erkennen, dass ich entspannter geworden bin, obwohl ich privat durch Umzug und Renovierung im Moment viel zu tun habe. Dass mich vieles auch nicht so stark berührt, in dem Sinne, dass ich mich gleich immer so psychisch unter Druck setze. Ich glaube, das ist etwas, was die anderen auch merken.“164

Die Veränderung betrifft insofern eher die „inneren Voraussetzungen“ zum Umgang mit Stress und damit die Ressourcen und Bewältigungsmöglichkeiten der Teilnehmer. Einige Personen berichten über veränderte Einstellungen, die sich in diesem Zusammenhang als hilfreich erwie-sen:

T1B4: „Letztendlich glaube ich auch, dass ich ein bisschen eine nettere Einstellung zu meinem, zu meiner Studienar-beit habe. Also, ich glaube nicht mehr, dass die so schwer ist, und dass das dieser Berg ist. Sondern, dass ich das jetzt schaffe, einfach so. Das ist ein abgestecktes Thema. Und [Name der Teamleitung] hilft mir.“165

Das verringerte Stressempfinden geht bei manchen einher mit dem Erleben persönlicher Kon-trolle, dem “Gefühl, es ein bisschen besser im Griff zu haben“ (T3B9):

T1B3: „Also, das Projekt […], das wesentliche Ergebnis, also, für mich selbst ist, dass es mir geholfen hat, klar zu kommen mit meinem Leben.“

Die Veränderung scheint sich bei einigen Personen nicht erst zum Ende des Projekts einzustel-len. Vereinzelt ist sie bereits im laufenden Prozess zu beobachten. Bereits in Workshop III be-richten Einzelne beispielsweise über „mehr Gelassenheit und Zuversicht“ (WS3T3).

11.1.2 Mehr Lebensqualität durch Selbst-Klarheit

Die am häufigsten genannte Veränderung besteht in einer veränderten Selbstwahrnehmung in Richtung einer stärkeren „Klarheit“ in Bezug auf das eigene Dasein oder dessen Facetten:

T4B3: „Also, das Wichtigste war für mich, wie soll ich das sagen, war mal wieder klar zu werden. Es ist schwierig zu beschreiben. Und das hatte wenig mit dem Team zu tun. Das hatte mit mir selber zu tun.“

Den Weg, der zu dieser Veränderung führt, beschreiben manche Teilnehmer als einen Prozess

163 Vgl. T3B2: „Es ist einfach so, dass ich mich nicht mehr so belastet fühle, es ist einfach einiges besser“ und T3B1: „Dass ich es besser hingekriegt habe, im persönlichen Bereich zu entspannen, mehr mich zu finden und meine eigenen Kompetenzen auch wieder entwickeln konnte.“ 164 Vgl. T3B9: „Ich habe gerade das Gefühl, nicht so enorm gestresst zu sein, obwohl sehr viele Aufgaben zu bewältigen sind.“ 165 T3B2: „Privat kann ich sagen, mich nimmt das nicht mehr so mit. Ich denke auch nicht mehr, dass es ein Fehler war, überhaupt [anonymisierte Handlung der Person]. Ich denke, das ist eine Veränderung, die alle sehen könnten.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 208

des Bewusstwerdens und Lernens oder als „Aufwacherlebnis“ (T1B3). Die Art der Reflexion er-möglicht neue Einsichten über sich selbst. Viele Teilnehmer erleben, dass sie von oder über sich selbst lernen:

T3B1: „Ich habe ganz viel von mir selbst gelernt. Wo ich auf einmal so inne gehalten habe, eigentlich am Anfang der Maßnahme, da ist mir klar geworden, dass ich alles auf einmal erreichen will, zu gewissenhaft bin in manchen Fäl-len... Solche Sachen habe ich auf dieser Ebene gelernt. Und dass ich mehr Sachen direkt einfordern muss, einfordern ist vielleicht das falsche Wort, aber direkter ansprechen.“

Nach dem Absolvieren des Interventionsprogramms berichten viele Teilnehmer, dass sie mehr Klarheit in Bezug auf die elementaren Fragen „Wer bin ich?“, „Wozu bin ich auf dieser Welt?“ und „Was will ich?“ verspüren („sich eigentlich mal irgendwie klar zu machen, wer man ist, und wozu man lebt sozusagen, also was überhaupt, ich meine also, was der Sinn ist“, T1B3).166

Manche Teilnehmer haben das Gefühl, dass sich ihr Selbstbild auch dahingehend verändert, dass sie Stärken an sich entdecken oder Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten gewinnen:

I: „Was hat sich da konkret verändert?“ T5B3: „Eigentlich die Wahrnehmung auf mich selbst. Mein Selbstbild. […] Die dann so eine innere Ruhe gegeben haben, wo ich gedacht habe ‚okay’ und ich meiner Stärken bewusster geworden bin. Und dann wiederum gedacht habe: ‚Ich muss nicht anders sein als ich bin'.“167

Es sind insbesondere jüngere Teammitglieder bzw. Personen mit weniger Berufserfahrung, für die sich im Prozess auch die Frage „Was kann ich?“ beantwortet.

Doch nicht nur die Selbstwahrnehmung, auch die subjektiven Deutungen über andere Teammit-glieder verändern sich im Prozess. Viele Teilnehmer haben den Eindruck, ihre Kollegen mit neuen Augen zu sehen. Obwohl es sich dabei letztlich auch um Veränderungen auf individueller Ebene handelt, werden diese Veränderungen in Abschnitt 11.2 bei der Diskussion der Verände-rungen im Team dargestellt.

Problembewusstsein begünstigt Zielsetzung

Bei vielen Personen beginnt der Weg zu mehr Selbstklarheit mit der Wahrnehmung von Proble-men. Nicht wenigen Personen (etwa 50 % der Programmteilnehmer) wird im Einzelcoaching oder in Workshop II bewusst, dass sie „sich selbst“ bei ihrer bisherigen Prioritätensetzung ver-nachlässigen oder dass sie sich wesentliche Teile ihres Lebens (z.B. ihr Privatleben) anders wünschen:

T3B2: „Ich glaube, es war Bredbeck [Anm.: Ort von Workshop II], wo ich dachte, ‚In das Privatleben hast du jetzt viel zu wenig investiert. Eigentlich sollte es den gleichen Stellenwert haben wie die Arbeit’. Um das zu realisieren, müsste ich genau so viel Wertigkeit draufsetzen wie auf die Arbeit. Also, um mein Ziel in dem festgelegten Zeitraum oder etwas später zu realisieren.“

Dies ist den Teilnehmern zuvor nur „diffus klar“ (T3B1) oder „nicht so bewusst“ (T5B1). Die Ge-winnung neuen Problembewusstseins ist bisweilen auch schmerzlich oder geht mit Unzufrie-denheit einher. Von Einzelnen wird sie dennoch als großer Nutzen empfunden:

T4B1: „Für mich gibt es einen unglaublichen Nutzen durch das Projekt. Klingt vielleicht nicht so, weil ich gar nicht so zufrieden klinge. Aber das ist für mich auch schon eine wichtige Erkenntnis, dass ich mit vielen Sachen unzufrieden bin. Zudem kann ich jetzt auch ziemlich genau benennen, womit ich unzufrieden bin. Und, dass ich mir dessen eben bewusst werde und ich mir überlegen kann und überlege, wie ich damit umgehen soll. Das ist keine unbewusste, schleichende Unzufriedenheit. Sondern mir ist inzwischen ziemlich klar, woran ich mich störe. Ich werde damit jetzt auch sicherlich irgendwie umgehen müssen. Wobei ich noch nicht weiß, welche Konsequenz das haben wird. Aber es ist für mich erst mal positiv, das zu wissen, auf jeden Fall.“

166 Vgl. T1B1: „Es hat uns klarer gemacht, wer wir sind, was wir wollen“ und T3B1: „Wir haben uns zusammen überlegt, was man im Leben eigentlich will. Da ist jeder sehr persönlich, macht aber für so ein Team ganz viel aus“. 167 T1B5: „Indem ich mich einfach wieder drauf besonnen habe, was ich eigentlich halt kann, und was ich mache.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 209

Dadurch, dass zuvor latent vorhandene Schwierigkeiten eine Definition zum Problem erfahren, werden sie für die Betreffenden handhabbar. Die Problemdefinition beinhaltet in der Regel auch Ursachen und Erklärungen für das Problem. Damit zeigt sie auch Ansatzpunkte zur Problembe-wältigung auf:

T5B3: „Das erste Interview fand ich ganz gut, weil mir dann bewusster war, an welcher Stellschraube ich eigentlich zu drehen habe, was eigentlich das ursächliche Problem ist“.168

Durch die Wahrnehmung und Definition von Problemen entsteht auch bei denjenigen, die bis-lang keinen Leidensdruck empfanden, eine Dringlichkeit, die zu Zielsetzung und nachfolgendem Selbstmanagementhandeln motiviert:

T5B1: „Von daher war das [Einzelcoaching] vielleicht mal ein Auslöser, sich ganz intensiv mit der Fragestellung oder dem Ziel zu beschäftigen und danach bewusster an das Thema ranzugehen. Das war sozusagen der Tritt in den – […] Das hat noch mal PS auf die Straße gebracht. Nicht nur so das dahindümpeln zu lassen und mal gucken, was auf mich zukommt. Sondern aktiver dann auch tatsächlich etwas dafür zu tun. Und auch die Dringlichkeit hat es mir mehr vor Augen geführt: ‚Ich will es wirklich jetzt und nicht erst in einem Jahr oder wann auch immer’. Eigentlich ist das ein Thema, was mich schon zu sehr beschäftigt, als dass ich das noch auf die lange Bank schieben wollte.“

Es bestätigt sich in den Evaluationsinterviews, dass ein Veränderungswunsch Voraussetzung für erfolgreiches Selbstmanagementhandeln ist (vgl. Kap. 10). Eine der beiden Personen, die das definierte Ziel nicht verfolgten, stellte denn auch im Rückblick fest, dass sie eigentlich kein Ziel formulieren wollte:

Leitung Team 4: „Da ging es um die persönlichen Ziele. Ja, da wollte ich auch nicht so groß... Da sagt ja auch jeder, was er meint, und wenn jemand meint, er müsste da... Also, ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich eigentlich ganz zufrieden bin in meinem Leben. Da mache ich mir eigentlich über irgendwelche weiteren persönlichen Ziele nicht so große Gedanken. Da gibt es bestimmt Personen, die da irgendwie mehr Unzufriedenheit an den Tag legen und sagen, sie wollen da mehr ändern.“

Bewusste Ziele als „Initialzündung“

Die Klärung der aktuellen Situation und Definition eines Selbstmanagement-Ziels leiten für eini-ge Teilnehmer deutlich spürbare Veränderungen ein:

I: „Was hat sich da verändert, was würdest du sagen?“ T5B5: „Ja, dass ich für mich Ziele gesteckt habe, dass ich mir darüber klar geworden bin, was ich persönlich für mich wünsche, wie ich mir idealerweise auch so Berufsleben, Auf-teilung Berufsleben/Privatleben vorstelle. Eben, dass ich wirklich mal richtig konkret darüber nachgedacht habe, wie die Idealvorstellung ist. Eigentlich hätte ich das Kreuz fast noch höher setzen müssen, weil das war so richtig so ‚Ja, so soll es sein!’ und da, ich wusste plötzlich, woran ich arbeiten, also, wo ich hin möchte. Zwar noch nicht ganz ge-nau, wie ich es umsetzen möchte, aber ich wusste, wo ich hin – Vorher war es immer nur so ein diffuses Gefühl ‚ich fühl mich so nicht wohl und das ist alles nicht richtig’. Und aber dann war mir irgendwie plötzlich richtig klar, so wie es auszusehen hat, damit ich mich rundum wohl fühle.“

Das Bewusstsein für die eigenen Ziele kommt bei einigen Personen einem ersten Schritt in Richtung einer Verbesserung der Lebensqualität gleich. Ein solches bewusstes Ziel wird von den Befragten als Unterschied zur „Normalität“ erlebt:

T1B2: „Also, das verändert ja schon viel in dem Sinne, dass man jetzt über seine Zukunft nachdenkt. Was man sonst nicht macht. Man denkt immer nur über die unmittelbare Zukunft nach: ‚Was mache ich als nächsten Schritt?’“169

Demgemäß erleben manche Teilnehmer die Zielformulierung als „Initialzündung“ (T1B5), welche den Weg für weitere Veränderungen bahnt:

T3B3: „Ich habe nach geeigneten Methoden gesucht, um mein Ziel umzusetzen, weil es auf einmal so konkret und greifbar war.“

168 Vgl. T3B3: „Auch für mich, das war ja die Frage nach meinem persönlichen Nutzen, ich habe nicht nur Informationen bekommen, ich habe auch Probleme und deren Ursachen deutlich visualisiert dargestellt bekommen. Wo ich auch sagen kann, das ist wirklich sehr greifbar“. 169 Vgl. T1B3: „Oft ist es so, dass einem das [die eigenen Ziele] gar nicht so klar ist, wie man eigentlich erwartet oder jetzt glauben würde von einem selbst“ und T4B2: „Das Ergebnis war auch verblüffend. Da kamen nun nicht völlig neue Ziele bei raus. Aber für mich war verblüffend, wie klar meine Ziele schon waren.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 210

Über Eigenverantwortung vom Denken zu Selbstmanagementhandeln

Der Schritt zur Umsetzung der Selbstmanagementstrategien bedarf des Vorsatzes und der Mo-tivation. Viele Teilnehmer berichten, dass es darum ginge, „Dinge einfach zu machen“ (T1B5) („einfach loslegen“, T1B3). Dabei gelte es, zunächst eine „Schwelle [zu] überschreiten“ (T1B3) oder „sich selbst zu überlisten“ (T5B3), um zu erreichen, „dass das konsequent auch mal ein-gehalten“ (T4B3) wird. Dazu nutzen die Teilnehmer z.B. Selbstinstruktionen, rufen sich ihr Ziel immer wieder in Erinnerung oder beobachten sich systematisch selbst. Damit die Umsetzung gelingt, ist es aus Sicht einiger Teilnehmer unerlässlich, vom Denken zum Handeln überzuge-hen („Manchmal muss man dann halt auch aufhören zu denken“, T1B4):

T1B3: „Es gab eine gewisse Phase, die, würde ich sagen eine Woche oder so, wo ich dann über Dinge nachgedacht habe. Dann habe ich einfach weiter gemacht, weil viele Dinge zu tun waren. Und das war so ein neues Niveau, was ich wirklich dann mit einem Sprung erreicht hab, also ein Sprung über ein paar Tage hinweg.“170

Einigen Programmteilnehmern hilft dabei, dass sie sich im Verlauf der Interventionen besonders ihrer Eigenverantwortung bewusst werden. Sie fühlen sich animiert, selbst aktiv zu werden, um ihre Ziele zu erreichen:

T3B6: „Persönlich habe ich daraus gelernt, dass ich nicht warten kann, dass etwas von außen kommt, sondern, dass ich aktive Mitgestalterin bin und, dass das, was ich mache, auch Auswirkungen hat. Ich habe gelernt, dass ich als Hausleitung hier nicht nur ein ausführendes Organ bin, sondern ganz intensiv Dinge mitgestalten kann, und dass ich mir dieser Verantwortung ganz bewusst werde.“171

Dass dieser gefühlten Verantwortung auch die Kehrseite der Unbequemlichkeit anhaftet, stellt die folgende Person fest:

T3B3: „Manche Sachen wusste ich schon länger, manche Sachen habe ich mir schon gedacht, aber in dieser Deut-lichkeit noch einmal zu sehen und zu hören, ‚es liegt an mir, die Probleme anzugehen’. Das ist mein persönliches Fazit. Claire hat uns vermittelt, dass äußere Bedingungen ein Vorwand sind, um Dinge nicht anzugehen. Ich kann also nicht mehr so leicht die Schuld bei anderen suchen. Natürlich gibt es immer Dinge, wo klar ist, aus diesem oder jenem Grund klappt dieses oder jenes nicht, aber global nun den schwarzen Peter irgendwo hinzuschieben, das ist für mich weniger möglich. Das macht es auch manchmal schwerer, Sachen einfach auszuhalten, mit denen man nicht so zufrieden ist. Weil man weiß, eigentlich könnte man sie ändern.“

Diese Teilnehmer sehen sich in der Verantwortung, gewünschte Ergebnisse herbeizuführen und Hindernisse, die sie in ihrem Selbstmanagement behindern, selbst aus dem Weg zu räumen.

Die Wirkung innerer Klarheit

Es ist die Klarheit über die eigenen Ziele, Prioritäten und auch Fähigkeiten, gepaart mit dem Bewusstsein für die eigene Verantwortlichkeit, welche eine bewusste Zielverfolgung zu begüns-tigen scheint. Dadurch, dass das Ziel präsent ist, gelingt es den Teilnehmern, sich darauf zu konzentrieren und die entsprechenden Selbstmanagement-Strategien in die Tat umzusetzen:

T3B5: „Die Erreichung dieses Ziels, das ich mir damals gesetzt habe, ist mir bewusster und gegenwärtiger. Und es ist jetzt schon so, dass ich die Erreichung dieses Ziels jetzt immer im Hinterkopf habe und auch dadurch häufiger in ganz aktuellen Situationen dieses Ziel und die Maßnahmen, die dafür notwendig sind, umsetze.“172

Ist ein konkretes Ziel definiert, so liegt der Rückgriff auf Selbstmanagement-Strategien nahe. Beispielsweise nutzen einige Teilnehmer ihr Ziel, um in ihrem Berufsalltag Prioritäten zu ändern

170 Vgl. T3B6: „Dieses Aktivwerden habe ich so für mich verinnerlicht. Ich weiß jetzt gar nicht mehr, ob ich es aufgrund des Inter-views getan habe, dass ich selber mehr in Aktion trete und nicht warte, dass die Sachen auf mich zukommen, es nicht nur über Nachdenken erreiche, sondern selbst handle.“ 171 Vgl. T4B3: „Erst mal für mich, würde ich mal sagen, für mich hat sich sehr viel getan, auch intensiv, weil es so einfach ist. Man muss mal wieder darauf zurückkommen, das zu verinnerlichen, das Leben auch mal wieder so zu gestalten. Man kann sich immer nur selber helfen, anders geht das nicht. Andere können das nicht. Andere können einem das nicht abnehmen. Wenn man das erst mal begreift und auch so lebt, dann ist das auch relativ einfach.“ 172 Vgl. T4B2: „Der Nutzen ist der, dass ich das jetzt konkret im Hinterkopf habe. […] Dadurch, dass ich mir bewusst geworden bin, dass ich das auch machen will, dadurch gehe ich die Ziele jetzt bewusster an. Ich habe es im Hinterkopf: ‚Ich will das und das ma-chen.’“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 211

und sich auf das in ihren Augen Wesentliche zu konzentrieren.173 Die Gegenwärtigkeit eines Ziels ermöglicht ebenfalls eine klare Haltung und ein kongruentes Auftreten.174 Eine Person weist auf mögliche positive Nebeneffekte innerer Klarheit in der (nonverbalen) Interaktion mit ihrem Vorgesetzten hin:

T5B5: „Ich hatte mir so vorgenommen, als wir darüber gesprochen haben, nicht so viel vornehmen und auf bestimmte Sachen konzentrieren, dass ich gesagt habe, so – ich hatte wieder so ein riesiges Paket, Aufgabenpaket […] – dann habe ich gesagt: ‚Nein, also diesmal – du brauchst Hilfe. Du forderst nach Hilfe’. Und es, das Angebot, kam, bevor ich überhaupt den Mund aufmachen konnte und sagen konnte: ‚Nein’. Es kam vorher schon. Als ob irgendetwas sich an meinem, an meiner Einstellung, irgendwie an meinem Äußeren – oder ob er es mir angesehen hat? Ich weiß es nicht, aber es lief irgendwie von vorne herein so. Und da habe ich gedacht ‚Boah, das ist ja toll’.“

So gelingen vielen Teilnehmern in der Folge Fortschritte in Richtung ihrer persönlichen Ziele. Bereits im dritten Workshop berichten einige Teilnehmer über entsprechende Erfolge. Im Evalu-ationsinterview ziehen einige Teilnehmer die Bilanz, dass es ihnen im Projekt gelungen sei, ihre eigenen Ziele und Bedürfnisse im Alltag stärker zu berücksichtigen:

T4B5: „Ich glaube, ich habe ein Stück weit gelernt, mich wieder in den Vordergrund zu stellen.“175

11.1.3 Entwicklung und Anwendung von Selbstmanageme nt-Strategien

Um die Frage zu beantworten, ob Einzelne in ihrem Selbstmanagement durch das Programm unterstützt werden, wurde geprüft, ob die Vorgehensweise es den Teilnehmern ermöglicht, Selbstmanagement-Strategien zu entwickeln und umzusetzen. Die 34 Transkripte der Einzelco-achings sowie die 24 Evaluationsinterviews bilden die Grundlage für die Auswertung. Als theore-tische Kategorien wurden in diesem Zusammenhang die in klassischen Selbstmanagement-Trainings vermittelten Strategien in die qualitative Datenauswertung aufgenommen. Ihre Be-schreibung (vgl. Anhang 1) stellte die Kodierregel für die Texte. Zusätzlich wurden induktiv wei-tere Strategien ermittelt, welche die Befragten planten oder anwendeten. Da festgestellt wurde, dass einige dieser Strategien den Selbstmanagement-Strategien aus den Trainings stark ähnel-ten, jedoch nicht mit der vorliegenden Kodierregel zu erfassen waren, wurden im Anschluss alle ermittelten Selbstmanagement-Strategien selbst einer Inhaltsanalyse unterzogen. Auf dieser Basis konnten die übergeordneten Kategorien gebildet werden, die in Anhang 12 nebst Beispie-len für die Anwendung der Kodierregeln aufgelistet sind.

Ergebnisse aus den Einzelcoachings: Entwicklung von Selbstmanagement-Strategien

Emotionale Strategien als Selbstmanagementfavoriten

Bei der zusammenfassenden Betrachtung der in den Einzelcoachings entwickelten Selbstmana-gement-Strategien wird deutlich, dass emotionale Selbstmanagement-Strategien von den Teil-nehmern am häufigsten geplant werden. Die Teilnehmer setzen bei der Verfolgung ihrer Selbstmanagement-Ziele darauf, ihre eigenen Stimmungen und Spannungszustände zu beein-flussen. Dies realisieren sie zum einen über Strategien positiver Lebensführung, wie etwa, den

173 Z.B. T1B6: „Ich hab mir also erst mal für mich alleine überlegt, was ich konkret für wichtig halte oder was ich nicht für wichtig halte. Wir haben lange Zeit auch alles angegangen, was uns immer ein bisschen interessierte“, T3B8: „Da habe ich für mich relativ genau differenziert, was sind das für Sachen, wo ich etwas Besonderes organisieren muss, und was sind das für Sachen, wo ich ohne schlechtes Gewissen "nein" sagen kann. Das klappt ganz gut“ und T3B7: „Ich habe versucht, für mich noch mal andere Priori-täten zu setzen. Einfach mal mehr Prioritäten in Bezug auf mein Privatleben.“ 174 Vgl. T3B3: „Ich bin sicherer in der Begegnung, weil mir im Rahmen dieses Ziels jetzt ein paar Dinge klarer geworden sind“ oder T1B1: „Ich glaube, ich könnte mit (..) dem Brustton der Überzeugung und sehr schnell und sehr klar darlegen, was meine Ziele sind und wo ich mich sehe. Und ich denke auch, die Person würde es wahrscheinlich am Tonfall der Überzeugung merken. Vielleicht auch an der Kürze und der Prägnanz, wenn ich das formuliere.“ 175 T5B5: „Also, ich merkte so richtig, wie ich mich, dass ich mich entwickelt habe. [I: Entwickelt jetzt wohin, also was ist] Ja, so selbstsicherer auch meine Meinung zu vertreten. Und eben an dieser Vision zu arbeiten, die ich mit meiner Worklife-Balance habe. Und eben dann auch was dafür zu tun. Und eben auch mit Leuten zu sprechen: ‚So. Bis hierhin und jetzt nicht mehr.’“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 212

Tag positiv zu beginnen, darauf zu achten, am Tag etwas zu erleben, auf das sie sich freuen können oder die Aufgabenerledigung so zu gestalten, dass sie mehr Freude macht. Ergänzend zu diesen in Selbstmanagement-Trainings vermittelten Strategien gaben die Teilnehmer dieser Stichprobe auch an, private Höhepunkte wie etwa Wochenendaktivitäten oder Ähnliches zu pla-nen und Rituale zu pflegen, die zu einer positiven Stimmung im Alltag beitragen.

Die am häufigsten angegebene Strategie innerhalb dieser Kategorie ist eine, die in klassischen Trainings üblicherweise nicht vermittelt wird, nämlich die Bemühung, Interaktionen mit anderen positiv zu gestalten. Die Teilnehmer schaffen durch Lächeln, aufmunternde Worte, freundliche Begrüßungen und Ähnliches eine positive Atmosphäre auf der Arbeit – in dem Wissen, dass diese in der Regel erwidert werden und positiv auf die eigene Stimmungslage zurückwirken. Die eigenen Emotionen werden jedoch auch beeinflusst, indem die Teilnehmer bewusst eine andere Haltung einnehmen. So planen einige Teilnehmer als Strategie einen Haltungs- und Perspektiv-wechsel in Bezug auf ihre konkreten Selbstmanagementthemen und identifizieren Handlungen, die dazu beitragen, die neue Haltung zu unterstützen. Andere nutzen die Strategie des Relativie-rens, um sich in ein für die Umsetzung förderliches „Mindset“ (T1B3) zu versetzen.

Diese Strategien der Selbstbeeinflussung werden in herkömmlichen Selbstmanagement-Trainings bislang nicht vermittelt. Kehrs (2004) Ansatz, die eigenen impliziten Motive zu kennen und zu berücksichtigen, kann an dieser Stelle förderlich sein und wird von einigen wenigen Teil-nehmern auch angewandt. Weitere Ansatzpunkte zur Beeinflussung der eigenen Stimmungsla-ge bieten verschiedene Zugänge, im Alltag für mehr Entspannung zu sorgen. Während einige Teilnehmer dazu auf die entlastende Wirkung von Notizen zurückgreifen, ist für andere das Ab-solvieren eines gewissen Pensums an Bewegung oder sportlichen Aktivitäten essenziell. Ein Teilnehmer nutzte in diesem Zusammenhang auch Meditationstechniken.

Beziehungsgestaltung als wesentlicher Schritt zur Zielerreichung

In die nächste Kategorie fallen Selbstmanagement-Strategien, die von der wissenschaftlichen Forschung zum Selbstmanagement bislang nicht als solche betrachtet werden. Sie sind jedoch annähernd ebenso beliebt wie die emotionalen Strategien. Es handelt sich um Maßnahmen, bei denen die Teilnehmer zur Erreichung ihrer Selbstmanagement-Ziele bzw. zur Selbstbeeinflus-sung auf die Interaktion mit anderen setzen. Dabei sind zwei grundlegende Richtungen zu beo-bachten: Zum einen das gezielte Einbeziehen anderer Personen, die Unterstützung bieten kön-nen, zum anderen die klare Abgrenzung von den Ansprüchen der Umgebung zur Wahrung der eigenen Freiräume. Diese Maßnahmen dienen der eigenen Zielerreichung. Das Umfeld für das eigene Verhalten wird – ähnlich der Strategie der Stimuluskontrolle – so gestaltet, dass es den eigenen bewussten Zielen bzw. der Ressourcenbalance beim Selbstmanagementhandeln dien-lich ist.

Vielen erscheint der gezielte Austausch mit anderen zu konkreten Details ihres Selbstmanage-mentvorhabens als nötiger Schritt auf dem Weg zum Ziel. Das klärende Gespräch mit dem Vor-gesetzten, der kollegiale Austausch zum Sortieren der eigenen Gedanken, das Feedback eines Freundes oder die Unterstützung durch das familiäre Umfeld schaffen wesentliche Vorausset-zungen für die Zielerreichung und wirken als wichtiger Einfluss auf die Teilnehmer zurück. Die Interaktion mit anderen dient bisweilen auch dazu, neue Regeln im System einzuführen. Dies erscheint vielen als wirksames Schaffen von Voraussetzungen, die auf das eigene Verhalten zurückwirken. So ziehen es einige Teilnehmer vor, grundlegende Regeln (z.B. „Können wir nicht die Tür auch mal zu machen?“ oder „Wie können wir dafür sorgen, dass unsere Meetings pünkt-lich enden?“) zunächst im Team zu besprechen. So erhöhen sie die Wahrscheinlichkeit, ein be-

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Ergebnisse der summativen Evaluation 213

absichtigtes Verhalten ohne größere Komplikationen überhaupt erst zeigen zu können (z.B. die Tür tatsächlich zu schließen, um in Ruhe zu arbeiten, oder das Arbeitstreffen auch pünktlich zu verlassen, selbst wenn es noch nicht beendet ist).

Wesentlich ist die Interaktion mit anderen auch in Fällen, in denen Aufgaben an andere delegiert werden oder die Verantwortung für bestimmte Teile der Arbeitsaufgabe zurückgewiesen wird. Dies stellt häufig eine wirksame Strategie dar, die für den Einzelnen mit einer hohen Entlastung einhergeht und eine neue Ausgangssituation für das eigene Selbstmanagement schafft. Bei Strategien, die mit der Abgrenzung von den Ansprüchen anderer einhergehen, ist die häufigste die Wahrung der eigenen Freiräume durch Nein-Sagen. Diese Strategie fällt vielen Teilnehmern zunächst schwer, da sie hierbei in den Konflikt mit den Erwartungen anderer geraten. In den Einzelcoachings bedurfte sie daher häufig einer detaillierten Planung. Eine weitere, im Übrigen auch von Seiwert (1999) vermittelte Selbstmanagement-Strategie besteht darin, eine „stille Stunde“ zu reservieren. Die Teilnehmer grenzen sich für eine gewisse Dauer von den Ansprü-chen anderer ab, indem sie die Tür schließen oder das Telefon umstellen. Dies ermöglicht es ihnen, Aufgaben ohne Unterbrechungen und Störungen zu bearbeiten.

Kognitive Selbstmanagement-Strategien als hilfreiche Begleiter auf dem Weg zum Ziel

Auf kognitive Selbstmanagement-Strategien greifen die Teilnehmer häufig zurück. Ihrem Ziel nähern sie sich, indem sie unterstützende Denkmuster herstellen, ihre Aufmerksamkeit gezielt auf bestimmte Schwerpunkte lenken oder die eigene Wissensbasis verändern. Die von den Teil-nehmern genutzten Strategien, um diese unterstützenden Denkmuster herbeizuführen, sind aus der Literatur zu klassischen Selbstmanagement-Trainings bekannt. Es fanden sich sowohl Bei-spiele für positive Selbstgespräche, das Herstellen positiver Denkmuster, Imagination bzw. Mög-lichkeitsdenken, Selbstinstruktionen sowie das Entwickeln positiver Phantasien (vgl. Anhang 12).

Auch die weiteren beobachteten kognitiven Strategien werden üblicherweise in Trainings vermit-telt. Da sie allesamt einen besonderen Umgang mit der eigenen Aufmerksamkeit erfordern, wer-den Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und Selbstreaktion sowie das Bilden von und Fokus-sieren auf Prioritäten in der Unterkategorie „Aufmerksamkeitsarbeit“ zusammengeführt. Als Spe-zialfall der Selbstbeobachtung wurde von einigen Teilnehmern zudem geplant, sich am Ende des Arbeitstags Zeit für eine Reflexion über den Tag zu nehmen. Als weitere kognitive Strate-gien nutzten die Teilnehmer die Beschaffung hilfreicher Informationen sowie die von Kehr (2004) vermittelte Trennung zwischen Informationssammlung und -bewertung. Über diese Strategien beeinflussen sie gezielt ihre eigene Wissensbasis und ermöglichen sich dadurch zum Beispiel ein breiteres Verhaltensrepertoire bei der Verfolgung ihrer Ziele.

Zeitmanagement zur Wahrung der Ressourcenbalance

Die Teilnehmer planen bzw. nutzen eine Vielzahl von Strategien, um den Umgang mit der ihnen verfügbaren Zeit gezielt zu verändern. Wenn auch nicht in der entsprechenden Wortwahl und Systematik, so sind in dieser Kategorie doch die wesentlichen Zeitmanagementstrategien, die üblicherweise in den Trainings nach Seiwert (vgl. 3.3.3) vermittelt werden, erkennbar. Die Teil-nehmer behelfen sich damit, sich Deadlines für ein geregeltes Arbeitsende zu setzen oder ma-ximale Arbeitspakete (z.B. „höchstens zwei Termine pro Tag“, T3B9) zu schnüren. Sie planen ihren Tag entweder schriftlich oder gehen den Tag am Morgen gedanklich durch. Dabei berück-sichtigen sie bewusst entlastende Momente: Pufferzeiten helfen ihnen, mit der Vielzahl an Un-vorhersehbarkeiten umzugehen. Geregelte Pausen tragen dazu bei, die eigenen Kräfte zu schonen. Einige nehmen sich vor, auch Privates in die Arbeit zu integrieren und beispielsweise

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Ergebnisse der summativen Evaluation 214

den längst fälligen Anruf bei der Großmutter als gleich wichtig wie die To do’s auf der Arbeitsliste zu betrachten. Manche Teilnehmer erweitern ihre Tagesplanung auf eine Wochen- oder Drei-Monats-Planung. Ein Teilnehmer versuchte bei der Wochenplanung auch die eigene Leistungs-kurve zu beachten.

Umfeldveränderung als radikale, aber seltene Strategie

Eine weitere, jedoch weniger häufig genutzte Kategorie von Strategien beinhaltet Maßnahmen, die auf die Veränderung der Umfeldbedingungen für das eigene Selbstmanagement abzielen. Radikal ist die Strategie, sich ein gänzlich neues Arbeitsumfeld zu suchen. Diese Maßnahme wurde jedoch nur selten aktiv angegangen. Häufig war die Anwendung dieser Strategie lediglich als Eventualmaßnahme vorgesehen. Erwogen wurde sie jedoch noch häufiger als das Aufsu-chen von „Orten der höchsten Möglichkeit“. Diese an die Terminologie Scharmers (2007b) ange-lehnte Strategiebezeichnung beinhaltet das Experimentieren in neuen Umgebungen, um dar-über Anhaltspunkte für die nächsten sinnvollen Schritte in Richtung des Ziels zu gewinnen. Orte der höchsten Möglichkeit können auch Personen sein, wenn beispielsweise Sondierungsge-spräche mit Bekannten und Freunden dazu verhelfen, sich ein konkretes Bild von anderen Ar-beitsfeldern zu verschaffen oder die gezielte Teamarbeit mit einem fähigen Kollegen zum Ler-nen am Modell genutzt wird. Darüber hinaus nutzten Teilnehmer Maßnahmen der Stimuluskon-trolle. Auf das gezielte Aufsuchen förderlicher oder das Beseitigen hinderlicher Hinweisreize griffen einige Teilnehmer bei der Planung nächster Schritte zurück. Diese letzte Strategie ist in dieser Kategorie die einzige, die in der Fachliteratur diskutiert wird.

Auseinandersetzung mit den eigenen Zielen als gelegentliche Anregung

Die letzte Kategorie von Selbstmanagement-Strategien, auf welche die befragten Teilnehmer zurückgriffen, beinhaltet verschiedene Herangehensweisen zur Auseinandersetzung mit den eigenen Zielen. Die Teilnehmer nutzen dabei bewusst Ziele, um einen Fortschritt in ihrem Selbstmanagementvorhaben wahrscheinlicher zu machen. Hier finden sich die in Trainings nach Kanfer et al. (2000) vermittelten Zielsetzungsstrategien, die von Seiwert (1999) empfohlene Maßnahme, ein Zeit- und Lebenskonzept zu formulieren oder die von einigen Teilnehmern ge-nannte Strategie, ein Ziel zunächst in kleine und erreichbare Teilziele zu zerlegen.

Ergebnisse aus den Evaluationsinterviews: Tatsächli che Umsetzung der entwickelten Selbstmanagement-Strategien

Die bisherige Analyse zeigt, dass die Teilnehmer keine Schwierigkeiten hatten, als Selbstmana-gementstrategien bekannte Lösungswege zur Erreichung ihrer Ziele zu entwickeln. In den Eva-luationsinterviews wird deutlich, dass die Teilnehmer viele diese Strategien auch anwenden. Nachfolgend wird dargestellt, welche Selbstmanagementstrategien tatsächlich umgesetzt wur-den und inwiefern diese von den geplanten Strategien abweichen.

Unterschiede zur Planung

Zwei Teilnehmer, darunter eine Teamleitung, teilen mit, dass sie ihr Ziel gar nicht erst verfolgt haben.176 Beide führen dies auf äußere Umstände im Organisationskontext zurück. Ihr Ziel bleibe weiterhin relevant, ihr Umfeld habe sie jedoch bislang an der Zielverfolgung gehindert. Beide warten auf günstigere Rahmenbedingungen, um ihr Ziel in Angriff zu nehmen. Eine der beiden

176 Diese Personen haben in Bezug auf sich selbst im Gegensatz zu den Teilnehmern, die ihr Selbstmanagement-Projekt umsetz-ten, kaum Änderungen erlebt.

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Ergebnisse der summativen Evaluation 215

Personen hat einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten angegeben und hält ihr Ziel für noch „schaffbar“ (T5B2). Bei den übrigen Teilnehmern, die ihr Ziel auch verfolgten, setzt die Mehrzahl der Teilnehmer die im Einzelcoaching entwickelten Strategien nicht streng nach Plan um:

T5B1: „Spontan würde ich jetzt sagen, ganz so strukturiert, wie es vielleicht hier steht, bin ich das nicht angegangen. Vom Resultat her ist es aber das geworden, was ich glaube, was ich rausbekommen wollte.“

So gehen die meisten Teilnehmer im Interview auch zunächst nicht detailliert auf einzelne Ver-haltensweisen ein, die sie zur Zielverfolgung an den Tag gelegt haben. Die Interviews laden zur Annahme ein, dass Prozesse der Einflussnahme auf sich selbst wie zum Beispiel eine gezielte Selbstbeobachtung und Selbstbewertung Teilnehmern häufig zu kleinschrittig erscheinen, um als berichtenswert eingestuft zu werden. Sie sind häufig erst durch intensives Nachfragen identi-fizierbar. Alternativ ließe sich hypothetisieren, dass diese Minimalstrategien in den Augen der Teilnehmer nicht zum Erfolg verhelfen. Auffällig ist, dass bei Antworten auf die Frage, wie den Teilnehmern Fortschritte auf ihr Ziel hin gelungen sind, eher Aha-Erlebnisse, Haltungswechsel sowie erfolgreiche Gespräche mit Kollegen oder Vorgesetzten berichtet werden. In Summe je-doch spiegelt sich in den Evaluationsinterviews im Hinblick auf die Nutzungshäufigkeiten ver-schiedener Selbstmanagement-Strategien die gleiche Kategorienverteilung wie bei der Strate-gieentwicklung wider. Auch finden sich in den Evaluationsinterviews keine neuen, in den Einzel-coachings noch nicht berücksichtigten Strategien.

Unterschiede bei der Erhebung der Selbstmanagement-Strategien

Als Unterschied zwischen externer Evaluation und Selbstevaluation bei der Durchführung der Gespräche ist festzuhalten, dass bei den selbst durchgeführten Evaluationen mehr Nachfragen erfolgten, die eine Identifizierung der eingesetzten Selbstmanagement-Strategien ermöglichen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass die Konzepte und Kategorien „hinter den Fragen“ der externen Evaluatorin zum Zeitpunkt der Interviewdurchführung noch nicht präsent waren. Somit konnte nicht in jedem Interview ausreichend Material gesammelt werden, um zu beurteilen, wel-che Selbstmanagement-Strategien bei einem betreffenden Teilnehmer tatsächlich Anwendung finden. Über alle Interviews hinweg lassen sich jedoch durchaus Aussagen treffen.

Haltungswechsel als erfolgreichste emotionale Selbstmanagement-Strategie

Auf die Frage, wie den Teilnehmern eine Annäherung an ihre Ziele gelungen ist, werden am häufigsten emotionale Strategien genannt. Bemerkenswert ist, dass die Methode, gezielt eine andere Haltung einzunehmen (über einen Perspektivwechsel, Relativieren oder das Kennenler-nen impliziter Motive) von den Teilnehmern noch häufiger berichtet wird als die Maßnahmen positiver Lebensführung, die bei der Entwicklung von Selbstmanagement-Strategien einen sehr hohen Stellenwert einnahmen. Das „Anders-Hinruckeln“ des eigenen „Weltbilds“ und „Runterfah-ren der Ansprüche“ an sich selbst (T3B7), das Ändern der „persönlichen Einstellung“ (T5B3) oder „Grundhaltung“ (T1B3) erscheint vielen Teilnehmern als der wesentliche Schritt zum Errei-chen ihrer Ziele.

Interaktion mit anderen: Eher Unterstützung erbitten als abgrenzen

Beinahe so häufig wie emotionale Selbstmanagement-Strategien verhilft die Interaktion mit an-deren den Teilnehmern zu Fortschritten bei der Zielerreichung. Strategien der Einbeziehung anderer Personen (z.B. das Einfordern von Unterstützung bzw. der Austausch mit anderen, da-bei häufig auch ein Gespräch mit dem eigenen Vorgesetzten, aber auch das Abgeben von Ver-antwortung an andere oder das Einführen neuer Regeln im System) werden dabei häufiger ge-nutzt als Abgrenzungsstrategien.

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Ergebnisse der summativen Evaluation 216

Auseinandersetzung mit den eigenen Zielen wichtiger als zuvor angenommen

Bei den kognitiven Strategien dominiert die Aufmerksamkeitsarbeit (Selbstbeobachtung, Selbst-bewertung und Fokussierung auf Prioritäten). Es finden sich jedoch auch Beispiele für die Her-stellung unterstützender Denkmuster und die Veränderung der Wissensbasis. Strategien zur Änderung des Umgangs mit der eigenen Zeit setzen einige der Teilnehmer ebenfalls ein. Diese Strategien gehen häufig mit einer Änderung des Tagesablaufs einher. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Zielen wird von den Teilnehmern im Verhältnis zu den anderen Kategorien im Evaluationsinterview wesentlich häufiger betont als im Einzelcoaching. Dies lässt sich dadurch erklären, dass das Einzelcoaching selbst einer Maßnahme zur Zielklärung entspricht. Im Rück-blick erscheint diese Beschäftigung vielen Teilnehmern essenziell für ihre Fortschritte. Der Akt der Volitionsbildung und Bindung an das eigene Ziel stellt eine wesentliche Voraussetzung für die Annäherung an das Ziel dar:

I: „Kannst du mir sagen, wie Du Deinem Ziel näher gekommen bist? Oder wodurch diese Veränderung stattgefunden hat? […]“ T4B5: „Es ist zumindest teilweise darauf zurückzuführen, dass ich mir etwas vorgenommen habe. Und ich mir darüber klar geworden bin, was ich eigentlich will und das auch ein wenig zielstrebiger verfolgt habe.“

Vereinzelt Veränderungen der persönlichen Arbeitsweise

Etwas über ein Fünftel der Teilnehmer berichtet, dass im Zusammenhang mit der Anwendung ihrer Selbstmanagement-Strategien auch ihre persönliche Arbeitsweise effizienter geworden sei:

T1B6: „Es hat nicht dazu geführt, dass ich weniger arbeite, aber ich glaube effektiver arbeite. Also, das Ganze ist jetzt letztendlich effizienter geworden. Also bei gleichen Kosten mehr Output.“

Sie führen dies darauf zurück, dass sie klarer priorisieren, mehr Wert auf Qualität statt Quantität legen, sich besser zu ungeliebten Aufgaben motivieren oder ihre Arbeit zeitsparender organisie-ren. Andere Teilnehmer sehen jedoch keinerlei Auswirkung auf ihre Art des Arbeitens:

T5B4 „Ich sag mal, so für meine persönliche Arbeitsweise habe ich ja wenig rausgezogen. […] Die hat sich ja nicht massiv verändert.“

11.1.4 Zielerreichung

Einige Teilnehmer sehen in der Zielerreichung die wesentliche Veränderung durch das Projekt:

T1B5: „Also, ich habe jetzt die Veränderung sozusagen wirklich bei mir selbst in der Erreichung meiner persönlichen Ziele.“

4

12

8

0

2

4

6

8

10

Häufigkeit der Nennung

1 bis 3,5 4 bis 7 7,5 bis 10

Zielerreichung auf einer 10-stufigen Skala

Abb. 15: Häufigkeit verschiedener Klassen des eingeschätzten Zielerreichungsgrads auf einer 10-stufigen Skala (N = 24)

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Ergebnisse der summativen Evaluation 217

Zu Beginn jedes Evaluationsinterviews wurde eine Skalierungsfrage zur Zielerreichung gestellt. Sofern von einer Person mehrere Werte genannt wurden (etwa wenn zuvor mehrere Ziele defi-niert worden waren), wurden diese gemittelt. Acht Teilnehmer und damit ein Drittel der Stichpro-be schätzten ihre Zielerreichung auf einer Skala von 1 bis 10 mit Werten zwischen 7,5 und 10 ein (vgl. Abb. 15). Weitere zwölf Personen bzw. die Hälfte der Stichprobe benannten einen mitt-leren Zielerreichungswert zwischen 4 und 7. Über einen niedrigen Zielerreichungswert zwischen 1 und 3,5 berichteten die restlichen vier, bzw. 17% der Teilnehmer.177 Der durchschnittliche an-gegebene Zielerreichungsgrad lag bei 6,2 (Range = 9). Die Darstellung dient lediglich als Heu-ristik, da zur Definition des Zielerreichungsgrads naturgemäß interindividuell sehr unterschiedli-che Maßstäbe herangezogen werden.178 Dabei sind auch die Anzahl der formulierten Ziele und der Schwierigkeitsgrad der Ziele für die betreffende Person zu berücksichtigen.179 Ein Ziel, das eine umfassende Verhaltensänderung von der betreffenden Person fordert, braucht möglicher-weise länger bis zu seiner Erreichung.

Tabelle 16: Mittlerer Zielerreichungsgrad, maximale und minimale Zielerreichung nach Art des Ziels

WORK-LIFE-BALANCE

KONZENTRATION AUF NEUE PRIO-RITÄTEN

ABSOLVIE-REN EINES KONKRETEN PROJEKTS

ARBEIT AN KONKRETEN SKILLS

ZUKUNFTSPLANUNG

Arithmetisches Mit-tel des Ziel-erreichungsgrads

5,7 6,1 7,8 4,5 7,8

Minimaler Ziel-erreichungsgrad

3,0 1,8 7,5 1,0 6,5

Maximaler Ziel-erreichungsgrad

10,0 9,0 8,0 8,0 9,0

Stichprobenumfang n = 9 n = 5 N = 3 n = 4 n = 3

Tabelle 16 zeigt den mittleren Zielerreichungsgrad in Abhängigkeit von der Art des Ziels. Be-trachtet man den maximalen und minimalen Zielerreichungsgrad je Zielkategorie, so zeigt sich, dass unabhängig von der Art des Ziels in allen Kategorien hohe Zielerreichungsgrade grund-sätzlich möglich sind. Auch wird deutlich, dass die höchsten durchschnittlichen Zielerreichungs-grade beim Absolvieren konkreter Projekte und bei der Planung der Zukunft oder des nächsten Karriereschritts erreicht wurden. Diese Ziele haben eher einen definierten Endpunkt, während die übrigen Ziele nie endgültig erreicht werden können. Fortschritte zeichnen sich so deutlicher

177 Da bei einer Person keine Antwort auf die Skalierungsfrage festgehalten wurde, diese Person jedoch berichtete, dass sie kaum an ihrem Ziel gearbeitet habe, wurde die Person in diese Kategorie aufgenommen. 178 Dies ist auch den Teilnehmern bewusst, wie das folgende Zitat illustriert: T1B3: „Also, wenn ich sagen würde „30%“, unkommen-tiert, dann würdest du denken, ich bin nicht sonderlich weit gekommen, ich bin nicht sonderlich zufrieden damit, was ich bisher er-reicht habe von meinen Zielen – obwohl dem gar nicht so ist. Also, ich weiß, dass ich viel weiter bin, als ich war. Und ich denke da nur an Malediven und so bei 100%, wo andere Leute bei 100% daran denken, vielleicht irgendwie halt klarzukommen.“ 179 So berichtet beispielsweise eine Person, die ihren Zielerreichungsgrad mit „3“ einschätzte, dass der erste „Schritt“ (weg vom aktuellen Zustand) sie schon seit mehreren Jahren beschäftige: „Also, ich habe mich ganz langsam dem etwas angenähert. Was ich aber schon mal sehr positiv finde, weil in den vergangenen Jahren – ich weiß, dass es auch an mir liegt – ist es mir immer sehr schwer gefallen und ich hab mich überhaupt nicht bewegt. Obwohl ich immer wieder auch im Kopf alles durchdacht habe, habe ich mich eigentlich nicht von – ja von – mir so weit entfernen können, dass ich den Weg dann auch eingegangen bin. Jetzt so dem zwei Schritte näher gekommen zu sein, und auch so eine Richtung zu sehen, das ist – die ich jetzt eigentlich gerade gesehen hatte, das war gut. Und ich hatte das Gefühl, jetzt komme ich auch langsam voran“ (T5B5).

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Ergebnisse der summativen Evaluation 218

ab. Dennoch scheint es Personen zu geben, die auch bei komplexen „Dauerzielen“ (z.B. Workli-fe-Balance) zum Zeitpunkt der Bewertung eine hohe Zielerreichung angeben. Die Kategorie von Zielen, in der am wenigsten Fortschritte gemacht wurden, ist die der Arbeit an konkreten Skills.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass alle 23 Teilnehmer, die eine Angabe zum Zielerreichungs-grad trafen, einen Monat nach der letzten Intervention einen gewissen Fortschritt in Richtung der von ihnen zu Projektbeginn aufgestellten Ziele sehen. Bei einem Großteil (83%) der Stichprobe fällt dieser sogar substanziell aus: Sie berichten über eine mittlere bis hohe Zielerreichung.

Drei Personen erzählen, dass ihr Ziel bzw. eines ihrer Ziele in der Zwischenzeit eine Neudefiniti-on erfahren habe. Bestimmte Aspekte oder Details, die zum Zeitpunkt der Zielsetzung relevant schienen, sind inzwischen weniger wichtig.180 Dies hinderte die betreffenden Personen jedoch nicht daran, eine Einschätzung ihrer Zielerreichung vorzunehmen.

Den Teilnehmern, die ihr Ziel aktiv verfolgen, fällt dies nicht immer leicht. Drei Personen berich-ten über Rückschläge auf ihrem Weg zum Ziel.181 Ihre Zielerreichung lag zwischenzeitlich deut-lich höher als zum Zeitpunkt des Evaluationsinterviews. Dies erklären zwei Teilnehmer mit äuße-ren Anforderungen,182 eine weitere damit, dass eines der Ziele nach einiger Zeit weniger wichtig schien.183 Die beiden Teilnehmer mit dem geringsten Zielerreichungsgrad trotz Zielverfolgung sind weniger gut vorangekommen, als sie es sich gewünscht hätten. Sie berichten, dass sie sich mit den Veränderungen zum Teil schwer tun:

T5B5: „Ich finde es unheimlich schwierig, im Tagesgeschäft dann Veränderungen zu treffen und das auch einzuhal-ten. […] Also, das hat nicht immer geklappt. Aber ich würde mal sagen, von fünf Tagen, zwei bin ich dann auch wirk-lich zu dem Zeitpunkt gegangen, wo ich es mir eingetragen hatte. Und das war schon ein ganz guter Fortschritt.“184

Einigen Teilnehmern fällt es schwer, zu benennen, was genau sich verändert hat. Fortschritte in Richtung ihres Ziels machen sie daran fest, dass es sich „einfach so an[fühle]“ (T1B1) oder dass das „intuitiv“ ihrem „Bauchgefühl“ (T4B5) entspräche.185 Bei allen Befragten sind es eher nahe Personen wie der Partner, die Teamkollegen, Mitarbeiter oder Vorgesetzten, welche die Verän-derungen bemerken oder dazu zumindest in der Lage wären. Die Annäherung an das Ziel wird von den Teilnehmern in der Regel auf eigenes Handeln bzw. die Ausübung der entwickelten Selbstmanagement-Strategien attribuiert. Drei Personen führen ihren Erfolg zumindest in Teilen auch auf den „Zufall“ (T1B1) oder „Glück“ (T5B4) zurück.186 Eine der Personen, die ihr Ziel nicht verfolgt hatten, erklärte ihre minimalen Fortschritte in Richtung des eigenen Ziels damit, dass zwischen Auftragsklärung und Evaluationsgespräch Zeit vergangen war (vgl. 11.5.3).

180 Z.B. T5B1: „Von meinem jetzigen Standpunkt her würde ich auch sagen, Produktmarketing ist eher so als mobiles Ziel zu sehen. Dass man sagt, man hat eben ein Ziel. Jetzt ist es nicht genau das geworden, aber man entwickelt sich auch weiter und hat dann vielleicht doch andere Ziele im Fokus. So ganz sicher, ob ich wirklich Produktmarketing machen möchte, bin ich mir auch nicht mehr. Das ändert sich ja auch mal ein bisschen.“ 181 Z.B. T3B1: „Ich war mal bei 8 irgendwann. Und dann ist es wieder gesunken. Im Moment ist mein persönliches Ziel, nämlich die Balance zwischen Privatem und Arbeit, das war das Problem eigentlich, wieder in die Schieflage geraten, weil es einfach viel zu viele Aufgaben meines Erachtens für mich gibt.“ 182 Z.B. T1B2: „Ich hätte mir jetzt auch nicht vorstellen können, wie ich das jetzt anders hätte lösen können, also die Prüfung, die musste ich machen, die Arbeit ist auch auf jeden Fall eine Pflicht, die da ist, und ich hätte höchstens hier jetzt alles rigoros absagen können. Aber das wäre jetzt wahrscheinlich auch, ja, schlecht für das Klima.“ 183 T4B2: „Als es noch frischer war, so direkt nach der Intervention, hatte ich das Ziel durchaus im Hinterkopf, habe es aber wieder verloren in den letzten zwei, drei Monaten.“ 184 Vgl. T4B1: „Dadurch, dass ich einfach feststellen muss, dass es nicht so schnell geht, da etwas zu verändern.“ 185 T4B5: „Es ist in Fakten kaum zu fassen. Es ist intuitiv, irrational vielleicht.“ 186 z.B. T1B1: „Das ist sehr interessant, weil da ist auch danach sehr viel passiert. [I: Ja.] Also durch Zufall oder dadurch, dass ich mich mit vielen Leuten unterhalten habe, hat sich Punkt 1 sehr stark präzisiert.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 219

11.2 Veränderungen im Team

Bei der Analyse erlebter Veränderungen auf Teamebene wurden als theoretische Kategorien Klassen von grundsätzlich durch systemische Interventionen denkbare Veränderungen nach König & Volmer (2005, S. 51ff.) aufgenommen.187 Das Kategoriensystem wurde induktiv ergänzt und weiter ausdifferenziert. Die Kategorie „Veränderungen in Bezug auf die Systemumwelt“ (eb-da.) lässt sich aus den Berichten der Teilnehmer nicht bedienen. Derartige Veränderungen wä-ren auch überraschend, da das Interventionsprogramm nicht auf sie abzielt. Alle weiteren theo-retischen Kategorien lassen sich in den Evaluationsinterviews wiederfinden. In jedem Team be-richten die Teilnehmer über veränderte subjektive Deutungen über ihr Team oder ihre Teamkol-legen. Ebenfalls in jedem Team erkennen die Teilnehmer neue Interaktionsstrukturen. Trotz großer inhaltlicher Variationen zwischen den Teams, werden außerdem in allen Teams Verän-derungen der Entwicklungsgeschwindigkeit und -richtung beobachtet. Soziale Regeln scheinen sich dagegen nur in den Teams 1, 3 und 4 gewandelt zu haben. In den Teams 1 und 5 verän-dern sich außerdem Personen des sozialen Systems.

11.2.1 Veränderung subjektiver Deutungen: Das Team mit anderen Augen sehen

Alle Teilnehmer berichten über Veränderungen in der Wahrnehmung ihrer Teamkollegen. Der Beratungsprozess bietet ihnen die Gelegenheit, „die anderen zu sehen“ (T3B9). Dabei tritt viel Unbekanntes und Neues zutage:

T3B1: „Ich habe öfter gedacht: ‚Ach Mensch, das wusste ich noch nicht. Das siehst du so und so, das ist ja interes-sant’.“

Viele Teilnehmer erleben, dass sie ihre bisherigen Konstruktionen über die anderen Teammit-glieder revidieren müssen:

T5B1: „Wo ein paar Sachen waren, wo ich ein bisschen erstaunt war. Wo ich schon gesagt habe, dass das meinen Blick auf einzelne Personen im Team vielleicht doch noch ein bisschen geändert, dass ich da gemerkt habe: ‚So, wie ich immer dachte, dass es so und so wäre, ist es doch gar nicht'.“

Bisweilen bilden einzelne Teilnehmer auch neue Erkenntnisse über ihr gesamtes Team. Dabei können sowohl problematische Aspekte deutlicher erkannt werden, als auch positive Merkmale zum Vorschein gelangen.188

Veränderungen in der gegenseitigen Wahrnehmung von Team und Leitung

Insbesondere die Teamleitungen haben im Team-Alltag nicht die Möglichkeit, die einzelnen Teammitglieder so nuancenreich zu erleben wie in den Workshops. Neue Einblicke werden im Tagesgeschäft häufig nur in „krisenhaften Situationen“ gewonnen (Leitung Team 3). Der ge-meinsame Prozess bietet diesbezüglich mehr Facetten als die herkömmliche Zusammenarbeit (vgl. Kap. 10). Die zusätzliche Transparenz führt dazu, dass auch die Teamleitungen ihre Kon-struktionen über ihr Team bzw. einzelne Teammitglieder in Frage stellen:

187 Die Autoren unterscheiden die folgenden Ansatzpunkte für systemische Interventionen: „Veränderungen der Personen des sozia-len Systems, Veränderung subjektiver Deutungen, Veränderung sozialer Regeln, Veränderung von Interaktionsstrukturen, Verände-rungen in Bezug auf die Systemumwelt, Veränderung der Entwicklungsgeschwindigkeit und -richtung“ (König & Volmer, 2005, S. 51). 188 Z.B. T4B1: „Das war zum Beispiel auch so eine Erkenntnis für mich im Rahmen dieser ganzen Workshops: Wir sind alle fähig, unsere technischen Probleme zu lösen. Daran fehlt es unserem Team nicht. Die Probleme liegen nie auf der technischen Ebene. Wenn wir irgendetwas nicht hinkriegen, dann sind das organisatorische Probleme oder Kommunikationsprobleme oder solche Sa-chen, aber das ist nie ein technisches Problem. Allein diese Erkenntnis zu vermitteln, das ist ein wichtiger Aspekt“ und T1B4: „Nach diesem ersten Workshop, wo alles sehr positiv besprochen wurde, waren alle sehr euphorisiert, wie ich das Gefühl hatte, so. Weil man festgestellt hatte, ‚Okay, es ist gar nicht so schlecht, wie man immer manchmal sich eingeredet hat. Wir haben sehr viele gute Sachen.’“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 220

Leitung Team 1: „Dass ich da schon so ein erstes, erst das Gefühl dafür bekommen habe, dass die Gruppe vielleicht doch anders ist, als ich sie wahrnehme.“

Die neuen Rückmeldungen können dazu führen, dass auch bisher latente Probleme erstmals gesehen werden:

Leitung Team 4: „Was sozusagen mich betrifft und so ein bisschen das Team ist, dass viele Kritikpunkte, die im Laufe der Arbeiten aufgekommen sind, im Workshop sozusagen zum ersten Mal so offen ausgesprochen worden sind. Das hat mich eigentlich gewundert. Normalerweise kann jeder sagen, was er möchte, und jeder sagt eigentlich jedem… Das scheint dann aber doch nicht der Fall. Da kamen dann so ein paar Punkte, wo jemand mal gesagt hat: ‚Das ge-fällt mir nicht. Das würde ich gerne anders haben.’ […] Das fand ich ein bisschen überraschend. Ich hätte nicht ge-dacht, dass so viele Sachen fehlen. So habe ich ein paar Leute ein bisschen besser kennengelernt.“

In diesem Zusammenhang ändert sich der Eindruck vieler Teilnehmer über ihre jeweilige Team-leitung dahingehend, dass ihr Vorgesetzter ihre Probleme registriert hat und daraus Konsequen-zen zieht:

T3B1: „Vielleicht liegt es auch daran, dass meine Situation erkannt worden ist. Sie war ja belastend. Ich rede jetzt in Richtung Fachbereichsleitung. Ich denke schon, dass er das sieht und sich damit auseinandersetzt. Er zeigt es zwar nicht so. Ich glaube, dass er trotzdem vieles mit bedenkt.“189

Mehr gegenseitiges Verständnis durch Kennenlernen der Unterschiede

Die am häufigsten berichtete Veränderung im Anschluss an das gemeinsame Projekt besteht darin, dass die anderen Teammitglieder „mit anderen Augen“ gesehen werden (T1B2). Die Teamkollegen werden weniger auf ihre Rolle reduziert und als unverwechselbares Individuum wahrgenommen („die sind mir vielleicht auch mehr bewusst geworden so als Menschen“, T1B6). Viele Teilnehmer gewinnen ein Bewusstsein für die vielfältigen interindividuellen Unterschiede:

T4B1: „Also, ich habe einfach gesehen, dass die verschiedenen Leute im Team einfach ganz andere Hintergründe haben, ganz andere Ziele haben und ganz andere Schwerpunkte. Wenn man sich nur auf der Arbeit trifft und im We-sentlichen auch nur über die Arbeit redet, gehe ich eigentlich davon aus, oder bin ich davon ausgegangen, dass wir mehr oder weniger ähnliche Ziele haben und ähnliche Schwerpunkte. Das ist aber überhaupt nicht so.“190

Dabei treten auch Stärken der einzelnen Teammitglieder deutlicher zutage.191 Die meisten Teil-nehmer haben im Anschluss an das Projekt das Gefühl, ihre Kollegen „besser kennengelernt“ (z.B. T1B5, T4B1, T5B3) zu haben:

T5B1: „Wir haben uns besser kennengelernt, auch was sind einzelne Erwartungshaltungen, wie sehen wir uns unter-einander, welche Erwartungen haben wir auch an das, was wir hier machen? Das ist mir deutlicher geworden.“192

Dies ermöglicht es ihnen, die anderen Teammitglieder besser „einzuschätzen“ (T1B1) und zu „verstehen“ (T4B5):

T5B2: „Ich gucke hinter die Fassade und verstehe Verhalten ein bisschen besser.“193

Daraus resultiert für einige Teilnehmer „ein gewisses Gefühl der Sicherheit“ (T1B6).194

189 Vgl. T4B5: „Ich denke, eines der wesentlichen Ergebnisse ist es, dass unser Projektleiter mehr Einblick in die Probleme der Teammitglieder gewonnen hat.“ 190 Vgl. T5B3: „Das fand ich noch mal so befreiend für das Team, wenn man das Gefühl hat, jeder ist einfach anders [I: man weiß woran man ist] ja, genau. Und die Stimmung im Team kippt nicht, weil der andere nicht so ist wie ich bin. Also, wenn er sich nicht so verhält, wie ich es erwarte, dass es dann auf sein ‚weil er anders ist’ zurückzuführen ist und nicht, weil ich mich komisch verhalten habe.“ 191 Z.B. T3B1: „Man hat gemerkt, was für Kompetenzen einzelne Leute überhaupt haben.“ 192 Vgl. T4B5: „Was man auf jeden Fall gewinnt sind Einsichten in die „Denke“ der anderen Leute, mehr als das im Berufsleben sonst der Fall ist, weil man sich vom Beruflichen ein Stück weit fortbewegt. Es ist eine andere Perspektive, eine andere Dimension, die man da erlebt. Das ist auf jeden Fall ein Aspekt, der dann verbessert wird.“ 193 Vgl. T4B2: „Es ist ein besseres Verständnis für den anderen da“ und T3B1: „Weil wir einfach wissen, wie der andere auf der persönlichen Ebene tickt.“ 194 T5B3: „Weil, wenn ich mehr weiß, wie der andere tickt, ich mich auch sicherer in der gesamten Umgebung fühle.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 221

Positive Auswirkungen auf das Teamklima

Das Verständnis für die anderen geht mit einem Gefühl von Nähe und Verbundenheit einher:

T1B2: „Persönlich hat man sich näher gefühlt, den anderen. Weil man plötzlich die mehr, viel besser verstanden hat. Man hat also plötzlich verstanden, warum manche Leute so handeln, also, was für Probleme die haben, also, auf einer persönlichen Ebene hat man sich besser verstanden.“195

So berichten Teilnehmer in allen Teams über einen gestärkten „Teamzusammenhalt“ (z.B. T3B9, T1B2, T5B5, T4B2), einen „größeren Bezug aufeinander“ (T3B3) und ein gestiegenen „Zusammengehörigkeitsgefühl“ (T3B3).196

In den Teams 1 und 5 haben einige Teammitglieder das Gefühl, dass auch das gegenseitige Vertrauen steigt.197 Diese Veränderung als Konsequenz des intensiveren Kennenlernens erleben die Mitglieder von Team 3 und 4 nicht. Team 3 zählte bereits vor Projektbeginn einen vertrau-ensvollen und wertschätzenden Umgang zu seinen Stärken. So betonen auch einige Mitglieder von Team 3, „dass es bereits vor der Intervention „ein enges Team, ein gutes Team“ (T3B2) und ein „tragfähiges Team“ (T3B3) gewesen sei. Die gute Zusammenarbeit habe sich „nur noch in-tensiviert“ (T3B5). Über besondere Auswirkungen des Prozesses auf Stimmung und Motivation berichten denn auch nur die Teamleiter der übrigen Teams. Sie beobachten eine „gewisse Moti-vationssteigerung“ (Team 4), die Teammitglieder seien „fröhlicher“ (Team 5) oder „selbstbe-wusster“ (Team 1). In diesen Teams berichten auch Einzelne, dass sie sich stärker als bisher durch das Team akzeptiert fühlen (T1B5: „dass man also auch respektiert wird oder akzeptiert besser“).

