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PCPharm Uni Bonn WS 2018/2019 Seminar P1 ALEXANDER RIEGEL Physikalisch-Chemisches Grundpraktikum für Pharmazeuten Seminar P1 – Phasengleichgewichte reiner Stoffe 1. Gase und Dämpfe 1.1. Das ideale Gas 1.1.1. Das BOYLE-MARIOTTEsche Gesetz 1.1.2. Modell und Zustandsgleichung des idealen Gases 1.2. Das reale Gas 1.2.1. Abweichungen von der Idealität 1.2.2. Mathematische Beschreibung realer Zustände 1.2.2.1. Der Kompressionsfaktor 1.2.2.2. Die VAN-DER-WAALS-Gleichung 1.3. , m -Isothermen realer Gase 1.3.1. Bei niedrigen Temperaturen 1.3.2. Die kritische Isotherme 1.3.3. Bei hohen Temperaturen 1.3.4. Vergleich mit der VAN-DER-WAALS-Isotherme 1.3.5. Zur wissenschaftlichen Vorgehensweise 2. Phasenstabilität – Phasengleichgewicht 2.1. Das , -Phasendiagramm (*) 2.1.1. Das dynamische Gleichgewicht (*) 2.1.2. Vorüberlegungen zum , -Phasendiagramm (*) 2.1.3. Felder, Grenzlinien und ausgezeichnete Punkte im , -Phasendiagramm (*) 2.2. Mathematische Herleitung der Phasengrenzlinien (*) 2.2.1. Das chemische Potential ߤ(*) 2.2.2. Bedingungen für Phasengleichgewichte (*) 2.2.3. Die CLAPEYRONsche Gleichung (*) 2.3. Spezielle Phasengrenzlinien 2.3.1. Die Fest-Flüssig-Grenze 2.3.2. Die Flüssig-Gasförmig-Grenze (*) 2.3.2.1. Temperaturabhängigkeit der Verdampfungsenthalpie (*) 2.3.2.2. Die CLAUSIUS-CLAPEYRONsche Gleichung (*) 2.3.2.3. Die Regel von PICTET und TROUTON (*) 2.3.3. Die Fest-Gasförmig-Grenze (*) 2.3.4. Die Fest-Fest-Grenze 2.4. Das , m ,-Diagramm PCPharm Uni Bonn WS 2018/2019 Seminar P1 ALEXANDER RIEGEL Physikalisch-Chemisches Grundpraktikum für Pharmazeuten Seminar P1 – Phasengleichgewichte reiner Stoffe 1. Gase und Dämpfe 1.1. Das ideale Gas 1.1.1. Das BOYLE-MARIOTTEsche Gesetz Eine definierte Menge einer reinen gasförmigen Substanz (z. B. CO 2 ) wird in einem Gefäß eingeschlossen, das nach oben hin durch einen beweglichen Kolben abgeschlossen ist, sodass das Volumen variabel ist. Misst man bei einer konstanten hohen Temperatur (d. h. isotherm, für CO 2 z. B. 200 °C) das Volumen und den zugehörigen Druck , so stellt man für nicht zu große Drücke fest, dass und antiproportional zueinander sind: 1 ⇔ ൌ const. (1) Dieses Ergebnis wurde von BOYLE sowie von MARIOTTE im 17. Jahrhundert gefunden. 1.1.2. Modell und Zustandsgleichung des idealen Gases Das Verhalten eines Gases gemäß dem BOYLE-MARIOTTEschen Gesetz entspricht dem eines idealen Gases. Die Modellvorstellung dazu ist, dass die Gasteilchen ungeordnet umherfliegen und dabei nicht miteinander wechselwirken (abgesehen von elastischen Stößen). Diese Vorstellung ist bei niedrigen Drücken gut erfüllt, da dann die Teilchenzahldichte gering ist und es daher wenige Wechselwirkungen gibt. Weiterhin gilt das Modell besser (über ein größeres Druckintervall) für hohe Temperaturen. Hierzu ziehe man in Betracht, dass die kinetische Energie und damit die Geschwindigkeit der Gasteilchen von der Temperatur abhängen. Die Verteilung der Geschwindigkeiten in einem Gas gegebener Temperatur und molarer Masse ܯist zwar breit (siehe Matheübung Aufgabe 18), aber für die mittlere Geschwindigkeit der Teilchen gilt ݒ̅∝ ଵ/ଶ ܯଵ/ଶ , (2) sie ist also groß bei leichten Teilchen und bei hohen Temperaturen. Eine hohe Temperatur bedeutet also eine hohe (mittlere) kinetische Energie, welche den Betrag der potentiellen Energie übertrifft: Die Teilchen fliegen so schnell

Seminar P1 – Phasengleichgewichte reiner Stoffe P… · PCPharm Uni Bonn WS 2018/2019 Seminar P1 A LEXANDER RIEGEL Physikalisch-Chemisches Grundpraktikum für Pharmazeuten Seminar

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    Physikalisch-Chemisches Grundpraktikum für Pharmazeuten

    Seminar P1 – Phasengleichgewichte reiner Stoffe

    1. Gase und Dämpfe

    1.1. Das ideale Gas 1.1.1. Das BOYLE-MARIOTTEsche Gesetz 1.1.2. Modell und Zustandsgleichung des idealen Gases

    1.2. Das reale Gas 1.2.1. Abweichungen von der Idealität 1.2.2. Mathematische Beschreibung realer Zustände

    1.2.2.1. Der Kompressionsfaktor 1.2.2.2. Die VAN-DER-WAALS-Gleichung

    1.3. , m-Isothermen realer Gase 1.3.1. Bei niedrigen Temperaturen 1.3.2. Die kritische Isotherme 1.3.3. Bei hohen Temperaturen 1.3.4. Vergleich mit der VAN-DER-WAALS-Isotherme 1.3.5. Zur wissenschaftlichen Vorgehensweise

    2. Phasenstabilität – Phasengleichgewicht

    2.1. Das , -Phasendiagramm (*) 2.1.1. Das dynamische Gleichgewicht (*) 2.1.2. Vorüberlegungen zum , -Phasendiagramm (*) 2.1.3. Felder, Grenzlinien und ausgezeichnete Punkte im , -Phasendiagramm (*)

    2.2. Mathematische Herleitung der Phasengrenzlinien (*) 2.2.1. Das chemische Potential (*) 2.2.2. Bedingungen für Phasengleichgewichte (*) 2.2.3. Die CLAPEYRONsche Gleichung (*)

