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SEXY SEXY Christopher Street Day Trans • Inter • Queer Exklusiv: Rosa von Praunheim im Interview strassen| feger 1,50 Euro, davon 90 Cent für den Verkäufer www.strassenfeger.org Soziale Straßenzeitung Ausgabe 12 Juni 2013 Mit Hartz-IV-Ratgeber!

SEXY – strassenfeger-Ausgabe 12, 2013

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Page 1: SEXY – strassenfeger-Ausgabe 12, 2013

SEXYSEXY

Christopher Street Day

Trans • Inter • Queer

Exklusiv: Rosa von Praunheim im Interview

strassen|feger1,50 Euro, davon 90 Cent für den Verkäufer

www.strassenfeger.org

Soziale Straßenzeitung

Ausgabe 12 Juni 2013

feger

Mit Hartz-IV-Ratgeber!

Page 2: SEXY – strassenfeger-Ausgabe 12, 2013

strassen|feger 12/2013

Mitglied im Partner im

2 Edito

TitelWozu der ganze Aufwand, hat Sex Sinn? 3

Der Christopher Street Day 2013 4-7Menschlich – authentisch – selbstbewusst

Zu Besuch in René Kochs Lippenstift-Museum 8

Schwul-Sein in Berlin 10

Das Schwule Museum erfi ndet sich neu 11

Intergeschlechtliche Menschen 12

Transmensch: „Mutig ist nicht das richtige Wort“ 14

Sex: von Peinlichkeiten und Tabus 15

KulturtippsAus unser Redaktion 22/23

RatgeberGemischtes 29

Verkäuferstrassenfeger-Verkäufer – Gefesselt an den Rollstuhl 24

BrennpunktWer verbirgt sich hinter der „Alternative für 18Deutschland“? Ausstellung „Zeitungspresse als NS-Machtinstrument“ 20

AktuellEin Zeitzeuge erinnert sich an den 17. Juni 1953 28

SportEnde gut, alles gut? Interview mit 26„Füchse“-Manager Bob Hanning

MittendrinVon KptnGraubär 30

strassen|fegerDie soziale Straßenzeitung strassenfeger wird vom Verein mob – obdachlose machen mobil e.V. herausgegeben. Das Grundprinzip des strassenfeger ist: Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe! Der strassenfeger wird produziert von einem Team ehrenamtlicher Autoren, die aus allen sozialen Schichten kommen. Der Verkauf des strassenfeger bietet obdachlosen, wohnungslosen und armen Menschen die Möglichkeit zur selbstbestimmten Arbeit. Sie können selbst entscheiden, wo und wann sie den strassenfeger anbieten. Die Verkäufer erhalten einen Verkäu-ferausweis, der auf Verlangen vorzuzeigen ist. Der Verein mob e.V. fi nanziert durch den Verkauf des strassenfeger soziale Projekte wie die Notübernachtung und den sozialen Treffpunkt „Kaffee Bankrott“ in der Prenzlauer Allee 87. Der Verein erhält keine staatliche Unterstützung. Der Verein beauftragt niemanden, Spenden für das Projekt an der Haustür zu sammeln!

Spenden für die Aktion „Ein Dach über dem Kopf“ bitte an:mob e.V., Bank für Sozialwirtschaft, BLZ: 100 205 00, Kto.: 32838 01

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„Rosas Welt“ 16Der schwule Filmemacher Rosa von Praunheim im strassenfeger-Interview

art strassen|feger

Der Streit um die Homo-Ehe in Frankreich 21

strassen|feger radio

Leserbriefe, Impressum, Vorschau 31

Vorletzte Seite

So sexy!

Liebe Leser_innen,in ein paar Tagen ist es wieder soweit: Berlin hisst die Regenbogenfahne und zeigt, wie sexy die Stadt ist. Am Samstag, 22. Juni, werden zum 35. Mal wieder fast eine Million Menschen auf den Straßen der deutschen Hauptstadt für die Rechte von Schwulen, Lesben, Transsexuellen und Transgendern, Inter- und Bisexuellen demonstrieren. Toll, dass das in Deutschland geht. Schlimm, dass das in anderen Ländern der Welt vollkommen undenkbar ist. Herzstück des CSD ist ganz sicher die Parade, die vom Kurfürstendamm (Ecke Joachimstaler Str.) über den Wittenbergplatz, den Nollendorfplatz, den Lützow-platz, den Großen Stern, die Straße des 17. Juni zum Brandenburger Tor führt.

CSD – das bedeutet nicht nur ausgelassenes Feiern: Das Motto des CSD heißt im Jahr der Bundestagswahl: „Schluss mit Sonntagsreden! Demonstrieren! Wählen! Verändern!“ Die politischen Forderungen lauten:

1. Schluss mit leeren Wahlversprechen!2. Schluss mit gesellschaftlicher Ausgrenzung und Abwertung!3. Schluss mit institutioneller Benachteiligung!4. Schluss mit internationaler Missachtung von Menschenrechten!5. Schluss mit Geschlechterzwang und Fremdbestimmung!

Mehr zum CSD und die Veranstaltungen dazu fi nden Sie auf den Seiten 4 bis 7.

Natürlich haben sich unsere Autoren für diese Ausgabe ganz intensiv mit dem Thema „Sexy“ beschäftigt, allerdings speziell vor dem Hintergrund des CSD. So berichten sie über das Schwule Leben in Berlin, über trans- und intergeschlechtliche Menschen, über die Auseinandersetzungen zur Homo-Ehe in Frankreich, über sexuelle Aufklärung und darüber, warum wir Menschen überhaupt Sex benötigen. Außerdem stellen wir Ihnen das kongeniale Lippenstiftmuseum des Visagisten René Koch und das neu gestaltete

„Schwule Museum“ vor.

Ganz toll: Rosa von Praunheim, der wohl wichtigste schwule Filmemacher der Welt und Mitbegründer der politischen Schwulen- und Lesbenbewegung in Deutschland hat dem strassenfeger ein exklusives Interview gegeben (S. 16/17).

Im Brennpunkt widmen wir uns der Bundestagswahl 2013. Diesmal auf dem Prüfstand die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD). Und: Bob Hanning, Manager der Handballer „Füchse Berlin“ spricht auf Seite 26/27 über die Saison 2012/2013 und die kommende Saison.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leser_innen, wieder viel Spaß beim Lesen!Andreas Düllick

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3Titel

Wozu der ganze

Aufwand?Hat Sex Sinn?Text Jan Markowsky

Frauen haben es heute schwer. Eigentlich ist es mit Waschen und Duschen getan. Für die Hygiene ist das Waschen von Händen mit Wasser und Seife wichtiger als die tolle Frisur und Make-up. Wenn es doch dabei bliebe! Oft

helfen Chirurgen mit Skalpell, Botox, Fettabsaugung, Silikonkissen der Natur nach. Wozu das Ganze? Sex sells. Klaro, das haben wir selbst erfahren. Das klärt aber nicht die Frage, warum eine Portion Sex dem Geschäft gut tut.

Sex fördert RivalitätFür Sex treiben auch andere Lebewesen einigen Aufwand. Im Kampf um Partner gilt es, den Rivalen zu übertreffen. In der Regel sind es die Männchen, die kämpfen müssen. In Berlin höre ich noch immer die eine oder andere Nachtigall. Hähne, die kein Weibchen abbekommen haben. Singvögel wie Nachtigallen versuchen mit Gesang ihre Weibchen zu beeindrucken. Die Hähne verstummen sofort, wenn sie Erfolg haben. Die kleinen Vögel kostet der Gesang Kraft. Turmfalken und andere Greifvögel werben mit Flugkünsten. Hirsche kämpfen. Aber nicht nur Hirsche. Solche Kämpfe um den Sex mit einem Weibchen enden bei vielen Arten oft mit dem Tod des unterlegenen Rivalen. Bei einigen Hyänen zum Beispiel.

Biologische Fehlkonstruktion? Der PfauMeine Eltern waren mit uns Jungs oft unterwegs. Meine Mutter schwärmte Tage vor der Reise schon von den Besonderheiten, die es zu erleben oder sehen geben würde. Ich erinnere mich an eine Ankündigung, die mich überhaupt nicht beeindrucken konnte: Pfauen. Große Vögel kannte ich schon. Wir hatten Gänse und einen stolzen Truthahn in unserer Nach-barschaft. Und ich muss sagen, vor Gänsen und dem Truthahn hatte ich Respekt, nicht jedoch vor dem harmlosen Pfau. Erst Jahre später konnte ich das Rad bewundern, mit dem der Pfauenhahn seine Hennen beeindrucken will. Als Erwachsener habe ich diese Tiere später im Tierpark gesehen und dabei erfahren, dass sie aus den Dschungeln Indiens und Ceylons

(heute Sri Lanka) stammen. In diesem Moment hat mich sein langer Schweif beeindruckt. Der ist bei der Flucht vor Tigern allerdings eher hinderlich. Bis zu diesem Zeitpunkt galt die Weisheit, dass die Selektion dafür sorgt, dass die an ihre Lebensbedingungen angepassten Lebewesen die besten Überlebenschan-cen haben. Inzwischen habe ich von einigen Arten erfahren, bei denen die Selektion zu solchen, auf den ersten Anschein naturwidrigen Formen geführt hat. Warum die Hennen trotzdem Männchen mit den imposantesten Rädern bevorzugen, kann hier nicht geklärt werden. Das würde zu weit führen.

Warum das alles?Für die Vermehrung ist Sex gar nicht notwendig. Es geht auch ohne. Einzeller wie Bakterien teilen sich einfach. Viele Pflanzen breiten sich durch Ableger aus. Auch einige Tierarten vermehren sich ungeschlecht-lich. Als Kind habe ich erfahren, dass bei einigen Würmern aus einem Lebewesen zwei werden, wenn es geteilt wird. Auch Knospung ist uns von einigen Tieren bekannt. Also: Wozu der Aufwand?

Welchen biologischen Sinn Sexualität haben kann, lässt ein Blick auf die Bakterien erahnen. Die Kran-kenhäuser haben heutzutage oft Schwierigkeiten mit multiresistenten Bakterien, die immun gegen viele Antibiotika sind. In den Kliniken wurden die Bakterien jahrzehntelang erfolgreich mit Antibiotika bekämpft. Die Individuen sind winzig, und die Population ist riesig. Nicht alle Individuen sind gleich empfindlich, und nicht alle Individuen werden der gleichen Dosis ausgesetzt. So überleben Bakterien massiven Einsatz von Antibiotika. Der Rest ist Selektion. Nicht ganz, weil Bakterien genetisches Material austauschen. Die einfachste Form ist das Einverleiben von DNA aus der Umgebung. Auch Viren sorgen für Einbau

„fremder“ DNA. Auch über Brücken aus Zellplasma wird genetisches Material ausgetauscht. Ich habe vor Jahrzehnten in einer populärwissenschaftlichen Zeitschrift Bilder gesehen, wie zwei Bakterien durch einen dünnen Schlauch (Pili) miteinander verbunden waren. Ich habe damals nicht verstanden, was das mit Transfer von DNA zu tun hat. Eine solche Über-tragung von genetischem Material verbreitet bei so starkem Druck die Fähigkeit zur Toleranz gegenüber Antibiotika.

Warum wir Menschen?Als Jugendlicher wurde mir beigebracht, dass der Mann die Frau erobern muss. Wissenschaftler, die mit den Methoden der Verhaltensbiologie Frauen und Männer beobachteten, haben herausgefunden, dass die Frau die Initiative ergreift. Das macht sie so dezent, dass dem Mann die Illusion der Initiative bleibt. Sie entscheidet sich unbewusst nach dem Geruch. Der Schweiß enthält Informationen über Immunreaktionen. Die Frau bevorzugt Männer, deren Immunität stark von ihrer eigenen abweicht. Das sichert in einer Welt voller Keime die besten Überlebenschancen für die Kinder.

Was bestimmte Signale angeht, so gibt es auch hier einen biologischen Sinn. Der Po der Frau zeigte an, ob das werdende Kind auch genügend Platz zum Wachsen hat. Bei indigenen Völkern werden unsere Magermodels wenig ankommen. Und der Busen zeigt, ob genügend Milch für das Kind da ist. Es wurden schon Kinder geboren, bevor es Flaschenmilch und Babybrei gab.

Tja, ein ganz schön großer Aufwand, der da betrieben wird für die Erhaltung der Art. n

Quelle: Wikipedia/BS Thurner HofBlauer Pfau (Pavo cristatus), radschlagendes Männchen im Duisburger Zoo

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4 Titel

Der Christopher Street Day 2013Menschlich – authentisch – selbstbewusstText Christopher Grohn & Andreas Düllick

Es ist mal wieder soweit, der alljährliche Chri-stopher Street Day (CSD) ist in Berlin wieder am Start. Am Samstag, 22. Juni, gehen rund eine Million Menschen bei der CSD-Parade und dem CSD-Finale für die Rechte von

Schwulen, Lesben, Transsexuellen und Transgendern, Inter- und Bisexuellen in der Bundeshauptstadt auf die Straße. Das Motto des CSD Berlin 2013 steht fest: In der Dezembersitzung hat sich das basisdemokra-tische CSD Forum mit deutlicher Mehrheit für diesen Slogan entschieden. Unter dem Motto „Schluss mit Sonntagsreden! Demonstrieren! Wählen! Verändern!” werden sich ca. 750.000 Teilnehmer versammeln, um gegen die weltweite Diskriminierung zu demons-trieren. Bereits zum 35. Mal zieht dann Berlins wohl heißeste Parade durch die Stadt. Wenn das Wetter uns gut gesonnen ist, dürfte einem tollen Fest nichts im Wege stehen.