Gemeinsame Ausrichtung auf Teamziele

In Team 3 ist eine stärkere inhaltliche Fokussierung als in den anderen Teams zu beobachten. Denn für alle Teams gilt, dass im Verlauf des Interventionsprogramms nicht nur eine Ausrich-tung der Teammitglieder aufeinander stattfindet. Auch inhaltlich positionieren sich die Teaman-gehörigen auf Gruppenziele und mögliche Veränderungen hin. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Einstellungen und Meinungen offensichtlich:

T3B9: „Erkenntnis, wo die Kollegen in Bezug auf mögliche Veränderungen stehen. Ich glaube, wenn ich das gemein-same Coaching nicht gehabt hätte und diesen gemeinsamen Tag, dann würde ich ganz anders in die Veränderungs-prozesse, die wir anschieben werden, gehen. Mir sind die anderen noch mal klarer geworden in diesem Prozess.“

Es wird jedoch im Zuge dieser Arbeit auch transparent, wenn bestimmte individuelle Bedürfnisse in der Teamkonstellation nicht erfüllt werden können:

T5B1: „Da ist für mich noch einmal deutlich raus gekommen, dass wir schon zum Teil grundlegend andere Typen sind, grundlegend andere Verständnisse vom Themen haben, vielleicht auch Bedürfnisse, was so Teamkontext anbe-langt und was für mich noch mal verstärkt hat 'Okay, bestimmte Dinge möchte ich einfach anders haben', dass die nicht so optimal sind, wie ich sie mir vorstelle.“

Es ist jedoch möglich, dass sich aus der Schnittmenge der Positionen im Prozess eine gemein-same Vision entwickelt.198 Diese gemeinsame Ausrichtung wird als hilfreich für die weitere Arbeit eingeschätzt:

195 Andere Formulierungen lauten, man sei sich „persönlich näher gekommen“ (T5B5), „mehr zusammengerückt“ oder „mehr zu-sammengewachsen“ (T5B3). Es sei „mehr Nähe“ (T4B5) entstanden. Man „fühlt sich dann natürlich auch verbundener miteinander“, T1B4. 196 Z.B. T3B1: „Das gesamte Team fühlte sich im Endeffekt dann auch mehr als Team.“ 197 Die Aussagen lauten beispielsweise, die „Vertrauensbasis [sei] aufgebaut“ (T5B5) oder „sehr gestärkt“ (T1B1) worden, so dass es „mehr Vertrauen“ (T5B3, T5B4) gebe. 198 Vgl. T3B3: „Das Team ist koordinierter“, T5B5: „Wir hatten ein klares Ziel, eine Vision entwickelt, wie wir uns als Team sehen“ und T3B9: „Da gibt es eine Übereinstimmung, was in welche Richtung so ungefähr zu verändern ist.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 222

T3B8: „Ich glaube, dass wir ein bisschen mehr eine Richtung haben, in die wir gehen wollen. […] Ich glaube, dass es wichtig ist, sich noch einmal gemeinsam zu verorten, um gemeinsam gut arbeiten zu können, und das Ziel auch ge-meinsam im Auge zu haben. Das ist da gut gewesen.“

11.2.2 Veränderung der sozialen Regeln im Team: Von der Arbeitsorganisation bis zur „Entschleunigung“

In allen Teams werden Veränderungen berichtet, die sich als eine Änderung der sozialen Re-geln interpretieren lassen. Sie manifestieren sich in den Teams 1, 3 und 4 in greifbaren Modifi-kationen der Arbeitsorganisation. In den Teams 1 und 3 sind darüber hinaus auch Wandlungen in grundlegenden Einstellungen und Haltungen der Teammitglieder zu beobachten. Sie betreffen eher „ungeschriebene Regeln“ (Scott-Morgan, 1994) oder die wechselseitigen Erwartungserwar-tungen. In Team 5 sind (möglicherweise aufgrund der Auflösung des Teams) keine arbeitsorga-nisatorischen Veränderungen feststellbar. Dennoch sprechen einige Hinweise dafür, dass sich in Bezug auf den Umgang mit mindestens einer Person die ungeschriebenen Regeln geändert haben. Dies findet in korrigierten Erwartungserwartungen und Verhaltensbeobachtungen des betreffenden Teammitglieds Niederschlag. Interessanterweise werden die Veränderungen in den sozialen Regeln des Teams häufig mit dem Verhalten der Führungskraft in Zusammenhang gebracht. Die Teammitglieder unterstellen ihrer Führungskraft häufig, dass sie Dinge nun er-kannt habe und anders sehe und beobachten, dass sie entsprechend handele.

Willkommene Veränderungen der Arbeitsorganisation

Die Mitglieder von Team 1 geben an, dass sich viel in „organisatorischen Dingen verbessert“ (T1B1) habe („dass wir uns mehr organisieren“, T1B2). Dies führe zu „klare[n] Strukturen“, die als sehr „effektiv“ empfunden werden (T1B6). Bereits in Workshop III werden einige der einge-führten Maßnahmen erwähnt. So wurde etwa ein neuer Kommunikationsort geschaffen, ein re-gelmäßiges „Kolloquium“, das als Forum für den Teamaustausch und zur Klärung von Aufgaben und organisatorischen Aspekten dient. Darüber hinaus ändert sich auch die Art und Weise der Zusammenarbeit: Ein E-Mail-Verteiler erleichtert die gemeinsame Arbeit an Texten und infor-miert die Teammitglieder über wichtige Details. Ein neuer Teamkalender wurde eingerichtet, der die Terminfindung und -verwaltung sowie das Setzen von Deadlines ermöglicht. Die Verände-rungen werden von allen Teammitgliedern auf die Initiative der Führungskraft zurückgeführt. Bei ihrer Einführung habe es auch „Reibereien im Team“ gegeben, da die Regeln (z.B. “Ich erwarte, dass man pünktlich ist“ in Bezug auf das Kolloquium) „strikter“ eingefordert wurden (WS3T1). Die Regeln gehen zu Lasten der zuvor bevorzugten Spielräume durch Unverbindlichkeit.199 Zum Zeitpunkt des Evaluationsinterviews werden sie jedoch von den Teammitgliedern ausnahmslos begrüßt.200

In den Teams 3 und 4 sind erst nach dem dritten Workshop Änderungen in der Arbeitsorganisa-tion herbeigeführt worden. Zum Zeitpunkt der Evaluationsinterviews sind einige dieser Anpas-sungen bereits umgesetzt. Analog zu Team 1 verändern sich auch in diesen beiden Teams zum einen Regeln, welche die Art und Weise der Zusammenarbeit betreffen. Zum anderen wird die Etablierung (Team 4) oder Modifikation (Team 3) der Regelkommunikation vorgenommen:

T3B3: „Wir haben Strukturen verändert, die das ermöglichen. Das sind sichtbare Kriterien, die wir in der Organisation angegangen sind. Wir haben andere Formen von Zusammenarbeit, wie zum Beispiel Kleingruppenarbeit, jetzt in

199 Vgl. WS3T1: „Diese striktere Organisation sorgt jetzt eher für ein schlechtes Gewissen bei mir. Verpflichtungen werden klarer, das ist unangenehm.“ 200 Z.B. T1B4: „Natürlich ist es halt immer besser, ne. Also, es ist halt mehr Struktur. Also, ich bin so ein Strukturmensch. Ich brau-che das irgendwie so ein bisschen.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 223

Angriff genommen. Und wir haben auch unsere regelmäßige Besprechungsstruktur in diese Richtung weiterentwi-ckelt. Das sind zwei sichtbare, strukturelle Veränderungen.“201

Auch in diesen Teams werden die strukturellen Veränderungen positiv bewertet.202 Denn aus Sicht der Teammitglieder führen diese Maßnahmen dazu, „sich besser zu organisieren“ (T3B9) und Aufgaben „klarer abzuarbeiten“ (T3B9).

Veränderungen der ungeschriebenen Regeln und Erwartungserwartungen

Die ungeschriebenen Regeln, die für das Miteinander des Teams gelten, schlagen sich in den Erwartungserwartungen der einzelnen Teammitglieder nieder. Das folgende Zitat illustriert, dass das Interventionsprogramm offenbar einen Rahmen bietet, in dem diese Erwartungen abgegli-chen bzw. verändert werden können:

T5B5: „Ich denke immer, das hat auch was mit meinem Bild ‚Sekretärin’ zu tun. Wo ich immer denke, das muss die hilfsbereite, beflissene, immer alles tun müssende Frau sein. Dass ich jetzt irgendwie gesagt habe: „Nee. Das muss gar nicht so sein. Die darf auch Mensch sein. Und die darf auch Schwächen haben. Und die darf auch mal Nein sa-gen.“203

Während in Team 5 nur vereinzelt Veränderungen in den Erwartungserwartungen der Teilneh-mer beobachtbar sind, verändern sich in den Teams 1 und 3 die „ungeschriebenen Regeln“ des Gesamtteams. Auch die Veränderungsrichtung ist dieselbe: In beiden Teams bemüht man sich im Anschluss an die Interventionen stärker um „Entschleunigung“ (T3B2) und den Blick auf die Ressourcenbalance der einzelnen Teammitglieder:

T3B9: „Was man beobachten könnte, wäre, dass wir versuchen, nicht nur zu überlegen, was wir machen, sondern auch, wann wir was machen können, und wie wir das nachhaltig machen können. So dass wir nicht immer fünf Sa-chen zugleich anfangen und nach zwei Jahren merken, dass wir nichts richtig durchgearbeitet haben. Wenn man sich unsere Tafeln oder Protokolle anguckt, sieht man, dass wir uns da sehr drum bemühen. Wenn man die Gruppe beo-bachtet, könnte man sehen: Alle versuchen, nicht mehr Stress ins Team zu bringen. Ich glaube, Einzelne von uns sind wirklich ziemlich belastet gewesen. Wir schleppen manche Sachen seit Jahren mit uns herum und kriegen das nicht zu Ende. Stattdessen haben wir schon wieder neue Dinge gestartet. Und das immer mit dem Gefühl, ‚das muss jetzt’ und ‚das ist notwendig’ und ‚wir können nicht anders’. Inzwischen nehmen wir das nicht mehr so hin, sondern gucken, ob wir es anders machen können. Das müsste man von außen sehen können.“204

201 Vgl. T4B2: „In den letzten Gesprächen in Workshop III hatten wir ja auch so einen konkreten Maßnahmenkatalog, an dem wir uns jetzt auch orientieren und uns an der Umsetzung versuchen. Also, so etwas wie regelmäßige Treffs, und dass wir uns jetzt zwei Wochen für das Team reserviert haben, und uns unten eingeschlossen haben. Wir sitzen jetzt gerade da unten. Wir haben unsere Büros verlassen und uns in einem Besprechungsraum isoliert von den restlichen Mitarbeitern und von den Telefonen. Das sind Sachen, die wir jetzt konkret umsetzen und auch hoffentlich weiter verfolgen werden.“ 202 Z.B. T4B3: „Das bringt insgesamt sehr viel.“ Vgl. T3B1: „Das finde ich gut, weil man sich über strukturelle Veränderungen einen Kopf macht.“ 203 Vgl. T5B1: „Also, ich weiß noch, [Name der Teamleitung] hatte z.B. so eine Aussage, dass er meinte, er findet Work-Life-Balance total wichtig, und er findet es super toll, dass wir das auch einfordern. Und so eine Sichtweise, so hatte ich das noch nicht gesehen. Dass Work-Life-Balance eine gewisse Bedeutung hat, ja. Aber dass er das auch gut findet, wenn wir das Thema für uns in Anspruch nehmen, das war mir da noch nicht bewusst. Also solche kleinen Themen waren das, wo ich gedacht habe: ‚Okay’. Was mir auch geholfen hat, besser einzuschätzen, ‚wie kommt das, was ich mache, bei anderen an?'“ und T1B4: „Und das nochmalige Klären der Aufgabe an und für sich, dass das ja gar nicht dieses Riesenteil jetzt ist. Wie ich mir immer das so ausgemalt hab oder gedacht hab. Oder dass die Erwartungen auch gar nicht so sind, wie ich sie mir erdacht hab.“ 204 Vgl. T1B3: „Sagen wir so, diese massive Geschäftigkeit ist vielleicht so ein bisschen, dieses massive Um-die-Teamziele-herum-Getänzel, das Geschäftige, ist so ein bisschen weg. Und stattdessen ist da jetzt eher so ein: Der Eine macht seine Diplomarbeit hauptsächlich und der andere macht sein Siemensprojekt hauptsächlich und der Dritte macht sein, was weiß ich was, seine Lehre hauptsächlich. Und hin und wieder setzt man sich dann zusammen, um irgendetwas zu reißen. Wie zum Beispiel diese drei, vier, fünf Paper, fünf waren es. Und scheinbar ist es dann, also das ist ja schon mal echt cool, dass es gelungen ist. Und ich glaube, das liegt auch daran, dass man da einfach mehr Energiereserven hat. […] Interessant ist, der Threshold [Anm.: die Schwelle] der Dinge, für die man sich dann letztendlich aufopfert und die ganze Zeit Arbeit leistet, ist so ein bisschen angehoben worden. Vorher war es so: Jemand möchte irgendwie mit uns kooperieren und will irgendwelche Daten ausgewertet haben – schon sitzen wir dran und machen das den ganzen Nachmittag und noch irgendjemand möchte – du weißt schon – so setzt sich das dann fort. Und da gibt es natürlich dann auch extrem wichtige Sachen, wie Drittmittelprojekte. Da sitzt man dann auch noch ein Quäntchen am Nachmittag oder am Wochenende und so weiter. Und jetzt ist es eher so: Da kommt jemand und will von uns Daten ausgewertet haben. Und wir sagen: ‚Wir können gerade die nächsten zwei Wochen nicht. Aber in drei Wochen kannst du vielleicht die Ergebnisse haben’ und so. Und die wichtigen Sachen, wie diese Paper, da setzt man sich dann doch hin. Weil das irgendeinen Threshold überschreitet, der jetzt eben viel höher angesetzt ist. [I: Ja.] Und das ist schon irgendwie eine positive Sache. Also, ich habe das Gefühl, dass es so funktionieren kann. Ich habe auch letztendlich retrospektiv das Gefühl, dass das vorher wie so eine Art Ameisenhaufen war. Also, dass man sehr viel macht, aber wenig schafft. Weil man sich so zerteilt in 50 Sachen parallel.“

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In beiden Teams bemüht man sich, operative Hektik zu vermeiden und sich in der gemeinsamen Arbeit auf klare Prioritäten zu konzentrieren.205 Insbesondere die Teamleitungen sind gefragt, dafür anders als zuvor zu handeln. Denn die Teammitglieder beobachten, worauf ihre Füh-rungskraft ihre Aufmerksamkeit richtet.206 Ein Teamleiter beschreibt, sich „bewusst gebremst“ zu haben, um nicht noch weitere Aufträge und Aufgaben an Land zu ziehen. Er macht für diesen Kurswechsel eine wesentliche Einsicht aus dem Teamprozess verantwortlich:

Leitung Team 1: „Dass ich halt eben gemerkt habe, ‚Wir müssen unsere Ressourcen fokussieren, weil diese Res-sourcen wirklich was kosten’. Also, es ist wirklich so, dass es, dass jeder hier dann eben auch da mit einem Teil sei-nes Lebens ran geht und dadurch eben auch Probleme erhält. Und dann kann man nicht mehr so leichtfertig range-hen als wie wir es vorher haben.“

Viele Teammitglieder sind erleichtert darüber, dass die „Belastung heruntergefahren“ wird (T3B7). Sie begrüßen die Veränderung, da sie „mehr Ruhe haben, gelassen an die Sachen ran-zugehen“ (T3B1) und „positive Sachen entstanden sind wie Entlastung und Zeit für andere oder für Anderes“ (T1B4). Besonders den Mitgliedern von Team 3 ist bewusst, dass die Aufrechter-haltung des Fokus auf „Entschleunigung“ weitreichende Änderungen in der Art der Bearbeitung von Themen erfordert.207 Die Veränderung geht für Team 3 damit einher, sich auf die Suche nach Lösungen zweiter Ordnung zu begeben, z.B. nach strukturellen Veränderungen, die Prob-leme mehrerer Einzelpersonen lösen.208 Dies wiederum bedeutet, sich mehr Zeit für die Diskus-sion von Lösungsansätzen im Team zu nehmen, ohne dabei die Ergebnisorientierung zu verlie-ren.209 Um diese Prozesse in Gang zu halten, wurden neben der Modifikation der Dienstbespre-chung auch neue externe Supervisoren gesucht.

11.2.3 Veränderung von Interaktionsstrukturen im Te am: „Diese Ebene verlas-sen, wo man sich nur höflich als Kollegen austausch t“ 210

In allen Teams berichten die Teilnehmer über veränderte Interaktionsstrukturen. Sie stellen eine „noch mehr gefestigt[e]“ (T3B6), „intensivierte“ (T3B5), „bessere“ (T4B4) Zusammenarbeit“ fest. Oder bemerken ein „netteres Miteinander“ und einen „teilweise doch deutlich verbesserten Um-gang innerhalb des Teams“ (T4B1).211 Untersucht man konkrete Anhaltspunkte für die Verände-rung, so kristallisieren sich drei Aspekte heraus: Erstens registrieren die Teilnehmer auf der Verhaltensebene ein Mehr an Kommunikation und gegenseitiger Unterstützung. Zweitens scheint sich die „Tonart“ (König & Volmer, 2005) der Teamkommunikation zu ändern. Drittens verändern sich Beziehungen im Team.

205 Z.B. T3B8: „Es ging ja darum, wir haben relativ viele Themen am Laufen, und ich glaube, genau das ist auch das Problem bei uns im Fachbereich, dass wir immer wieder neue Ideen haben, was man machen kann. Man fängt irgendwie alles an, macht alles weiter und verliert manchmal an bestimmten Stellen auch die wesentlichen Punkte aus dem Auge. Und sich das noch einmal vor Augen zu halten und auch darauf zu besinnen, nicht immer, was einem gerade in den Kopf kommt, anzufangen und,... Also ein bisschen in diese Richtung, ja. Mir ist noch einmal klar geworden, dass wir Prioritäten nicht richtig setzen. Wenn wir welche setzen, dann eher zufällig und nicht geplant. Das müssen wir ändern.“ 206 Z.B. T3B1: „Da wird mehr drauf geachtet, auch von der Leitungsebene.“ 207 Z.B. T3B9: „Auch die Art, wie wir es bearbeiten, muss noch geklärt werden. Wir sind darauf gekommen, wo die Probleme sitzen und wir haben Ideen bekommen dafür, wie man da vorgehen kann.“ 208 Z.B. T3B7: „Es wird deutlicher, dass es nicht an der einzelnen Person hängt, dass irgendetwas nicht läuft, sondern, dass es ein strukturelles Problem ist oder, dass insgesamt Sachen außer Acht gelassen wurden.“ 209 Z.B. T3B6: „Ich habe das Gefühl, dass wir wirklich darauf bedacht sind, Ergebnisse zu erzielen, so in den Besprechungen. Aber uns auch versuchen zunehmend mehr Raum zu geben für eine inhaltliche Auseinandersetzung oder Sondierung. Dass es nicht darum geht, ganz schnell eine Lösung zu finden oder ein Ergebnis zu produzieren. Dieses soll langfristig das Ziel sein. Aber es soll nicht unbedingt in einer Sitzung oder in zwei Sitzungen etwas ganz schnell aus dem Hut gezaubert werden.“ 210 T1B5, vgl. vollständiges Zitat im Text, s.u. 211 Z.B. T5B4: „Wie wir so miteinander umgehen, wie wir interagieren, Nähe zu den Teammitgliedern, das ist schon in der Qualität besser geworden“, T4B2: „Das finde ich, merkt man auch im Umgang, dass läuft jetzt alles auf einer anderen Ebene ab“ und T3B5: „Intensität oder auch vielleicht Qualität der Zusammenarbeit verbessert“.

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Kommunikation und Unterstützung: Veränderung der Frequenz

Einige Teammitglieder sind mit anderer Aufmerksamkeit für ihre Kollegen präsent. Das „Interes-se aneinander“ (T5B5) steigt, mit dem Ergebnis, dass man „den anderen im Blick hat“ und „so mehr gegenseitig auf sich achtet“ (T3B6) und sich somit mehr umeinander „kümmert“ (T5B5):

T1B5: „Dass irgendwie alle sich ein bisschen mehr Mühe geben. freundlicher zu sein, aufgeschlossener zu sein. Halt nicht irgendwie nur so nebeneinander zu arbeiten, sondern halt irgendwie doch mal zu schauen: ‚Geht’s ihm gut? Geht’s ihm schlecht? Kann man ihm vielleicht eine Freude machen oder auch nicht?’“212

In den Teams 1 und 3 nehmen einzelne Teammitglieder auch mehr gegenseitige Unterstützung wahr:

T3B7: „Also, ich glaube, dass wir zumindest im Moment wieder aufmerksamer füreinander sind. Auch für die einzel-nen kleinen Katastrophen, die bei den einzelnen Leuten halt so passieren. Uns gegenseitig auch eher zur Unterstüt-zung anfordern. Unterstützung in unterschiedlichster Form: Entweder durch Gespräche oder konkrete Hilfeleistungen. Dass man Informationen bekommt, oder dass man einfach auch Unterstützung in der Form einfordert, einmal zu fra-gen: ‚Wie würdet ihr das machen?’, ‚Könnt ihr mir mal eine kollegiale Beratung geben?’ oder ‚Ich habe den Eindruck, ich komme da so nicht weiter, können wir das gemeinsam in die Hausleitersitzung bringen?’.“

Die gestiegene Aufmerksamkeit manifestiert sich in allen Teams auch darin, dass die Teammit-glieder untereinander „mehr kommunizieren“ (T4B5)213 und schneller aufeinander zugehen.214 Die häufigere Kommunikation wird aus Sicht einiger Teilnehmer dadurch begünstigt, dass man die Teamkollegen besser kennt:

T3B1: „Wenn man es in Vergleich setzt zu vorher, also wenn man wüsste, wie es vorher gewesen ist, und das jetzt sieht, könnte man erkennen, dass wir mehr diese bilateralen Gespräche auch auf einer persönlichen Ebene hinbe-kommen. […] Das hat sich verändert aus meiner Sicht. Das machen wir besser. Mir gelingt es, weil wir einfach wis-sen, wie der andere auf der persönlichen Ebene tickt.“

Auch die Änderungen in der Arbeitsorganisation wirken unterstützend, indem sie einen Rahmen für den Austausch bieten:

T1B1: „Ich würde sagen, die Kommunikation ist dadurch schon verbessert worden. Insbesondere durch das Kolloqu-ium, aber auch dadurch, dass wir über diesen Google-Kalender miteinander Termine vereinbaren können und das auch nutzen, um uns z.B. mal zum Essen zu verabreden – wo man sich natürlich auch mal wieder über anderes un-terhält – hat es einen Austausch, wie wir ihn vor allem in den Workshops hatten, ein bisschen hinübergerettet in die allgemeine Teamkommunikation.“

Weitere Aussagen deuten darauf hin, dass diesen Veränderungen in der Interaktion Änderungen der Erwartungserwartungen zugrunde liegen. So gilt etwa anstelle der Erwartung, die Teamkol-legen erwarteten, möglichst wenig behelligt und bei ihrer Arbeit gestört werden, nun die gemein-same Interaktion als ausdrücklich erwünscht:

T5B3: „Sonst hätte man immer gesagt: ‚Der ist beschäftigt. Ich will jetzt nicht stören. Vielleicht denkt er auch, ich weiß nichts’ und so.“215

Mehr Authentizität in der Kommunikation

Es ändert sich jedoch nicht nur die Frequenz oder Häufigkeit, sondern auch die Tonart der Kommunikation. Einige Teammitglieder berichten, dass ihre Kommunikation „besser“, „offener“ (z.B. WS3T5, T3B5) und „vertrauensvoller“ (z.B. T1B6) sei:

212 Vgl. T3B1: „Dass man mehr guckt, was ist persönlich eigentlich los.“ 213 Vgl. T1B2: „Da wird mehr kommuniziert und mehr ausgetauscht“, T1B4: „mehr Kommunikation dann auch stattgefunden hat so miteinander“, T5B5: „Man redet mehr miteinander, man tauscht sich mal aus“ und T4B3: „Geändert hat sich da etwas, definitiv, weil auch mal mehr gefragt wird. Ich werde auch mehr gefragt, nach bestimmten Dingen.“ 214 Z.B. T5B3: „Ich hatte schon das Gefühl ,dass wir schneller miteinander, alle mit T5Bx auch, mehr miteinander geredet haben, einfach aktiv auf den anderen zugegangen sind und gesagt haben: ‚Wie siehst du das denn?’ beispielsweise oder ‚Kann ich mal ein Brainstorming einberufen? Ich brauche ein paar Ideen mal zu folgendem Thema.“ 215 Vgl. T1B1: „Dass es überhaupt die Möglichkeit, den Raum dafür gibt. Ohne dass man, dass man das Gefühl hat, man würde dem anderen Zeit stehlen, weil man so zur Tür hineinplatzt, […] so was wie ein offizieller Rahmen“ und T5B1: „Vielleicht weniger Scheu bei bestimmten Themen auf den anderen zuzugehen, mehr Bereitschaft sich zu Arbeitsthemen entsprechend auszutauschen. Wo vorher doch noch ein bisschen war 'Da hat sie ja nichts mit zu tun' oder Ähnliches.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 226

T4B2: „Ich merke schon, danach hat man anders miteinander geredet, so ein bisschen vertrauter. Das hat auch Bar-rieren abgebaut.“

Die Teammitglieder haben weniger Bedenken, sich authentisch zu zeigen. Dies ermöglicht es ihnen, deutliche Worte zu wählen und konfliktäre Themen klar anzusprechen:

T1B5: „Also, wir gehen auf jeden Fall offener miteinander um. Wir haben halt so ein bisschen so diese, diese, diese Ebene verlassen, wo man sich nur höflich als Kollegen austauscht, [I: ja] sondern wo man sich auch wirklich die Mei-nung mal sagt und auch also, okay, auf persönlicher Ebene auch ehrlich miteinander ist. Also, das hat sich schon verändert. […] So halt generell ist es schon, natürlich, eine völlig neue Qualität im Team dadurch entstanden […] Naja, indem man halt wirklich auch mal sagt, ‚nein, ich kann nicht’, ‚nein, ich will nicht’, ‚nein, ich möchte nicht’. Dass man auch eben doch wirklich sagt ‚nein, ich will nicht’ und halt nicht noch irgendwie, ‚ja, ich würde, aber ach und nee’, und dass man einfach sagt, ‚nein, ich will nicht, Punkt.“ 216

Veränderungen von Beziehungen zu Teamkollegen und zur Teamleitung

In den Teams 1, 3 und 5 haben einige Teilnehmer das Gefühl, dass sich durch den gemeinsam erlebten Prozess auch Beziehungen verändert haben. So resultiert zum Beispiel aus der intensi-ven Zusammenarbeit im zweiten Workshop eine nachhaltige Intensivierung einer Zweier-Beziehung im Team:

T5B1: „Ich glaube, das war im Wesentlichen die Beziehung zu T5Bx, wo ich auch glaube, dass das nachhaltig eine Veränderung mit sich gebracht hat. Dass wir da doch ein bisschen auf eine andere Ebene gekommen sind, die vorher so nicht da war. Deswegen der größte Ausschlag für mich. Was mit dem restlichen Team nicht so in dem Ausmaß stattgefunden hat.“

Eine häufig berichtete Veränderung betrifft die Beziehung zur Teamleitung. In den betreffenden Teams nehmen einige Teammitglieder wahr, dass sie sich in Richtung einer Beziehung auf Au-genhöhe entwickelt hat:

T1B3: „Das hat letztendlich unser Verhältnis so ein bisschen in dem Sinne verbessert, dass es uns so mehr oder weniger auf die gleiche Stufe gehoben hat, also davon abgesehen, dass er der Chef ist.“

Die Führungskraft wird dadurch stärker als Teil des Teams gesehen:

T3B5: „Auch hat sich die hierarchische Ebene zwischen Hausleitung und Fachbereichsleitung zu einer weitgehend Gesamt-Team-Konstellation verschoben.“

Auch einzelne Führungskräfte nehmen diese Veränderung wahr:

Leitung Team 5: „Nicht mehr so […] Chef-Mitarbeiter Beziehung, sondern eher Teambeziehung.“

11.2.4 Veränderung der Entwicklungsgeschwindigkeit und -richtung der Teams

Viele Teilnehmer äußern, dass die Beratung die Entwicklung in eine gewisse Richtung be-schleunigt habe. Manche Teilnehmer sehen auch die Richtung der Entwicklung durch die Bera-tung angestoßen. Da die Prozesse in den unterschiedlichen Teams sehr spezifisch verlaufen, werden die wesentlichen Entwicklungsstränge nachfolgend skizziert und jeweils durch einige Zitate illustriert. Während die bisher beschriebenen Veränderungen (sofern nicht anders aufge-führt) teamübergreifend gelten, wird hier akzentuiert, welche Veränderungen in den einzelnen Teams besonders intensiv oder prägend ausfielen.

216 Vgl. Leitung Team 1: „Ja, also ich habe klar Probleme angesprochen. Also, das ist, das hat sich eben schon verändert, dass ich eben vielleicht auch auf die Gefahr hin, mein Harmoniebedürfnis ein bisschen zu stören, meine Dinge ganz klar besprochen und [I: Zum Beispiel?] – Also, wenn ich jetzt das Gefühl habe, dass jetzt bestimmte Leute was falsch machen, was man jetzt so im Team, ja, dann habe ich es auch klar gesagt. Auch wenn es dann ein bisschen unangenehm ist, zu sagen, ‚Hey, so nicht!’ […] Ja, aber ich glaube, ich kriege auch hochwertigeres Feedback. Also, dass die Leute auch mir mal sagen, wenn ihnen was nicht passt. Also, ich habe das Gefühl, dass das nicht nur auf meiner Seite so ist, sondern, dass das im Allgemeinen, dass man halt weiß, wie man mit anderen Leuten reden kann. Also, wo dann die Grenzen sind, die man nicht mehr spalten darf, nicht. Ich kriege halt auch von T1Bx zum Beispiel das gesagt, aber auch von T1By und auch von T1Bz: ‚So geht’s nicht’. Und das finde ich gut, das finde ich total super.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 227

Team 1: Mehr Berücksichtigung der individuellen Sit uation der Teammitglieder

In Team 1 resultierte der Prozess auf individueller Ebene in einer starken Fokussierung auf die individuellen Selbstmanagement-Anliegen und -ziele. Das folgende Teilnehmerzitat verdeutlicht die Veränderung, die alle Teammitglieder in ähnlicher Weise beschreiben:

T1B2: [Im Zusammenhang mit dem Einzelcoaching und Workshop II:] „Viele sind sich auch mal selber bewusst ge-worden, wie wichtig ihnen manche persönlichen Ziele sind oder wie wichtig ihnen eigene persönliche Interessen sind. Oder dass manche bedauern, dass sie das so in den Hintergrund stellen müssen und oder das nicht verwirklichen können. Und da hatte ich das Gefühl, dass jeder sich sehr stark auf sich selbst konzentriert hat.“

Die Umlenkung individueller Prioritäten auf die Selbstmanagement-Ziele wirkt auf das Team stark destabilisierend (zur Erinnerung: Die Mehrzahl der Teammitglieder hatte keinen festen Arbeitsvertrag). Das Team wird regelrecht „auseinander gesprengt“ (Leitung Team 1). Die Ver-besserung der Kommunikation und der Beziehungen untereinander führt jedoch dazu, dass gleichzeitig ein hohes Verständnis für die Ziele und das Handeln der jeweils anderen Teammit-glieder entsteht. Bei der Ausarbeitung der gemeinsamen Zukunftsvision wird deutlich, in welcher Form sich die Einzelnen mit ihren individuellen Zielen zukünftig im Team wiederfinden könnten. Es kommt zu einer Neusortierung der Prioritäten im Team mit Blick auf die Ressourcen des Ein-zelnen. Dabei wird versucht, die Arbeitsbelastung durch eine klare Prioritätensetzung zu redu-zieren. Vielfältige Änderungen in der Arbeitsorganisation führen gleichzeitig aus Sicht der Teammitglieder zu lange gewünschten Verbesserungen in der Zusammenarbeit. Dies verhindert Reibungsverluste und spart Zeit. Das Team restabilisiert sich in einer neuen Konstellation, bei der sich zwei der Teammitglieder nur noch punktuell einbringen und zwei neue Teammitglieder aufgenommen werden. Im Rückblick beschreibt ein Teilnehmer den Prozess wie folgt:

T1B3: „In der Folge sind dann so ein paar Teile des Teams gewissermaßen weggebröselt. Und die anderen haben sich aber zumindest so ein bisschen zusammengerissen und angefangen, so die Probleme im Team wirklich isoliert zu betrachten und ein bisschen was, tja, dagegen zu machen, könnte man sagen.“

Einige Teammitglieder sind der Meinung, dass das Tempo anstehender Veränderungen durch die Beratung beschleunigt wurde:

T1B4: „Ich glaube schon, dass das Tempo oder Veränderung schneller gewesen ist oder schneller wurde dadurch, durch die Beratung, weil die Gedanken irgendwie darüber strukturierter sind.“217

Die Teamleitung meint, dass der Veränderungsprozess zwar (insbesondere für sie) beschwer-lich, jedoch zur Zielerreichung sinnvoll war. Dass der Prozess begleitet wurde, hat aus ihrer Sicht zu seiner konstruktiven Entwicklung beigetragen:

Leitung Team 1: „Also, ich meine so, dass dieser Weg fast notwendig ist. Ob es jetzt auch so einen anderen Pfad dadurch gegeben hätte, der auch zu den Zielen führt, weiß ich nicht. Aber meine Fantasie reicht da nicht aus. Ich sehe die Schritte, die wir da gemacht haben, als notwendig an. Und es ist notwendig, um wirklich die Gruppenstruktur zu erhalten, die Ziele zu erreichen, die persönlichen, die persönliche Zufriedenheit zu erhalten. […] Also, ich glaube, wenn auf diesem Weg – Ich glaube schon, dass wir [Anm.: ohne Beratung] am gleichen Ziel hätten ankommen kön-nen, aber es hätte auch viel mehr Bedingungen geben können, wo das alles ganz schief gelaufen wäre. Ich bin relativ sicher, dass, wenn wir nicht über diese persönlichen Probleme geredet hätten, dass es irgendwann explodiert wäre und was dann passiert wäre, ob man das [I: „Dass was genau explodiert wäre?“] Das soziale Gefüge. Also, dass da eben T1Bx vielleicht gesagt hätte, ‚Ich mach nicht mehr mit, weil ich halt es nicht mehr aus’, oder was auch immer. Und ob man das dann hätte kippen können, das weiß ich nicht.“

Zusammenfassend sieht Team 1, dass fällige Entwicklungen durch die Beratung beschleunigt wurden. Die primäre Entwicklungsrichtung lässt sich beschreiben als eine stärkere Berücksichti-gung der individuellen Anliegen im Team.

217 Vgl. T1B6: „Das ist einfach meine Meinung mittlerweile, dass es [der Beratungsprozess] eben dem Team hilft, also, dass es eine Entwicklung beschleunigt, die notwendig ist.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 228

Team 3: Neue gemeinsame Teamziele unter Berücksicht igung der individuellen Situation der Teammitglieder

Die Entwicklungsrichtung von Team 3 lässt sich als eine gemeinsame Ausrichtung auf neue Teamziele unter Berücksichtigung der Situation der einzelnen Teammitglieder zusammenfas-sen. Bereits vor der Teilnahme am Interventionsprogramm verfügt das Team über sehr tragfähi-ge Interaktionsstrukturen. Die Zusammenarbeit festigt und intensiviert sich während des Prozes-ses. Die Verfolgung der individuellen Selbstmanagement-Ziele wirft das Team – anders als Team 1 – nicht aus der Bahn. Aus der individuellen Reflexion wird vielmehr eine Vielzahl von Anregungen geschöpft, die das Team bei der gemeinsamen Vision für eine bessere Teamzu-kunft berücksichtigt. Team 3 nutzt den Beratungsprozess vor allem dazu, neue „weitgehende Veränderungsideen“ (T3B9) und fachliche Perspektiven zu entwickeln:

T3B7: „Ich denke beispielsweise bei dem zweiten Workshop, den wir da in Bredbeck hatten, da ist ja schon eine gan-ze Menge Neues passiert, sind noch mal neue Ideen dazugekommen, die wir so peu a peu verfolgen. Mm, oder ins-gesamt durch die Workshops haben sich ja wieder neue Ideen gebildet oder Vorstellungen, wie man etwas umsetzen kann, wie man es anpacken kann.“218

Entsprechend sehen viele Teammitglieder als Ergebnis des Prozesses, dass sie mehr „Klarheit in den wesentlichen Dingen [im] […] Fachbereich“ (T3B8) sowie eine gemeinsame Ausrichtung gewonnen haben. Die Teamleitung sieht den Nutzen vor allem darin, „ein stabileres Team zu haben mit einer gemeinsamen Vision und Idee, wo es hingehen kann“ sowie – angeregt durch die Hypothesen aus Workshop III – zu wissen, was bei der weiteren Teamarbeit für „Hemmnis-se“ in Form selbst produzierter Probleme lauern. Dem Team ist es wichtig, mit einigen einge-spielten, im Prozess als problematisch erkannten Mustern zu brechen und somit auch die Art und Weise, wie die inhaltlichen Ziele zukünftig bearbeitet werden, zu verändern. Es sucht dabei in erster Linie nach Möglichkeiten, seine Effektivität durch eine klare Prioritätensetzung und Er-gebnisorientierung zu erhöhen. Dazu wird stärker als bisher darauf geachtet, nicht zu viele pa-rallele Projekte zu beginnen und Aufgaben so zu erledigen, dass sich aus der Zusammenarbeit eine gegenseitige Stärkung ergeben kann. Es wird auf arbeitsorganisatorische Änderungen zu-rückgegriffen, welche diese Zielrichtung unterstützen. Was die veränderte Bearbeitung der neu-en Teamziele betrifft, so werden bereits Anzeichen für erste Erfolge wahrgenommen. Sie resul-tieren in einer gefühlten „Entschleunigung“. Diese ermöglicht es denjenigen Teammitgliedern, die als Selbstmanagement-Ziel ihre Worklife-Balance bearbeiten, ihr Ziel besser zu verfolgen. Die tatsächliche Umsetzung der Vision und etwaige weiter reichende Änderungen in der Zu-sammenarbeit stehen dem Team allerdings noch bevor.

Auch in Team 3 äußern sich einige Personen dahingehend, dass die Beratung Entwicklungen beschleunigt hat. Während einzelne Teammitglieder außerdem denken, dass auch die Verände-rungsrichtung maßgeblich von der Beratung beeinflusst wurde,219 sind andere der Meinung, dass die Veränderungsrichtung bereits im Raum stand, die Beratung jedoch dazu beigetragen hat, sie offenkundig werden zu lassen:

T3B9: „Ich glaube, wenn wir das Coaching nicht gehabt hätten, hätten wir es auch gemerkt, aber wir hätten nicht so gut gewusst, damit umzugehen. Also, es wäre uns schwerer gefallen, das wirklich so auf den Punkt zu bringen. Ich glaube, es wären Stimmen laut geworden – die gab es ja auch in der Vergangenheit immer – Einzelne, die gesagt haben, ‚Mann, das ist zu viel’, und ‚Boah, jetzt nicht noch ein Projekt , so ein Sch...’. In dieser Intervention durchge-lenkt worden zu sein, das mal auf den Punkt zu bringen, war gut.“

218 Vgl. T3B9: „Zum einen haben wir Perspektiven entwickelt für den gesamten Fachbereich. Das war sicherlich ein ziemlich großer Wurf, darüber mal gemeinsam zu reden. Und wir haben auch Konkretes entwickelt, aber das ist nicht auf eine Weise, dass man damit losgehen kann und sagen kann: ‚Das ist es jetzt’. Es ist viel wichtiger gewesen, dass wir da auf wesentliche Punkte gekommen sind. Das war aus meiner Sicht inhaltlich schon so komplex, das in diesem Zeitraum zu erarbeiten.“ 219 Z.B. T3B6: „Die [Veränderungen] wären so [ohne Beratung] nicht eingetreten. Nicht in der Form oder auch nicht in dem Tempo.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 229

Team 4: Mehr Teamgemeinschaft unter schwierigen Rah menbedingungen

Team 4 war vor Beginn des Projekts von einer sehr sachlichen Zusammenarbeit geprägt, die sich auf fachliche Inhalte beschränkte.220 Die Beratung wirkt dahingehend, dass sie dem Team hilft, „aus einer rein technischen Betrachtungsweise herauszukommen“ (T4B1). Es wird vor al-lem die Entwicklung in Richtung „mehr Team“ angeregt:

T4B2: „So, dass wir unsere Ziele oder das, was den anderen wichtig ist, besprechen, das wäre ohne Beratung wahr-scheinlich nie passiert. Insofern hatte die Beratung schon einen großen Einfluss, jedenfalls auf mich und wie ich das Team sehe.“

Die einzelnen Teammitglieder werden von den anderen deutlicher wahrgenommen. Interindivi-duelle Unterschiede werden bewusst. Die unterschiedlichen Bewertungen der Arbeitssituation erleben die Kollegen und insbesondere die Teamleitung als überraschend, da erstmals auch ausdrücklich Kritik formuliert wird. Einige Teammitglieder erklären, dass die von den Teilneh-mern gezeigte Offenheit ohne Beratung unwahrscheinlich gewesen wäre. Alle haben das Ge-fühl, in den Workshops ihr Wissen über die anderen Teammitglieder erweitert zu haben.

Von höherer Stelle wird während des Prozesses die Entscheidung gefällt, anderen Projekten den Vorzug zu geben. Dadurch erhält das (reine) Projektteam im gesamten Beratungsprozess jenseits der gemeinsamen Workshops keine Möglichkeit zur Zusammenarbeit. In diesem wenig unterstützenden Kontext findet im Rahmen der Workshops eine zaghafte Teamfindung statt. Die meisten Teammitglieder äußern, dass sich der „Umgang“ (T4B1, T4B2) untereinander verbes-sert habe, man arbeite „entspannter zusammen“ und „koordinierter“ (T4B3), sei stärker „zusam-mengewachsen“ (T4B3). Insbesondere in Folge der in Workshop III beschlossenen Maßnahmen findet mehr Austausch im Team statt. So wurde unter anderem begonnen, eine Regelkommuni-kation im Team einzurichten.

Zwei Teammitglieder sehen eine deutliche Stärkung des Zusammenhalts, die einer Person je-doch noch nicht weitreichend genug ist. Zwei weitere Personen sehen Verbesserungen, die je-doch keine durchschlagende Wirkung entfalten:

T4B3: „Gerade jetzt am Montag haben wir mit unseren damals geplanten Gesprächen angefangen, also so Meeting-Gespräche, um zu gucken, welche offenen Punkte noch da sind. Das läuft irgendwo. Aber es ist vielleicht noch nicht das, was so richtig schackert. Man ist immer noch mehr alleine, nicht so zusammen, wie ich es mir eigentlich vorge-stellt habe.“

Die Teamleitung sieht keine wesentlichen Änderungen in der Zusammenarbeit:

„Mein Eindruck ist aber auch, das Zusammenarbeiten läuft eigentlich genau so wie vorher, es hat sich jetzt nicht so viel geändert, nicht so extrem viel.“

Sie zieht die eher nüchterne Bilanz, dass sie durch den Prozess Informationen erhalten habe, die ihr sonst nicht zugänglich gewesen wären. Dies habe es ihr ermöglicht, „mehr Verständnis für bestimmte Belange der einzelnen Teilnehmer“ zu entwickeln, da sie „von manchen Leuten das Handeln besser erkennen“ könne.

Eine Person ist im Anschluss an die Programmteilnahme sehr unzufrieden. Ihr ist nunmehr be-wusst, dass wesentliche Probleme im erweiterten Organisationskontext sie daran hindern, ihre Ziele zu erreichen.221 Außerdem äußert sie, durch die gemeinsame Arbeit wesentliche Defizite des Teams erkannt zu haben und wünscht sich, dass der Beratungsprozess mit dem Schwer-punkt auf diese Probleme fortgeführt würde. Vom Team ist sie etwas enttäuscht, da dieses den

220 Z.B. T4B2: „Vorher war es, bis auf Ausnahmen schon so, dass alles so auf einer sehr technischen Ebene geblieben ist. […] Mit manchen hatte ich vorher noch nie ein persönliches Wort gesprochen.“ 221 T4B1: „Die schlechte Organisation, das liegt meiner Ansicht nach auch nicht nur am Team, oder nur sehr wenig.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 230

Prozess aus ihrer Sicht vorzeitig beendet und somit die gebotene Chance nicht in Gänze ge-nutzt habe:

T4B1: „Ich habe dann beim Übergang vom zweiten zum dritten Workshop auch schon das wahrgenommen, was ich eben auch über das Team gesagt habe. Dass die..., dass es eigentlich schon so eine Endphase war. Dass es klar war, dass wir den dritten Workshop noch machen, aber dass da jetzt nichts Neues mehr erwartet wurde und größten-teils nichts Neues mehr passierte im Hinblick auf Selbstreflexion.“

Während Einzelne mit den erzielten Veränderungen sehr zufrieden sind, bleiben die Ergebnisse deutlich hinter den Erwartungen zweier Teammitglieder zurück. Was die festgestellten Verände-rungen betrifft, so ist das Team sich einig, dass sie ohne Beratung „in der Form nicht so ausführ-lich“ (T4B1) aufgetreten wären und bezeichnet die Beratung als „Katalysator“ (T4B4). Es kann demnach angenommen werden, dass sowohl die Entwicklungsgeschwindigkeit verändert wurde als auch eine moderate Entwicklung (in Richtung einer stärkeren Offenheit, der Aufmerksamkeit für Einzelne im Team und einem stärkeren Teamzusammenhalt) angestoßen wurde.

Team 5: Mehr Teamgemeinschaft und ein abruptes Ende

Auch in Team 5 wird die Entwicklung in Richtung eines stärkeren Teamzusammenhalts spürbar. Im Team ist man sich uneinig, ob die Entwicklungsrichtung durch die Beratung angeregt oder lediglich die Entwicklungsgeschwindigkeit beschleunigt wurde.222 Die Teammitglieder nehmen ein verändertes Teamklima wahr. Sie beschreiben, dass das vertiefte Kennenlernen zu mehr Verständnis untereinander, einer größeren Offenheit und einem besseren Teamzusammenhalt geführt habe. Eine Person aus diesem Team ist jedoch mit dem erlebten Prozess unzufrieden und sieht in Summe wenig Veränderungen. Es handelt sich um die Person, die insgesamt mit dem Programm nicht zufrieden war (vgl. 11.5.3):

T5B2: „Wir haben ja viel gemacht, was auch interessante Sachen waren. Aber ich fand nicht, dass das nachhaltig Veränderungen gebracht hat. Hier und da gab es mal so einen Aha-Effekt, was ich ja sagte. So ein bisschen haben wir uns mehr kennen gelernt. Aber, dass ich jetzt sage, es hat sich massiv geändert, das glaube ich nicht.“

Der betreffende Teilnehmer sieht dies darin begründet, dass es der Beratung nicht gelungen sei, im Prozess an die „Leidenschaft“ des Teams anzuschließen:

T5B2: „Also, in diesem ganzen Prozess war nichts mit Leidenschaft, wo wir darauf gebrannt haben, dass wir irgend-wie extra Zeit und Energie da reinstecken wollten, hatte ich den Eindruck“.

Die Haltung des Teams – sich selbst eingeschlossen – habe er als „passiv, […] eher konsumie-rend, nicht aktiv, mit Leidenschaft dabei, mitgestaltend“ empfunden.223 Bis auf diesen Teilnehmer sehen alle Teammitglieder Veränderungen in der Kommunikation und Interaktion im Team. Eini-ge heben jedoch hervor, dass sich Beziehungen nur in Teilen des Teams verändert haben. Die Teamleitung sieht als Nutzen, dass im Team „gegenseitige Anerkennung“ gegeben ist und dass sich die Mitglieder „untereinander besser verstehen“. Außerdem habe eine Person ihre „Rolle besser gefunden“. Für sich persönlich zieht sie aus dem Prozess, „viel gelernt“ zu haben und mehr über das Team zu wissen. Sie hat mehr Vertrauen zu den Teammitgliedern und kann sich auf die Einzelnen „besser verlassen“. Insgesamt sieht sie, dass sie im Team „besser zusammen arbeiten“.

222 Vgl. T5B1: „Wir sind halt nicht das Team, was irgendwie sich einen Alternativweg groß aufgebaut hätte, um als komplettes Team sich kennenzulernen. Dazu hatten wir lange genug Zeit, wir haben es nicht gemacht oder nicht hinbekommen. Von daher glaube ich, so ein bisschen der Druck, als Team sich mal kennenlernen zu müssen, hat schon dazu geführt, dass ich, wir da mehr übereinander gelernt haben als wir es sonst getan hätten. Von daher glaube ich, ohne den Prozess, nein“ versus T5B3: „Ich kann mir vorstellen, wenn wir mehr miteinander machen oder gemacht hätten, über einen längeren Zeitraum aber, dass ähnliche Veränderungen einge-treten wären. Weil man sich dann einfach mehr kennt und mehr Vertrauen da ist. Und man dann auch sich mehr übereinander er-zählt und somit den anderen auch besser kennen lernt. Ich glaube, dass es schneller gegangen ist aufgrund der Beratung. Und es ist hauptsächlich ein Zeitfaktor. Und vielleicht hätte ich ein paar Sachen nie erfahren.“ 223 Dieser Eindruck deckt sich mit dem subjektiven Eindruck der Beraterin.

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Ergebnisse der summativen Evaluation 231

Obwohl in Workshop III einige arbeitsorganisatorische Veränderungen geplant wurden, die das Miteinander weiter verbessern sollten, wurde keine dieser Veränderungen umgesetzt. Denn das Team wurde noch vor der Durchführung der Evaluationsinterviews aufgelöst. Der unzufriedene Teilnehmer beschreibt, welchen Effekt dies auf die Vorsätze des Teams hatte:

T5B2: „Wir haben auch nicht geschafft, im Team den Willen zur Veränderung irgendwie umzusetzen, dann die Verän-derung wirklich umzusetzen, die wir uns vorgenommen haben. Selbst bei diesen kleinen Aufgaben, die wir uns ge-setzt haben, diese innerhalb von einer Woche. Selbst da hat sich keiner mehr für interessiert und hat keiner gemacht. Was sicher damit zusammen hängt, dass man sagt ‚Was soll ich da jetzt noch Zeit für investieren, in etwas, was für unser Team wichtig ist, wenn unser Team gerade auseinander fällt’. Wenn ich für jemanden persönlich etwas machen kann aus dem Team, ihm persönlich helfen kann, dann mache ich das sehr gerne. Was soll ich jetzt hier etwas Über-geordnetes machen für irgendwas, was übergeordnet gar nicht mehr existiert. Das ist eine blöde Einstellung, aber irgendwie verständlich.“

Somit wurde der angestoßene Prozess durch externe Einflüsse vorzeitig beendet.

11.2.5 Veränderung der Personen im Team

Veränderungen der Personen im Team durch das Programm waren nicht beabsichtigt und müs-sen zu den Nebenwirkungen der Maßnahme gezählt werden. Sowohl in Team 1 als auch in Team 5 kam es zu einem Ausscheiden bzw. deutlichem Rückzug aus dem Team. Jeweils zwei Teammitglieder schieden zugunsten der Verfolgung ihrer individuellen Ziele aus. In Team 1 wurden zwei neue Personen eingestellt, die jedoch nicht am Programm teilnahmen. Team 5 dagegen wurde kurz nach dem Ausscheiden der ersten Person im Zusammenhang mit dem Ausstieg der Teamleitung aufgelöst. Auch diese Veränderungen können durch die Beratung beschleunigt werden, sofern sie vor dem Beginn der Programmdurchführung im Raum stehen.224 Die Person, die Team 5 verließ, erlebte den Beitrag der Beratung wie folgt:

„Der Prozess für mich, Veränderung für mich wäre wahrscheinlich irgendwann gekommen. Vielleicht in einem länge-ren Zeitraum oder in weniger großen Ausprägungen, das vielleicht. Irgendetwas hätte sich da schon verändert. Da bin ich mir ziemlich sicher. Aber es hätte wahrscheinlich ein bisschen mehr Zeit und Energie gekostet. Es war ein biss-chen so ein Beschleuniger.“

Einige Teilnehmer aus Team 1 bedauern diese Veränderungen, auch wenn sie der Meinung sind, dass sie ohnehin früher oder später geschehen wären:

T1B6: „Ja, also ich kann mich nicht ganz davon loslösen, dass ich es schade finde, dass das Team so ein bisschen auseinandergebröckelt ist. […] Ich glaube, wenn ich ganz ehrlich bin, auf einer rationalen Weise, weiß ich, dass das nichts mit diesem Projekt zu tun hat. Sondern dass es einfach in dem Team liegt. Aber so auf einer emotionalen Ebe-ne verbinde ich das eben vielleicht mit dem Prozess, ja. Aber da sag ich halt nur, ist wohl so ein bisschen schade.“

Verändern sich dagegen zu viele Personen im Team, so kann dies Unzufriedenheit schüren und das Gefühl, dass die Teilnahme am Programm sinnlos war:

T5B2: „Das Team der Zukunft sieht so aus, dass zwei Leute, die an diesem Prozess teilgenommen haben, im zukünf-tigen Team sind. Zwei [Anm: drei] Leute, die teilgenommen haben, werden nicht im Team sein. Und zwei Leute, die nicht teilgenommen haben, werden Teil des Teams sein. […] Und dann wird es auch noch Neueinstellungen geben. [I: Es ändert sich von den Personen.] Es ändert sich massiv von den Personen. Und also nicht, eigentlich, das was wir über Workshop III dann eigentlich auch erarbeitet haben, ist für die Katz. Dann ist es auch schade um die Zeit gewe-sen, weil die dann eigentlich nicht sinnvoll war.“

224 Z.B. T1B3: „Wahrscheinlich war es wohl auch, dass sich einige Leute aus dem Team ausklinken, zum Beispiel T1Bx und T1By [Anm.: Personen, die das Team tatsächlich verließen], vielleicht 80% oder so was.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 232

11.3 Beeinflussung individuellen Selbstmanagements durch das Team und umgekehrt – Chancen und Risiken

11.3.1 Fehlende Bezüge zwischen Team- und Einzelpro zess

Auf die direkte Frage, ob und gegebenenfalls welche Auswirkungen der Teamprozess auf das eigene Selbstmanagement hatte bzw. hat, sehen 12 Personen und damit 50% der Befragten lediglich wenige Bezüge zwischen ihrem individuellen Prozess und dem Teamkontext. Insbe-sondere die Personen, die an der Verbesserung spezifischer Fähigkeiten arbeiteten oder dieje-nigen, die eine Klärung ihrer beruflichen Zukunft zum Ziel hatten, erleben die beiden Prozesse als relativ losgelöst voneinander:

T4B1: „Mein persönliches Ziel wird nur relativ gering durch das Team bestimmt.“225

Es verwundert, dass die Hälfte dieser Gruppe an anderer Stelle berichtet, dass die Veränderun-gen im Team deutliche positive Auswirkungen auf die Fortschritte in Richtung des eigenen Ziels hatten. Mögliche Erklärungen für diese Inkonsistenz können in der individuellen Selbstmanage-mentdefinition begründet liegen oder aber darin, dass die Frage überzufällig häufig falsch ver-standen wurde. Denkbar wäre auch, dass der Zusammenhang den üblichen Erklärungsmustern und Attributionsgewohnheiten zuwider läuft. Es bleibt in jedem Fall festzuhalten, dass der Teamkontext bei der Verfolgung individueller Selbstmanagement-Ziele in der Wahrnehmung der Teilnehmer für 25 % der Stichprobe gar keine Rolle spielte. Weitere 25 % stellen Bezüge her, obwohl sie einen Zusammenhang verneinen. 50 % der Teilnehmer sehen dagegen, dass die Teamveränderungen eher positiv auf die eigene Zielerreichung hinwirken. Doch auf welche Weise begünstigen die Veränderungen im Team das individuelle Selbstmanagement? Einigen Teilnehmern fällt es schwer, konkrete Aspekte auszudifferenzieren. Häufig wird eine global ge-fühlte Verbesserung beschrieben. Im Rahmen der Inhaltsanalyse wurden diejenigen Aussagen der Teilnehmer analysiert, welche die Teamprozesse mit den individuellen Selbstmanagement-Projekten in Verbindung bringen. Dabei wurde deutlich, dass sich die Veränderungen auf indivi-dueller Ebene möglicherweise auch nachteilig auf das Team auswirken können (vgl. 11.3.3).

11.3.2 Der Teamkontext als Unterstützer des individ uellen Selbstmanagements

Die beschriebenen individuellen Veränderungen werden in Teilen durch Veränderungen im Team beeinflusst. Zwei Ressourcen wurden im Rahmen der Inhaltsanalyse identifiziert, die im Zuge des gemeinsam erlebten Teamprozesses auf individueller Ebene freigesetzt werden. Sie wirken positiv auf den individuellen Selbstmanagement-Prozess zurück. Es handelt sich dabei um die Klarheit über sich selbst („Selbstklarheit“, s.o.) sowie die gefühlte Sicherheit, die aus ver-änderten subjektiven Deutungen über das Team resultiert. Diese Ressourcen erleichtern es den Teilnehmern, Abgrenzungsstrategien anzuwenden und fördern somit die individuelle Entlastung und Zielerreichung. Ein zweiter Weg, auf dem das Team Selbstmanagementhilfe für seine Mit-glieder leistet, führt über die direkte oder indirekte Unterstützung des Einzelnen.