    2.3. Spezielle Phasengrenzlinien 2.3.1. Die Fest-Flüssig-Grenze 2.3.2. Die Flüssig-Gasförmig-Grenze (*)

    2.3.2.1. Temperaturabhängigkeit der Verdampfungsenthalpie (*) 2.3.2.2. Die CLAUSIUS-CLAPEYRONsche Gleichung (*) 2.3.2.3. Die Regel von PICTET und TROUTON (*)

    2.3.3. Die Fest-Gasförmig-Grenze (*) 2.3.4. Die Fest-Fest-Grenze

    2.4. Das , m, -Diagramm

    PCPharm Uni Bonn WS 2018/2019 Seminar P1 ALEXANDER RIEGEL

    Physikalisch-Chemisches Grundpraktikum für Pharmazeuten

    Seminar P1 – Phasengleichgewichte reiner Stoffe

    1. Gase und Dämpfe

    1.1. Das ideale Gas

    1.1.1. Das BOYLE-MARIOTTEsche Gesetz

    Eine definierte Menge einer reinen gasförmigen Substanz (z. B. CO2) wird in einem Gefäß eingeschlossen, das nach oben hin durch einen beweglichen Kolben abgeschlossen ist, sodass das Volumen variabel ist.

    Misst man bei einer konstanten hohen Temperatur (d. h. isotherm, für CO2 z. B. 200 °C) das Volumen und den zugehörigen Druck , so stellt man für nicht zu große Drücke fest, dass und antiproportional zueinander sind:

    ∝1⇔ const. (1)

    Dieses Ergebnis wurde von BOYLE sowie von MARIOTTE im 17. Jahrhundert gefunden.

    1.1.2. Modell und Zustandsgleichung des idealen Gases

    Das Verhalten eines Gases gemäß dem BOYLE-MARIOTTEschen Gesetz entspricht dem eines idealen Gases.

    Die Modellvorstellung dazu ist, dass die Gasteilchen ungeordnet umherfliegen und dabei nicht miteinander wechselwirken (abgesehen von elastischen Stößen).

    Diese Vorstellung ist bei niedrigen Drücken gut erfüllt, da dann die Teilchenzahldichte gering ist und es daher wenige Wechselwirkungen gibt.

    Weiterhin gilt das Modell besser (über ein größeres Druckintervall) für hohe Temperaturen. Hierzu ziehe man in Betracht, dass die kinetische Energie und damit die Geschwindigkeit der Gasteilchen von der Temperatur abhängen. Die Verteilung der Geschwindigkeiten in einem Gas gegebener Temperatur und molarer Masse ist zwar breit (siehe Matheübung Aufgabe 18), aber für die mittlere Geschwindigkeit der Teilchen gilt

    ̅ ∝ / / , (2)

    sie ist also groß bei leichten Teilchen und bei hohen Temperaturen. Eine hohe Temperatur bedeutet also eine hohe (mittlere) kinetische Energie, welche den Betrag der potentiellen Energie übertrifft: Die Teilchen fliegen so schnell

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    aneinander vorbei ( ̅ O , 25 444ms ), dass sie kaum Gelegenheit zur Wechselwirkung erhalten.

    Unter der Annahme der Wechselwirkungsfreiheit lässt sich eine simple Gleichung zur Beschreibung des Zustandes eines Gases finden, die Zustandsgleichung des idealen Gases:

    bzw. m (3)

    (mit der allgemeinen Gaskonstante 8,314Jmol K und der Stoffmenge bzw. dem molarem Volumen m ). Für , const. ergibt sich daraus als Spezialfall das BOYLE-MARIOTTEsche Gesetz.

    1.2. Das reale Gas

    1.2.1. Abweichungen von der Idealität

    Abweichungen von der Idealität kommen zustande, wenn die potentielle Energie der Wechselwirkung nicht vernachlässigbar ist. Möglich sind prinzipiell sowohl repulsive Kräfte (Abstoßung) als auch attraktive Kräfte (Anziehung).

    1.2.2. Mathematische Beschreibung realer Zustände

    1.2.2.1. Der Kompressionsfaktor

    Eine Möglichkeit zur Beschreibung der Abweichung vom idealen Verhalten ist die Einführung eines Korrekturfaktors in der Zustandsgleichung des idealen Gases, des Kompressionsfaktors :

    m . (4)

    Dabei entspricht idealem Verhalten. Für ist m mid, was auf Anziehung als dominierende Wechselwirkung schließen lässt (dadurch „rücken die Teilchen enger zusammen“, sodass das Volumen sinkt, wenn man so möchte). Für ist m mid, was auf Abstoßung als dominierende Wechselwirkung hindeutet. ist selbst auch eine Funktion von und . Durch die Einführung von konnte die einfache Gestalt der Zustandsgleichung des idealen Gases beibehalten werden, trotzdem ist eine Anpassung an reales Verhalten möglich geworden.

    1.2.2.2. Die VAN-DER-WAALS-Gleichung

    Anstatt einen Korrekturfaktor an die Zustandsgleichung des idealen Gases heran zu multiplizieren, kann man auch versuchen, die Terme in der Zustandsgleichung selbst zu korrigieren. Eine so modifizierte Gleichung stammt von VAN DER WAALS (Physik-NP 1910):

    mm . (5)

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    und sind die VAN-DER-WAALS-Koeffizienten. Da id mid allgemein gilt (aber nicht m ), ist somit

    m

    id und m mid, wobei

    , 0. Dabei ist m

    der Binnendruck, d. h. die Druckverringerung infolge

    attraktiver Wechselwirkungen. Da der reale Druck kleiner als der ideale Druck id ist, wird der (positive) Binnendruck addiert. ist das molare Kovolumen, d. h. das molare Volumen, das aufgrund der repulsiven Wechselwirkung nicht zur Verfügung steht (man kann sich vorstellen, dass ein Gasteilchen andere Teilchen nur auf eine gewisse Distanz an sich heran lässt, sodass das Teilchen quasi ein Eigenvolumen oder Ausschlussvolumen besitzt). Da das reale molare Volumen m größer als das ideale mid ist ( m umfasst sowohl das tatsächlich für die Bewegung der Teilchen zugängliche Volumen als auch das im idealen Fall nicht existente Ausschlussvolumen), wird das (positive) Kovolumen subtrahiert.

    1.3. , m-Isothermen realer Gase

    1.3.1. Bei niedrigen Temperaturen

    Man betrachte nun das Verhalten des zu Beginn gasförmigen Reinstoffes bei niedrigeren (konstanten) Temperaturen: Eine Erniedrigung des molaren Volumens

    m durch Kompression führt wieder zu gewissem Druckanstieg, allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt. Dann bleibt der Druck trotz weiterer Kompression erst einmal konstant. Erst wenn das molare Volumen deutlich reduziert wird, steigt der Druck wieder weiter, diesmal viel stärker als zuvor.

