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Blur, Band XIX, Seite 3-7 (1969) ORIGINALARBEITEN Aus dem D RK-Blutspendedienst 1Viedersachsen (Chefarzl mr Geschfftsfiihrer : Dr. V.-)Vagel) Instilut Rotenhurg (A'rztlicher Leiler: Dr. W. Schneider) Seltene Varianten der B-Blutgruppe* (By in einer deutschen Familie) Von W. Schneider Uber die verschiedenen Erscheinungsformen der A-Blutgruppen liegt ein bereits umfangreiches Material vor. Einmal handelt es sich um die sogenannten A-Untergruppen (A1, A~ usw.), die sich durch ihren unterschiedlich hohen Gehalt an A- (und H-)Substanz auszeichnen, zum anderen sind seltene Varian- ten beschrieben worden, die sich nicht ohne weiteres in dieses Schema ein- gliedern lassen. Zu den letzten gehfren auch die Antigentransformationen im Gefolge bOsartiger Erkrankungen. Das Publikationsmaterial fiber B-Varianten ist relativ klein. Eine Einstufung schwacher B-Blutgruppen analog den AI-, A2-Blutgruppen ist nicht durchfiihr- bar. Nach Race und Sailer [9] lassen sich Probanden mit schwachen B-Anti- genen in drei Kategorien einteilen: 1. Anti-B im Serum und B-Substanz im Speichel (yon Boormann und Zeitlin [2] ,,By" genannt). 2. Kein Anti-B im Serum, jedoch B-Substanz im Speichel. 3. Kein Anti-B im Serum, H-, aber keine B-Substanz im Speichel. Ruoslahti, Ehnholm und Mdkela" [10] berichteten kfirzlich fiber B-Varianten in einer finnischen Familie, wo die entsprechenden Personen neben einer sehr schwachen B-Eigenschaft der Erythrozyten Anti-B im Serum besaBen. Der Speichel enthielt H-, abet keine B-Substanz. Die roten Blutzellen wiesen eben- fails gr/3Bere Mengen von H-Substanz auf. Eigene Untersuchungen Wir hatten nun Gelegenheit, die Familie eines Blutspenders, der dutch eine schwache B-Blutgruppe aufgefallen war, serologisch durchuntersuchen zu kfnnen. Es handelte sich um die Familie Sch., gebfirtig aus WestpreuBen. Die Blutgruppenzugehfrigkeit und die weiteren serologischen Besonderheiten der Familienmitglieder kfnnen der Abbildung und der Tabelle entnommen werden. * Technische Mitarbeit: Frau Dipl. biol. H. Kneiphoff, Fr/iulein L. Krahe und Frau M. L. Schneider Eingegangen am 13.12. 1968

Seltene Varianten der B-Blutgruppe (Bv in einer deutschen Familie)

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Blur, Band XIX, Seite 3-7 (1969)

ORIGINALARBEITEN

Aus dem D RK-Blutspendedienst 1Viedersachsen (Chefarzl mr Geschfftsfiihrer : Dr. V.-)Vagel) Instilut Rotenhurg (A'rztlicher Leiler: Dr. W. Schneider)

Seltene Varianten der B-Blutgruppe* (By in einer deutschen Familie)

Von W. Schneider

Uber die verschiedenen Erscheinungsformen der A-Blutgruppen liegt ein bereits umfangreiches Material vor. Einmal handelt es sich um die sogenannten A-Untergruppen (A1, A~ usw.), die sich durch ihren unterschiedlich hohen Gehalt an A- (und H-)Substanz auszeichnen, zum anderen sind seltene Varian- ten beschrieben worden, die sich nicht ohne weiteres in dieses Schema ein- gliedern lassen. Zu den letzten gehfren auch die Antigentransformationen im Gefolge bOsartiger Erkrankungen.

Das Publikationsmaterial fiber B-Varianten ist relativ klein. Eine Einstufung schwacher B-Blutgruppen analog den AI-, A2-Blutgruppen ist nicht durchfiihr- bar. Nach Race und Sai ler [9] lassen sich Probanden mit schwachen B-Anti- genen in drei Kategorien einteilen:

1. Anti-B im Serum und B-Substanz im Speichel (yon Boormann und Zeitlin [2] ,,By" genannt).

2. Kein Anti-B im Serum, jedoch B-Substanz im Speichel.

3. Kein Anti-B im Serum, H-, aber keine B-Substanz im Speichel.

Ruoslahti, Ehnholm und Mdkela" [10] berichteten kfirzlich fiber B-Varianten in einer finnischen Familie, wo die entsprechenden Personen neben einer sehr schwachen B-Eigenschaft der Erythrozyten Anti-B im Serum besaBen. Der Speichel enthielt H-, abet keine B-Substanz. Die roten Blutzellen wiesen eben- fails gr/3Bere Mengen von H-Substanz auf.