Selbstklarheit durch die Auseinandersetzung mit dem Team

Der Teamprozess leistet einen Beitrag zur Identitätsklärung. In der Interaktion mit Anderen schärfen sich die eigenen Konturen. Die Diskussion und Reflexion im Team lässt den eigenen

225 Vgl. T3B5: „Ich hatte ja anfänglich schon gesagt, dass meine persönlichen Ziele, die ich mir im ersten Interview gesteckt hatte, persönliche waren, die für mich in der Auseinandersetzung mit meinen Mitarbeitern von Bedeutung waren und weniger mit dem Leitungs-Team zusammenhingen. Daher gab es keine Schnittstellen.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 233

Standpunkt deutlich werden. Bereits im Einzelcoaching berichtet eine Person, wie sie durch die Abgrenzung von den anderen Teammitgliedern etwas Klarheit über ihre eigenen Wünsche ge-winnen konnte:

ECT5B5: „Mir wurde es einfach bewusst, als so die Anforderungen der anderen Teammitglieder kamen, so was sie sich alles wünschen. Auch noch zusätzlich Treffen und Ereignisse, an die man sich gern zurückerinnert und wie ge-sagt, diese Pausengeschichten. Und da wurde mir klar: ‚Nee, das will ich nicht. Das will ich gar nicht, da bin ich gar nicht bereit zu.’ [I: Ja.] „Das möchte ich gar nicht.“ [I: Dass du für dich einfach eine stärkere Klarheit gefühlt hast.] Ja, es war plötzlich so ‚Bing’, ja, war es da. [I: Für mich ist so etwas anderes wichtig.] Ja. Für mich ist etwas anderes wichtig.“ 226

Gefühlte Sicherheit durch Veränderungen im Team

Viele Teilnehmer gewinnen im Verlauf des Teamprozesses den Eindruck, ihre Kollegen besser einschätzen und verstehen zu können. Die Erwartungen der anderen werden ihnen klarer. Sie sind sich über wesentliche zukünftige gemeinsame Ziele einig und haben neue Regeln (z.B. in Bezug auf die Arbeitsorganisation oder den Umgang mit Ressourcen) vereinbart. Sie fühlen sich ihren Teamkollegen näher. Auch haben sie das Gefühl, von ihnen als Person akzeptiert und unterstützt zu werden. Diese Veränderungen führen bei vielen Teilnehmern dazu, dass sie sich sicherer fühlen:

I: „Inwiefern haben sich diese Veränderungen im Team auf dein Ziel ausgewirkt, was du verfolgt hast? Wie hängt das zusammen?“ T5B3: „Insofern, als dass ich mehr Sicherheit bekommen habe. Wie ich gesehen werde von den ande-ren als auch positive Rückmeldung über meine Ideen. [I: Durch dieses Mehr an Kommunikation und schnell mal je-manden um Feedback fragen?] Genau. Und auch selbst gefragt werden. Beides. Nur selbst fragen wäre auf Dauer auch nicht befriedigend, sondern dass es im Wechselspiel war. Dass man sich vollwertig gefühlt hat.“227

Durch die Rückversicherung von ihren Teamkollegen sehen sich einige Teilnehmer in ihrem bereits eingeschlagenen Weg bestärkt:

T3B1: „Aber es ging einfach darum, von den anderen zu hören, dass es an Arbeit für mich auch reicht. Dass ich lo-ckerer bleiben, nicht immer alles machen soll. Das fand ich okay, mich so ein bisschen herunterzufahren.“228

Erleichterte Abgrenzungsstrategien des Einzelnen

Klarheit über die eigenen Ziele und Fähigkeiten zu verspüren und sich gleichzeitig im Team si-cher und gut aufgehoben zu fühlen, fördert die individuelle Zielerreichung. Denn diese Bedin-gungen erleichtern es vielen Teilnehmern, sich abzugrenzen, Forderungen zu stellen oder Auf-gaben abzugeben:

I: „Und was für einen Nutzen hast du aus diesen Veränderungen im Team gezogen?“ T1B5: „Naja, dass ich halt die-se, dieses ‚selbstaufopferndes Samaritertum, gereizt’ endlich aufgeben konnte. Dass ich halt die Zeit gewonnen habe, meinen eigenen Kram zu machen.“

Der gemeinsame Teamprozess trägt entscheidend dazu bei, dass den Teammitgliedern das Nein-Sagen leichter fällt. Denn sie erfahren bzw. antizipieren Verständnis von ihren Teamkolle-gen:

T3B9: „Trotzdem sage ich an manchen Stellen auch mal „Nein“. Durch den gemeinsamen Coaching-Prozess wird es

226 Vgl. T3B9: „Wie die anderen denken, wie die fühlen – also, da gibt es ganz viele Emotionen zu diesen anstehenden Veränderun-gen. Und die wären mir sonst nicht so klar gewesen. […] Und auch zu sehen, was es mir persönlich bedeutet. Ich habe geguckt, mit welcher Leidenschaft ich da rangehen möchte und was da überhaupt geht. Man kann sich auch zu viel in etwas hereinsteigern. Ich habe so etwas mehr Überblick bekommen über das, was ich auch selber möchte.“ 227 Vgl. T5B5: „Dadurch, dass auch das mit dem Team besser geworden ist, dass man sich mehr ausgetauscht hat, dadurch bin ich auch innerlich meinem Ziel näher, bin ich selbstsicherer geworden. Das kam eigentlich nur durch dieses Miteinander mit dem Team, dass ich irgendwie dann auch mehr Vertrauen und Selbstsicherheit gewonnen habe“ und T4B2: „Mir hat es auch geholfen, danach offener zu reden und auch ein bisschen selbstbewusster an bestimmte Sachen heranzugehen, um mich mehr einzubringen. Weil die Distanz verloren gegangen ist. […] Ich gehe alles ein bisschen entspannter und selbstbewusster an, dadurch, dass ich gemerkt habe, auch die anderen im Team denken über viele Sachen so, oder ... manche Punkte sehe nicht nur ich so, sondern die anderen auch. Das gibt mir ein bisschen mehr Ruhe. Ich habe im Hinterkopf, dass ich mir nicht so viel Stress machen muss.“ 228 Vgl. Leitung Team 5: „Ich habe mehr Vertrauen darein gewonnen, in die Sachen, die ich eh schon mache. Also, ich weiß, dass das eigentlich der richtige Weg ist, weil Mitarbeiter das gut finden. Und ich habe das Feedback bekommen, dass das auch so ist.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 234

auch akzeptiert, wenn jeder Einzelne versucht, sich zu strukturieren.“229

Einzelnen Teilnehmern fällt es außerdem leichter, bei ihren Teamleitern Forderungen zu stellen und darüber Bedingungen zu schaffen, welche ihrem Selbstmanagement zuträglich sind. Die Leitungen von Team 1 und 3 berichten, dass sie ihre Teammitarbeiter differenzierter einschät-zen können und dadurch Sicherheit beim Delegieren gewinnen. Gleichzeitig haben sie aber die Ressourcenbalance der Kollegen im Auge und sind darauf bedacht, „ihre Grenzen nicht [zu] überschreite[n]“ (Leitung Team 1):

I: Inwiefern kannst Du Deine persönlichen Ziele in diesem Teamkontext besser verfolgen? Leitung Team 3: „Von der Tendenz her könnte ich mehr abgeben. Es würde mir jetzt leichter fallen, abzugeben, wenn nicht der Druck der Ar-beitsbelastung der anderen Kollegen da wäre. So zum Beispiel zu sagen, ‚Hier mach du das, macht ihr das, überlegt euch etwas und dann klappt das schon’. Ich bin da ein Stück weit sicherer geworden, dass das dann im selben Geist oder selben Sinne ist. Oder wenn nicht, dann würde ich das mit denen absprechen oder nachsteuern. […] Mein Ver-trauen ist präziser geworden. Ich weiß jetzt mehr, wem kann ich wo was anvertrauen und bei wem muss ich wo wie noch einmal im gemeinsamen Gespräch klären, was will ich, was ist meine Erwartung oder wo wollen wir beide ge-meinsam hin. Es ist differenzierter geworden.“

Direkte und indirekte Unterstützung durch das Team

Die Mehrzahl der Mitglieder in Team 1 und 3 und einzelne Personen aus den Teams 4 und 5 nehmen wahr, dass ihnen mehr Unterstützung zuteil wird. Dadurch fällt es diesen Personen leichter, ihr Selbstmanagement-Ziel zu verfolgen. Diese Unterstützung manifestiert sich auf ver-schiedene Weise. So sehen die Teamkollegen etwa bei zuvor besonders belasteten Personen aus Rücksichtnahme von weiteren Anforderungen ab. Die Betreffenden merken, dass sie weni-ger in Anspruch genommen werden:

T5B5: „Ja, ein angenehmeres Miteinander, eben Verständnis bei den anderen, und komischerweise ist damit eher weniger Arbeit als mehr verbunden. Weil mehr Rücksicht genommen wird. Was ich irgendwie ganz merkwürdig finde. [I: Was findest du merkwürdig?] Ja, dass dadurch – also ich saß ja vorher auch schon da und hatte sehr viel zu tun und war immer sehr zügig dabei. Aber seit wir uns näher gekommen sind, kommt eigentlich eher weniger. Die Leute machen eher mal was selbst. Und es hat sich ja bei mir nichts, eigentlich nichts geändert. Und trotzdem irgendwie dadurch, vorher wussten auch alle, dass ich beschäftigt bin. Da kamen sie aber trotzdem und jetzt ist eher jeder mal bereit, was selber zu machen.“

Die vermehrte Rücksichtnahme geht daraus hervor, dass die Beteiligten ihre Beanspruchung in den Workshops offenbarten. Die Teamkollegen wissen um die Konsequenzen ihres Handelns und bemühen sich, ihren Beitrag zur Belastung zu reduzieren:

Leitung Team 1: „Insbesondere für die beiden das eben auch neu war, dass T1Bx so ein Druck da empfindet und dass sie vielleicht auch dazu beigetragen haben, dass er so einen Druck empfindet. Das Resultat war, dass sie sich ein bisschen zurückgezogen haben. Und dann immer das, was sie früher gemacht haben ‚T1Bx, der weise Mensch, den man immer fragen kann’, das ist dann eben zurückgegangen. Und T1By hat das komplett eingeschränkt sogar, der fragt T1Bx gar nichts mehr, ja, oder nur in absoluten Notfällen. Und ist dadurch sehr viel selbstständiger gewor-den.“

Manche Personen profitieren auch von konkreten Hilfeleistungen der Teamkollegen beim Prob-lemlösen:

229 Vgl. T5B5: „Wir sind uns auch persönlich näher gekommen. Das fand ich wichtig. Jeder hat sich einen Schritt weit geöffnet. Und im Team sind wir uns wirklich näher gerückt. Und dadurch habe ich auch so ein bisschen eben, Wertschätzung erfahren. Auch, dass das Team mehr weiß, auch, was bei mir […] läuft. Und, ja, allein schon dieses Verständnis hat geholfen, dass ich mich auch mehr mit meinen Schritten, mit meinem Vorangehen beschäftigen konnte. Und auch mal Nein gesagt habe, und dann gegangen bin. Und dann eben keine Bemerkung: ‚Ach, du gehst schon?’ So was ist dann unterblieben. Weil die eben auch wussten, wie meine persön-liche Situation ist. Dadurch bin ich weiter gekommen. Also, das war wichtig, das hätte ich ohne das Team – alleine wäre das nicht gegangen“ und T1B1: „Ich würde sagen, mein Selbstmanagement krankt entscheidend an einer Sache. Dass ich dazu neige, me-thodisch Ja zu sagen. Dass ich gerne die, dass ich mich gerne so einwickeln lasse, und noch für dieses oder jenes Projekt in An-spruch nehmen lasse. Was sicher ganz grundlegend mit meiner Persönlichkeit so zu tun hat, dass ich gerne gebraucht werde oder dergleichen. Und das behindert mich extrem in meinem Selbstmanagement. Weil das auch zum Ziel hat, gewisse Dinge gerade für die Diplomarbeit effizient und schnell zu Ende zu bringen. Und der Workshop hilft mir insofern, als dass ich jetzt, und auch nach dieser langen Zeit einfach auch ein bisschen besser weiß, woran ich bei verschiedenen Leuten bin. Wann bei [Name der Teamlei-tung], der natürlich eben die meisten Forderungen an mich stellt, stellen möchte, und ich dadurch auch weiß, gelernt habe, wie ich das, wie ich das geschickt eingrenze. Indem ich mich auch anhalte dazu, Nein zu sagen. [I: Also, ich muss nicht sozusagen, jedes Mal ‚Ja’ sagen, um in diesem Team ein wertvolles Mitglied zu sein, sondern...] Genau. Ja, davon geht die Welt nicht unter.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 235

T1B2: „Na, also ich kann ja meine Diplomarbeit schon besser umsetzen. Dadurch, dass immer mehrere Leute da sind, die ich fragen kann, wenn ich nicht weiter komme. Also, ich bekomme immer Unterstützung.“

Anderen hilft es bereits, Ansprechpartner im Team zu haben und Entscheidungen gemeinsam treffen zu können:

T4B2: Es hat sich insofern darauf ausgewirkt, dass ich die Sachen alle ein bisschen entspannter angehe. Ich suche jetzt auch mehr Rückhalt im Team. Meistens ist es ja doch so, dass wir als Einzelperson angesprochen werden, wenn etwas Konkretes gemacht werden soll, wenn es Probleme gibt. Da greife ich jetzt öfter darauf zurück, dass man auch ein Team ist und sich mit den anderen besprechen oder im Team entscheiden kann.“

Wieder anderen reicht die emotionale Unterstützung der Kollegen, obwohl sich die Problemreali-täten nicht ändern:

T3B7: „Also, es hilft mir auf jeden Fall, wenn ich weiß, andere sehen auch diese Probleme und ich sehe sie nicht nur alleine. Damit kann ich dann gelassener umgehen.“

Viele Teilnehmer fühlen sich in ihren Selbstmanagementbemühungen dadurch unterstützt, dass sie im Rest des Teams – inklusive der Teamleitung –Toleranz für ihr Bestreben wahrnehmen:

T3B9: „Ich denke, dass meine Haltung, so zu sortieren, die Aufgaben klarer zu haben, sich nicht überlasten zu wollen, ohnehin im Team als allgemeine Stimmung vorherrscht – bei den Hausleiter-Kollegen wie auch bei der Fachbereichs-leitung. […] Wenn die Haltung wäre, ‚Wir müssen hier durch’ und ‚Es muss alles geschafft werden’, da wäre es echt schwer, meine Haltung durchzusetzen. Aber das ist gar nicht so.“230

11.3.3 Das Team als Leidträger effizienten Selbstma nagements

Auch wenn viele Teilnehmer im Rückblick der Meinung sind, eine Teilnahme am Programm bleibe ohne unerwünschte Nebenwirkungen, so kann die Selbstmanagement-Förderung im Team auch mit Nachteilen einhergehen. Sowohl die stärkere Klarheit über die eigenen Ziele als auch das intensivierte Kennenlernen der Teamkollegen bergen Risiken.

Konflikte zwischen Team- und Individualzielen

Die Kehrseite einer hohen Selbstklarheit beschreibt ein Teilnehmer etwa wie folgt:

I: „Und was könnten unerwünschte Nebenwirkungen sein?“ T5B5: „Ja, persönlich eben auch, dass, dass einem klar wird, dass man ganz andere Ziele hat. Also, dass man für sich selbst auch Klarheit gewinnt.“

Wenn „die persönlichen Ziele mit den Zielen des Teams, den definierten Zielen, kollidieren“ (T1B3), kann eine Programmteilnahme bewirken, dass dieser – bisher latente – Konflikt den Teilnehmenden bewusst wird. In Team 1 führte dies zur Verschiebung der Prioritäten aller Teil-nehmer auf ihre individuellen Ziele („dass es so ein bisschen egoistischer wird“, T1B3).231 Dies kann besonders dann zu Lasten des Teams gehen, wenn Einzelnen deutlich wird, dass nur ein Verlassen des Teams sie ihren persönlichen Zielen näher bringt:

T1B1: „Es ist ja leider auch ein bisschen tragisch, dass ich mich aus diesem Team so isoliere. Und, also, ich finde das schon ein bisschen tragisch, weil [I: Was findest du tragisch?] es bietet einem ja viele Möglichkeiten, hier zu sein. Dass ich, dass mich das Thema nicht erfüllt. Das ist, das letztendlich birgt die Tragik der ganzen Geschichte. [I: Das ist dir aber erst klar geworden sozusagen.] Ja, das ist mir klar geworden. Und insofern kann mir das Team einfach auch nicht sehr viel helfen. Weil die möchten natürlich am liebsten, dass ich bleibe. Und ich strebe, ich strebe einfach fort.“

230 Vgl. T4B5: „Ich erinnere mich an diese, wie hieß denn das noch gleich, kollegiale Beratung, oder so ähnlich. Da habe ich eben Dinge angesprochen, mit denen ich unzufrieden war. Dann haben wir auch ausgemacht, wie wir dieses ändern können. Insbesonde-re bei dem Projektleiter habe ich dadurch etwas mehr Akzeptanz dafür erzielt, das Problem als solches anzuerkennen. […] Dadurch bin ich letztendlich ein paar Stufen nach vorne gekommen“, T3B1: „Mir wird immer mal wieder gespiegelt: „Komm fahr mal wieder ein bisschen runter, lass ruhiger angehen“, und damit Raum gelassen für mein persönliches Ziel […] Das liegt vielleicht an den Erfahrungen, die wir gemeinsam gemacht haben. Vor der Intervention war das anders“ und T3B8: „Ich sehe in keine langen Gesich-ter, wenn ich sage: ‚Ich kann dann oder dann aber nicht’. […]. Ich habe ein gutes Gefühl dabei“. 231 Vgl. T1B5: „Also, ich hab mich halt dann bewusster halt ein bisschen rausgezogen, aus dem Team“ und T1B6: „Und was ich dann eben auch schade fand, so positiv wie es war, dass man über Probleme geredet hat, ist eben da schon dieser Teamgedanke, die Flamme, ist da schon sehr klein geworden. Und ich hatte eigentlich da Angst, dass die aus geht. Ist sie nicht, aber, das war, ja, schade. Also, bei uns war es wirklich durchweg bei jedem so. Also, da hat sich keiner ausgenommen.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 236

Qualität statt Quantität?

Theoretisch denkbar ist auch, dass der Teamerfolg unter der Prioritätenverschiebung leidet. Die Personen der Teams 1 und 3 äußern zwar den gegenteiligen Eindruck. Sie berichten von einer höheren Effektivität des Teams durch neu geschaffene Energiereserven. Doch es ist zu hinter-fragen, ob der Maßstab, an dem der Teamerfolg gemessen wird, nur teamintern festgelegt wer-den kann. So ist fraglich, ob die Geschäftsleitung des nachfolgend zitierten Teilnehmers die Ma-xime „Qualität statt Quantität“ unterschreiben würde:

T3B9: „Da ich mich besser fühle, fällt mir gerade keine Verschlechterung ein. Es mag sein, dass ich nicht mehr so viel schaffe, aber ich empfinde das nicht als Nachteil. Ich denke, ich schaffe immer noch ausreichend, nicht nur ausrei-chend, sondern auch mehr, als ich eigentlich müsste. Sicherlich auch ein Stück weniger als vorher, aber ich finde das überhaupt nicht als Nachteil. Das ist einfach die stumpfe, die platte Wahrheit, dass, wenn man weniger macht, dass man das einfach auch besser machen kann. Zumindest, dass die Sachen dann auch Qualität haben. Insofern ist es weniger, aber mit mehr Qualität.“

Offenbarung inkompatibler Interessen und Persönlichkeiten

Im Rahmen des Programms haben die Teilnehmer nicht nur die Möglichkeit, sich selbst zu hin-terfragen. Auch die gemeinsame Zukunft mit den Teamkollegen steht auf dem Prüfstand. Wie in einem Einzelfall beobachtet, kann der gemeinsam erlebte Prozess auch bewirken, dass eine Abkehr von einzelnen Personen stattfindet. Denn durch das vertiefte Kennenlernen der Kollegen wird deutlicher, welche Interessen miteinander kompatibel sind:

T5B1: „Ich habe die anderen dann auch ein bisschen mit anderen Augen betrachtet oder ein bisschen bewusster, ein bisschen kritischer. […] Dass man sagt 'lass uns gut zusammen arbeiten', da dann Energie reinstecken ist super. Aber sich nicht bemühen, dann noch eine zweite Ebene aufzuziehen, eine persönliche neben der reinen arbeitsbezo-genen Ebene, weil das nichts bringt. Da hätte ich vorher noch Zeit mit verbracht, da etwas rein zu investieren und zu sagen 'das muss doch’. Wo ich dann danach gesagt habe: ‚Jetzt weiß ich mehr, wie sie denken. Und das passt ein-fach nicht.’ Wir haben andere Vorstellungen, was möglich sein sollte oder könnte oder was wir wollen.“232

11.3.4 Offenheit – Ein Risiko der Teamleitung?

Die Teamleitungen nehmen im Projekt eine besondere Rolle ein. Durch die andersartige Zu-sammenarbeit mit dem Team im Rahmen der Programmteilnahme erhalten sie Einblicke, die im Tagesgeschäft nicht möglich sind. Dabei werden von den Teammitgliedern (zum Teil erstmals) auch kritische Punkte angesprochen. Dies erfordert bisweilen eine Positionierung der Führungs-kraft. Stehen die Selbstoffenbarungen der Teammitglieder erst einmal im Raum, so steigen auch die Erwartungen an die Teamleitung, mit dem Gehörten und Erfahrenen professionell umzuge-hen. Die Leitung von Team 3 erlebte, dass die Offenheit im Prozess ein demokratisches Selbst-verständnis als Führungskraft und gewisse Rahmenbedingungen bei der Programmdurchfüh-rung erfordert:

„Risiko und auch Chance zugleich ist eine Offenheit. Auch gerade für mich als Leitungskraft, ein Stück weit sich ein-zulassen, aber sich auch seiner Rolle bewusst zu werden. Wenn die Position der Leitungskraft indifferent oder ge-schwächt wäre durch äußere Bedingungen, kann so ein Prozess schwierig werden. Aber das ist zugleich auch die Chance für diese jeweilige Leitungskraft, weil sie dann nämlich mit dem Team auch etwas gemeinsam machen kann, je nachdem, was für ein Selbstverständnis sie hat. Hat man das Selbstverständnis ‚Ich sage, wo es lang geht und ich weiß, wie es geht’, dann ist das sicher ein Prozess, der für denjenigen schwieriger ist. Und auch für die anderen, dass die dann überhaupt ihre Anliegen überhaupt auf den Tisch bringen. […] Da tauchen dann ja auch Sachen auf, wo man sich fragen muss, ‚Will ich das so?’, oder ‚Was bedeutet das auch im Alltag?’. Wobei meines Erachtens Claire es total gut gelungen ist, dass da keiner mit einem schlechten Gefühl herausgegangen ist. Das ist kein Automatismus. Darüber muss sich ein Team schon im Rahmen eines Erstgesprächs klar werden.“233

232 Vgl. T4B2: „Es ist genauso wie eine Chance auch ein Risiko, dass es menschlich nachher schlechter zusammenpasst als vor-her.“ 233 Einzelne Teilnehmer sind daher auch der Meinung, dass eine tragfähige Beziehung zur Führungskraft eine Voraussetzung für die Programmteilnahme darstellt: T3B6: „Ein Risiko wäre, wenn es schon ein sehr zwiespältiges Verhältnis zur Leitung gibt, dass sich das noch einmal mehr verhärten kann, weil schon große Offenheit erforderlich ist.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 237

Der Prozess „macht Verborgenes sichtbar“ (T5B2), es treten „Sachen ans Tageslicht“ (T1B4), „die vorher nicht auf der bewussten Ebene lagen“ (T4B1). Durch diese Zunahme an „Transpa-renz“ (T3B3) können auch latente „Konflikte, die schwelen und nicht ausgesprochen wurden“ (T1B1) „aufbrechen“ (T5B5). Dadurch steht die Führungskraft möglicherweise direkt unter Be-schuss (wenn sie z.B. vom Rest des Teams gewünschte Veränderungen blockiert). Oder aber sie ist im Teamalltag gefordert, bei Konflikten moderierend einzugreifen. Möglicherweise ändert sich auch ihr Bild über das eigene Team so stark, dass dies als sehr belastend erlebt wird. So beschreibt eine Teamleitung, die sich die formulierten Selbstmanagementnöte ihrer Mitarbeiter sehr zu Herzen nahm, dass dies für sie nicht einfach auszuhalten war:

Leitung Team 1: „Workshop II hat mir das eben, das wirklich vor Augen geführt, was, was für Probleme da sind. Also, ich würde meinen, es waren sehr viele individuelle Probleme da. Und das hat mich extrem belastet. Also, dann hatte ich, wie gesagt, ging es mir eine Zeit lang wirklich schlecht. Weil ich mich eben auch verantwortlich fühle. Weil ich die Leute auch mag, also jetzt auch auf einer ganz persönlichen Ebene.“

Diese Führungskraft fühlte sich von der Beratung zwischen dem zweiten und dritten Workshop „allein gelassen“ und hätte sich weitere Hilfe zum Umgang mit der Belastung gewünscht. Für sie traf in besonderem Maße zu, was ein Teilnehmer als mögliches Risiko des Prozesses identifi-ziert:

T3B9: „Wenn man mal die Risiken bewertet, es kann auch mal schmerzhaft sein zu sehen, was man da wie macht, oder die anderen es sehen.“

Das Annehmen der eigenen Verantwortung und das Sehen des eigenen Beitrags zu den Prob-lemen der Teammitglieder ist jedoch ein Stellhebel für weitreichende Veränderungen im Um-gang der Führungskraft mit dem Team. So kann die betreffende Führungskraft der Situation im Rückblick auch Gutes abgewinnen:

Leitung Team 1: „Mir ging es halt trotzdem wirklich eine Zeit richtig schlecht. Also, was ich jetzt auch gut finde. Also, es hat viel bei mir verändert.“

11.4 Intensität und Nachhaltigkeit der Veränderunge n

11.4.1 Bewertungen der Intensität

Die Frage nach der Intensität der Veränderungen wird von den Teilnehmern unterschiedlich auf-gefasst. Manche Antworten beziehen sich eher auf die Intensität des Prozesses (z.B. „relativ intensiv und viel war zu verarbeiten“, T1B4).234 Andere treffen Aussagen zur Intensität der Pro-grammwirkungen (z.B. „ein messbarer Effekt“, T1B3).235 Ein Teilnehmer unterscheidet auch zwi-schen dem aktuell im Team beobachteten Veränderungswillen und dem Grad, in dem bereits Veränderungen umgesetzt wurden.236

234 Vgl. T3B8: „Es war ja sehr intensiv mit Claire“ und T5B2: „Zeitaufwändig, viele Fragen von vielen Seiten erörtern, viele interaktive Sachen, tiefe Gespräche hier und da. Also, diese Spaziergänge im Wald oder so was, also, das ist ja schon intensiv, finde ich, als Prozess. Sehr viel Zeit und sehr viel Gedanken, die man sich macht.“ 235 Vgl. T3B7: „Also, ich finde, dass auf jeden Fall eine ganze Menge dabei herumgekommen ist.“ 236 T3B9: „Also, auf einer Skala von 1 bis 10 – 1 ist keine Veränderung, 10 ist viel Veränderung – würde ich sagen – wobei, das bewertet jetzt die Intensität, mit der wir gerade versuchen, etwas zu verändern und nicht die Veränderung selber? [I: Ja.] Da würde ich sagen, sind wir bei 7 bis 8. Ich glaube, der Wunsch oder die Intensität, mit der Veränderungen herbeigeführt werden sollen, die ist schon sehr hoch. Eine Veränderung in Bezug darauf, uns anders und besser zu organisieren. Wenn ich die Veränderung an sich bewerten sollte, würde ich sie niedriger bewerten. Es hat noch nicht so durchgeschlagen. Und das braucht noch, bis das durch-schlägt. Die tatsächliche Veränderung würde ich eher mit so einer guten 5 bewerten.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 238

Hohe Prozess- und unterschiedlich bewertete Wirkungsintensität

Die Rückmeldungen der Teilnehmer lassen die Aussage zu, dass die Teilnahme am Programm in der Regel als intensiver Prozess erlebt wird. Bisweilen sind einzelne Teilnehmer sogar der Meinung, dass die Intensität zu hoch und der Prozess dadurch sehr anstrengend ist:

T5B5: „Eigentlich war es mir teilweise ein bisschen zu viel.“237

Wie intensiv die Wirkung der Veränderungen wahrgenommen wird, variiert dagegen von Teil-nehmer zu Teilnehmer und von Team zu Team. Während einige Teilnehmer feststellen, „dass das schon einen ganz schönen Effekt haben kann, so ein Workshop“ (T1B3) und „eine ganze Menge losgetreten und in Angriff genommen wurde“ (T3B7), sprechen andere davon, dass sie „gewisse kleine Erkenntnisgewinne“ gewonnen haben (Leitung Team 4). Für die Einschätzung der Intensität über die gesamte Stichprobe hinweg eignet sich aufgrund der unterschiedlichen Bewertungen der Wirkungsintensität bei ähnlicher Einschätzung der Prozessintensität am bes-ten die Kosten-Nutzen-Einschätzung der Teilnehmer.

Kosten-Nutzen-Einschätzung überwiegend positiv

16 Personen und damit zwei Drittel der Stichprobe sind der Meinung, dass das Verhältnis von Aufwand zu Nutzen lohnend ist.238 Darunter werden diejenigen Personen subsumiert, die anga-ben, dass der Nutzen höher als der Aufwand sei239 als auch diejenigen, die einen hohen Auf-wand und einen hohen Nutzen sahen240 bzw. das Verhältnis als „ausgeglichen“ (T5B4, T3B5) bezeichnen:

T5B1: „Für mich hat es sich gelohnt. Ich glaube auch, wenn man da offen rangeht, lohnt es sich immer. Und ich per-sönlich finde auch, dass da auch ein gewisser Aufwand vonnöten ist, um da einfach auch einen Nutzen draus ziehen zu können. Ich glaube, einfach nur zwei Tage sich damit zu beschäftigen, hätte wahrscheinlich für keinen von uns einen Nutzen gehabt. […] Also, für mich selbst eine wertvolle Sache, wo ich es auch nicht bereue, da die Zeit für aufgewandt zu haben.“241

Dabei wird von den Teilnehmern als Bewertungsmaßstab mitunter ihre Erfahrung mit vergleich-baren Maßnahmen herangezogen:

Leitung Team 3: „Also, ich habe verschiedene Maßnahmen mitgemacht, sei es Supervision, sei es Coaching, sei es Weiterbildung. Wenn ich aber den Aufwand angucke und den Effekt, dann würde ich das als eine der effektivsten Interventionen bewerten, die ich in meinem beruflichen Leben kennengelernt habe.“

Die Mehrheit der Teilnehmer (alle Personen aus den Teams 1, 4 und 5) hat nur die Vergleichs-möglichkeit mit Trainings oder Frontalveranstaltungen, da eine Prozessbegleitung für sie eine neue Erfahrung darstellt. Von dieser Gruppe sehen sechs Personen bzw. ein Viertel der Stich-probe das Verhältnis von Aufwand und Nutzen kritisch. Sie sind bis auf einen Teilnehmer zwar mit dem Ergebnis zufrieden, meinen jedoch, dass der Aufwand zu hoch war. Sie hätten gern das gleiche Ergebnis in kürzerer Zeit erzielt oder wünschen sich für den gleichen Aufwand ein nicht näher definierbares „Mehr“ an Ergebnissen:

237 Vgl. T3B1: „Ich glaube, wir waren nach Bredbeck unheimlich gepusht. Das war vielleicht ein bisschen zuviel. Bredbeck war eine kleine Sequenz, wo wir dachten, ‚Oh ja, toll, endlich, wir kommen jetzt zusammen’. Und dann war aber auch gleich eine Forderung mit dabei: ‚Jetzt müssen wir daran arbeiten.’ Das ist dann wieder irgendwie drückend gewesen.“ 238 Zwei Personen aus Team 1 wurde die Frage nach der Einschätzung von Kosten und Nutzen nicht gestellt. Da es sich insgesamt um Personen handelt, die sich mit dem Prozess insgesamt als sehr zufrieden bezeichneten, wären sie vermutlich ebenfalls dieser Kategorie zuzurechnen. 239 T1B4: „Mittleren Aufwand und eigentlich ein bisschen höheren als mittleren Nutzen.“ 240 Z.B. Leitung Team 6: „Unabhängig davon halte ich das Ergebnis für so wichtig, dass es egal ist, wie viel es kostet. Na, fast, na, so gerade wie viel es kostet. Aber ich glaube schon, dass es eben sehr viel gekostet hat. Ja, und dass man das effizienter hätte gestalten können, retroperspektiv ja nicht so viel hätte kosten müssen. Aber unabhängig davon, ich trauere dem nicht wirklich nach.“ 241 Vgl. T3B2: „Ich fand es war ein toller Nutzen. […] Unsere Zeit war da sehr gut investiert. Ein guter Kosten-Nutzen-Aufwand.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 239

T4B5: „Das Verhältnis: Also relativ viel Aufwand für relativ wenig Nutzen, meines Empfinden nach. Und zwar nicht deswegen, weil der Nutzen gering war, sondern weil der Aufwand relativ groß gewesen ist. Es ist ja mein Empfinden, ich kann es mit nichts anderem vergleichen. Aber vom Feeling her ist es so, dass das komprimiert werden könnte. Vielleicht ist es ja die naive Sicht eines Ingenieurs, oder wie auch immer. Aber so kommt es einem vor.“

Manche dieser Teilnehmer zweifeln wiederum an der Machbarkeit dieses Wunsches:

T1B1: „Aber natürlich auch ein enormer Aufwand, den wir dafür betreiben mussten. Aber ich glaube, es geht da auch einfach nicht mit weniger. […] Also, es wäre, glaube ich, für den Aufwand, den wir dafür betrieben haben, wäre es schön gewesen, wenn wir vielleicht noch mehr heraus hätten retten können. Aber ich bezweifle, ob das überhaupt möglich ist. Ich glaube nicht.“242

Der unzufriedene Teilnehmer ist der Meinung, dass der Nutzen sehr gering war.243 Einige Teil-nehmer treffen bei ihrer Bewertung eine Unterscheidung zwischen ihrer persönlichen Ansicht und der vermuteten Meinung ihres Vorgesetzten oder Arbeitgebers. Diese fällt in der Regel so aus, dass sie zufrieden sind, ihr Arbeitgeber jedoch andere Kriterien heranziehen würde und dadurch zu einer kritischeren Einschätzung gelangen könnte.

Vgl. T4B4: „Ich weiß nicht, was die Geschäftsleitung gedacht hätte, wenn sie gewusst hätte, dass wir auch in einer kritischen Phase mal zwei Tage weg waren. Irgendwie hätte sie sich wahrscheinlich aufgeregt. Das ist mehr auf dem mittleren, unteren Level gelaufen.“

Andere wiederum meinen, dass auch der Arbeitgeber von der Maßnahme profitiert:

T4B1: „Auf einer rein betriebwirtschaftlich-rechnerischen Ebene würde ich sagen, diese sechs Tage, die wir da jetzt verbracht haben, sind allein durch eine verbesserte Kommunikation wieder reinzuholen. Aber ich wollte ja eigentlich noch viel mehr Workshops. Ich glaube trotzdem, auch betriebswirtschaftlich rechnet sich das, weil einfach Leute, die besser zusammen arbeiten, auch effektiver arbeiten und nicht gegeneinander arbeiten, also von daher sehe ich da schon einen hohen Nutzen.“

Intensität der Wirkung abhängig vom individuellen Einlassen auf den Prozess

Betrachtet man die Rückmeldungen aller Teilnehmer, zeigt sich, dass einige Teilnehmer und auch Teams von der Maßnahme in besonderem Maße profitieren und die Intensität der Verän-derungen entsprechend größer ausfällt. Mit welcher Ausprägung bestimmte Veränderungen in den vier Teams beobachtet wurden, wurde in Abschnitt 11.2.4 bereits ausgeführt. Nach Ein-schätzung der Autorin fielen die Veränderungen in Team 1 und 3 demzufolge deutlich intensiver aus als in den Teams 4 und 5. Die Teilnehmer selbst liefern die Erklärung, was für das Zustan-dekommen einer hohen Wirkungsintensität Voraussetzung ist. Es ist die Rede von einer Auf-nahmebereitschaft im Sinne des „Einlassens“ auf den Prozess:

T4B3: „Ob es Veränderungen bringt, hängt ganz allein vom Team ab, wie ernst es das Coaching nimmt.“244

Dieses Einlassen fällt in Abhängigkeit von Eigenheiten der Teilnehmer, des Teams, des Organi-sationskontexts und deren aktueller Situation unterschiedlich leicht. Auf individueller Ebene er-fordert das Programm von den Teilnehmern, vielen Dingen Raum zu geben. Wollen sie von der Maßnahme profitieren, so müssen sie „bereit sein, sich kritisch zu reflektieren“ (T3B8), „das ei-gene Handeln zu reflektieren, die Gesamtgruppe auch mal wieder ins Auge zu nehmen“ (T3B7) sowie „persönliche Dinge Preis zu geben und […] sich auch auf die anderen Personen einzulas-sen“ (T4B2). Auch ist Vertrauen in Entwicklungsprozesse und zur Beraterin notwendig, wie der folgende Teilnehmer beschreibt:

242

Vgl. T4B4: „Also, insgesamt würde ich sagen, dass wir doch relativ viel Zeit verbraucht haben. […] Wenn man das Ganze ein bisschen verkürzen könnte, dann wäre das schon positiv. Nur, wenn du mich jetzt so konkret fragst, was ich denn weglassen würde, dann […] Das kann ich insgesamt gar nicht beantworten.“ 243 T5B2: „Kein großer Nutzen. Ganz vereinzelte Aha-Effekte, was das angeht, wie ich meine Kollegen kennengelernt habe“, für eine ausführlichere Betrachtung der Aussagen dieses Teilnehmers vgl. 11.5.3. 244 Vgl. T5B1: „Ist eher personenabhängig. Ich glaube z.B., dass T5B2 und T5B4 rausgegangen sind und sich nicht so darauf einge-lassen haben und von daher auch nicht so viel daraus mitnehmen konnten“ und T1B4: „Also, ich glaube schon, dass das dann auch abhängig ist davon, wie weit man sich darauf einlässt.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 240

T5B4: „Also, dem Team [Anm.: einem anderen Team, das an der Maßnahme interessiert ist] würde ich sagen, das ist die Chance auf eine unique [Anm.: einzigartige] Erfahrung, wenn man sich tatsächlich darauf einlässt, mitzumachen. Ja. Und man eher vertrauen darauf sollte, was da passiert, als das ständig in Frage zu stellen. Was wir ja viel ge-macht haben.“245

Wie gut sich die Teilnehmer auf das Programm einlassen können, hängt auch davon ab, ob be-stimmte Interventionen zum richtigen Zeitpunkt erfolgen. Findet beispielsweise das Einzelcoa-ching im richtigen Zeitfenster statt, so kann es sehr wirksam Veränderungen anregen:

T3B1: „Hätte ich da [zeigt auf die Kurve] dieses Interview nicht gehabt, dann wäre ich hier weiter runtergerobbt. Inso-fern hat das einen großen Nutzen, weil ich nicht mehr fähig gewesen wäre, irgendwie weiterzumachen. Das hat un-heimlich viel bewirkt bei mir. Also hier, dieses Interview eins [Anm.: Einzelcoaching].“

Manchmal kommen jedoch im Hinblick auf den individuellen Veränderungsprozess nur bestimm-te Teile des Programms zum richtigen Zeitpunkt:

T5B4: „Bei Interview eins [Anm: Einzelcoaching] natürlich, das hat mir sehr viel gebracht, weil es ein persönliches Interview war, also Fragen noch mal aufzuwerfen. Der Workshop II hat bei mir nicht so viel Änderungen bewirkt, weil die Fragen schon aufgeworfen waren und viele Antworten schon gefunden waren.“

Auf Teamebene ist es für eine intensive Wirkung nötig, dass im gesamten Team Veränderungs-energie mobilisiert wird. Das Team sollte sich dazu möglichst einig sein, dass es das Programm für sich nutzen möchte. Auch sollte es einem selbst gestalteten Wandel gegenüber aufgeschlos-sen sein.246 Dazu ist auch der Organisationskontext von Bedeutung. Dieser kann unterstützend oder auch, wie im Fall eines Teilnehmers von Team 5 empfunden, hemmend wirken:

T5B2: „Ich weiß nicht, ob du was anders machen kannst oder ob das einfach an dem großen Umfeld liegt, wie man sonst Dinge hier angeht. Wenn man in einer Kultur ist, wo sowieso Eigeninitiative und Aktivität und so nicht wertge-schätzt wird, dann macht man das auch in anderen Umgebungen nicht, oder weniger wahrscheinlich. Man wird ja auch geprägt. Und gerade wenn man in seinem Arbeitsteam da ist, dann ist das das gleiche Umfeld. Also, das hat auch einen höheren Einfluss.“

11.4.2 Nachhaltigkeit der Veränderungen

Grundlage für die Bewertung der Nachhaltigkeit bilden 24 Evaluationsinterviews (prospektive Nachhaltigkeitseinschätzung einen Monat nach der Intervention) sowie die Auswertung von 24 Follow-up-Fragebögen (retrospektive Nachhaltigkeitseinschätzung vier Monate nach der Inter-vention). Die Fragebögen wurden drei Monate nach Abschluss des Evaluationsinterviews ver-sandt. Die Rücksendung erfolgte jedoch bisweilen erst nach mehrfacher Erinnerung, so dass die vergangene Zeitspanne seit der letzten Intervention in Einzelfällen bis zu sieben Monate betrug. Dies wirkt sich auf die Beurteilung der Nachhaltigkeit positiv aus, da Langzeitwirkungen eher erfasst werden können. Da die Rücksendedaten unabhängig von der Teamzugehörigkeit variier-ten, kann eine systematische Verzerrung der Daten ausgeschlossen werden.

Beinahe alle Teilnehmer konnten im Evaluationsinterview für sich selbst und ihre Zielerreichung problemlos eine Nachhaltigkeitsprognose abgeben. Insgesamt zeigen sich keine drastischen Abweichungen von diesen Einschätzungen in den späteren Follow-up-Bewertungen. Darum erübrigt sich nachfolgend eine allzu stringente Aufschlüsselung der Ergebnisse nach Erhe-bungszeitpunkt. Viele Teilnehmer haben dagegen Schwierigkeiten, die Nachhaltigkeit der Ver-änderungen im Team bereits im Evaluationsinterview einzuschätzen. In den Teams 3 und 4 ist

245 Vgl. T5B1: „Man muss bereit sein, sich auf das Fragezeichen als Ergebnis einzulassen und darf nicht zu sehr fragen: ‚Was ist aus diesem Tag rausgekommen?'. Weil es ein Prozess ist. Und es kann auch sein, dass ein Schritt mal keine merklichen Verände-rungen mit sich bringt. Und vielleicht merkt man es erst drei Monate später.“ 246 Vgl. T5B2: „Man muss von Anfang an gleich darauf achten, dass von Anfang an gleich der Drive dafür da ist und der Wille und so weiter. Und wenn das nicht funktioniert, die Leidenschaft, dann hat es keine Wirkung. […] Es hängt vom Team ab. Das ist der Knackpunkt. Je einiger sich das Team ist, dass die das machen wollen, und dafür brennen, dann funktioniert das wahrscheinlich super. Dann bringt es wahrscheinlich auch starke Veränderungen. Wenn von Anfang an nicht dieser Wille da ist im gesamten Team, die Zuversicht, dann ist es wahrscheinlich eher weniger.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 241

dies vor allem dadurch begründet, dass zum Zeitpunkt des Interviews Teile der Umsetzung des Maßnahmenplans noch ausstehen. In Team 5 fällt die Bewertung besonders schwer, da das Team anlässlich einer Umstrukturierung nicht fortbestehen wird.

Der Idealfall: Selbstmanagement-Projekte als Selbstläufer

In jedem Team finden sich zum Zeitpunkt des Evaluationsinterviews einzelne Teilnehmer, die beschreiben, dass ihr individuelles Selbstmanagement-Projekt zum „Selbstläufer (T5B3) gewor-den sei. Dies betrifft circa 30% der Stichprobe. Die Selbstmanagement-Strategien führen bei diesen Personen zu sichtbaren Erfolgen. Sie erfahren in relevanten Bereichen positives Feed-back von ihrer Umwelt. Dies wiederum bestärkt sie, ihre Strategien beizubehalten und ihr Ziel weiter zu verfolgen:

T1B3: „Genau, und dann kommt natürlich dazu, zu sehen, dass die Schritte funktionieren. Also, kaum macht man mal am Wochenende mehr und kaum lässt man mal mehr Leute in seinem Leben und reserviert sich halt mehr Freizeit, schon fühlt man sich erstens besser. Und dann kriegt es so eine Art Eigendynamik. Also, dann wird man eben auch noch häufiger angerufen am Wochenende. Und hat noch mehr Möglichkeiten, halt, was zu machen. […] Da merkt man dann, dass es von alleine geht. Also, wenn man die Karre erst mal ans Rollen gebracht hat, dann rollt sie auch.“

Diese Teilnehmer sind der Meinung, dass sich bei ihnen nachhaltige Veränderungen ergeben haben. Die weitere Anwendung ihrer Selbstmanagement-Strategien sehen sie aufgrund der po-sitiven Konsequenzen nicht gefährdet. In Bezug auf ihre Ziele vermerken sie Fortschritte.

4 Monate nach der Intervention: Mittlere bis hohe Nachhaltigkeit der Zielerreichung bei aktiver Zielverfolgung

Über die gesamte Stichprobe hinweg sprechen zum Zeitpunkt des Follow-ups (mindestens 4 Monate nach Abschluss von Workshop III) alle Personen, die ihr Ziel verfolgten, ihren Fortschrit-ten in Richtung ihrer Ziele eine gewisse Nachhaltigkeit zu (vgl. Abb. 16). 50 % der Personen, die an ihrem Selbstmanagement-Projekt arbeiteten, erleben sogar eine sehr hohe oder hohe Nach-haltigkeit. Sie spüren eine langfristige Wirkung des Projekts bzw. bemerken, dass die erreichten Veränderungen über die Zeit hinweg stabil geblieben sind. Bei zwei Personen dieser Gruppe haben sich darüber hinaus noch weitere Veränderungen ergeben, die sie auf das Projekt zu-rückführen, deren Wirkung jedoch erst später zutage trat. Weitere 50% der Zielverfolger sehen, dass die bereits erreichten Veränderungen nur im Hinblick auf bestimmte Aspekte oder in be-stimmten Bereichen stabil geblieben sind. In anderen Bereichen fand ein Rückfall in altbekannte Muster oder Probleme statt. Die beiden Personen, die im Evaluationsinterview angaben, ihr Ziel nicht verfolgt zu haben (vgl. 11.1.4), schätzen die Nachhaltigkeit der wenigen Veränderungen, die sie in Bezug auf ihre Zielerreichung erlebten, als gering ein.

Führt man sich vor Augen, dass die meisten definierten Ziele den Charakter übergreifender „Dauerziele“ haben (z.B. die Wahrung der „Worklife-Balance“), so wird deutlich, dass die Aussa-ge „Ziel ist erreicht!“ (FT3B8) die Ausnahme darstellt. Viele Ziele erfordern kontinuierliche Arbeit. Personen mit mittlerer Zielerreichung erleben dabei gewöhnlich, dass sie sich trotz einiger Fort-schritte bisweilen von ihrem Ziel entfernen:

FT4B3: „Mein persönliches Ziel hatte ich wieder aus den Augen verloren, dabei aber nicht vergessen, wie ich wieder zu meinem Ziel komme. Leider ist es so, dass ich mich ständig selbst kontrollieren muss, inwieweit ich mich wieder vom Ziel entferne. Nichtsdestotrotz habe ich erlernt, damit umzugehen.“247

Teilnehmer, die die Nachhaltigkeit ihrer Zielerreichung als „hoch“ einschätzen, gelingt es vor allem besser, sich ihre Ziele immer wieder zu vergegenwärtigen und ihr Handeln daran auszu-

247 Vgl. FT3B1: „Mir gelingt es besser, im Privaten Freiräume und die Trennung zum Beruf aufrechtzuerhalten. Trotzdem ist die Belastung während der Arbeit weiterhin hoch.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 242

richten:

FT4B2: „Im Programm habe ich vor allem persönliche Ziele erkannt und gelernt, mich selbst besser zu beobachten. Da ich mir dieser Aspekte ständig neu bewusst werde und sie mein Handeln beeinflussen, ist die Nachhaltigkeit hoch.“ 248

Im Teamvergleich findet sich die höchste Nachhaltigkeit in Bezug auf die Zielerreichung in Team 1. Von den sechs Personen, die das Projekt abschlossen, schätzen hier vier Teilnehmer die Nachhaltigkeit ihrer Zielerreichung als hoch ein, zwei weitere Personen erleben eine mittlere Nachhaltigkeit. In Team 3 ist der Anteil der Personen, die ihrer Zielerreichung eine mittlere Nachhaltigkeit zusprechen, am höchsten (fünf von acht Teilnehmern). In den Teams 4 und 5 folgt die Häufigkeitsverteilung im Team dem Trend der Verteilung über die Gesamtstichprobe (vgl. Abb. 16).

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keine geringe mittlere hohe sehr hohe

Abb. 16: Häufigkeitsverteilung über die Einschätzung der Nachhaltigkeit der persönlichen Zielerreichung im Follow-up (N=24)

Der „worst case“: Veränderungen scheitern an der Alltagshürde

Die Personen, die die Nachhaltigkeit ihrer Zielerreichung im mittleren Bereich einschätzen, ma-chen allesamt die Erfahrung, dass ihnen das Umsetzen einiger Veränderungen nicht gelingt. Insbesondere Personen, die sich im Anschluss an das Einzelcoaching gleich mehrere Ziele vor-nahmen, fällt die Realisierung mehrerer Veränderungsbereiche schwer:

T3B3: „Das zweite Ziel war eines, was eher mit mir zu tun hatte. Ich wollte mich da verändern, indem ich weg komme von lösungsorientierten Vorgaben oder Lösungsvorschlägen hin dazu, eine fragende Haltung einzunehmen, um ande-ren einen eigenen Weg zu ermöglichen. Da bin ich immer wieder in alte Muster zurückgefallen. Da ist mir eine Verän-derung noch nicht so gelungen.“

Auch wenn es darum geht, weitreichende Verhaltensänderungen umzusetzen, die möglicher-weise keine unmittelbare positive Rückmeldung hervorrufen, ist es nicht leicht, das neue Verhal-ten beizubehalten. Hier bedarf es einer besonders hohen Änderungsmotivation, um nachhaltige Veränderungen zu erzielen:

T4B5: „Einmal der Alltag, sicherlich sind auch ein Teil der Sachen unangenehm und für mich kein Selbstläufer. Sonst würden sie jeden Tag einfach passieren. Die passieren nicht von selbst, obwohl ich glaube, dass das positiv wäre. Es ist die eigene Trägheit, die Form des eigenen Charakters, der ja schon eine gewisse Härte angenommen hat, bei den

248 Vgl. FT1B5: „Ich bin jetzt besser in der Lage, mich auf meine Ziele zu besinnen. Ich stelle mir jetzt öfter die Frage ‚Was sind meine Ziele?’ und wie mir das Team dabei helfen kann.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 243

Lebensjahren. […] Um etwas umzuformen, muss man an gewissen Punkten Druck, eine gewisse Kraft anbringen. Das ist nicht immer einfach.“

Bisweilen verändern sich Ziele auch. Ein Teilnehmer erinnerte sich im Follow-up an ein anderes Ziel als er ursprünglich formuliert hatte. Ein weiterer gab an, sein Ziel sei aus dem Blick geraten.

Höchste Nachhaltigkeit in Bezug auf Veränderungen bei sich selbst

Zwei Personen bzw. 8% der Stichprobe konnten vom dem Programm nicht nachhaltig profitieren (vgl. Abb. 17).249 Viele der übrigen Teilnehmer sind bereits im Evaluationsinterview der Meinung, dass sie sich nachhaltig verändert haben:

T1B3: „Also, die persönlichen Sachen waren sehr nachhaltig, denke ich, oder haben hohes Nachhaltigkeitspotenzial.“

1 1

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0

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keine geringe mittlere hohe sehr hohe

Abb. 17: Häufigkeitsverteilung über die Einschätzung der Nachhaltigkeit der Veränderungen bei sich selbst im Follow-up (N=24)

Sie sind der Meinung, dass die verspürte Klarheit über sich selbst und die eigenen Ziele, die veränderten Sichtweisen und die neuen Haltungen von Dauer sind.250 Auch geben einige Perso-nen an, im Projekt erlernte „Techniken der Gesprächsführung und des Zuhörens“ (T3B6) weiter anzuwenden oder in Zukunft stärker anwenden zu wollen und sich die Haltung, die damit ein-hergeht, zu Herzen zu nehmen.251 Ein Teilnehmer sieht sich im Evaluationsinterview in einen nachhaltigen Zustand der Unzufriedenheit versetzt. Dieser lässt weiteres Selbstmanagement-handeln wahrscheinlich werden:

249 Es handelt sich bei der Person, die keine Nachhaltigkeit in Bezug auf Veränderungen bei sich selbst sieht, um den unzufriedenen Teilnehmer (vgl. 11.5.3). Die andere Person schätzt zwar die Nachhaltigkeit ihrer Zielerreichung als „hoch“ ein, hält die Veränderun-gen bei sich selbst jedoch für wenig nachhaltig. Die Begründung ihrer Einschätzung einer geringen Nachhaltigkeit erhellt diese Be-wertung nur wenig: FT1B1: „Noch ein stärkere Aufmerksamkeit, ‚Zuhören’ angemessen zu praktizieren. Ich glaube den Grundstein dafür hatte ich bereits lange vorher gelegt. Aber im Rahmen des Workshops wurde das noch mal toll eingeübt“. 250 Vgl. FT1B2: „Ich habe mir durch das Projekt öfter bewusst gemacht, wie wichtig es ist, sich besser zu strukturieren und nicht den Tagesablauf von außen (Aufgaben, Arbeit etc.) bestimmen zu lassen, sondern die Zeit nach den eigenen Prioritäten einzuteilen. Das gelingt zwar nicht immer, aber es fällt mir sofort auf, wenn meine Hauptziele leiden, und ich bin dann bestrebt, das zu ändern. Ich setze auch klare Prioritäten, und bereue so weniger den Zeitaufwand, der mit einzelnen Aufgaben verbunden ist“, FT5B1: „Ich be-trachte meine Zukunft deutlich entspannter als vor dem Seminar (danke nochmal für das Interview, das hat mir scheinbar die Augen geöffnet). Außerdem habe ich für mich erkannt, wie wichtig es mir ist, mit Menschen zusammen zu arbeiten, die ähnliche Vorstellun-gen hinsichtlich der Zusammenarbeit und des Austausches untereinander haben“ und FT5B5: „Ich habe eine berufliche Veränderung innerhalb der Firma angestrebt und aufgrund dessen, was ich während des Projekts über mich gelernt habe, eine Berufsentschei-dung für die Zukunft getroffen. Ich habe im Rahmen des Projekts viel über mich selbst erfahren.“ 251 Vgl. T4B1: „Also, was ich daran interessant finde, ist, dass ich in der normalen Kommunikation gerne versuche, wenn mir ir-gendwer ein Problem schildert, ihm gleich eine Lösung vorzusetzen. Dass ich so einen Baukasten habe, ‚mach das so, mach das so’. Dass es in Wirklichkeit gar nicht darum geht, dass derjenige von mir eine Lösung hören will. Sondern, dass er einfach erzählen will, wie es ihm geht, was seine Welt ist, wie er die Welt gerade sieht. Dass er nicht unbedingt möchte, dass ich für ihn jetzt da ir-gendein Werkzeug aus dem Koffer ziehe. Sondern, dass er erst mal seine Weltsicht mit mir teilen möchte, in Bezug auf eine be-stimmte Situation. Das ist das eine, was ich mitnehme.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 244

T4B1: „Und in Bezug auf mich ist es, tja, nachhaltig. Wie gesagt, für mich war es ja auch wichtig, oder sehr wichtig, mit dieser Unzufriedenheit konfrontiert zu werden und sie wahrzunehmen. Das ist auf jeden Fall nachhaltig. Das wird sicherlich auch nicht von selbst verschwinden. Und ich glaube schon, dass dadurch, vielleicht nicht nur dadurch, aber auch dadurch, ein nachhaltiger Prozess bei mir in Gang gesetzt worden ist.“

Zum Zeitpunkt des Follow-ups geben 58% der Teilnehmer an, eine hohe oder sehr hohe Nach-haltigkeit in Bezug auf die Veränderungen bei sich selbst zu erleben (vgl. Abb. 17):

FT3B9: „Gelassener auch an schwierige Sachen rangehen. Der Arbeit einen erträglichen Stellenwert in meinem Le-ben zuweisen. Mein Gefühl sagt mir, dass das lange vorhalten wird“ [Anm.: Nachhaltigkeit der Veränderungen in Bezug auf sich selbst als „hoch“ eingeschätzt].252

Die drei Personen, die, wie der folgende Teilnehmer, eine sehr hohe Nachhaltigkeit erleben, nehmen sogar weitere projektbedingte Veränderungen wahr, die erst nach der Programmteil-nahme zutage traten:

FT1B3: „Das Projekt hat mir sehr deutlich gemacht, dass es ultimative Grenzen meiner Belastbarkeit gibt. Und dass diese wesentlich leichter erreicht und überschritten werden können, als ich vermutet hätte. Auch das Wissen um die damit verbundenen persönlichen Kosten hat sich bei mir nachhaltig eingeschärft und ist mir erst im Nachhinein in vollem Maße ins Bewusstsein getreten.“

Ein Drittel der Teilnehmer erlebt eine mittlere Nachhaltigkeit der Veränderungen bei sich selbst. In einigen Bereichen werden demnach überdauernde Veränderungen registriert, in anderen da-gegen nicht:

FT3B3: „Ich habe einen wichtigen Punkt bei mir nachhaltig verändern können. Dieser zeigt sich auch fast durchgängig in meinem Arbeitsalltag“ [Anm.: Nachhaltigkeit der Veränderungen in Bezug auf sich selbst als „mittel“ eingeschätzt].

Was sich bei diesen Personen häufig hält, sind einzelne erfolgreiche Selbstmanagement-Strategien, die als Ritual in den persönlichen Alltag aufgenommen wurden und nach einiger Zeit den Charakter einer „Gewohnheit“ (T3B1) annehmen.

Nachhaltige Werkzeuge für etwaige Rückfälle

Im Evaluationsinterview wie auch im Follow-up geben einzelne Teilnehmer an, dass die berufli-chen Anforderungen, die an sie gestellt werden, nach wie vor sehr hoch sind. Daher gehen eini-ge Personen davon aus, dass sich ihr Selbstmanagement zukünftig verschlechtern werde und sie sich von ihren Zielen entfernen. Ein Teilnehmer bezeichnet die Nachhaltigkeit im Selbstma-nagementhandeln als „äußerst schweres persönliches Ding, ein universelles psychologisches Problem letztendlich, so was nachhaltig in der Hand zu halten“ (T1B3). Diese Person ist den-noch der Meinung, dass für sie „die Chancen ganz gut“ stünden. Auch andere Teilnehmer, de-ren Nachhaltigkeitseinschätzungen in Bezug auf ihre persönlichen Veränderungen von mittel bis hoch rangieren, berichten, dass sie sich für etwaige „Rückfälle“ gerüstet fühlen. Sie sind der Meinung, dass sie aufgrund ihrer Erlebnisse im Rahmen des Programms nachhaltig vermeiden können, „in die gleichen Fallen zu stolpern“ (T3B7). Einige Personen berichten, dass im Zuge der gesteigerten Selbstklarheit eine nachhaltige Aufmerksamkeit für die eigenen Bedürfnisse entstanden ist. Durch diese können Überlastungssituationen rechtzeitig erkannt und vermieden werden.253 Andere Teilnehmer, die etwaige Rückfälle bereits erlebt haben oder nicht ausschlie-ßen, blicken diesen halbwegs optimistisch entgegen. Denn sie sind sich sicher, in solchen Fällen

252 Vgl. FT5B4: „Ich sehe Dinge relativierter und bin zufriedener mit meinem Tun und Handeln“ und FT3B7: „Mir gelingt es besser, mich abzugrenzen.“ 253 Z.B. T3B9: „Ich für mich, darum habe ich das erste Interview [Anm.: Einzelcoaching] auch so hoch bewertet, habe gemerkt, wo ich echt keinen Nerv mehr zu habe. Dahin will ich auch nicht mehr zurück. Das würde ich sofort merken, wenn mich da jemand packt. Das kann ich für die Gruppe jetzt nur hoffen, dass es da ähnlich ist. Dass es uns als Gruppe auch so geht. Aber ich, als Ein-zelperson, habe keine Lust mehr, 20 unklare Sachen zugleich bewerkstelligen zu müssen, während ich auf der Suche nach Personal bin in meinen Teams, aber denen gleichzeitig auch noch ein paar Aufgaben überdübeln muss. Das ist echt nachhaltig für mich. Ich will mich nicht weiter so fühlen, wie ich mich fühle und ich hoffe, dass das dem Team auch so gelingt. Ich bin da sehr positiv ge-stimmt. Ich glaube aber, dass ich es für mich leichter schaffe, weil ich ja mein Gefühl dauernd habe, und das einordnen kann.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 245

auf die Selbstmanagement-Strategien zurückgreifen zu können, die sich bereits im Projekt als hilfreich erwiesen haben:

T3B1: „Es ist der Alltagstrott, der einen wieder reinfallen lässt auf solche Belastungsebenen. Ich weiß aber, wenn es zu viel wird, erinnere ich mich an die erlernte Methode. Das glaube ich schon. Das habe ich eigentlich immer schon so gemacht, wenn mir etwas geholfen hat, dann greife ich darauf zurück.“254

Nachhaltigkeit der Veränderungen im Team

Die Teilnehmer von Team 5 gehen aufgrund der beschlossenen Reorganisation zum Zeitpunkt des Evaluationsinterviews davon aus, dass die Veränderungen im Team nicht nachhaltig sein werden. Die übrigen Teilnehmer haben seit dem Abschluss des letzten Workshops im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der darin beschlossenen Vorhaben in der Regel positive Erfahrungen ge-macht:

T4B5: „Man hat ja schon an einer Mehrzahl von Meetings teilgenommen. Und es verläuft oft so, dass wir uns hochtra-bende Ziele setzen, die dann nie in die Praxis umgesetzt wurden. Man nimmt sich da irgendwie jede Menge vor, ver-spricht einander vielleicht etwas. Und in der täglichen Arbeit versinkt das alles in tausend Einzelheiten und Kleinauf-gaben und der Last der Routine, die auf einem hängt. Das ist bei diesem Coaching eigentlich zum Schluss nicht so gewesen. Weil wir uns ja dann tatsächlich, zwar nicht 100-prozentig, aber zu einem hohen Prozentsatz in vielen Fäl-len daran gehalten haben, was wir uns vorgenommen haben. Das war positiv.“

Einzelne Wenige prognostizieren jedoch, dass sich bestimmte Veränderungen im Team nicht halten werden:

T4B1: „Erst mal, mein Gefühl ist, dass das nicht sehr nachhaltig sein wird. Es wird, es ist jetzt nicht so, dass alles verschwinden wird, was erreicht wurde. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass dieser Prozess weiter geht. Der Level ist bisher höher, im Vergleich zum Start. Es ist besser als vorher, aber er ist nicht so, dass es weiter ansteigt oder so.“

Auch dass nicht alle Ideen aus den Workshops ihren Weg in die Umsetzung fanden oder sich die Umsetzung schwieriger erweist als gedacht, wird von einzelnen Teilnehmern im Evaluations-interview als erstes Zeichen mangelnder Nachhaltigkeit interpretiert.

Im Follow-up fällt die Bewertung der Nachhaltigkeit der Veränderungen im Team geringer aus als die Einschätzung der Nachhaltigkeit auf individueller Ebene. Aus Tabelle 17 wird ersichtlich, dass über die gesamte Stichprobe hinweg 33% der Teilnehmer eine hohe (in einem Einzelfall auch sehr hohe) Nachhaltigkeit der Veränderungen im Team erleben. Sie begründen ihre hohe Einschätzung beispielsweise damit, dass „Kommunikation und Unterstützung häufiger angebo-ten werden und zielgerichteter verlaufen“ (FT1B4).255 Für 50% und damit den Großteil der Stich-probe liegt die Nachhaltigkeit der Veränderungen im mittleren Bereich. Diese Teilnehmer neh-men beispielsweise wahr, dass sich die „anfängliche Euphorie […] ein wenig gelegt“ hat (FT1B5). Manche Veränderungen werden nicht mit der gleichen Dynamik vorangetrieben. Oder sie finden, dass sich einige Veränderungen zwar halten, diese ihnen jedoch nicht weit genug gehen.256 Manche Teilnehmer bemerken auch eine fehlende Konstanz der Veränderungen:

FT1B6: „Das Team schwankt häufig zwischen alten und neuen, erlernten Verhaltensmustern. Ich denke jedoch, dass dies Teil eines Lernprozesses ist.“

17% der Teilnehmer erleben eine geringe Nachhaltigkeit der Veränderungen im Team. Einige der Personen, die ihr Team verlassen haben, fallen in diese Kategorie:

254 Vgl. T4B3: „Für mich ist das nachhaltig. Auch wenn ich mal wieder runterkommen sollte, vielleicht komme ich demnächst auch mal wieder rauf. Dann weiß ich: ‚Aha, denk mal nach! Willst du, dass es dir besser geht? Okay, dann mache dieses und jenes, wie du das schon einmal gemacht hast und was gut funktioniert hat’.“

255 Vgl. FT1B3: „Die Produktivität unseres Teams hat sich definitiv im Verlauf des Projekts – und auch im Nachhinein – erhöht. Und Dinge wie Arbeitsteilung und Zusammenspiel haben sich merklich und nachhaltig verbessert. Insbesondere das Zusammenspiel funktioniert inzwischen auch mit Nicht-Projekt-Mitgliedern merklich besser“ und FT3B3: „Themen werden jetzt sowohl inhaltlich, aber auch auf der Beziehungsebene anders bearbeitet“.