Die Idee zum CSD stammt aus den USA. Die Chri-stopher Street im Stadtteil Greenvich Village war in

den 1970er Jahren das Zentrum der amerikanischen Schwulenbewegung. Bis heute ist die Christopher Street das internationale Symbol der Lesben und Schwulenbewegung. In den letzten Jahren ist sicher-lich eine Menge geschehen in der Community. Sie hat sich entwickelt, ist größer und stärker geworden. Man organisiert sich, um für seine Menschenrechte einzustehen und lässt sich Diskriminierungen nicht mehr gefallen. Diese Menschen lassen sich nicht mehr einfach so an den Rand oder in eine Ecke drängen. Die Stimmen die „Schwule raus, Lesben raus, Transsexuelle raus“ rufen, werden irgendwann verstummen. Es gab schon zu viele Vertreibungen in den Gesellschaften. Den Schmerz, der von solchen Zurufen ausgeht, stelle ich mir ganz unglaublich vor. Als Verkäufer der sozialen Straßenzeitung stras-senfeger weiß ich sehr genau, wie Diskriminierung schmerzt. Diskriminierung jedweder Art ist einfach dumm.

Überraschende Fragen beim Treffen mit den CSD-MachernUm zu erfahren, was in diesem Jahr im Rahmen des CSD alles passiert, traf ich, Christopher Grohn, mich genau einen Monat vor Beginn des CSD mit den Organisatoren der Parade Lotte Hajema,Robert Kastl, Robert Thewessen und Jens Meyer. Nach einer herzlichen Begrüßung ging die erste Frage allerdings an mich. Die Frage überraschte mich ein wenig, weil ich überhaupt nicht darauf vorbereitet war: „Wie viele obdachlose Schwule und Lesben gibt es denn nach Deinem Wissen?“ Ich konnte diese interessante Frage nicht beantworten, denn ich hatte mir bis dahin noch nie Gedanken darüber gemacht. Ich konnte nur also nur schätzen und sagte: „Vielleicht circa ein Viertel, aber verlässlich ist dieser Wert sicher nicht.“ Wir diskutierten dann eine Weile über den Anteil junger, schwuler Männer und Lesben unter den Berliner Obdachlosen. Ganz ehrlich: Ich konnte dazu nur wenig sagen. Es ist allerdings in der gesamten

Klaus Wowereit ist ein gern gesehener Gast auf dem CSD Foto: : CSD/Brigitte Dummer

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Community bekannt, dass es auch außerhalb der Hilfsstrukturen in Vereinen wie „Mann-O-Meter e. V.“ und in anderen sozialen Auffangeinrichtungen in Berlin ein breites Hilfsangebot gerade auch für diese Menschen gibt. Theoretisch muss niemand auf der Straße schlafen, in der Praxis sieht das aber ganz anders aus. Und dann gibt es ja noch die Menschen, die sich aus bestimmten, nachvollziehbaren Gründen dafür entscheiden, auf der Straße zu nächtigen.

Gewalt gegen Schwule, Lesben und Intersexuelle weit verbreitetWir sprachen dann darüber, dass auch 2013 immer noch Menschen wegen ihrer Sexualität verfolgt und mit brutaler Gewalt bedroht werden. Das erschreckt mich immer wieder, denn Gewalt gegen Menschen lehne ich grundsätzlich ab. Und, dass jemand nur wegen seiner sexuellen Ausrichtung verfolgt und bedroht wird, kann ich erst recht nicht akzeptieren. Es gab schon genug Verfolgung, Ausgrenzung und Intoleranz in unserer Welt. Egal ob religiöser, sexueller oder politischer Art. Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich von den CSD-Machern hörte, dass sich auch in den ehemaligen Sowjetrepubliken der Widerstand organisiert. Denn gerade in Russland werden doch die Menschenrechte mit Füßen getreten. Oder die Menschen müssen sich sogar verstecken um nicht aufzufallen, da es in manchen Ländern sogar Gesetze gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen gibt. Ich erfuhr, dass die deutschen Aktivisten mit russischen Gruppen zusammenarbeiten. Wichtig: Die Welt muss hinschauen, wenn sich die Unterdrückten zur Wehr setzen und Ihre Rechte einfordern. Man sollte heutzutage doch davon ausgehen können, dass sich die Menschen von mittelalterlichen Dogmen befreit haben. Das finde ich gut und richtig!

Schluss mit den Sonntagsreden! Demonstrieren! Wählen! Verändern!Wir kamen dann auch zu der Frage, wie zufrieden die schwul-lesbische Community momentan mit der Politik ist. Hintergrund war auch der Streit um die Homo-Ehe. Die CDU hat ja gerade einen Beschluss gegen die schwul-lesbischen Gleichstellungs-bestrebungen gefasst. Und in Paris demonstrierten Hunderttausende gegen den Beschluss des franzö-sischen Parlaments, die Homo-Ehe per Gesetz zu legitimieren. Die aktuelle Bundesregierung wollte 2009 laut Koalitionsvertrag noch „gleichheitswid-rige Benachteiligungen“ im Steuerrecht abbauen. Und – sie wollte insbesondere die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur „Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten umsetzen.“ Das Bundesverfassungsgericht hat schon mehrfach Beschlüsse zur Gleichstellung gefasst – z.B. bei der Erbschaftsteuer, Grunderwerbssteuer, Familien-zuschlag und Hinterbliebenenversorgung –, doch die Bundesregierung setzte diese Entscheidungen, wenn überhaupt, nur schleppend um. Zum Thema ‚Ehegattensplitting‘ betonte die Kanzlerin sogar: „Ich persönlich möchte die steuerliche Privilegierung der Ehe beim Splitting-Tarif erhalten.“ Dr. Sissy Kraus, Vorständin des CSD Berlin meint dazu: „Da weder Wahlversprechen noch Koalitionsvereinbarungen einklagbar sind, ist es Aufgabe des Hauptstadt-CSD

Kathoey, Ladyboy, Shemale und KaehIch habe längere Zeit in Südostasien gelebt und gearbeitet. Deshalb hier mal ein kurzer Vergleich aus meiner eigenen Erfahrung: In Thailand gehören Schwule und Transsexuelle zu einer über 1.000 Jahre alten Tradition. Die Kathoey z. B. sind eine sehr interessante Menschengruppe. Kathoey (auch Katoey oder Katoy) ist die thailändische Bezeichnung für eine Transfrau, also ein Mann-zu-Frau-Transgender oder Transsexuelle; oder auch für einen homosexuel-len Mann. Die englische Bezeichnung lautet oft auch ladyman, ladyboy oder shemale. Homosexuelle als solche werden umgangssprachlich Kaeh genannt, abgeleitet vom englischen gay.

Meagparty und wichtigste Demonstration des JahresZum Schluss sprachen wir noch über die große CSD-Parade in Berlin: Sie wird wieder eine Mega-Straßenparty werden, aber gleichzeitig auch die wichtigste Demonstration des Jahres für Toleranz

für LSBTI-Belange engagieren, dazu gehören etwa Gewerkschaften, Behörden, Parteien, Botschaften, Kulturvereine und –betriebe, AIDS-Hilfen etc. Außerdem zählen zur Community auch die schwulles-bischentransinter Gruppen von Unternehmen wie etwa die Lesben und Schwulen der BVG, Rainbow Group der Deutschen Bank, Ford GLOBE oder ähnliche Diversity-Gruppen von Unternehmen. In diesen Fällen müssen sie dem Berliner CSD e.V. nachweisen, dass eine aktive Diversity-Politik für LSBTI-Menschen betrieben wird. In allen Fällen darf zur Finanzierung der Fahrzeuge Werbung von Sponsoren bis zu maxi-mal 30 Prozent der Wagenfläche angebracht werden. Viele wichtige Punkte, wie ich finde. Doch nur so kann man wahrscheinlich einer kommerziellen Ausbeutung der Parade vorbeugen. Übrigens: Auch in vielen anderen europäischen Städten finden gleichzeitig viele Veranstaltungen zum Christopher Street Day statt. n

Mehr zum CSD und den Veranstaltung drumherum auf den folgenden Seiten!

sicherzustellen, dass die leider immer noch sehr reale Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Transmen-schen, Bi- und Intersexuellen endlich abgebaut wird.“ Robert Kastl, Geschäftsführer des CSD Berlin kündigte an: „Wir lassen uns nicht mit leeren Versprechungen und Sonntagsreden abspeisen! Der CSD Berlin 2013 wird bunter, frecher, vielfältiger und vor allem noch politischer!“ Im Klartext heißt das: 2013 wird für Lesben, Schwule, Bi-, Trans-, und Intersexuelle ein wichtiges Jahr: Im Juni demonstrieren, im September wählen und dauerhaft die Gesellschaft verändern! Ich erfuhr also, dass die Community sauer darüber ist, dass ihnen die deutsche Regierungspolitik ein solch wichtiges Recht nicht zugestehen will. Nicht zuletzt führte die Haltung der CDU auch dazu, dass sie von der Parade in Berlin ausgeschlossen wurde. Alle anderen Parteien sind natürlich wie immer mit eigenem Wagen oder Fußgängergruppen dabei.

von Schwulen und Lesben. In diesem Jahr gibt es dazu einige Neuerungen, wie mir berichtet wurde: Der Berliner CSD e.V. setzt seine Strategie der wei-teren Politisierung und inhaltlichen Stärkung aller CSD Veranstaltungen konsequent fort. Dazu wurden auch die Teilnahmebedingungen der CSD Parade überarbeitet. In Zukunft werden nur noch Fahrzeuge von Gruppen mit unmittelbarem Communitybezug zugelassen. Dazu zählen einerseits alle klassischen Gruppen, Organisationen, Vereine, Projekte der les-bischschwulbitransinter (LSBTI) Community wie etwa LSVD, Schwulen- oder Lesbenberatung, Völklinger Kreis, Wirtschaftsweiber, Lambda, schwullesbische Sportvereine, private schwullesbischetransinter Initiativen, Szenelokale und –clubs, schwullesbische Medien etc.

Ebenfalls teilnahmeberechtigt sind nicht gewinn-orientierte Mainstream-Organisationen, wenn sie sich innerhalb der Community oder in der Politik

Christopher beim Gespräch mit den CSD-Machern Quelle: Christopher Grohn

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6 Titel

Vielfältig, kreativ, politisch – alle sind willkommen!Offizielles Programm des 35. CSD in BerlinZusammengestellt von Andreas Düllick

Der Countdown läuft zur Gala des Jahres der schwul-lesbisch-trans-inter Commu-nity Berlins. Am Freitag, den 14. Juni, feiern Schwule, Lesben und Freunde ab 19:30 Uhr im Friedrichstadt-Palast die

Fortsetzung des im Sommer 2011 restlos ausver-kauften Grand-Opening zur jährlich stattfindenden Pride Week. Mit Publikumsliebling Inka Bause konnte eine der gefragtesten Moderatorinnen Deutschlands für die zweite Berliner CSD GALA im größten und modernsten Show-Palast Europas verpflichtet werden. Erstmals vergeben die Orga-nisatoren Mitte Juni auch den Zivilcouragepreis an der Friedrichstraße 107.

Die knapp 2.000 Gäste erwartet eine mitreißende „homosexualisierte“ Mischung aus den schönsten Bildern der aktuellen Erfolgs-Produktion ‚SHOW

ME – Glamour is back‘ und eigens für den Abend gestalteten Programmteilen. Sexy, stilvoll und mit Klasse setzen die Organisatoren des Christopher Street Day und der Friedrichstadt-Palast ein Zeichen für Toleranz. Und das im ganz großen Stil auf der größten Theaterbühne der Welt.

Premiere im East End Theaterviertel feiert die Vergabe des Zivilcouragepreises des Berliner CSD, der an Personen und Einrichtungen geht, die sich für die Belange von Minderheiten in besonderem Maße eingesetzt haben – ganz im Sinne einer diskriminie-rungsfreien Gesellschaft.

Drag Queens aus allen Teilen der Republik bilden das große Drag Walk-Finale, gecoachet von Ernest Look. Der in Ghana geborene Catwalk Trainer erarbeitet gemeinsam mit Kreativdirektor Roland Welke für

die Hauptstadtgala eine ausgefallene Bühnen-choreographie. Mitglieder des Ballettensembles ergänzen die ungewöhnliche Palast-Performance an der Spree. Glitzer-Fummel, falsche Wimpern und dramatisches Diven-Gehabe am pinken Tep-pich sowie High Heel-Notstand in den angesagten Läden der Stadt sind vorprogrammiert.

Im Kartenpreis sind Freigetränke bis zum Beginn der Show enthalten. Die Gala dauert ohne Unterbrechung ca. 100 Minuten. Im Anschluss bringen Schwule, Lesben und Freunde die drei Foyer-Ebenen des Friedrichstadt-Palastes bis tief in die Nacht zum Beben. n

Weitere Infos: 8 www.show-palace.eu/de/shows/csd-gala-2013

CSD GALA am 14. Juni 2013 ab 18.30 Uhr im Friedrichstadt-Palast

750.000 Menschen demonstrieren auf der CSD-Parade für ihre RechteFoto: : CSD/Brigitte Dummer

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Transformation / Zwischen Tradition und Moderne – Frühe Gemälde von Jochen Hass 1950 bis 1955 / Update*

– Künstlerische Fotografien – die Ausstellung im Schwulen Museum ab 14. Juni, 14 UhrTransformation meint Wandlung, Erneuerung und Grenzüberschreitung. Im Zentrum der chronologisch angelegten Schau steht das große gesellschaftliche Thema der Geschlechterordnung und der Kämpfe um ihre Veränderung seit 1800. Die Ausstellung mit dem Schwerpunkt Deutschland ist eine assoziative Reise durch die vielen Transformationen, welche die LGBTIQ (LesbianGayBisexualTransIntersexQueer) Communities und ihre Akteur_innen in ihrer Geschichte durchlaufen haben: sie skizziert Lebensentwürfe und Identitäten jenseits der heteronormativen Geschlechterordnung, beleuchtet Siege und Niederlagen, die Kreativität und den Eigensinn der Beteiligten, aber auch ihre schwierigen und manchmal fragwürdigen Kompromisse.