    Dies lässt sich wie folgt deuten: Zu Beginn liegt die Substanz nur gasförmig vor und reagiert auf isotherme Kompression mit Druckerhöhung. Ab einem bestimmten Druck tritt dann Kondensation ein: Dampf und Flüssigkeit koexistieren. Wenn das Volumen weiter verringert wird, kondensiert mehr Dampf zur Flüssigkeit, sodass insgesamt der Druck gleich bleibt. Erst wenn der gesamte Dampf kondensiert ist, führt weitere Kompression wieder zu einem Druckanstieg. Da nun aber nur Flüssigkeit vorliegt und die Kompressibilität der flüssigen Phase viel niedriger als die der Gasphase ist (bekannt aus der Erfahrung: Luft ist viel leichter komprimierbar als Wasser), reagiert das System auf eine gleiche Reduktion des Volumen mit einem viel stärkeren Druckanstieg.

    Das beschriebene Experiment kann in einer , m-Isotherme dargestellt werden. Bei hohen m (einphasig gasförmig) fällt der Graph langsam, bei niedrigen m (einphasig flüssig) fällt der Graph steil, dazwischen (Flüssig/Gasförmig-Zweiphasenabschnitt) weist der Graph einen horizontalen Bereich (Steigung d

    d m0 auf.

    Der Dampf vor Beginn der Kondensation ist ungesättigt, er könnte noch weitere Substanz aufnehmen, ohne zu kondensieren (man kann sich vorstellen, dass die

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    Erniedrigung des molaren Volumens m nicht durch -Verminderung, also Kompression bewirkt wird, sondern durch -Erhöhung, also Zugabe von Substanz bei gleichem Volumen). Der im Gleichgewicht mit seiner kondensierten Phase stehende Dampf ist hingegen gesättigt. Daher wird der charakteristische Druck, den der Dampf in diesem Fall besitzt (horizontaler Abschnitt der , m-Isotherme), Sättigungsdampfdruck sat (oder auch Gleichgewichtsdampfdruck) genannt.

    Ist der Dampf ungesättigt, dann beträgt der Dampfdruck nur einen gewissen Anteil des Sättigungsdampfdrucks bei dieser Temperatur. Im Falle von Wasserdampf nennt man diesen Anteil sat die relative Luftfeuchtigkeit

    (üblicherweise in Prozent angegeben).

    Wiederholt man das Experiment bei etwas höherer Temperatur, stellt man einen prinzipiell ähnlichen Verlauf der , m-Isotherme fest. Generell ist bei gleichem m der Druck bei der höheren Temperatur höher (was zu erwarten ist). Insbesondere ist auch der Sättigungsdampfdruck, bei dem flüssige und gasförmige Phase koexistieren, höher. Außerdem ist der m-Abschnitt, in dem der Zweiphasenabschnitt dieser Isotherme liegt, kürzer als bei niedrigerer Temperatur, das System vollzieht den Flüssig-Gasförmig-Übergang offenbar bereitwilliger.

    1.3.2. Die kritische Isotherme

    Mit dieser Beobachtung kann treffend vermutet werden, dass es eine bestimmte Temperatur gibt, bei der sich der Zweiphasenabschnitt der Kondensation auf einen einzigen Punkt reduziert. Dort besitzt die Isotherme einen

    Horizontalwendepunkt ( dd m

    dd m

    0). Oberhalb dieser Temperatur findet

    dann bei Kompression keine Verflüssigung mehr statt. Der Punkt, der das Flüssig-Gasförmig-Zweiphasengebiet (die Gesamtheit der Flüssig-Gasförmig-Zweiphasenabschnitte aller Isothermen) nach oben hin abschließt, wird kritischer Punkt kr, m,kr, kr genannt, die zugehörige Isotherme heißt kritische Isotherme.

    1.3.3. Bei hohen Temperaturen

    Bei Temperaturen, die deutlich oberhalb der kritischen Temperatur liegen, verlaufen die Isothermen zunehmend hyperbolisch, befolgen also ∝

    m. Die

    Substanz verhält sich immer ähnlicher zum idealen Gas (beachte die hohen Temperaturen: siehe Begründung in Kap. 1.1.2). Eine Verflüssigung bei Kompression findet nicht mehr statt (Gas im engeren Sinne in Abgrenzung zum Dampf, der verflüssigbar ist; im Rahmen des wechselwirkungsfreien idealen Gases wäre Verflüssigung auch nicht möglich).

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    1.3.4. Vergleich mit der VAN-DER-WAALS-Isotherme

    Der beschriebene Verlauf realer , m-Isothermen kann durch Modellisothermen in einem gewissen Rahmen nachgebildet werden. Man betrachte die VAN-DER-WAALS-Isotherme (siehe Kap. 1.2.2.2). Diese besitzt per Konstruktion bei der kritischen Temperatur im kritischen Punkt physikalisch richtigerweise einen Horizontalwendepunkt, da die VAN-DER-WAALS-Parameter über die Daten des kritischen Punktes festgelegt werden (Details: Matheübung Aufgabe 20). Physikalisch unsinnig ist jedoch das Auftreten der sogenannten VAN-DER-WAALS-Schleifen im Zweiphasenabschnitt, in dem die reale Isotherme horizontal ist (insb. sollte der Druck nirgends mit zunehmendem molarem Volumen zunehmen). Die Schleifen sind eine Folge der mathematischen Gestalt der VAN-DER-WAALS-Gleichung (Matheübung Aufgabe 5b). Es kann auch zur Vorhersage negativer Drücke kommen, was ebenfalls physikalisch sinnlos ist. Während die Gleichung also im Zweiphasengebiet unbrauchbar ist, liefert sie in anderen Bereichen oft akzeptable Näherungen für die realen Isothermen.

    1.3.5. Zur wissenschaftlichen Vorgehensweise

    Das hier präsentierte Vorgehen ist in einem gewissen Maße beispielhaft für das Vorgehen in der physikalischen Chemie. In experimentellen Daten ( , -Paare für hohe, konstante Temperaturen) wurde eine Gesetzmäßigkeit gefunden (BOYLE-MARIOTTEsches Gesetz). Dann wurde ein Modell entwickelt (ideales Gas), das diese Gesetzmäßigkeit erklärt. Aus dem Modell wurden Vorhersagen über die Realität abgeleitet (Zustandsgleichung idealer Gase), die mit experimentellen Ergebnissen (reale , m-Isothermen) verglichen wurden. In manchen Fällen (hohe Temperaturen, nicht zu hohe Drücke) bewährte sich das Modell, in anderen Fällen versagte es und wurde verbessert (VAN-DER-WAALS-Gleichung). Auch das verfeinerte Modell ist nur eine Annäherung an die Realität, aber vermutlich in einem breiteren Rahmen nutzbar.