256 Vgl. FT1B1: „Nichtsdestotrotz ist die Gruppe nicht umgekrempelt: Einige Muster halten sich hartnäckig: Schwelender Konflikt T1Bx vs. T1By sowie T1Bz’s übergroße Hilfsbereitschaft.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 246

FT5B1: „Aufgrund des Bereichswechsels (und des Weggangs von [Name der Teamleitung] aus dem Unternehmen) habe ich nur noch wenig Kontakt zu meinem alten Team. Daher fällt es mir auch schwer, (positive) Veränderungen zu bemerken.“

Tabelle 17: Häufigkeitsverteilung der Follow-up-Einschätzung der Nachhaltigkeit der Veränderungen im Team nach Team (N=24)

NACHHALTIGKEIT

TEAM

„KEINE“ „GERINGE“ „MITTLERE“ „HOHE“ „SEHR HOHE“

Team 1 3 3

Team 3 4 3 1

Team 4 2 2 1

Team 5 2 3

IN SUMME 0 4 12 7 1

Obwohl die Einschätzungen der Mitglieder ein und desselben Teams mitunter sehr unterschied-lich ausfallen,257 werden auch Unterschiede zwischen den Teams deutlich (vgl. Tabelle 17): Die Nachhaltigkeitseinschätzungen fallen in den Teams 1 und 3 (mit „mittel“ bis „hoch“) höher aus als in den Teams 4 und 5 („gering“ bis „mittel“). Da teamübergreifend die Hälfte der Personen der Meinung ist, dass sich zwar nachhaltige Veränderungen in einigen Bereichen des Miteinan-ders im Team ergeben haben, in anderen Bereichen jedoch ein Rückfall in alte Muster stattfand, lohnt es sich, diesbezüglich genauer zu differenzieren. Es stellt sich die Frage, welche Art von Veränderungen längerfristig überdauert.

Nachhaltigkeit der neuen subjektiven Deutungen, Personenwechsel und der Interaktionsmuster im Team gegeben

Es deutet Einiges darauf hin, dass erwartungsgemäß Veränderungen der Personen im Team als sehr nachhaltig empfunden werden.258 Die subjektiven Deutungen über die anderen Teammit-glieder scheinen ebenfalls stabil zu bleiben.259 Auch die Veränderungen der Interaktionsmuster im Team werden von den allermeisten Teilnehmern als nachhaltig beurteilt:

T4B2: „Sehr nachhaltig ist das Miteinander im Team. Das wird auf jeden Fall fortbestehen. Da wird man sich nicht wieder auseinander leben.“260

257 So stammen beispielsweise beide der folgenden Aussagen aus dem Follow-up von Team 4: „Das Programm hat den Umgang im Team sehr positiv beeinflusst. Man spürt, dass dauerhaft gegenseitiges Verständnis und Zusammenhalt entstanden ist. Einige konkretere Aufgaben, die wir uns im Team vorgenommen haben, wurden jedoch nicht umgesetzt, meist aufgrund von ‚äußeren Einflüssen’, z.B. Zeitmangel durch andere Aufgaben einzelner Teammitglieder“, FT4B2 [Anm.: Einschätzung der Nachhaltigkeit der Veränderungen im Team als „mittel“] und „Innerhalb des Teams hat sich aus meiner Sicht nicht viel geändert. Es gab zwar zwi-schenzeitlich eine andere Wahrnehmung der Kollegen innerhalb des Teams, diese ist aber wieder auf das Ursprungsniveau abge-sunken. Ich führe das unter anderem auf eine z.Zt. ziemlich hohe Arbeitsbelastung mit hohem Termindruck zurück“, FT4B1 [Anm.: Einschätzung der Nachhaltigkeit der Veränderungen im Team als „gering“].

258 Bei der folgenden Darstellung wird auf Veränderungen der Entwicklungsgeschwindigkeit und -richtung nicht eingegangen, da die Beurteilung dieser Veränderungen die Attribution auf die Intervention beinhaltet. Ohne Intervention im Zeitraum der Follow-up-Erhebung fehlt die Beurteilungsgrundlage zur Einschätzung dieser Kategorie von Veränderungen. Die Resultate der Veränderungen der Entwicklungsgeschwindigkeit und -richtung manifestieren sich darüber hinaus auch in den übrigen Veränderungskategorien.

259 Z.B. FT5B3: „Durch die offenen Gespräche während des Projekts habe ich gelernt, die Andersartigkeit der anderen besser zu

verstehen“ und FT4B1: „Mir ist im Verlauf des Projekts vor allem eins klar geworden, was mir vorher kaum bewusst war. Dass näm-lich die Absichten und Ziele der einzelnen Projektmitarbeiter sehr weit voneinander abweichen“.

260 Vgl. T3B3: „Ich glaube, das ist sehr tragend. Das ist sehr tragend. Das hat auch jetzt ein, wenn ich da wieder ein Bild benutzen darf, das ist auch schon ein stabileres Netz. Das ist nicht nur so dünn geflochten, was bei der nächsten Belastung wieder bricht, sondern das trägt, was sich da an Veränderungen gezeigt hat“ und T1B6: „Also, ich glaube, die Punkte, die nicht nachhaltig sind, sind alle nicht da. Also alles, was jetzt sich verändert hat, das bleibt auch so. Also, da muss schon echt viel passieren, damit sich das wieder zurück bewegt. […] Also, das bezieht sich eben auf so Mechanismen wie den Kalender oder Sicherheit im Umgang mit anderen Leuten und Vertrauen. Und also auch gerade jetzt – besonders Vertrauen. Oder auch die Tatsache, dass hier jetzt so viel

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Ergebnisse der summativen Evaluation 247

In den Teams 1 und 3 ist man sich darüber besonders einig. Teilnehmer berichten, dass durch die Teilnahme am Programm „die Atmosphäre geschaffen wurde“ (T1B4), die es ermöglicht, zukünftig auch ganz neue Probleme gemeinsam anzugehen („Dass es zwar neue Probleme sind, aber die Möglichkeiten, das Werkzeug, diese zu lösen, einfach mitgegeben wurde“, T1B4). Auch die gegenseitige Unterstützung wird als stabil und verlässlich erlebt:

FT3B5: „Das Verhältnis der Teammitglieder zueinander hat sich weiter positiv entwickelt und die Zusammenarbeit erweist sich (gerade auch bei der Bewältigung von Krisensituationen) als sehr kooperativ und unterstützend.“

In den Teams 4 und 5 finden sich jedoch Einzelne, die deutlich anderer Meinung sind.261 In Team 5 gehen die Einschätzungen weit auseinander. Drei Personen sehen trotz Umstrukturie-rung zumindest einige nachhaltige Verbesserungen im Team.262 Für zwei weitere Personen hat sich die Nachhaltigkeit der Veränderungen mit der Reorganisation erledigt.263

Vielfältige Einflüsse auf die Nachhaltigkeit neuer sozialer Regeln

Aufgrund der Auflösung von Team 5 haben die sozialen Regeln, die sich in diesem Team ver-änderten, keinen Bestand. Eine Person befürchtet, dass sich dies nachteilig auf ihr Selbstmana-gement auswirkt:

T5B5: „Also, wenn wir jetzt so in der Konstellation geblieben wären, da hätte ich wirklich gesagt, ‚Es wird. Ich werde mich entwickeln’. Aber wenn sich das jetzt ändern wird, befürchte ich, dass ich wieder in meine alten Strukturen ver-falle. […] Ja, wäre jetzt zum Beispiel, ja, wenn jetzt zum Beispiel das Team, wenn ich wüsste, ich bleibe mit dem Team zusammen. Das wäre dann eine Rettung. So, wo ich sage: ‚Okay, da ist meine Basis’. Das würde mir helfen. Ich glaube, dann könnte ich mich auch weiterentwickeln. Aber wenn ich jetzt wieder auf, ja, auf die Stufe vorher zu-rückgeworfen werde, mit einem neuen Team anfange. Ich glaube, dann habe ich ganz schnell wieder meine alte Struktur, ja, ‚jedem zu Diensten’.“

Die neuen sozialen Regeln sind jedoch auch in den Teams, die bestehen bleiben, nicht ohne Weiteres von Dauer. Für Veränderungen, die in der Arbeitsorganisation verankert wurden, ste-hen die Chancen aus Sicht vieler Teilnehmer jedoch sehr gut, beibehalten zu werden. Was die Veränderung der „ungeschriebenen Regeln“ in Team 1 und 3 (das Streben nach „Entschleuni-gung“) betrifft, so ist von allen Teammitgliedern eine besondere Achtsamkeit gefordert, um nicht in alte Verhaltensmuster zurückzufallen:

T3B9: „Wir haben letztes Mal zusammen gesessen und versucht, Aufgaben zu sortieren. Da ist uns währenddessen klar geworden, dass wir uns wieder in dieselbe Ecke bringen. Es ist gut, dass uns das klar geworden ist. Das ist das Ergebnis dieses gemeinsamen Coachings. Sonst hätten wir es nicht gemerkt. Da bin ich mir ziemlich sicher. Wir ha-ben es aber gemerkt und konnten reagieren. Wir haben reagiert. Und das ist Werkzeug, das wir uns durch die Inter-vention angeeignet haben.“264

Einige Aussagen deuten darauf hin, dass die Führungskraft bei der Veränderung und Aufrecht-erhaltung der sozialen Regeln eine wichtige Rolle spielt. Je mehr sie zulässt, dass bestehende Verfahrensweisen und auch ihr eigenes Verhalten in Frage gestellt werden, desto eher werden

geglaubt – dass das Team auseinanderbröckelt, das wird sich nicht verändern. Ich glaube, das sind schon sehr stabile Einflüsse, oder die Resultate der Einflüsse sind stabil, so, das ist, was ich sagen möchte“.

261 Vgl. T4B3: „Insgesamt hat sich in unserem Team, aus meiner persönlichen Sicht, nicht viel im Hinblick auf Verhalten, Gefühl bzw. Klima nachhaltig geändert. Insgesamt arbeitet das alte [Name]-Team ungefähr immer noch so zusammen wie zuvor. Natürlich sind wir insgesamt (beim Training) miteinander vertrauter geworden.“ 262 Vgl. T4B5: „Der Kontakt zum Team ist auch nach der Umstrukturierung erhalten geblieben – es wurden nachhaltige Teamstruktu-ren geschaffen.“

263 Vgl. T5B5: „Das Teamklima hat sich kurzfristig verbessert, aber eine richtige Teamzusammengehörigkeit hat sich nicht entwi-ckelt. Zwischenzeitlich hat sich das Team und Leiter aufgrund Umstrukturierung auch aufgelöst und auch ich habe das Team verlas-sen und habe einen neuen Aufgabenbereich.“

264 Vgl. T3B6: „Das war gerade heute in der Sitzung auch ein Punkt, wo ich dachte, ‚Aha, genau das ist es’. Ein Kollege erinnerte, dass derjenige, der die Moderation führt, sich ein bisschen zurückhalten sollte. Er habe das Gefühl, es kämen Ideen und sofort Gegenargumente. Das wurde heute thematisiert. Und da fiel mir auch gleich wieder der Workshop ein. Wir müssen uns da alle sehr anstrengen, nicht in die alten Verhaltenweisen immer wieder zurückzufallen. […] Das ist das, was so nachwirkt. Das ist auch das, was mir wichtig ist. Ich weiß nicht mehr, wie man das genau nannte, das empathische Zuhören und…[I: Wertschätzung...?] Ja, und da merkte ich, als der Einwurf von dem Kollegen kam, kam auch bei den anderen gleich die Erinnerung.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 248

weitreichende Veränderungen möglich. Dies kann möglicherweise ein Faktor sein, warum in den Teams 4 und 5 weniger Veränderungen umgesetzt wurden. In Team 4 verfolgte die Leitung kein eigenes Selbstmanagement-Projekt und war demzufolge weniger involviert als die übrigen Teil-nehmer. In Team 5 meinten einige Teammitglieder, ihre Führungskraft habe im Prozess geäu-ßerte Kritik „nicht so angenommen“ (T5B5). In den Teams 1 und 3 dagegen finden sich einige Stimmen, die im Evaluationsinterview die Mitarbeit der Führungskraft als wichtigen Faktor für die Entstehung der Veränderungen werten. Die Teamleitung ist ob ihrer Weisungsbefugnis auch am ehesten in der Lage, ein Nachhalten der Veränderungen anzuregen. Ein solches kontinuierli-ches Monitoring erscheint vielen Teilnehmern wichtig, um nach Projektende für Nachhaltigkeit zu sorgen:

T3B6: „Es müsste in Abständen immer mal wieder thematisiert werden. Es müsste dieser Workshop noch einmal nachbearbeitet werden. Nach einer bestimmten Zeit müsste überprüft werden, was haben wir uns damals vorgenom-men, was ist daraus geworden.“

11.5 Beitrag der Beratung

Nur eine Person steht dem Beitrag der Beratung zu den Veränderungen kritisch gegenüber. Der unzufriedene Teilnehmer ist der Meinung, dass die Beratung insgesamt wenig bewirkt habe. Gemeinsame Teamevents hätten aus seiner Sicht auch zu den Veränderungen geführt:

T5B2: „Ich hatte auch nicht den Eindruck, dass das, was wir tun, eigentlich wirklich Auswirkungen – also dieses Pro-jekt, was wir zusammen gemacht haben – hat auf unser Teamverhalten. Ein bisschen vielleicht, aber auch nur, weil wir uns besser kennengelernt hatten. Das wäre auch durch andere Dinge geschehen, die wir vielleicht gemacht hät-ten, wenn wir was gemacht hätten. [I: Wäre das auch einfach so gekommen, wenn ihr einfach länger zusammengear-beitet hättet?] Ja, nicht zusammen gearbeitet, aber einfach mal auch einen Tag irgendwo verbracht hätten. Was nicht direkt mit Arbeit zu tun hat. Aber es waren jetzt nicht die Fragestellungen oder die Aufgaben oder die Sachen, die wir gemacht haben, relevant dafür. Außer bei Workshop III, der erste Tag nachmittags, da haben wir relativ offen und nachhaltig diskutiert diese Hypothesen. Das fand ich ganz gut. Das hat, glaube ich, auch eine gewisse Veränderung gebracht, weil manche Punkte angesprochen waren, über die wir dann auch noch mal gesprochen haben.“

Seine Kollegen sowie die Teilnehmer aus den anderen Teams sind anderer Meinung. Sie be-zeichnen die Beratung als „sehr sehr einflussreich“ (T1B3) und meinen, dass sie einen „großen Anteil“ (T4B2) an den Veränderungen hatte:

I: „Welchen Anteil hatte die Beratung an den Veränderungen?“ T4B1: „Irgendetwas zwischen 99 und 100.“ I: „Ohne Beratung keine Veränderung?“ T4B1: „Da wäre höchstwahrscheinlich nichts passiert.“265

Eine Person räumt der Beratung in Bezug auf ihr persönliches Selbstmanagement-Projekt nur einen geringen Beitrag ein. Den Haupteffekt sieht sie in den Veränderungen auf Teamebene. Die übrigen Teilnehmer finden, dass die Beratung sowohl in Bezug auf die individuellen als auch für die Teamveränderungen entscheidend war.

11.5.1 Die Beratung als Raum für Veränderung

Die Teilnehmer sind der Meinung, dass die Intervention den „Rahmen“ (T1B3) bzw. „Raum“ (T3B1, T3B5) geschaffen hat, durch den Veränderungen der „Weg geebnet“ (T4B2) wurde. Als ganz entscheidend sehen sie dabei die „Rahmenbedingungen“ (T3B7) an. Diese bestehen vor allem darin, sich „Zeit nehmen [zu] können“ (T3B3, T5B1) und „herausgelöst […] aus den tägli-chen Arbeitszusammenhängen“ (T3B5) Freiraum für neue Ideen zu haben. Diese Rahmenbe-

265 Vgl. T3B3: „Die Veränderungen sind Produkt der Beratung. Natürlich, wenn ich irgendwie noch zu einem anderen Coaching gegangen wäre oder ich hätte mir meine Sachen noch einmal anders vorgenommen, oder, oder, oder, hätte rein theoretisch das Gleiche passieren können. Aber diese Veränderungen führe ich zu 95% auf den Coaching-Prozess und die dabei angestoßenen Punkte zurück “ und T5B5: „Also, für mich ist es wirklich das Projekt gewesen. Sonst hätte es sich, wäre es in der Form gar nicht entstanden. Also, wenn wir das nicht gemacht hätte, wieder die Einzelinterviews, dann hätte ich mich persönlich, glaube ich, nicht so entwickelt. Weil das habe ich die ganzen letzten Jahre nicht, dass ich mich mal einen Schritt bewegt habe.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 249

dingungen begünstigen den Wandel bereits dadurch, dass sie mögliche Veränderungen in der „Teamöffentlichkeit“ legitimieren („es war halt der Rahmen da auch, in dem man Veränderung rechtfertigen konnte“, T1B4). Die Interventionsarchitektur leistet Veränderungen außerdem Vor-schub, weil sie eine Struktur anbietet:

T5B1: „Es war schon für mich ein bisschen einen an die Hand nehmen und so die ersten nächsten Schritte vorgeben. Nicht im Sinne Inhaltliches vorgeben, sondern nur so „du setzt jetzt selbst deine zwei, drei nächsten Schritte und die machst du dann auch'. Es ist schwer zu sagen, konkret zu sagen, was das jetzt genau war. Aber man weiß dann eben, dass ein gewisser Prozess ablaufen soll oder wird. Und man läuft dann eben in der Schiene mit.“

Dass die bearbeiteten Themen von den Teilnehmern selbst eingebracht werden und die Teams den Prozess aktiv mitgestalten, wird als stimmig erlebt:

T3B6: „Claire hat uns unsere Sachen machen lassen, die Sachen, die uns auch wirklich betrafen.“266

Die Interventionsarchitektur wird unterschiedlich bewertet. Während viele den Aufbau als sinn-voll erleben,267 sind zwei Personen aus Team 5 der Meinung, dass die Verbindung zwischen dem individuellen Selbstmanagement-Prozess und dem Teamprozess für sie nicht deutlich wur-de:

T5B1: „Ich finde, dass es teilweise schwer war, die Verbindungen von den Einzelinterviews zu den Workshops herzu-stellen, wo da genau Schnittpunkte, Berührungspunkte oder ähnliches sind. Das war zumindest für mich relativ losge-löst voneinander.“

Die Beratung als Impuls zur Selbstreflexion

Die durch die Interventionen angeregte Auseinandersetzung mit sich selbst und den eigenen Zielen wird von einigen Teilnehmern als ungewöhnlich empfunden. Sie steht im Kontrast zum Alltag der Teilnehmer, in dem vergleichbare Fragen in der Regel erst dann gestellt werden, wenn ein gewisses Maß an Unzufriedenheit überschritten wird:

T4B5: „Dass man sich in dem Maße mit seinen persönlichen Zielen in Bezug auf Beruf und Privatleben beschäftigt, also das habe ich schon länger nicht mehr gehabt. Vielleicht das letzte Mal nach Abschluss des Studiums, wo man sich gezwungenermaßen mit solchen Dingen auseinandersetzen musste. Man hat irgendwie seinen beruflichen Wer-degang mit einer Firma verbunden und ist in den Lauf der Dinge so mit hineingezogen worden, dass man über andere Möglichkeiten kaum nachdenkt, ehrlich gesagt. [I: Das war für Dich das erste Mal wieder, dass…] Das war das erste Mal wieder. Vielleicht schon einmal im privaten Kontext, bei den Familienangehörigen, insbesondere der Ehefrau, die sagt: ‚Du bist doch verrückt, dass du immer so viel machst’. Oder dann, wenn der Druck besonders hoch war, dass man sagte: ’Woanders könnte es eigentlich leichter sein“. Aber nicht in dem Maße. In dem Maße habe ich mich wirk-lich erst wieder bei dem Termin und im Rahmen dieses Workshops mit dieser Thematik auseinandergesetzt.“268

Dass man sich überhaupt mit Selbstmanagementthemen beschäftigt, ist für viele Teilnehmer bereits ungewöhnlich. Insofern wird der Beratungsprozess von ihnen als Impuls zur Selbstrefle-xion auf individueller wie auch auf Teamebene genutzt. Die Beratung leistet somit Anstöße zur Zielsetzung und Lösungsfindung. Beinahe alle Teilnehmer berichten, dass sie durch die Inter-ventionen zum Nachdenken angeregt wurden.

266 Vgl. T1B6: „Das ganze Projekt hat uns Freiraum gelassen. Auch eben die ganze, so nicht nur du als Person, sondern die ganze Strukturierung des Ganzen“ und T3B8: „Ich hatte das Gefühl, das bringt die individuellen Probleme, die wir hier im Fachbereich haben, zusammen mit dem, was so los ist. […] Diese Intervention hat eine andere Qualität gehabt, das hatte direkt mit unserer Arbeit zu tun.“

267 Z.B. T3B5: „Der Aufbau und die Abfolge der einzelnen Workshops waren sicherlich gut, beginnend mit dem Erstgespräch einen Überblick zu geben, was das Anliegen ist. Oder was Claire angeboten hat, bezogen auf das Thema Selbstmanagement, ihre Vorstel-lungen für den weiteren Verlauf und unsere Möglichkeiten den Prozess mitzugestalten. Das war sicher ein guter Aufbau.“

268 Vgl. T1B5: „Na, einfach so mal, na, sich einfach ein bisschen bewusster, halt mit genau dem auseinander zu setzen, was einen so eigentlich richtig beschäftigt, was sonst im Alltag für dich untergeht“ oder T5B5: „Konkret auch einem Hilfestellung gegeben, eben sich zu entwickeln und sich, sich mit seinen Gedanken und Gefühlen so auseinanderzusetzen. Also, das finde ich wichtig, weil ich würde sonst, von selbst gehe ich nicht so in mich, ich bin eher so ein Mensch, ich bin dann aktiv. Ich mache, ich tue, aber ich denke nicht unbedingt darüber nach. Also, ohne Hilfestellung sich mit gewissen Dingen auseinander zu setzen, würde ich nur arbeiten.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 250

11.5.2 Eine neue Qualität der Bearbeitung von Selbs tmanagementthemen

Die Art und Weise, wie sich die Teilnehmer mit sich selbst (als Mensch oder als Team) ausei-nandersetzen, wird durch die Beratung maßgeblich beeinflusst. Das Programm gewährleistet dabei aus Sicht vieler Teilnehmer eine andere Qualität der Bearbeitung. Diese Herangehens-weise führt im Ergebnis dazu, dass sich den Teilnehmern bisweilen ein Zugang zu neuen Denkmustern und Blickwinkeln öffnet. Dadurch profitieren sie von neuen Anregungen und Ein-sichten.

Unkonventionelle Anregungen und Fragen

Die Interventionsmethoden werden von den Teilnehmern als „nicht […] alltäglich“ (T3B7), „un-gewöhnlich“ (T4B5) und „teilweise verblüffende […] Herangehensweisen“ (T4B2) wahrgenom-men:

T5B4: „Und da waren einige Sachen so anders, als wir alle das bisher in unseren Berufsleben gemacht hatten, dass man sagt: ‚Mensch, das ist, das ist ja cool’. Oder nicht cool, sondern das ist irgendwie einfach so anders, dass es bemerkenswert ist und wahrscheinlich man das in zehn Jahren auch noch weiß.“

Die Beratung leistet in diesem Zusammenhang, dass sowohl der Einzelne als auch das Team „sich bestimmte Fragen stellt, die man sich sonst nicht stellen würde“ (T1B5, T5B3):

T1B1: „Weil unter deiner Anleitung wir uns natürlich ein paar Fragen vornehmen mussten, auf die wir vielleicht von alleine nicht gekommen wären, oder die wir nicht gewagt hätten, auszusprechen. Dieses oder jenes Thema […] [Anm.: Beispiel aus dem Interventionsprogramm] das hätten wir nie getan, nie im Leben.“

Diese Fragen führen neben anderen Interventionen (z.B. dem Lenken der Aufmerksamkeit auf Positives und Bewahrenswertes) dazu, dass manche Teilnehmer aus ihren bisherigen Denk-mustern ausbrechen können („dann denkt man auch noch auf andere Weise wieder“, T1B4):

T4B5: „Nein, es [Anm: die Veränderungen] ist schon, denke ich, zum größten Teil die Beratung gewesen. Und zwar das Herauslocken aus der Reserve, irgendwo. Dieser starke positive Aspekt, mit dem da herangegangen wird, um die Leute in ihrer Einschätzung..., um das Denken aus den üblichen Bahnen etwas herauszulocken.“269

Es besteht auch die Chance, unerwartete Erfahrungen zu machen (T5B4: „Weil man [Anm.: in Workshop II] gemeinsam irgendetwas, eine Erfahrung gemacht hat, die wir alle nicht erwartet haben“). Auch entstehen „unkonventionelle Gespräche“ dadurch, dass im Rahmen des Interven-tionsprogramms „die Art und Weise der unterschiedlichsten Gesprächsführung“ variiert wird (T3B6). Eine wichtige Voraussetzung dafür ist aus Sicht einzelner Teilnehmer die Außenper-spektive der Beraterin. Durch ihre „Betriebsblindheit“ (bzw. „Teamblindheit“) und spezifische Haltung kann die Beraterin neue Informationen einbringen:

T3B8: „Ich glaube, dass Claire immer noch einmal die Möglichkeit mit eingebracht hat, eine andere Ebene der Be-trachtung einzunehmen. […] Sie hat uns die Augen geöffnet für andere Blickwinkel.“270

Diese Anregungen können nicht aus dem Team selbst kommen. Denn wie das folgende Zitat illustriert, braucht es eine gewisse „Narrenfreiheit“, um mit den bestehenden Konventionen bre-chen zu können:

T4B1: „Andererseits glaube ich auch, dass Claires Position sehr wichtig war. Weil sie von außen gekommen ist und für die Teilnehmer doch eine Art Autoritätsperson war. Sie konnte einfach Sachen machen, die sich die meisten Leu-te, niemand hier innerhalb des Hauses, sonst nicht gefallen lassen würden. Und auch Sachen, die sie sich sonst auch nicht trauen würden.“

269 Vgl. I: „Was sind für Dich die wesentlichen Ergebnisse des gesamten Coachings?“ T3B1: Erstens positiv nach vorne zu gucken im Denken, für mich. Das Positive überhaupt zu bemerken, in dieser Bewertungsebene von Tag zu Tag, nicht immer das große Ganze. Das ist für mich das Wesentliche.“ 270 Vgl. T1B3: „Diese Probleme [Anm.: Hypothesen] im Team zu identifizieren, also gerade die, die du identifiziert hast, ohne äuße-ren Anstoß, denke ich, ist sehr, sehr unwahrscheinlich, also, dass wir das hingekriegt hätten. Also vielleicht 5 % oder so.“

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Hohe Bearbeitungsintensität durch Tiefung und Strukturierung

Der Prozess wird von vielen Teilnehmern als sehr intensiv erlebt. Die hohe Intensität wird insbe-sondere im Zusammenhang mit dem Einzelcoaching und Workshop II genannt. Sie resultiert zum einen daraus, dass die von den Teilnehmern wahrgenommene Atmosphäre einen „tiefen Prozess“ (T5B2) ermöglicht. Zum anderen ergibt sie sich aus den Strukturierungsaktivitäten der Beraterin. Die Tiefe besteht für die Teilnehmer darin, dass anstelle einer oberflächlichen „Sym-ptombearbeitung“ „Knackpunkte“ erkannt werden (T3B6). Sie liegt auch darin, dass die Themen „sehr persönlich“ (T4B5) sind und die Teilnehmer in bestimmten Grenzen ihr „Innerstes nach außen kehren“ (T5B3) und dabei viel von sich „preis geben“ (T5B5). Außerdem ist der Raum gegeben, die eigenen Emotionen zu erkunden und zu thematisieren:

T3B9: „So wie das Coaching war, gab es auch immer Momente, wo man ein Gefühl mit ins Spiel bringen konnte. Das war wichtig. Zunächst das Ganze zu sehen und nicht nur rein aus so einer: ‚Wie-werden-wir-besser-und-effizienter’-Sicht. Ich glaube, das hätte uns noch tiefer in den Sumpf gerissen. Weil wir sind ein Team, das man leicht begeistern kann mit Dingen. Wir schnappen uns als Gruppe immer schnell Aufgaben, auf die wir so aufspringen. Das ist wichtig, das auch auf dieser ‚Wie-geht-es-mir-damit-Ebene’ zu betrachten.“

Ermöglicht wird die Tiefe aus Sicht einiger Teilnehmer durch eine Atmosphäre der Offenheit. Ein Teilnehmer beschreibt die Workshops als „geschützen Raum“, in dem die Atmosphäre „innig, energiegeladen, in einer Form positiv, […] ermunternd, sehr optimistisch“ (T1B1) war. In dieser Umgebung ist es den Teilnehmern möglich, sich zu öffnen:

T4B1: „Was auch wichtig war, war, dass es ihr [der Beraterin] gelungen ist, so eine Offenheit zu erzeugen. Es hat wahrscheinlich etwas mit Vertrauen zu tun. Es herrschte eine Atmosphäre von Vertrauen, wo sich auch alle getraut haben, zu sagen, was sie bedrückt.“

Durch diese Öffnung wird es möglich, dass die Teilnehmer voneinander „etwas […] erfahren, was man sonst vielleicht auch nicht oder nie gehört hätte“ (T1B2). Dadurch wird Klarheit be-günstigt:

I: „Wenn Du jetzt die Veränderungen im Gesamtprozess siehst, mit welchen Veränderungen hast Du nicht gerech-net?“ T3B3: „Die Klarheit in der Identifikation von Baustellen, oder auch Dinge, die gut laufen. Ich habe nicht mit so einer Deutlichkeit gerechnet. In beide Richtungen. Ich hätte mehr einen Standardprozess erwartet. [I: „Wie erklärst du Dir diese Nebenwirkung, diese Klarheit?“] Ja, mit der Methode, die Claire immer wieder angewendet hat. Uns zu for-dern und tief zu werden. Es ist ihr gelungen, dass sich jeder eingebracht hat und, dass eine offene Atmosphäre ge-lungen ist, die solche Klarheit und Offenheit zuließ.“271

Dass die Teilnehmer sich „gefordert“ fühlen, resultiert vor allem aus dem Verhalten der Berate-rin. Sie steuert im Rahmen der Interventionen durch Nachfragen, Visualisieren oder auch das Abbrechen von Diskussionen. Dabei steht je nach Situation das Hereinholen verschiedener Sichtweisen, die Vertiefung und Konkretisierung bestimmter Aspekte oder das Bündeln ver-schiedener Meinungen zum Herbeiführen von Entscheidungen im Vordergrund. Das übergeord-nete Ziel besteht jedoch darin, den Teilnehmern neue Erfahrungen in der Interaktion miteinander zu ermöglichen. Diese Strukturierungsaktivitäten werden von einigen Teilnehmern als hilfreicher Beitrag zu den Veränderungen erlebt:

I: „Was hat die Beratung dabei geleistet?“ Leitung Team 3: „Die Gedanken der Einzelnen, Ideen, Wortbeiträge oder Sichtweisen zu einem Strang zu verknüpfen. Die Integration der verschiedenen Sichtweisen, Meinungen, Positionen. Und das Auf-einer-höheren-Ebene-des Zuhörens-und-des-miteinander-Redens zu erlangen. Weg von Schubladen-Antworten oder wie bei mir, weg von bisherigen Gesprächskulturen oder Gesprächsmustern oder von auch einge-schliffenen Dialogen hin zu einem höheren Bezug aufeinander.“272

271 Vgl. T3B6: „Die intensive Auseinandersetzung mit Themen. Und auch dieses Gefordertsein. (lacht) Wo es auch Situationen gab, wo ich dachte: ‚Wie soll ich das nur bewältigen?’ Aber letztendlich die Dinge auch zu probieren, anzupacken und gucken, das kommt dabei raus. Dass alles auch eine Offenheit hatte. Es gab keinen vorgeschriebenen Rahmen, was wir unbedingt schaffen wollten.“ 272 Vgl. T4B1: „Ganz wichtig auch aus meiner Sicht, dass Claire trotzdem lenkend eingegriffen hat. Wobei das nicht oft passiert ist, also nur, wenn zu viel Diskussion oder Gespräch zu sehr ins Detail gegangen oder in die Technik abgedriftet ist. Sie hat das dann gestoppt oder abgebrochen, weil das wieder auf unsere sonst übliche Art der Kommunikation hinausgelaufen wäre. […] Dass sie das dann einfach beendet, bzw. gesagt: ‚Das müssen wir jetzt nicht hier zusammen besprechen’’. Das war sehr hilfreich.“ und T4B3: „Die hat daran geleistet, dass wir unsere ganzen Kräfte mal auf einen Punkt bringen, einmal für das Team, für unser Projekt. Das ist ja

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In diesem Zusammenhang dienen Visualisierung und Dokumentation dazu, Dinge „sichtbar“ zu machen, was als „wichtige Arbeitsgrundlage“ geschätzt wird (T3B5).273 Auch die Verbindlichkeit, die aus dem zum Schluss verabschiedeten Maßnahmenkatalog resultiert, wird von vielen Teil-nehmern begrüßt.274 Einem Teilnehmer gehen die Strukturierungsaktivitäten jedoch nicht weit genug. Die Person wünscht sich mehr Eingreifen der Beraterin in das Workshopgeschehen:

T3B8: „Dass sie manchmal auch abgegrenzt hat, wenn bestimmte Themen aus dem Ruder liefen oder völlig unfrucht-bar wurden. […] Meines Erachtens hätte sie […] manchmal mehr abgrenzen oder lenken können, an bestimmten Stellen.“

Einer anderen Person ging der Prozess zu tief. Sie hätte sich weniger Nachfragen gewünscht:

T1B4: „Ich würde vielleicht noch mal daran arbeiten, so an deiner Stelle, wie tief ich da manchmal bohre oder nicht. Ansonsten, vielleicht, weiß ich nicht, das würde ich so überdenken zumindest noch mal. Und mal gucken. Ich weiß ja nicht, wie das bei den anderen immer so gelaufen ist. Also, ich fand das jetzt nicht, also diese Tiefe nicht so gut.“

Mit neuem Denken zu neuen Einsichten

Als wesentlicher Effekt der Interventionen wird wiederholt die Bewusstseinsförderung hervorge-hoben. Das Einzelcoaching und die Workshops „öffnen die Augen“ (T3B8) und „regen das Be-wusstsein an“ (T3B9). Vieles wird „bewusster“ (T4B1).275 Einige Teilnehmer haben den Eindruck, Zugang zu neuen Denkmustern (einer „anderen Gedankenstruktur“, T1B4) jenseits einer be-schränkten Alltagsperspektive zu finden.276 Unter anderem heben sie hervor, dass sie sich bei der Bestandsaufnahme über ihre aktuelle Lebenssituation einen „Gesamtüberblick“ (T1B4) ver-schafften, bzw. das „Gesamtkonglomerat“ (T3B9) betrachteten.277 Manche Teilnehmer berichten im Rückblick darüber, dass sie das Gefühl hatten, sich selbst im Weg zu stehen („dass man sich teils selbst blockiert“, T5B3). Die durch das Interventionsprogramm angeregten Fragen („die man sich wahrscheinlich viel öfter stellen sollte“, T1B5) helfen einigen Teilnehmern dabei, aus dem Trott des Alltags auszubrechen und eine bewusste Neuausrichtung vorzunehmen:

T1B3: „Okay, also einerseits diese ganzen mentalen Blockaden zum Teil beseitigt, die so in einem existieren. […] Also, meistens sind es dann solche Aha-Erlebnisse gewesen. Ich meine Sachen, wo man sowieso eigentlich drauf kommen müsste, aber Sachen, die sich einmal festsetzen müssen. Wie zum Beispiel, dass es nicht unbedingt not-wendig ist, der beste Programmierer oder was weiß ich was der Erde zu sein, um glücklich zu sein, das ist eine Sa-che, oder? [I: Also, das sind diese mentalen Blockaden, von denen du sprachst, die du für dich…] Ja, dieser Art sind die. Also, ich meine, da hab ich natürlich auch nicht wirklich dran geglaubt vorher, dass das nötig wäre. Aber unbe-wusst, ganz tief drin, macht man dann trotzdem diese Programmierarbeiten, versucht irgendwie besser zu werden und besser zu werden und besser zu werden, ja … [I: Ja, ja] Für nichts, letztendlich […] Und dann füllt sich der Tag immer mehr an mit was weiß ich nicht, ‚machine learning’. Und na ja, und das musste ich erst mal alles wieder weg-schnetzeln aus meinem Tagesablauf, so wie im Dschungel.“

Über die andersartige Reflexion werden neue persönliche Einsichten gewonnen. Die vielen „An-regungen“ (T3B5) und „Anstöße“ (T3B7), „Sachen anders zu betrachten und zu sehen“ (T4B1)

nicht, dass einer da ein paar Punkte aufgeworfen hat, wir haben uns alle etwas einfallen lassen. Das kam eben durch die Beratung. Und dann wurde das immer konkreter. Was wir machen wollen, was wir verändern wollen...“ 273 Vgl. T3B3: „Das fand ich schon beeindruckend, wie es ihr gelungen ist, Sachen so zu visualisieren“ und T4B2: „Also, dass sie da die Plakate dann in Echtzeit gemalt hat, oder dass das auch in Schreibschrift gehalten war. Damit hatte das nicht den Charakter von aufgelegten Folien, die schon vorbereitet waren und mehrfach genutzt werden. Es war sehr individuell und sah nicht sehr vorgefertigt aus. Das hat es auch für uns, für mich, einfach gemacht, dem zu folgen.“ 274 Z.B. T3B2: „Ich finde schon gut, was Claire so gemacht hat, so konkrete Maßnahmen und konkrete Termine und konkrete Aufga-ben zu vergeben, bis wann was gemacht werden soll.“ 275 Vgl. T1B5 „Insofern hat natürlich die Beratung schon dazu beigetragen, dass man halt einfach sich etwas bewusst macht, was man sich sonst nicht bewusst macht.“ 276 T1B3: „Also so, als müsste man einen Schritt zurücktreten, um das ganze Bild zu sehen oder so, also es ist hauptsächlich so ein Nachdenken, als würde man seinen Geist befreien können oder so etwas. Also, das ist für mich eigentlich so die Hauptarbeit gewe-sen.“ 277 Vgl. T1B4: „Das war dann […] mehr eine Entscheidung aus dem heraus ‚Okay, das ist da. Das ist da alles’. Immer anschauen, was da ist und dann sich bewusst entscheiden ‚Okay, und das lege ich jetzt zur Seite.’ Und vorher war es vielleicht ein Stück weit, dass alles immer parallel da war, man bestimmte Sachen aber nicht angeschaut hat. […] Also, sich von allem auch mal ein gesam-tes Bild machen.“

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eröffnen „neue Sichtweisen“ (T3B6), „andere Blickwinkel“ (T3B8, T1B4) sowie „ganz viele Ideen, ganz viel Werkzeug“ (T3B9). Diese Erkenntnisse führen in der Regel zu einer Neuausrichtung der Ziele für das persönliche Selbstmanagement. Dadurch beschleunigt sich bei manchen Teil-nehmern auch auf individueller Ebene die persönliche Entwicklung.278.

11.5.3 Bewertung der Prozessqualität

Hohe Zufriedenheit mit dem Gesamtprogramm

Bis auf einen Teilnehmer sind alle mit dem Projekt „sehr“ (z.B. T3B9), „wirklich“ (T5B5) oder zumindest „gut“ (T1B1) oder „ganz zufrieden“ (T5B4).279 Einzelne Teilnehmer sagen, die Teil-nahme am Programm habe ihnen „Spaß gemacht“ (T1B3, T3B6). Viele sehen „positive Effekte“ und ein „sehr positives Ergebnis“ (T3B5) des Prozesses und empfinden ihre Teilnahme als „Ge-winn“ (T1B4).280 Manche Teilnehmer berichten, das gemeinsame Projekt habe „alle Erwartungen erfüllt“ (T1B5) oder ihre Erwartungen übertroffen.281 Auf die Frage, was die Beratung hätte leis-ten müssen, jedoch nicht geleistet hat, fällt vielen Teilnehmern nichts ein.282 Selbst die Teamlei-tung, die nicht an ihrem Ziel arbeitete, ist zufrieden, da sie neue Erkenntnisse über die anderen Teammitglieder sammeln konnte und Veränderungen im Team sieht.283

Ein unzufriedener Teilnehmer

Ein Teilnehmer aus Team 5 ist nach der Durchführung des Projekts unzufrieden. Seine Kritik ist an mehreren Stellen bereits angeklungen und soll an dieser Stelle noch einmal gebündelt wer-den. Er zieht als Fazit, dass für ihn der „Aufwand höher als der Nutzen“ und er deshalb „nicht zufrieden“ sei (T5B2). Das Team sei halbherzig an das Projekt herangegangen, die „Leiden-schaft“ habe von Beginn an gefehlt. Das Einzelcoaching habe keine neuen Erkenntnisse ge-bracht, nur die „Gedanken sortiert, die man sowieso schon hat“. Obwohl das dabei festgelegte Selbstmanagement-Ziel dem Teilnehmer nach wie vor relevant erscheint, hat er es im Projekt-verlauf nicht verfolgt, da er sich durch den Organisationskontext daran gehindert sah. Auf Team-ebene sei zwar ein tiefer Prozess initiiert worden, der in der Wirkung jedoch nicht intensiv aus-gefallen sei. Man habe sich zwar besser kennengelernt. Teamevents wie gemeinsames Fall-schirmspringen oder Ähnliches hätten aus seiner Sicht jedoch die gleiche Wirkung gehabt. Ins-gesamt hätten sich seine Eindrücke und Urteile über das Team und die Unternehmenskultur gefestigt („Es hat sich vieles, was ich auch vorher so gedacht habe, zementiert“). Dies kam je-doch eher durch „die Zeit“ der Teamzugehörigkeit und weniger durch die Workshops zustande. Lediglich die Diskussion der Hypothesen in Workshop III habe zu einer spürbaren Änderung in

278 zur Teamebene vgl. 11.2.4,;Z.B. T1B3: „Für mein eigenes Leben sieht es so aus, ich glaube es ist relativ unausweichlich für mich, oder ich halte es schon relativ unausweichlich, dass ich irgendwann diesen Weg beschreiten muss, ja den ich jetzt mal endlich mal wieder bzw. endlich mal beschritten hab. Allerdings, dass es jetzt gerade in diesem Zeitraum so relativ früh passiert ist, das find ich sicher, dass das sonst [Anm.: ohne Beratung] nicht passiert wäre, denke ich. Also, wahrscheinlich liegt die, also, die Zahlen sind jetzt echt doof, aber vielleicht mit 15-prozentiger Wahrscheinlichkeit oder so was hätte ich das auch so auf die Reihe gekriegt. Viel-leicht nicht in dem vollen Maße, aber ungefähr in dieser Zeitepoche.“ 279 Vgl. T3B1: „Noch zufriedener kann ich eigentlich gar nicht sein“, I: „Kannst Du vielleicht Deine Zufriedenheit noch genauer defi-nieren?“ T3B3: „Ich würde eine 9 geben“ und T1B6: „Aber größtenteils ist es emotional wie rational so, dass ich das als sehr gut empfinde. Also, ich würde dann irgendwie auch so auf einer Skala von 1 bis 10 eine Zufriedenheit von 8 geben. Vielleicht sogar 9.“ 280 Vgl. I: „Was hat dazu beigetragen, dass Dir das Ganze gefallen hat […]?“ T4B3: „Weil es etwas gebracht hat“ und T1B3: „Ich fand es so Perspektiven eröffnend und ich bin dankbar, dass bestimmte Sachen in dem Projekt enthalten waren, und auch dankbar für die Konsequenzen letztendlich.“ 281 Z.B. T3B2: „Ich war ganz beeindruckt, was daraus entstanden ist. Ich hatte nicht gedacht, dass man – also, meine Erwartung war nicht, auf diesem zweiten Workshop, so eine ganz große Idee zu haben, wo geht es hin, oder wo wollen wir hin. Und dann auf dem dritten Workshop noch mal etwas drauf zu setzen. […] Diese Erwartung habe ich so nicht gehabt.“ 282 Z.B. T4B1: „Ich glaube, man hätte es nicht viel besser machen können“, T5B1: „Für mich ist es jetzt eigentlich optimal gelaufen.“ 283 Vgl. Leitung Team 4: „Ich würde es mit einem anderen Team noch einmal machen.“

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der Teamkommunikation geführt. Dies sei auch die einzige Maßnahme gewesen, die auf die „spezifischen Charakter[e]“ eingegangen sei. Die Beratung hätte dies aus seiner Sicht in größe-rem Umfang leisten müssen und weniger „generisch[e] Standardfragen“ stellen sollen („Für so etwas würde ich keine Beratungsleistung einkaufen“). Die Hypothesen hätte er sich daher auch gleich zu Beginn der Maßnahme gewünscht, um mehr Veränderungsenergie zu erzeugen:

T5B2: „Ich hätte von Anfang an mehr große Aha-Effekte als Moderator versucht zu produzieren. Oder es hätte mich als Teilnehmer mehr motiviert, wenn wir diese Hypothesen am Anfang hätten, die ich sehr gut getroffen fand. Das wäre ein guter Auftakt gewesen. Es liegt, glaube ich, viel am Anfang. Den muss man noch ein bisschen mit mehr Impact erzeugen.“

Insgesamt haben dem Teilnehmer im Programm „professionelle Ratschläge“ zum Thema „Was läuft in dem Team gut oder was läuft nicht gut oder wie sollte man es in Zukunft machen? Was hat das für Auswirkungen auf einen selber oder wie kann man selber sich im Team anders ver-halten?“ gefehlt. Ziel der Beratung hätte aus seiner Sicht sein sollen, auf der Grundlage von Da-tensammlungen, „wo man auch die Befindlichkeiten sieht“, „Erleuchtung ins Team zu bringen“.

Heterogene Zufriedenheitsverursacher

Im Hinblick auf die Frage, welche Teile des Interventionsprogramms als besonders wirkungsvoll erlebt wurden, sind sich die Teilnehmer uneins. Alle einzelnen Bestandteile werden (von unter-schiedlichen Personen) gelobt. Manche Teilnehmer schätzen das Gesamtkonzept mit dem Wechsel zwischen Einzelcoaching und Teamworkshops. Für andere waren besonders das Ein-zelcoaching oder Workshop II entscheidend für ihre persönliche Veränderung. Wieder andere sehen in den Hypothesen von Workshop III und der Bündelung des Maßnahmenplans eine be-sonders wirkungsvolle Intervention. Sogar Workshop I, bei dem am wenigsten Wirkung zu er-warten wäre, wird von einzelnen Teilnehmern als besonders wichtig für die Veränderungen her-vorgehoben. Insgesamt lassen sich keine einheitlich bevorzugten Interventionsteile ermitteln. Ähnlich sieht es mit den Faktoren aus, die zur Zufriedenheit beitragen. Es handelt sich dabei um das Format im Hinblick auf Methoden, Zeitabstände und Setting, zum anderen um die Haltung der Beraterin. Es zeigen sich jedoch große interindividuelle Unterschiede in der Bewertung der Aspekte, die zur Zufriedenheit beitragen. So sind die Zufriedenheitsfaktoren der einen die Kritik-punkte oder unerfüllten Wünsche der anderen.

Das Format

Viele Teilnehmer berichten über einzelne Methoden, die ihnen gut gefallen haben und die sie als sehr wirkungsvoll erlebten. Manch einer schätzt auch die „Methoden-Vielfalt“ (T3B3) bzw. die grundsätzliche Methodenwahl:

T3B9: „Ich glaube, wenn Claire ihre Methoden nicht so gewählt hätte, wie sie sie gewählt hat, – wir haben sie ja auch gewählt, weil sie so arbeitet – dann wären wir nicht so weit gekommen. Das übliche Coaching, das man so kennt, wozu ich mich vorhin kritisch geäußert habe, dieses, ‚Wie schaffe ich meinen Stapel Zettel noch besser abzuarbeiten’, also, wenn es nur das gewesen wäre, dann hätten wir es wahrscheinlich nicht gemacht. Das war auch der wirksame, also ganzheitlich an die Sache heranzugehen oder, was ich jetzt so als ganzheitlich sehe. Bei dem systemischen Gedanken aber auch auf der Ebene der Sachlichkeit, auf der Ebene persönlicher Eindrücke und Gefühle. Also, wenn das so nicht gewesen wäre, hätten wir keine Veränderung angeschoben, weil ich nicht glaube, dass irgendjemand bereit gewesen wäre, in so ein 0815-Coaching einzusteigen. So etwas hängt uns allen zum Hals heraus. So jemand hätte hier keine fünf Minuten überlebt. Da fallen mir zumindest drei meiner Kollegen ein, die nach zehn Minuten exp-lodiert wären. […] Ich kann es mir nicht mehr anhören, dass ich noch schneller arbeiten soll oder, dass ich noch mehr in noch weniger Zeit schaffen soll. Das kann ich einfach nicht mehr hören. Das will hier auch keiner mehr hören. Da geht es einfach um etwas anderes. Und ich glaube, ihre Methodenwahl hat uns insofern überhaupt in so eine Verän-derung führen können.“

Einige Teilnehmer empfinden jedoch spezifische Methoden als unpassend oder bewerten den Umfang der Beschäftigung mit einzelnen Etappen als unangemessen. So fand beispielsweise ein Teilnehmer es überflüssig, ein Bild zur Teamvision zu malen (T4B3), ein anderer hätte gern

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das „Thema Ressourcen […] weiter ausgebaut“ (T5B3), eine weitere Person wünscht sich „mehr von diesen Zweiergesprächen“ (T1B1) und eine andere Person bewertet die „Anforderungen“ der Tandemsequenz in Workshop II als „zu diffus“ (T3B3).

In den Teams 3, 4 und 5 finden sich außerdem einzelne Personen, die der Meinung sind, dass einzelne Teile zu lang ausfielen:

T3B8: „Für mich hätte der Anfang mit dieser Teamverortung – da wurden zwar viele Sachen klar und auch plastisch – nicht so lange dauern müssen. Das war ja ein ganzer Tag.“

In Team 5 sind sogar mehrere Personen der Ansicht, dass die Workshops bzw. der gesamte Prozess zu lang waren:

T5B3: „Also, gefühlt war es zu lang […] Einen Tag hätte man sparen können.“284

Dagegen wünschen sich in Team 4 Einzelne und in Team 3 viele einen „Coaching-Nachschlag“ (T3B9) und äußern den Wunsch nach einem weiteren „Nach-Termin“ (T3B5) („zu wenig Workshops aus meiner Sicht“, T4B1) oder eine „Zusatzberatung für die Leitungskraft“ (Leitung Team 3). Während in Team 4 von mehreren die „zu großen Abstände zwischen den Workshops“ (T4B1) bemängelt werden,285 sind die Zeitabstände für mehrere Mitglieder von Team 1 „genau richtig“ und auch in Team 3 „gut“ (T3B9). In Team 5 findet eine Person die „Zeiträume […] zu lang“ (T5B5). Bezüglich des Settings wird von einigen Teilnehmern der mit Workshop II einher-gehende Umgebungswechsel positiv hervorgehoben.286 Einer Person (T1B1) gefiel in diesem Zusammenhang jedoch die Lokalität nicht.

Die Haltung

Einige Teilnehmer heben die Haltung der Beraterin positiv hervor. Sie bezeichnen die „Art, wie sie das gemacht hat […] [als] sehr angenehm“ (T3B6), „immer sehr wertschätzend“ (T3B8) und „sehr sensibel“ (T5B5).287 Die Leitung von Team 3 hat überdies den Eindruck, dass die Präsenz der Beraterin sich auf die Gruppe übertrug.288 Das Bemühen der Beraterin um Lösungsorientie-rung wird von den Teilnehmern wahrgenommen:

T4B1: „Dann, dass sie sehr darauf geachtet hat, das ist sicher auch Bestandteil der Methode, dass die Teilnehmer ein positives Gefühl mit diesen Workshops verbinden. Das, was auf diesen Evaluationsbögen stand, dass eher an Lö-sungen als an Problemen gearbeitet wird. Das war sicherlich sehr wichtig.“

Viele Teilnehmer halten dieses Vorgehen für sinnvoll.289 An diesem Punkt scheiden sich jedoch die Geister. Der an der Beratung am häufigsten kritisierte Aspekt liegt in deren Ausrichtung auf eine reine Prozessbegleitung und im Fehlen von Expertenratschlägen. Zwar werden durchaus positive Erfahrungen mit dem lösungsorientierten Ansatz gemacht:

T4B5: „Ja, dieses einfach nur Hinleiten des Menschen zur Lösung seines eigenen Leids. Der Berater leistet im Prinzip

284 Vgl. T5B1: „Ich fand die Workshops – obwohl es ja immer so leichte Themen sind – schon anstrengend. Und manchmal hätte ich gesagt, dass ein bisschen kürzer ausreicht.“ 285 Vgl. T4B5: „Negativ für mich war vielleicht die Langatmigkeit, zum einen dadurch, dass Claire zwischendurch einen Unfall hatte.“ 286 Vgl. T3B6: „Dazu beigetragen hat auch, dass wir rausgefahren sind, in eine ganz andere Umgebung. Das fand ich schön.“ 287 T5B5: „Ich finde, dass du in den Gesprächen immer sehr, sehr sensibel auf alle eingehst und auch so ein gutes Gespür hast, also das finde ich toll. [I: Gespür für was meinst du?] Für die, wie soll ich das sagen, für die unterschwelligen Strömungen, die auch so zwischen den, das Zwischenmenschliche. Was so zwischen den Einzelnen abläuft.“ 288 „Auch, dass ich immer den Eindruck hatte, es sei ihr [Anm.: der Beraterin] ein persönliches Anliegen, dass der Gruppenprozess gelingt. Das fand ich schon, dass sie da hoch präsent war. Und dass sich das auch auf die Gruppe übertragen hat.“ 289 Vgl. T1B3: „Also, ich bin, glaube ich, relativ bewandert im Problemlösen und habe, ich glaube eigentlich, dass für mich ziemlich viele mögliche Strategien auf der Hand liegen, oder dass ich da relativ schnell drauf komme, bzw. einige habe ich auch wiederent-deckt. Und das heißt, da könnte ich jetzt nicht viel dazulernen. Aber über mich selbst konnte ich natürlich eine ganze Menge lernen“ und T3B3: „Während des Prozesses, dem Coaching, wurde nicht eine Methode vermittelt, nach dem Motto, ‚Das ist eine gute sinn-volle Methode, wende die bitte an’, sondern es ist ihr [Anm.: der Beraterin] im Rahmen des Coachings gelungen, dass ich etwas für mich Passendes entwickeln konnte. Ich habe nicht irgendetwas übernommen, sondern ich habe eine grobe Idee, die ich hatte, so für mich in den Kopf gekriegt und greifbar gemacht, dass ich sie jetzt als ein Arbeitsinstrument präsent kann.“

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Ergebnisse der summativen Evaluation 256

nichts anderes als die Lösung, die in einem sozusagen schon drin sind, zu konkretisieren und aufzuschreiben und einfach zu nennen. Es ist ja alles vorhanden. Dieses Wissen kann auch kein anderer haben. Ja gut, könnte vielleicht. Aber für mich war es relativ verblüffend. Ich habe die Vorstellung bekommen, ich weiß nicht, ob das wirklich zutrifft, ich bin natürlich psychologisch vollkommener Laie, ich habe den Eindruck bekommen, dass wahrscheinlich die meis-ten Probleme oder die Lösungen für die meisten Probleme auf diese Art gefunden werden können. Dass man einfach nur die Menschen anleitet und ermutigt, nach diesen Lösungen zu suchen. Und ihnen hilft, sie zu konkretisieren und vielleicht zu formulieren.“

Doch bleibt bei einigen Teilnehmern ein Rest Unzufriedenheit, weil sie sich, um ihr Selbstmana-gement zu verbessern, Techniken, Ratschläge und Erfolgsrezepte wünschen. So meint etwa die gleiche Person, die sich soeben positiv über eine Prozessbegleitung äußerte, in ihrem Rat an ein fiktives weiteres Team:

T4B5: „Ich würde wahrscheinlich sagen, dass sie sich auf Selbstanalyse einlassen müssen und auf Selbsthilfe. Das ist der Aspekt, der mich an der Veranstaltung gestört hat. Wenn sie da irgendetwas aus dieser Veranstaltung gewin-nen wollen, dann müssen sie es selber tun. Jemand, der da mit einer Erwartungshaltung hinein geht, um erprobte und durch irgendjemanden ausgearbeitete Techniken zu erlernen, um diese dann später anzuwenden und dadurch effi-zienter zu werden oder so etwas, der hat falsche Vorstellungen.“290

Sich in seinem Selbstmanagement zu entwickeln, scheint für viele untrennbar mit der Anwen-dung von „Techniken“ (T4B5), „Tools“ (T5B3), „Tipps oder Strategien“ (T1B3) und „Handwerk-zeuge[n]“ (T1B5) verbunden. Die Teilnehmer gehen davon aus, dass die Beraterin als Psycho-login Expertin für diese Techniken ist. Sie ärgern sich bisweilen, dass die Fachfrau ihnen ihr Wissen vorenthält.291 Dies lässt sich auch daraus ableiten, dass einige Teilnehmer im Evaluati-onsinterview äußern, dass offenbar etwas Anderes als ihr Selbstmanagement Gegenstand des Projekts gewesen sei:

T1B5: „Na, ich persönlich hätte mich gefreut, wenn es noch ein bisschen mehr in Richtung Selbstmanagement ge-gangen wäre.“292

Damit zusammenhängend wünschen sich einige Teilnehmer auch eine „kürzere, knappere, schnellere“ Beratung mit dem gleichen Ergebnis. Der Nutzen steht für sie nicht im Verhältnis zum Aufwand (vgl. 11.4.1). Es handelt sich dabei in der Regel um diejenigen Personen, die eine Vermittlung von Strategien und Techniken erwarteten.

Ein weiterer gelegentlicher Kritikpunkt an der Haltung der Beraterin klang bereits in einigen Zita-ten an. Vereinzelt wünschen sich Teilnehmer mehr Lenkung. Die Haltung des Vertrauens in die Ressourcen der Teilnehmer (z.B., dass diese ihre eigenen Grenzen kennen und selbst ent-scheiden können, wann sie aussteigen oder Dinge nicht fortführen) geht manchen zu weit. Aus ihrer Sicht sollte die Beraterin anstatt vieles geschehen zu lassen, mehr einfordern. So wünscht sich eine Person aus Team 5 beispielsweise ein Insistieren der Beraterin in Workshop II, damit Einzelne für ihre Selbstmanagement-Projekte Unterstützung vom Team erhalten.293 Einer weite-ren Person wäre ein direktiverer Moderationsstil lieber gewesen (s.o.).

290 Vgl. T5B4: „Ja, die Erwartungshaltung war tatsächlich, ein Gerüst an die Hand zu bekommen, wie man Fragen, die du aufgewor-fen hast, tatsächlich beantworten kann. Und die Antwort war im Regelfalle ‚Das Gerüst bist du selbst’. Und da war dann, das muss man erst mal verstehen. Das war mir so nicht eingänglich. Ich habe gesagt, ‚Oh, jetzt kommt jemand und coacht uns tatsächlich in eine bessere Zukunft’. Und die, der Ansatz war aber: ‚Die Zukunft liegt in euch.“ 291 Vgl. T1B3: „Wenn du ein bisschen was von deinem eigenen Senf dazugegeben hättest, sozusagen. Also zum Beispiel auch eine Gewichtung: ‚Wie wichtig ist für dich genau dieser Aspekt des Lösungsalgorithmus, sagen wir mal, oder der Lösungsstrategie?’ [... ]. Ja, das liegt daran, dass ich das Gefühl habe, dass du schon eine ganze Menge gelernt hast in deinem Studium über solche sozia-len Lösungen und Hintergrundwissen und so etwas. Und vor allem auch ziemlich viel darüber weißt, was funktioniert und was nicht funktioniert und so“ und T5B2: „Ich hatte schon den Eindruck, dass du als Moderator eigentlich schon schnell unsere Eigenarten erkannt hast. Einmal von den einzelnen Personen und auch als Team. Und das hat man auch gemerkt, wie du manche Fragen gestellt hast. Aber das blieb auf einem hohen Level. Man hat immer gedacht: ‚Sie macht sich jetzt irgendwelche Gedanken, aber spricht es nicht aus'. [I: Hast du da ein Beispiel vielleicht für eine Situation?] Nein, habe ich nicht. Es ist bloß jetzt so das Gefühl, was ich manchmal hatte. Aber das ist genau der Punkt, diese Ratschläge wirklich, haben mir gefehlt.“ 292 T5B4: „Ja, es ging eigentlich um das Selbstmanagement eines, der Person im Teamkontext. Das ist für mich wenig angekom-men. Es sei denn, Selbstmanagement wird soweit gefasst, dass es eben auch die Themen, die wir vorhin angesprochen haben [Anm.: u.a. persönliche Zielerreichung, Anwendung von Strategien zur Zielerreichung] umfasst.“ 293 T5B3 hätte sich „mehr Einbindung des Teams in die persönliche Zielerreichung gewünscht. Und zwar nicht nur implizit sondern direkt […] Und dass ja jetzt eher so nicht forciert wurde, sondern das hätte daraus entstehen können.“

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Bewertung der Ergebnisse 257

TEIL V: DISKUSSION UND PRAKTISCHE KONSEQUENZEN

12 Bewertung der Ergebnisse

Auf der Grundlage der in den Kapiteln 9 bis 11 dargestellten Ergebnisse gilt es zu prüfen, inwie-fern die Ziele des Interventionsprogramms erreicht wurden. Zunächst wird bewertet, inwieweit das neue Konzept umgesetzt werden konnte. Dabei soll mit Rückgriff auf die Ergebnisse der formativen Evaluation auch festgehalten werden, welche Änderungen an Interventionskonzept oder -setting sinnvoll erscheinen. Anschließend werden die Ergebnisse der formativen wie summativen Evaluation diskutiert. Es wird überprüft, ob die beabsichtigten Wirkungen des Pro-gramms im Hinblick auf Prozessqualität, anvisierte Veränderungen auf individueller und Team-ebene sowie Nachhaltigkeit eingetreten sind.

12.1 Übereinstimmung von Programmentwurf und -imple mentation

Im Hinblick auf die Durchführbarkeit des Interventionsprogramms ist zuerst zu prüfen, inwieweit die Interventionen plangemäß erfolgen konnten. Als Grundlage für diese Bewertung wurden die im Rahmen der Erprobung vorgenommenen Abweichungen vom Interventionskonzept beschrie-ben (vgl. Kap. 9). Als „spontane Interventionen“ wurden Maßnahmen dokumentiert, die nicht explizit vorgesehen waren und sich aus dem Workshopgeschehen ergaben. Hierbei handelt es sich in der Regel nicht um Abweichungen vom Drehbuch, da diese Interventionen zur Umset-zung der einzelnen Sequenzen des Programms beitrugen.

12.1.1 Zunehmend individuellere Gestaltung der Inte rventionen

Betrachtet man die Abweichungen vom ursprünglichen Konzept, so zeigt sich, dass im Projekt-verlauf eine mehr und mehr individuelle Gestaltung des Programms notwendig wurde, um den Bedürfnissen der Teilnehmer und Teams gerecht zu werden. Während Workshop I noch ohne nennenswerte Abweichungen durchgeführt werden konnte, erforderte bereits die Situation des Einzelcoachings eine Anpassung des Gesprächsverlaufs an individuelle Zielvorstellungen und Persönlichkeiten. Dennoch führte die geplante Struktur des lösungsorientierten Interviews zu-mindest in 30 von 34 Fällen zum gewünschten Ergebnis, einem Kontrakt über das Ziel der wei-teren Arbeit. Der zweite Teil der Sitzung wurde wie geplant genutzt, um den Teilnehmern einen neuen Zugang zu ihrem Selbstmanagement-Projekt zu ermöglichen – wenn auch die dazu ein-gesetzten Methoden variiert wurden und nicht in jedem Fall eine Aufstellung durchgeführt wer-den konnte. Ein wesentliches Ziel des Einzelcoachings wurde jedoch erreicht: Als Beraterin ei-nen Zugang zur jeweiligen Person zu finden. Es liegt in der Natur der Sache, dass dazu ein Ein-gehen auf den Einzelnen notwendig ist. Alles in allem kann daher festgehalten werden, dass die Einzelcoachings „konzeptgemäß“ durchgeführt wurden.