Transformation ist als Interimsausstellung konzipiert und ist bis zur Eröffnung der neuen Dauerausstellung zu sehen. Die meisten Exponate stammen aus dem Sammlungsbestand des Schwulen Museums, ergänzt durch einige Leihgaben. nTickets & Info: 8 www.schwulesmuseum.de

L-TOXIC – Lesbenparty CSD Berlin am 22. Juni 2013 ab 21.00 Uhr in der „Magdalena“

„Girltoxic“, die offizielle Lesbenparty des Berliner CSD, begrüßt 2013 unter dem Titel „L-TOXIC“, denn: gefeiert wird das zehnjährige Jubiläum von L.MAG, dem Magazin für Lesben! Berlins große CSD-Party für Lesben, laut L.MAG alljährlich „DAS lesbische Highlight des Berliner CSD”, zieht jedes Jahr ein buntgemischtes Publikum aus Locals und CSD-Tourist_innen an. Die Location, der Club Magdalena, ist

spannend und schön zum Flirten und Feiern: weitläufige Dancefloors, viel Platz zum Cruisen, separate Raucher-lounge und eine lauschige, lange Terrasse am Spreeu-fer. Freut euch auf eine sexy L.MAG-Geburtstagsparty, ein funtastisches DJ-Line-up, berauschende Visuals und exzes-

sives Feiern. Her zklopfen

und Romantik inklusive.

L-TOXIC/girltoxic wird produziert von

megadyke productions in Kooperation mit dem

Berliner CSD e.V. und unterstützt durch L-BEACH,

GIRLS TOWN, L-TUNES, MERMAIDS, MONDO KLIT ROCK

CLUB und CAFÉ FATAL. n

Eintritt 12 Euro VVK 15, EuroInfo & Tickets:

www.girltoxic.com

CSD Finale am 22. Juni 2013 ab 16.00 Uhr am Brandenburger TorBeim CSD FINALE verköstigen zahlreiche Stände mit Speisen und Getränken aller Art. Ab 16:30 Uhr erwartet die Besucher ein abwechslungsreiches Programm auf der Hauptbühne. Das Bühnenprogramm für die Hauptbühne wird Website www.csd-berlin.de bekanntgegeben. n

Offizielle CSD Closing Party am 22. Juni 2013 ab 23.00 Uhr im „GMF Weekend“Das GMF veranstaltet auch dieses Jahr die offizielle Abschlussparty im Anschluss an die Parade. Punkt 23 Uhr startet das große Finale: Rund 3.000 Gäste werden auf drei Etagen feiern. Eine Raucher-lounge, zwei Dancefloors und die 400 qm große Dachterrasse laden zum Partyerlebnis bis Open End. Musikalisch setzt das GMF auf den Sound der Hauptstadt. Die Resident DJs Chris Bekker, Maringo, Barbie Breakout und Gloria Viagra sind bekannt und begehrt für ihre treibenden Sets und immer ein Tänzchen wert.

Aus aktuellem Anlass sollen an diesem Tag die Gedanken auch Richtung Russland gelenkt werden. 2011/2012 erfolgten in St. Petersburg und inzwi-schen auf kommunaler Ebene Verbotsgesetze, die sogenannte „homosexuelle Propaganda” in der Öffentlichkeit unmöglich machen sollen. In Moskau forderte die orthodoxe Öffentlichkeit das Stadtparlament im Oktober 2012 auf, ein Gesetz zu erarbeiten, das der Gesetzgebung St. Petersburgs entspricht. Diese Initiative wurde von Moskauer Abgeordneten unterstützt. Schwullesbischetransinter Aktivisten reagierten auf die Gesetzesentwürfe. Im Januar 2013 wurden sechs friedlich demonstrierende Aktivisten in einer Provinzhauptstadt von über 500 Menschen

angegriffen. Zwei Tage später gab es öffentliche Akti-onen in Moskau, Sankt Petersburg, A r c h a n g e l s k und Tomsk gegen den Gesetzentwurf, die brutal beendet wurden. Ein weiterer Gesetzentwurf für das ganze Land, der angeblich Kinder und Jugendliche schützen soll, wurde bereits in der Duma vorgelegt. Der CSD Berlin hat deshalb circa 30 Aktivisten aus Russland zum diesjährigen Berliner CSD eingeladen, um ihnen für deren Mut und Durchhaltevermögen zu danken. Das GMF Berlin unterstützt diese Aktion. Der CSD sagt NEIN zur Diskriminierung Homosexueller in Russland. Auf der Parade soll ein Zeichen gesetzt und demonstriert werden für Toleranz, Akzeptanz und Gleichberechtigung. n

Motto: Revolution! Queer durch Russland. Be a Part of it!

Tickets & Info: 8 www.gmf-berlin.de

Mehr Infos: 8 www.csd-berlin.dePressekontakt: Robert Kastl (Geschäftsführer) E-Mail: [email protected]: +49-30-236 286 32Mobil: +49-177-317 09 43

Fotos: Archiv strassenfeger

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8 Titel

Stilikone Marylin Monroe Quelle: Wikipedia

Auffallend verführerischRote Lippen sind ein Symbol für Weiblichkeit, das Sinnbild der Verführung. Im Mai wurde der Lippenstift 130 Jahre alt.

Text Anne Juliane Wirth und Andreas Düllick

Von Greta Gabo bis Marylin MonroeJede Phase hatte ihre Lippenstift-Ikonen. Marlene Dietrichs Mund faszinierte in den 30ern. Die Filmschauspielerin Garbo pinselte

sich ein volles Lippenherz. In den 50er Jahren küsste sich Marilyn Monroe zur Berühmtheit. Ein roter Kussmund elektrisiert die Männerwelt. Viele Frauen würden wohl alles geben für den perfekten Lippenstift.

René Koch erfindet das Berliner LippenstiftmuseumEiner, der sich mit Kussmund und Lippenstift bestens auskennt, ist der Berliner Visagist René Koch. Er hat ein Museum gegründet, das an den Siegeszug des Lippenstifts erinnert. Der Sammler öffnete in der Helmstedter Straße 16 seine einzigartige private Lippenstift-Ausstellung mit Exponaten, Plakaten sowie Rezepturen vom Barock über das 19. Jahrhun-dert sowie die Stummfilm-, Tonfilm- und Farbfilm-Ära über die Nachkriegszeit bis heute. „Als ich vor über 30 Jahren begann, redete ich mir ein, das Sammeln der Lippenstifte, zunächst von meinen prominenten Kundinnen, gehöre eben einfach zu meinem Beruf. Heute weiß ich mehr: Hinter jedem meiner Samm-lerstücke stecken Geschichten, Frauenschicksale,

Verführung, Emanzipation. Deshalb suche ich weiter auf Auktionen, Flohmärkten, Wohnungsauflösungen oder bei Ebay“, schreibt Koch auf der Webseite seines Museums. Und er bittet um Hilfe: „Wenn auch Sie eine Lippenstiftrarität verkaufen oder tauschen möchten, melden Sie sich.“

Hildegard Knef und Evita PeronDen ersten Lippenstift, es war eine lachsfarbener, bekam René Koch von Hildegard Knef. „Da war nicht mehr viel drin“, so der Starvisagist, „sie wollte ihn deshalb wegwerfen“. Koch verhin-derte das und sagte der Knef: „Ich heb ihn auf, irgendwann kommt er in mein Lippenstift-Museum.“ Aus dem Nachlass der südame-rikanischen Ikone Evita Peron hat Koch ein halbes Dutzend Lippenstifte ersteigert. Sie und viele andere Lippenstifte, alte Plakate wie das der Knef für den „Volkslippenstift“ etc. kann man Kochs Ausstellung „Stylo d‘Amour“ bewundern.

Von Japan über das Art Deco bis hin zur DDRDie absoluten Highlights des weltweit wohl einzigartigen Musuems sind u.a. eine Make-up-

„Heute ist alles möglich - von Zartrosa bis Bordeauxrot“ (René Koch)

Ausstattung aus Japan, zu dem eine Dose aus Silber mit Lippenrot, kleine Lippen-pinsel, Puderpinsel mit zwei Seiten für Hell-Dunkel-Effekte mit Farbholzschnitt aus dem Nachlass des populärsten japanischen Künstlers Utagawa Kuni-sada (1786-1865) gehören. Präsentiert

wird aber auch ein schwarzmatt und silberglänzender Art-Deco-Lippenstift aus Messing in Schiebetechnik (ca. 1925). Oder aber der Lippenstift „Rouge Baiser“, der „Rote Kuss“: Er kam aus Frankreich. Apropos Kuss: Er wurde „als kussecht“ beworben. Ganz wunderbar auch der Schminkkoffer

aus der DDR mit Lippenstiften von „Billy“, „Indra“, „Sküs“, „Gerdeen

Color“ usw. (DDR von ca. 1965 bis 1989).

Promistories, Tipps und TricksIn seinen Führungen gibt René Koch gern viele interessante Geschichten und Prominenten-stories zum Besten. Dazu verrät er Tipps und Tricks rund um das verführerische Lippenrot der jeweiligen Saison. Und: Es können

150 Kussabdrücke populärer Diven wie Mireille Mathieu, Bonnie Tyler, Ute Lemper und Hildegard Knef bewundert werden. Moderner Lippenstift

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9Titel

Berliner LippenstiftmuseumHelmstedter Str. 16, 10717 BerlinTelefon: 030-854 28 298 www.lippenstiftmuseum.de

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Stilikone Greta Garbo

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Quelle: www.doctormacro.com

René Koch ist Beautycoach, Buchautor, TV-Schönheitsexperte, Visagist, Farbberater, Kosmetologe.

Er wurde 1945 in Heidelberg geboren, absolvierte 1960–1963 eine Lehre als Werbedisplaygestalter, übersiedelte als Lifestyle-Designer nach Berlin. Besuchte dort eine Kosmetikschule und ließ sich zum Kosmetiker und Visagisten ausbilden. Perfekte Hautpflege, typgerechtes Make-up sowie Styling sind seitdem seine Profession. Koch war Chefvisagist bei Yves

Saint Laurent Beauté und Charles of the Ritz, arbeitete in New York, London und Paris. René Koch wurde mehrfach geehrt, z. B. mit dem „Cosmetic Oscar“, der „Goldenen Maske“ und dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Heute berät Koch Stars und Prominente aus Showbiz, Politik und Wirtschaft, aber auch alle Frauen und Männer, die von seiner Erfahrung profitieren möchten. Internationa-les Ansehen genießen seine Camouflage-Methode sowie seine Pflege-, Make-up- und Parfümlinie „Cosmetic de Luxe“.

„Frauen sollten öfter mal eine rote Lippe riskieren, besonders jetzt zum 130. Geburtstag des Lippenstiftes. Absolut in ist leuchtendes Zinnoberrot.“ (René Koch)

Der Lippenstift ist wohl 130 Jahre altSchon vor Tausenden von Jahren malten einfluss-reiche Frauen wie Nofretete oder Kleopatra ihre Lippen rot an. Die Farbe wurde damals noch in kleinen Döschen aufbewahrt und mit dem Finger oder Pinsel aufgetragen. Bei der Weltausstellung in Amsterdam im Mai 1883 wurde die farbige Masse dann erstmals in Stiftform präsentiert. Zur damaligen Zeit war Lippenstift horrend teuer und hauptsächlich im Rotlichtmilieu anzutreffen. Im Jahr 1948 wurde dann in den USA der Dreh-Lippenstift kreiert: Metallhülse verleiht dem Stift fortan Stabilität – so er es letztend-lich auch in die Damen-Handtaschen.

Das meist rote „Ding“ ist noch immer aktuellMit einem Gewicht von etwa fünf Gramm reicht ein Lippenstift für ca. 280 Anwendungen und ist bei guter Lagerung drei bis fünf Jahre haltbar. Inzwischen gibt es unendlich viele Nuancen in Preis-Segmenten zwi-schen 50 Cent und 50 Euro. Fakt ist: Der Lippenstift ist begehrter denn je. Über 80 Prozent aller Frauen benutzen ihn, in allen Kulturen und zu jeder Zeit. n

Info und Quellen:

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Schwulsein in BerlinVom Straftatbestand zur NormalitätText Andreas Peters

Berlin sieht sich gerne als Metropole, die für Modernität, Vielfalt und Toleranz steht. Das macht Berlin nach wie vor auch für viele Homosexuelle anziehend. Viele haben hier ihre selbst gewählte Heimat gefunden. Das

war vor 80 Jahren nicht anders, als die Nationalso-zialisten die Macht übernahmen. Mit der Folge, dass viele bekannte Persönlichkeiten, meist jüdischer Herkunft, schwul oder nicht, um ihr Leben fürchte-ten. Das Berliner Themenjahr 2013 unter dem Titel „Zerstörte Vielfalt“ erinnert mit unterschiedlichen Veranstaltungen und Ausstellungen daran.

Schwules Museum informiertBeispiele dazu bietet das Schwule Museum in der Lützowstraße 73. Gerade aus ihrem angestammten Haus am Mehringdamm ausgezogen, erwarten den interessierten Besucher auf einer großzügig und hell gestalteten Ausstellungsfl äche umfangreiches Foto- und Bildmaterial zur Geschichte des Schwulseins. Wer das Gesehene vertiefen und hinterfragen möchte, hat in der gut sortierten Bibliothek im ersten Obergeschoss ausreichend Gelegenheit. Das Museum trägt auf diese Weise dazu bei das allge-mein unzureichende (Geschichts-)Bewusstsein zur Homosexualität in unserer Gesellschaft zu erweitern. Klaus Wowereit wies anlässlich des Beginns der „Pride Week“ beim Hissen der Regenbogenfahne am U-Bahnhof Nollendorfplatz darauf hin, dass „die Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen, aber auch Transsexueller, nach wie vor nicht erreicht ist. Dieser gesellschaftliche Prozess muss mit Geduld und Durchhaltevermögen weiter betrieben werden.“

Homosexualität und der Paragraf 175Der Blick auf die Geschichte der Homosexualität und ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz erklärt, warum. Homosexualität hat es nachgewiesenermaßen in fast allen historischen und gegenwärtigen Kulturen gegeben. In der abendländischen Kultur hingegen wurde die Homosexualität, besonders unter dem Einfl uss des Christentums, wenig toleriert. Männ-liche Homosexualität wurde, im Gegensatz zu der weiblichen, lange strafrechtlich verfolgt. Dies hing unter anderem mit der Einführung des Paragrafens 175 in das deutsche Reichsstrafgesetz im Jahr 1871 zusammen. Im Nationalsozialismus waren Schwule gar dem Programm „Vernichtung durch Arbeit“ (in Konzentrationslagern) zugeordnet. Noch in den Jahren 1950 bis 1965 wurden viele Tausende Männer nach der nationalsozialistischen Fassung des Paragrafens 175 verurteilt. Erst 1969 wurde der Paragraf 175 reformiert. Die DDR strich 1989 den entsprechenden Paragrafen 151 in ihrer Strafgesetz-gebung, woraufhin der Wiedervereinigung und im Zuge der Rechtsangleichung Ende 1990 der Paragraf 175 aufgehoben wurde.