Eigene Untersuchungen

Wir hatten nun Gelegenheit, die Familie eines Blutspenders, der dutch eine schwache B-Blutgruppe aufgefallen war, serologisch durchuntersuchen zu kfnnen. Es handelte sich um die Familie Sch., gebfirtig aus WestpreuBen. Die Blutgruppenzugehfrigkeit und die weiteren serologischen Besonderheiten der Familienmitglieder kfnnen der Abbildung und der Tabelle entnommen werden.

* Technische Mitarbeit: Frau Dipl. biol. H. Kneiphoff, Fr/iulein L. Krahe und Frau M. L. Schneider Eingegangen am 13.12. 1968

4 W. Schneider

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Die B-Varianten haben wir Bv genannt, da eine analoge Serologie zwischen den Bluten unserer Sippe und denen der yon Ruoslahti, ~hnho/m und Makela" [10] beschriebenen besteht.

Ergebnisse

Die Anti-A-Agglutinine im Serum aller B- und Bv-Probanden waren regel- recht ausgepriigt.

Irregul~re B-Antik6rper fanden sich im Serum der drei Probanden mit By. Diese Antik6rper reagierten mit 60 verschiedenen B-Blutk6rperchen unaus- gew~hlter Spender. Die Reaktionen waxen bei Zimmertemperatur deutlich, bei q- 4 ~ C sehr kr~ftig ausgepr~gt. Reaktionen mit den eigenen (Bv-)Blut- k6rperchen und den Bv-Bluten der anderen Probanden konnten in keinem Fall nachgewiesen werden. Auffallend war der irregul~re B-Antik6rper im Serum yon Frau E. Sch., der ebens mit 60 B-Bluten, abet nicht mit den eigenen und den Bv-Bluten reagierte. Allerdings war der Antik/Srpertiter deutlich ge- ringer. Die irregul~ren B-Antik6rper geh6rten der IgM-Fraktion des Serums an. H~molysine wurden nicht beobachtet. H-Substanz konnte bei alien Pro- banden der Blutgruppe Bv sowohl im Speichel als auch an den Erythrozyten in erheblicher Menge nachgewiesen werden. B-Substanz wurde dagegen nicht sezerniert. Die Reaktionen der Bv-Blutk/Srperchen mit normalen A-Seren waren nut sehr schwach, mit normalen O-Seren etwas starker ausgepr~gt. Mit Immunseren derselben Spezifitiit konnten entsprechend kr~ftigere Agglutina- tionen erzielt werden. Zu erwithnen ist, dab die Blutgruppe des Probanden

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6 w. Schneider

M. Sch. zuvor yon einer anderen Untersuchungsstelle als O bestimmt worden war. Wie wir nachtriiglich eruierten, wurden bei diesem Untersucher bislang bei ABO-Blutgruppenbestimmungen lediglich Anti-A- und Anti-B-Testseren sowie A 1- und B-Erythrozyten verwandt. Das nut schwach ausgepr~gte B- Antigen der Erythrozyten und der irregul~re B-Antik6rper im Serum erkl~ren die Fehlbestimmung hinreichend.

Besprechung

Die serologischen Besonderheiten der yon uns aufgefundenen Bv-Blut- gruppen sind offensichtlich identisch mit den von Ruoslahti, Ehnholm und Makelgi [10] publizierten Ffillen. Daraus ergibt sich unseres Erachtens die Notwendig- keit, das eingangs erw~hnte Schema der B-Varianten nach Race und Sanger [3] um eine vierte Gruppe zu erweitem: Anti-B im Serum, H-, aber keine B-Substanz im Speichel.

Hinsichtlich der Genetik m/Schten wir uns der Ansicht yon Ruodahti, Ehn- holm und Mdkela anschlieBen, indem wir annehmen, dab Bv fiber O dominiert. Ob ein selbstiindiges Gen By existiert oder die Unterschiede iihnlich den A- Untergruppen lediglich quantitativer Natur sind, ist nicht gekl~irt. Withrend alle Bv-Probanden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Gen- konstellation Bv/O besitzen, ist es durchaus denkbar, daB Frau E. Sch. die Genformel Bv/B aufweist, wobei B fiber Bv dominieren wiirde. Der irregul~ire B-Antik6rper im Serum der Probandin k~Snnte in ursiichlicher Beziehung zu diesem hypothetischen Bv-Gen stehen.