In Workshop II wurden bis zum Nachmittag des zweiten Tages in allen vier Teams alle geplan-ten Sequenzen durchgeführt, auch wenn die Teilnehmer die Tandemsequenz am Abend des ersten Workshoptages eigenständig variierten.294 Am Nachmittag des zweiten Workshoptages

294 Dieser Eindruck aus der Durchführung konnte im Evaluationsinterview validiert werden, etwa durch das folgende Zitat. T3B7: „Also, zu dem Tag im Wald wollte ich noch was sagen. Und zwar, ich glaube, wir haben uns nie an die Fragen gehalten, die da standen, weil wir die irgendwie zu abstrakt und kompliziert fanden. Aber trotzdem kamen wir dazu, darüber zu reden.“

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Bewertung der Ergebnisse 258

zeigten sich jedoch unterschiedliche Reaktionen: Während Team 1 so erschöpft war, dass der Workshop frühzeitig beendet wurde, konnten in Team 4 ohne weiteres die geplanten kollegialen Fallberatungen durchgeführt werden. In Team 5 wurde zumindest eine Beratungssitzung durch-geführt, der Workshop aufgrund des Mangels an konkreten Anliegen jedoch ebenfalls vorzeitig beendet. In Team 3 nahm der Nachmittag eine ganz andere Wendung, als die Teamleitung eine strukturelle Lösung für die individuellen Selbstmanagement-Anliegen vorschlug und diese aus-führlich im Team diskutiert wurde. Dies machte die Findung einer gänzlich neuen, im Drehbuch bis zu dem Zeitpunkt nicht vorgesehenen Arbeitsmethodik erforderlich. Da der Hauptteil des Workshops jedoch in allen Teams gleich war, kann davon ausgegangen werden, dass die Teams ein hinreichend ähnliches „Basis-Treatment“ erhielten. Es erscheint sinnvoll, im Interven-tionskonzept den Nachmittag des zweiten Tages schlicht für Anliegenarbeit zu reservieren – ohne die kollegialen Beratungssitzungen fest einzuplanen. Interventionen für den Fall fehlen-der Anliegen bzw. anderer Anliegen als solcher, die sinnvollerweise über kollegiale Beratung bearbeitet werden können, sollten dabei vorgesehen werden.

Vom Drehbuch zum Baukasten in Workshop III

Workshop III ist die Maßnahme mit der höchsten Variationsrate. Lediglich der erste halbe der insgesamt eineinhalb Tage wurde in allen Teams sehr ähnlich gestaltet. Priorität wurde auf die Auseinandersetzung mit den Hypothesen gelegt. Zugunsten dieser Diskussion wurden zum Teil andere Workshopsequenzen verkürzt oder gestrichen. Hingegen wurden bei allen Teams die im Drehbuch vorgesehenen Elemente genutzt – jedoch mit unterschiedlichen Schwerpunkten, zeit-lichen Verläufen, in unterschiedlicher Reihenfolge – und zum Teil mit leicht abgewandelten Me-thoden. In allen vier Teams mündete die gemeinsame Arbeit in einem detaillierten Maßnahmen-katalog, in dem die nächsten Schritte festgehalten und mit Verantwortlichkeiten hinterlegt waren. Den gleichbleibenden „Kern“ von Workshop III bildet rückblickend die Auseinandersetzung mit der Außenperspektive der Beraterin und davon ausgehend die Beschäftigung mit der Zukunft des Teams. Die Moderation führt über die Einigung auf gemeinsame Zielvorstellungen zur Ent-wicklung von Ideen zur Zielerreichung, deren konkrete Umsetzung abschließend geplant wird. Diese grundlegende Struktur war allen vier Umsetzungsvarianten von Workshop III gemein. In der Praxis zeigte sich, dass eine Realisierung dieser Struktur, die zugleich der ganz individuellen Situation des Teams gerecht wird, mit einem standardisierten Drehbuch unvereinbar ist. So ist der Leitfaden zu Workshop III eher als Anregung zu verstehen. Die beschriebenen Sequenzen und Elemente können fakultativ und vertiefend genutzt werden. Es erscheint sinnvoll, das Dreh-buch dahingehend zu überarbeiten, dass die soeben skizzierte Basisstruktur deutlicher wird. Die Möglichkeit zur fortschreitenden Individualisierung der Programmgestaltung im Interventionsver-lauf sollte dabei kenntlich gemacht werden.

12.1.2 Durchführbarkeit und Einheitlichkeit

Betrachtet man die Hindernisse und Konflikte, die im Rahmen der Pilotprojekte auftraten, so geben sie Aufschluss über Praxisbedingungen, mit denen bei der Implementierung des Pro-gramms zu rechnen ist. Insgesamt stellten sich dem Programm keine Hürden in den Weg, die eine Durchführung unmöglich gemacht hätten. Auftretende neue Situationen ließen sich häufig mit spontanen Interventionen lösen. An dieser Stelle ist zunächst festzuhalten, dass das Pro-gramm mit den dokumentierten zeitlichen und inhaltlichen Variationen und zusätzlichen Inter-ventionen für 24 Personen aus vier Teams umgesetzt werden konnte. Dabei traten weder gra-vierende Probleme noch Hindernisse auf, die grundlegenden Änderungsbedarf suggerieren würden. Auch ließen sich keine verzichtbaren Teile des Programms identifizieren. In der vorlie-

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Bewertung der Ergebnisse 259

genden Form scheinen unterschiedliche Teile den verschiedenen Präferenzen der Teilnehmer entgegenzukommen. Alle Bausteine des Interventionsprogramms wurden von mindestens eini-gen Teilnehmergruppen als wichtig gewertet.

Tabelle 18: Die Heterogenität des Untersuchungsgegenstands bedingende Faktoren nach Quelle

INDIVIDUALITÄT DER TEILNEHMER

INDIVIDUALITÄT DES TEAMS

INTERVENTION

Die Teilnehmer haben einen unter-schiedlich hohen Leidensdruck bzw. eine unterschiedlich hohe Verände-rungsmotivation.

Die Teams weisen eine unter-schiedliche Ausgangslage im Hinblick auf Teamklima, soziale Regeln, Beziehungen und In-teraktionsmuster auf.

Jeder Teilnehmer wird dazu aufge-fordert, seine eigenen Ziele zu formulieren und verfolgt sie (bis auf zwei Personen) auch.

Die Teilnehmer bringen ein unter-schiedliches Verständnis von Selbst-management mit und nehmen dem-entsprechend den Bezug des Pro-gramms zum Thema unterschiedlich wahr.

Die Teams werden im Interven-tionszeitraum in unterschiedli-chem Maße mit dringenden betrieblichen Problemen oder Reorganisationen konfrontiert.

Die Selbstmanagement-Anliegen werden zur Wahrung der Privat-sphäre in vielen Fällen verdeckt bearbeitet. Dadurch offenbart sich ein deutlicher Bezug zwischen Teamprozess und Selbstmanage-mentthema nur einigen Personen.

Die Teilnehmer bringen unterschiedli-che Erfahrungen, Vorstellungen und Präferenzen in Bezug auf das Aus-maß von Nähe und Offenheit im Team ein.

Ausgehend von der Unzufrie-denheit der einzelnen Teilneh-mer sind die Teams in unter-schiedlichem Maße zu Verän-derungen motiviert.

Die Interventionen erfolgen nicht immer für alle Teilnehmer zum richtigen Zeitpunkt.

Die Teilnehmer verfügen über differie-rende Auffassungen, wie das Verhält-nis und Verhalten von Berater und Beratenem auszusehen hat.

Ein unterschiedliches Verände-rungspotenzial der Teams ist auch dadurch bedingt, dass sich die Teamleitungen in un-terschiedlichem Maße auf die Interventionen einlassen.

Die Teilnehmer haben den Frei-raum, Interventionen mitzugestal-ten und in unterschiedlichem Maße zu nutzen (z.B. Hausaufgaben oder Tandemübung in WS III).

Die Ambiguitätstoleranz (bzw. die Offenheit für neue Erfahrungen mit sich selbst und seiner sozialen Um-welt) variiert interindividuell.

Der Organisationskontext för-dert in unterschiedlichem Maße Eigenaktivität und mikropoliti-sches Verhalten.

Die Teilnehmer sind unterschiedlich zufrieden mit der Ausgangssituation ihres Teams.

Die Teilnehmer verfügen in unter-schiedlichem Maße über Erfahrung mit psychologischen Interventions-maßnahmen bzw. Prozessbegleitung.

Die Teilnehmer haben Präferenzen für oder Abneigungen gegen bestimmte Methoden.

Das Format der Interventionen (vgl. 5.2) konnte mit den genannten zeitlichen und räumlichen Abweichungen und Anpassungen (vgl. Kap. 9, 10) wie geplant umgesetzt werden. Auch spricht vieles dafür, dass die beabsichtigte Haltung realisiert werden konnte (vgl. die Bewertung der Prozessqualität in 12.2.1). Im Evaluationsinterview und bei der Umsetzung der weiteren Evalua-tionsinstrumente wurden keine Abweichungen zum ursprünglich vorgesehenen Konzept vorge-nommen. In Summe lässt die Betrachtung der Abweichungen vom Interventionskonzept zu-sammen mit den Aussagen der Teilnehmer die Interpretation zu, dass die geplanten Interventio-nen erfolgt sind. So wurde in allen Teams weitestgehend das gleiche Programm durchgeführt.

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Bewertung der Ergebnisse 260

Es wäre jedoch gewagt, daraus zu schließen, dass sie das gleiche Programm erhalten hätten. Denn die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Logik des rezipierenden Systems (Teamsystem wie Personsystem) bestimmt, was die Teilnehmer vom Programm mitnehmen.

Der Verlauf des Interventionsprogramms hängt stark von der aktuellen Situation der Teilnehmer, von ihren Vorkenntnissen, Entwicklungsthemen und Zielen, ja von ihrer gesamten Persönlichkeit ab. Unabhängig von der grundsätzlichen Unmöglichkeit, dass zwei Personen das Projekt „gleich“ erleben, erzeugt gerade dieses Programm besonders viel Heterogenität. Dies ist auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen, die in Tabelle 18 zusammenfassend dargestellt werden. Die Einflüsse werden dahingehend unterschieden, ob sie eher durch die Teamkonstel-lation, den Interventionsfokus oder die Individualität der Teilnehmer bedingt sind. Sicher sind noch mehr Einflussfaktoren denkbar, es werden jedoch nur diejenigen aufgeführt, die im Rah-men der Evaluation auffielen. Diese Merkmale haben Einfluss darauf, dass die Teilnahme am Programm unterschiedlich wahrgenommen und bewertet wird. In Abhängigkeit des Zusammen-spiels dieser Faktoren sind die Teilnehmer durch das Programm auch mehr oder weniger stark gefordert. Stichprobenübergreifend zeigte sich, dass interindividuelle Unterschiede in den Reak-tionen auf die Interventionen mehr ins Gewicht fielen als Unterschiede zwischen den Teams.

12.1.3 Zumutbarkeit und Freiheit von Nebenwirkungen

Als einzige unbeabsichtigte Nebenwirkung der Maßnahme ist festzuhalten, dass es zu Verände-rungen der Personen im Team kommen kann. Wenn vor der Intervention latente Spannungen und Veränderungswünsche der Teilnehmer bestehen, können bei der Bearbeitung der Selbst-management-Anliegen Konflikte zwischen Team- und Individualzielen auftreten. Einzelne Per-sonen wurden dadurch zum Handeln veranlasst und verließen das Team. Die Betroffenen und mitunter auch ihre Kollegen äußerten, dass es auch ohne die Maßnahme zu einem Ausscheiden aus dem Team gekommen wäre. Das Programm habe den Prozess lediglich beschleunigt. Inso-fern scheint die Maßnahme insgesamt ohne schädliche Auswirkungen auf die Teilnehmer zu bleiben.

Die erstmalige Durchführung hat außerdem gezeigt, dass das Programm die Teilnehmer fordert. Es ist eine Frage des Blickwinkels, ob es sich dabei um Risiken oder Chancen handelt. Denn möglicherweise profitieren Teilnehmer in Bezug auf ihre Selbstmanagement-Kompetenz gerade durch das Aushalten und Bewältigen einiger Konflikte. So verlangt das Programm mitunter eine hohe Offenheit für neue Erfahrungen. Um von vielen Interventionen profitieren zu können, müs-sen die Teilnehmer in der Lage sein, Mehrdeutigkeit und Unklarheit auszuhalten. Ist diese Am-biguitätstoleranz nicht vorhanden, so kann mit einzelnen Teilen der Interventionen (insbesonde-re Workshop II) Unzufriedenheit entstehen. Auch kann als befremdlich erlebt werden, dass die Teilnehmer ihre Lösungen selbst finden müssen und lediglich dazu angeleitet werden. Am Pro-gramm teilnehmende Personen müssen damit zurechtkommen, dass nicht jeder Teil des Pro-gramms für den Einzelnen „maßgeschneidert“ ist. Gewisse Methoden oder Vorgehensweisen der Beraterin gefallen ihnen möglicherweise weniger gut, während andere Kollegen gerade die-se Aspekte schätzen. Möglicherweise passt auch das Timing der Interventionen nicht zum indi-viduellen Entwicklungsprozess.

Die Teilnehmer müssen sich in Bezug auf die gewünschte Nähe bzw. Distanz im Team positio-nieren und während des Prozesses abwägen, wie viel sie von sich preisgeben wollen und wel-ches Ausmaß an Offenheit und Authentizität ihnen in ihrer Organisation angemessen erscheint. Einige Teilnehmer werden dadurch mit Selbstoffenbarungsängsten konfrontiert. Auch befürchten einige Personen, dass durch eine stärkere Transparenz inkompatible Interessen und Persön-

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Bewertung der Ergebnisse 261

lichkeiten im Team zutage treten könnten. Durch die verstärkte Offenheit ist insbesondere die Teamleitung stark in Anspruch genommen. Im Prozess sind von ihr ein demokratisches Füh-rungsverständnis und Kritikfähigkeit gefordert. Idealerweise nimmt sie sich die Sichtweisen und Anliegen ihrer Mitarbeiter zu Herzen, ohne dabei einen eigenen Standpunkt zu verlieren.

Die Beschäftigung mit dem eigenen Selbstmanagement kann als sehr intensiv erlebt werden, wenn man sich auf eine Tiefung einlässt. Diese hohe Prozessintensität überfordert einige Teil-nehmer. Auch wenn das Verhältnis von Kosten und Nutzen von den Teilnehmern nachträglich in der Regel positiv bewertet wird, wünschen sich manche Personen, dass die gleichen Ergebnisse mit weniger Aufwand bzw. weniger Tiefgang im Prozess erreicht worden wären. Da es sich bei dieser Gruppe um Personen handelte, die vor der Intervention noch keine Erfahrung mit psycho-logischen Interventionsmaßnahmen gemacht hatten, könnte dies durch die betriebswirtschaftlich geprägte Mentalität in technisch orientierten Organisationen bedingt sein. Durch Letztere ist es auch fraglich, ob die von zwei Teams entwickelte Zielvorgabe, ressourcenschonender mit sich selbst umzugehen, ebenfalls von Personen außerhalb des Teams unterstützt würde. Einzelne Teilnehmer vermuten, dass ihre Geschäftsführung zur Beurteilung der Ergebnisse andere Maß-stäbe anlegen würde als sie selbst.

Da mit Ausnahme eines einzelnen Teilnehmers weder die hohe Prozessintensität noch die ge-nannte Nebenwirkung die Akzeptanz der Maßnahme beeinträchtigten, kann die Zumutbarkeit insgesamt als gegeben gewertet werden. Da jedoch intensive Reflexionsprozesse als sehr be-lastend empfunden werden können (Greif et al., 2004), scheint es umso wichtiger, das Pro-gramm nur mit Personen durchzuführen, die den Zielgruppenvoraussetzungen entsprechen (vgl. 12.2.2, Tabelle 19). Entscheidend ist in diesem Zusammenhang auch das Element der Freiwil-ligkeit. Die Durchführung der einzelnen Übungen im Rahmen der Workshops ist nicht verpflich-tend und ein Ausstieg aus dem Programm jederzeit möglich.

12.2 Zur Zielerreichung des Interventionsprogramms

Zur Bewertung, ob die Interventionen die beabsichtigte Wirkung hatten, wurden die aufgestellten Hypothesen herangezogen (vgl. 5.1.2). Im Zuge der qualitativen Inhaltsanalyse wurde jeweils nach positivem und negativem Beweismaterial für die Hypothesen gesucht. In Anlehnung an die Hypothesenverifikation in der Grounded Theory sollen die Hypothesen für das hier definierte Untersuchungsphänomen als valide gelten, „wenn sie sich als evident herausstellen in dem Sin-ne, daß sie wiederholt in den Interviews, Beobachtungen oder Dokumenten auftauchen“ (Stein-ke, 1999, S. 76). Darüber hinaus sind auch Ergebnisse zu berücksichtigen, die in den Hypothe-sen nicht vorgesehen waren.

12.2.1 Prozessqualität

Mit Hypothese 1 wurde postuliert, dass die Prozessqualität der Beratung von den Teilnehmern positiv wahrgenommen würde. Dies sollte dann als gegeben betrachtet werden, wenn die Teil-nehmer individuelle Anregungen für ihr Handeln sowie neue Perspektiven sehen, eine hohe Lö-sungsorientierung wahrnehmen, einzelne Maßnahmen und den Prozess als sinnvoll und nützlich bewerten und das Verhalten der Beraterin als anschlussfähig erleben. Auch die allgemeine Zu-friedenheit der Teilnehmer mit dem Prozess ist hier von Bedeutung. Für eine abschließende Bewertung der Prozessqualität stehen die folgenden Auswertungen zur Verfügung:

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Bewertung der Ergebnisse 262

� Qualitative Inhaltsanalyse der 14 Protokolle über die Prozessreflexionen in den Workshops I, II und III (vgl. Kap. 9),

� qualitative Inhaltsanalyse der transkribierten Feedbacksequenzen aus 34 Einzelcoachings (vgl. Kap. 9),

� qualitative Inhaltsanalyse über 24 Transkripte der Evaluationsinterviews (vgl. Kap. 11),

� die Analyse der Drop-outs (vgl. Kap. 10),

� die deskriptive Auswertung von 146 Fragebögen zur Prozessqualität (vgl. Kap. 10),

� die qualitative Inhaltsanalyse der offenen Fragen sämtlicher Fragebögen zur Prozessqualität (vgl. Kap. 9) sowie

� eine qualitative Inhaltsanalyse der externen Evaluatorin über 14 Evaluationsinterviews (vgl. Nöh, 2010).

Anschlussfähigkeit des Programms und der Beraterin im Organisationskontext

Die allgemeine Drop-out-Quote von 41% lässt auf den ersten Blick vermuten, dass das Pro-gramm in seiner vorliegenden Form im Organisationskontext wenig anschlussfähig ist. Sie rela-tiviert sich jedoch, wenn man bedenkt, dass in ihre Berechnung zwei Teams einfließen, auf wel-che die angegebenen Zielgruppenvoraussetzungen nicht passten. Dies ist nicht als Durchfüh-rungsfehler zu werten, sondern spiegelt lediglich eine Problematik psychologischer Interventi-onsprogramme wider:

„Jede Intervention oder Maßnahme, die von den Teilnehmern verlangt, neue Verhaltensweisen zu lernen, alte Ge-wohnheiten zu ändern oder sich fortzubilden, wird es im allgemeinen schwer haben, die gewünschte Zielpopulation zu erreichen“ (Rossi & Freeman, 1988, S. 67f.).

Betrachtet man nur die Teams, die die Zielgruppenvoraussetzungen erfüllen, so beläuft sich die Abbruchquote auf 17%, bzw. fünf Personen. Von diesen schieden drei Personen aufgrund von Faktoren, die mit dem Programm in keinem Zusammenhang stehen (Langzeitkrankheit und Ver-lassen des Teams), aus. Betrachtet man nur die Personen, auf welche die Voraussetzungen zutrafen und die sich bewusst entschieden, die Teilnahme am Programm abzubrechen, so blei-ben letztlich nur 2 von 29 Personen bzw. 7%.

Die Gründe für das Ausscheiden waren in diesen Fällen das mangelnde Vertrauen in die Kom-petenz der Beraterin (eine Person) und die Unzufriedenheit mit dem Konkretisierungsgrad des ersten Workshops (eine Person). Diese relativierte Abbruchquote erscheint eher niedrig. Denn es ist zu erwarten, dass ein psychologisches Interventionsprogramm nicht den Bedürfnissen aller Teilnehmer gerecht werden kann. Die Ablehnung eines Teilnehmers richtete sich statt auf das Programm auf die Beraterin und wäre möglicherweise bei der Durchführung durch mehrere Personen zu vermeiden gewesen. Insgesamt weisen diese Ergebnisse darauf hin, dass das Programm zwar nicht „für jedermann“ geeignet ist, jedoch bei Erreichen der geeigneten Ziel-gruppe die Chancen hoch sind, dass die Teilnehmer das gesamte Programm absolvieren. Als grundlegender Änderungsbedarf ist eine längere und intensivere Vorlaufphase zur Prüfung der Teilnahmevoraussetzungen anzuraten. Dass das Programm von 24 Teilnehmern bis zum Ende durchgeführt wurde und die Beraterin lediglich für eine Person einen Ausstiegsgrund darstellte, spricht für eine grundsätzliche Anschlussfähigkeit der Beraterin an die betrachteten Teams.

Bewertungen der Prozessqualität durch die Teilnehmer

Die schriftlichen Einschätzungen der Teilnehmer zur Prozessqualität, die Bewertung der Einzel-maßnahmen im Rahmen der Prozessreflexionen und die Teilnehmeräußerungen aus dem Eva-

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Bewertung der Ergebnisse 263

luationsinterview lassen darauf schließen, dass trotz einzelner Implementationshindernisse eine durchweg hohe Prozessqualität und Teilnehmerzufriedenheit erzielt werden konnte. Die relevan-ten Bewertungen im Fragebogen zur Prozessqualität (Anschlussfähigkeit der Beraterin, Lö-sungsorientierung der Workshops und des Interviews, wahrgenommene Erweiterung des Mög-lichkeitsraums) liegen mit einer Ausnahme immer im oberen Bereich der Skala. Die Angaben in den Bewertungsbögen zur Prozessqualität zeichnen das folgende Bild: Die Teilnehmer erleben das Verhalten und die Haltung der Beraterin als in hohem Maße hilfreich. Auch bewerten sie den Prozess mehrere Male als sinnvoll und nützlich. Sie geben an, die Maßnahmen als lösungsori-entiert zu empfinden und aufgrund der Interventionen neue Perspektiven und Möglichkeiten zu sehen.

Diese Angaben werden durch die Prozessreflexionen in den Workshops und die Aussagen in den Evaluationsinterviews gestützt. Es wurden Wege gefunden, mit den Ängsten und Befürch-tungen, die durch Selbstmanagement-Interventionen im Organisationskontext geweckt werden können (vgl. 3.1.1), gut umzugehen. Die Teilnehmer berichteten über eine offene und vertrau-ensvolle Atmosphäre in den Workshops. Bis auf eine Ausnahme (vgl. 11.5.3) äußerten alle, mit dem Prozess zufrieden bis sehr zufrieden zu sein. Auch deuten viele Kommentare der Teilneh-mer im Rahmen der Evaluationsinterviews darauf hin, dass die geplante Haltung umgesetzt werden konnte: Gelegentlich wurde die Wertschätzung im Verhalten der Beraterin hervorgeho-ben. Die Lösungsorientierung wurde von den Teilnehmern deutlich wahrgenommen. Für einige Teilnehmer war die Vorgehensweise, ihre eigenen Lösungen zu generieren, anstatt Ratschläge zu erhalten, sehr ungewohnt. Einzelne störten sich daran. Der Fokus auf die Erweiterung des Möglichkeitsraums zeigt sich in den als unkonventionell empfundenen Anregungen. Durch sie wurden von den Teilnehmern unerwartete Erfahrungen gemacht, die zur Anwendung nicht all-täglicher Denkmuster und neuer Blickwinkel führten. So kam es dazu, dass viel Ungewohntes ausprobiert und Neues entwickelt werden konnte. Auch die beabsichtigte „Tiefe“ (vgl. Kap. 4 und 5) spiegelt sich im Prozesserleben der Teilnehmer wider. Somit gibt es deutliche Hinweise dar-auf, dass die dem Interventionskonzept zugrunde liegende Haltung umgesetzt wurde und von den Teilnehmern in der Regel positiv erlebt wurde. Dennoch lassen sich nach der erstmaligen Durchführung Maßnahmen zur Steigerung der Prozessqualität ableiten.

12.2.2 Maßnahmen zur Steigerung der Prozessqualität

Die Bedingungen für Akzeptanz und Anschlussfähigkeit lassen sich erhöhen, indem im Zuge der Auftragsklärung auf einzelne Aspekte stärker geachtet wird und insbesondere die Zielgruppen-voraussetzungen sorgfältiger geprüft werden. Eine höhere Kundenorientierung verspricht eben-falls bessere Bedingungen, geht jedoch zu Lasten der Konzepttreue. Auch Veränderungen in den Rahmenbedingungen der Programmdurchführung können zu einer Steigerung der Prozess-qualität beitragen.

Auftragsklärung

Für die Auftragsklärung zu Beginn empfiehlt es sich, ein oder mehrere Vorgespräche mit dem gesamten Team zu führen. Zuvor reicht ein kurzer Telefonkontakt mit der Teamleitung. Durch dieses Vorgehen wird einerseits ein höherer Grad von Offenheit erzielt und andererseits vermie-den, dass allein die Erwartungen der Führungskraft für eine Teilnahme ausschlaggebend sind. Zwar ist es hilfreich, wenn die Teamleitung bereits vom Projekt überzeugt ist. Es sollte jedoch mit ihr geklärt werden, dass sie sich mit ihrer Meinung zurückhält und das Gesamtteam über eine Teilnahme entscheidet. Sofern persönliche Kontakte auf höheren Hierarchieebenen zum

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Bewertung der Ergebnisse 264

Kontakt mit dem Team geführt haben, sollte die Vorgeschichte noch umfassender geklärt wer-den, als dies in den Akquisegesprächen der Fall war. Es reicht nicht, eine Aussage zum Thema „Wie komme ausgerechnet ich als Beraterin mit ausgerechnet diesem Thema zu ausgerechnet diesem Team?“ zu machen. Möglicherweise sind die Teilnehmer gerade abgelenkt oder die Aussage adressiert nicht die Punkte, die für die Teilnehmer wesentlich sind. Eine Alternative könnte sein, die Phantasien der Teilnehmer über die Beraterin abzufragen und jeweils darauf einzugehen.

Im Rahmen des Vorgesprächs sind zunächst die Zielgruppenvoraussetzungen genau zu über-prüfen. Damit das Team eine Vorstellung entwickeln kann, auf welche Maßnahme es sich ein-lässt, empfiehlt es sich, Beispiele anderer Teams aufzuzeigen und dabei ein möglichst konkre-tes und realistisches Bild zu zeichnen. Der Nutzen sollte ebenso aufgezeigt werden wie die möglicherweise auftretenden Irritationen und Konflikte. Den Erfahrungen aus der Teamakquise zufolge scheitert die Akzeptanz für das Programm am häufigsten daran, dass die Bereitschaft, fünf Tage pro Teammitglied in den Prozess zu investieren, in vielen Unternehmen nicht vorhan-den ist. Aufgrund der Erprobung ist es nunmehr möglich, konkrete Aussagen zum Nutzen des Programms zu treffen. Dabei ist es wichtig, Teilnehmern, die noch keine Vorstellung von Pro-zessbegleitung haben, Beispiele zu vermitteln, was dies konkret in der Praxis bedeutet und mit welchen positiven wie negativen Emotionen diese Arbeit möglicherweise verbunden ist. Zur Klä-rung der Voraussetzungen bietet sich (nun, da diese klarer sind) auch der Einsatz eines Frage-bogens an. Im Gegensatz zur Vorgehensweise von Kehr (2004) im Rahmen seiner Selbstmana-gement-Trainings wäre hier jedoch keine Diagnostik, sondern eher eine Reflexionshilfe ange-dacht. Mittels eines solchen Instruments könnten die Teilnehmer überlegen, ob das Programm für sie geeignet ist. Wesentliche Erwartungen könnten durch eine Diskussion des Fragebogens möglicherweise bereits vor Projektbeginn geklärt werden.

Im weiteren Projektverlauf sollte sich die Beraterin bei der Auftragsklärung mit jedem Teilnehmer im Rahmen der Einzelcoachings noch bewusster darüber sein, dass Ziele, Wünsche oder Kon-flikte und der grundlegende Wille, sich weiterzuentwickeln, nicht bei allen Personen und nicht in allen Lebensphasen gleich stark ausgeprägt sind. Dies ist hilfreich dafür, sich nicht zu sehr „auf die Seite der Veränderung zu stellen“ und damit bei den Teilnehmern möglicherweise unbe-wusst Widerstand zu erzeugen. Sofern der Eindruck entsteht, dass bei einer Person nicht genü-gend Änderungsmotivation vorhanden ist oder sich das Thema schlecht für die Offenbarung im Team eignet, sollte dies angesprochen werden und der Teilnehmer beraten werden, wie er bei einer Fortführung seine Rolle im Team ausfüllen könnte bzw. ob ein Ausstieg aus dem Pro-gramm sinnvoller wäre.

Präzision der Voraussetzungen und Zielgruppe295

Lösungen können nur funktional für jeweils spezifische Systeme sein (Moser, 2004, S. 18). Es zeigte sich bei der Durchführung der Pilotprojekte, dass in Teams, die nicht der Zielgruppe des Programms entsprachen, keine ausreichende Veränderungsmotivation entstand und ein Aus-stieg aus dem Programm erfolgte. Das Kriterium, dass die Teammitglieder im Alltag tatsächlich Berührungspunkte haben sollten und eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit erforder-lich ist, um gemeinsame Ziele zu erreichen, erscheint zur Prüfung der Voraussetzungen beson-ders wichtig. Sofern sich alle Teammitglieder selbst als „Einzelkämpfer“ bezeichnen oder davon

295 Die in diesem Abschnitt diskutierten Voraussetzungen sind in Tabelle 19 zusammengefasst.

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Bewertung der Ergebnisse 265

berichten, dass sie ihre Ziele problemlos auch ohne Interaktion mit den Kollegen erreichen, er-scheint eine Teilnahme am Programm nicht angeraten. Der Fall von Team 6 zeigt, dass das Einbinden der Teamleitung in die Bearbeitung von Selbstmanagementthemen im Team sinnvoll ist, weil sich so unter anderem die vorhandene Spannung zwischen Teaminteressen und Lei-tungsinteressen im Projekt wiederfindet. Aus ihr können wesentliche Veränderungsimpulse re-sultieren. Die Beziehung zwischen Teammitgliedern und Teamleitung sollte allerdings bereits vor einer Programmteilnahme tragfähig sein.

Es sollte vermieden werden, dass ein Team, das überwiegend mit Routinetätigkeiten befasst ist, Adressat der Maßnahme wird. Sonst ist zu befürchten, dass sich (wie bei Team 6) wenig selbstmanagementrelevante Anliegen finden. Ebenfalls wurde an diesem Beispiel deutlich, dass das informelle System bei der Entscheidung, wer am Projekt teilnehmen sollte, das maßgebliche ist. Der Fall, dass nicht der Teamkoordinator, sondern der Abteilungsleiter vom Team als der „wahre Chef“ angesehen wurde, zeigt, dass formellen Hierarchiemarkern nicht immer vertraut werden kann. Die Erfahrungen mit Team 2 und 6 haben außerdem verdeutlicht, wie wesentlich die freiwillige Teilnahme ohne Druck „von oben“ für die erfolgreiche Implementierung des Pro-gramms ist. Die erforderliche Änderungsmotivation und die Offenheit für die eigene Weiterent-wicklung (als Einzelner wie als Team) sind bei Verletzung dieser Voraussetzung hochgradig unwahrscheinlich. Auch die Erfahrungen im Rahmen der Teamakquise haben dazu beigetragen, die Voraussetzungen zu präzisieren. So wurde deutlich, dass sich das Programm in der Regel nicht für ehrenamtliche Teams eignet, da dort die Schnittmenge zwischen individuellen Zielen und Teamzielen zu groß sein kann. Das Team bildet in diesem Fall nicht den relevanten Kontext für etwaige Selbstmanagement-Probleme. Eine gewisse Teamgröße sollte außerdem gegeben sein, damit die Teilnehmer sich in unterschiedlichen Konstellationen austauschen und Neues ausprobieren können. Aus den Sitzungen, in denen Personen fehlten, kann als Empfehlung ab-geleitet werden, dass mindestens fünf – besser sechs bis acht – Personen eine optimale Team-größe darstellen. Bei mehr als acht Personen ist es wahrscheinlich, dass die in den Drehbü-chern empfohlene Zeit für einzelne Abschnitte deutlich verlängert werden muss (vgl. Anhang 4). Es können in den einzelnen Workshops auch leichter „Durststrecken“ und für die Teilnehmer ermüdende Diskussionen auftreten, da es bei einem großen Team schwieriger wird, alle indivi-duellen Bedürfnisse zu berücksichtigen. Grundsätzlich muss für die Teilnahme am Programm die Möglichkeit bestehen, alle Teammitglieder für die Dauer der Workshops zu versammeln – eine Bedingung, die für viele Organisationen nicht trivial zu erfüllen ist. Außerdem sollte eine grundlegende Kommunikationsbereitschaft ohne massive latente Konflikte im Team gegeben sein.

Die Pilotprojekte liefern verschiedene Indizien für hilfreiche Rahmenbedingungen. Da die Bear-beitung von Selbstmanagementthemen im Team eine gewisse Neugierde aufeinander erfordert, ist zu vermuten, dass neu (d.h. wie in der Stichprobe dieser Studie vorwiegend innerhalb der letzten zwei Jahre) zusammengestellte Teams bzw. Teams mit hoher Fluktuation etwas mehr vom Programm profitieren als Teams, die bereits seit sehr langer Zeit zusammenarbeiten. Hilf-reich für die Implementierung ist es, wenn es im Team „drunter und drüber geht“ und der subjek-tive Leidensdruck vieler Teammitglieder hoch ist. Dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass der richtige Zeitpunkt für die Maßnahme gegeben ist. Besonders vom Programm profitieren können offenbar näheaffine Personen, die eine hohe Ambiguitätstoleranz in Bezug auf Erfah-rungen mit sich selbst und der eigenen sozialen Umwelt mitbringen. Denn beim vorliegenden Interventionsprogramm handelt es sich in der Terminologie des Riemann-Thomann-Modells (Thomann, 1998) tendenziell um ein „Nähe-Wechsel-Programm“.

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Bewertung der Ergebnisse 266

Sofern das Programm in der vorliegenden Form ohne grundlegende kulturelle Variationen fort-geführt wird, erscheint es besser geeignet für Organisationen, in denen es wenig „politisch“ zu-geht und in denen eher Authentizität als diplomatisches Geschick gefordert ist. Die Maßnahme wird in beteiligungs- und diskursorientierten Organisationskulturen, in denen eine Offenheit dafür herrscht, den Blick auch auf „weiche Themen“ zu richten, mehr Anklang finden als in anderen Bereichen. Bei Personen, die Expertenberatung gewohnt sind und sich schnelle Lösungen von außen wünschen, ist das Programm weniger anschlussfähig. Nicht notwendig, aber von Vorteil erscheint es, wenn das Team bereits eine Vorstellung von Prozessberatung hat. Dann sind we-niger Irritationen zu erwarten und die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Teilnehmer auf die Inter-ventionen einlassen können, steigt.

Rahmen und Setting

Die Veränderung geschieht bei laufendem Betrieb (Wimmer, 1996). Die Teilnehmer sind vielfäl-tigen Einflüssen zugleich ausgesetzt, was sich letztlich in der Konkurrenz um Zeitressourcen manifestiert. Doch hat die Durchführung gezeigt, dass die Bearbeitung von Selbstmanagement-themen im Team Kontinuität erfordert. Lücken von drei Monaten zwischen Maßnahmen wurden von den Teilnehmern als sehr ungünstig für den Prozessverlauf erlebt und sollten bei der Um-setzung vermieden werden. Auch sollten die Teilnehmer genügend Energie für die Teilnahme am Programm aufbringen können. Seitens der Organisation empfiehlt es sich daher, darauf zu achten, dass keine zu starken Konkurrenzprojekte oder -themen bestehen. Sofern im Laufe der Arbeit ein Thema zutage tritt, das die Maßnahme zu dominieren droht und vom Programmfokus wegführt, sollte die Möglichkeit gegeben werden, separate Workshops zu diesem Thema durch-zuführen. Es sollten für die Dauer des Projekts keine Reorganisationen geplant sein. Die Teil-nahme am Interventionsprogramm empfiehlt sich für „ruhigere Zeiten“ – auch wenn fraglich ist, ob diese in der heutigen Organisationslandschaft planbar anzutreffen sind. Auf individueller Ebene kann es allerdings hilfreich sein, sich durch eine Programmteilnahme in einer Phase ho-her Belastung auf sich selbst zu besinnen. Einzelne Teilnehmer sahen darin einen Präventiv-schutz vor weiterer Überlastung. In Einzelfällen – wie im Beispiel der Führungskraft von Team 1 – kann es auch nötig sein, das Beratungsangebot dahingehend auszuweiten, dass in Belastungssituationen, die sich aus der Prozessdynamik entwickeln, ein weiteres Einzelcoa-ching stattfindet. Dieses Angebot kann vor Programmbeginn kommuniziert werden.

Seitens der Beratung empfiehlt sich eine Durchführung zu zweit. Diese beugt zum einen Ausfäl-len vor und erlaubt mehr zeitliche Flexibilität bei der Projektorganisation. Zum anderen fordert das Programm vom durchführenden Berater, zu jedem der Teilnehmer eine tragfähige Bezie-hung aufzubauen. Dies lässt sich zu zweit besser abbilden. Die Teilnehmer könnten dann ent-scheiden, welchen der Berater sie in Bezug auf Kompetenzzuschreibungen und persönliche Passung bevorzugen und das Einzelcoaching mit dem Berater ihrer Wahl durchführen. Theore-tisch besonders günstig erscheint es, wenn die Berater in Bezug auf Alter und Geschlecht unter-schiedliche Identifikationsangebote bereithalten. Es bleibt jedoch fraglich, ob eine Durchführung zu zweit unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten realisierbar ist.

Kundenorientierung statt Konzepttreue

Kritisch zu bewerten ist die im Rahmen der Durchführung gezeigte Kundenorientierung. Die Ma-xime, die Schlippe & Schweitzer (2003) formulieren, dass „Leistungserbringer möglichst genau das anbieten, was ihre Kunden subjektiv haben wollen, und nicht das, was sie nach Meinung der Fachleute ‚brauchen’“ (S. 125), erscheint höchst sinnvoll für Organisationsberatung. Doch sie verträgt sich nicht mit dem Anspruch, konzeptgetreu zu arbeiten und ein in weiten Teilen stan-

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Bewertung der Ergebnisse 267

dardisiertes Interventionsprogramm zu erproben. Auch wenn die geschilderten Abweichungen das Bemühen aufzeigen, die Teilnehmerbedürfnisse mit den Zielen des Interventionskonzepts überein zu bringen, so wurde die Kundenorientierung in einem wesentlichen Punkt bewusst ver-nachlässigt: Der wiederkehrende Ruf nach Expertenberatung wurde konsequent abgelehnt. Da-zu wurden immer wieder implizite Kontrakte zurückgewiesen, das eigene Beratungsverständnis explizit gemacht und den betreffenden Teilnehmern zurückgemeldet, dass ihre Forderung in diesem Programm nicht eingelöst werden könne. Dies geschah aus der Überzeugung heraus, dass die Bearbeitung von Selbstmanagementthemen im Team das Aushalten erfordert, dass es dafür keinen Königsweg gibt. Die zugrunde liegende Absicht war es, den Teilnehmern Raum zu geben, eigene Lösungen zu entwickeln. Es ist jedoch fraglich, ob ein solches Beraterverhalten zielführend ist. Die lösungsorientierte Haltung, dass die Teilnehmer am besten wissen, was gut für sie ist, wird dadurch nicht konsequent umgesetzt. Den Teilnehmern wird, bildlich gesprochen, doch ein Korsett angelegt – nur eines, das aus ihrer Sicht viel zu locker sitzt. Vermutlich profitier-ten einige Teilnehmer davon, sich in Bezug auf ihre eigenen Lösungen von Tools, Tipps und Ratschlägen inspirieren zu lassen. Diesem Bedürfnis könnte eine kundenorientierte Beratung nachkommen. Dies ließe sich durchaus mit der Haltung des entwickelten Interventionspro-gramms verbinden, sofern den Teilnehmern deutlich gemacht würde, dass es sich bei den „Tools“ und Ratschlägen der Beraterin nicht um patentierte Erfolgsrezepte, sondern um Anre-gungen für eigene Lösungen handele.

12.2.3 Veränderungen im Team

Über die Veränderungen im Team geben die Auswertung der Evaluationsinterviews (Auswer-tung durch die Autorin sowie Teilauswertung in Fremdevaluation) sowie vereinzelt auch Work-shopprotokolle Aufschluss. Es wurde hypothetisiert, dass die Beratung zu Veränderungen der Kommunikationsmuster im Team führt (Hypothese 2). Die Analyse zeigt, dass auf verschiede-nen Ebenen des sozialen Systems „Team“ Veränderungen beobachtet wurden (vgl. Kap. 11).

Veränderung von Interaktions- und Kommunikationsstrukturen

Vieles spricht dafür, dass es in den Teams, die das Programm absolvierten, gelungen ist, Frei-heitsgrade in den Interaktionsabläufen zu erhöhen. Im Rahmen der Workshops wurden Varian-ten einer Kommunikation erprobt, welche die Teilnehmer als Kontrast zur Alltagskommunikation erlebten. In allen Teams wurden in der Folge Veränderungen der Interaktions- und Kommunika-tionsmuster registriert. Die Teilnehmer äußerten, sie seien aufmerksamer füreinander. Die Fre-quenz der Kommunikation veränderte sich; ein Austausch fand häufiger statt. Auch die Tonart der Kommunikation änderte sich: Die Teilnehmer berichteten, dass sie authentischer, offener und vertraulicher miteinander sprächen. Konfliktbehaftete Themen konnten so schneller geklärt werden. Insgesamt hatten die Teilnehmer in drei Teams den Eindruck, dass sich Beziehungen zur Teamleitung sowie zu (einzelnen bis hin zu allen) Teamkollegen intensivierten bzw. verän-derten. Viele Personen aus den Teams 1 und 3 nahmen außerdem wahr, dass ihnen mehr Un-terstützung zuteil wurde.

Den Wandlungen der Kommunikationsmuster liegen Veränderungen auf anderen Ebenen zugrunde. Sie werden dadurch begünstigt, dass sich im gemeinsamen Teamprozess vielfältige Realitätsdeutungen über Teamkollegen, die Teamleitung oder das Team in seiner Gesamtheit änderten. Die Teilnehmer positionierten sich jeweils in Bezug auf die Teamziele und klärten, wie in Zukunft weiter zusammengearbeitet werden solle. Dabei wurden sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede deutlich. Insgesamt hatten die Teilnehmer nach Abschluss des Pro-

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gramms das Gefühl, die Unterschiede im Team besser zu kennen und ihre Kollegen besser zu verstehen. Damit einher ging eine Änderung im wahrgenommenen Teamklima in Richtung von Nähe und Verbundenheit sowie (in zwei Teams) gestiegenem Vertrauen. In einem Team war diese Veränderung weniger ausgeprägt als in den übrigen Teams. Denn die Teammitglieder berichteten schon vor der Intervention über ein sehr zufriedenstellendes Teamklima.

Auch auf der Ebene der sozialen Regeln wurden Veränderungen beobachtet. Sie stehen in ei-nem plausiblen Zusammenhang mit den Veränderungen der Kommunikationsmuster. So wurden etwa mithilfe arbeitsorganisatorischer Maßnahmen neue Kommunikationsforen geschaffen, bei-spielsweise Regelbesprechungen oder ein elektronischer Team-Kalender. Diese begünstigten den häufigeren Austausch. In drei Teams wurde darüber hinaus auch die Art und Weise der Zusammenarbeit teilweise neu geregelt, zum Beispiel indem ein gemeinsames Programmieren in einem Raum stattfand oder in Tandems eine Vorarbeit für konzeptuelle Arbeiten des Gesamt-teams geleistet wurde. Dass Handlungsspielräume für Selbstmanagement im Zusammenspiel zwischen Leitungskraft und Mitarbeitern geformt werden, wurde durch Beobachtungen im Rah-men der Programmerprobung bestätigt. Die Teamleitung spielte eine wesentliche Rolle bei der Einführung von Veränderungen der Arbeitsorganisation und der Legitimation neuer sozialer Re-geln. Sie war der Motor für viele Veränderungen. Ihre Erkenntnisse und ihr Engagement be-stimmten maßgeblich die Intensität der Veränderungen. Die Ergebnisse legen nahe, dass einem tiefgreifenden Wandel auf Teamebene Veränderungen auf der Teamleitungsebene vorausge-hen.

Teams mit kritischer Ressourcenbalance profitieren am meisten

Aus einigen Interviews konnte geschlossen werden, dass mitunter schwer zu beobachtende Veränderungen von Erwartungserwartungen stattfanden. Das Konstrukt der „ungeschriebenen Regel“ erscheint passend, wenn sich bei mehreren Teammitgliedern in Bezug auf dieselben thematischen Belange Erwartungserwartungen ändern. Veränderungen ungeschriebener Re-geln betrafen in allen Teams das Thema „Kontakt“ (mehr aufeinander zugehen) und in zwei Teams zusätzlich den Aspekt der „Ressourcenbalance“ (sich selbst weniger belasten).

Besonders konnten diejenigen Teams von der Maßnahme profitieren, die zuvor wenig ressour-censchonend mit sich selbst umgingen. In diesen Teams neigten Mitglieder zu sehr hohem En-gagement mit Tendenz zur Selbstausbeutung. Die jeweiligen Organisationen dämmten dies nicht (durch Zeiterfassungssysteme oder Ähnliches) ein. Mithilfe der Maßnahme gelang es den Teilnehmern, innezuhalten und die Belastung wahrzunehmen, um dann auf individueller wie kollektiver Ebene Veränderungen in Richtung von „Entschleunigung“ und individueller Ressour-cenbalance voranzutreiben. In diesen Teams ließ sich auch der Effekt beobachten, den Schar-mer (2007b) im Rahmen der Theory U als „Sensing from the field“ beschreibt: Die Teilnehmer spürten an einem Punkt im Verlauf der Maßnahme deutlich, wie sie selbst zur Aufrechterhaltung der als problematisch empfundenen Muster beitrugen. Dies war in einem Team bei vielen Teil-nehmern besonders ausgeprägt der Fall. In einem anderen zeigte sich vor allem die Teamlei-tung sehr betroffen. Die ungeschriebenen Regeln dieser Teams (als Manifestation multipler Er-wartungserwartungen) änderten sich dahingehend, dass ein geringeres Tempo beim Anstoßen neuer Projekte und Veränderungen anvisiert wurde. Auch wurde die verstärkte Selbstfürsorge eines jeden Einzelnen respektiert. Darüber hinaus intensivierte sich die gegenseitige Unterstüt-zung im Team. Diese Faktoren erwiesen sich in Summe als gute Rahmenbedingungen, um ein-zelnen Teammitgliedern ihr Selbstmanagement nachhaltig zu erleichtern.

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In den übrigen Teams stand der Kontakt der Teammitglieder untereinander im Vordergrund. Zwei Teams nutzten die Maßnahme vorwiegend dazu, miteinander vertrauter zu werden. Bei diesem Fokus profitierten nur einzelne Personen im Hinblick auf ihr Selbstmanagement-Projekt vom Teamprozess. Auch wurde in diesen Teams bisweilen geäußert, dass der Prozess zu lange dauere. Diese Beobachtungen lassen die Hypothese zu, dass das Programm vor allem für Teams geeignet ist, in denen sich (einige) Mitglieder stark für Teamziele verausgaben und per-sönliche Ziele eher zurückstecken. Denn Veränderungen der Dimension „Kontakt“ könnten auch durch eine kürzere Teamentwicklungsmaßnahme ohne individuelle Selbstmanagement-Förderung initiiert werden. Damit wird dem Bedürfnis dieser Teilnehmer nach einer verbesserten Effizienz der Maßnahme womöglich besser Rechnung getragen.

Veränderung des sozialen Felds uneinheitlich

Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die Beratung zu Veränderungen in den Teams bei-getragen hat. Sie hat dabei das von Prozessberatung Beabsichtigte geleistet, nämlich dass „in ihrem Rahmen Problemlösungen besser, schneller und gezielter erarbeitet werden können als ohne sie“ (Tietze, 2003, S. 17). Dadurch, dass die Teilnehmer viel Neues ausprobierten, wurden das Tempo und bisweilen auch die Richtung der Entwicklung der Teams beeinflusst. Die Teil-nehmer ließen sich auf neue Interaktionen mit ihren Teamkollegen und auf authentische Selbst-offenbarung ein. Durch diesen Austausch über sich und die Zukunft des Teams veränderten sich selbstmanagementrelevante Erwartungserwartungen. Da in allen Teams Veränderungen in den Kommunikationsmustern beobachtet wurden, kann Hypothese 2 als bestätigt gelten. Es wurde jedoch deutlich, dass nicht jede dieser Veränderungen in gleichem Maße dazu beitrug, den Teamkontext für Einzelne selbstmanagementkompatibler zu gestalten. Intensive Veränderungen ergaben sich in zwei Teams daraus, dass sich die Teilnehmer (inklusive der Teamleitungen) selbst in Frage stellten und erkannten, wie sie selbst zur Entstehung und Aufrechterhaltung ihrer Probleme beitrugen. Dabei ging es jeweils um das Thema der individuellen Ressourcenbalance im Team. Meines Erachtens kann in diesen beiden Fällen von einem Wandel im sozialen Feld im Sinne Scharmers (2007b) gesprochen werden. Denn im Prozess fand ein Wandel der „inne-ren Verfasstheit“ des Teamkollektivs statt. Und die selbst erzeugten, als problematisch erkann-ten Muster wurden von den Teams geändert. Damit einhergehend veränderten sich die reflexi-ven Erwartungen der Teammitglieder. Von diesem Wandel profitierten die individuellen Selbst-management-Projekte vieler Teamangehöriger nachhaltig. In den anderen beiden Teams fanden zwar Veränderungen der Kommunikationsmuster statt. Diese reichten jedoch nicht so weit, den Kontext für das individuelle Selbstmanagement von mehr als nur einzelnen Teammitgliedern zu beeinflussen.

12.2.4 Selbstmanagementunterstützung für einzelne T eammitglieder

Mit Hypothese 3 wurde angenommen, dass die Beratung dazu beiträgt, Teammitglieder in ihrem Selbstmanagement zu unterstützen. Um diesbezüglich eine Aussage treffen zu können, gilt es, zunächst zu überprüfen, ob sich der Beratungsprozess förderlich auf die Erreichung individueller Ziele auswirkte und ob die Teilnehmer Strategien planten oder anwendeten, die im wissen-schaftlichen Diskurs als Selbstmanagement-Strategien beschrieben werden.

Zielsetzung und Zielverfolgung

Anhand der Aussage von Kanfer et al. (2000) lässt sich verdeutlichen, warum im vorliegenden Projekt im Vergleich zur Therapie, aber auch herkömmlichen Selbstmanagement-Trainings er-schwerte Ausgangsbedingungen vorherrschten:

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„Schon vor einer offiziellen Therapie durchlaufen die meisten Personen verschiedene Stadien, die große Bedeutung für einen späteren Therapieprozeß haben. Diese Stadien haben wir wie folgt bezeichnet: (1) Die Person nimmt ein Problem wahr, (2) die Person bewertet das Problem und (3) die Person entscheidet sich, Hilfe zu suchen. [...] Alles in allem bedeutet ein positives Durchlaufen dieser Vorstadien, daß der Klient jetzt an einem entscheidenden Punkt an-gelangt ist“ (Kanfer et al. 2000, S. 131).

Dadurch, dass das Programm den Teilnehmern vielfältige Anregungen zur Auseinandersetzung mit sich selbst bot, konnten die meisten Programmteilnehmer ein Problembewusstsein entwi-ckeln und Veränderungsmotivation mobilisieren. Somit gelang es weitgehend, die Ausgangssi-tuation, dass das Projekt durch die Beraterin initiiert wurde, auszugleichen. Im Einzelcoaching konnten die Zielsetzungsbemühungen der einzelnen Teammitglieder dahingehend unterstützt werden, dass 89% der Teilnehmer, die an der Maßnahme teilnahmen (n=34), ein Ziel formulier-ten. Die inhaltliche Betrachtung dieser Ziele beweist zunächst, dass im Rahmen des Programms im Gegensatz zu herkömmlichen organisationalen Selbstmanagement-Trainings auch komplexe Ziele bearbeitet werden konnten (vgl. Kap. 3 und 9). Die Formulierung des Ziels und der nächs-ten Schritte zur Zielerreichung führte in den allermeisten Fällen auch zu nachfolgendem Selbst-managementhandeln: 92% der Teilnehmer, die das Programm abschlossen (N=24), verfolgten ihr Ziel aktiv. Somit kann angenommen werden, dass sich bei diesen Personen auch die Selbst-wirksamkeitserwartung veränderte.

Gute Zielerreichung

Obwohl in Abweichung zur Planung nicht immer gewährleistet werden konnte, dass sich die Teilnehmer nur ein Ziel vornahmen, erlebten nach Abschluss des Programms (unter Berücksich-tigung aller formulierten Ziele) 83% der Stichprobe eine mittlere bis hohe Zielerreichung (38% hoch, 46% mittel). Selbst bei „Dauerzielen“ ohne definierten Endpunkt wurden substanzielle Fortschritte verzeichnet. Dies lässt vermuten, dass bei einer sauberen Operationalisierung der Ziele, wie sie in herkömmlichen Selbstmanagement-Trainings gelehrt wird, vermutlich noch hö-here Zielerreichungsgrade erreicht worden wären. Von den Personen, die ihr Ziel verfolgten, erzielten lediglich zwei Personen bzw. 8% der endgültigen Stichprobe nur geringe Fortschritte.296 Insgesamt lässt sich im Vergleich zu herkömmlichen Selbstmanagement-Trainings, die Teil-nehmer bestenfalls mäßig bei der Erreichung wenig komplexer Ziele unterstützen, folgern, dass die Zielerreichung im Rahmen dieses Interventionsprogramms als sehr zufriedenstellend bewer-tet werden kann.

Konkrete Projekte, Worklife-Balance und neue Prioritäten als besonders geeignete Anliegen

Die im Rahmen des Programms bearbeitbaren Themen lassen sich aufgrund der ersten Durch-führung präzisieren. Besonders geeignet ist das Interventionsprogramm für Teilnehmer, die sich auf ein konkretes Projekt oder auf neue Prioritäten konzentrieren wollen oder die sich mit der Balance zwischen verschiedenen Lebensbereichen beschäftigen. Dies liegt vermutlich daran, dass diese Ziele in der Regel eine Abgrenzung von den Anforderungen des sozialen Kontexts erfordern. Das intensive Kennenlernen der Teamkollegen und die Einigung auf neue Regeln vermitteln die Sicherheit, welche es den Teilnehmern erlaubt, Nein zu sagen. Somit wirkt der Teamprozess in diesen Fällen unterstützend auf die Änderung des eigenen Verhaltens. Die höchste Zielerreichung ist innerhalb dieser Kategorie beim Absolvieren konkreter Projekte zu erwarten, da es sich hierbei um Ziele mit definiertem Endpunkt handelt.

296 Eine dieser Personen hatte ein für sie sehr anspruchsvolles Ziel gewählt und verzeichnete seit Jahren zum ersten Mal Fortschrit-te in dessen Richtung. Die andere Person hatte durch die ersten Bemühungen, ihr Ziel zu erreichen, zunächst neue Probleme im Team und im Organisationskontext wahrgenommen. Diese machten sie sehr unzufrieden und veranlassten sie dazu, ihre Zielerrei-chungsstrategie zu überdenken.

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Weniger gut greift die Maßnahme dagegen bei Personen, die klar umrissene Fähigkeiten verbessern wollen. Zwar kann diese Verbesserung in Einzelfällen von positivem Feedback aus dem Team profitieren. In diesem seltenen und günstigen Fall trägt das Team dazu bei, dem Übenden die Sicherheit zu vermitteln, die ihn im weiteren Üben bestärkt. In der Regel werden der Teamprozess und das Fähigkeitstraining jedoch als losgelöst voneinander empfunden. Teil-nehmer, die Zukunftsoptionen ausloten und den nächsten Karriereschritt planen wollen, konnten zwar ihre Ziele im Rahmen des Programms sehr gut erreichen. Sie profitieren jedoch wenig vom Teamprozess. Denn ihre Zielerreichung führt üblicherweise vom Team weg. Sofern sich die Personen nicht sicher sind, ob sie das Team verlassen wollen, kann der Teamprozess zwar in gewisser Weise nützlich sein. Denn er bietet eine gute Gelegenheit, das Identifikationspotenzial mit der Teamvision und die Kompatibilität mit den Teamkollegen zu überprüfen. Doch letztlich sind für diese Personen lediglich das Einzelcoaching und einige Reflexionsteile aus Workshop II besonders nützliche Interventionen. Dementsprechend kann gerade bei dieser Gruppe das Ge-fühl entstehen, der Gesamtprozess dauere zu lang oder die Kosten stünden nicht im Verhältnis zum Nutzen. Ein individueller Coaching-Prozess wäre für diese Personen vermutlich sinnvoller. Die für das Programm wenig geeigneten Anliegen decken sich weitestgehend mit denjenigen, die eine Gruppe von Coaches in der Studie von Buhl et al. (2007) von Selbstmanagement-Interventionen abgrenzte. Somit legen die Ergebnisse der vorliegenden Studie nahe, bei der Planung von Vorgehen und Methodik in Coachingprozessen eine Unterscheidung zwischen tat-sächlichen Selbstmanagement-Anliegen und anderen, weniger selbstmanagementrelevanten Problemstellungen vorzunehmen.

Wissenschaftliche Selbstmanagement-Strategien annähernd reproduziert

Die Teilnehmer planten und wendeten ein breites Repertoire etablierter Selbstmanagement-Strategien an – ohne dass diese explizit vermittelt wurden. Somit erweist sich die Annahme, dass kein Kompetenzdefizit vorlag und die Teilnehmer keiner Strategievermittlung bedurften, als viabel. Von den wissenschaftlich erprobten Strategien ließ sich die Mehrzahl in den Ausführun-gen der Teilnehmer wiederfinden. Auffälligerweise konnten viele der von Kehr (2004) vermittel-ten Strategien in der Praxis nicht identifiziert werden. Dies mag damit zusammenhängen, dass der Autor unter „Ziele spezifizieren und Prioritäten bilden“, „Problemlösestrategien für schwierige Handlungsschritte entwickeln“, „Reduktion exzessiver Überkontrolle“, „Positive Emotionslagen erzeugen“ und „Systematische Entspannung“, derart spezifische Strategien definiert, dass sie wenig Bezug zu eher alltäglichen, intuitiv nutzbaren Selbstmanagement-Strategien aufweisen (vgl. Anhang 1, 12). Dass dagegen die Verhaltensstrategien der „Problemidentifikation“ und „Kontraktgestaltung“ nach Kanfer et al. (2000) nicht erwähnt wurden, verwundert nicht weiter. Sie sind bereits im Interventionsprogramm vorgesehen und werden im Verlauf des Einzelcoa-chings gemeinsam mit jedem Teilnehmer vorgenommen. Somit besteht keine Veranlassung für die Teilnehmer, diese Strategien zu erwägen. Strategien nach Seiwert (1999) sind dagegen sel-tener vertreten und werden auch nicht in der Seiwert’schen Terminologie genannt. Es war auch nicht zu erwarten, dass die Teilnehmer angeben, die „ALPEN-Methode“ zur schriftlichen Tages-planung zu nutzen oder ihre Prioritäten nach „ABC-Aufgaben“ oder „80:20-Regel“ zu bilden. Die Methoden der schriftlichen Tagesplanung und das Bilden von sowie Fokussieren auf Prioritäten wurden jedoch angewandt und sind Bestandteil des Zeitmanagementkonzepts von Seiwert (so dass sie in Anhang 12 auch nicht als „neu“ einsortiert wurden). Die Analyse von Zeitdieben ist demnach die einzige der Selbstmanagement-Strategien nach Seiwert (1999), welche die Teil-nehmer nicht explizit verfolgten.

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Haltungswechsel als erfolgreiche Meta-Strategie

Eine Strategie, die in herkömmlichen Selbstmanagement-Trainings keine Beachtung findet, sich im Rahmen des Projekts jedoch wiederholt als eine der erfolgreichsten Strategien erwies, ist die des Haltungswechsels. Für viele Teilnehmer führt der Weg zu erfolgreichem Selbstmanagement somit nicht über die Anwendung von Techniken, sondern über Persönlichkeitsentwicklung. Es handelt sich bei einem Haltungswechsel gewissermaßen um eine Meta-Strategie, da zur Auf-rechterhaltung einer neuen Haltung eine Vielzahl von Selbstmanagement-Strategien wie zum Beispiel Selbstinstruktionen, Möglichkeitsdenken und Selbstbeobachtung genutzt werden. Sie beinhaltet jedoch zunächst, sich selbst in Frage zu stellen und die inneren Voraussetzungen für das eigene Handeln zu überdenken. Diese Strategie ist deshalb so erfolgreich, weil mit einem Haltungswechsel Veränderungen in grundlegenden Einstellungen sowie in den diese Kognitio-nen begleitenden Emotionen einhergehen. Die so veränderte psychologische Situation erwies sich in den beobachteten Fällen als passender für die Erreichung des gesetzten Ziels. Das Pro-gramm scheint gute Voraussetzungen mitzubringen, um die Teilnehmer bei der Veränderung ihrer inneren Haltung zu unterstützen.

Interaktionsstrategien als bislang vernachlässigte Erfolgsbringer

Darüber hinaus wurden vor allem Strategien verfolgt, bei denen die Zielerreichung in der Interak-tion mit anderen vorangetrieben wird. Dabei handelt es sich um Strategien, die bislang in den klassischen Selbstmanagement-Trainings keine Berücksichtigung finden, wie etwa andere um Unterstützung zu bitten, klärende Gespräche zu führen, Nein zu sagen, Verantwortung ab-zugeben oder zu delegieren. Diese Strategien tragen sehr wirkungsvoll zur Entlastung und Res-sourcenbalance der Teilnehmer bei. Zudem erfolgt eine (indirekte) Einflussnahme auf das eige-ne Verhalten dadurch, dass die Kontextbedingungen geändert werden (ähnlich der Strategie der Stimuluskontrolle). Daher wird hier die Ansicht vertreten, dass es sich dabei ebenfalls um Selbstmanagement-Strategien handelt. Diese Strategien, die mit der Beziehungsgestaltung in einem sozialen Kontext einhergehen, sind von der Wissenschaft bislang vernachlässigt wor-den – vermutlich, weil bislang nur der Einzelne als Selbstmanager Gegenstand der Betrachtung war. Zusammenfassend legen die Ergebnisse dieser Studie nahe, dass für ein besseres Selbstmanagement zum einen Persönlichkeitsentwicklung und zum anderen Strategien der Be-ziehungsgestaltung von grundlegender Bedeutung sind.