Coming-out ist oft schwierigDas alles ist nicht einfach nachzuvollziehen, wenn man weiß, dass sich prinzipiell die homosexuelle nicht von der heterosexuellen Liebe unterscheidet. Treue, Eifersucht, Verlustsängste, Liebes- und Leidensfähigkeit, Partnerbezug sind nahezu iden-tisch. Lediglich in einer, politisch allerdings sehr

folgenreichen Hinsicht weicht eine homosexuelle Verbindung von einer „normalen“ ab, in der Fähigkeit, durch Sexualität neues Leben zu produzieren. Diese Tatsache hat bis heute für die politische und soziale Bewertung der Homosexualität eine entscheidende Bedeutung.

Selbst im persönlichen Umfeld fehlt es Homosexuellen oft an Rückhalt. Viele fühlen sich zu einem Splitting des sozialen und sexuellen Lebens gezwungen, ob nun ohne oder gerade mit dem „Coming-out“. In diesem Zusammenhang ist auch die Bildung einer schwulen Subkultur zu verstehen. Jede Minderheit sucht schließlich Plätze, wo sie sich trifft und unter ihresgleichen ist. In Berlin ist gerade diese Vielfalt an Angeboten beispielhaft.

Auf zum Christopher Street Day!Die erste schwule Bürgerrechtsbewegung wurde übrigens 1897 unter der Führung von Magnus Hirschfeld, einem Arzt und Sexualforscher ins Leben gerufen. Daran will dieser Tage das „Bündnis gegen Homophobie“ auf über 1.000 Citylight-Plakatfl ächen erinnern, verbunden mit dem Wunsch ein Denkmal für diese erste homosexuelle Emanzipationsbewegung zu errichten. Und zwar trotz, oder eben gerade wegen des bereits vorhandenen Denkmals für ver-folgte Homosexuelle in Berlin. Den Anspruch, eine moderne, vielfältige und tolerante Metropole zu sein, kann Berlin am 22. Juni einlösen, wenn die Stadt die schwule Community zum Christopher Street Day einlädt. n

Foto: Andreas P.Inside „Schwules Museum“

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Schwules MuseumLützowstr. 7310785 Berlin

8 www.schwulesmuseum.de Öffnungszeiten: Mi. – Mo. 14-18 Uhr, Sa. 14-19 Uhr, Di. geschlossenPreise: regulär 6€, ermäßigt 4€

Berlin ist schwul – und das ist auch

gut so!Das Schwule Museum ist umgezogen und lädt nun wieder dazu ein, über den Tellerrand der

eigenen Sexualität zu schauenText Marcel Nakoinz

Am 17. Mai diesen Jahres, dem Tag gegen Homophobie und Transphobie, eröffnete das Schwule Museum Berlin seine Pforten am neuen Standort in der Lüdowstraße 73 in Berlin-Tiergarten. In

den Räumlichkeiten einer ehemaligen Druckerei fi nden sich nun auf einer Gesamtfl äche von 1600 qm vier Ausstellungsräume, eine Präsenzbibliothek und der umfangreiche Archivbestand des Museums. „Im Zuge der Neueröffnung möchten wir uns nicht nur in Sachen Ausstellungsfl äche vergrößern, sondern auch thematisch erweitern“, sagt Naomi Gramlich, die mich durch die Örtlichkeiten führt. War die alte Dauerausstellung noch thematisch auf die vor allem männliche Homosexualität fokussiert, so möchte man nun im neuen Haus des 1985 gegründeten Museums verstärkt über die Vielfalt sexueller Identitäten und Geschlechtskonzepte informieren.

Alles LGBTIQ – oder was?Besonderen Ausdruck fi ndet dieser Wunsch in der neuen Interimsausstellung „Transformation“, die die bisherige Dauerausstellung des Hauses bis Ende 2014 ablöst, während diese konzeptionell überarbeitet wird. In ihrem Zentrum steht das große gesell-schaftliche Thema der Geschlechterordnung und der Kämpfe um ihre Veränderung seit 1800. „Eine große Debatte in der Szene dreht sich ja vor allem darum, dass Geschlechterrollen gesellschaftlich vorbestimmt werden und sich nicht jeder in diese Schubladen zwängen lassen will. Diese Aspekte des Spielens mit den Geschlechterrollen, zum Beispiel durch Cross-Dressing aber auch das Thema Transgender und Ähnliches haben wir nun in unsere Ausstellung mit aufgenommen“, so Gramlich. Schwerpunkt der

Schau ist ein chronologischer Überblick über die Transformationen, welche die deutschen LSBTIQ- (Lesbisch/Schwul/Bisexuell/Trans/Intersex/Queer) Communitys durchlaufen haben.

Begleitet wird die Dauerausstellung derzeit von zwei weiteren Sonderausstellungen. In „Transformation – künstlerische Fotografi en“ wird der Wandel des Museums selbst während des Umzugs aus Kreuzberg thematisiert. Die künstlerische Dokumentation zeigt Arbeiten von der New Yorker Künstlerin Johanna Jäger, dem Berliner Architekturfotografen Tobias Wille und dem Berliner Kunstunternehmen Benten Clay. Die dritte Ausstellung „Zwischen Tradition und Moderne – Frühe Gemälde von Jochen Hass“ zeigt die frühen Arbeiten des bildenden Künstlers Hass (1917-2000), der wie kaum ein anderer Künstler seiner Generation das Schwulsein zum Thema seiner Kunst machte.

Weltweit einzigartigDas vom „Verein der Freundinnen und Freunde des Schwulen Museums in Berlin e.V.“ getragene und seit 2010 vom Kultursenat der Stadt Berlin institutionell geförderte Museum, ist mit seinen international viel beachteten Ausstellungen (die teilweise unter der Schirmherrschaft des regierenden Bürgermei-sters Klaus Wowereit stehen), Archivbeständen, Forschungsbeiträgen und nicht zuletzt dank seiner

mehr als 35 ehrenamtlichen Mitarbeiter weltweit eine der größten und bedeutendsten Institutionen für die Archivierung, Erforschung und Vermittlung der Geschichte und Kultur der LSBTIQ-Szene.

Glücklicherweise ist das Haus nur selten Anlaufpunkt für diskriminierende Meinungen und Schwulenfeind-lichkeit. „Natürlich waren auch bei der Neueröffnung wieder einige Leute, die es nicht lassen konnten ihre herabsetzenden Äußerungen vom Stapel zu lassen, aber im Allgemeinen zeigen sich die Menschen hier sehr liberal und interessiert“, so Gramlich. Berlin outet sich damit also durchaus als offene und tole-rante Metropole. Berlin ist schwul – und das ist auch gut so. n

Info:

Foto: Marcel NakoinzBlick in die Ausstellung

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Inter*Intergeschlechtliche Personen sind Menschen, die genetisch (aufgrund ihrer Geschlechtschromosomen) und/oder anatomisch (aufgrund ihrer Geschlechtsorgane) und hormonell (aufgrund des Mengenverhältnisses der Geschlechtshormone) nicht eindeutig den Normen, die von der Medizin für das weibliche oder männliche Geschlecht festgelegt wurden, entsprechen.

Text Dan Christian Ghattas

Körper, die diese Norm nicht erfüllen, gelten aus der gängigen medizinischen Perspektive als ‚untypisch‘ oder ‚gestört‘. Unter dieser Prämisse werden bis heute angeblich falsch ausgebildete Genitale

bereits im Kleinkindalter beziehungsweise kurz nach der Geburt operativ ‚korrigiert‘ und/oder zu einem späteren Zeitpunkt im Leben der betroffenen Person zusätzlich per Hormongabe verändert. Anlass für die operative und hormonelle ‚Nachbesserung‘ ist dabei nicht eine medizinische Notwendigkeit für Leib und Leben, sondern die Annahme, man müsse den intergeschlechtlichen Menschen schnellstmöglich anpassen, damit er sich dann umso einfacher in seine soziale Rolle als Mann oder Frau finden könne. Dass medizinische Eingriffe, in die ein Mensch selbst nicht eingewilligt hat, die körperliche Integrität dieses Menschen, seine Sexualität und auch seine Fähigkeit zur Selbstliebe massiv untergraben können, dass diese Eingriffe Langzeitfolgen haben und meist weitere Eingriffe erfordern, um den hergestellten Zustand künstlich zu bewahren, wird bislang immer noch unter den Tisch gekehrt – obwohl erwachsene intergeschlechtliche Menschen, die als Kinder und Jugendliche medizinischen Eingriffen ausgesetzt waren, dies immer wieder zur Sprache bringen.

Erschwert wird die Situation intergeschlechtlicher Menschen weltweit auch durch bürokratische Forde-rungen: Nach der Geburt eines Kindes muss in vielen Ländern der Welt innerhalb von bis zu maximal vier Wochen nach der Geburt das Geschlecht des Kindes offiziell eingetragen werden. Es stehen für den Eintrag in die Geburtsurkunde stets nur die beiden Geschlechter weiblich/männlich zur Auswahl. Für intergeschlechtliche Kinder gibt es in einigen Län-dern Sonderregelungen, die diese Frist verlängern, aber die Regelung nicht aussetzen.

Auch Deutschland kannte bis zum 31.1.2013 nur den Geschlechtseintrag männlich oder weiblich in allen offiziellen Dokumenten. Die Eintragungsfrist betrug (und beträgt auch heute noch) eine Woche. Bei intergeschlechtlichen Kindern konnte seit 2009 gemäß der Personenstandsverordnung (PStV §7) der Geschlechtseintrag grundsätzlich so lange offen gelassen werden, bis das Geschlecht geklärt war. Allerdings wurde so lange auch keine Geburtsurkunde ausgestellt – also unter Umständen viele Jahre, wenn

die Eltern solange warten wollten, bis ihr Kind sich selbst äußern konnte.

Stattdessen erhielten Eltern eine Bescheinigung über den Eintrag der gemeldeten Geburt; eine solche Bescheinigung ist allerdings nicht ausreichend, um Rechtsgeschäfte für das Kind zu vollziehen. Zwingend erforderlich ist die Geburtsurkunde unter anderem für die Beantragung des Krankenversicherungsschut-zes, des Mutterschafts- und Elterngeldes oder die gesonderte Anerkennung der Vaterschaft, für die Anmeldungen zu Kitas, den Abschluss einer Lebens- oder auch privaten Krankenversicherung usw.

Am 31.1.2013 hat der Deutsche Bundestag ein neues Gesetz zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften verabschiedet, das im Hinblick auf inter-geschlechtliche Menschen einen neuen Abschnitt enthält: „(3) Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen.“ Dies klingt wie

ein Fortschritt, verschärft aber ganz im Gegenteil die Situation der Eltern und Kinder. 1

Denn während bislang der Nicht-Eintrag des Geschlechts potenziell unbegrenzt möglich war, bedeutet diese Änderung des Personenstandsge-setzes juristisch kein ‚kann‘ mehr, sondern ein ‚muss‘. Für Eltern bedeutet dies, dass sie nun unmittelbar nach der Geburt eine Geburtsurkunde in den Händen halten; es bedeutet aber zugleich, dass die Inter-geschlechtlichkeit des Kindes überall offen gelegt wird, da nur bei intergeschlechtlichen Menschen kein Geschlechtseintrag erfolgt.

Alle menschenrechtsorientierten deutschen Inter*-Organisationen weisen auf darauf hin, dass die Gefahr wächst, dass „(potentielle) Eltern und Ärzt_innen ein ‚uneindeutiges‘ Kind um jeden Preis vermeiden möchten (durch Abtreibung, pränatale ‚Behandlung‘ oder sogenannte vereindeutigende chirurgische und/oder hormonelle Eingriffe)“.2 Eine echte Ver-besserung der bestehenden Situation wäre hingegen

Inter*-Aktivisten aus aller Welt kamen im November 2012 zum Zweiten Internationalen Intersex Forum ins winterliche Stockholm.

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Dan Christian Ghattas: Vor-Studie zur Lebenssituation von Inter* Personen im Globalen Süden und Osten. Im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung (in Vorbereitung);

Inter. Berlin: Nono Verlag, erscheint im Juli 2013, ISBN 978-3-942471-03-9

gewesen, wenn für alle Kinder, nicht nur für interge-schlechtliche, bis zu einem einheitlich festgesetzten, entscheidungsfähigen Alter der Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde offen gelassen würde.3 n

Quellen:

„erminia: Zehn Rückblenden“„Ich habe nie über mich gesprochen und tue es immer noch nicht. Weder von der Vergangenheit noch von der Gegenwart. Auch nicht zuhause. Meine Eltern haben mit mir nie offen über das Thema geredet. Wir reden viel, aber wir reden über andere Aspekte meines Lebens. Ich kann meine Familie nicht als verschlossen bezeichnen und trotzdem schaffe ich es nicht, von ihnen zu verlangen, dass sie sich offen und ehrlich damit auseinandersetzen. Ich bin mit dem nicht greif-baren aber sehr präsenten Gefühl aufgewachsen, ihre Gefühle mit meiner bloßen Anwesenheit zu verletzen. Das Nichtreden meiner Eltern hat sich immer zwischen anderen Gesprächen versteckt. Meine Eltern schweigen nicht, aber sie reden auch nicht. Ich habe den Eindruck, dass Schwei-gen die Verlegenheit über ihre Unfähigkeit, sich mit meinem Körper auseinanderzusetzen, nur offenlegen würde: Der entscheidende Aspekt ist für sie die Unfruchtbarkeit. Ich weiß bis heute nicht, ob sie es vor mir wussten, auch wenn ich es mir vorstellen kann.