    2. Phasenstabilität – Phasengleichgewicht

    2.1. Das , -Phasendiagramm

    2.1.1. Das dynamische Gleichgewicht

    Das Gleichgewicht zwischen zwei Phasen ist ein dynamisches. Man betrachte hierzu beispielsweise die Einstellung des Flüssig-Gasförmig-Gleichgewichtes mit der Zeit. Es liege zu Beginn nur die flüssige Phase vor, damit gibt es eine gewisse Verdampfungsgeschwindigkeit. Mit der Zeit gehen immer mehr Teilchen in die Dampfphase über, infolgedessen steigt die Kondensationsrate (die zu Beginn gleich Null war, da keine Teilchen in der Dampfphase befindlich waren); die Verdampfungsgeschwindigkeit bleibt annähernd konstant. Die Kondensations-geschwindigkeit nähert sich der Verdampfungsgeschwindigkeit im Laufe der Zeit

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    immer weiter an, bis sie nach sehr langer (prinzipiell unendlich langer) Zeit gleich groß sind. Damit hat sich das Gleichgewicht eingestellt. Ab diesem Punkt gehen zwar weiterhin Teilchen von der einen Phase in die andere Phase über, aber die Geschwindigkeiten für beide Phasenübergänge sind nach Einstellung des Gleichgewichts gleich groß, sodass netto keine Teilchenzahländerung in den beiden Phasen auftritt. Der Dampf ist gesättigt. Damit hat sich auch ein ganz bestimmter Druck eingestellt, der Sättigungsdampfdruck sat, dessen Wert vom betrachteten chemischen System (Reinstoff) sowie der Temperatur abhängt.

    2.1.2. Vorüberlegungen zum , -Phasendiagramm

    Man betrachte nun nur den Druck und die Temperatur eines Reinstoffes. m wird nicht betrachtet (es ist aber nicht zwingend konstant, wie es bei den , m-Isothermen war). Die Betrachtungen in Kap. 1.3 und Kap. 2.1.1 haben gezeigt: Bei einer bestimmten Temperatur (unterhalb der kritischen Temperatur) gibt es genau einen Druck, bei dem Flüssigkeit und Dampf koexistieren, den Sättigungsdampfdruck bei dieser Temperatur. Der Dampf ist in diesem Fall gesättigt. Bei einem Reinstoff ist der Sättigungsdampfdruck in erster Linie nur von der Temperatur abhängig, nicht aber beispielsweise vom Volumen der beiden Phasen (wie auch der horizontale Abschnitt der , m-Isotherme beim Sättigungsdampfdruck zeigt). Der Sättigungsdampfdruck kann in Abhängigkeit von der Temperatur als Dampfdruckkurve gezeichnet werden, welche die Flüssig-Gasförmig-Koexistenzkurve darstellt. Bei höherem Druck liegt bei dieser Temperatur nur Flüssigkeit vor, bei niedrigerem Druck nur Dampf, der dann ungesättigt ist. Wenn die Flüssigkeit isobar (d. h. bei konstantem Druck) ausreichend abgekühlt wird, wird sie erfahrungsgemäß fest. Daher gibt es sicherlich auch eine Fest-Flüssig-Koexistenzkurve und einen Bereich, in dem der Reinstoff einphasig fest am stabilsten ist.

    2.1.3. Felder, Grenzlinien und ausgezeichnete Punkte im , -Phasendiagramm

    Dies führt zum , -Phasendiagramm für einen Reinstoff (fürs Erste wird von nur einer festen Phase ausgegangen, z. B. Diagramm für Nickel oder CO2). Phasengrenzlinien trennen einphasige Felder (fest, flüssig, gasförmig) voneinander ab und sind Koexistenzlinien: die Dampfdruckkurve (Flüssig-Gasförmig-Gleichgewicht), die Schmelzdruckkurve (Fest-Flüssig-Gleich-gewicht) und die Sublimationsdruckkurve (Fest-Gasförmig-Gleichgewicht). Diese drei Phasengrenzlinien treffen sich im Tripelpunkt, an dem drei Phasen (fest, flüssig, gasförmig) koexistieren. Für einen Reinstoff ist dieser Punkt invariant, d. h. die drei Phasen können nur bei einem einzigen , , m-Wertetripel koexistieren.

    Auch der kritische Punkt taucht im , -Phasendiagramm auf, nämlich als Endpunkt der Dampfdruckkurve (deren Anfangspunkt der Tripelpunkt ist). Dazu stelle man sich vor, in einem geschlossenen Gefäß liege das Flüssig-Gasförmig-Gleichgewicht vor. Bewegt man sich entlang der Dampfdruckkurve zu

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    höheren Drücken und Temperaturen, dann steigt mit dem Sättigungsdampfdruck auch die Dichte des Dampfes g, während sich die Flüssigkeit durch die Temperaturerhöhung ausdehnt und damit ihre Dichte l verringert. Ausgehend von g ≪ l gleichen sich die Dichten immer weiter an, bis sie beim kritischen Punkt gleich groß sind:

    krg

    krl . (6)

    Damit ist keine Phasengrenze mehr zwischen Flüssigkeit und Dampf erkennbar, die beiden Phasen werden ununterscheidbar. Daher endet die Dampfdruckkurve im kritischen Punkt. Oberhalb von kr ist keine Verflüssigung des Gases durch Druckerhöhung mehr möglich (siehe Kap. 1.3.3). Liegen Druck und Temperatur höher als am kritischen Punkt, spricht man nur noch von einem überkritischen Fluid. Beispielsweise besitzt überkritisches CO2 einige technische Anwendungen (Extraktionsmittel für Coffein aus Kaffee, Lösungsmittel in der Herstellung von Pharmazeutika, chemische Reinigung, mobile Phase für hochauflösende Chromatographie…), der überkritische Zustand ist hier leicht zu realisieren ( kr 72,8bar, kr 304K), CO2 ist darüber hinaus billig, ungiftig und nicht entflammbar.