Implizite Anwendung von Selbstmanagement-Strategien, explizite Wissensvermittlung vermisst

Alles in allem kennen und nutzen die Teilnehmer mehr Selbstmanagement-Strategien, als in herkömmlichen Trainings vermittelt werden. Ihnen ist jedoch offenbar nicht bewusst, dass es sich um Selbstmanagement-Strategien handelt. Denn es bleibt bei einigen nach Abschluss des Programms das Gefühl, im Programm würde nicht genügend explizites Wissen über derlei Stra-tegien vermittelt. Dieser Umstand spiegelt möglicherweise die Unsicherheit wider, mit der Selbstmanagementthemen behaftet sind. Vielleicht führt die Wissensvermittlung in herkömmli-chen Selbstmanagement-Trainings eher dazu, einigen Teilnehmern das Gefühl zu geben, „Herr der Lage“ zu sein. Vielleicht sind hier unterschiedliche Lerntypen zu berücksichtigen. Die folgen-de Hypothese scheint plausibel: Einige Teilnehmer verändern ihre Selbstwirksamkeitserwartun-gen eher über die erfolgreiche Bewältigung von Situationen und die Reflexion dieser Bewälti-gung. Für sie ist das Programm in der vorliegenden Fassung sehr gut geeignet. Andere Teil-nehmer – möglicherweise Teilnehmer mit eher niedriger Ambiguitätstoleranz bezogen auf neue Situationen – profitieren mehr von Strategievermittlung. Ihre Selbstwirksamkeitserwartungen ändern sich womöglich eher, wenn sie das Gefühl haben, ausreichend über Bewältigungsmög-

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Bewertung der Ergebnisse 273

lichkeiten informiert zu sein. Um Letzteren gerecht zu werden, müsste das Programm entspre-chend erweitert werden. Zum Beispiel könnte ein weiterer halber Tag für die Vermittlung theore-tischer Selbstmanagement-Strategien und die Diskussion praktischer Beispiele vorgesehen wer-den.

Die positive Resonanz in Team 3, in dem bereits einige Teilnehmer an Selbstmanagement-Trainings teilgenommen hatten (und in dem sich kein Teilnehmer Tipps oder Methodenvorschlä-ge wünschte), lässt eine weitere Vermutung zu: Möglicherweise ist das Programm in der vorlie-genden Form besser für „fortgeschrittene“ Zielgruppen geeignet, die bereits an einem herkömm-lichen Selbstmanagement-Training teilgenommen haben. In diesem Fall sind die üblichen Ratschläge und Tipps zum Selbstmanagement bereits erfolgt. Auch haben die Teilnehmer ihre eigenen Erfahrungen bezüglich des geringen Komplexitätsgrads bearbeitbarer Ziele und der geringen Nachhaltigkeit erlernter Strategien gemacht (vgl. Kap. 3). Es ist zu vermuten, dass dies die Empfänglichkeit für das hier entwickelte Programm beträchtlich steigert.

Stärkung der Selbstmanagement-Kompetenz und der „inneren Freiheit“ durch die Beratung

Neben der Entwicklung und Anwendung von Selbstmanagementstrategien finden sich weitere Hinweise darauf, dass die Teilnehmer im Programmverlauf tatsächlich ihre Selbstmanagement-Kompetenz nutzten. Erstens veränderte sich die Selbstwahrnehmung dahingehend, dass eine intensivere Klarheit über sich selbst (wer bin ich?) und die eigenen Ziele (was will ich?) verspürt wurde. Landmann et al. (2005) verweisen auf die Bedeutung von Selbstmanagementfähigkeiten, um eine derartige (berufliche) Selbstklärung herbeizuführen. Zweitens decken sich einige der auf individueller Ebene berichteten Veränderungen mit den affektiven und kognitiv-motivationalen Prozessindikatoren erfolgreicher Selbstführung, die Müller (2003b) unterscheidet. Erfolgreiches Selbstmanagement ist ihm zufolge unter anderem an den „Erlebenszustände[n] […], die proaktive Orientierungen auf dem Weg zur beruflichen Selbstverwirklichung wach halten oder verstärken“ (S. 182) abzulesen. In diesem Zusammenhang deutet einiges darauf hin, dass das Programm die Akteursperspektive der Teilnehmer stärkt. Manchen Teilnehmern wurde im Rahmen der Programmteilnahme besonders bewusst, dass es in ihrer eigenen Verantwortung liegt, ihr Leben in Einklang mit ihren Zielen zu gestalten. Probleme wurden erkannt und ange-gangen. Dieses intensive Gefühl der Eigenverantwortung hat nichts mit dem „Just-do-it“-Aktionismus vieler Selbstmanagementratgeber gemein. Denn die eigenen Veränderungsmög-lichkeiten wurden bei der Übernahme von Verantwortung für gewünschte Resultate nicht über-schätzt. Die Teilnehmer hatten im Rahmen des Programms die Möglichkeit, die Auswirkungen ihres Handelns auf ihren sozialen Kontext zu reflektieren. Die Einsicht, dass es gilt, bei sich selbst anzufangen, mündete gerade deswegen nicht in blinden Aktionismus, weil der Blick für die anderen (und damit für die Begrenzungen des eigenen Handelns) erhalten blieb. Die eigene Präsenz ermöglichte eine klare Positionierung in der Interaktion. Einzelne Teilnehmer machten die Erfahrung, dass allein ihre innere Klarheit genügte, um andere zu einem Handeln im Sinne ihrer Ziele zu bewegen. So ist die Stärkung der individuellen Akteursperspektive, die das Pro-gramm leistet, als Voraussetzung für das Initiieren erfolgreichen Selbstmanagements zu sehen. Denn so lange Einzelne der Ansicht sind, im System „gefangen“ zu sein und keine Veränderun-gen herbeiführen zu können, ist ein erfolgreiches Handeln unwahrscheinlich.

Neben dem Bewusstsein, das eigene Leben gestalten zu können, manifestiert sich eine „innere Freiheit“ – in Kap. 2 als grundlegendes Merkmal des Selbstmanagementgedankens skizziert – auch in einer hohen Verhaltensflexibilität. Viele Teilnehmer berichteten, dass sie durch die Inter-ventionen des Programms Zugang zu neuen Denkmustern und Perspektiven fanden und zu neuen Erkenntnissen gelangten. Einige nahmen neue Blickwinkel ein, andere realisierten alter-

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native innere Haltungen. Alle Teilnehmer erlebten, vermeintlich Bekanntes (z.B. die Teamkolle-gen) anders wahrzunehmen. Einige Personen hatten sogar den Eindruck, mentale Blockaden zu überwinden. In Summe sprechen diese Beobachtungen dafür, dass durch das Interventionspro-gramm zumindest eine höhere Flexibilität im psychischen Verhalten erreicht wurde. Dies ging mit der Anwendung vielfältiger Selbstmanagement-Strategien einher. Die Teilnehmer gaben wiederholt an, dass sie ihre Verhaltensänderungen auf die Beratung zurückführten. Daher kann angenommen werden, dass auf der Handlungsebene ebenfalls ein Mehr an Flexibilität erreicht werden konnte. Auch, dass viele Teilnehmer im Evaluationsinterview über eine Zunahme an Zufriedenheit und Wohlbefinden sowie ein verringertes Stressempfinden berichten, deutet auf erfolgreiches Selbstmanagementhandeln hin. Denn Letzteres korreliert mit Zufriedenheit und verminderter körperlicher Beanspruchung (Bissels et al., 2006). Auch greifen Coaches bei der Evaluation von Selbstmanagement-Kompetenzen auf genau diese Kriterien zurück (Buhl et al., 2007).

Selbstmanagementunterstützung durch das Team

Das Programm unterstützte einzelne Teammitglieder nicht nur auf direktem Wege in ihrem Selbstmanagementhandeln, wie dies etwa im Einzelcoaching oder durch individuelle Reflexions-momente in den Workshops der Fall war. Die Aussagen der Teilnehmer deuten darauf hin, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Verbesserungen durch Veränderungen im Team zustande kam. Zwar nahm die Hälfte der Stichprobe, darunter insbesondere Personen mit Zielen, die we-nige Schnittstellen zum Team aufweisen, nur wenige Bezüge zwischen Teamprozess und dem eigenen Selbstmanagement-Projekt wahr. Etwa zwei Drittel der Teilnehmer profitierten jedoch auf unterschiedliche Art und Weise von der Arbeit mit ihrem Team: Durch Veränderungen der Selbstwahrnehmung, durch die Korrektur von Erwartungserwartungen, durch eine stärkere Si-cherheit, welche die Umsetzung von Abgrenzungsstrategien erleichterte, sowie durch direkte und indirekte Unterstützung der übrigen Teammitglieder.

Für einige Teilnehmer ergaben sich Änderungen in der Selbstwahrnehmung (hin zu einer stärke-ren Selbstklarheit) erst durch die Auseinandersetzung mit dem Team. Derlei Effekte sind schon lange bekannt. Cooley prägte 1902 den Begriff des „looking glass self“. Seiner Meinung nach wird das Selbst in der sozialen Interaktion geformt. Im Selbst gruppiert sich die Vorstellung von dem, was (wichtige) andere über uns denken. Doch werden die Erwartungen der anderen an die eigene Person einem Gedanken Meads (1934) folgend nicht bloß internalisiert. Sie werden zum Gegenstand der Reflexion und können sowohl zurückgewiesen als auch angenommen werden. So deuten auch die Ergebnisse dieser Studie darauf hin, dass die individuelle Ausrichtung vom Dialog mit den übrigen Teammitgliedern und der Abgrenzung von ihren Standpunkten profitierte. Eine klare individuelle Zielvision wiederum begünstigte das Selbstmanagementhandeln.

Durch Veränderungen im Team fielen einigen Teilnehmern Abgrenzungsstrategien leichter, was sich sehr positiv auf die Selbstmanagement-Projekte dieser Teilnehmer auswirkte. Dieser Effekt war vermittelt durch Veränderungen im Teamklima. Die Teilnehmer erlebten infolge des gestie-genen Vertrauens eine stärkere emotionale Sicherheit. Sie fühlten sich als Mensch und Team-mitglied geschätzt und befürchteten nicht, dass diese Wertschätzung abbräche, wenn sie indivi-duelle Bedürfnisse formulierten oder Nein sagten. Darüber hinaus erfuhren die einzelnen Teammitglieder ein stärkeres Maß an Unterstützung aus dem Team. Zum Teil handelte es sich dabei um eine indirekte Unterstützung: Teamkollegen tolerierten das Selbstmanagementvorha-ben, nahmen vermehrt Rücksicht oder sahen von weiteren Anforderungen ab. Ebenfalls regist-riert wurden konkrete Hilfeleistungen und emotionale Unterstützung.

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Abb. 18: Zusammenfassung der beobachteten Veränderungen und Hypothesen über Wirkungspfade

Finale Bewertung der Unterstützungsleistung des Programms

Abb. 18 fasst die beobachteten Veränderungen auf individueller Ebene und Teamebene sowie die vermuteten Zusammenhänge und Einflüsse zusammen. Diese wurden bereits an anderer Stelle (Kap. 11, s.o.) diskutiert und werden hier nicht wiederholt. Die Durchführung hat gezeigt, dass das Programm zu diesen Veränderungen einen nützlichen Beitrag leisten kann. Ebenfalls wurde deutlich, dass eine substanzielle Wirkung bei einzelnen Teilnehmern und auch gesamten Teams auftreten kann. Die Intensität und bisweilen auch die Art der Wirkungen variieren jedoch interindividuell und zwischen den Teams. Dies ist nicht weiter überraschend, sondern ein Aus-druck des „Technologiedefizits“, das Kühl (2008a) zufolge Beratungstätigkeiten anhaftet. Letzte-res ergibt sich daraus, dass Beratungsleistungen in Interaktion erbracht werden:

„Der Klient muss, da es beim ‚People Processing’ um die Änderung der Person geht, aktiv an der Leistungserbringung mitwirken. […] die Erreichung des Ziels ist letztlich nur möglich, wenn die Leistungsempfänger bereit sind, sich selbst zu verändern“ (ebd., S. 10f.).297

Oder, wie der Abteilungsleiter von Team 2 salopp formulierte: „Man kann keine Pferde zum Sau-fen zwingen“. Genau wie Selbstmanagement nicht fremdbestimmt verordnet werden kann, ist auch der Erfolg einer Selbstmanagement-Intervention in hohem Maße an den Veränderungswil-len der Teilnehmer geknüpft. Auf die herausragende Bedeutung dieser Variable ist im Rahmen klassischer Selbstmanagementprogramme vielfach hingewiesen worden:

297 Der Autor vergleicht Beratungstätigkeiten z.B. mit Schulunterricht oder ärztlichen Behandlungen und meint: „Der Organisations-berater mag zwar durch eine intensive Vorbereitung von Workshops eine Reihe von möglichen Problemen erahnen und diese zu vermeiden suchen, aber letztlich gibt es keine erfolgsgarantierenden Regeln für die Durchführung der Workshops. Ein Coach oder eine Supervisorin mögen sich bewährte Frageroutinen zulegen, aber letztlich haben sie keine Sicherheit, dass diese Frageroutinen zu den erhofften Ergebnissen führen. Selbst Seminarleiter, die ein bestimmtes Training bereits fünfzehn Mal durchgeführt haben, können keine Erfolgssicherheit bezüglich des Seminarkonzeptes geben“ (Kühl, 2008a, S. 10).

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„First, some individuals may not want to self-manage or be self-managed. They feel perhaps that they are already effectively managing themselves. Second the person must possess a strong commitment to change. Without a firm belief on the individual’s part that he or she wants to set and commit to the goals of self-management, efforts in that direction are likely to be fruitless“ (Frayne & Geringer, 2000, S. 370; vgl. Kanfer et al., 2000).

Auch die Evaluationsforschung lehrt, dass „selbst allgemein erfolgreiche Interventionsmaßnah-men nicht bei allen Klient(inn)en positive Wirkungen haben“ (Brezing, 2000, S. 14). Doch da nicht jeder Teilnehmer in gleichem Maße vom Programm profitieren konnte, fällt eine Bewer-tung, in welchem Ausmaß das Interventionsprogramm allgemein erfolgreich war, schwer. Um zu einer realistischen Einschätzung zu gelangen, sollten daher die grundsätzlichen Erfolgsaussich-ten psychologischer Interventionsmaßnahmen und die Erfolge klassischer Selbstmanagement-Trainings berücksichtigt werden. Siebert (1999) weist in diesem Zusammenhang auf den engen Rahmen hin, welcher der Entwicklung von Selbstmanagement-Kompetenz durch erwachsenen-pädagogische Programme a priori gesetzt ist:

Die Lernfähigkeit Erwachsener „erfolgt im begrenzten Rahmen ihrer Möglichkeiten, ihrer kognitiven und emotionalen Strukturen. Erwachsene verfügen über mentale ‚Driftzonen’ [Kösel 1993, S. 239], innerhalb derer Neues wahrge-nommen und assimiliert werden kann. Insofern sind alle Umerziehungsprogramme (auch in ihren modernistischen Varianten des Change- und Selbstmanagements) problematisch. Die kognitiven und emotionalen Grundmuster unse-rer Wirklichkeitskonstruktionen sind im Wesentlichen stabil und konstant“ (S. 33).

Mayer & Götz (1998) kommen in ihrer Trainingsevaluation eines 5-tägigen Trainings zur Persön-lichkeitsentwicklung zu ähnlichen Schlussfolgerungen:

„Wenn die Schale zu hart ist, sind die fünf Tage wirkungslos vorübergegangen. […] Alle Interviewpartner sehen die Möglichkeiten einer Veränderung, die durch ein fünftägiges Seminar initiiert werden können, als sehr begrenzt an“ (S. 284).

Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass an Selbstmanagement-Trainings in der Regel verände-rungsmotivierte Personen, die sich selbst zum Training angemeldet haben und gezielte Lösun-gen suchen, teilnehmen. Für das vorliegende Programm wurden jedoch Teilnehmer in möglichst vollständigen Teams gesucht. In einem Team mischen sich Interessenslagen. Bedarf und Ände-rungsmotivation sind unterschiedlich ausgeprägt. Auch der Zeitpunkt der Interventionen liegt für die Teammitglieder unterschiedlich günstig. Dass dennoch der Großteil (ca. 90 %) der Teilneh-mer ein Ziel formulierte und auch die Motivation entwickelte, dieses aktiv zu verfolgen, kann als Verdienst des Programms gewertet werden. Das Interventionsprogramm, wie es hier durchge-führt wurde, unterstützt Organisationsmitglieder bei ihrer individuellen Zielformulierung und -verfolgung selbst komplexer Ziele. Allen Teilnehmern gelang es, eigene Selbstmanagement-Strategien zu entwickeln. Eine Vielzahl dieser Strategien wurde in die Tat umgesetzt. Die indivi-duelle Zielerreichung profitierte davon in den allermeisten Fällen. Somit kann gefolgert werden, dass das Programm insgesamt eine wirkungsvolle Unterstützung des Selbstmanagements von Teammitgliedern in Organisationen leistet. Personen, die zur Erreichung ihres Selbstmanage-ment-Ziels auf das Wohlwollen ihres Teams angewiesen waren, konnten vom Programm be-sonders profitieren.

12.2.5 Nachhaltigkeit

Grundlage für die Einschätzung der Nachhaltigkeit bilden die Erfahrungen der Teilnehmer bis zu sieben Monate nach der Intervention. Mit Hypothese 4 wurde angenommen, dass der Prozess als nachhaltige Veränderung erlebt würde.

Allen Personen, die ihr Ziel verfolgten, gelangen zumindest einige nachhaltige Fortschritte. Die Nachhaltigkeit der Zielerreichung war bei der Hälfte dieser Gruppe hoch bis sehr hoch. Bei wei-teren 50% blieb ein Teil der Veränderungen stabil, während zugleich andere Veränderungen an Nachhaltigkeit einbüßten. Dass Personen, die ihr Ziel nicht verfolgten, nur eine geringe Nachhal-

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tigkeit der Veränderungen erlebten, überrascht wenig. Da bei der Formulierung mehrerer Ziele die Nachhaltigkeit mindestens eines Ziels litt, sollten Teilnehmer bei einer zukünftigen Durchfüh-rung des Programms darauf hingewiesen werden, sich nicht mehr als ein Ziel vorzunehmen. Dass Team 1 in Bezug auf die Nachhaltigkeit der Zielerreichung mindestens vier Monate nach der Intervention am besten abschnitt, lässt sich damit erklären, dass sich in diesem Team viele Mitglieder konkrete, abschließbare Projekte zum Ziel gesetzt hatten. Bei einem konkreten Pro-jekt wie beispielsweise einer Dissertation ist Nachhaltigkeit sowohl leichter zu erreichen als auch zu beurteilen als bei der Verfolgung von mehr Gelassenheit im Berufsalltag. Doch die Ergebnis-se zeigen, dass auch dauerhafte, übergreifende Ziele zum „Selbstläufer“ werden können, wenn sie von relevanten Personen positiv verstärkt werden. So kann beispielsweise die Abgrenzung innerhalb des Teams zur Erzielung von mehr Freizeit wirkungsvoll verfolgt werden, wenn das Selbstmanagementhandeln von positivem Feedback von Familie und Freunden begleitet wird. 30% der Personen, die ihr Ziel verfolgten, erlebten einen solchen Effekt zumindest phasenwei-se.

Die nachhaltigsten Veränderungen durch das Programm sehen die Teilnehmer bei sich selbst, in ihrer Selbstwahrnehmung, ihren Haltungen und Kompetenzen. Mehr als die Hälfte der Stich-probe (58%) registriert hier vier Monate nach Programmabschluss eine hohe oder sehr hohe Nachhaltigkeit. Ein Drittel der Teilnehmer sieht eine mittlere Nachhaltigkeit der Veränderungen bei sich selbst. Dies unterstreicht die Aussage, dass im Rahmen des Programms in erster Linie die Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen im Vordergrund steht. Das Interventionsprogramm konnte in einigen Fällen präventiv vor negativen Auswirkungen hoher Belastung schützen. So-wohl die entwickelte Aufmerksamkeit für die eigenen Bedürfnisse als auch die Integration hilfrei-cher Selbstmanagement-Strategien in den Alltag tragen zur Stressprävention bei. Insbesondere in Form von Ritualen werden Selbstmanagement-Strategien auch längerfristig angewandt. Eini-ge Teilnehmer sind der Meinung, dass sie erst in zukünftigen Belastungssituationen verstärkt auf das Gelernte zurückgreifen werden.

Die Nachhaltigkeit der Veränderungen im Team fällt stichprobenübergreifend geringer aus als auf individueller Ebene. So konnten sich die Veränderungen nur in zwei Teams mit mittlerer bis hoher Nachhaltigkeit stabilisieren. Da ein Team vollständig aufgelöst wurde, verwundert hier, dass drei Personen trotz dieses Umstands eine mittlere Nachhaltigkeit der Veränderungen im Team erleben. Die Veränderung einzelner Beziehungen scheint den Fortbestand des Teams zu überdauern. Dies lässt die Aussage zu, dass selbst in Teams, in denen die Veränderungen auf Teamebene wenig nachhaltig sind, Einzelpersonen durchaus vom Programm profitieren können. Die Nachhaltigkeit der neuen subjektiven Deutungen, Personenwechsel und Interaktionsmuster im Team war in den betrachteten Fällen gegeben. Soziale Regeln scheinen dagegen einer stän-digen Erneuerung zu bedürfen. Gelingt es, Veränderungen dieser Regeln in der Arbeitsorgani-sation zu verankern (z.B. dadurch, dass Zusammensetzung und Rollen in Arbeitstreffen sowie deren Inhalte und Ablauf neu strukturiert werden), so scheint die Nachhaltigkeit wahrscheinli-cher. Veränderungen ungeschriebener Regeln, wie etwa das Streben nach Ressourcenbalance der Teammitglieder, bedürfen einer wiederholten Reinstitution.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Nachhaltigkeit der Veränderungen im Team grund-sätzlich möglich ist. Sie scheint von mehreren Faktoren abzuhängen:

� Der Stabilität des Teams: Auch wenn das Ausscheiden einzelner Personen ohne Auswirkung auf die Nachhaltigkeit der Veränderungen im Team bleibt, so ist bei einer Auflösung des Teams inklusive Fortgang der Teamleitung die Basis für eine hohe Nachhaltigkeit der Verän-

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derungen nicht mehr gegeben. Hier handelt es sich um einen Faktor, der maßgeblich durch den Organisationskontext bestimmt wird.

� Dem Commitment der Teamleitung: Nachhaltigkeit ist wahrscheinlicher, wenn die Teamlei-tung stark in das Projekt involviert ist. Bereits das Ausmaß der Veränderungen hängt davon ab, inwiefern diese von der Führungskraft zugelassen werden. Auch das Annehmen von Kri-tik ist hier relevant. Möglicherweise wirkt die Führungskraft als Modell für ihre Mitarbeiter. Die Teamleitung kann darüber hinaus veranlassen, dass ein kontinuierliches Nachhalten der Veränderungen erfolgt.

� Veränderungen selbstmanagementrelevanter sozialer Regeln des Teams: Nachhaltige Ver-änderungen im Selbstmanagement der Teammitglieder sind nur dann zu erwarten, wenn sich die selbstmanagementrelevanten Regeln bzw. die diesbezüglich geteilten Erwartungs-erwartungen verändern. Gerade Erwartungen, die das Thema der individuellen Ressourcen-balance berühren, scheinen in diesem Zusammenhang bedeutsam. Die Nachhaltigkeit wird begünstigt, wenn es gelingt, die veränderten Regeln mit arbeitsorganisatorischen Änderun-gen zu verknüpfen. Veränderungen der sozialen Regeln des Teams scheinen wahrscheinli-cher, wenn im Prozess Leidenschaft und Veränderungsmotivation im Team entstehen. Be-günstigend wirken ein hoher Leidensdruck, das richtige Kairos und eine gute Passung zur Zielgruppe des Programms, die es den Teilnehmern ermöglicht, sich auch auf „tiefe“ Inter-ventionen einzulassen.

Betrachtet man alle Aspekte der Nachhaltigkeit insgesamt, so ist zu berücksichtigen, dass die Nachhaltigkeit des Programms durch den hohen Anteil männlicher Teilnehmer (80%) Gintner & Poret (2001) zufolge noch unterschätzt sein dürfte.298 Die für die Zielsetzung des Programms entscheidenden Nachhaltigkeitsfaktoren konnten dennoch weitgehend erreicht werden: Die Nachhaltigkeit der Zielerreichung ist als sehr zufriedenstellend zu werten. Im Zuge dieser Beur-teilung ist zu bedenken, dass bei herkömmlichen Selbstmanagement-Trainings bereits nach wenigen Wochen Rückfälle in alte Verhaltensmuster beobachtet werden. Dass die Teilnehmer auf individueller Ebene am stärksten profitieren, deckt sich mit der Zielsetzung der Interventio-nen. Da sich die Interaktions- und Kommunikationsmuster stabilisierten, ist davon auszugehen, dass die Teilnehmer auch im Teamkontext längerfristig in ihrem Selbstmanagementhandeln Unterstützung finden. Offen bleibt jedoch, wie neue soziale Regeln nachhaltig am Leben gehal-ten werden können.

298 Denn Frauen wenden Gintner & Poret (2001) zufolge Selbstmanagement-Strategien grundsätzlich länger an als Männer (vgl. Kap. 3).

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Bewertung der Studie 279

13 Bewertung der Studie

Für eine abschließende Bewertung der Arbeit werden Grenzen und Schwächen der Studie dis-kutiert. Dies betrifft sowohl Aspekte der Gegenstandskonstruktion als auch Konsequenzen der gewählten Methode. Danach verdeutlicht eine Zusammenfassung die wesentlichen Arbeits-schritte und Erkenntnisse.

13.1 Grenzen und Schwächen der Studie

13.1.1 Gestaltung des Untersuchungsgegenstands

Einige Schwierigkeiten bei der Umsetzung lassen sich auf die Verwendung des Selbstmanage-mentbegriffs, die fehlende Bedarfserfassung bei der Zielgruppenauswahl und eine unzureichen-de Berücksichtigung struktureller Aspekte zurückführen.

Präzision und Verwendung des Selbstmanagementbegriffs

Der Selbstmanagementbegriff dieser Arbeit wurde in der Auseinandersetzung mit der Wissen-schaft einerseits und der Praxis andererseits gebildet. Als Vertreter aus der Praxis wurden je-doch Coaches befragt. Somit fand keine Überprüfung der Konnotation des Begriffs an der Ziel-gruppe der Projekte statt. Die Erprobung zeigte, dass viele Teilnehmer eine sehr klare Interpre-tation des Selbstmanagementbegriffs hatten, die sich jedoch nicht unbedingt mit der Definition dieser Arbeit deckte. Für viele bedeutet Selbstmanagement schlicht die Anwendung bewährter Techniken zur Optimierung der eigenen Zeitgestaltung. Wie bereits in Kapitel 2 diskutiert, legt die Verwendung des Selbstmanagementbegriffs den Effizienzgedanken nahe. Es wurde nicht bedacht, dass viele Personen damit ebenfalls einen technisch-interventionistischen Zugriff ver-binden. Somit kann der wiederholt geäußerte Wunsch der Teilnehmer nach Expertenberatung als „selbst verstecktes Osterei“ (Simon, 1995, S. 80) bezeichnet werden. Die Begriffswahl fördert möglicherweise die von Kanfer et al. (2000, S. 158) als „Drive-in-Syndrom“ bezeichnete Erwar-tung, man könne in einer Reparaturwerkstatt morgens seine Probleme abgeben und am Abend alles in bester Ordnung wieder abholen, während sich zwischenzeitlich Dienstleister mühen, eine Lösung zu finden (bzw. die richtigen Techniken zu servieren). Dass sich trotz der Verbrei-tung eines derartigen Verständnisses beinahe alle Teilnehmer auf ein Programm zur Persön-lichkeitsentwicklung einließen, unterstreicht ihre Offenheit, ihren Mut und ihre Lernfähigkeit. Mo-ser (1977, S. 32) meint, dass die Entwicklung von Begriffen im Rahmen von Aktionsforschungs-projekten ein wesentlicher Teil des stattfindenden Lernprozesses ist. In diesem Projekt verän-derte sich auch der Selbstmanagementbegriff vieler Teilnehmer. Anstelle der Erzielung höchst-möglicher Effizienz stand zuletzt stärker die persönliche Effektivität im Vordergrund. Einzelne Teilnehmer hielten jedoch an ihrer ursprünglichen Begriffsdefinition fest. Ihnen zufolge trug das Projekt den falschen Titel. Um diese Unschärfe zu vermeiden, wäre es ratsam gewesen, bei der Begriffsentwicklung nicht mit Experten, sondern mit Zielgruppenvertretern zusammenzuarbeiten.

Zielgruppendefinition und -selektion

Bei der Auswahl der Stichprobe wurde eine Bedarfserfassung vernachlässigt. Es wurde davon ausgegangen, dass durch den hohen Aufwand bei der Durchführung eine Selbstselektion der Teams stattfinden würde. Teams, die Interesse am Projekt zeigten, wären dieser Logik zufolge auch die Teams, für die alle Teilnahmevoraussetzungen zuträfen. Potenzielle Teilnehmer sollten

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nicht durch aufwändige Pretests oder Fragenkataloge „vergrault“ werden. Im Rahmen der prak-tischen Durchführung überwog dann die Freude, überhaupt Teilnehmer zu finden, die allzu skeptische Prüfung, ob die Kandidaten wirklich zur Zielgruppe des Programms passten. Es zeig-te sich im Projektverlauf, dass die Personen, für die das Programm nicht geeignet war, ausstie-gen. Der durch die fehlende Passung entstandene Aufwand wäre jedoch vermeidbar gewesen und hätte für die Findung geeigneter Teilnehmer aufgebracht werden können. Zur Verteidigung des Vorgehens ist anzumerken, dass die Zielgruppenmerkmale zunächst theoretisch hergeleitet wurden und die Gewichtung einzelner Merkmale (z.B. wie wichtig die kontinuierliche und tat-sächliche Zusammenarbeit im Team ist) vor der Erprobung nicht abzusehen war. Bereits eine grobe Überprüfung des grundsätzlichen Veränderungsbedarfs bzw. der Veränderungsbereit-schaft vorab (z.B. via Checkliste, Reflexionsbogen, Mails an die einzelnen Teammitglieder) hätte die Durchführung jedoch um ein Vielfaches erleichtert. Eine Feststellung der Änderungsmotiva-tion konnte beim gewählten Vorgehen erst im ersten Workshop und im Einzelcoaching erfolgen. Dem ist entgegenzuhalten, dass viele Teilnehmer erst im Zuge ausgiebiger Reflexion das Prob-lembewusstsein entwickelten, welches Veränderungsmotivation überhaupt erst entstehen ließ.

Berücksichtigung sämtlicher Auftraggeber

Die Gefahr – wie hier geschehen – Beratungsprojekte ohne eigentlichen Auftrag ins Leben zu rufen, liegt darin, dass Veränderung vor allem vom Berater gewünscht wird – was das Konzept der Beratung ad absurdum führt. Zwar wurde versucht, sich während der Interventionen nicht zu sehr „auf die Seite der Veränderung zu stellen“. Doch bereits das Zustandekommen des Pro-jekts und der Rahmen der Interventionen suggerieren eine Veränderungsabsicht, die, wie Gester (1993) nachfolgend für den Bereich des Interviews illustriert, einer hilfreichen Qualität der Interventionen abträglich sein kann:

„In vielen Fällen sollte gelungenes Interviewmanagement sogar den Verzicht auf jegliche Veränderungsabsicht des Fragestellers bedeuten. Allein der Problemlösungsanspruch eines Interviewers kann bereits eine Übersteuerung im Gesprächsmanagement bedeuten. Taoistische Ziellosigkeit des Interviewers führt häufig am leichtesten zum Ziel, auch wenn den Gesprächsbeteiligten vor, während und nach dem Gespräch nicht klar ist, wohin die Wege führen“ (Gester, 1993, S. 156).

Es geht um die Frage der „Ownership“ für den Prozess: Die Klienten sollten das Projekt als ei-gene Sache sehen, am Erfolg des Vorhabens interessiert sein und die Energie mobilisieren, die einen Erfolg wahrscheinlich macht (Doppler & Lauterburg, 2005). Dass die Initiative für das Pro-jekt von der Beraterin ausging und die Teilnehmer für die Maßnahme weder Freizeit noch Kos-ten investieren mussten, brachte schlechte Voraussetzungen für diese Zielsetzung mit sich.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wer bei einer zukünftigen Programmimplemen-tation als Auftraggeber des Projekts zu berücksichtigen wäre. Adressat der Maßnahme sind Ein-zelpersonen in ihrem Teamkontext. Das Team interessiert im Projekt in seiner Funktion als Rahmen für das individuelle Selbstmanagement. Somit ist der Auftraggeber im Grunde jeder einzelne Teilnehmer. Da das Projekt jedoch in einem Team- und Organisationskontext stattfin-det und von diesem Kontext entsprechende Ressourcen wie Arbeitszeit, Räumlichkeiten etc. bereitgestellt werden, sind Geschäftführung (und natürlich) Teamleitung ebenfalls als Auftragge-ber einzubeziehen. Mit der Teilnahme sind organisationsintern in der Regel auch spezifische Erwartungen seitens dieser Anspruchspersonen verbunden. Es ist zu vermuten, dass Ge-schäftsführungsvertreter davon ausgehen, dass, ähnlich wie bei einem Coaching, eine „Stützung der Selbstmanagementfähigkeiten einer Person in ihrer Rolle als Organisationsmitglied“ (Kühl, 2008a, S. 122) erfolgt. Dies ist jedoch nicht ganz korrekt. Denn im Programm steht die Beratung der „ganzen Person“ im Vordergrund. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass es für das Pro-gramm unerheblich war, ob die Personen private oder berufliche Ziele wählten. Die Teilnehmer

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sollen als Menschen vom Programm profitieren und nicht (bloß) als Organisationsmitglieder. Dies erklärt auch die Ambivalenz, die manche Personen in ihrer Kosten-Nutzen-Einschätzung ausdrückten. Andererseits fand gerade die fehlende Trennung zwischen beruflicher und „sonsti-ger“ Person bei vielen Teilnehmern großen Anklang. Es erscheint gar nicht möglich, diese Tren-nung in einem Selbstmanagement-Programm, das wirklich bedeutsame Fragen und Anliegen der Teilnehmer adressiert, aufrechtzuerhalten. Doch für den Berater bahnt sich möglicherweise ein Loyalitätskonflikt an, je nachdem, welcher Interessensgruppe er gerecht zu werden sucht. Es ist kritisch anzumerken, dass im Rahmen der Erprobung des Programms die Erwartungen der Geschäftsführung (bzw. der Leitung der Teamleitung) außer Acht gelassen wurden. Doch in der vorliegenden Form dürfte es mit dieser Maßnahme generell schwer fallen, auch einer Geschäfts-führung gerecht zu werden, deren Erwartungen sich nicht mit der Veränderungsrichtung des Programms decken. Die Konsequenz ist schlicht, dass sich in Organisationen – außerhalb des Forschungsrahmens – möglicherweise kein Auftraggeber für das Programm findet. Denn die Fürsorgepflicht der Organisationsvertreter reicht nicht ins sogenannte „Privatleben“ der Organi-sationsmitglieder hinein. Wie im kontinuierlichen Praxiseinsatz des Programms die Interessen aller berücksichtigt werden können, bleibt in dieser Studie offen.

Berücksichtigung struktureller Aspekte

Zugunsten der Praktikabilität konzentrierte sich die Studie auf Teams. Damit wurden einige sys-temstrukturelle Aspekte unzureichend berücksichtigt. Die Fokuslegung rückt Kleingruppenphä-nomene in den Vordergrund und lässt dadurch einige Themen, die von den Teams ebenfalls als relevant für die Fragestellung erachtet wurden, außer Acht. So wiesen die Teilnehmer in Team 2 beispielsweise darauf hin, dass die „interne Kommunikation“ und der „politische Kontext“ von Bedeutung seien. Da diese Themen jedoch auf eine höhere Systemebene verweisen, waren sie auf der Teamebene nicht bearbeitbar.

Auch der Einfluss der vorherrschenden Organisationskultur wurde im Projekt vernachlässigt. Die Bedeutung von Vertrauen im Unternehmen, die etablierten formellen und informellen Kommuni-kationsstrukturen und die im Unternehmen anerkannten Werte sind jedoch Dimensionen, die das Projekt beeinflussen. Die Ergebnisse der Pilotprojekte legen nahe, dass das Programm zugleich auf die (Team-)Kultur zurückwirkt. Insofern stellt die Organisationskultur eine Variable dar, die es bei der zukünftigen Umsetzung von Selbstmanagement-Projekten in Organisationen zu berücksichtigen gilt. Es herrschen unterschiedliche Auffassungen darüber, wie vertraut ein Berater vor einer Intervention mit dem beforschten System sein müsse. Strenge „Systemiker“ argumentieren häufig, dass man vorab nichts wissen müsse, da man das System ohnehin nie „verstehen“ könne. Die Aktionsforschung dagegen hält eine intime „Kenntnis der Sprache, Re-geln und Konventionen des je anderen Systems“ (Moser, 1995, S. 85) für unerlässlich. Ein guter Mittelweg kann darin gesehen werden, dass das Projekt in wesentlichen Bereichen an Vorhan-denes anknüpfen muss, um erfolgreich sein zu können (Stichwort Anschlussfähigkeit) jedoch auch den Bruch mit bestimmten Traditionen nach sich ziehen sollte, damit sich substanzielle und nachhaltige Veränderungen in den Rahmenbedingungen für individuelles Selbstmanagement ergeben können. Letztlich bleibt es jedem Berater selbst überlassen, das Maß an Informationen über die Organisationkultur zu bestimmen, welches es ihm erlauben wird, (gerade noch) an-schlussfähige Interventionen auszuwählen. Möglicherweise sind auch kulturelle Varianten des Interventionsprogramms denkbar (etwa ein direktiveres, mehr Tipps und Techniken beinhalten-des Programm für vorwiegend technisch geprägte Organisationskulturen).

Wenig berücksichtigt wurde zudem, dass Projekte in der Regel ein Element der betrieblichen Macht- und Interessenpolitik darstellen. Da die Durchführung der Studie auch mit Ressourcen-

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Bewertung der Studie 282

fragen verknüpft war, bildete die Unterstützung durch zentrale betriebliche Instanzen wie obere Leitungsebenen oder Geschäftsführung die Voraussetzung für den Start des Projekts. In den hoch autonom arbeitenden Teams zeigte sich mit dem Einstieg in die Bearbeitung individueller Themen jedoch die Tendenz, eine Rückmeldung an die genehmigenden Leitungsebenen zu unterlassen. Auf Maßnahmen zum Projektmarketing wurde gänzlich verzichtet. Mit der Be-schränkung auf einen kleinen Arbeitsbereich erhielt das Projekt den Charakter einer „Spielwie-se“ und Insel, die nur die betroffenen Teilnehmer betraf. Dies entspricht nicht den üblichen Rah-menbedingungen für die Durchführung von Veränderungsprojekten. Die Einbeziehung der be-trieblichen Machtpromotoren ist in der Regel wichtig, um Veränderungen in der gesamten Orga-nisation langfristig zu verankern. Ein gutes Projektmarketing bei Pilotprojekten wirkt dabei häufig positiv auf die Teilnahmemotivation der Beteiligten zurück und kann den Rollout in andere Un-ternehmensteile begünstigen (vgl. Astor, Koch, Klose, Reimann, Rochhold & Stemann, 2006). Andererseits ist denkbar, dass sich das Hinzuziehen einer „Öffentlichkeit“ im Zusammenhang mit dem Thema Selbstmanagement nachteilig auf die Programmteilnehmer ausgewirkt hätte. Möglicherweise würden bestimmte Selbstoffenbarungsängste dadurch verstärkt. Dennoch sollte unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit die Frage, wie die Leitungsebenen über das Projekt informiert werden und welchen Beitrag sie zur Verankerung der Veränderungen leisten können, nicht ausgeklammert werden. Es scheint sinnvoll, die Geschäftsführung bei einer zukünftigen Programmimplementation sowohl bei der Erwartungserhebung als auch im weiteren Prozess stärker einzubinden.

13.1.2 Evaluationsdesign

Da in Kapitel 7 bereits eine Diskussion der Methodenwahl erfolgte, werden hier nur die wesentli-chen Kritikpunkte, die im Hinblick auf das gewählte Evaluationsdesign antizipiert werden, disku-tiert.

Schattenkontrollen

Im summativen Evaluationsteil dieser Studie wurde auf eine nicht-experimentelle Evaluation mit „Schattenkontrollen“299 (Rossi & Freeman, 1988, S. 158 ff.) zurückgegriffen. Die Ermittlung von „Nettowirkungen“ erfordert jedoch Vergleiche. Im vorliegenden Fall waren diese nur über Fragen der Art „Angenommen, die Beratung hätte nicht stattgefunden...“ zu realisieren. Rossi & Free-man (ebd., S. 162f.) weisen darauf hin, dass diese Art des hypothetischen Denkens in Kontroll-bedingungen vielen Teilnehmern nicht leicht fällt. Die Teilnehmer selbst waren überraschender-weise nicht um Antworten auf diese Frage verlegen. Jedoch sind Angaben zur Intensität der Wirkungen sehr schwierig zu treffen. Mit der Entscheidung für das Evaluationsdesign wurden diese Nachteile in Kauf genommen. Ohne ein Effektstärkenmaß ist jedoch eine Wirkung relevan-ten Ausmaßes nicht so zu belegen, dass sie im psychologischen wissenschaftlichen Diskurs anschlussfähig wäre. Denn es ist theoretisch möglich, dass Personen ihre Selbstmanagement-Ziele ohne eine Programmteilnahme ebenso gut erreichen.

Konfundierung von Programm und durchführender Person

Rossi & Freeman (1988, S. 123) verweisen darauf, dass die Bedingungen, insbesondere bei Demonstrationsprogrammen, die, wie im vorliegenden Fall, vom Forscher ausgeführt werden,

299 Mit Schattenkontrollen bezeichnen Rossi & Freeman (1988) eine Evaluation ohne Vergleichsgruppe, bei der zur Bestimmung der Netto-Wirkung des Programms Experten (z.B. Teilnehmer, Gutachter, Programmleiter) befragt werden.

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Bewertung der Studie 283

bei einer Ausweitung des Programms häufig nicht mehr gegeben sind. Die größte Einschrän-kung der internen Validität resultiert in dieser Studie dadurch, dass die Durchführung durch ein und dieselbe Beraterin erfolgte. Das Interventionsprogramm ist somit untrennbar von bzw. kon-fundiert mit der intervenierenden Person. Zwar wurden bei der Programmentwicklung Bemü-hungen unternommen, das Programm übertragbar zu gestalten. Drehbücher und Übungsblätter wurden dokumentiert, Hausaufgaben und Teilnehmerinstruktionen standardisiert. Doch erst die Erprobung durch einen anderen Berater könnte Aufschluss über die Robustheit des Programms gegenüber der durchführenden Person geben.

Artefakte durch die Interventionssituation

Brezing (2000) weist darauf hin, dass Interventionsbemühungen unabhängig von den Inhalten zu positiven Wirkungen führen können. Ein solcher sogenannter Hawthorne-Effekt lässt sich somit jeder Intervention ohne Vergleichsgruppe (mit Placebo-Treatment) vorwerfen. Grundsätz-lich lässt sich der Vorwurf, die positiven Ergebnisse seien anderen Faktoren als dem Interventi-onsprogramm zuzuschreiben, nicht vollständig entkräften. Ziel der Beratung war es, gemeinsam mit dem Klientensystem „Lösungswirklichkeiten“ zu konstruieren. Die dokumentierten Aussagen der Teilnehmer lassen zwar den Schluss zu, dass dies in weiten Teilen gelungen ist. Doch was genau (ob Interventionssituation, Programm, Beraterin oder Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren) zur Veränderung der Wirklichkeitskonstruktionen der Beteiligten beitragen konnte, ist im Rahmen des gewählten Evaluationsdesigns nicht zu beantworten.

Artefakte durch Forschererwartungen

Für einen großen Teil der Studie gilt, dass eine personelle Trennung von Planung, Durchführung und Bewertung mangels Ressourcen nicht vorgenommen werden konnte. Dies ist nicht unüblich (vgl. Godat & Brigham, 1999). Doch kann auf diese Weise eine Verzerrung durch die selektive Wahrnehmung der Forscherin insbesondere im Rahmen der formativen Evaluation nicht ausge-schlossen werden. Über die Reflexionen in den Workshops und die Interviews wurden keine „objektiven“ Daten generiert, sondern Aussagen bzw. Selbstbeschreibungen von Beobachtern, die durch eine Forscherintervention hervorgerufen und in der Entstehungssituation verhaftet sind (vgl. Flick, 1991a). Diese Daten wurden mittels eines Verfahrens ausgewertet, dessen „Herz-stück […], die Entwicklung der inhaltsanalytischen Kategorien, ein Interpretationsakt ist: Inhalts-analyse ist bereits in ihrer gesamten Anlage hochgradig konstruiert, und damit selbst ein Kon-strukt“ (Moser, 2004, S. 28). Dass durch den hohen Stellenwert der Beobachtung die Erkennt-nisse in ihrem Geltungsanspruch relativiert werden, darauf weist Moser (1995) hin:

„Beobachtung und Evaluation sind immer nur im nachhinein möglich – was heißt, daß Versuche, die Ergebnisse des Handelns mit dem Handeln selbst zu begründen, nachträgliche Verknüpfungen bleiben, die immer auch anders inter-pretiert werden können“ (S. 231).

Die „Beobachterabhängigkeit aller erzielbaren Ergebnisse“ (Loosen, 2004, S. 102) legt also die Kontrastierung mehrerer Beobachterperspektiven im Sinne einer Beobachter-Triangulation na-he. Bei der summativen Evaluation konnte diese Anforderung mittels einer Fremdevaluation über die Hälfte der Daten und durch den diskursiven Abgleich der unterschiedlichen Perspekti-ven umgesetzt werden. Im Fall, dass bei der konsensuellen Validierung der Interpretationen kein Konsens erreicht wurde, wurden die fraglichen Interpretationen überarbeitet. Bei der Prozess-evaluation konnte die vorgenommene Daten-Triangulation jedoch mehrere Beobachtungsper-spektiven nicht ersetzen. Eine unbewusste Einflussnahme auf Datenerhebungen, die sich im Sinne der Hypothesen auswirkt, wurde in vielen Untersuchungen nachgewiesen (Kriz et al., 1987, S. 104) und kann daher auch für dieses Studie nicht definitiv ausgeschlossen werden. Eine externe Evaluation des gesamten Interventionsprozesses, zum Beispiel über eine teilneh-

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Bewertung der Studie 284

mende Beobachtung, wäre wünschenswert gewesen.

Artefakte durch „gute Versuchspersonen“ und soziale Erwünschtheitstendenzen

Die Erwartungen der Forscherin wurden an keiner Stelle explizit kommuniziert. Auch wurden im Rahmen der Interviews (im Gegensatz zu Kehrs (2004) Evaluationsstrategie, vgl. 3.3.2) offene Fragen verwendet, welche die Teilnehmer in ihren Äußerungen über die Maßnahme nur wenig einschränkten und keinen eindeutigen Schluss über die Forschererwartungen zuließen. Man würde die Teilnehmer jedoch sehr unterschätzen, wenn man ihnen nicht zutraute, sich einen Großteil dieser Erwartungen nach beinahe einem Jahr Kontakt mit der Forscherin selbst er-schlossen zu haben. Somit ließe sich einwenden, die Versuchspersonen bemühten sich auf-grund der positiven Beziehung zwischen Forscher und Beforschten, den Forschererwartungen gerecht zu werden. Angesichts der differenzierten Rückmeldungen der Teilnehmer, in denen durchaus auch Kritik geäußert wurde, ist die Wahrscheinlichkeit eines sehr ausgeprägten Effekts jedoch als gering einzuschätzen. Rossi & Freeman (1988, S. 107) zufolge sind diese Effekte in der Praxis ohnehin meist „unbedeutend“.

In dem vorliegenden Evaluationsrahmen kann ebenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass sozial erwünschte Angaben gemacht wurden. Die hohen Bewertungen der Beraterin im Frage-bogen zur Prozessqualität etwa entspringen möglicherweise der Motivation der Teilnehmer, die Beziehung zur Beraterin zu stärken. Dass die Teilnehmer gebeten wurden, auf den Bögen ihre Namen anzugeben, ist in diesem Zusammenhang kritisch zu betrachten. Vom heutigen Stand-punkt aus wäre eine anonyme Befragung sinnvoller gewesen. Denn die Auswertung der Bewer-tungen der Prozessqualität im Projektverlauf je Teilnehmer (für die die Namenszuordnung vor-genommen wurde), zeigt, dass diese Bewertungen ohnehin nur sehr geringfügig voneinander abweichen.

Artefakte durch das Evaluationsdesign

Da die Teilnahme am Interventionsprogramm mit vielen Anstrengungen verbunden war, er-scheint es zwar unwahrscheinlich, dass allein das Wissen um die Evaluation im Rahmen der Dissertation zu einer „besondere[n] Anstrengung der Betroffenen zum Erzielen guter Ergebnis-se“ (Wottawa & Thierau, 1998, S. 166) geführt habe. Da diese Anstrengung jedoch beabsichtigt war, könnte faktisch nur die weitere Programmerprobung ohne Dissertationskontext darüber Aufschluss geben. Eine weitere Variante, positive Evaluationsergebnisse als Artefakt der For-scher-Beforschten-Beziehung zu interpretieren, zeigt Kühl (2008b, S. 17f.) auf. Er beschreibt, wie es in Beratungsprojekten innerhalb von Organisationen häufig zu einer „Ensemblebildung“ zwischen Berater und Klienten kommt, wenn das Projekt gegenüber Dritten der Legitimation bedarf. Da die Klienten die Ergebnisse der Beratung in „Co-Produktion“ erstellen, sind positive Urteile vorprogrammiert:

„Schon durch die Entscheidung, eine Beratung zu beginnen oder auch nur an einem Training teilzunehmen, über-nimmt ein Klient Verantwortung für den Prozess. Diese Verantwortung erschwert es ihm, die Beratung später als negativ einzuschätzen. […] Je länger ein Beratungsprozess andauert, desto ausgeprägter wird zudem die Selbstbin-dung der Beratenen, die sich ja mit jeder weiteren Sitzung und jedem weiteren Workshop dafür entschieden haben, das Beratungsprojekt fortzuführen“ (Kühl, 2008b, S. 18).

Dissonanztheoretisch erscheint diese Erklärung für positive Evaluationsergebnisse trotz mäßiger Erfolge höchst plausibel. Entscheidend für eine Ensemble-Bildung ist jedoch die Rechtferti-gungssituation, welche durch das Vorhandensein einer dritten Partei entsteht (ebda.). An dieser Stelle gereicht also die Tatsache, dass die Geschäftsführung in den Prozess so wenig involviert war, zum Vorteil. Es ließe sich zwar argumentieren, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft als Adressat der Dissertation eine solche Partei darstelle. Jedoch spielte die Veröffentlichung

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der Ergebnisse für die Teilnehmer im Beratungsprozess eine sehr untergeordnete Rolle. Zudem erzeugt die wissenschaftliche Öffentlichkeit bei den Teilnehmern keinen Legitimationsdruck. Es ist zu erwarten, dass sich die Teilnehmer ihr gegenüber eher zur „Wahrheit“ verpflichtet sehen. In jedem Team wurde im Vorgespräch zur Maßnahme auch die Möglichkeit diskutiert, dass die gewünschten positiven Ergebnisse ausbleiben könnten. Da kein weiteres Publikum wie organi-sationsinterne Dritte oder wissenschaftliche Beiräte die Maßnahme begutachtete, scheint die Validität der Ergebnisse in diesem Punkt wenig eingeschränkt.

Transferlücke hinsichtlich des Organisationserfolgs

Zum gewählten Evaluationsdesign ist kritisch anzumerken, dass es lediglich die Perspektiven der Teilnehmer berücksichtigt und in diesem Zusammenhang zu wenig auf die Veränderungen in der alltäglichen Arbeitspraxis fokussiert. Die Evaluation hätte durch die Einbindung weiterer organisationsinterner Perspektiven außerhalb des Teams bereichert werden können. Es wäre aufwändig, aber auch sinnvoll gewesen, ebenfalls diejenigen Personen zu befragen, die Verän-derungen im Arbeitsverhalten der Teilnehmer feststellen könnten. Diese Vorgehensweise wurde hier nicht gewählt, um zum einen Aufwand zu minimieren und Umsetzungsschwierigkeiten300 zu vermeiden. Dennoch wäre eine Befragung der Vorgesetzten aufschlussreich gewesen. Zwar stellen die Teilnehmer als Experten für das Interventionsprogramm die primäre Zielgruppe für die Evaluation dar. Auch hatten sie den Eindruck, dass die Maßnahme sich direkt auf ihre Arbeit beziehe. Doch durch die Selbstbeobachtung der Teilnehmer kann der mittels der Maßnahme erreichbare Organisationserfolg nur schlecht beurteilt werden. Eine Transferlücke kann folglich nicht ausgeschlossen werden. Ein Modell, welches häufig für Output-Evaluationen herangezo-gen wird, ist das der Ebenen der Evaluation von Kirkpatrick (1998). In dieser Studie werden nur die ersten drei Ebenen bedient: Die Prozessreflexionen und Fragebögen liefern Aufschluss über die Reaktionen und Zufriedenheit der Teilnehmer, die Evaluationsinterviews über den Lernerfolg und die Follow-up-Befragung über den Transfererfolg. Auch wenn dies weit mehr ist, als die üb-liche Weiterbildungsevaluation in Organisationen leistet (Häring, 2003), kommt die Ebene der Ergebnisse bzw. des Organisationserfolgs zu kurz. Da ein häufiges Argument für die Beauftra-gung von Selbstmanagement-Interventionen eine vermutete Leistungssteigerung ist (vgl. Kap. 1), sollte künftige Forschung diesen Zusammenhang überprüfen.

Erhebungsmethoden

Die Fragebögen waren Eigenkonstruktionen und wurden nicht mit einem Pretest abgesichert. Da sich die Items direkt auf die Maßnahme bezogen, wäre eine solche Überprüfung erst bei der Erprobung mindestens eines Workshops möglich gewesen. Beim Einsatz des Fragebogens zur Prozessqualität zeigte sich, dass im Rahmen der Konstruktion eine Diskussion der Items mit potenziellen Teilnehmern sinnvoll gewesen wäre. Denn die Zielgruppe verbindet vor allem mit dem Begriff der Lösungsorientierung weniger als Organisationsberater, die zur Expertenvalidie-rung beitrugen. Die Erhebungen mit dem Fragebogen nach jedem Kontakt mit der Beraterin (die Vorgespräche ausgenommen) waren jedoch allesamt unproblematisch und aufgrund der Kürze des Instruments sehr effizient. Auch wenn dem Fragebogen zur Prozessqualität lediglich die Funktion eines „Happiness-Indices“ (Kühl, 2008b, S. 4) zukommt, erwies er sich für die Prozess-

300 Die Teamleiter waren in der Regel organisatorisch-hierarchisch direkt unter dem Vorstand oder der Geschäftsführung angesie-delt. Diese Vorgesetzten waren dementsprechend viel beschäftigt. Auch arbeiteten die Teams sehr autonom; hohe Handlungsspiel-räume waren ein wesentliches Kriterium bei der Zielgruppenauswahl. Somit hatten die Vorgesetzten der Teamleiter auch nur punk-tuelle Einblicke in deren Arbeit und hätten Verhaltensänderungen nur sehr eingeschränkt beurteilen können.

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steuerung des Gesamtprojekts als hilfreich.301 Durch seinen Einsatz war ein zeitnahes Feedback an die Beraterin gewährleistet. Obwohl sich die Antworten auf die offenen Fragen weitestgehend mit den Prozessreflexionen deckten, konnte durch die Skalierung die Zufriedenheit besser ge-schätzt werden. Zwar eignete sich der Median der Teamwerte nicht als Prädiktor für die weitere Teilnahme am Programm. Sobald jedoch von einer Person im Team Werte von „5“ oder weniger vergeben wurden, wurde dies von der Beraterin als Signal für Handlungsbedarf interpretiert. Die Auswertungen zur Prozessqualität zeigen allerdings, dass die Teilnehmer wenig zwischen den einzelnen Dimensionen des Fragebogens differenzieren. Möglicherweise ließe sich der Bogen also weiter verdichten oder sogar auf ein einziges globales Item verkürzen.

Die individuellen Ziele stellen einen wesentlichen Beurteilungsmaßstab im Rahmen der Evalua-tion. Es ist kritisch anzumerken, dass es in den Einzelcoachings nicht gelang, die Teilnehmer dazu anzuhalten, ihre Ziele so zu definieren, dass sie den Anforderungen an eine gute Zielfor-mulierung (z.B. Sparrer, 2002) standhielten. Dies ist vor allem auf die begrenzte Durchführungs-zeit zurückzuführen. Kanfer et al. (2000) veranschlagen im Rahmen der Selbstmanagementthe-rapie allein für die Klärung der Ziele und Werte „etwa 1-3 Sitzungen mit einer Reihe von Hau-saugaben zwischen den Terminen“ (S. 219). Eine solche Sorgfalt wäre aus evaluationstechni-scher Sicht wünschenswert, erscheint im Organisationskontext jedoch nicht realistisch. Während des Coachings wurde zumindest darauf geachtet, dass die Ziele positiv formuliert wurden, be-deutsam, lebendig und vorstellbar waren sowie, dass sie unter eigener Kontrolle standen und nicht allzu unrealistisch erschienen. Doch da die Teilnehmer ihre Ziele abschließend eigenstän-dig schriftlich formulierten, konnte nicht gewährleistet werden, dass die Ziele konkret, erreichbar und gut kontextualisiert beschrieben wurden. Ebenfalls wurde nicht interveniert, wenn die Teil-nehmer abschließend mehrere Veränderungsbereiche anstelle eines einzigen Ziels verschrift-lichten. Aufgrund der positiven Auswirkung einer eigenständigen Zielformulierung auf das nach-folgende Commitment (Kanfer et al., 2000) ist dieser Vorgehensweise jedoch allen Nachteilen zum Trotz der Vorzug zu geben.

Da zur Beurteilung der Zielerreichung ein intraindividueller Bewertungsmaßstab herangezogen wurde, ist mit Messfehlern zu rechnen, die zu Lasten einer „kontinuierliche[n] Verschiebung des inneren Bezugssystems“ (Schiepek & Strunk, 1994, S. 96) gehen. Letztere lässt sich beispiels-weise daran erkennen, dass einzelne Teilnehmer nach der Intervention angaben, mehr Proble-me zu sehen und unzufriedener zu sein. Die psychische Situation („mindset“), aus der heraus sie die Beurteilung vornahmen, hatte sich seit der Zielformulierung verändert. Im Zusammen-hang mit der Beurteilung der Nachhaltigkeit rächt sich abermals die unsaubere Formulierung der Ziele. Denn dadurch, dass nicht alle Ziele messbar und konkret formuliert wurden, fällt auch die Beurteilung der Nachhaltigkeit der Fortschritte in Richtung des Ziels schwer. Dennoch gelang es allen Teilnehmern, eine Einschätzung vorzunehmen.

Auch der Follow-up-Fragebogen ist kritisch zu diskutieren. So ist anzumerken, dass er keiner Validitätsprüfung unterzogen wurde. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Inter-pretation der Skalen und Dimensionen interindividuell unterschiedliche Maßstäbe herangezogen wurden. Inhaltlich beschränkt sich der Fragebogen auf die Messung des zeitlichen Transfers. Eine Generalisierung (etwa, dass individuelle Selbstmanagement-Kompetenz auf andere, nicht in der Interventionsmaßnahme enthaltene Anforderungen oder Kontexte übertragen wird) kann auf dieser Grundlage nicht beurteilt werden (vgl. Hager & Hasselhorn, 2000, S. 50).

301 Für eine kritische Betrachtung sei auf Kühl (2008b) verwiesen.

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Eingeschränkte Reichweite der Ergebnisse

Laut Wottawa & Thierau (1998) wird an Evaluationsstudien häufig kritisiert, dass sich die Ergeb-nisse nicht verallgemeinern ließen. Im Hinblick auf das, was gemeinhin als „ökologische Validi-tät“ bezeichnet wird, ist festzuhalten, dass die Unterschiedlichkeit der Teams und Projekte der Generalisierbarkeit der Ergebnisse grundsätzlich zuträglich ist. Denn sie lässt auf „Robustheit“ des Programms gegenüber verschiedenen Bedingungen (z.B. unterschiedliche Teams, Alters-gruppen, Änderung der Drehbuchfolge etc.) schließen. Doch die Untersuchung bezieht sich auf spezifische Zielgruppen und stützt sich auf die Rekonstruktion von Einzelfällen. Die dargestellten Ergebnisse gelten somit nur für die betrachteten Fälle. Auf ihrer Basis können zwar Hypothesen zur Verallgemeinerbarkeit aufgestellt werden, jedoch nicht mehr im Rahmen dieser Studie ge-testet werden. Somit muss die externe Validität als eingeschränkt beurteilt werden. Es bleibt die Lösung, die Prüfung der Übertragbarkeit der empirischen Resultate dem Leser zu überlassen (vgl. Guba & Lincoln, 1989, S. 241). Auf Basis der Beschreibung der Stichprobe und der Durch-führung kann er sich ein Bild darüber machen, für welche Bereiche und in welchem Verwer-tungszusammenhang ihm die Ergebnisse übertragbar erscheinen. Auch Kanfer (1984) empfiehlt diese Vorgehensweise:

„We believe with Cronbach (1975) that ultimately the psychologist as a scientist can provide the practitioner only with a conceptual framework that serves as a heuristic, a general guide about what to look for in each situation. Armed with reasonable hypotheses, a practitioner will need to examine anew each situation to ascertain the relative impor-tance of such variables as the setting, the timing, the specified task, and the available options for action. Many other ‘local’ and ‘here-and-now’ variables must be taken into account” (S. 143).

13.2 Empfehlungen für zukünftige Forschung

Neben den augenscheinlichen Empfehlungen, wie etwa der Variation der Intervenierenden und der Replikation der Ergebnisse an einer breiteren Stichprobe, werden zukünftiger Forschung insbesondere die nachfolgenden Ansätze vorgeschlagen.

Überprüfung des Wirkmodells

Da der Erfolg des Interventionsprogramms „keinen irgendwie zwingenden Rückschluss auf das ihm zugrunde liegende Wirkmodell“ (Hager & Hasselhorn, 2000, S. 44) zulässt, wäre eine Über-prüfung dieser Annahmen sinnvoll. Denn „die zugrunde liegende nomologische (oder auch tech-nologische) Theorie muss nicht notwendigerweise richtig sein, damit eine technologische Regel wirksam ist“ (Patry & Perrez, 2000, S. 28). Schließlich kann die Wirksamkeit auch auf Merkma-len der Interventionssituation beruhen, die im Konzept unzureichend dokumentiert wurden. In Kapitel 12 wurde hypothetisiert, welche vermittelnden Prozesse (im Teamsystem und Berater-Klienten-System) dazu beigetragen haben könnten, dass auf individueller Ebene selbstmana-gementrelevante Veränderungen zustande kamen. Abb. 18 fasst das angenommene Wirkmodell zusammen. Entsprechende Prozessuntersuchungen mit einer systematischen Treatmentvariati-on entsprechend der Hypothesen wären nötig, um es zu testen.