Mit neunzehn kam ich in eine Klinik, die ein Zen-trum für sogenannte ‚Störungen der Geschlechts-differenzierung‘ hatte. […] Ich hatte das Gefühl, in einem Paralleluniversum zu leben. Da gab es einmal die Welt, die ich kannte, draußen, in der ich nur sein konnte, wenn ich mir selbst und den anderen etwas vormachte. Und da war noch diese geheime Welt, über die man nicht reden durfte:

Drinnen, bewohnt von Ärzt_innen, die mich aufschnitten, um mich anderen, zukünftigen Ärzt_innen vorzuführen. Ich hatte keine Stimme und doch war ich der Mittelpunkt der Diskussion. Als ich meinen Körper und seine Reaktionen nicht mehr als etwas, was mir gehörte, empfand, brauchte ich meinen Kopf um auszuführen, was mir gesagt wurde. Um Informationen und Befehle aufzunehmen und auszuführen: ‚Komm weiter nach vorne‘, ‚Dreh den Kopf‘, ‚Atme tief durch‘, ‚Ruhig so‘, ‚Danke, du kannst dich wieder anziehen.‘ Einige Tage nach meiner ‚Diagnose‘ nahm mich meine Mutter zur Seite und sagte: ‚Viele Frauen können aus unterschiedlichen Gründen keine Kinder bekommen. Du weißt es schon und hast Zeit dich an den Gedanken zu gewöhnen.‘ Kein Wort darüber, dass meine Privatsphäre in ihrem Innersten verletzt wurde, dass sie mit einer Mini-Kamera in meinen Bauch eingedrungen sind und Aufnahmen gemacht haben, dass ich gemessen und analysiert wurde wie eine Labormaus. ‚Und sag bitte nichts zu deiner Schwester. Sie ist noch klein und muss es nicht wissen.‘ ‚Was wissen?‘, fragte ich mutig, in der Hoffnung sie würde es sagen. ‚Du weißt schon was ... diese Sache wegen der du keine Kinder haben kannst.‘ Sie stand auf und ging zurück in die Küche.“

Auszug aus: erminia: Zehn Rückblenden, aus dem Sammelband Inter. Berlin: Nono Verlag, erscheint im Juli 2013, ISBN 978-3-942471-03-9

Fußnoten1) Personenstandsrechts-Änderungsgesetz – PStRÄndG, Gesetzesentwurf http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/104/1710489.pdf (Zugriff: 31.5.2013) mit Änderungen nach Drucksache 17/12058, S. 4 der elek-tronischen Vorabfassung, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/121/1712192.pdf (Zugriff: 31.05.2013)

2) Vgl. u.a. Presseerklärung OII Deutschland „Mogel-packung für Inter* – offener Geschlechtseintrag keine Option“ vom 7.2.2013 (Zugriff: 31.5.2013); vgl. a. Statement Intersexuelle Menschen e.V. im Weser Kurier, „Zwischen den Geschlechtern“, 5.2.13, S. 2 3) Vgl. Presseerklärung OII Deutschland „Mogelpackung für Inter*, offener Geschlechtseintrag keine Option“ vom 7.2.2013, vgl. http://www.intersexualite.de (Zugriff: 31.5.2013).

INTER* ist ein Begriff, der sich aus der Community entwickelt hat, und der als ein emanzipatorischer und identitärer Überbegriff die Vielfalt intergeschlechtlicher Realitäten und Körperlichkeiten bezeichnet.

Auch der Deutsche Ethikrat beschäftigte sich mit der Situation von Inter* (das Foto zeigt die Anhörung in 2011) und veröffentlichte hierzu 2012 seine Stellungnahme.

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Publikation der Europäischen Kommission und der Generaldi-rektion Justiz zur Situation von Trans- und Intergeschlecht-lichen Menschen in Europa. Die Autoren: Silvan Agius und Christa Tobler

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„Mutig ist nicht das richtige Wort“Lana* hat Brüste, trägt Make-up und Frauenkleidung. Nur ihr Pass verrät noch immer die alte Identität: Männlich. Zurzeit wartet die 28-Jährige auf die geschlechtsangleichende Operation.

Text Anne Juliane Wirth*Name von Redaktion geändert

Lana läuft den Kurfürstendamm entlang, dem Feierabend entgegen. Wir sind verabredet. Ihre Absätze klackern leise. Schuhe, Mantel und die dunkelgraue Stoffhose wird sie schon bald gegen einen bequemen Freizeitlook

eintauschen. Als sie schließlich im Café einen freien Platz findet, fallen ihr die langen Haare locker ins Gesicht. „Kaffee und ein Stück Himbeertorte, bitte“, sagt sie zu der Kellnerin. Die Stimme ist tief und will nicht so recht zu ihrer Erscheinung passen. „Meine Stimme verrät mich. Andere Menschen sind dann oft irritiert“, sagt sie.

Die 28-Jährige wurde als Junge geboren. „Ich wuchs im falschen Körper auf. Viel zu lange lebte ich die falsche Männlichkeit. Jetzt als Frau fühle ich mich wohler“, stellt sie fest. Den alten Vornamen hat sie längst abgelegt. Lanas Weg zur Frau war allerdings nicht leicht.

Die Kleider der Mutter anprobiertWie viele „Transmenschen“ in Deutschland leben, ist schwer zu sagen. Die Schätzungen variieren stark, da es keine belastbaren statistischen Erhebungen gibt. Die Zahl der „Transmenschen“ kann demnach zwischen 7.000 und 100.000 Personen liegen – so das … . Betroffene haben das sichere Gefühl, im

„falschen Körper gefangen“ zu sein. Das macht sich oft schon in der Kindheit und im Jugendalter bemerkbar. Lana erinnert sich: „Mit zwölf Jahren bin ich zum Kleiderschrank meiner Mutter gegangen und habe ihre Klamotten anprobiert – eben der Klassiker.“ Bei einem Mal blieb es nicht. Dem Jungen gefiel das Aufhübschen, nur so fühlte er sich wohl.

Kein Alphatier mehr seinEr wusste, dass mit ihm irgendetwas nicht stimmte. „Ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen und dachte, ich sei krank und pervers. Damals gab es noch kein Internet, mit dessen Hilfe ich mich über Tran-sidentität hätte informieren können.“ Die heutige Jugend hätte es da wesentlich einfacher.

Später zog er für das Studium nach Dresden – ein Glücksfall. Das neue Umfeld eröffnete viele Möglich-keiten: „In meiner ersten eigenen Wohnung konnte ich mich ausleben, konnte Frauenklamotten und

Make-up tragen und musste nicht mehr das Alphatier sein. Das tat gut.“

„Mehr als blöd gucken tun die Leute nicht“Schließlich begab er sich in die Gesprächstherapie. „Die anderthalb Jahre mit dem Therapeuten brachten mir die Klarheit, dass das keine Phase und auch kein Fetisch war“, schildert Lana. „Ein Leben als Mann weiterzuführen – das wäre die größere Qual gewesen. Weiblich fühlte ich mich gut. Die anderen waren mir egal. Mehr als blöd gucken tun die Leute nicht.“Mit 26 Jahren begann Lara, Hormone zu schlucken. Seitdem durchlebe sie eine „zweite Pubertät“, erzählt sie. Die Tabletten, die sie ihr ganzes Leben lang einnehmen muss, hätten schnell Wirkung gezeigt. So seien die Haare an den Beinen weniger und heller geworden. Auch der Bart wachse nicht mehr so schnell. Unter der Bluse zeichnen sich Brüste ab.

„Viele Arbeitgeber reagieren überfordert“In Briefen wird Lana noch immer mit „Herr“ angere-det, in ihrem Pass steht noch der alte Name. Wie viele andere „Transmenschen“ auch, hat sie Schwierig-keiten, ihren beruflichen Werdegang mit Dokumenten zu belegen, die ihrer gelebten Geschlechtsidentität entsprechen. Ihr Vorname und gelebtes Geschlecht stimmen nicht mit dem im Lebenslauf ausgewiesenen überein. Das erschwert die Jobsuche. „Viele Arbeit-geber reagieren überfordert“, nickt sie.

Es ist spät geworden. Das Café schließt bald. Sollte sich die Kellnerin beim Abkassieren wundern, warum die junge Frau vor ihr eine so tiefe Stimme hat, lässt sie es sich nicht anmerken. Bekannte, die diese Geschichte kennen, nennen Lana „mutig“. „Doch mutig ist nicht das richtige Wort. Denn ich hatte ja nur zwei Optionen: Zu mir stehen oder Selbstmord – und zu letzterem war ich zu feige“. n

Auch bei Personen des öffentlichen Lebens werden Transbiografien sichtbarer, wie hier beispielsweise bei den Wachowski-Geschwistern (Regisseure der Filme „Matrix“ und „Cloud Atlas“, rechts: Lana Wachowski)

Foto: Anna Hanks / wikimedia

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Sexualität: Viel zu oft geprägt von Peinlichkeiten und TabusWie unsere Gesellschaft mit Sexualität umgeht Text Detlef Flister

Sexualität ist ein wesentlicher Bestandteil der Natur zur Erhaltung des Lebens. Ohne Sexualität würden einige uns bekannte Arten aussterben. Beim Menschen gibt es selbstredend Besonderheiten, was den

Umgang mit der Sexualität angeht. Hemmungen und Charme im Umgang mit diesem Thema gibt es bei Naturvölkern noch heute nicht. Bei den sogenannten zivilisierten Völkern ist das anders.

Reden über SexualitätWenn Menschen über Sexualität reden, ist häufi g ein merkwürdiges Verhalten zu beobachten: Die Menschen, sind oft peinlich berührt. Das äußert sich in Verlegenheitsgesten, Gelächter, bis hin, dass man vor Scham rot anläuft. Offenbar sind viele Menschen gehemmt, wenn es um dieses Thema geht. Ich erinnere mich noch gut an das folgende Ereignis: In unserer Schule wurde ein 16-jähriges Mädchen schwanger. Wir standen in den Pausen zusammen und tuschelten, kicherten, waren äußerst peinlich berührt. Ich hatte damals während des Gesprächs eine richtige Blockade. Ich sprach stockend und ver-suchte meine Verlegenheit und meine Hemmungen mit irgendwelchen dummen, makaberen Witzen zu überbrücken, damit es auch niemand bemerken würde.

Sexuelle Erlebnisse in der KindheitIch hatte nicht immer solche Hemmungen im Umgang mit dem Thema Sex. Wenn ich mich recht erinnere, gingen meine Schwestern und ich sehr offen mit diesem Thema um, naiv wie Kinder nun einmal sind. Es fi ng damit an, dass wir uns gegenseitig unsere Geschlechtsteile zeigten und uns unheimlich darüber freuten, wie toll die doch sind. Eines Tages fassten wir uns auch gegenseitig an und genossen dies sichtlich. Wir freuten uns über die schönen Gefühle, die diese recht unschuldigen Berührungen erzeugten. Das ging so lange, bis der Vater uns eines Tages erwischte und unsere Mutter rief. Sie schrien uns fürchterlich an und sagten, dass man so etwas nicht tun dürfe, und dass das unanständig sei. Ich wagte zu widerspre-chen und bekam eine Tracht Prügel. Wir mussten ins Bett und bekamen alle zwei Wochen Stubenarrest aufgebrummt.

„Lass‘ das! Das ist unanständig!“Als ich circa vierzehn Jahre alt war, spürte ich irgendwie so etwas wie sexuelle Lust. Es gelang mir nicht, diese zu unterdrücken. Ich spielte an meinem Geschlechtsteil und plötzlich kam ich. Ich genoss das

Gefühl und fand es angenehm, probierte es wieder und wieder aus. Mein Schicksal sollte wieder mein Vater sein. Er bemerkte meine Aktivität eines Tages und fragte mich, was ich da tun würde. Ich erzählte es ihm und berichtete, wie schön angenehm mir das sei. Seine Reaktion war: „Lass‘ das! Das ist unanständig! Dafür bist Du noch nicht alt genug!“ Als er mich ein paar Tage später dabei erwischte, schrie er mich an und schlug mir mehrere Male ins Gesicht. Am näch-sten Tag kam Vater mit ein paar Plastikaugen nach Hause, die er in die Lampe im Kinderzimmer hing. Er teilte mir mit, dass er dank dieser Augen alles sehen könnte, was ich im Bett treiben würde. Und, dass er mir heimleuchten würde, wenn ich weiter so unan-ständig wäre. Ich traute mich bis zu meiner ersten Beziehung nicht mehr, mich selbst zu befriedigen.

Hemmungen und Charme im Umgang mit SexualitätDieser Vorfall und andere Erlebnisse in meiner Jugend haben Hemmungen und Charme bezüglich Sexualität aufgebaut. Der Umgang meines Vaters mit diesem Thema und die daraus folgenden erzieherischen Maßnahmen haben dafür gesorgt, dass ich lange nicht offen mit diesem Thema umgehen konnte. In meinem Kopf hatte sich ein Tabu aufgebaut, das es

mir unmöglich machte, mit Sexualität normal umzu-gehen. Immer, wenn es um Sex ging, entwickelte sich eine Angst in mir. Darunter litten meine ersten Beziehungen mit Mädchen sehr. In Einzelgesprächen mit Psychologen und mit Hilfe von therapeutischen Gruppen gelang es mir mühsam, ein relativ normales Denken und Fühlen dazu zu entwickeln und in spä-teren Beziehungen auch ein normales Sexualleben aufzubauen.