    Soll eine Substanz in einem offenen Gefäß sieden, so geschieht dies bei der Temperatur, bei welcher der Dampfdruck der Flüssigkeit gleich dem Umgebungsdruck ist. Dem , -Phasendiagramm lassen sich daher auch Siedepunkte entnehmen: Man zeichnet die Isobare für den Umgebungsdruck ein, der Siedepunkt entspricht dann dem Schnittpunkt mit der Dampfdruckkurve. Analog ist der Schmelzpunkt der Schnittpunkt mit der Schmelzdruckkurve und der Sublimationspunkt der Schnittpunkt mit der Sublimationsdruckkurve (dann gibt es aber keinen Schnittpunkt mit den anderen beiden Phasengrenzlinien bei diesem Umgebungsdruck).

    2.2. Mathematische Herleitung der Phasengrenzlinien

    2.2.1. Das chemische Potential

    Für die Herleitung der Phasengrenzlinien, sprich der Bedingungen für Phasengleichgewichte, wird der Begriff des chemischen Potentials eingeführt. (Für einen Reinstoff ist ∗ m die molare Freie Enthalpie, wobei der Stern den Fall des Reinstoffes anzeigt.) Die Wahl des Begriffs geschieht in Analogie zum Gravitationspotential oder elektrischem Potential: das Potential ist ein Maß für die Bereitschaft, eine Veränderung einzugehen – beim Gravitationspotential, die Höhe zu ändern, beim chemischen Potential, eine „Reaktion“ durchzuführen (worunter hier auch ein Phasenwechsel fällt). Der Zustand mit dem geringsten chemischen Potential ist am stabilsten. Das chemische Potential ist eine Funktion von Druck und Temperatur, , , wobei sich mit und

    in den einzelnen Phasen unterschiedlich stark ändert. Daher kann die stabilste Phase bei Veränderung von oder (bzw. m) wechseln, wie es auch die Erfahrung lehrt.

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    2.2.2. Bedingungen für Phasengleichgewichte

    Daraus folgt, dass im Gleichgewicht zwischen Phase I und Phase II für das chemische Potential des Reinstoffes ∗ (wobei der Stern den Fall des Reinstoffes anzeigt) in den beiden Phasen gelten muss:

    ∗,I ∗,II . (7)

    Bewegt man sich entlang einer Phasengrenzlinie, ändern sich und , womit sich auch ∗ in beiden Phasen ändert. Um die Bedingung eines währenden Gleichgewichts zu erfüllen, muss dann zusätzlich die Änderung des chemischen Potentials d ∗ in beiden Phasen gleich groß sein, damit ∗,I ∗,II weiterhin gilt:

    d ∗,I d ∗,II . (8)

    2.2.3. Die CLAPEYRONsche Gleichung

    Aus der Bedingung für währendes Gleichgewicht folgt mit einigen wenigen thermodynamischen Gleichungen (Details: siehe Praktikumsskript P1) die für alle Phasenübergänge eines Reinstoffes gültige CLAPEYRONsche Gleichung:

    dd eq

    ∆trs m∆trs m

    . (9)

    Dabei ist dd

    die Steigung der Phasengrenzlinie (falls diese in jedem Punkt bekannt ist, kann die ganze Linie berechnet werden, falls ein Punkt gegeben ist). Das „eq“ steht für „equilibrium“ und deutet an, dass die Druck- und Temperaturänderungen d und d so vollzogen werden sollen, dass das Phasengleichgewicht erhalten bleibt. Das „trs“ steht für „transition“ und kann im konkreten Fall durch ein entsprechendes Zeichen für den betrachteten Phasenübergang im Gleichgewicht ersetzt werden („V“ für Verdampfen („vaporization“), „F“ für Schmelzen („fusion“), „S“ für Sublimation („sublimation“)).

    Die Größe ist die Entropie. Sie kann für den Moment als Maß für die „Unordnung“ betrachtet werden. m ist entsprechend die molare Entropie. ∆trs m mII mI ist dann die Änderung der molaren Entropie beim Phasenübergang von Phase I nach Phase II im Gleichgewicht. So ist beispielsweise ∆V m die molare Verdampfungsentropie, also gewissermaßen die Änderung der „Unordnung“ (pro Mol) beim Verdampfen. (Da der gasförmige Zustand mit seiner regellosen Teilchenbewegung viel ungeordneter ist als der flüssige Zustand mit seiner Nahordnung, nimmt die Entropie beim Verdampfen zu, sodass also ∆V m m

    gml 0.) ∆trs m mII mI ist das molare

    Phasenübergangsvolumen, z. B. ist das molare Verdampfungsvolumen einfach ∆V m m

    gml , die Differenz der molaren Volumina von Gasphase und

    flüssiger Phase.

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    Gemäß der GIBBS-HELMHOLTZ-Gleichung gilt für ein Phasengleichgewicht 0 ∗,II ∗,I mII mI ∆trs m ∆trs m trs ⋅ ∆trs m, also

    ∆trs m∆trs m

    trs (10)

    (dabei ist ∆trs m die molare Freie Phasenübergangsenthalpie, ∆trs m die molare Phasenübergangsenthalpie und trs die Phasenübergangstemperatur). Damit kann man die CLAPEYRONsche Gleichung schreiben als:

    dd eq

    ∆trs m⋅ ∆trs m

    . (11)

    So wird die schwerer zugängliche Phasenübergangsentropie ersetzt durch die Phasenübergangstemperatur (z. B. die Siedetemperatur; der Index „trs“ wurde weggelassen, da das Phasengleichgewicht schon durch „eq“ ausgedrückt wird) und die Phasenübergangsenthalpie (z. B. die Verdampfungsenthalpie; diese ist quasi die Verdampfungsenergie, enthält aber noch einen zusätzlichen Beitrag, der bemisst, wieviel Energie es kostet, dass sich das System gegen den äußeren Druck ausdehnen muss, die sog. Volumenarbeit, Details: siehe Praktikumsskript P1).

    2.3. Spezielle Phasengrenzlinien

    2.3.1. Die Fest-Flüssig-Grenze

    Für die Fest-Flüssig-Phasengrenzlinie liest sich die CLAPEYRONsche Gleichung wie folgt:

    dd eq

    ∆F m∆F m

    ∆F m⋅ ∆F m

    . (12)

    Zuerst zum Vorzeichen des Ausdrucks und damit zur Richtung der Neigung der Schmelzdruckkurve im , -Phasendiagramm. In aller Regel ist die molare Schmelzentropie ∆F m ml ms 0 (Flüssigkeit besitzt nur Nahordnung, Feststoff meist auch Fernordnung). Für die meisten Reinstoffe ist die feste Phase die dichtere, sodass gilt: l s und damit ml ms, also ∆F m ml ms 0. Dann ist auch d

    d eq0, die Schmelzdruckkurve besitzt also eine positive

    Steigung und ist mithin im , -Phasendiagramm nach rechts geneigt (Bsp.: CO2). Weist der Stoff aber eine Dichteanomalie auf, dann ist l s und damit

    ml

    ms und damit ∆F m ml ms 0. Dann ist auch

    dd eq

    0, die

    Schmelzdruckkurve besitzt also eine negative Steigung und ist mithin im , -Phasendiagramm nach links geneigt (Bsp.: H2O in der Nähe des Tripelpunkts). Allerdings wird sich auch in diesem Fall die Schmelzdruckkurve bei sehr hohen Drücken nach rechts biegen und das Flüssigkeitsfeld vollständig nach oben hin begrenzen, ebenso wie im Falle der Reinstoffe ohne Dichteanomalie.