Da das Programm nun mit Erfolg eine isolierte Evaluation, deren Ergebnis auf eine grundsätzli-che Wirksamkeit schließen lässt, durchlaufen hat, bieten sich auch vergleichende Evaluationen mit Selbstmanagement-Trainings und Coaching-Maßnahmen an. Dadurch könnte der Stellen-wert der Einbindung des Systemkontexts für die Erzielung individueller Selbstmanagementerfol-ge erhellt werden. Es könnte geprüft werden, was welche Methode zu leisten imstande ist und in welchen Fällen eine Kombination aus Teamberatung und Einzelcoaching Sinn macht. Ein Ver-gleich von „klassischem Selbstmanagement-Training“ und „persönlichkeitsentwicklungsorientier-tem Selbstmanagement-Training“ mit dem vorliegenden Programm könnte beispielsweise dar-

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über Aufschluss geben, welche Anteile der Wirkung einer „Tiefung“ durch den Einbezug der Sinndimension und welche der Einbindung des Teamkontexts zuzuschreiben sind.

Wirkungsintensität, Nachhaltigkeit und Effizienz im Programmvergleich

Die Intensität und Nachhaltigkeit der Wirkungen könnten im Vergleich mehrerer Programme ebenfalls genauer präzisiert werden. Das Effektstärkenmaß bietet sich hier als sinnvolle Be-zugsgröße an. Das Hinzuziehen von Ökonomie-Kriterien würde außerdem Aussagen zur relati-ven Effizienz der Programme erlauben. Brief & Aldag (1981) gehen in diesem Zusammenhang davon aus, dass individuelle Selbstmanagementmaßnahmen im Organisationskontext leichter einsetzbar sind:

“By providing an individual – rather than group-oriented approach to organizational change and development, behav-ioral self-management may be more readily transferable to the workplace” (S. 82 f.).

Das vorliegende Programm wurde von vielen Teilnehmern als sehr effektiv betrachtet, ist jedoch mit einem hohen Aufwand verbunden. Die Bewertung der Effektivität und Effizienz unterschiedli-cher Programme würde eine wirkungsvolle Unterstützung für die Auswahl von Entwicklungs-maßnahmen leisten.

Bedeutung von Teilnehmermerkmalen

Die Merkmale der Teilnehmer von Selbstmanagement-Programmen haben in der Interventions-forschung bislang keine Beachtung gefunden. Hier wurde auf Basis der Ergebnisse der formati-ven Evaluation angenommen, dass unterschiedliche Teilnehmer unterschiedliche Selbstmana-gement-Interventionen bevorzugen. In diesem Zusammenhang sind sowohl Persönlichkeits-merkmale wie die Offenheit für neue Erfahrungen oder das individuelle Nähebedürfnis als auch Vorerfahrungen mit Selbstmanagement-Interventionen und Prozessbegleitung zu nennen. Auch individuelle Lernpräferenzen können bedeutsam sein. Bei einem Programmvergleich könnte die Aufnahme dieser Personmerkmale als unabhängige Variablen in den Versuchsplan Aufschluss darüber geben, welchen Merkmalen bei der Auswahl und Planung von Selbstmanagement-Interventionen eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Da diese Merkmale hier subjektive Beobachtungskategorien der Forscherin darstellen, wäre eine entsprechende Diagnostik hilfreich. Möglicherweise finden sich ausgehend von Eigenschaften potenzieller Teil-nehmer wesentliche Anhaltspunkte, um Einzelnen die für sie geeignete Maßnahme empfehlen zu können.

Analyse von Entwicklungsprozessen

Im Rahmen der Erprobung wurde wiederholt deutlich, was Schiepek (1997) im folgenden Zitat verdeutlicht:

„Aus der Systemtheorie kann man lernen, daß es die Zustände sind – ihre Stabilität oder Instabilität –, die für die Veränderung eines Problemmusters in ein Lösungsmuster prädestinieren, und daß Interventionen dann wirksam werden, wenn sie in einem sinnvolIen Kontext/ in einer Situation der Aufnahmebereitschaft, im richtigen »Kairos«, also im richtigen Moment angeboten werden. Man muß sich also dynamische Systemzustände unter Prozeßge-sichtspunkten anschauen“ (Schiepek, 1997, S. 107).

Bei der ersten Durchführung wurde die destabilisierende Wirkung der Interventionen im Fall von Team 1 überdeutlich. Um auch subtile Schwankungen zu analysieren, wäre es aufschlussreich, die Veränderungsverläufe im Rahmen von Prozessforschung (z.B. Haken & Schiepek, 2005) zu beobachten. Dabei interessiert die Dynamik von Systemen, die in ihren spezifischen Kontext eingebettet sind. Es wird von einer Individualität der beteiligten Personen, Gruppen und Unter-nehmen ausgegangen, deren Selbstorganisation keine Störvariable, sondern einen elementaren Prozess darstellt. Zeitreihen geben über intra- und interindividuelle Verläufe Aufschluss. In ihnen

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sucht man nach kritischen Fluktuationen, die überzufällige Werte annehmen und setzt sie in Bezug zu Veränderungen in den Zielvariablen (welche z.B. in Interviews mit den Beteiligten er-schlossen werden) und den Interventionen. Eine solche quantitative Realisation mit nicht-linearen Analysemethoden, wie Haken & Schiepek (2005) sie für psychotherapeutische For-schung vornehmen, hat im Organisationskontext zwar die Hürde der Zumutbarkeit zu meistern (es dürfte beispielsweise schwer werden, 80 äquidistante Messzeitpunkte zu realisieren). Doch diese Studie hätte den Vorteil, die in Kapitel 6 diskutierten Nachteile gängiger quantitativer Me-thoden aufzuheben.

Forschungsperspektive organisationales Selbstmanagement

Entscheidungen der Geschäftsführung wie beispielsweise Reorganisationen oder konkurrieren-de Projekte betrafen Teams und das Selbstmanagement einzelner Teammitglieder in entschei-dendem Maße. Im Projektgeschehen wurde ihnen der Charakter unbeeinflussbarer Beschrän-kungen zuteil. Häufig musste dadurch im Programm (zeitlich und inhaltlich) umdisponiert wer-den. Darunter büßte die Maßnahme aus Sicht einiger Teilnehmer an Qualität ein (etwa wenn große zeitliche Abstände zwischen Workshops entstanden). Vereinzelt litten auch die Selbstma-nagement-Anliegen der Teilnehmer darunter, dass das Projekt keine Probleme im erweiterten Organisationskontext bearbeiten konnte. Ferner fielen im Rahmen der formativen Evaluation erhebliche organisationskulturelle Unterschiede im Umgang mit dem Programm auf. Diese Beo-bachtungen in Summe bestätigen die Annahme, dass individuelles Selbstmanagementhandeln nicht nur durch den Teamkontext, sondern auch in nicht unerheblichem Maße durch den organi-sationalen Kontext beeinflusst wird. Als Konsequenz empfiehlt sich die Entwicklung und Durch-führung eines Selbstmanagement-Projekts mit einer gesamten Organisation. Ebenso, wie sich in der vorliegenden Studie die Teamleitung zur Veränderung der Interaktion im Team als essenziell erwies, könnte die Einbindung weiterer Hierarchiestufen positive Effekte (z.B. für die Interaktion zwischen Teams) bewirken. Möglicherweise finden sich mit der Organisation als Adressat der Maßnahme auch Wege, die selbstmanagementrelevanten sozialen Regeln nachhaltig zu verän-dern.

13.3 Resümee

Ausgehend von der großen Bedeutung individuellen Selbstmanagements in Organisationen und den unzulänglichen Angeboten zur Unterstützung dieser Kompetenz wurde ein neuer Lösungs-ansatz entwickelt. Dieser sah vor, den sozialen Kontext bei der Förderung des individuellen Selbstmanagements von Organisationsmitgliedern einzubeziehen. Naheliegend war es, die In-tervention auf der Teamebene durchzuführen. Der für diese Arbeit essenzielle Begriff von Selbstmanagement im Organisationskontext wurde auf der Grundlage einer Analyse wissen-schaftlicher Literatur sowie einer Befragung von Coaches definiert. Im Mittelpunkt steht die be-wusste Steuerung der eigenen Person auf selbst definierte Ziele hin. Sie geht mit dem Streben nach individueller Ressourcenbalance, der geplanten Einflussnahme auf das eigene Verhalten sowie dem Erleben persönlicher Autonomie einher. Selbstmanagement-Interventionen in sozia-len Systemen wurden vor diesem Hintergrund als Mittel verstanden, die „innere Freiheit“ bzw. den Grad erlebter Autonomie und Verhaltensflexibilität der Teilnehmer zu erhöhen.

Zielgruppe von Selbstmanagement-Interventionen

Nachfolgend wurde die relevante Zielgruppe für Selbstmanagement-Interventionen definiert. Die Stellen geeigneter Teilnehmer kennzeichnen sich durch verantwortungsvolle, bedeutsame und

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ganzheitliche Aufgaben mit kreativen Anteilen, hohen Handlungsspielräume, wenig standardi-sierten Vorgängen und geringer Planbarkeit. Sie finden sich häufiger in Organisationen, in de-nen grundsätzlich wenig Regelung erfolgt. Als personelle Merkmale wurden eine hohe Qualifika-tion, Normorientierung und die Präferenz für selbstführungsunterstützende Arbeitsstrukturen diskutiert. Eine Befragung potenzieller Teilnehmer zur Erhebung des Trainingsbedarfs erbrach-te, dass dieser Zielgruppe keine Unterstützungsangebote für ihr Selbstmanagement bekannt waren. Sie wünschten sich eine lösungsorientierte, pragmatische, direkt umsetzbare Unterstüt-zung, die an ihrer spezifischen Arbeitssituation anknüpft. Dabei sollte auf die individuellen Be-dürfnisse und Arbeitsweisen der Teilnehmer vor dem Hintergrund der persönlichen Historie ein-gegangen werden. Eine Selbstmanagement-Intervention sollte zudem behutsam mit individuel-len Ängsten umgehen und eine Atmosphäre ermöglichen, in der Teilnehmer es wagen, sich zu öffnen.

Handlungsbedarf nach Analyse der Interventionspraxis in Organisationen

Eine Analyse der Interventionspraxis in Organisationen zeigte, dass in erster Linie Trainings-maßnahmen zur Vermittlung von Selbstmanagementstrategien zur Anwendung kommen. Als drei wesentliche Varianten von Selbstmanagement-Trainings wurden das verhaltenstherapeu-tisch orientierte Programm nach Kanfer et al. (2000), eine motivationstheoretisch inspirierte Maßnahme von Kehr (2004) sowie das Zeitmanagementtraining nach Seiwert (1998) identifi-ziert. Für keine der drei Varianten ist die Wirksamkeit im Organisationskontext eindeutig belegt. Dies liegt auch an der seltenen Durchführung empirischer Studien zu diesem Thema. Aus der vorliegenden Interventionsforschung wurden einige Empfehlungen für Selbstmanagement-Interventionen abgeleitet, nämlich a) eine lösungsorientierte Herangehensweise, b) die Anwen-dung von Zielsetzungstechniken mit dem Fokus auf konkrete, aktuelle Ziele zur Beeinflussung von Selbsterwartungen, c) die Vermeidung einer einseitigen Orientierung auf kognitive Techni-ken und d) die Begleitung der Teilnehmer über einen längeren Zeitraum. Die vorhandenen Selbstmanagement-Interventionen wurden kritisch bewertet, da sie erstens lediglich Ziele mit geringem Komplexitätsgrad zulassen, zweitens eine bestenfalls mäßige Unterstützung der Ziel-erreichung leisten und drittens – sofern zu beurteilen – kaum nachhaltige Veränderungen erzie-len. Die geringe Nachhaltigkeit führen verschiedene Autoren und die befragten Coaches unter anderem auf die unzureichende Berücksichtigung des sozialen Kontexts im Rahmen der Trai-nings zurück.

Ergänzung durch systemisch-lösungsorientierten Ansatz und Theory U

Als theoretische Perspektiven, die ermöglichen, das soziale Arbeitsumfeld in die Selbstmana-gement-Intervention einzubinden, wurden ein systemisch-lösungsorientierter Ansatz und die Theory U von Scharmer (2007b) herangezogen. Für das grundlegende Verständnis von Inter-ventionen, das Interventionsdesign und die beraterische Haltung wurden Anregungen aus der Literatur und Praxis systemischer Organisationsberatung geschöpft. Als Voraussetzungen für gelungene Interventionen wurden a) die Anschlussfähigkeit der Beraterin, b) ein Ansatz an zirku-lären Mustern, c) der Respekt vor der Selbststeuerung des Systems und d) die Eröffnung neuer und überraschender Denk-, Verhaltens und Kommunikationsmuster identifiziert. Selbsterwartun-gen in Form von Zielen und Selbstwirksamkeitserwartungen sowie selbstmanagementrelevante Erwartungserwartungen (Luhmann, 1994) wurden als wesentliche Strukturen, die es im Rahmen des Interventionsprogramms zu verändern gilt, herausgearbeitet. Es wurde dargelegt, weshalb das zirkuläre Fragen und die Diskussion von Beraterhypothesen über beobachtete Regeln und Muster eines Teamsystems in diesem Zusammenhang nützliche Methoden sind. Wichtige Merk-

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male einer für systemische Selbstmanagement-Interventionen empfohlenen Haltung des Inter-venierenden betreffen erstens die Beziehungsgestaltung, zweitens den Fokus auf neue Mög-lichkeiten, drittens die Suche nach Lösungen und Ressourcen sowie viertens das Vorgehen der Hypothesenbildung im Rahmen der Beratung.

Die Theory U zeigt Wege auf, Selbstmanagement-Interventionen die nötige emotionale Tiefe zu geben und an sinnstiftende Bedeutungszusammenhänge anzuschließen. Im Rahmen dieser Interventionstheorie wird versucht, eine spezielle innere Verfasstheit des Intervenierenden und der Teilnehmer zu ermöglichen. Maßnahmen, die zu einer neuen Qualität des Selbstmanage-menthandelns führen können, sind demnach die anregende Gestaltung der Lernumgebung mit Raum für Achtsamkeit und Stille, das Initiieren eines wahren Dialogs zwischen den Teilnehmern und das Zulassen von Momenten der Sinnfindung. Gewonnene Einsichten sollten schnell in die Tat umgesetzt und im Handeln erprobt werden.

Theoriebasierte Umsetzung in Interventionsziele und -design

Die theoretisch abgeleiteten Empfehlungen wurden in ein Interventionsprogramm übersetzt, das individuelle Handlungsmöglichkeiten zu erweitern sucht und dazu Veränderungen im Teamkon-text anregt. Vier Kernziele des Programms wurden als Hypothesen festgehalten: Erstens wurde angenommen, dass die Teilnehmer den Prozess positiv erleben und mit der Beratung zufrieden sind. Zweitens sollte die Teilnahme zu Veränderungen der Kommunikationsmuster im Team führen. Drittens und hauptsächlich sollte die Beratung dazu beitragen, Teammitglieder in ihrem Selbstmanagement und ihrer Zielerreichung zu unterstützen. Viertens sollten Veränderungen mehrere Monate nach Abschluss der Beratung stabil bleiben.

Das Interventionsdesign sah nach Vorgesprächen drei Teamworkshops im Umfang von insge-samt viereinhalb Tagen, ein zweieinhalbstündiges Einzelcoaching mit jedem Teammitglied so-wie das Anregen von Einzelarbeiten der Teammitglieder über Hausaufgaben vor. Im ersten Teamworkshop stand die Kontraktgestaltung und Zielsetzung im Mittelpunkt. Der gemeinsame Blick auf Bewahrenswertes und Veränderungswürdiges eröffnete die Richtung für den Gesamt-prozess. Im Einzelcoaching wurden Anliegen so bearbeitet, dass die Teilnehmer möglichst eine Vielfalt neuer Blickwinkel einnahmen. Sie erarbeiteten ihre Lösungsstrategien und formulierten in einem schriftlichen Kontrakt ihr individuelles Selbstmanagement-Ziel. Von der Beraterin erhiel-ten sie eine Dokumentation ihrer Lösungswege und Selbstmanagementstrategien mit der Auf-gabe, diese (zumindest teilweise) anzuwenden. Etwa einen Monat später stand in einem zwei-tägigen Workshop das einzelne Teammitglied und seine persönliche Zukunftsvision im Vorder-grund. Teamkollegen unterstützten im Dialog den Prozess jedes Einzelnen. Weitere zwei Mona-te später konkretisierten die Teammitglieder in einem eineinhalbtägigen Workshop das ge-wünschte Zukunftsmodell für die weitere Zusammenarbeit und leiteten daraus einen Maßnah-menplan ab. In Drehbüchern für die Workshopmoderation und Interviewführung wurde das ge-naue Vorgehen dokumentiert.

Ziele und Umsetzung der Evaluation

Hinsichtlich des Evaluationsansatzes wurden zunächst die forschungsleitenden Annahmen und Ziele transparent gemacht. So wurde deutlich, dass das primäre Ziel der Evaluation die Bewer-tung der Durchführbarkeit der Maßnahme ist. Es sollte beurteilt werden, inwiefern der Ansatz, zur Förderung individuellen Selbstmanagements im Team zu intervenieren, nicht nur theoretisch naheliegend, sondern auch praktisch durchführbar ist. Dabei sollten ebenfalls Möglichkeiten zur Verbesserung des Interventionsprogramms aufgedeckt werden und eine erste Ergebnisevaluati-on stattfinden. Das Erleben der Teilnehmer sollte darüber Aufschluss geben, inwiefern die beab-

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Bewertung der Studie 292

sichtigten Veränderungen auftraten. Das Evaluationsdesign wurde so ausgewählt, dass es mit dem Verständnis des Untersuchungsgegenstands konform war, den Evaluationszielen gerecht wurde und dabei eine angemessene Komplexitätsreduktion leistete. Vor dem Hintergrund eines konstruktivistischen erkenntnistheoretischen Fundaments wurde Forschung als ein In-Beziehung-Treten innerhalb eines Forscher-Forschungsteilnehmer-Systems interpretiert, wel-ches Respekt vor der Wirklichkeitskonstruktion der Beforschten erfordert. Aufgrund der Kon-struktion des Untersuchungsgegenstands und der Charakterisierung des Vorhabens als Hand-lungsforschung wurde ein qualitativer Evaluationsansatz gewählt. Die hohe Flexibilität und Of-fenheit der Methoden für Unvorhergesehenes und die geringe Plausibilität linear-kausaler Wir-kungszusammenhänge waren für diese Entscheidung ausschlaggebend. Stärken des quantitati-ven Ansatzes wurden vor allem auf methodologischer und forschungspraktischer Ebene gese-hen und bestanden in einer höheren Komplexitätsreduktion und Ökonomie sowie der besseren Anschlussfähigkeit an die psychologische wissenschaftliche Gemeinschaft. Durch eine quasi-nomothetische Interpretation der Fallstruktur, den Einbezug deskriptiver Datenerhebungen, die Definition von Gütekriterien und die Beauftragung einer Fremdevaluation über die Hälfte der Daten wurde versucht, den Anforderungen Letzterer gerecht zu werden. Als Gütekriterien wur-den Glaubwürdigkeit, reflektierte Subjektivität und die Anschlussfähigkeit an das Praxis- und Wissenschaftssystem definiert.

Der gewählte Evaluationsansatz spiegelt die beiden Evaluationsziele wider: Im Rahmen einer ersten Evaluationsphase erfolgte eine formative, das Programm optimierende Evaluation. Diese prozessbegleitende Evaluation war mit der Programmimplementation verzahnt; durchführende und evaluierende Person waren ein und dieselbe. Nach Abschluss jedes Interventionsbausteins fanden Erhebungen in Form protokollierter Prozessreflexionen und Fragebogenerhebungen zur Prozessqualität statt. Die formative Evaluation basiert somit auf 22 protokollierten Prozessrefle-xionen aus 22 Workshoptagen, den transkribierten Feedbacksequenzen aus 34 Einzelcoa-chings, 146 Feedbackbögen zur Prozessqualität und den Beobachtungen der Beraterin. Nach Abschluss der Teamprojekte wurde eine summative Evaluation durchgeführt. Dazu wurde einen Monat nach dem letzten Teamworkshop mit jedem Teilnehmer ein eineinhalbstündiges Evalua-tionsinterview durchgeführt und mit einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Diese Evalua-tionsaufgabe wurde für circa die Hälfte der Daten fremd vergeben. Vier Monate nach der letzten Intervention fand dann eine Follow-up-Erhebung per Fragebogen statt, in der die Nachhaltigkeit der Zielerreichung, der persönlichen Veränderungen und der Teamveränderungen erfragt wur-de.

Alle Transkripte, Protokolle und offenen Fragen der Fragebögen wurden mithilfe qualitativer In-haltsanalysen nach Mayring (2002) ausgewertet. Dabei erfolgte sowohl eine theoriegeleitete als auch eine empiriegeleitete Kategorienbildung. Die Stichprobe betreffende Daten sowie Daten aus den Prozessqualitäts- und Follow-up-Fragebögen wurden einer deskriptiven Datenanalyse unterzogen. In die summative Selbstevaluation über alle Daten gingen Transkripte von 34 Ein-zelcoachings und 24 Evaluationsinterviews, 24 Follow-up-Fragebögen und 146 Fragebögen zur Prozessqualität ein. Im Diskurs zwischen der externen Evaluatorin und der Autorin erfolgte eine konsensuelle Validierung der Ergebnisse der summativen Evaluation.

Genauere Eingrenzung der Zielgruppe

Die Erprobung des Programms mit 41 Teilnehmern in sechs Teams aus sehr verschiedenen Branchen zeigte, dass das Konzept unter Praxisbedingungen umsetzbar ist. Das Programm scheint jedoch nur für eine sehr spezifische Zielgruppe indiziert. Die Merkmale, die diese Ziel-personen kennzeichnen, sind in Tabelle 19 aufgeführt. Bei Erfüllung dieser Zielgruppenvoraus-

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Bewertung der Studie 293

setzungen war die Anschlussfähigkeit des Programms gut und die Ausfallquote sehr niedrig (2 von 29 Personen bzw. 7%). Da jedoch der Beratungsprozess auch mit zwei Teams begonnen wurde, auf die diese Bedingungen nicht zutrafen, war die Drop-out-Quote bei der Ersterprobung sehr hoch (41%). Es wurden einige Abweichungen vom Konzept in Form spontaner Interventio-nen vorgenommen, um den Bedürfnissen der sehr heterogenen Teams in der Interventionssitua-tion gerecht zu werden. Dabei zeigte sich, dass im Verlauf der Maßnahme eine fortschreitend individuellere Gestaltung je Team notwendig wurde. Auch traten aufgrund konkurrierender Ein-flüsse einige ungeplante zeitliche Variationen auf, die der Qualität des Programms abträglich waren. Es konnten keine verzichtbaren Programmteile identifiziert werden, da die Teilnehmer jeweils von unterschiedlichen Aspekten der Maßnahme profitierten.

Tabelle 19: Zielgruppenvoraussetzungen für eine erfolgreiche Programmimplementation

EBENE NOTWENDIG EHER FÖRDERLICH EHER HINDERLICH

Organi-sations-ebene

Zustimmung der Geschäfts-führung

Eigeninitiative und Eigenverant-wortung der Mitarbeiter wird wert-geschätzt

Branche: Soziale Organisation

Dringende betriebliche Proble-me oder Konkurrenzprojekte

Reorganisationen

Politische Organisationskultur

Ehrenamtliches Team

Teamlei-tungs-ebene

Teilnahme derjenigen Lei-tung am Programm, die auch informell vom Team als Führungskraft betrachtet wird

Demokratisches Führungs-verständnis

Hohe Identifikation mit der Maß-nahme

Initiieren von Veränderungen bei sich selbst

Selbstreflexion

Kein eigenes Selbstmanage-ment-Projekt verfolgt

Geringe Kritikfähigkeit

Team-ebene

Mindestens vier Personen

Versammlung aller Team-mitglieder für Workshops möglich

Zusammenarbeit im Team-alltag erforderlich

Tragfähige Beziehung zur Teamleitung

Sechs bis acht Personen

Team arbeitet noch nicht allzu lange zusammen

Erfahrungen mit Prozessbeglei-tung, Supervision oder anderen psychologischen Interventionen

Individuelle Ressourcenbalance gelingt vielen im Team nicht

Mehr als zehn Personen

Massive Konflikte

Team von Einzelkämpfern

Teil-nehmer-ebene

Fähigkeit zur Selbstfürsorge uneingeschränkt

Freiwillige Teilnahme

Hohe Selbstmanagement-Anforderungen

Aufgaben mit hohen Hand-lungsspielräumen

Hohe Qualifikation

Selbstmanagement-Anliegen vorhanden

Hoher Leidensdruck/ Verände-rungsmotivation bzgl. des eigenen Selbstmanagement-Anliegens

Veränderungsmotivation in Bezug auf die Ausgangssituation des Teams

Hohe Ambiguitätstoleranz/ Offen-heit für neue Erfahrungen mit sich selbst und der sozialen Umwelt

Präferenz für Nähe im Team

Erfahrung mit klassischen Selbst-management-Trainings

Definition von sinnvoller Bera-tung als Expertenberatung

Präferenz für Wissensvermitt-lung (z.B. Frontalunterricht)

Anlie-gen-ebene

Absolvieren konkreter Projekte

Work-life-Balance-Themen

Konzentration auf neue Prioritäten

Verbesserung spezifischer Fä-higkeiten

Planung des nächsten Karriere-schritts

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Bewertung der Studie 294

Hohe Akzeptanz und annehmbare Zumutbarkeit

Im Rahmen der formativen Evaluation wurde festgestellt, dass die Akzeptanz der Maßnahme bei den verbleibenden 24 Teilnehmern hoch bis sehr hoch war. Gleichzeitig waren die Teilnehmer – vor allem Personen mit hoher Veränderungsmotivation, die sich auf das Programm in besonde-rer Weise einließen – durch die Intervention stark gefordert. Sie erlebten sie als sehr tiefgehend und dadurch auch anstrengend. Zu Implementationsbarrieren, die aufgrund der Erfahrung mit anderen (Selbstmanagement-)Interventionen zu erwarten waren, gehörten a) eine fehlende oder schwache Änderungsmotivation der Teilnehmer, b) Irritationen in der Berater-Klienten-Beziehung sowie c) stark von der Programmkonzeption abweichende Erwartungen an die Bera-terin (z.B. Wunsch nach Expertenberatung).

Durch den Einbezug des Teamkontexts in die Maßnahme ergaben sich weitere, spezifische Umsetzungsprobleme: Erstens können die Teilnehmer dadurch, dass die Maßnahme nicht bei jedem zum richtigen Zeitpunkt ansetzt, sie sich jedoch als Teil des Teams nicht davon aus-schließen wollen, in Konflikt geraten. Zweitens verfolgen sie möglicherweise Selbstmanage-ment-Ziele, die sich in mikropolitischer Hinsicht nicht zur authentischen Offenbarung im Team eignen. Drittens gibt es unterschiedliche Präferenzen in Bezug auf die Nähe-Distanz-Regulierung im Team. Einzelne können durch die mit mehr Nähe einhergehende Maßnahme unter Zugzwang geraten. Da die hohe Prozessintensität die Akzeptanz der Maßnahme nicht beeinträchtigte, keine schädlichen Nebenwirkungen festgestellt wurden und die Kosten-Nutzen-Bilanz der Teilnehmer überwiegend positiv ausfiel, scheint eine annehmbare Zumutbarkeit des Programms gegeben.

Als Maßnahmen zur Steigerung der Prozessqualität vor und während einer weiteren Programm-implementation sind die Überprüfung der Zielgruppenvoraussetzungen, Verbesserungen in der zeitlichen Organisation und die Umsetzung durch zwei Berater zu nennen. Durch eine höhere Kundenorientierung, bei der stärkere Abweichungen vom Konzept in Kauf genommen werden, ließe sich die Prozessqualität im Einzelfall ebenfalls steigern. Um den Wünschen der Teilnehmer gerecht zu werden, würde die explizite Vermittlung von Wissen über Selbstmanagementstrate-gien dann einen größeren Stellenwert einnehmen. Die Teilnehmer sollten außerdem darauf hin-gewiesen werden, nur ein einziges Ziel zu bearbeiten.

Hypothesenkonforme Programmwirkungen

Die Teilnehmer erlebten bis auf eine Ausnahme, dass die Programmteilnahme mit vielfältigen Veränderungen einherging. Die Beratung wirkte in ihren Augen als „Katalysator“ für anstehende Prozesse. Sie förderte Unterschwelliges zutage und beschleunigte Entwicklungen, die sonst aller Wahrscheinlichkeit nach später eingesetzt bzw. länger gedauert hätten. Obwohl die Teil-nehmer und Teams in unterschiedlicher Weise vom Prozess profitierten und die Programmwir-kung somit sehr differenziert zu betrachten ist, ließen sich einige allgemeine Veränderungsten-denzen identifizieren, die in Tabelle 20 wiedergegeben sind.

Ein Vergleich mit den Hypothesen ergab, dass die Ziele des Programms weitgehend erreicht werden konnten. Im Erleben der Teilnehmer spiegelten sich sowohl die beabsichtigte hohe Pro-zessqualität als auch Veränderungen der Kommunikationsmuster im Team und die Unterstüt-zung des individuellen Selbstmanagementhandelns wider. Die Nachhaltigkeit der gezeigten Veränderungen wurde im Vergleich zu anderen Selbstmanagement-Interventionen als sehr zu-friedenstellend bewertet. Die gewünschte Verhaltensflexibilität bzw. Stärkung der „inneren Frei-heit“ der Teilnehmer durch die Beratung scheint bei beinahe allen Zielpersonen gelungen. Als Ergebnis ist ein Beitrag zur Gestaltung gesundheits- und persönlichkeitsförderlicher Arbeitsbe-

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dingungen festzustellen.

Tabelle 20: Beobachtete interventionsbedingte Veränderungen auf individueller Ebene und Teamebene

VERÄNDERUNGEN AUF INDIVIDUELLER EBENE

VERÄNDERUNGEN AUF TEAMEBENE

Kognitive Ebene: Veränderungen der Selbstwahr-nehmung in Richtung einer stärkeren inneren Klar-heit in Bezug auf das eigene Dasein und die eigenen Ziele (Wer bin ich? Wozu bin ich hier? Was will ich?), in diesem Zusammenhang auch neue Einsich-ten über sich selbst, z.B. stärkeres Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten

Emotionale Ebene: Zufriedenheit, Wohlbefinden und verringertes Stressempfinden

Motivationale Ebene: Problembewusstsein bzgl. individueller Selbstmanagement- und/oder Team-probleme, damit einhergehend bewusste Ziele und Änderungsmotivation; stärkere Eigenverantwortlich-keit und Initiative

Aktionale Ebene: Entwicklung und Anwendung von Selbstmanagementstrategien (in der Reihenfolge: Emotionale Strategien (v.a. Haltungswechsel), Erbit-ten von Unterstützung, Abgrenzung von anderen, kognitive Strategien (v.a. Aufmerksamkeitsarbeit), Auseinandersetzung mit eigenen Zielen, Zeitmana-gement, Umfeldveränderung)

Mittlere bis hohe Zielerreichung (und mittlere bis hohe Nachhaltigkeit der Zielerreichung)

Kognitive Ebene: Veränderung der subjektiven Deutungen über die Teamkollegen, die Teamleitung und das Team, damit ein-hergehend besseres Verständnis für das So-Sein des Anderen

Emotionale Ebene/ Teamklima: Gefühl von Nähe, Sicherheit und Vertrauen, stärkerer Teamzusammenhalt

Motivationale Ebene: Teamvision, gemeinsames Bild über er-strebenswerte Teamziele

Aktionale Ebene: Veränderung der Interaktions- und Kommuni-kationsstrukturen im Team, v.a. häufigere Kommunikation und gegenseitige Unterstützung, authentische Tonart der Kommuni-kation, Veränderung von Beziehungen; einzelne Teammitglieder verlassen das Team

Veränderung sozialer Regeln, z.T. manifestiert in der Arbeitsor-ganisation (betreffend die Art und Weise der Zusammenarbeit, Regelkommunikation), z.T. in individuellen Erwartungserwar-tungen, z.T. in „kollektiven“ Erwartungserwartungen bzw. unge-schriebenen Regeln bezogen auf die individuelle Ressourcen-balance

Veränderungen der Entwicklungsrichtung (stärkere Berücksich-tigung individueller Anliegen in zwei Teams gegenüber mehr Teamgemeinschaft in zwei Teams) und -geschwindigkeit

Praktische und theoretische Erkenntnisse

Die Ergebnisse lassen Hypothesen über die Bedingungen und das Zustandekommen individuel-ler Selbstmanagementverbesserungen in Teams zu. So zeigte die Analyse der Teilnehmer, die am meisten vom Programm profitierten, dass das Programm vor allem bei Teams mit kritischer Ressourcenbalance der einzelnen Teilnehmer und Personen mit bestimmten Anliegen (vgl. Tabelle 19) fruchtete. Es wurde angenommen, dass in diesen Teams und bei diesen Anliegen nicht allein die direkte Wirkung der Beratung, sondern darüber hinaus vermittelnde Prozesse der Selbstmanagementunterstützung durch das Team zum Tragen kommen. Durch die Akzeptanz der Abgrenzungsstrategien von Teamkollegen sowie vielfältige Formen direkter und indirekter Unterstützung der Einzelnen wirkt das Team fördernd auf das Selbstmanagementhandeln seiner Mitglieder zurück. Voraussetzungen für einen derart hilfreichen Teamkontext scheinen die Ver-änderung und das nachhaltige Aufrechterhalten sozialer Regeln auf manifester und latenter Ebene zu sein. Dass diese Bedingungen nur in zwei von vier Teams erzielt werden konnten, relativiert den Programmerfolg und unterstreicht das Technologiedefizit von Beratungstätigkei-ten.

Die Ergebnisse legen nahe, dass nachhaltige Verbesserungen in den Rahmenbedingungen des Selbstmanagements von Teammitgliedern vor allem dann erzielt werden, wenn die Führungs-kraft stark in den Prozess involviert ist und ein kontinuierliches Monitoring der Veränderungen betreibt. Nachhaltigkeit scheint wahrscheinlicher in Teams, die sich selbst und die Regeln ihrer Zusammenarbeit in Frage stellen. Das Team sollte außerdem eine gemeinsame Zukunft haben und nicht etwa Reorganisationen zum Opfer fallen. Auf individueller Ebene wird die Nachhaltig-keit der Zielerreichung begünstigt, wenn nur ein einzelnes, möglichst gut operationalisiertes Ziel

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bearbeitet wird. Das Beibehalten neuer Selbstmanagement-Strategien gelingt, wenn diese in Form von Ritualen in den Alltag integriert oder durch positives Feedback aus dem erweiterten sozialen Kontext verstärkt werden.

Herkömmliche Selbstmanagement-Trainings haben den Ergebnissen zufolge nicht nur Nachhol-bedarf in puncto Nachhaltigkeit. Die in diesen Trainings üblicherweise vermittelten Selbstmana-gementstrategien lassen die hier erlebten Maßnahmen mit der höchsten Durchschlagskraft au-ßer Acht. Ein Haltungswechsel mit seinen Konsequenzen für die Persönlichkeitsentwicklung der Teilnehmer dürfte im Rahmen eines Trainings zur Wissensvermittlung zwar schwer zu unterstüt-zen sein. Möglicherweise sollte hier allerdings ein Umdenken stattfinden. Selbstmanagement-Trainings könnten davon profitieren, auch affektive Lernziele zu verfolgen. Auch die von den Teilnehmern mit Erfolg angewendeten Interaktionsstrategien zum Selbstmanagement sollten in Trainings verstärkt Berücksichtigung finden.

Probleme der Studie und Ausblick

Als Schwächen der Studie wurden verschiedene Aspekte der Gegenstandskonstruktion, das Evaluationsdesign und die geringe Generalisierbarkeit hervorgehoben. Schwierigkeiten im Un-tersuchungsverlauf wurden mit der Verwendung eines durch Experten konkretisierten Selbstma-nagementbegriffs erklärt. Der Zielgruppenselektion mangelte es an Sorgfalt. Bei der Kontrakt-gestaltung im Prozess wurden strukturelle Aspekte, zum Beispiel die Einbindung der Geschäfts-führung, unzureichend berücksichtigt. Die Tatsache, dass Intervenierende und Programm mit-einander konfundiert waren, wurde als größte Schwäche der Studie angesehen. Dem Evaluati-onsdesign lassen sich außerdem die fehlende Validierung der Erhebungsmethoden, Schatten-kontrollen und die unzureichende Berücksichtigung organisationaler Ergebnisse vorwerfen. Auch ist nicht klar, inwiefern Artefakte zu berücksichtigen sind, die aus der unbewussten Ein-flussnahme der Forscherin, nicht dokumentierten Merkmalen der Interventionssituation oder sozial erwünschten Tendenzen der Forschungsteilnehmer hervorgehen. Aufgrund der einge-schränkten Generalisierbarkeit bleibt es dem Leser überlassen, die Übertragbarkeit der Ergeb-nisse für weitere Zielgruppen zu beurteilen.

Weitere Forschungsbemühungen wären nötig, um das hier vorgeschlagene Wirkmodell zu prü-fen und die Wirkungsintensität, Nachhaltigkeit und Effizienz im Vergleich mit Coaching- und Trainingsprogrammen zu beurteilen. Die Erforschung der Bedeutung von Teilnehmermerkmalen wie beispielsweise der Ambiguitätstoleranz könnte für eine breite Palette von Selbstmanage-ment-Interventionen wichtige Hinweise zur Zielgruppendifferenzierung liefern. Nichtlineare Zeit-reihenanalysen zur Analyse der Entwicklungsprozesse der Teilnehmer werden besonders als quantitatives Untersuchungsdesign für eine erneute Erprobung empfohlen. Auch die Intervention in einem gesamten Organisationssystem mit dem Ziel der nachhaltigen Beeinflussung selbst-managementrelevanter Regeln böte eine Forschungsperspektive, die strukturelle Aspekte an-gemessen berücksichtigt.

Nützlichkeit der systemischen Perspektive

Alles in allem hat sich die systemische Perspektive als sehr nützlich für die Betrachtung der Selbstmanagement-Prozesse von Teammitgliedern erwiesen. Ausgehend von diesem Ansatz konnte ein viables Interventionsprogramm entwickelt werden. Die Erprobung hat gezeigt, dass dieses Programm gute und nachhaltige Unterstützung individuellen Selbstmanagements im Team leisten kann. Dabei konnten sowohl die Nutzung individueller Ressourcen als auch die Kommunikation in den teilnehmenden Teams positiv beeinflusst werden. Zwar wurden plausible Hypothesen gefunden, auf welchem Wege die Veränderungen auf Teamebene mit dem indivi-

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duellen Selbstmanagementhandeln zusammenhängen. Diese Annahmen verweisen auf die Be-deutung geteilter Erwartungserwartungen als Kontextbedingungen für individuelles Selbstmana-gement. Doch sagt die Programmwirksamkeit letztlich weder etwas über diese Wirkungszu-sammenhänge noch über den systemischen Theorieansatz aus. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass ein praktikabler Ansatz gefunden wurde, die Rahmenbedingungen für individuelles Selbst-management im Team zu beeinflussen. Die Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass Zielgrup-pen wie die hier beschriebene über hohe Selbstmanagement-Kompetenzen verfügen. Die Hypo-these, dass Selbstmanagement-Probleme bei dieser Zielgruppe keine Frage des Könnens, son-dern des sozialen Dürfens ist, hat sich in der vorliegenden Studie als nützlich erwiesen.

Praktische Bedeutsamkeit des Programms

In Zeiten von Wirtschaftskrise und Personalabbau wird ein Programm, das den Teilnehmern die Wahl der Ziele überlässt und zur Zielerreichung auf Persönlichkeitsentwicklung setzt, vermutlich von vielen als Luxus für bessere Zeiten betrachtet. Doch nach Werle (2008) ist gerade in Zeiten hoher Fluktuationsraten der professionelle Umgang mit den Wünschen und Erwartungen der Fach- und Führungskräfte für Unternehmen von enormer Bedeutung. Auch Wimmer (2008) ver-deutlicht, warum Interventionen wie die vorliegende gerade in der heutigen Zeit dringend benö-tigt werden:

„Zum anderen gilt es, die Personenseite aber auch zu ermutigen, mit den eigenen, mit solchen Verhältnissen stets einhergehenden Selbstüberforderungstendenzen so sorgsam umzugehen, dass das eigene physische wie psychische Wohlbefinden und damit die eigene Leistungsfähigkeit dauerhaft gut in Balance bleibt. Diese Balancierungsleistung ist deshalb von so großer Bedeutung, weil Organisationen ohnehin dazu neigen, all ihre ungelösten Probleme auf die Personenebene zu verlagern. Solchen Tendenzen leisten die aktuellen Organisationsverhältnisse mit ihrer Tendenz zur unbegrenzten Vereinnahmung ihrer Leistungsträger erheblichen Vorschub“ (S. 39).

Vor dem Hintergrund längerer Lebensarbeitszeiten, steigender Qualifikationen und einer stei-genden Frauenerwerbsquote werden mehr Arbeitnehmer den Möglichkeiten, die eine Organisa-tion für individuelles Selbstmanagement bietet, einen hohen Stellenwert beimessen. Die Erpro-bung einer aktiven Gestaltung der Kontextbedingungen zeigt, dass hierin Chancen liegen, das Engagement aller Beteiligten im Hinblick auf (team-)strategische Fragestellungen, aber auch die Wahrnehmung der Verantwortung für die eigene Selbstverwirklichung zu erhöhen. Somit führt die Studie an den Ausgangspunkt der Theorie von Argyris (1990) zurück: Die fehlende Überein-stimmung zwischen Individuum und Organisation kann eine ständige Quelle von Herausforde-rungen sein. Wird diese Diskrepanz überwunden, ist das sowohl förderlich für das Individuum als auch für die Organisation.

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Verzeichnis der Anhänge

312

VERZEICHNIS DER ANHÄNGE

Anhang 1: Überblick über Selbstmanagement-Strategien

Anhang 2: Überblick über Ziele der Interventionen sowie ihre Umsetzung in Settings und Methoden

Anhang 3: Schreiben, das mit geringfügigen Modifikationen zur Teamakquise eingesetzt wurde

Anhang 4: Drehbuch zur Durchführung von Workshop I

Anhang 5: Drehbuch zur Durchführung des lösungsorientierten Interviews

Anhang 6: Leitfaden zur Durchführung des Evaluationsinterviews

Anhang 7: Beispiel für die Gesprächsgrundlage zur Beurteilung der Veränderungen im Gesamtprozess

Anhang 8: Beispiel für eingesetztes Material im Rahmen von Workshop II (Einzelreflexion)

Anhang 9: Beispiel für eine Hausaufgabe (Aufgabe 1)

Anhang 10: Fragebogen zur Prozessqualität, Variante Workshop

Anhang 11: Follow-up-Fragebogen

Anhang 12: Kodiersystem zur Prüfung der Planung und Anwendung von Selbstmanagementstrategien

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Anhang 1: Überblick über Selbstmanagementstrategien

SELBSTMANAGEMENT-

STRATEGIE

FOKUS DER AKTIVITÄT NUTZEN DER AKTIVITÄT

Verhaltensstrategien (z.B. Kanfer et al., 2000)

Problemidentifikation (self-assessment)

Systematische Sammlung von Daten über das Verhalten, das die Person zu ändern wünscht.

Die Person erhält ein Mittel, das ihr dabei hilft, ihr eigenes Verhalten zu interpretie-ren und zu ändern.

Zielsetzung (goal setting) Auf Basis des identifizierten Verhaltens setzt die Person sich Ziele (kurz- und langfristig) und fixiert diese i.d.R. schriftlich.

Gibt die Richtung für die Anstrengungen der Person vor; verhindert sporadische und reaktive Aktivität ohne konsistente und zielgerichtete Grundlage.

Kontraktgestaltung (contract management)

Eine schriftliche Vereinbarung mit sich selbst, welche die Erwartungen, Pläne und Kontingenzen für das zu verän-dernde Verhalten darlegt.

Der Kontrakt unterstützt die Zielbindung (goal commitment) sowie, dass am Pro-gramm teilgenommen wird.

Selbstbeobachtung (self-monitoring)

Die Person führt Buch über ihre Fort-schritte in Richtung des Ziels.

Die Person erhält Daten über den Fort-schritt ihrer Zielerreichung. Diese Daten bilden auch die Grundlage für die Selbst-bewertung.

Selbstbewertung (self-evaluation)

Die Person bewertet, inwieweit sie sich ihren selbst gesetzten Zielen genähert hat.

Die Person gibt sich selbst Rückmeldung über ihren Zielerreichungsgrad.

Selbstreaktion (self-consequences)

Die Person greift auf Selbstbeloh-nungs- und Selbstbestrafungsstrate-gien (selbst dargeboten oder verbal-symbolisch) zurück (in Abhängigkeit davon, wie sie sich ihren selbstgesetz-ten Zielen genähert hat).

Positive und negative Verstärkung führen zu einer Zunahme, Bestrafung und Lö-schung zu einer Abnahme des Zielverhal-tens.

Stimuluskontrolle (cue modi-fication)

Die Person beseitigt gezielt störende Hinweisreize oder sucht förderliche und erwünschte Hinweisreize gezielt auf (z.B. auch durch Selbstinstruktionen).

Durch die bewusste Gestaltung der Um-welt- und Arbeitsbedingungen wird das Auftreten gewünschter Verhaltensweisen wahrscheinlicher.

Kognitive Strategien (z.B. Neck & Manz, 1992)

Positive Selbstgespräche (positive self-talk)

Die Person lobt und motiviert sich selbst. Eine positive Selbstverbalisation kann zunächst laut geäußert werden und später dann verdeckt erfolgen.

Selbstlob ermöglicht sofortige Verhaltens-konsequenzen für ein Verhalten. Es löst emotionale Zustände aus, die auf die eigenen Denkmuster zurückwirken.

Selbstinstruktionen (self-instructions)

Durch Selbstinstruktionen kann die Person selbst Hinweisreize für langfris-tige Konsequenzen setzen, die andern-falls für das Verhalten kaum bedeutsam wären (z.B. verbale Hinweise auf lang-fristige Folgen von Zigarettenkonsum).

Selbstinstruktionen können die Stimulus-kontrolle ersetzen und sind sehr gut ge-eignet, wenn die physikalische oder sozia-le Umgebung sich von der Person nicht verändern lässt.

Imagination (mental imagery), Möglichkeitsdenken

Die Person stellt sich zukünftigen Er-folg vor und visualisiert die dazu erfor-derliche Leistung sehr genau.

Diese Strategie kann durch ‚opportunity thinking’ schließlich zum tatsächlichem Erfolg führen.

Positive Denkmuster herstel-len

Die Person fokussiert ihre Gedanken auf Gelegenheiten, Herausforderungen und konstruktive Arten, mit diesen Herausforderungen umzugehen. Fehler reinterpretiert sie als Chance (Refra-ming).

Durch die Fokussierung der Aufmerksam-keit auf Ressourcen und positive Effekte fällt es der Person leichter, bestimmte Verhaltensweisen auszuüben.

Natural reward strategies Die Person versucht, Handlungen oder Bedingungen, die ihr Spaß machen, bewusst in ihre Aufgabenerledigung einzubauen (z.B. Informationen münd-lich statt per e-mail).

Durch die Nutzung von Anpassungsmög-lichkeiten an die eigenen Vorlieben kann die intrinsische Motivation zur Erledigung der Aufgabe erhöht werden.

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Anhang 1: Überblick über Selbstmanagement-Strategie n

Strategien nach Kehr (2004)

Ziele spezifizieren und Priori-täten bilden

Die Person listet ihre Ziele auf, sucht nach Zielkonflikten und entschärft diese durch eine Umgewichtung von Prioritä-ten.

Durch die Entschärfung von Zielkonflikten werden weniger Ressourcen für die intrapsychische Konfliktbewältigung ge-braucht.

Implizite Motive kennenler-nen

Die Person setzt sich (mittels systema-tischer Verfahren der Persönlichkeits-diagnostik) mit ihren impliziten Motiven auseinander.

Die Kenntnis der Person über ihre implizi-ten Motive wird verbessert. Dadurch wird die Person in die Lage versetzt, ihre Handlungspläne künftig stärker an ihren Motiven auszurichten.

Positive Phantasien entwic-keln

Die Person denkt gezielt an die eige-nen Stärken und positive Seiten. Sie bespricht positive Ereignisse mit Ande-ren. Sie konzentriert sich auf erwartete Belohnungen. Oder sie bewertet eine ungünstige Motivationslage positiv um.

Durch willentliche Steuerung der Gedan-ken werden eigene (Hoffnungs-) Motive aktiviert. Die Person steigert ihre volitiona-le Kompetenz (Willensstärke).

Positive Emotionslagen er-zeugen

Die Person erinnert sich lebhaft an positive Ereignisse oder übt lustbetonte Tätigkeiten aus. Bei störenden Emotio-nen nimmt sie eine abstrakte Selbstdi-agnose durch Warum-Fragen vor. Alternativ lenkt sie sich mit stimmungs-neutralen Aufgaben ab. Sie führt ein Emotionstagebuch.

Die Person erzeugt gezielt positive Emoti-onen und bewältigt störende Emotionen. Durch die Tagebuchführung lernt sie, Emotionen differenzierter wahrzunehmen bzw. besser zu verbalisieren. Dadurch steigert sie ihre Emotionskontrolle als Teil der volitionalen Kompetenz.

Trennung zwischen Informa-tionssammlung und -bewertung

Die Person sammelt Informationen systematisch und bewertet sie noch nicht. In einem separaten Schritt trifft sie ihre Entscheidung.

Durch die Trennung zwischen Sammlung und Bewertung werden die Alternativen erst dann bewertet, wenn möglichst viele entscheidungsrelevante Informationen vorliegen. Dadurch soll die Person ihre Entscheidungskontrolle und volitionale Kompetenz steigern können.

Systematische Entspannung Die Person übt die progressive Muskel-relaxation, um sich bei Bedarf entspan-nen zu können.

Dadurch soll sie lernen, ihre Aktivation zu kontrollieren und darüber ihre volitionale Kompetenz steigern.

Meditation Die Person übt sich in Meditation. Dadurch steigert sie ihre Aufmerksam-keitskontrolle und volitionale Kompetenz.

Reduktion exzessiver Über-kontrolle

Die Person führt Buch über erlebte Verlockungssituationen und ihren Um-gang damit. Sie lernt, sich auch etwas zu „gönnen“. Außerdem analysiert sie, das Ausmaß ihrer Fremdkontrolle und entwickelt Maßnahmen, um selbstbe-stimmter zu agieren. Sie nutzt systema-tische Planungsinstrumente, um ihre Absichten aufzuschreiben und reser-viert Pufferzeiten in ihrer Freizeit für aktuelle Bedürfnisse.

Die Selbstwahrnehmung der eigenen Bedürfnisse wird verbessert.

Imagination des Wegs zu einem Erfolg (Probedenken)

Die Person zerlegt eine komplexe Handlungsabsicht in Teilhandlungen. Sofern letztere auf verschiedene Weise realisiert werden können, stellt sie auch Alternativen auf. Sie imaginiert die Ausführung der einzelnen Handlungs-schritte und spürt den entstehenden Bildern nach.

Die Alternative, die mit den meisten positi-ve Gedanken und Emotionen einhergeht, kann im Anschluss ausgewählt werden. Darüber kann die Kongruenz zwischen Zielen und impliziten Motiven gesteigert und die intrinsische Motivation erhöht werden.

Problemlösestrategien für schwierige Handlungsschrit-te entwickeln

Die Person prüft, ob emotional negativ besetzte Handlungsschritte kritisch für das Gelingen des übergeordneten Ziels sind. Falls nicht, lässt sie den Schritt weg oder sucht nach Alternativen und Delegationsmöglichkeiten. Außerdem sucht sie volitionale Strategien für die Ausführung.

Durch die entwickelten Problemlösestra-tegien lassen sich Handlungsbarrieren überwinden.

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Anhang 1: Überblick über Selbstmanagementstrategien

Strategien nach Seiwert (1999)

Zeit- und Lebens-Konzept Die Person erstellt einen schriftlichen Plan über eigene kurz-, mittel- und langfristige Ziele (Karriereziele, Berufs-ziele, Stellenziele, Lebensziele und Wunschziele).

Zwischen der Bewältigung der täglichen Aufgaben und dem eigenen Fortkommen wird ein direkter Zusammenhang herge-stellt. Ziele helfen dabei, Prioritäten zu bilden und den Überblick zu wahren.

Selbstanalyse „Zeitdiebe“ und Maßnahmenplanung

Die Person identifiziert Störfaktoren („Zeitdiebe“) und plant Maßnahmen dagegen.

Störungen werden vermieden. Dadurch wird Zeit gespart.

Schriftliche Tagesplanung nach der ALPEN-Methode mit abschließender Kontrolle

Die Person fixiert ihre Tagesplanung schriftlich. Dazu schreibt sie Aufgaben, Aktivitäten und Termine auf (A), schätzt die Länge der Aktivitäten ein (L), reser-viert Pufferzeiten (P). Dann trifft sie Entscheidungen über Prioritäten, Kür-zungen und Delegationsmöglichkeiten, um den Aufgabenkatalog zu reduzieren (E). Es erfolgt eine Nachkontrolle des Tagesergebnisses (N). Unerledigtes wird übertragen.

Durch den Mehraufwand an Planungszeit wird weniger Zeit für die Umsetzung ver-braucht. Durch 8 Minuten tägliche Pla-nung könne 1 Stunde Zeit gewonnen werden. Die Schriftlichkeit hilft dabei, den Überblick zu halten und das Gedächtnis zu entlasten. Sie wirkt motivierend und fördert die Konzentration auf den Tages-plan.

Pufferzeiten einplanen 50:50-Regel: Lediglich 50 % der ver-fügbaren Arbeitszeit sollten verplant werden.

Es bleibt Raum für unerwartete, spontane oder soziale Aktivitäten.

Prioritäten bilden und darauf fokussieren

Anwendung der 80:20-Regel (Pareto-Prinzip): Die Person identifiziert die 20% der Aktivitäten, mithilfe derer 80% des Ergebnisses erzielt werden können und räumt diesen Priorität ein. Oder: Die Person unterteilt ihre Aufgaben in Abhängigkeit von Wichtigkeit und Dringlichkeit in A-, B- und C- Aufgaben (Eisenhower-Prinzip). Für 1-2 A-Aufgaben sollte sie 3 Stunden am Tag einplanen, C-Aufgaben delegieren und für ca. 2-3 B-Aufgaben 1 Stunde täglich vorsehen, der Rest (ca. 45 min.) sollte für C-Aufgaben reserviert werden.

Es erfolgt eine Konzentration auf die Akti-vitäten, die wichtig und dringlich sind und sichtbare Ergebnisse erbringen. Die Per-son widmet sich während einer bestimm-ten Zeit nur einer einzigen Aufgabe und verfolgt diese konsequent und zielbe-wusst. Dadurch werden Aufgaben in der festgelegten Zeit effizienter erledigt.

Positive Lebensführung Der Tag sollte positiv begonnen werden –ohne Hast und Eile. Jeden Tag sollte etwas getan werden, das viel Freude bereitet. Jeden Tag sollte etwas getan werden, das die Person spürbar ihren persönlichen Zielen näher bringt und das Ausgleich zur Arbeit schafft.

Durch die Beeinflussung der persönlichen Einstellung wird Erfolg begünstigt.

Leistungskurve beachten Die Person zeichnet ihre physiologi-sche Leistungskurve, d.h. die Schwan-kungen im persönlichen Tagesrhyth-mus auf. Sie nutzt Leistungshochs für wichtige Dinge (A-Aufgaben), Leis-tungstiefs für weniger Wichtiges (C-Aufgaben) und Zwischenhochs am Nachmittag für B-Aufgaben.

Die Gesetzmäßigkeiten des Organismus werden beachtet. Das steigert die Produk-tivität.

Pausenplanung Nach einer Stunde Arbeit macht die Person 10 Minuten Pause. Sie sorgt dabei im Idealfall für Bewegung, frische Sauerstoffzufuhr und Entspannung.

Der beste Erholungswert soll nach einer Stunde Arbeitszeit erzielt werden.

Stille Stunde reservieren Die Person richtet sich eine Sperrzeit ein, in der sie ungestört arbeiten kann. Sie trägt diese in ihren Tagesplan ein und schirmt sich nach außen ab.

Zeitverluste durch längere Anlaufzeiten und geringere Konzentration werden vermieden.

Anhang 1: Überblick über Selbstmanagementstrategien (Quelle: eigene Darstellung, angelehnt an eine Grafik von Frayne & Geringer, 2000, S. 362)

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Anhang 2: Ziele der Intervention und Umsetzung in S ettings und Methoden

Setting Ziel aus Ansatz 1: Selbstmgt.-Förderung

Ziel aus Ansatz 2: Systemische Beratung

Ziel aus Ansatz 3: Theory U

Methoden und Techni-ken

Fokus Ebene

Workshop I (1 Tag)

Motivation zum Einlas-sen auf den Prozess, Klärung der Rahmen-bedingungen

Anschlussfähigkeit Beraterin; Kontraktges-taltung, gemeinsame Begriffsbasis Selbst-management

Co-initiating: Die ge-meinsame Intention klären und Energie für den bevorstehenden Prozess entwickeln

Appreciative Inqui-ry

Skalierungsfragen

Team

„Aufgabe 1“ Einzelarbeit

Selbstbeobachtung anregen

Selbstbeobachtung auf andere Weise als sonst üblich anregen

“Listen what life calls you to do“, sich mit den Augen der Umwelt sehen lernen

Selbstbeobachtung

Geschichte

Indivi-duum

Einzelcoa-ching, erste 1,5h

Motivation fördern durch Zielsetzung; Erarbeiten individueller Selbstmanagement-Strategien

Kontraktgestaltung, Zielklärung, Lösungs-suche, Möglichkeits-denken anregen, Er-wartungserwartungen bewusst machen

“Open mind” fördern, sich aus anderen Per-spektiven sehen, sich über die eigene Absicht klar werden

Lösungs-orientiertes Inter-view

Systemische Fra-gen

Indivi-duum

2. Teil des Einzelcoa-chings, ca. 1 h

Transfer verbessern durch Antizipation von Widerständen bei der Umsetzung von Selbstmanagement-strategien

Perspektiven-erweiterung durch Einbeziehung des Systemkontexts, Erwar-tungserwartungen bewusst machen

Suspend downloading, „seeing with fresh eyes“, sich aus an-deren Perspektiven sehen

Aufstellung mit Bauklötzen

Zirkuläre Fragen

Zielvisualisierung mit Bildern

Arbeit mit dem inneren Team

Indivi-duum

„Aufgabe 2“ Einzelarbeit

Selbstbeobachtung und Selbstbewertung der eigenen Fortschritte

Nächste kleine Schritte in Richtung einer Ver-änderung anregen

Prototyping, Lösungen probeweise umsetzen im Alltag

Selbstbeobachtung mit Tagebuch

Indivi-duum

Workshop II 1. Vormittag

Selbstaufmerksamkeit auf Individualebene schaffen

Wertehintergrund ein-beziehen

Rekonstruktion der eigenen Biographie, Ermöglichung neuer Unterscheidungen und Erfahrungen mit sich selbst

Fluktuation in die Kommunikationsmuster des Teams bringen durch Ausprobieren anderer Arten der Kom-munikation im Team

„Seeing with fresh eyes“, die eigene Bio-graphie mit neuen Augen sehen

Dialog, Open mind & heart für die eigene Geschichte sowie die der anderen

Willen zum Sinn akti-vieren

Dialog über die eigene Biographie

Reflexion über Biographie aus neuer Perspektive

Sinnsuche

Indivi-duum im Team

Workshop II

1. Nachmit-tag,

2. Vormittag

Prioritäten setzen

Übergeordnete Le-bensziele und Werte klären

Subjektive Deutungen über die eigene Zukunft verändern

Fluktuation in die Kommunikationsmuster des Teams bringen durch Ausprobieren anderer Arten der Kom-munikation im Team

Open mind, heart + will

Durchlaufen des „U“ Verbindung mit dem höchstmöglichen Zu-kunftspotenzial (Sen-sing, Presencing, Crystallizing, Prototy-ping : Was braucht die Zukunft von jedem Einzelnen?

Gestaltung der Umgebung

12 Fragen

Vom Ende ausge-hen

Presencing-Phasen im Tandem

Meditation

Bilder des Erlebten

Indivi-duum im Team

Workshop II, 2. Nach-mittag

Weg zur Zielerreichung planen, evtl. Probehan-deln oder Stimuluskon-trolle anregen

Fluktuation in die Kommunikationsmuster des Teams bringen durch Ausprobieren anderer Arten der Kom-munikation im Team

Prototyping: Lösungen schnell ins Handeln umsetzen

Head, heart + hand zusammenbringen

Kollegiale Beratung Indivi-duum im Team

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Anhang 2: Ziele der Intervention und Umsetzung in S ettings und Methoden

Setting Ziel aus Ansatz 1: Selbstmgt.-Förderung

Ziel aus Ansatz 2: Systemische Beratung

Ziel aus Ansatz 3: Theory U

Methoden und Techni-ken

Fokus Ebene

Workshop III, 1. Tag

Zirkuläre Interaktions-muster und Funktionali-tät von Selbstmgt.-Problemen reflektieren

„Seeing with fresh eyes“/ Das Team mit neuen Augen sehen, sich als Teil eines Sys-tems begreifen

Hypothesen spie-geln + Bewertung durch das Team

Team

Workshop III, 1. Tag

Mentale Landkarten über die Zukunft des Teams miteinander abgleichen, Gemein-same Vision eines Lösungsbilds entwerfen

Verbindung mit dem höchstmöglichen Zu-kunftspotenzials des Teams, gemeinsame Vision der Zukunft erarbeiten

Gemeinsames Bild

Futur Perfekt

Team

Workshop III, 1. Tag

Spielraum von Bewah-renswertem und Ver-änderungsnotwendig-keit eröffnen, gemein-same Entscheidungen ermöglichen

Loslassen- Was muss über Bord?