Ein verklemmter Umgang mit Sex führt zu TraumatisierungenSo wie mir geht es sicher sehr vielen Menschen. Sie können kein normales Sexualleben entwickeln, weil in ihrer Erziehung viel zu verklemmt mit dem Thema ‚Sexualität‘ umgegangen wurde und vieles einfach tabuisiert wurde. Ich kenne einen 51-jährigen, der regelrecht traumatisiert ist und immer noch keinen Sex mit Frauen hatte. Fehlende sexuelle Erfahrungen können laut Aussagen von Psychologen zu extremen psychischen Störungen führen. Der offene und enttabuisierte, aber vielleicht durchaus kontrollierte Umgang mit diesem schwierigen Thema muss von Seiten der Eltern gewährleistet sein. Nur so können Kinder ein ungestörtes und offenes Verhältnis zum Thema ‚Sex‘ aufbauen. n

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Foto: Anna Hanks / wikimedia

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Rosas WeltDer schwule Filmemacher Rosa von Praunheim im strassenfeger-Gespräch

R osa von Praunheim wurde am am 25. November 1942 in Riga, Lettland geboren. Er ist wohl mit Abstand der wichtigste und erfolgreichste schwule

Filmregisseur der Welt. Mit seinem Dokumentarfilm „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ (1971) war er der öffent-liche Wegbereiter und einer der Mitbegründer der politischen Schwulen- und Lesbenbewegung in Deutschland. Großes Aufsehen erregte Praunheim als er am 10. Dezember 1991 in der RTL-plus-Sendung

„Explosiv – Der heiße Stuhl“ u. a. den Moderator Alfred Biolek und den Komiker Hape Kerkeling öffentlich als schwul outete. Praunheim war bis 2006 Professur für Filmregie an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Er wohnt in Berlin und lebt in einer festen Beziehung mit seinem Mitarbeiter Oliver Sechting.

Für seine Dokumentation „Die Jungs vom Bahnhof Zoo“, die bei der Berlinale 2011 uraufgeführt wurde, erhielt er 2012 den „Grimme-Preis“. Vom 24. bis 25. November 2012 zeigte der rbb in Zusammenarbeit mit arte zu Praunheims 70. Geburtstag unter dem Titel

„Rosas Welt“ 70 Kurzfilme des Filmemachers. 2013 hat Praunheim auf den 63. Internationalen Film-festspielen Berlin die „Berlinale Kamera“ erhalten. Andreas Düllick sprach für den strassenfeger mit Rosa von Praunheim.

Andreas Düllick: Sie sind gerade schwer beschäftigt. Woran arbeiten sie momentan?Rosa von Praunheim: Ich drehe gerade vier Filme gleichzeitig und bereite einen großen Spielfilm für das nächste Jahr vor, einer davon hat den schönen Titel „Hitler und Jesus eine Liebesgeschichte“.

A. D.: Was waren die schönsten Momente in Ihrem Beruf?R. v. P.: Vielleicht meine Zeiten in New York in den siebziger Jahren, Zeiten des Aufbruchs, der Avantgarde, der verrückten Superstars. Überall in Manhattan gab es wunderbare Künstler, die aus Scheiße Gold machten.

A. D.: Sie gelten als der produktivste schwule Filme-macher der Welt. Erfüllt Sie das mit Stolz oder ist Ihnen das eher schnuppe?R. v. P.: Eher schnuppe, was gehen mich die anderen Leute an, Hauptsache ich bin glücklich, sagte meine Tante Luzi.

A. D.: Was waren die größten Herausforderungen in Ihrer Karriere?R. v. P.: Sicher mein zehnjähriger Kampf um Preven-tion bei HIV und Aids ab Mitte der 90ziger Jahre. Man glaubte mir nicht, dass so viele Menschen sterben werden und tat das mit dummen Argumenten ab. Das Sterben vieler meiner Freunde brachte mich an eine emotionale Grenze. Gott sei Dank ist die Krankheit behandelbar, trotzdem eine schwere Krankheit, an der gerade mein lieber Dichterfreund Mario Wirz gestorben ist.

A. D.: Sicher gab es auch gefühlte Niederlagen, Desaster, Misserfolge?R. v. P.: Natürlich jede Menge, das machte mich menschlicher, dankbarer.

A. D.: Können Sie sich noch an Ihren ersten Film erinnern?R. v. P.: Na klar 1967 drehte ich „Von Rosa von Praunheim“ einen zwölfminütigen Film in Schwarz -Weiß, der dann vom Hessischen Fernsehen gekauft wurde, der Anfang meiner über 40jährigen Karriere.

A. D.: Und im Privatleben, was war da am schönsten, am aufregendsten? Was war weniger schön oder vielleicht sogar ganz schrecklich für Sie?R. v. P.: Ja, da gibt es viel – die erste große Beziehung mit Peter 1969, die 1973 auseinanderging mit vielen Schmerzen – 1977 traf ich Mike in Florida, mit dem ich immer noch zusammenwohne, der mir ein Bruder geworden ist. Und vor fünf Jahren traf ich Oliver, der mir mein Alter versüßt.

A. D.: Haben Sie alles erreicht oder gibt es noch wichtige Ziele als Filmemacher?R. v. P.: Ich habe ständig Ideen und Projekte – möchte Theaterstücke, Romane, große und und kleine Filme

machen, viele Bilder machen, plane schon meinen 75. mit einer großen Ausstellung, und jeden Tag schreibe ich ein Gedicht.

A. D.: Sie waren bzw. sind wohl die herausragende Identifikationsfigur der schwulen Bewegung in Deutschland. Was bedeutet Ihnen das? Ist das Herausforderung oder Last?R. v. P.: Es ist schön, dass meine schwule Arbeit anerkannt wird, aber ich bin es ja nicht alleine, es gibt viele Kämpfer.

Rosa von Praunheim: „Ich bin ein Gedicht“

Rosa von Praunheim

Page 17: SEXY – strassenfeger-Ausgabe 12, 2013

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Rosas WeltDer schwule Filmemacher Rosa von Praunheim im strassenfeger-Gespräch

A. D.: Worauf sind Sie besonders stolz in Ihrem Leben?R. v. P.: Stolz, nein. Ich freue mich über mein Talent, meine Neugier, die Intensität das Leben zu erleben und jeden lieben zu können, weil jeder anders und aufregend ist.

A. D.: Momentan wird in Deutschland gerade sehr kontrovers über die Homo-Ehe diskutiert. Die CDU/CSU ist nicht gerade begeistert davon. In Frankreich polarisiert das Thema noch mehr. Dort demonstrier-

ten Hunderttausende Menschen gegen diese vom Parlament beschlossene Gleichstellung. Wie sehen Sie diese Debatte? R. v. P.: Ich finde Ehe doof, ganz generell, aber ich bin natürlich dafür, dass Schwule und Lesben gleichberechtigt leben dürfen.

A. D.: Sie haben auf dem Höhepunkt der Aids-Krise Anfang der 90iger Jahre einige schwule Promis geoutet, um sie dazu zu bringen, Verantwortung zu übernehmen. Das hat Ihnen nicht gerade positive

Reaktionen eingebracht. Würden Sie dies heute wieder tun? R. v. P.: Ja, gerne, es juckt mich in den Fingern, die halbe katholische Priesterschaft zu outen. Nein, das müssen jetzt andre machen.

A. D.: Wird man im Alter etwas ruhiger, abgeklärter, zurückhaltender? Oder sind Sie mit 70 Jahren immer noch genauso wild, zornig und provokant wie Anfang der 70iger Jahre?R. v. P.: Ich bin viel milder geworden, ruhiger, aber ich leide schon an dem sehr konservativen gesättigten Zeitgeist.

A. D.: Anlässlich Ihres 70. Geburtstages am 25.11.2012 präsentierten Sie ein Mammutwerk: „Rosas Welt“ sind 70 Filme, die sind in zwei Jahren gedreht. Das Spektrum reicht vom zweiminütigen Film über den Transsexuellen-Strich in der Fro-benstraße bis zum Spielfilm über die New Yorker Performerin Phoebe Legere. Wie kommt man auf so etwas und hat es sich gelohnt? R. v. P.: Das war zuerst nur ein Gag, aber Größenwahn ist gar nicht schlecht, Der rbb fand es gut, die Förde-rungen, arte usw., und ich durfte zwei Jahre intensiv an den 70 Filmen arbeiten, jeden Tag zur Arbeit wie alle anderen auch – eine sehr beglückende Zeit .

A. D.: Wovon träumen Sie im zarten Alter von 70 Jahren noch? R. v. P.: Ein Handleser sagte, ich hätte noch zehn gute Jahre also bis zum 80., bis dahin gibt es tausend Träume.

A. D.: 1971 waren Sie zum ersten Mal in New York und nahmen am Christopher Street Day teil. Sehen wir Sie vielleicht auch auf dem CSD in Berlin in ein paar Tagen?R. v. P.: Ich denke schon, ich stehe immer am Rand und freue mich auf die schamlose Jugend. n

Ralf Koenig und Rosa von Praunheim auf der Papst-Demo

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18 Brennpunkt

Bernd Lucke, Chef der Alternative für Deutschland (2013)

„Deutschland braucht den Euro

nicht.“Ist die „Alternative für Deutschland“ eine

Alternative zu den etablierten Parteien?

Text Andreas Düllick

Bernd Lucke ist Sprecher und Gesicht der neuen Partei „Alternative für Deutsch-land“ (AfD). Seine wichtigste Botschaft ist: „Deutschland braucht den Euro nicht.“ Das ist eine Behauptung bzw. eine For-

derung, die derzeit viele Menschen in Deutschland unterstützen. Angesichts anhaltender Finanzkrisen, milliardenschwerer Hilfspakete für Banken, für heruntergewirtschaftete Konzerne und klamme Mitgliedsstaaten der EU verwundert das nicht. Die Menschen haben Angst, ihr Erspartes zu verlieren, sie haben Angst vor dem sozialen Abstieg. Das kann ihnen niemand verdenken. Zumal weder die Regie-rungskoalition, noch die Opposition anscheinend in der Lage sind, diese Ängste zu zerstreuen. Viele Menschen fragen sich immer häufi ger: „Warum tun die Politiker eigentlich nichts für uns? Warum retten sie Banken, dies ich verspekuliert haben, warum geben sie den Griechen, den Portugiesen, den Spaniern usw. unser Geld?“ Deshalb spukt in den Köpfen immer wieder der Gedanke rum: „Mit der D-Mark würde es uns sicher besser gehen!“

Ist die AfD die Partei des kleinen Mannes?Eine bessere Vorlage könnte es für Lucke, einen eloquenten Professor für Makroökonomie an der Universität Hamburg mit hervorragenden Fachwissen, und dessen AfD gar nicht geben. Lucke kennt sich aus, er weiß genau wovon und worüber er spricht. Am liebsten redet er über die Währungspolitik. Seine Partei fordert „eine geordnete Aufl ösung des Euro-Währungsgebietes. Deutschland braucht den Euro nicht. Anderen Ländern schadet der Euro.“ Das klingt für die einen sehr egoistisch und populistisch. Den anderen spricht er aus der Seele. Besonders, wenn Lucke auf Wahlkampfveranstaltungen Sätze wie „Die Wiedereinführung der DM darf kein Tabu sein“ ausspricht. Oder fordert, „dass die Kosten der sogenannten Rettungspolitik nicht vom Steuerzahler getragen werden.“ Und wenn es im Parteiprogramm ganz klar heißt, „Banken, Hedge-Fonds und private Großanleger sind die Nutznießer dieser Politik. In der Schuldenkrise müssen Banken ihre Verluste selbst tragen oder zu Lasten ihrer privaten Großgläubiger

stabilisiert werden. Wir fordern ein sofortiges Verbot des Ankaufs von Schrottpapieren durch die Europä-ische Zentralbank. Infl ation darf nicht die Ersparnisse der Bürger aufzehren“, dann klingt das so, als wäre der sogenannte kleine Mann die bevorzugte Klientel der „Alternative für Deutschland“.

Kritik kommt vor allem aus der CDUKritik an Lucke und der AfD kommt vor allem aus den Reihen der Wirtschaft und der CDU. Viele ihrer Spitzenpolitiker haben große Angst davor, dass die AfD viele bürgerlich-konservative Stimmen abziehen könnte. Bernd Lucke widersprach dieser Ansicht und verwies gerade in einem Interview mit der FAZ vom 30.05.2013 darauf, dass die Wähler der AfD auch auch von der FDP, von der SPD, sogar von den Piraten kommen würden. Die Wahrnehmung, dass seine Partei nur im bürgerlichen Lager wildern würde, sei defi nitiv falsch. Trotzdem forderten CDU-Fraktionschefs von Hessen, Sachsen und Thüringen die Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einer klareren Abgrenzungsstrategie gegen die AfD auf. Die Kanzlerin vernahm den Weckruf und schickte sogleich CDU-Generalsekretär Gröhe in die Offensive. Gröhe warnte davor, dass bei einem Ausstieg Deutschlands aus dem Euro Hunderttau-sende Arbeitsplätze gefährdet wären. Doch Lücke wäre nicht Lücke, wenn er diesem Argument nichts entgegenzuhalten hätte: „Die Bundesregierung habe mit ihrer Fahrkunst in der Euro-Krise enorme Schäden angerichtet: Rezession und Rekordarbeitslosigkeit in Südeuropa, Überschuldung in der ganzen Eurozone, enorme Zahlungsverpfl ichtungen für die deutschen Steuerzahler“, betonte Lücke im FAZ-Interview.