Die klinische Bedeutung der irregul/iren B-Antik6rper im Serum der Bv- Probanden ist bislang unklar. Serologisch sind Bv-Blute mit A- und B-Erythro- zyten inkompatibel, eine (serologische) Kompatibilitiit besteht nur mit By- und O-Erythrozyten. Die Frage, ob im Falle einer Transfusion yon B-Erythrozyten auf Bv-Probanden mit irregul/irem Anti-B klinische Reaktionen auftreten k6n- hen, ist nicht mit Sicherheit zu beantworten. Zwar stellen diese irregul~iren B-Antik/Srper ~ihnliche (,,komplette") Agglutinine dar, wie die ,,reguliiren" Antik6rper von A-Bluten. Lysierende Reaktionen treten jedoch auch nach Komplementzusatz in vitro nicht auf. In diesem Zusammenhang muB auf den Fall des verstorbenen Bruders der Probanden M. und R. Sch. kurz eingegangen werden: Dieser Bruder wurde wegen eines VerkehrsunfaUes ein Jahr zuvor in ein Krankenhaus eingeliefert. Dort ist (mit Immunseren) die Blutgruppe B Rh-positiv ermittelt worden. Serologische Auff~lligkeiten konnten post hoc nicht nachgewiesen werden. Im Zusammenhang mit einer Oberschenkelampu- ration wurden 12(!) Konserven der Blutgruppe B Rh-positiv transfundiert. Wenige Tage sparer kam der Patient infolge einer nicht beherrschbaren Fi- brinolyseblutung ad exitum. Es ist retrograd nicht zu kldren, ob die Fibrinolyse als Folge der Unfallverletzungen und der ~rztlichen MaBnahmen oder abet im Zusammenhang mit einem nicht erkannten Transfusionszwischenfall infolge B-Unvertriiglichkeit angesehen werden kann.

Solange die Frage m6glicher Transfusionsreaktionen durch irreguliire B- Antik6rper bei Bv-Probanden nicht n/iher gekl~irt ist, mug unseres Erachtens

S e l t e n e V a r i a n t e n d e r B - B l u t g r u p p e 7

yon den Transfusionen von B-Bluten auf die zuvor erw/ihnte Personengruppe abgeraten werden. Als Ersatz k6nnen Bv-Blute (z. B. Spender der eigenen Sippe) oder O-Erythrozyten, im Notfall lysinfreies O-Vollblut in Frage kom- men.

Zusammenfassung

Im Gegensatz zu den verschiedenen A-Blutgruppen linden sich fiber B- Varianten relativ wenig Literaturhinweise. Insbesondere besteht noch kein all- gemein anerkanntes Einteilungsschema. Eine sehr brauchbare Einteilung schlagen Race und Sanger vor. Auf Grund der Untersuchungsergebnisse yon Ruoslahti, tThnholm und Mdkeld sowie der eigenen Befunde bei zwei Sippen mit schwachen 13-Varianten sollte unseres Erachtens dieses Schema um eine wei- tere Rubrik erg~nzt werden. Die oben erwfihnten Befunde werden hinsichtlich ihrer genetischen, serologischen und klinischen Konsequenzen diskutiert.

Summary

In contrast to the various A-blood-groups the literature contains relatively little information on B-variations. In particular, a generally recognized classi- fication scheme does not exist as yet. Race and Sanger suggest a very useful classification. On the basis of the examination results of Ruoslahti, Ehnholm and Mdkeld as well as on the basis of personal observations in two families with weak B-variations this classification should, in our opinion, be supplemented by an additional group. The author discusses the above mentioned findings with regard to their genetic, serological and clinical consequences.

Literatur: 1 Boormann, K. E. and R. A. Zeitlin: Proc. VIIth Congr. Intern. Soc. Blood Transfusion, S. 716, S. Karger AG, Basel-New York 1958. - - 2 Boormann, K. E. and R . A . Zeitlin: Vox Sang. 9, 278 (1964). - - 3 Dunsford, I . , S. M. Stacey and M. Yokoyama: Nature (London) 178, 1167 (1956). - - 4 Levine, P., M. Celano and Th. Griset: Proc. Vl th Congr. Intern. Soc. Blood Transfusion, Boston 1956. - - 5 Liotta, I . , G. Russo and R. Gandini: Vox sang. 6, 698 (1961). - - 6 M~kel/i, O. and P. M/ikel~i: Ann. reed. exper, biol. Fen. 33, 33 (1955). - - 7 Moskow, I.: Dtsch. Zschr. gerichtl. Med. 24, 333 (1935). - - 8 Moullec, J., E. Sutton et M. Burgada: Rev. Mmat. 10, 574 (1959). - - 9 Race, R. R. and R. Sanger: Blood groups in Man. Blackwell, Oxford 1962. - - 10 Ruos- lahti, E. , C. Ehnholm and O. M~kel~: Vox Sang. 13, 511-515 (1967). - -11. Vyas, G. N., H. M. Bhatia and L. D. Sanghvi: Vox Sang. 5, 509 (1960). - -

Anschr. d. Verf.: Dr. reed. W. Schneider, 213 Rotenburg/Han. , Soltauer StraBe 160.