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    Man findet oft, dass die Schmelzdruckkurve im Vergleich zur Sublimationsdruckkurve oder zur Dampfdruckkurve sehr steil ist, um mehrere Größenordnungen. Die CLAPEYRONsche Gleichung liefert eine Erklärung: Da sich die Dichten bzw. molaren Volumina von fester und flüssiger Phase meist nur wenig unterscheiden (wohingegen die Dichte der Dampfphase oft um einen Faktor der Größenordnung 1000 kleiner ist), ist der Betrag des molaren Schmelzvolumens, |∆F m|, recht klein. Es wird also in der CLAPEYRONschen Gleichung durch eine (betragsmäßig) sehr kleine Größe geteilt, weshalb die Steigung der Schmelzdruckkurve (betragsmäßig) sehr groß ist. (Deutung: Eine große Steilheit der Schmelzdruckkurve bedeutet, dass sich die Schmelztemperatur nur wenig mit dem Druck ändert. Bei Druckerhöhung wird allgemein die Umwandlung in die dichtere Phase bevorzugt. Da sich feste und flüssige Phase aber kaum in der Dichte unterscheiden, führt auch eine starke Druckänderung kaum zu einer weiteren Begünstigung einer der beiden Phasen. Hingegen beispielsweise beim Verdampfen wird durch Druckerhöhung die flüssige Phase massiv begünstigt und es sind deutlich höhere Temperaturen notwendig, um wieder ins Flüssig-Gasförmig-Gleichgewicht zu kommen.)

    2.3.2. Die Flüssig-Gasförmig-Grenze

    2.3.2.1. Temperaturabhängigkeit der Verdampfungsenthalpie

    Für die Flüssig-Gasförmig-Phasengrenzlinie liest sich die CLAPEYRONsche Gleichung wie folgt:

    dd eq

    ∆V m∆V m

    ∆V m⋅ ∆V m

    . (13)

    An dieser Stelle ist es sinnvoll, sich die Tatsache bewusst zu machen, dass sich die Steigung der Kurve mit der Temperatur ändert (die Kurve also gekrümmt ist) und dass die Temperaturabhängigkeit auf der rechten Seite der Gleichung (welche eine Änderung der Steigung mit der Temperatur hervorruft) nicht nur durch das explizite Auftreten von gegeben ist. Auch die molare Verdampfungsenthalpie ist -abhängig, ebenso wie das molare Verdampfungsvolumen. Für die molare Verdampfungsenthalpie gilt, dass sie mit steigender Temperatur abnimmt (bei höheren Temperaturen vollzieht das System den Verdampfungsvorgang „bereitwilliger“), bis sie am kritischen Punkt schließlich auf Null gesunken ist (Flüssigkeit und Dampf gehen enthalpieneutral ineinander über und sind ab da nicht mehr unterscheidbar).

    2.3.2.2. Die CLAUSIUS-CLAPEYRONsche Gleichung

    Die CLAPEYRONsche Gleichung lässt sich im Falle der Dampfdruckkurve unter Anwendung bestimmter Näherungen in eine praktikablere Form bringen. Zunächst geht man davon aus, dass das molare Volumen der kondensierten Phase gegenüber dem der Dampfphase vernachlässigbar ist, sodass also

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    ∆V m mg

    ml

    mg. Wird die Dampfphase weiterhin in ausreichend guter

    Näherung durch die Zustandsgleichung des idealen Gases beschrieben, dann ist m

    g , also ∆V m . Damit geht die CLAPEYRONsche Gleichung in die

    (nicht mehr allgemeingültige) CLAUSIUS-CLAPEYRONsche Gleichung über:

    dd eq

    ⋅ ∆V m⋅

    , (14)

    was mathematisch identisch ist zu:

    d lnd eq

    ∆V m . (15)

    Um explizit ausrechnen zu können, welcher Gleichgewichtsdampfdruck bei welcher Temperatur herrscht, muss diese differentielle Form integriert werden. Die -Abhängigkeit der molaren Verdampfungsenthalpie erschwert diese Aufgabe (und führt dazu, dass der Graph ln gegen bei guter Auflösung etwas gekrümmt ist). Folgende Näherung schafft leicht Abhilfe: Bei der Integration von nach wird ∆V m nicht explizit betrachtet und integriert, sondern durch den Mittelwert über das Intervall ; ersetzt, ∆V m. Dies ist nur noch ein (für das gegebene -Intervall) konstanter Wert, der vor das Integral gezogen werden kann. Damit ergibt sich die CLAUSIUS-CLAPEYRONsche Gleichung in integrierter Form:

    ln∆V m 1 1 . (16)

    (Beachte, dass !)

    Es kann sinnvoll sein, für den Druck einen Referenzdruck zu wählen, der als Standarddruck ⊝ bezeichnet wird. Die zugehörige Siedetemperatur ist dann die Standardsiedetemperatur V

    ⊝. Auf einen allgemein anerkannten Referenzdruck bezogenen Siedetemperaturen sind leichter tabellierbar und vergleichbar. Damit ergibt sich folgende Spezialform der CLAUSIUS-CLAPEYRONschen Gleichung in integrierter Form (der Index „2“ kann hier weggelassen werden):

    ln ⊝∆V m 1 1

    V⊝ . (17)

    (∆V m wird dann über das Intervall ; V⊝ gemittelt.)

    Als Standarddruck könnte prinzipiell jeder beliebige Druck infrage kommen. Zwei Werte sind besonders verbreitet, nämlich ⊝ bar (die neuere Konvention) und ⊝ , bar 760Torr 1atm (die ältere Konvention). Letzterer Druck wird auch Normaldruck genannt, die darauf bezogenen Größen erhalten zuweilen dann auch das Präfix „Normal“. Im

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    Folgenden wird hier die ältere Konvention für den Standarddruck verwendet, also ⊝ 1,01325bar 760Torr, da auch viele Werte in der Literatur noch auf diesen Druck noch bezogen sind. Auch die bekannten Werte für die Standardsiede- und -gefriertemperatur von Wasser, 100 °C und 0 °C, sind auf den Normaldruck 1,01325bar 760Torr als Standarddruck bezogen.