Bürokratie verringern, Schuldenbremse beachten & Schuldenberge abbauenTrotzdem halten selbst Spitzenleute aus Indus-trieverbänden und Banken nichts von der Kritik der AfD am Euro. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, betonte, kein Land solle aus dem Euro austreten,

denn das hätte enorme Kosten für die gesamte Währungsunion. Bei einem plötzlichen Ausscheiden Deutschlands etwa drohten große Abschreibungen auf das deutsche Auslandvermögen. In der Folge könne die Euro-Zone gar auseinanderbrechen. Das wäre mit Kapitalfl ucht, Bankenstürmen und Staats-bankrotten in Südeuropa verbunden. Solche Kritik perlt von Lücke und dessen gewieften Mitstreitern ab: „Wir bejahen ein Europa souveräner Staaten mit einem gemeinsamen Binnenmarkt“, betonen die AfD-Macher. Andererseits bestehen sie „auf dem uneinge-schränkten Budgetrecht der nationalen Parlamente: Die Gesetzgebungskompetenzen sollten zurück zu den nationalen Parlamenten verlagert werden.“ Und: „Man werde sich für eine Reform der EU stark machen, um die Brüsseler Bürokratie abzubauen und Transparenz und Bürgernähe zu fördern. “

Auch in Deutschland selbst gibt es allerdings laut AfD genügend zu tun. Im Wahlprogramm heißt es: „Wir fordern, die Schuldenbremse zu achten und die Schuldenberge abzubauen. Wir fordern, dass die Haftungsrisiken aus der Euro-Rettungspolitik endlich in der Finanzplanung berücksichtigt werden.“ Außerdem will die Partei das Steuerrecht drastisch vereinfachen.

Gegen Altersarmut – für gute BildungDie Partei möchte sich aber nicht nur auf Euro, Finanzen und Wirtschaft reduzieren lassen. Deshalb hat man ins Wahlprogramm auch sozial- und bil-

BUNDESTAGSWAHL 2013

Die Wahl zum 18. Deutschen Bundestag fi ndet am 22. September 2013 statt. Der strassenfeger interviewt dazu im Vorfeld

in loser Folge die Spitzenkandidaten der Parteien, Gewerkschafter,

Wahlforscher und Bürger.

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Konrad Adam (links), Frauke Petry und Bernd Lucke bei der Verkündung des Wahlergebnisses der Sprecherwahl beim Gründungspar-teitag der Alternative für Deutschland (AfD) am 14. April 2013 in Berlin

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dungspolitische Forderungen aufgenommen. So sei das deutsche Rentensystem „langfristig nicht solide finanziert“. Die Eurokrise gefährde alle Formen der Altersvorsorge durch Überschuldung und minimale Zinsen. Die Höhe der Renten müsse langfristig garan-tiert werden. Die Schulden der Eurokrise dürften nicht zu einer Rente nach Kassenlage führen. Kinder seien stärker bei der Rentenberechnung zu berück-sichtigen. Generell müsse Deutschland kinder- und familienfreundlicher werden. Ferner fordert die AfD bundesweit einheitliche Bildungsstandards, orien-tiert an den besten Schulsystemen Deutschlands. Bildung sei als Kernaufgabe der Familie zu fördern. Frühkindliche Bildungsangebote sollten unabhängig vom Familienhintergrund verfügbar sein.

Welche Zuwanderer braucht Deutschland? Problematisch ist die Haltung der AfD bezüglich der Migration. Man sei aufgrund der demografischen Probleme für eine qualifizierte und integrationswil-lige Zuwanderung. Gleichzeitig müsse aber beachtet werden, dass die Zuwanderer integrationswillig und -fähig sind. Eine ungeordnete Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme muss unbedingt unter-bunden werden. Hier bedient die Partei wieder klar populistische Klischees. Eher progressiv die Haltung zu Asylsuchenden: „Ernsthaft politisch Verfolgte müssen in Deutschland Asyl finden können. Zu einer menschenwürdigen Behandlung gehört auch, dass Asylbewerber hier arbeiten können.“ Man muss sich allerdings fragen, was hier der Begriff „Ernsthaft“ zu suchen hat.

Schafft die AfD den Sprung in den Bundestag?Wie sieht es mit den Chancen der neuen Partei aus, überhaupt genug Stimmen zu sammeln, um in den nächsten Deutschen Bundestag einzuziehen? Derzeit erhielte die AfD laut der jüngsten Allensbach-Umfrage rund 3,5 Prozent. Aber einer Studie zufolge verfügt die Partei über ein erhebliches Wählerpotenzial. Wie Infratest Dimap im Auftrag der „Welt am Sonntag“ ermittelte, können sich 24 Prozent der Deutschen vorstellen, bei der Bundestagswahl die neue Bewe-gung zu wählen. Zur bayerischen Landtagswahl wird die neue Partei übrigens gar nicht erst antreten: Die Delegierten der bayerischen AfD stimmten auf ihrem Parteitag in Ingolstadt wegen mangelnder Erfolgs-aussichten gegen eine Teilnahme. Ein Misserfolg wäre wohl auch ein schlechtes Signal für die nur eine Woche später stattfindende Bundestagswahl. Zudem hat die Partei ein riesiges Problem: In vielen Landesverbän-den Berlin gibt es Personalquerelen. Und: Die AfD könnte schon an rein technischen Fragen wie ungül-tigen Wahllisten, Geschäftsordnungsanträgen und Verfahrensfragen scheitern. Bernd Lucke dazu: „Wir sind organisatorisch in einer rasanten Aufbauphase: In sechs Wochen haben wir 16 Landesverbände auf die Beine gestellt. Ich finde das eine bemerkenswerte Leistung all der ehrenamtlichen Parteihelfer, die nur bescheidene Mittel zur Verfügung haben.“

Stimmen zur „Alternative für Deutschland“Wo die Partei am Ende landet, das entscheiden die Wähler. Und die müssen sich, wie bei allen anderen Parteien auch, ein eigenes Bild machen. Heribert Prantl schrieb in einem Kommentar für die „Süd-deutsche Zeitung“ über die AfD: „Die Partei, die sich Alternative für Deutschland nennt, ist ihrer Grün-dungsgeschichte nach eine konservative Partei der Großbürger und Professoren für die Kleinbürger – bei der sich die einen um ihr Vermögen und die anderen um ihre Ersparnisse sorgen. Ob das reicht, um in den Bundestag einzuziehen, lässt sich noch nicht sagen. Es reicht, um die Union in Unruhe zu versetzen. Drei Prozent für die AfD können die Bundeskanzlerin die Macht kosten.“

Die Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht riet am 29. April im Nachrichtensender ntv dazu, aufzupassen,

wer bei der AfD anzudocken versucht: „Die AfD vertritt keine Perspektiven eines sozialen Europas oder eines sozialen Deutschlands. Ihre Steuerpolitik läuft eher auf eine beschleunigte Umverteilung nach oben hinaus mit weiteren Steuersenkungen für Reiche. Aber wirklich gefährlich wird es, wenn Rechtspopulisten versuchen sollten, die AfD für ihre Ziele einzuspannen.“

Andreas Kemper warnt in „der Freitag“ vom 20.03.2013 ganz explizit vor der Partei: „Die Alternative für Deutschland ist der Versuch der organisierten Familienunternehmer, die eigenen Interessen parteipolitisch zu vertreten. Die AfD ist damit nicht einfach nur ein neues rechtspopulis-tisches Sammelbecken, sondern repräsentiert eine gefährliche, finanzstarke Macht von Millionären und Milliardären, die von der Ungleichheit der Menschen zutiefst überzeugt sind.“ n

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20 Brennpunkt

Die Ausstellung ist noch bis zum 20. Oktober zu sehen, täglich von 10 bis 20 Uhr. Zur Ausstellung gibt es ein Vortrags- und Filmprogramm. Mehr unter 8 www.topographie.de

Foto der „Angriff“–Redaktion. Es erschien am 1. Juli 1932 in der Ausgabe zum 5–jährigen Bestehen von Goebbels´ Propagandablatt

Blick in die Ausstellung

Im Dienste des NS-RegimesIm Berliner Dokumentationszentrum Topographie des Terrors ist eine Ausstellung zum Thema „Zeitungspresse als NS-Machtinstrument“ zu sehenText Jutta H.

Der Titel des Berliner Themenjahres „Zer-störte Vielfalt“, das mit einer Vielzahl von Veranstaltungen an den Beginn der NS-Diktatur vor 80 Jahren erinnert, beschreibt treffend auch das, was den deutschen Pres-

seorganen ab 1933 wiederfuhr. Hatte es in der Wei-marer Republik noch rund 4.000 Zeitungen gegeben, die ein breites politisches Spektrum abbildeten und in denen gestritten, kritisiert und debattiert wurde, waren in den Jahren nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten nur noch gut 2.000 übrig-geblieben. 1943, zu Kriegszeiten, war die Zahl auf etwa 1.000 dünne Exemplare zusammengeschrumpft.

Berlin war bis 1933 eine bedeutende ZeitungsmetropoleBerlin war bis in die 20er Jahren zu einer bedeu-tenden Zeitungsmetropole herangewachsen. 1933 erschienen in der deutschen Hauptstadt 140 Zeitungen sowie eine Vielzahl an Illustrierten. Rund um die Kreuzberger Kochstraße befanden sich die großen Zeitungsimperien Ullstein und Mosse und weitere große Verlage, zudem unzählige Redaktionen und Nachrichtenbüros, Druckereien und graphische Betriebe. Die Redaktion des 1928 von Joseph Goeb-bels gegründeten „Angriff“ hatte ihren Sitz zeitweise in der Wilhelmstraße 106, auf dem Gelände, auf dem sich heute die „Topographie des Terrors“ befindet.

80 Jahre später ist hier im Dokumentationszentrum eine Ausstellung zu sehen, die die Rolle der Presse im Nationalsozialismus beleuchtet. Der Titel der Ausstellung lautet: „Zwischen den Zeilen? Zeitungs-presse als NS-Machtinstrument“. Das Zentrum des Ausstellungsraums bildet ein großer Redaktionstisch, an dem der Besucher in Faksimiles verschiedener Zei-tungen der damaligen Zeit blättern kann: Einzusehen sind Regionalzeitungen wie die „B.Z. am Mittag“, die überregionale „Frankfurter Zeitung“, aber auch Hetz- und Propagandablätter wie der „Völkische Beobachter“ oder „Der Angriff“.

Unzensiertes Schreiben war ab 1935 nicht mehr möglichEine Vielfalt der Zeitungen gab es aber nur scheinbar. Die Männer um Joseph Goebbels wussten, dass eine allzu deutlich von Parteiinteressen gelenkte Presse dem Regime nicht nützlich sein würde. So durften nach Zerschlagung der oppositionellen Zeitungen einige Zeitungen zunächst weiter existieren, so zum Beispiel die bürgerlich-konservative „Frankfurter Zeitung“. Doch unzensiertes journalistisches Schrei-ben war spätestens ab Sommer 1935 nur noch im Widerstand oder aus dem Ausland möglich, schreibt Kuratorin Judith Prokasky im Ausstellungskatalog. Alle noch existierenden Zeitungen waren jetzt dem NS-System dienlich. „Letztlich war jeder Journalist – unabhängig von seinen subjektiven Motiven und

Ansichten – dem NS-Regime bei seiner Selbstdarstel-lung dienlich“, so Judith Prokasky.

1934 verkündete Adolf Hitler, die Presse sei „ein Erziehungsinstrument, um ein Siebzig-Millionen-Volk in eine einheitliche Weltanschauung zu bringen.“ War es Zeitungslesern damals trotz der einheitlich ideo-logietreuen Linie der Zeitungen dennoch möglich, „zwischen den Zeilen“ zu lesen, gab es Spielräume für eigenes Denken? Danach fragt die Ausstellung. Sie findet prominente Beispiele dafür, dass eigenes Denken, eigene Deutungen möglich waren: Erich Kästners, Friedrich Kellners oder Viktor Klemperers

Aufzeichnungen zeugen davon. Dabei war sich letzterer der Wirkungsmacht von - auch scheinbar harmlosen - Botschaften bewusst: „Worte können sein wie winzige Arsendosen: Sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“ n

Info:

Foto: Jutta H.

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Alexander von Sobeck

Mit Tränengas gegen Ernest-Handtaschen

Dieser öffentliche Selbstmord erschütterte das demokratische Frankreich bis ins Mark: Dominique Venner, Schriftsteller, Heraus-geber, Nationalist und Rechtsintellektueller erschoss sich am 21. Mai vor dem Altar des

Nationalheiligtums, der Kathedrale Notre-Dame de Paris, vor 1.500 anwesenden Gästen und Touristen. In seinem letzten Blogg begründete er diesen Akt als ein Zeichen seiner Ethik des Willens. Er wolle damit Worte mit Taten bekräftigen und die Bewusstlosen im Land aufwecken. Bis dahin agitierte Venner offensiv gegen homosexuelle Lebensgemeinschaften, trat gegen jede weitere Zuwanderung, vor allem aus Nord- und Westafrika ein und warnte zunehmend radikal vor einer Islamisierung Frankreichs und des übrigen Europa. Über die gesellschaftlichen Folgen und die demokratischen Tendenzen unserer westlichen Nachbarn, sprach ich am Tag nach dem Selbstmord mit Alexander von Sobeck, Leiter des ZDF Studios in Paris.

Guido Fahrendholz: Nur wenige Momente nach dem Suizid Venners zollte die Rechtspopulistin und Vorsitzende der Front National, Marine Le Pen per Twitter dessen Handeln hohen Respekt. Welche Aus-wirkungen hat der Selbstmord auf nationalistische Bestrebungen in Frankreich?Alexander von Sobeck: Er ist der Gipfelpunkt einer Diskussion, die seit mehreren Monaten in Frankreich geführt wird und zu teilweise grotesken Bildern führte. Da sind auf der einen Seite die Gegner einer völligen Gleichstellung homosexueller Lebensge-meinschaften, auf der anderen deren Befürworter. Diese Auseinandersetzung wird relativ identisch aus dem bürgerlich-konservativen Lager gegen die vereinigte Linke in Frankreich geführt. Die Menschen sind bei diesem Thema hochgradig emotional und zerstritten. Seit Oktober 2012 kommt es in Wochen-abstand zu Kundgebungen beider Lager. Erst vor drei Wochen erlebte ich eine dieser Demonstrationen mit über einer Million Teilnehmern. Es kamen Tränengas und Schlagstöcke gegen Damen mittleren Alters mit ondulierten Haaren und Ernest-Handtasche zum Einsatz. Das belegt, wie tief gespalten die Gesell-schaft in Frankreich bei diesem Thema ist. Allein der Suizid Venners ist in diesem Zusammenhang eine

Entweihung der Kathedrale Notre-Dame de Paris, eines nationalen Symbols, und hat die Menschen schockiert. Nun macht man sich überall in Frankreich Gedanken über die Deutungshoheit dieser Tat.