Sensing – Dialog för-dern

Geschichte „Kohl-köpfe“ + Dialog darüber

Team

Workshop III, 1. Tag

keine Entsprechung Presencing, Stille, Sammeln, Achtsamkeit

Meditation

Stillepunkte

Team

Workshop III, 2. Tag

Blick auf Ressourcen lenken, die zur Bewälti-gung der Herausforde-rungen bereitstehen

Neue Interaktionen (Feedback) im Team ausprobieren

keine Entsprechung Feedback anhand von Ressourcen-karten

Team

Workshop III, 2. Tag

Arbeit mit einem Team ist bei diesem Ansatz nicht vorgesehen

Wissen über die nächs-ten Schritte entstehen lassen, Lösungen umsetzen

Prototyping und schnel-le Umsetzung in die Praxis

Maßnahmen pla-nen für die nächs-ten 72 Stunden und 14 Tage

Team

Interview à ca. 1,5h

Selbstbewertung, Be-wertung der Zielerrei-chung

Gemeinsame Konstruk-tion zwischen Forscher und Beforschtem „Was war da los?“

After-action review Systemische Fra-gen

Skalierungsfragen

Visualisierung

Indivi-duum

Anhang 2: Überblick über Ziele der Interventionen sowie ihre Umsetzung in Settings und Methoden

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Liebe/r NAME, wie NAME Dir mitteilte, bin ich auf der Suche nach Teams für mein Dissertationsprojekt. Mein Ziel ist es, Selbst-managementkompetenzen nicht wie in herkömmlicher Weise durch Trainings oder Einzelcoachings, sondern durch eine Teamberatung und Arbeit mit dem Team zu fördern. Die von mir durchgeführte Beratungssequenz wird dabei fortlaufend evaluiert. Im Mittelpunkt der Beratung steht der Dialog im Team unter Einsatz kreativitätsfördernder, erlebnisaktivierender und vor dem Hintergrund des betrieblichen Alltags eher unkonventioneller Methoden. Inhaltlich geht es v.a. dar-um, sich mit den Zielen und der Zukunft des Einzelnen und des Teams auseinanderzusetzen. Der folgende Nutzen ergibt sich durch die geplanten Maßnahmen: Nutzen für das Unternehmen und das Team:

• Stärkung des Team-Zusammenhalts • Verbesserung der Kommunikation im Team • Schaffung verbesserter Bedingungen für Innovationen und Kreativität des Teams

Nutzen für den einzelnen Mitarbeiter: • Unterstützung bei der Erreichung persönlicher wichtiger Ziele • Kompetenzentwicklung, Erschließung und Vervollkommnung bisher ungenutzter persönlicher Ressour-

cen (personale Kompetenz)

Voraussetzungen sind von meiner Seite: • Teams, deren Mitglieder über hohe Handlungsspielräume verfügen (z.B. Spezialisten-Teams, R&D-

Teams, Projektgruppen, ...) • Die Bereitschaft zur Weiterentwicklung (Selbst/ Team) der Teammitglieder • (Möglichst ansprechende) Räumlichkeiten für die Durchführung von Workshops und Interviews mit ent-

sprechendem Equipment (Flipchart, Metaplanwände...)

Folgende Schritte würden im Beratungsprozess über ca. ein halbes Jahr verteilt:

• Auftragsklärungs-Workshop mit dem gesamten Team, nach dem das Team entscheidet, ob es mit mir zu dem Thema zusammenarbeiten möchte (Dauer ca. 0,5 Tage)

• Einzel-Session mit jedem Teammitglied, in dem die Situation jedes Einzelnen im Team im Vordergrund steht (Dauer je ca. 2 Std.)

• Teamworkshop I - Teamanalyse und Zukunftspotenzial der Einzelnen (Dauer 2 Tage) • Teamworkshop II - Zukunftspotenzial des Teams und Verankerung im Team-Alltag (Dauer 1,5 Tage) • Evaluations-Interview mit jedem Teammitglied (Dauer je ca. 2 Std.)

Insgesamt beliefe sich der Aufwand also auf ca. 4,5 Tage pro Teammitglied. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass der Nutzen dieser Personalentwicklungsmaßnahme den Aufwand bei weitem übersteigen wird. Die Bera-tung selbst ist kostenlos, da sie im Rahmen meines Dissertationsprojekts erfolgt. Der früheste Start für einen Auftragsklärungs-Workshop wäre MONAT. Ich würde mich sehr freuen, wenn das in Eure Projektlandschaft passt und sich vielleicht ein Pilot-Team findet, das sich auf den Prozess einlässt. Ich stehe Dir gern Rede und Antwort und bin bis zum DATUM in ORT erreichbar. Herzliche Grüße aus ORT

Anhang 3: Schreiben, das mit geringfügigen Modifikationen zur Teamakquise eingesetzt wurde

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Anhang 4: Drehbuch Workshop I: Kickoff und Auftrags klärung

Zeit Inhalt Ziel Vorgehen Material

15’ Einstieg und Begrüßung

Anschlussfähigkeit der Beraterin durch authenti-schen Einstieg

Wahrheit der Situation: „Wie kommt es, dass ausgerechnet ich ausgerechnet mit Ihnen zu ausgerechnet diesem Thema zusammensitze?“ Eigener Bezug zum Thema Klärung: Duzen oder Siezen?

Vorbereitetes Flip mit Visualisierung Namensschilder

30’ Vorstellen + Ziele, Erwar-tungen

Kennenlernen der Teil-nehmer, ihrer Erwartun-gen und ersten Zielvor-stellungen

Blitzlicht: • Wer bin ich? • Was wäre heute für mich ein gutes Ergebnis? • Was bin ich bereit dazu beizutragen? • Angenommen, unsere gemeinsame Arbeit verläuft erfolgreich, dann...?

Flip mit Fragen und Bild

210’ 10’ 5’ 2x60 15’ 60’

Appreciative Inquiry

Wertschätzende Atmo-sphäre schaffen Dialog zwischen den Teilnehmern anstoßen, Neugier aufeinander wecken Erinnern des Teams an vorhandene Ressourcen und Lösungen

Einleitung und Vorbereitung: Grundgedanken und Hintergründe des Appreciative Inquirys (AI) • Instruktion zu Ziel + zur Haltung des Interviewers: „Experiment“, gemeinsam „Forschen“, wert-

schätzende Haltung etc. • Tandem-Zuordnung (freiwillig, nach Sympathie + Unbekanntheit) • Durchlesen der ersten Seite der Instruktion • Kurze stille Pause zum Zentrieren auf die Interviews Durchführung der Interviews Im Plenum: Metakommunikation: Wie ging es Euch mit der Übung? Tandemarbeit: Gemeinsam Antworten auf Moderationskarten notieren zu: • Highlights aus den Interviews (O-Töne etc.) • Welche Fähigkeiten und Stärken sehen wir in diesem Team (in Bezug auf SM)? In welchen

Bereichen gelingt das Selbstmanagement jedes Einzelnen in Ihrem Team gut? • Was müssten Sie tun, um mehr davon zu machen? Verdichtung im Plenum; Im Rahmen der Moderation: • Clustern zusammenhängender Inhalte und Zusammenfassungen zur Komplexitätsreduktion

und Erstellen eines Bilds, das diese Aspekte integriert • Evtl. Klärung von Fragen nach Begrifflichkeiten (Selbstmanagement) • Herstellung des Bezugs zwischen den Ergebnissen und der Zielsetzung des Beratungsprozes-

ses

Leitfaden AI

20’ 10’ 10’

Stimmungs-bild

Skalierung zur Verdeutli-chung unterschiedlicher Bewertungen der Aus-gangssituation

Teilnehmer punkten anonym auf verdeckten Wänden „Stimmungsbild“ • Selbstmanagement: Wie wichtig ist das Thema für mich persönlich + wie viel kann ich noch

lernen? (1-10 / 1-10) • Wie gut erreiche ich meine individuellen Ziele in diesem Team? Wie sehr fühle ich mich durch

andere in diesem Team bei der Erreichung meiner Ziele unterstützt? (1-10/1-10) • Wie zufrieden bin ich mit dem derzeitigen Zustand im Team? (1-10) Kurze Diskussion:

Fragen auf 3 ver-deckten Wänden Klebepunkte Metaplankarten

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Anhang 4: Drehbuch Workshop I: Kickoff und Auftrags klärung

• Wie interpretiert das Team das Ergebnis und was heißt das für die weitere Arbeit?

10’ Ausblick Orientierung Vorstellen der Planung für das weitere Projekt Beantwortung von Fragen zum weiteren Vorgehen

Flip mit Visualisie-rung „Weg“

15’ Blitzlicht Rückmeldung zum Work-shop und Formulierung von Erwartungen für die Zukunft

Wie habe ich den Vormittag erlebt? Was geht mir durch den Kopf? In welcher Stimmung gehe ich heute hier raus? Wünsche ich mir eine weitere Arbeit in der Zukunft und falls ja: Was wünsche ich mir für unsere weitere Arbeit in der Zukunft? Was sollte in Bezug auf unser Team das Ziel für diese weitere Arbeit sein?

Flip-Plakat heute, Visualisierung Rückblick und Blick nach vorn

2’ Evaluation Workshop-Beurteilung Evaluationsbogen ausfüllen Evaluationsbogen

2’ Hausaufgabe Anregung zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema Aufgabe 1

Anhang 4: Drehbuch zur Durchführung von Workshop I

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Anhang 5: Drehbuch lösungsorientiertes Interview im Einzelcoaching

Zeit Inhalt Vorgehen Material

15’ Einstieg und Begrü-ßung

Erläuterung Tonband, Vertraulichkeit, Datenschutz, Ablauf des Gesprächs, Klärung von Fragen • Was sind Deine Aufgaben hier? Welche Frage liegt im Herzen Deiner Arbeit • Was tust Du besonders gerne? (beruflich wie privat)

Aufnahmegerät, No-tizblock

20’ Ziele formu-lieren, Ziel-klärung

• Wenn Du auf Dein Leben als Ganzes blickst - vor welchen Herausforderungen stehst Du zu diesem Zeitpunkt? Falls Probleme genannt - Fragen zum Problem und sei nen Erklärungen: • Wann, wann nicht, seit wann, in welcher Intensität, wo, wo nicht zeigt sich das Problem? • Wie erklärst Du Dir die Entstehung des Problems? • Wie erklärst Du Dir, dass es manchmal auftritt und manchmal nicht? Fragen zum Ziel: • Welches sind Deine Zielvorstellungen? • Was soll in Deinem Leben anders werden? • Was wäre ein gutes Ergebnis? • Was wünschst Du Dir am meisten, was sich in Deinem Leben verändern soll? Abwesendes, negativ Definiertes hinterfragen: • Was ist stattdessen da? Was wäre dann statt des Problems da? • Lass uns einmal so tun, als ginge es bei Dir bereits jetzt schon ein wenig in die richtige Richtung. Was würdest Du denn

dann statt xxx anders machen? Wenn Eindruck, dass Ziel unrealistisch: • Auf einer Skala von 1 bis 10, wenn 1 für „tritt auf keinen Fall ein“ und 10 für „tritt auf jeden Fall ein“ steht, für wie realistisch

hältst Du dieses Ziel? • Angenommen, Du hast Dein Ziel erreicht, was ist dann für Dich anders? Globale Aussagen („immer“, „besser“) konkretisieren und kontextualisieren: • Was genau wäre dann besser? Wenn mehrere Ziele genannt: • Was davon ist Dir wichtiger? Wo ist mehr Herzblut dahinter? • Welches ist die größte Herausforderung, ein ungelöstes Problem? Komplexe Zielbeschreibungen in kleinere Schritte un terteilen • Ziel möglichst verhaltensnah formulieren für beobachtbaren Maßstab • Einmal angenommen, Du würdest an xxx arbeiten. Was würdest Du dann machen? • Woran würdest Du merken, dass Dein Ziel erreicht ist? Welchen Unterschied zum gegenwärtigen Zustand würdest Du fest-

stellen? Woran würdest Du das bemerken?

Anm.: Teil mit Zielklä-rung eher kurz halten, Ziele geben nur Rich-tung an, Wunderfrage zeigt, was das wirkli-che Ziel ist (Sparrer, 2002, S. 95)

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Anhang 5: Drehbuch lösungsorientiertes Interview im Einzelcoaching

• Was würdest Du dann tun, was Du nicht sowieso schon tust? • Was wäre dann noch anders? Fragen zum Kontext • Was sagen andere dazu? Schätzen die auch ein, dass Du das verändern müsstest? Fragen zur Intensität des Veränderungswunsches • Was passiert, wenn nichts passiert? • Willst Du das wirklich wirklich wirklich?

30’ Wunder-frage

Ich stelle Dir jetzt ein vielleicht etwas merkwürdige und auch schwierige Frage. Es braucht etwas Fantasie, um sie zu beantwor-ten. Du kannst Dir dabei aber alle Zeit nehmen, die Du brauchst. – Wenn Du nach diesem Interview noch weiter arbeitest. Und irgendwann heute Nachmittag oder am Abend nach Hause gehst – und anschließend noch mit Deiner Familie sprichst, zu Abend isst und eventuell noch was unternimmst, – und irgendwann wirst Du müde und legst Dich schlafen, – und irgendwann – schläfst Du ein, und, – angenommen, – in dieser Nacht – geschähe ein Wunder, – und das Wunder bestünde darin, – dass das Problem, über das wir gerade gesprochen haben, – gelöst ist, – auf einen Schlag, – einfach so, – und das wäre ja wirklich ein Wunder, nicht wahr? – Und wenn Du nun morgen früh aufwachst – und niemand sagt Dir, dass dieses Wunder geschehen ist, – woran könntest Du dann erkennen, dass dieses Wunder eingetreten ist?“ (Sparrer, 2002, S. 58) Nachfragen: • Und was noch? • Woran könnte man es noch merken, dass das Wunder passiert ist? Beobachtungen und Reaktionen des sozialen Kontexts erfragen: • Wer außer Dir merkt als erster, dass das Wunder geschehen ist? Wie ist seine Reaktion? • Wer würde dieses Wunder noch bemerken? Wie ist seine Reaktion? • Woran könnten andere bemerken, dass das Wunder eingetreten ist? • Wer wäre am meisten überrascht? • Gibt es jemanden, der sich ärgert, dass das Wunder eingetreten ist? Gibt es jemanden, der negativ darauf reagiert? Bei negativen Reaktionen von außen: • Wie gehst Du damit um? Wenn Reaktionen, genannt werden, die das Problemmus ter wieder aufgreifen: • Jetzt ist aber über Nacht das Wunder geschehen. Wie reagierst Du denn nun? Konsequenzen der Problemlösung erfragen: • Welche Schwierigkeiten könnten nach dem Wunder auf Dich zukommen? • Angenommen, das Wunder ist geschehen und Dein Ziel ist erreicht, womit wärest Du dann beschäftigt? • Wie sähe es ein halbes Jahr nach dem Wunder aus?

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Anhang 5: Drehbuch lösungsorientiertes Interview im Einzelcoaching

Fragen nach dem Bewahrenswerten: • Was würdest Du am meisten von dem wie es vorher war, vermissen, wenn das Wunder geschehen wäre? (Was ist gut dar-

an, dass es so ist?) • Hast Du Ideen, wie Du Dir das bewahren könntest und trotzdem die Veränderung vornehmen könntest? • Was möchtest Du Dir in diesem Veränderungsprozess gerne bewahren? • Wann darf das Wunder frühestens passieren? Was ist vorher wichtig?

15’ Frage nach Ausnahmen

Fragen nach Ausnahmen: • Gab es schon einmal eine Zeit, wo so etwas wie dieses Wunder eingetreten war? • Kannst Du Dich an Situationen erinnern, in denen bereits Teile des Wunders eingetreten sind? Ansatzweise? • Trat das eine oder andere, das Du jetzt nach dem Eintreten des Wunders genannt hast, bereits auf? • Gab es mal eine Zeit, in der das Wunder oder Teile davon schon mal erreicht waren? Fragen nach den Bedingungen der Ausnahmen: • Wie hast Du das (damals) geschafft? Wie ist Dir das gelungen? Was hast Du konkret getan? • Was war der Unterschied zur heutigen Situation? • Wenn 10 für das Wunder steht und 1 für den Zustand, als (z.B. Beginn der Auseinandersetzung mit dem Problem) - wo auf

dieser Skala würdest Du Dich jetzt einschätzen? • Was hat Dir geholfen, von 1 auf n zu kommen? • Gab es in der Vergangenheit bereits Situationen, bei denen Dein Wert auf der Skala höher lag als n? • Was ist die höchste Zahl auf der Skala von 1 bis 10, die Du in der Vergangenheit schon mal erreicht hast? Wie ist Dir das

gelungen? Fragen nach dem nächsten Schritt: • Was sind die kleinen Schritte, die Du bereits in die richtige Richtung unternommen hast? Was wäre der nächste kleine

Schritt? • Was könntest Du tun, um Teile des Wunders (einen kleinen Schritt in die richtige Richtung) zu wiederholen? • Woran wirst Du erkennen, dass Du auf dem richtigen Weg bist?

Positive Verstärkung (z.B. „das ist aber eine gute Idee“, „da hast Du ja schon einiges geschafft“ etc.) für positive Er-eignisse

10’ Pause In der Pause fasst die Beraterin auf Basis ihrer No tizen alle genannten Lösungsansätze schriftlich zus ammen und for-muliert (ebenfalls schriftlich) eine Aufgabe zur we iteren Umsetzung. Mögliche Aufgaben sind z.B.: Wähle zwei Tage in der Woche aus, an denen Du so tust, als ob das Wunder passiert sei. Beobachte Sie, ob dies für Dich einen Unterschied macht. Suche Dir eine der im Wunder erwähnten Handlungen aus, und führe sie zweimal pro Woche durch. Beobachte, ob dies an den Tagen, an denen Du die Handlung durchführst, einen Unterschied für Dich macht. (dazu nutzbar: Tabelle self-monitoring) Führe eine Liste zum Thema (ZIEL). Trage pro Tag einen Wert ein, den Du Dir selbst dafür gibst, wie weit es Dir gelungen ist, an diesem Ziel zu arbeiten. Wenn Du einen Wert, der besser als 2 ist, erreicht hast, überlege bitte, warum dies so ist. Notiere in diesem Fall die (möglichst mindestens drei) Punkte die Dir einfallen. Der Teilnehmer füllt den Vordruck „Mein persönliche s Ziel“ aus

Aufgabe 2 Vordruck Contract Management

5’ Der Teilnehmer liest sein Ziel noch mal vor, Beraterin erläutert die Aufgabe und wiederholt die Lösungsansätze, die der Teilneh- Aufgabe 2

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Anhang 5: Drehbuch lösungsorientiertes Interview im Einzelcoaching

mer erarbeitet hat und überreicht die Aufgabe schriftlich. Etwaige Fragen werden geklärt.

30’-60’

Vertiefung durch z.B. Systemstel-len mit Bauklötzen

Erläuterung der Vorgehensweise Auswahl der „Repräsentanten“ (Hinweis: sparsam, Möglichkeit, mehrere Personen zusammenzufassen) Fragen zum Klären von Beziehungen und Einführen unt erschiedlicher Sichtweisen, z.B.: • Wenn ich A fragen würde, wie er die Beziehung zwischen B und C sieht, was würde er mir antworten? • Angenommen, ich würde D fragen, wie würde er das Problem aus seiner Sicht beschreiben? • Was würde Dir C raten in Bezug auf Deinen Umgang mit A? • Wenn ich E zu der Sache befragen würde, würde sie Dir zustimmen? • Wenn ich B frage, für wen das was C tut ein Problem ist, was antwortet er mir? Wer ist darüber am meisten beunruhigt, wer

am wenigsten? Fragen zur Funktionalität des Problems, z.B.: • Wer hat welchen Nutzen aus dieser Konstellation? • Wenn das Problem irgendeinen Nutzen hätte – welcher wäre das? Fragen zur Verdeutlichung des eigenen Beitrags, z.B .: • Was kannst Du tun, um das Problem zu verschlimmern, zu behalten, zu verewigen? • Was könntest Du tun, um diese Probleme zu verstärken? • Wie könnten Dir die anderen dabei helfen? Fragen zum Veränderungspotenzial, z.B.: • Wer muss was tun, damit alles so bleibt, wie es ist? Wer muss was tun, damit sich was wie ändert? • Wer oder was müsste sich ändern, damit Du zufrieden wärst? • Wenn nur Du Dich in dieser Konstellation bewegen könntest, welche Position würdest Du einnehmen, um eine Verbesse-

rung zu erzielen? • Ggf. Einführen des Ziels als neuem Element � Was passiert wenn Du Dich mehr auf Dein Ziel zu bewegst/ Blickkontakt zum

Ziel aufnimmst? Fragen zu Reaktionen auf vorgenommene Veränderungen , z.B.: • Was vermutest Du, wie das Team darauf reagieren wird (z.B. wenn Du Dich Deinem Ziel näherst)? • Was tust Du, wenn das Team entsetzt reagiert? • Was antwortet mir A wenn ich ihn frage, was B tut, wenn C sein Wunderverhalten ausübt? Wie verhalten sich die anderen? • Wenn xxx geschieht, wie könntest Du erreichen, dass ... (eigene Einwände, die einfallen) ... nicht eintritt? • Was müsstest Du tun, damit Dein Team Dir erlaubt ... zu machen? • Wie könntest Du erreichen, dass Du mit Deinem Team gut auskommt, obwohl Du ... tust?

Bauklötze Kamera

Anhang 5: Drehbuch zur Durchführung des lösungsorientierten Interviews

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Anhang 6: Drehbuch Evaluationsinterview

Zeit Inhalt Vorgehen Material

5’ Einstieg Erläuterung Tonband, Vertraulichkeit, Ablauf Erläuterung der Zielsetzung des Gesprächs, Gelegenheit zum Fragenstellen • Wie ist es Dir in der Zeit seit unserem letzten Workshop ergangen? (falls nicht dabei: Wie kam es?)

Mikro, Software, Rechner

20’ Zielerreichung Einschätzung Zielerreichungsgrad: Auf einer Skala von 1 bis 10, wobei 10 für „Dein Ziel ist vollkommen erreicht“ steht und 1 für den Zustand, als wir das Ziel formuliert haben – wo auf dieser Skala würdest Du Dich jetzt einordnen? • Woran kannst Du erkennen, dass Du von n auf n+1 gelangt bist? • Was ist der Unterschied zwischen n und n+1 für Dich? • Was ist jetzt anders als bei 1? • Was hat Dir geholfen, von 1 auf x zu gelangen? / Was hast Du getan, um Deinem Ziel näher zu kommen? • Wie ist Dir das gelungen? / Welche Strategien hast Du dabei angewandt? • Inwiefern hat dabei der Teamkontext eine Rolle gespielt? Bei Verschlechterungen: • Wie schaffst Du es, nicht aufzugeben? Wie hältst Du das aus? Was hat Dir geholfen, dass es nicht schlechter ist?

Arbeitsblatt mit Ziel

35’ Veränderungen im Gesamtpro-zess

Kurve malen + Erläuterung: y-Achse: Veränderung bei mir / im Team, x-Achse: Zeit • Was genau hat sich verändert? (auf Teamebene / auf Einzelebene) • Beispiele / critical incidents nennen lassen, an denen eine Veränderung klarer wird / Woran könnte ein Außenste-

hender beobachten, dass sich etwas verändert hat? • Worauf führst Du das zurück? Wodurch hat es sich verändert? Wie erklärst Du Dir diese Veränderung? • Wie schätzt Du die Intensität der Veränderungen ein? • Wenn ich die anderen Teammitglieder fragen würde, was sich zwischen Dir und x (z.B. Deiner Fk) verändert hat,

was würden sie mir vermutlich berichten? • Mit welchen Wirkungen hast Du nicht gerechnet? Wodurch erklärst Du Dir diese „Nebenwirkungen“? Bei ungünsti-

gen Nebenwirkungen: Was hätte passieren müssen, um diese zu verhindern? • Welche neuen Fragen oder ungelösten Probleme sind durch das Projekt entstanden? • Was sind für Dich die wesentlichen Ergebnisse dieses Projekts? • Was ist für Dich persönlich der Nutzen des Projekts? Was hast Du persönlich gelernt in diesem Prozess? Was

nimmst Du mit? • Was ist der Nutzen für das Team? (evtl.: Was ist der Nutzen für Deine Organisation?) • Angenommen, ein anderes Team, das überlegt an diesem Projekt teilzunehmen, würde sich bei Dir erkundigen,

womit es rechnen muss bzw. was es erwarten kann (Risiken und Chancen)– was würdest Du ihm sagen/ raten?

Papier, Stifte

5’ Konsequenzen der Veränderun-gen für das eige-ne Selbstmana-gement

• Inwiefern haben sich die beschriebenen Veränderungen auf die Rahmenbedingungen für Dein Selbstmanagement ausgewirkt?

• Inwiefern hast Du für Dich persönlich einen Nutzen aus den Veränderungen im Team gezogen? • Inwiefern kannst Du Deine persönlichen Ziele in diesem Teamkontext besser verfolgen als vorher?

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Anhang 6: Drehbuch Evaluationsinterview

10’ Wirksamkeit der Beratung

• Welchen Anteil hatte die Beratung Deiner Meinung nach an den Veränderungen? Welche der Veränderungen führst Du auf das Projekt zurück, welche auf andere Einflüsse? Könnten diese Veränderungen auch durch andere Dinge zustande gekommen sein als die Beratung? Rückblickend betrachtet, wie wahrscheinlich erscheint es Dir dass die-se Veränderungen auch ohne die Beratung eingetreten wären?

• Welche Teile genau haben dazu beigetragen? Was an der Beratung? • Was hat die Beratung geleistet? • Welche Methoden haben Dir / dem Team etwas gebracht? Und was? • Welche Teile hast Du für Dich intensiv nutzen können? (Interview, Workshops, Aufgaben)

5’ Nachhaltigkeit und Transfer

• Für wie nachhaltig hältst Du die Veränderungen im Team / bei Dir? • Wie schätzt Du die zeitliche Dauer der Veränderungen ein? • Wie schätzt Du die Gefahr des Zurückfallens in alte Muster ein? • Was muss passieren, damit die Veränderungen von Dauer sind? • Welche Folgewirkungen erwartest Du, die Du dem Projekt zurechnest? • Was hast Du gelernt was Du Dir vorstellen kannst, irgendwann noch mal anzuwenden? • In welchem Zusammenhang würdest Du das noch mal anwenden?

5’ Globale Zufrie-denheit mit dem Projekt

• Wie zufrieden bist Du mit dem Projekt? • Was hat Dir gut gefallen / dazu beigetragen an dass Du zufrieden bist? • Was hätte passieren müssen, damit Du zufriedener bist? • Wie schätzt Du den Zusammenhang zwischen Aufwand und Nutzen ein? • Was hätte die Beratung aus Deiner Sicht leisten müssen, hat sie aber nicht? • Angenommen wir könnten noch mal ganz von vorne anfangen mit dem Projekt – was hätte dann anders laufen

müssen/ sollen?

5’ Evaluationsbogen Rating des Gesamtprozesses rückblickend mit dem Bogen + dabei Tonband laufen lassen für Erläuterungen Evaluationsbogen

Anhang 6: Leitfaden zur Durchführung des Evaluationsinterviews

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Anhang 7: Beispiel für die Gesprächsgrundlage zur B eurteilung der Veränderungen im Gesamtprozess

Anhang 7: Beispiel für die Gesprächsgrundlage zur Beurteilung der Veränderungen im Gesamtprozess

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Anhang 8: Beispiel für eingesetztes Material im Rah men von Workshop II

Mein Weg... aus der Vogelperspektive

Blicke auf die gegenwärtigen Herausforderungen in Deinem Leben und Deiner Arbeit. In welchem Verhältnis stehen Sie zu Deiner bisherigen Lebensreise, Deinem bisherigen Weg?

Nimm dabei eine Vogelperspektive ein, bei der Du von oben auf Deinen Lebensweg schaust. Wenn jemand Deine gegenwärtigen Herausforderungen gestaltet hätte, um Dir eine wichtige Lernerfahrung zu ermöglichen – eine Erfahrung, die mit Deinem weiteren Weg verbunden ist. Was wäre diese Lernerfahrung?

Wenn jemand absichtlich Deine vergangene Lebensreise und Deine gegenwärtigen Heraus-forderungen gestaltet hätte, um Dich auf Deine zukünftige Arbeit und Dein zukünftiges Leben vorzubereiten – was glaubst Du, könnten die zentralen Themen für diese weiteren Reise sein?

(In Anlehnung an Scharmer, 2007: „Theory U“)

Anhang 8: Beispiel für eingesetztes Material im Rahmen von Workshop II (Einzelreflexion)

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Anhang 9: Beispiel für eine Hausaufgabe (Aufgabe 1)

„Die wahre Entdeckungsreise besteht nicht darin, neue Landschaften zu suchen, sondern mit neuen Augen zu sehen“ (Marcel Proust)

Übung:

Nimm Dir jeden Abend ca. 4 Minuten Zeit für einen Rückblick auf den Tag. Blicke dabei auf Dich, so als ob Du Dich von außen betrachten würdest.

Achte darauf, wie Du mit anderen interagiert hast. Was wollten andere von Dir? Was solltest Du aus ihrer Sicht tun? Welche Appelle wurden an Dich gerichtet? Was haben sie vorge-schlagen, was Du tun solltest, vielleicht auch ohne es ausdrücklich zu sagen?

Konzentriere Dich bei Deinem Rückblick darauf, diese Vorschläge nicht zu bewerten, son-dern nur zu beobachten.

(in Anlehnung an: Scharmer, 2007b, S. 380)

Sinn und Zweck:

Es geht in dieser Übung darum, systematisch das Beobachten zu üben. Dies hilft dabei, Veränderungsimpulse wahrzunehmen und wachsam dafür zu sein, wozu uns das Leben herausfordert, was es von uns erwartet.

Mit der Zeit wirst Du einen „inneren Beobachter“ entwickeln, der es Dir ermöglicht, Dich vom Standpunkt eines anderen aus zu betrachten.

Zugleich ist dies eine Übung im Nicht-Bewerten. Indem Du Dich darin übst, machst Du Dich frei von automatischen Urteilen und „Schubladendenken“. Dein Verstand wird dadurch dazu eingeladen, innezuhalten. Dadurch eröffnest Du Dir die Möglichkeit, Gewohntes aus neuen Perspektiven zu betrachten.

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Anhang 9: Beispiel für eine Hausaufgabe (Aufgabe 1)

330

Nasreddin ist unterwegs zum Dorf. Er reitet mit seinem Sohn und einem Esel aus der Stadt. Er hat seinen Sohn auf den Esel gesetzt und geht selbst nebenher. Als die vorbeigehenden Leute das sehen, stoßen sie ihren Zorn aus: "Schau dir das an! Der alte Mann muß zu Fuß gehen und der Junge sitzt bequem auf dem Esel. Ist das die Art, wie man seinem Vater den nötigen Respekt erweist? Was für ein unhöflicher Knabe. Er sollte sich was schämen!"

Sofort steigt der Junge ab und bietet seinem Vater den Platz an. Nasreddin setzt sich selbst auf den Esel. So setzen sie ihre Reise fort. Doch schon nach einer Weile hört er, wie sich zwei, die am Wegrand sitzen, unterhalten: "Der große Kerl sitzt gemächlich auf dem Esel und läßt den armen kleinen Jungen in dieser glühenden Hitze zu Fuß gehen. Das ist wahr-haftig nicht die richtige Art und Weise seinen Sohn zu versorgen. Gibt es denn kein Mitleid mehr auf der Welt?"

Da holt Nasreddin seinen Sohn mit auf den Esel und so reiten sie beide weiter. Nach kurzer Zeit kommen Sie an einem Feld vorbei. Die Leute, die darauf arbeiten, richten sich auf und rufen: „Der arme Esel! Was für eine schwere Last er tragen muss. Muß dieses schwache Tier denn euch beide tragen? Wie kann man nur so grausam sein! Der arme Esel wird sich das Rückgrat brechen.

Nasreddin steigt daraufhin ab und nimmt auch seinen Sohn vom Esel herunter. Beide setzen ihre Reise zu Fuß fort. So gehen sie weiter, der Esel voraus und die beiden hinterdrein. Als sie nicht mehr weit vom Dorf entfernt sind, hören sie, wie ein Mann zum anderen sagt: "Guck Dir nur die beiden an! Der Esel spaziert voraus und die zwei marschieren hinterher. Sie lau-fen tatsächlich beide hinter einem Esel her! Wie kann man nur so dumm sein? Warum reiten sie nicht auf dem Esel...?"

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Anhang 9: Beispiel für eine Hausaufgabe (Aufgabe 1)

Nachdem Du einige Tage bzw. Wochen die Beobachtungs-Übung durchgeführt hast - Stelle Dir in einem ruhigen Moment die beiden folgenden Fragen:

Was möchte ich – zur Zeit – in meinem Leben beibeha lten, erweitern, verbessern, ändern?

Beruflich

Beibehalten

Verändern

Privat

Beibehalten

Verändern

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Anhang 9: Beispiel für eine Hausaufgabe (Aufgabe 1)

332

Welches sind die drei wichtigsten Ziele, die ich in den nächsten sechs Monaten errei-chen möchte...?

...im Arbeitsbereich?

1.

2.

3.

...im Privatbereich?

1.

2.

3.

Anhang 9: Beispiel für eine Hausaufgabe (Aufgabe 1)

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Anhang 10: Fragebogen zur Prozessqualität, Variante Workshop

Anhang 10: Fragebogen zur Prozessqualität, Variante Workshop

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Anhang 11: Follow-up-Fragebogen

Liebes Teammitglied / liebe/r Projekt-Teilnehmer/in ,

dieser Fragebogen soll mir dabei helfen, die langfr istige Wirkung des erprobten Pro-gramms zu beurteilen. Dabei sind die folgenden Antw ortkategorien vorgesehen:

„Sehr hohe Nachhaltigkeit“: Die bereits erreichten Veränderungen sind stabil geblieben. Darüber hinaus haben

sich weitere Veränderungen ergeben, die Du u.a. auch auf das Projekt zurückführst. So sind evtl. manche Wir-

kungen erst später zutage getreten. Oder es ist Dir gelungen, im Projektverlauf Gelerntes auf andere Bereiche zu

übertragen/ anzuwenden. Oder das Projekt hat Prozesse angestoßen, die weitere Veränderungen zur Folge

hatten.

„Hohe Nachhaltigkeit“: Die bereits erreichten Veränderungen sind über die Zeit hinweg stabil geblieben. Sie

erscheinen Dir nicht ohne weiteres umkehrbar. Z.B. wendest Du im Projekt Erlerntes an. Oder eine langfristige

Wirkung des Projekts ist spürbar.

„Mittlere Nachhaltigkeit“: Die bereits erreichten Veränderungen sind nur im Hinblick auf bestimmte Aspekte

oder in bestimmten Bereichen stabil geblieben. In anderen Bereichen haben sich altbekannte Muster oder die von

Dir vor Beginn des Projekts bestehenden Probleme „eingeschlichen“.

„Geringe Nachhaltigkeit“: Von den zu Projektabschluss erreichten Veränderungen ist nicht mehr viel übrig.

Selbst einige kleine stabile Veränderungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Situation im

Großen und Ganzen wieder wie vor Projektbeginn darstellt.

„Keine Nachhaltigkeit“: Es wurde keine Veränderung erreicht. Die Situation ist die gleiche wie vor Projektbe-

ginn. Womöglich hat sie sich sogar verschlechtert.

Wie schätzt Du die Nachhaltigkeit der durch das Pro gramm erzielten Veränderungen ein in Bezug auf...

1. ...das Erreichen Deines persönlichen Ziels?

Denke an das Ziel, das Du zu Beginn des Projekts für Dich definiert hattest. Inwieweit bist Du diesem Ziel lang-

fristig und nachhaltig näher gekommen?

Sehr hohe Nachhaltigkeit □

Hohe Nachhaltigkeit □

Mittlere Nachhaltigkeit □

Geringe Nachhaltigkeit □

Keine Nachhaltigkeit □

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Anhang 11: Follow-up-Fragebogen

Was hat Dich zu diesem Urteil bewegt?

2. ...Veränderungen im Team?

Denke an Euer Team(-verhalten/-gefühl/-klima...) vor unserem Projekt. Was hat sich nachhaltig verändert? Wie

beurteilst Du das Ausmaß der Nachhaltigkeit?

Sehr hohe Nachhaltigkeit □

Hohe Nachhaltigkeit □

Mittlere Nachhaltigkeit □

Geringe Nachhaltigkeit □

Keine Nachhaltigkeit □

Was hat Dich zu diesem Urteil bewegt?

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Anhang 11: Follow-up-Fragebogen

3. ...persönliche Veränderungen bei Dir?

Bitte überlege: Gibt es etwas, was Du im Rahmen des Projekts nachhaltig erlernt hast (z.B. in Bezug auf den

Umgang mit Dir selbst oder den Umgang mit anderen Menschen)? Wie beurteilst Du das Ausmaß der Nachhal-

tigkeit?

Sehr hohe Nachhaltigkeit □

Hohe Nachhaltigkeit □

Mittlere Nachhaltigkeit □

Geringe Nachhaltigkeit □

Keine Nachhaltigkeit □

Was hat Dich zu diesem Urteil bewegt?

Weitere Anmerkungen / Kommentare / Anregungen

Vielen Dank!!!

Anhang 11: Follow-up-Fragebogen

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Anhang 12: Kodiersystem Selbstmanagement-Strategien

Katego-rie 302

Kodierregel Unter-katego-rie

Beinhaltete Strategien

Beispiel für Kodierung Neu?

Positive Interaktion mit anderen

ECT5B4: „Ja, ich würde lächeln, mit Sicherheit. Ich könnte mich mit Sicherheit zu dem einen oder anderen ‚yeah’ durch-reißen, […]“ [I: „Also Enthusiasmus zeigen.“] „Ja, so kann man das ausdrücken.“

Ja

Den Tag positiv beginnen

ECT2B2: „Ich glaube, ich würde runtergehen, was ich schon sehr lange nicht mehr gemacht habe … Und mir eine Zei-tung holen [I: „Mhm.“] .. Und dann hochgehen .. gemütlich einen Tee aufsetzen und mich hinsetzen und erst mal und /ehm/ Musik anmachen oder Radio. Erst mal Zeitung lesen, Tee trinken.“

Nein

Natural reward strategies

ECT3B7: „Es gibt teilweise Sachen, von denen ich weiß, dass die mir relativ leicht von der Hand gehen. Die haben aber eigentlich nicht unbedingt Priorität. Dass ich sie aber trotzdem mache und dann komme ich sozusagen in einen Arbeits-fluss rein. Und hab nicht mehr das Gefühl ‚das Unterste ist auch noch da’. Teilweise tut es mir gut, Kleinscheiß wegzu-arbeiten. Und ich habe dann nicht so viele Themen, die ich im Speicher behalten muss.“

Nein

Am Tag etwas Schönes erleben

ECT1B3: „Dann, also, wenn man mehr macht und so, zum Beispiel /ehm/ mit Kumpels jetzt meinetwegen abends weg-geht und allen möglichen - was weiß ich was - Kickern geht und so und mehr das Leben auskostet .. Dann kommt man automatisch in die, die, den Modus des Lebensauskosters.“

Nein

Planung privater Highlights

ECT4B3: „Eigentlich hatte ich auch vor, diesmal mal nach München ins Technikmuseum zu fahren. Aber das komplett alleine dann. Dann würde ich aber merken, man kann das Leben doch genießen. Einfach mal so.“

Ja

Positive Lebens-führung

Rituale pflegen ECT4B1: „Obwohl, was ich mal wieder anfangen könnte, dass ich mit den Rauchern einfach mitgehe. Das war früher schon ganz nett bei den Raucherpausen. Wo man wirklich über andere Themen redet als sonst. Und das vermisse ich auch ein wenig.“

Ja

Haltungs- oder Perspektivwechsel

ECT3B8: „Ich glaube, ich muss etwas anderes mit ihm ausprobieren als diesen Druck aufbauen und ihn mehr fragen. Das würde mich tatsächlich mal interessieren. Das habe ich noch nie gemacht, wie für ihn […] ein optimales Arbeitsmo-dell aussehen würde. Das weiß ich nicht, weil ich immer in den Beschränkungen, die ich habe, gedacht habe.“

Ja

Relativieren ECT2B7: „Das hilft sicherlich schon, zu sagen ... ‚Hier das ist ein, eine Arbeit. Und .. ich kann auch andere Arbeit finden. Und wenn ich will, kann ich auch aufhören. Oder ich mache mich selbstständig, was auch immer .. Ich bin privilegiert. Ich habe eine gute Ausbildung. Ich kriege schon was irgendwie hin.’ Das entspannt natürlich.“

Ja

Andere Haltung einneh-men

Implizite Motive kennenlernen

ECT2B4: „Ja, wichtig ist vielleicht auch etwas anderes. Und zwar, dass man das, was man selbst erwartet, wenn man in so einer Rolle ist, dass man ein Projekt führt, dass man das auch selbst den anderen gibt. Also, dass man zum Beispiel sagt:‚Das ist super’ […] Das ist schon toll, wenn man das selber vermisst und selber mal macht. Ja, ist eine Sache, die einem manchmal, sehr, sehr, sehr, sehr kitschig vorkommt. Aber /eh/ man merkt an der Reaktion, dass es nicht kitschig ist’ [I: „Also, den Anderen Anerkennung auszu- auszudrücken?“] „Ja, ja, so in der Art, das [I: „Mhm.“] Ausdrücken von Anerkennung und nicht bloß: ‚Hat er gut gemacht’.“

Nein

Emotiona-le Strate-gien

Dieser Katego-rie werden alle Textelemente zugeordnet, die damit einherge-hen, die eige-nen Stimmun-gen und Span-nungszustände zu beeinflussen

Entspan- Entlastung durch ECT2B7: „Na, ich würde nicht in eine Situation kommen, wo ich denke ‚Oh, das muss ich mir jetzt merken’ oder ‚Da Ja

302 Anmerkung zu Anhang 12: Die Tabelle ist nach Kodierhäufigkeiten aufgebaut: Die Kategorie mit den meisten Codes ist zuoberst aufgeführt. Innerhalb einer Kategorie werden zunächst (sofern verge-ben) die häufigsten Unterkategorien aufgelistet bzw. stehen die am häufigsten codierten Selbstmanagement-Strategien an erster Stelle. In der letzten Spalte ist vermerkt, ob die Strategien zu den klassi-scherweise in Trainings vermittelten Strategien gehören (vgl. Anhang 1) oder ob sie „neu“ bzw. als Selbstmanagement-Strategie wissenschaftlich bislang wenig beachtet sind.

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Anhang 12: Kodiersystem Selbstmanagement-Strategien

Notizen muss ich mir – weiß ich nicht – das muss ich weiter verfolgen’ oder so. Sondern /ehm/, vielleicht würde ich das einfach irgendwo mir aufschreiben. Und dann würde ich dann wissen ‚Dann und dann muss ich mich darum kümmern’ und dann ist gut. Also nicht so dieses, dieses Gefühl ‚Das darf ich jetzt nicht vergessen!’ sondern ‚Ah, okay. Da muss ich was tun. Dann nehme, nehme ich das einfach auf.“

Besser fühlen durch Bewegung

ECT1B1: „Auch ein bisschen so eine ritualisierte Pflege von Sport, dreimal die Woche oder so was. Das, würde ich sagen, trägt auch stark dazu bei.“

Ja

nung

Meditation ECT4B1: „Was es relativ oft gibt, ist im Zusammenhang, wenn ich meditieren gehe, abends oder am Wochenende, verschwinden zeitweise diese Gegensätze. [I: „Arbeit und Leben?“] ECT4B1: „Ja. Oder überhaupt die Frage, dass das ein Problem sein könnte. Das ist dann nur so wie es ist.“

Nein

Unterstützung einfordern, Aus-tausch mit ande-ren suchen

ECT3B6: „Ich müsste, glaube ich, mich selbst mehr disziplinieren oder mir Zeit und Ruhe nehmen, gewisse Sachen richtig anzugucken. Und der Sache nachgehen und mir ein konkretes Bild davon machen. Und ich bräuchte jemanden, der mich immer wieder darauf hinweist.“ [I: „Wie könntest du dir diesen Jemand beschaffen?“ […] Ich könnte zum einen T3Bv mehr um Unterstützung bitten. Aber eher um die Sache, wie man es macht. Aber dass ich es mache… […] Von T3Bw würde ich mich nicht gerne immer wieder darauf hinweisen lassen. […] [I: „Und wer käme da in Frage?“] Mit T3Bx habe ich einen recht engen Draht, obwohl ich da auch schon wieder denke, wir würden die Zeit mit anderen Sachen verbringen. Es müsste jemand sein, mit dem ich nicht so viel Kontakt habe. [I: „Jemand neutraleres.“] Ja. Könnte ich mir T3By gut vorstellen. [I: „Gibt es jemanden im Hausleiterteam, der für das [Anm.: Thema] steht?“] Das ist T3Bz, der kann so was gut. Der käme in Frage.“

Ja

Neue Regeln im System einführen

ECT1B5: „Um 16 Uhr ein kurzes Tagesmeeting mit den Anderen machen. Radikal nach 30 Minuten – also vorher an-kündigen natürlich, ‘Es soll nur 30 Minuten dauern und danach schließen wir das ab’. Radikal entweder das mit denen abschließen oder einfach gehen.“

Ja

Einbe-ziehung anderer

Aufgaben oder Verantwortung abgeben

ECT3B4: „Ich muss sie auch mit anleiten in ihrer eigenen Selbstkontrolle – sprich, was sie an Aufgaben auch selbst entscheiden können – muss ich ihnen auch zubilligen und sagen „Das könnt ihr und das dürft ihr. Und das sind auch in eurem eigenen Interesse die Aufgaben, die ihr machen müsst. Das ist nicht immer nur meine Aufgabe“. Das heißt, ich muss mit denen weiter kommunizieren und denen das vermitteln können. Das passiert nicht von alleine. Oder nicht von mir, wenn ich mich einfach nur zurückziehe, sondern das muss in einen Zusammen-Kontext mit der Zusammenarbeit.“

Ja

Eigene Freiräume wahren durch Nein-Sagen

ECT3B9: „Aber du kannst die Samstage und Sonntage gleich mal aufschreiben. Weil man muss schon gucken, dass man die blockt oder guckt, dass man es hinkriegt, dass man nicht angerufen wird und so. Die müssen schon besonders geschützt werden. Es ist nicht so, dass Samstag, Sonntag hier unantastbare Bereiche wären. Sondern auch dafür muss man sich was überlegen. […] Da einfach auch ein gewisses Quantum an Genervtheit an den Tag legen. Obwohl ich meistens freudig und freundlich reagiere, obwohl ich eigentlich genervt bin. Und da muss ich mir immer wieder den Spaß gönnen, das mal zu zeigen, dass ich genervt bin. Das können andere Kollegen wesentlich besser als ich, zu sa-gen ‚Wie kann das denn sein, dass du mich jetzt anrufst wegen so einem Scheiß?’ So würde ich das nicht mal sagen. Aber einfach deutlich zu machen, ‚Das muss nicht sein. Es ist Samstag. Kläre das am Montag’.“

Ja

Interaktion mit ande-ren Perso-nen

Dieser Katego-rie werden alle Textelemente zugeordnet, in denen die Teil-nehmer zur Erreichung ihrer Selbstmanage-ment-Ziele oder Selbstbeeinflus-sung auf die Interaktion mit anderen zu-rückgreifen

Abgren-zung von anderen

Stille Stunde re-servieren

ECT1B6: „Na gut, ich, einerseits würde ich es klar kommunizieren [I: „Mhm.“]. Was ich dann auch tun kann, eben, also mit gutem Gewissen tun kann, weil ich sage ‚Okay, da habe ich keine Zeit für Euch, aber ich nehme mir da Zeit für Euch.’ Und /eh/ andererseits kann ich die Tür zu machen. [I: Ja] Abschließen und ein Schild raushängen oder so.“

Ja

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Anhang 12: Kodiersystem Selbstmanagement-Strategien

Positive Selbstge-spräche

ECT3B1: „Dann sage ich ‚Okay, es ist jetzt ein Notfall. Aber ich kenne es ja schon. Hatte ich ja schon 10 mal’. Also, man gewöhnt sich auch dran. Und ich bin, in dem Sinne sage ich, ‚Okay, ich hab, ich weiß, dass es auch wieder besser wird’. Ich sage mir halt, irgendwie mental hier: „Jo wird schon irgendwie.“ Und gehe dann die Sache anders an. Weil ich dann irgendwie denke, ja, ich kann jetzt gelassener mit der Situation umgehen.“

Nein

Positive Denkmus-ter herstellen

ECT1B3: „Und da hilft wahrscheinlich Deine Strategie des (lachend) positiven Fragenstellens /ehm/ unter anderem .. Also, sich sozusagen so ein bisschen aufzubauen, meinetwegen indem man ja .. okay. Also, man kann sich zum Bei-spiel diesen negativen Gedanken austreiben letztendlich aus dem Kopf. Also, das ist zwar nicht so einfach und man muss irgendwie daran glauben. Und man braucht möglicherweise auch so ein bisschen Unterstützung von seinen Freunden oder so dabei. […] Also, ich frage mich zum Beispiel, meinetwegen /eh/, wie meine Situation jetzt eigentlich ist, von außen betrachtet und so. Also, zum Beispiel .. ist es ja wirklich nicht so schlecht Student und studentische Hilfs-kraft zu sein. Und .. irgendwo wichtig zu sein […] Das ist auf jeden Fall positiv schon mal alles am Leben.“

Nein

Imagination / Mög-lichkeitsdenken

ECT5B3: „Also, ich mach das, glaube ich, sofort. Was ich sonst erst irgendwie irgendwann machen würde. Und zwar, mir ein grobes, einen groben Fahrplan eigentlich basteln. Und sagen ‚Okay. Das sind die Punkte, die, die es zu bearbei-ten gilt.’, und in der Lage bin... [I: „[…]Wie kommst du zu diesem Fahrplan?“] Ja, gute Frage. Indem ich mir darüber Gedanken mache, ‚Was sind die Kernthemen? Was sind die Hauptpunkte, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssen?“ Und ich bin dann in der Lage, die eher zu priorisieren. Und das Gefühl zu haben, die sind dann, damit habe ich dann, sage ich mal, wirklich die großen Themen alle abgedeckt, also. Dass, so, dass man dann ja – also, ich möchte dann schon in der Lage sein, sagen zu können: ‚Okay, das ist jetzt unser Vorgehen und das hat das Ziel’ [I: „Wem sagst du das?“] Wenn ich jetzt, ja, beispielsweise [Name des Teamleiters]. Wenn der jetzt fragen würde, ‚Okay, wie gehst du jetzt vor?’ und so, um mal grob abzuchecken, ob ich da auf dem richtigen Weg bin. Wäre ja eine – was er auch dann ab und an mal tut, einfach mal zu hören, wie ist denn der Stand der Dinge – ihm doch in fünf Sätzen sagen zu können, was die Kernpunkte sind und wie das, worauf das Ganze hinauslaufen wird. [„I: Also, nachdem du die Kernpunkte alle dir aufgeschrieben hast, priorisierst du sie und fasst dann in fünf Sätzen zusammen, was die Kernpunkte sind und was das Kernergebnis sein wird.] Ja.“

Nein

Selbstinstruktionen ECT2B5: „Dass ich einem Ausweichreflex zunächst erst mal vielleicht /eh/ ganz bewusst /eh/ gegenüber stehe und sage ‚Genau jetzt ist der, ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich nicht ausweiche. Und an dem ich /ehm/ möglicherweise jetzt erst mal vielleicht zehn Sekunden darüber nachdenke, was ich als nächstes sage, ne. Und zwar dahingehend, dass ich den Konflikt anspreche [I: „Mhm.“] und versuche den Konflikt zu lösen. […] Für mich ist, also, es ist nicht so, dass ich jetzt irgendwie - was weiß ich - einen Weglaufimpuls oder so was habe, sondern eher, dass ich merke ‚Hm. Das ist mir jetzt unangenehm’, ne /ehm/ so, wenn sich der Magen vielleicht so um ein paar Zentimeter zusammen-schrumpft oder ein paar Millimeter und /ehm/ [I: „Mhm.“], wo ich denke, ‚Ja, wenn ich jetzt nichts sage, dann habe ich zumindestens erst mal kein Problem für die nächsten zehn Minuten’, ne [I: „Mhm.“], ja, ist keiner mit mir sauer /ehm/ und /eh/ das Gespräch läuft erstmal so weiter. [I: „Mhm. Und was sagst Du Dir stattdessen?“] Stattdessen sage ich ‚So, jetzt machen wir hier erst mal Stopp, mit dem, was besprochen wurde und lösen das Problem, das /eh/ aus meiner Sicht existiert. Ne, also zumindestens thematisieren wir es erst mal so weit, dass /eh/, dass wir hiermit weiterkommen.“

Nein

Unter-stützen-de Denk-muster herstel-len

Positive Phanta-sien entwickeln

ECT1B1: „Genau. Ich würde denen wahrscheinlich einfach erzählen, ‚Okay, Leute, ich hab viel Spaß daran, Analysen zu machen [I: „Mhm.“] /ehm/ Ich liebe es, mit quantitativen Daten zu hantieren und dergleichen. Und ich hab bei euch herausgefunden, es gibt (eine Stelle?)’ [I: „Mhm.“]“. Und das ist ja erst mal, also dieses Interesse für Daten zu modellie-ren, das ist ja viel wert, ne? Und das Interesse für Nachhaltigkeit.“

Nein

Kognitive Strategien

Dieser Katego-rie werden alle Textelemente zugeordnet, in denen die Be-einflussung der eigenen Denk-muster im Vor-dergrund steht

Aufmerk-samkeit-

Selbstreaktion (self-

ECT3B6: „Das ist auch noch mal, dass ich mich selber auch immer wieder beglückwünschen kann, wenn Sachen gut gelingen. […] Vielleicht muss ich das auch koppeln. Dass ich mir klar mache, dass gewisse Sachen gut gelaufen sind,

Nein

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Anhang 12: Kodiersystem Selbstmanagement-Strategien

consequences) weil ich das so und so gemacht habe, und vielleicht mit kleinen Belohnungseffekten auch arbeiten kann.“ [I: „Was könn-te das sein?“] Das könnte vieles sein. Entweder, dass ich mir was Schönes gönne, das ich koppele an eine Sache. Dass ich sage: ‚Das mache ich jetzt, weil mir das und das gelungen ist’ und ich dann daran auch eine Erinnerung habe. [I: Was würdest du dann machen?] Einen schönen Spaziergang. Oder mir was Schönes kaufen. Einen Blumenstrauß selber mal schenken.“

Selbstbeobach-tung

ECT5B5: „Mir ist es eigentlich, so durch den Block, und wenn ich dann gucke auch ‚Gott, so viel Seiten hattest du heu-te’. Dann denke ich: ‚Mein Gott, das hast du alles erledigt, wow!’. [I: Und, hakst du das dann irgendwie ab, oder…?] Und dann, ja, ich mache mir einen Haken. […] ‚Boah, das war ja doch eine ganze Menge’, denke ich dann manchmal. Aber man vergisst das dann wieder. Und wenn man das schriftlich hat…“

Nein

Selbstbewertung (self-evaluation)

ECT1B4: „Ich bin vielleicht so ein physischer Typ. Wenn halt eine Seite geschrieben ist, .. so, dann ‚Jetzt hast Du schon einundzwanzig Seiten. Fehlen Dir nur noch – was weiß ich – 10 Seiten, um das Soll zu erfüllen!“

Nein

sarbeit

Prioritäten bilden und darauf fokus-sieren

ECT4B1: „Es geht natürlich um die Wichtigkeit. Also, ob die Leute oder die Aufgaben ganz dringend sind. Und dann zu versuchen, irgendwie einzuteilen, wie die in der Reihenfolge sind. Und, was ich natürlich auch berücksichtigen muss, ist, wie ich mit anderen dann kommunizieren kann. Es gibt z.B. Sachen, die sollte man am besten morgens klären. Weil die meisten Leute nachmittags nicht mehr so zugänglich sind oder ab Mittag wird es schon schlecht.“

Nein

Hilfreiche Informa-tionen beschaffen

ECT4B2: Da würde ich mich wahrscheinlich erst mal ein bisschen fortbilden müssen. Mir entweder hier auf der Arbeit ein paar Bücher zusammensuchen. Oder tatsächlich auch mal zu Hause ein Buch lesen, wenn hier die Zeit nicht reicht. [...] Ich habe noch alte Unterlagen aus der Uni. Da gab es Kurse, die sich damit beschäftigt haben. Die würde ich erst mal heraussuchen, dann hier gucken. Wir haben ein Bibliotheksregister hier über die Bücher, die im Hause sind.“

Ja Verände-rung der eigenen Wis-sensba-sis

Trennung Informa-tionssammlung und -bewertung

ECT3B3: „Vielleicht entlastet das mich sogar, weil ich dann nicht alles im Kopf haben muss. […] Sondern ich weiß, ich habe da meine Strichliste. Und alle halbe Jahr werte ich die Strichliste aus.“

Nein

Deadlines oder Maximalarbeitspa-kete setzen

ECT3B9: „Der Donnerstag, dafür würde die Prämisse gelten ‚Keinen festen Termin mehr’. Da kann dann höchstens noch mal was sein, wo ich jederzeit sagen kann ‚Das geht nicht. Ich fahre jetzt nach Hause’ oder so.“

Ja

Schriftliche Ta-gesplanung

ECT1B7: „Ja, vielseitig, für jeden Tag /ehm/ eine Liste aufzuschreiben mit Dingen, die ich tun werde. Einfach, um mir bewusst zu machen, was ich alles zu schaffen habe.“

Nein

Pufferzeiten ein-planen

ECT1B6: „Dieses und dann gibt es auch noch ein bisschen Puffer. Weil ich .. [I: „Mhm.“] dann – so, so genau werde ich nie abschätzen können wie lange ich brauche. Mal ist es mehr, mal ist es weniger /ehm/. Und dann gibt es halt auch immer eben Freiraum für die Leute, mit denen ich zusammenarbeite. Die dann irgendwie mit ihren Problemen zu mir kommen müssen [I: „Mhm.“]. Und da ist eben auch die Zeit eingeplant.“

Nein

Tagesplanung am Morgen (nicht-schriftlich)

ECT4B1: „Dann würde ich an meinen Arbeitsplatz gehen, kurz mal schauen, was anliegt. Irgendwelche Mails oder so, oder Anrufe. Praktisch sortieren, was so die Außenwelt will. Könnte für mich dann aber wahrscheinlich ziemlich gut sagen, wie ich das jetzt einordnen will, also was ich jetzt machen will.“

Ja

Änderung des Um-gangs mit der eige-nen Zeit

Dieser Katego-rie werden alle Textelemente zugeordnet, welche die Pla-nung der ver-fügbaren Zeit betreffen

Pausenplanung ECT5B5: „Naja, und wie gesagt, dadurch, dass ich so viel geschafft habe, würde ich sagen, ‚Ist jetzt langsam mittags. Das Wetter ist schön. Und ich würde eine Runde um den Block drehen. [I: „Wie lange geht die Runde?“ Halbe Stunde. Hab mein Brot dabei. Das esse ich dann unterwegs. Und komme dann wieder rein, entspannt, ein bisschen Tageslicht gesehen, Frischluft geatmet.“ I: Ja. Und wo bist du mit deinen Gedanken in deiner, während du deine Runde drehst? Okay, dann wäre ich nicht beim Job, sondern Freizeit. Pläne, oder ein bisschen Musik hören.“

Nein

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Anhang 12: Kodiersystem Selbstmanagement-Strategien

Integration von Privatem in die Arbeit

ECT1B7: „Und ich weiß halt eventuell auch die dringenden Sachen. .. Da unterscheide ich jetzt aber nicht zwischen privat und beruflich, sondern das ist bei mir sozusagen eine Liste.“

Ja

Wochen- oder Monatsplanung

ECT1B6: „Und /eh/ dann /ehm/ ..habe ich auch /eh/ .. einen ganz klaren Plan wo /ehm/ ich eigentlich immer weiß, ich muss das und das tun. Und das und das muss ich in der und der Zeit geschafft haben. [I: „Für den, für dieser Plan, für den heutigen Tag oder für ?] Nee, nee, für längere Zeit. Der den heutigen Tag auch beinhaltet. Wo ich auch genau weiß, wenn- ich mache heute das und das. Und wenn ich das die nächsten drei Monate mache, dann sind /eh/ dann ist das /eh/ alles geklärt.“

Ja

Leistungskurve beachten

ECT3B9: „Wenn man hier um 7 h morgens kommt, dann hat man zwei Stunden, wo man hier fast wie ein Geist durchs Haus rennt und seine Sachen machen kann. Man schafft in diesen zwei Stunden viel mehr als in allen weiteren zwei Stunden danach. Man ist nicht abgelenkt, ich bin dann noch frisch, […] ich fühle mich dann noch in der Lage, auch Sa-chen anzugehen. Wenn ich jetzt gleich runtergehe, könnte ich nicht mehr schwierige Inhalte bearbeiten. Das kann ich morgens ganz gut, dann habe ich im Kopf noch etwas Kreatives frei.“

Nein

Neues Arbeitsum-feld suchen

ECT5B2: „Ja, muss man erst mal definieren, was man für ein Umfeld haben möchte, natürlich. Und dann suchen, wo es das Umfeld gibt. Und dann zu diesem Umfeld gehen.“

Ja

Orte der höchsten Möglichkeit aufsu-chen

ECT3B2: „Dass ich öfter weggehe, mir auch die Situation schaffe, um Leute kennenzulernen. [I: Wohin würdest du dann gehen? Hast du da schon eine Idee?] Vielleicht Konzert, Theater, so was.“

Ja

Verände-rung des Umfelds

Dieser Katego-rie werden alle Textelemente zugeordnet, in denen es um das Herbeifüh-ren einer Ver-änderung der Umfeldbedin-gungen für das eigene Selbst-management geht

Stimuluskontrolle ECT2B5: „Es gibt ein Mittel, zum Beispiel, das ich häufiger mal anwende, wenn ich zum Beispiel in so eine Situation komme. Nämlich /ehm/, dass ich meinen Anzug nutze, um /eh/ eher so zu sein. Und zwar nutze ich meinen Anzug be-wusst, denke ich mir so ein Ding – was weiß ich – ich sitze ja nicht zu Hause abends auf dem Sofa mit so einem Ding rum. Und dementsprechend sehe ich das als eine Art Uniform. Als eine Art künstliche [I: Panzer?] Mauer [I: ja], genau, ne. Panzer? [I: Panzer.] Panzer, okay, ich sehe es als Mauer so. Wo ich denke, wenn ich das Ding anhabe, kann mir keiner was, ne. [I: Das ist ja eine tolle Idee!] Mhm. Und den habe ich immer an, wenn ich bei der Arbeit bin [I: „Mhm.“] und da nutze ich den .[I: Da prallt alles ab] Ja, genau, eben genau, die prallt ab, ne, oder geht zumindest nicht durch in das Fleisch. [I: „Mhm.“] Und /ehm/ das mache ich dann manchmal bewusst, dass ich dann, wenn ich merke ‚Hm, jetzt ist so ein, so ein Punkt, ne, dann mache ich auch ganz bewusst so, streiche einmal rüber über meine Arme. [I: „Mhm.“] Und dann denke ich ‚Ah, ja, ist ja an, das Ding. Und dann lege ich los, ne [I: „Und dann fällt es Dir leichter so?“] Das fällt mir leichter dann, genau. Weil ich auch ganz bewusst irgendwo einen Schritt mache dann.“

Nein

Zielsetzung (goal setting)

I: „Was sind für dich jetzt die kleinen nächsten Schritte, um von der Zwei auf die Drei zu kommen?“ ECT5B1: „Mein Ziel festzulegen, ganz konkret.“

Nein

Zeit- und Lebens-konzept

ECT2B2: „Also, jetzt über einen längeren Zeitraum? [I: „Mhm.“] Ja, also, ich würde konkret überlegen, was, was jetzt, was ich jetzt halt wirklich machen will. Und dann also, im Prinzip so, so einen Plan machen. […] Ja, das nächste Anste-hende wäre dann im Prinzip, zu überlegen, wie man, wie dieser Plan eigentlich umsetzbar ist. Und dann die ersten konkreten /ehm/ .. Dinge wirklich in die Tat umzusetzen.“

Nein

Auseinan-dersetzung mit den eigenen Zielen

Dieser Katego-rie werden alle Textelemente zugeordnet, in denen die Teil-nehmer Ziele nutzen, um ihr Selbstmanage-ment-Anliegen weiter zu bear-beiten

Ziel in Teilziele zerlegen

ECT1B2: „Also, ich hab das Gefühl .. also, dass, dass am meisten helfen würde, wenn man, wenn man nicht immer so große Endziele hat. Also, dass ich mir so .. kleine .. Schritte, die ich dann auch wirklich erledigt habe, […] so Ziele, .. so kleine Teilziele mache.“

Ja

Anhang 12: Kodiersystem zur Prüfung der Planung und Anwendung von Selbstmanagementstrategien