    2.3.2.3. Die Regel von PICTET und TROUTON

    Wie bereits festgehalten, ist die molare Verdampfungsenthalpie temperaturabhängig. Dies gilt ebenso für die molare Verdampfungsentropie (Zunahme der „Unordnung“ pro Mol beim Verdampfen). Tabelliert sind häufig die entsprechenden Standardgrößen ∆V m⊝ und ∆V m⊝, also die Größen bei der Standardsiedetemperatur V

    ⊝ (und Standarddruck ⊝).

    Für nichtassoziierte Flüssigkeiten (strenggenommen muss zusätzlich gefordert werden, dass die Flüssigkeiten unpolar sind und eine quasi-sphärische molekulare Gestalt aufweisen) gilt nun gemäß der Regel von PICTET und TROUTON, dass die molare Verdampfungsentropie am Standard-siedepunkt immer etwa den gleichen Wert besitzt, nämlich ∆V m

    … Jmol K . Dies kann so verstanden werden, dass der Gewinn an „Unordnung“ beim Verdampfen am Standardsiedepunkt in der Regel stets der gleiche ist, wenn keine besonderen Wechselwirkungen in der Flüssigkeit (oder in der Gasphase) existieren, die eine besondere Ordnung oder Entordnung bewirken würden. Beispiele für solche nichtassoziierte Flüssigkeiten sind Brom und Benzol. Hingegen ist bei kurzkettigen aliphatischen Alkoholen und bei Wasser die molare Standardverdampfungsentropie stark erhöht, da die Wasserstoffbrückenbindungen der flüssigen Phase Ordnung verleihen (und damit die Entropie der flüssigen Phase senken), die beim Verdampfen und dem damit verbundenen Aufbrechen der Wasserstoffbrückenbindungen verloren geht, sodass der Entropiegewinn größer ausfällt als bei nichtassoziierten Flüssigkeiten.

    2.3.3. Die Fest-Gasförmig-Grenze

    Für die Fest-Gasförmig-Phasengrenzlinie liest sich die CLAPEYRONsche Gleichung wie folgt:

    dd eq

    ∆S m∆S m

    ∆S m⋅ ∆S m

    . (18)

    Auch bei der Sublimation wird der Übergang von einer kondensierten Phase zur Dampfphase betrachtet. Aus diesem Grund lassen sich die Näherungen, die beim Verdampfen zur CLAUSIUS-CLAPEYRONschen Gleichung führten, auch hier treffen. Die integrierte Sublimationsdruckgleichung lautet dann analog:

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    ln∆S m 1 1 . (19)

    (Dagegen wird beim Schmelzen keine Dampfphase betrachtet, daher kann dort auch das molare Volumen keiner der beiden Phasen vernachlässigt werden: ∆F m ≉ m

    s/l. Daher gilt für das Schmelzen die CLAUSIUS-CLAPEYRONsche Gleichung nicht, weder in differentieller noch integrierter Form. Nur die CLAPEYRONsche Gleichung ist dann anwendbar.)

    Vergleicht man Sublimationsdruckkurve und Dampfdruckkurve, so findet man, dass im Tripelpunkt die Sublimationsdruckkurve steiler ist als die Dampfdruckkurve. Dies lässt sich anhand der (CLAUSIUS-)CLAPEYRONschen Gleichung belegen: Die molare Sublimationsenthalpie ist, wie der Satz von der Energieerhaltung lehrt (später der Satz von HESS), die Summe aus der molaren Schmelzenthalpie und der molaren Verdampfungsenthalpie (bei der gleichen Temperatur), ∆S m ∆F m ∆V m, da in beiden Fällen derselbe Anfangszustand (fest) und derselbe Endzustand (gasförmig) vorliegt. Da alle drei Prozesse, Sublimation, Schmelzen und Verdampfen, endotherm sind (also „Energie benötigen“), sind alle drei Phasenübergangsenthalpien positiv. Damit ist insbesondere ∆S m ∆V m. Somit (und mit ∆S m ∆V m m

    g) folgt, dass die Steigung der Sublimationsdruckkurve größer ist als die der Dampfdruckkurve (im Tripelpunkt, in dem sich die beiden Kurven treffen).

    Die Fähigkeit, nicht nur den Dampfdruck über Flüssigkeiten, sondern auch den Sublimationsdruck über Feststoffen berechnen zu können, ist durchaus von pharmazeutischer Relevanz. Beispielsweise kann man so abschätzen, wie viel Ibuprofen aus ibuprofenhaltigen Tabletten hinwegsublimiert, um die Lagerstabilität der Tabletten beurteilen zu können (Muss man die Tabletten gekühlt lagern, um den Sublimationsdruck zu senken und den Wirkstoffverlust durch Sublimation zu verringern, oder ist der Verlust bei Raumtemperatur hinnehmbar?).

    2.3.4. Die Fest-Fest-Grenze

    Falls ein Reinstoff in mehr als einer festen Phase vorkommen kann, dann ist auch zwischen den verschiedenen festen Phasen ein Phasengleichgewicht denkbar. Auch die dazugehörigen Phasengrenzlinie im , -Phasendiagramm wird durch die CLAPEYRONsche Gleichung beschrieben. Da die festen Phasen in der Regel ähnliche Dichten besitzen, ist die CLAUSIUS-CLAPEYRONsche Gleichung nicht auf eine Fest-Fest-Phasengrenzlinie anwendbar, die Linie ist allerdings, ähnlich wie die Schmelzdruckkurve, oft relativ steil. Ein Beispiel ist Schwefel, der hauptsächlich [eigentlich über 30 Allotrope!] in zwei festen Phasen auftritt: als rhombischer Schwefel (bei hohen Drücken) und als monokliner Schwefel (bei niedrigen Drücken). Bei Normaldruck liegt die Umwandlungstemperatur von rhombischen in monoklinen Schwefel bei 95,39 °C (Schnittpunkt der ⊝-Isobare mit der Rhombisch-Monoklin-Phasengrenzlinie).

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    2.4. Das , m, -Diagramm

    Die in Kapitel 1 besprochenen , m-Isothermen und das in Kapitel 2 besprochene , -Phasendiagramm lassen sich in ein gemeinsames Bild einordnen. Alle möglichen

    Zustände eines Reinstoffes lassen sich in einem dreidimensionalen , m, -Diagramm als Fläche (mit Knicken) darstellen. Darin lassen sich beispielsweise das Flüssig-Gasförmig-Zweiphasengebiet, der kritische Punkt und der Tripelpunkt (fest/flüssig/gasförmig) finden. In der Regel ist es aber einfacher, sich in einem zweidimensionalen Diagramm zurechtzufinden. Die in Kapitel 1 besprochenen , m-Isothermen erhält man durch Schnitte in die , m, -Fläche bei verschiedenen

    (konstanten) Temperaturen. Das in Kapitel 2 besprochene , -Phasendiagramm (in welchem m nicht konstant ist) erhält man, indem man die , m, -Fläche in die , -Ebene projiziert. Dadurch geht zwar Information verloren (nämlich über m), aber

    es wird eine übersichtlichere Darstellung gewonnen, die für viele Betrachtungen ausreichend ist.

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    Physikalisch-Chemisches Grundpraktikum für Pharmazeuten

    Seminar P1 – Phasengleichgewichte reiner Stoffe: Abbildungen

    Abbildung 1. Reale , m-Isothermen eines Reinstoffes im Bereich der flüssigen (l) und der gasförmigen (g) Phase, hier für Schwefelhexafluorid (SF6). Für die Isotherme bei 294 K sind Eintritts- und Austrittspunkt zum l/g-Zweiphasengebiet eingezeichnet. Die strichpunktierte Isotherme bei 319 K ist die kritische Isotherme. Angegeben ist auch der kritische Punkt. [1] Kap. 1.3.1 – 1.3.3.

    Abbildung 2. VAN-DER-WAALS-Isothermen eines Reinstoffes im Bereich der flüssigen (l) und der gasförmigen (g) Phase, hier für Kohlenstoffdioxid (CO2). Der Verlauf im l/g-Zweiphasengebiet nach VAN DER WAALS ist gepunktet dargestellt, der reale Verlauf rot und durchgezogen. Die strichpunktierte Isotherme bei 304 K ist die kritische Isotherme. Angegeben ist auch der kritische Punkt. [2] Kap. 1.3.4.

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    Abbildung 3. Einstellung des dynamischen Gleichgewichts Kondensation/Verdampfung. Zu Beginn liegt nur die flüssige Phase vor. Mit im Laufe der Zeit zunehmender Dampfmenge steigt die Kondensationsgeschwindigkeit, bis sie bei hohen Zeiten gleich der (annähernd konstanten) Verdampfungsgeschwindigkeit ist. Ab diesem Zeitpunkt ist das Phasengleichgewicht erreicht, die Teilchenzahlen in den beiden Phasen sind netto konstant, der Dampf ist gesättigt. Kap. 2.1.1.

    Abbildung 4. , -Phasendiagramm eines Reinstoffes mit nur einer festen Phase und normalem Schmelzverhalten (Schmelzdruckkurve ab Tripelpunkt nach rechts geneigt). Für diesen speziellen Stoff tritt bei Normaldruck keine Sublimation auf, bei isobarem Aufheizen ausgehend von der festen Phase tritt bei Normaldruck erst Schmelzen und dann Verdampfen auf. [3] Kap. 2.1.3.

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    Abbildung 5. , -Phasendiagramm eines Reinstoffes mit nur einer festen Phase und normalem Schmelzverhalten, hier für CO2, in halblogarithmischer Darstellung. In dieser Darstellung ist zu erkennen, dass das Feld der einphasigen Flüssigkeit nach oben hin vollständig durch die Schmelzdruckkurve abgeschlossen wird. Dies gilt auch für Stoffe, die in der Nähe des Tripelpunktes eine Dichteanomalie beim Schmelzen aufweisen. Weiterhin ist der Normalsublimationspunkt für CO2 eingezeichnet. [4] Kap. 2.1.3, 2.3.1.

    Abbildung 6. Molare Verdampfungsenthalpie als Funktion der Temperatur für vier Reinstoffe (Wasser, Methanol, Benzol, Aceton). Sie nimmt mit steigender Temperatur ab und ist jeweils bei der kritischen Temperatur des Reinstoffes auf Null gefallen. [5] Kap. 2.3.2.

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    Abbildung 7. , -Phasendiagramm eines Reinstoffes mit mehreren festen Phasen und jeweils normalem Schmelzverhalten, hier für Schwefel. Gezeigt sind die Stabilitätsbereiche für die rhombische und die monokline feste Form. Markiert sind die drei Tripelpunkte (monoklin/rhombisch/gasförmig, monoklin/rhombisch/flüssig, monoklin/flüssig/gasförmig), Normalschmelz- und -siedepunkt sowie der Normalumwandlungspunkt für die Umwandlung zwischen rhombischer und monokliner Phase. [6] Kap. 2.3.4.

    Abbildung 8. , m, -Diagramm eines Reinstoffes mit nur einer festen Phase und normalem Schmelzverhalten, daneben die aus isothermen Schnitten gewonnenen , m-Isothermen sowie das durch Projektion auf die , -Ebene gewonnene , -Phasendiagramm (überkritisches Fluid nicht gesondert vermerkt). [7] Kap. 2.4.

    [1]: http://www.idn.uni-bremen.de/cvpmm/content/phasenumwandlungen/images/sf6_alle.gif (Stand:

    3. April 2018). Bearbeitete Graphik. [2]: http://www.idn.uni-bremen.de/cvpmm/content/phasenumwandlungen/images/vanderWaals_co2.gif (Stand:

    3. April 2018). [3]: Atkins, Peter W. / de Paula, Julio: Kurzlehrbuch Physikalische Chemie. 4., vollst. überarb. Aufl.,

    Weinheim: WILEY-VCH, 2008, S. 214. Bearbeitete Skizze. [4]: Hunter, Lynn: „CO2 flow measurement key in CCS schemes“ Power Engineering International 18.4

    (2010). TUV NEL. [5]: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Verdampfungsenthalpie_Wasser+Methanol+Benzol+Aceton.png

    (Stand: 4. April 2018). [6]: http://www.chegg.com/homework-help/questions-and-answers/use-accompanying-phase-diagram-sulfur-

    answer-following-questions-phase-diagram-scale-153-c-q10880239 (Stand: 4. April 2018). [7]: http://www.thch.uni-bonn.de/pctc/sokolowski/Vorlesung/PC0_neuer_Studiengang/Zustandsdiagramme_

    realer_Gase.pdf (Stand: 4. April 2018).

    Handout P1 PC Ph WS2018_19 ohne AbbPCPharm SS18 P1 - Abbildungen