Eine neue Homophobie

G. F.: Wie viele Homosexuellen-Ehen wird es in Frankreich geben?A. v. S.: Derzeit spricht man von 1.500-1.800 mög-lichen Ehen. Dabei darf man aber nicht übersehen, dass man in Frankreich bei der Gleichstellung homo-sexueller Lebensgemeinschaften schon deutlich weiter war als beispielsweise in Deutschland. Es gibt die eingetragene Lebensgemeinschaft, besondere Rechte für Pflegesituationen und medizinische Auskünfte innerhalb dieser Lebensgemeinschaften. Tatsächlich ging es in der jetzt geführten Ausei-nandersetzung nur noch um ein paar bescheidene steuerrechtliche Grundlagen, vergleichbar mit dem Ehegatten-Splitting in Deutschland und darüber hinaus um ein gemeinsames Adoptionsrecht. Dies war ein Wahlversprechen der Regierung von Hollande. Und: Es ist ja auch mit deutlicher Mehrheit im Parla-ment verabschiedet worden. Dagegen sind die Leute dann Sturm gelaufen. Was es in dieser Form noch nie im Land gab: Daraus hat sich eine neue Homophobie entwickelt. Jetzt kommt es plötzlich zu Übergriffen, von Verbalattacken bis hin zu schwerer Gewalt gegen bis vor wenigen Monaten als völlig normal erachtetes schwules Leben.

G. F.: Venner war sicherlich kein Pöbelagitator. Wie bedrohlich sind die intelligent agitierenden Natio-nalisten Frankreichs bei einer solchen thematischen Spaltung der Gesellschaft?A. v. S.: Ich glaube, in dieser Radikalität war der Selbstmord tatsächlich ein Einzelfall. Ja, Venner galt in der rechten Szene als eine der intellektuellen Führungsfiguren. Bezüglich seiner Motivation muss man sich wohl auf seinen Abschiedsbrief verlassen. Aber es tauchen auch bereits Gerüchte darüber auf, dass er sehr schwer krank gewesen sein soll. Einige behaupte auch, er hätte einen verwirrten Eindruck gemacht. Unabhängig davon muss jetzt aber unter allen Umständen unterbunden werden, dass eines der beiden Lager Kapital aus diesem Einzelfall schlägt.

G. F.: In Deutschland wird gerade eine offene Diskussion über ein erneutes Verbotsverfahren der NPD geführt. Gibt es in Frankreich ähnliche Bestre-bungen, beispielsweise gegen die Front National? A. v. S.: Nein, denn Marine Le Pen, Vorsitzende der FN agiert hier sehr viel geschickter. Noch greifen die politischen Rezepte der Regierung Hollande für mehr Arbeit und Wirtschaftswachstum überhaupt nicht. Marine Le Pen kann sich entspannt zurücklehnen. Denn je größer die wirtschaftlichen Probleme in Frankreich werden, treibt es ihr die Ängstlichen und Unzufriedenen in die Arme, und sie braucht sie nur noch einzusammeln. Sie agiert komplett im demokratischen Rahmen. Nicht vergleichbar mit einer NPD in Deutschland. n

Hunderttausende demonstrieren in Frankreich gegen

homosexuelle Lebensgemeinschaften

Interview Guido Fahrendholz

Montage: Guido Fahrendholz

Page 22: SEXY – strassenfeger-Ausgabe 12, 2013

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22 Kulturtipps

Fotografie„Die nackte Wahrheit und anderes“

Am Ende des 19. Jahrhunderts ist Aktfotografie allgegenwärtig. Die Ausstellung „Die nackte Wahrheit und anderes“ präsentiert die Vielfalt foto-

grafischer Abbildungen des enthüllten menschlichen Körpers in jenen Jahren. Der fotografische Akt erscheint vor allem als reproduzierbares Medium - auf Postkarten, Zigarettenkarten, Plakaten, Zeitschriften, als Werbeträ-ger, Künstlervorlage, Sportleransporn, Lehrbild und Sammelobjekt. Es geht um Begriffe wie Massenware, der Seh(n)süchte wie bei Erotik und Pornografie, den Körper im Blick der Wissenschaft wie in der Ethnografie, in Bewegungs-studien und der Medizin. Dazu kommt der Kunstkontext mit den Akademien und piktorialistischen Edeldrucken. Das wohl wichtigste Merkmal des Bildes vom nackten Menschen in jenen Jahren ist die untrennbare Verflechtung dieser Gruppen aktfotografischer Produktion und Reproduktion. Der Handel und Austausch von Aktfotografien war europaweit.

Noch bis zum 25. August

Montags geschlossenVon Freitag bis Mittwoch von 10 Uhr bis 18 Uhr – Donnerstags von 10 Uhr bis 20 Uhr

Eintritt: Bitte selbst erkundigen!

Museum für FotografieJebensstraße 210623 Berlin

Info: www.smb.museum/smb/home/index.php

Bildnachweis: © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek

Kinder„Ursel“

In einem furiosen Solo erzählt die Schauspielerin Elisabeth Heckel die Geschichte der sechsjährigen Ursel. Sie steppt und singt und verwandelt die kleinste Bühne des Theaters an der Parkaue in eine Show um Ursel. Ursel möchte im Mittelpunkt stehen und ihrem Bruder Urs die Show stehlen. Alles soll sich nur um sie drehen. Dazu sind ihr alle Mittel recht. Gerade weil ihr Bruder tot ist, kämpft Ursel noch mehr um die Liebe der Eltern. Kay Wuscheks Inszenierung zeigt Guy Krnetas Stück als eine freche und humorvolle Annä-herung an das Thema Tod. Das Stück ist geeignet für Kinder ab sechs Jahren. Im Anschluss an das Stück gibt es ein Gespräch mit dem Publikum.

Am 17. und 18. Juni, um 10 Uhr

Eintritt: Erwachsene zwölf Euro/ ermäßigt: neun EuroKinder bis zwölf Jahre: sieben Euro

Theater an der ParkaueParkaue 2910367 Berlin

Info: www.parkaue.de

Bildnachweis: www.parkaue.de/ Christian Brachwitz

Lesung„Die Puppenspielerin”

Als der Berliner Kommissar Nils Trojan an den Schauplatz eines neuen Mordfalles gerufen wird, ist er zutiefst erschüttert von dem Anblick, der sich ihm bietet: Der Täter hatte eine junge Frau in den Keller gelockt und sie dort auf ungeahnte Weise ermordet - ihr Körper ist erstarrt in einem monströsenSarkophag aus getrocknetem Bauschaum. Trojan stößt bei seiner Recherche auf einen älteren Fall, der verblüffende Parallelen aufweist: Damals konnte die Puppenmacherin Josephin Maurer in letzter Sekunde aus einem Keller befreit werden. Der Angreifer hatte bereits Spuren seiner makabren Handschrift auf ihrem Körper hinterlassen. Doch der als Täter identifizierte Karl Junker gilt inzwischen als tot - kann es sein, dass jemand ihn kopiert? Oder ist er doch noch am Leben, besessen davon, seingrausames Werk fortzusetzen? Oder ist Karl vielleicht doch Junkers Bruder darin verstrickt?

Am 12. Juni, um 20.15 Uhr

Eintritt: zehn Euro/ ermäßigt: 7,50 Euro

Lehmanns Media Hardenbergstraße 5/ Ecke Knesebeck-straße10623 Berlin

Info und Bildnachweis:www.lehmanns.de

Ausstellung„Transformation“

Transformation meint Wandlung, Erneuerung und Grenzüberschrei-tung. Im Zentrum der chronologisch angelegten Schau steht das große

gesellschaftliche Thema der Geschlech-terordnung und der Kämpfe um ihre Veränderung. Die Ausstellung mit dem Schwerpunkt Deutschland ist eine assoziative Reise durch die vielen Trans-formationen, welche die LGBTIQ (Les-bianGayBisexualTransIntersexQueer) Communities und ihre Akteur_innen in ihrer Geschichte durchlaufen haben: Sie skizziert Lebensentwürfe und Identitäten jenseits der heteronorma-tiven Geschlechterordnung, beleuchtet Siege und Niederlagen, die Kreativität und den Eigensinn der Beteiligten, aber auch ihre schwierigen und manchmal fragwürdigen Kompromisse. Trans-formation ist als Interimsausstellung konzipiert und ist bis zur Eröffnung der neuen Dauerausstellung zu sehen. Die meisten Exponate stammen aus dem Sammlungsbestand des Schwulen Museums, ergänzt durch einige Leih-gaben. Am 12. Juni ist die Teilnahme an einer Führung durch die Ausstellung möglich.

Noch bis zum 10. August

Von Sonntag bis Montag von 14 Uhr bis 18 Uhr – Von Mittwoch bis Freitag von 14 Uhr bis 18 Uhr – Dienstags geschlossen

Eintritt: sechs Euro/ermäßigt: vier Euro

Schwules MuseumLützowstraße 7310785 Berlin

Info: www.schwulesmuseum.de Bildnachweis: ©Schwules Museum

Page 23: SEXY – strassenfeger-Ausgabe 12, 2013

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23Kulturtipps

Zusammengestellt von Laura & Andreas

Operette„Frau Luna“

Eine Operette von Heinz Bolten-Bae-ckers mit Musik von Paul Lincke feiert am am 19. Juni 2013 um 19.30 Uhr in

der Volksbühne ihre Premiere. Macht das die „Ber-liner Luft“, oder wie kann man sich das Himmelfahrts-kommando von Regisseur Herbert Fritsch erklären, auf das er seine Mannschaft ein-schwört? Fritsch wird in seiner großen Revue über

den Rausch und einen einzigartigen Trip berichten, der unter anderem auch zu einem Mond führen wird. Liebespaare verlieren und finden sich dabei, Menschen verrenken sich unter dem Einfluss ihrer eigenen Ideen und verreisen schwerelos. Ingo Günther – bekannt als Musiker und Komponist u.a. aus der (S)panischen Fliege und Murmel Murmel – wird mit dem LUNA-Orchester eine neue und sehr eigene Klangwelt der Mondfahrtgeschichte zu Gehör bringen. Herbert Fritsch übernimmt nun zum mittlerweile drit-ten Mal Regie und Bühnenbild an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, und wir alle dürfen schweben.

Weitere Vorstellungen am 21., 22., 27. und 29. Juni bzw. 5. und 6. Juli jeweils um 19.30 Uhr

Karten: 30,- / 25,- / 20,- / 15,- / 10,- Euro // 50 Prozent Ermäßigung möglich

Telefon: 030 – 240 65-777 // E-Mail: [email protected]

Info: www.volksbuehne-berlin.de/praxis/frau_luna/

Festival„Deutsch Russische Festtage“

Drei Tage sorgen bekannte Künstler und Bands aus beiden Nationen auf den

„Deutsch Russischen Festtagen“ für ein

vielfältiges und buntes Programm mit zahlreichen musikalischen Höhepunk-ten. Neben der Gruppe „Karat“ („Über sieben Brücken musst Du gehen“) treten das Kaliningrader Ensemble „Mechta“, „Zabavushka“ aus Omsk, Alexey Koslovsky mit klassischem Operngesang oder die Band „Melnitsa“ aus Moskau auf. Außerdem: Lesungen im Literaturzelt, die „Bücher-Stadt Moskau“, das „Eddie-Rosner Jazzfesti-val“, das Jugendfestival „Neuer Wind“ oder der Psychothriller „Stahlschmet-terling“ von der Russische Filmwoche in Berlin im Freilichtkino. Unter dem Motto „beFair, beFIT – Integration durch Sport – Sport gegen Gewalt“ organisieren deutsche und russische Sportvereine Vorführungen, Aktionen zum Mitmachen und Wettkämpfe im Fußball, Boxen, Judo, Schach und weiteren Disziplinen.

Vom 14. Juni bis zum 16. Juni, mehr im Internet unter www.drf-berlin.de

Eintritt frei!

Pferdesportpark Berlin KarlshorstTreskowallee 12910318 Berlin

Info und Bildnachweis: www.drf-berlin.de

LiteraturBrecht

Das sechste Sommerfest des Brecht-Hauses, veranstaltet von der Brecht-Weigel-Gedenkstätte, dem Literatur-forum, dem Bertolt-Brecht-Archiv und dem Kellerrestaurant, erinnert am 22. Juni an Komponisten, mit denen Ber-tolt Brecht zusammengearbeitet hat.

Das Bernd Weißig Trio (Bernd Weißig, Jean-Philippe Froidefond und Eric Soum) stellt in seinem Brecht-Programm „Lachtet ihr am Freitag Abend?“ Kompositionen von Kurt Weill, Hanns Eisler, Paul Dessau und von Brecht selbst vor. Zu sehen sind zwei Dokumentarfilme der Filmproduzentin Heiderose Leopold über Lotte Lenya und Kurt Weill. Es gibt kostenlose Füh-rungen durch die Gedenkstätte, über den Friedhof sowie Gespräche über das Brecht-Archiv. Das Kellerrestaurant bietet Kaffee, Kuchen, Speisen und Getränke an.

Bertolt Brecht, Lotte Lenya und Kurt Weill, 1928 - Foto: © Akademie der Künste, Bertolt-Brecht-Archiv

Am 22. Juni 2013 von 15 – 23 Uhr Eintritt frei

Brecht-HausChausseestraße 12510115 BerlinTel. 030 200 57-1800

Info: www.adk.de/de/aktuell/veranstaltungen/

Offene Bühne„Die Offene Liederbühne”

Die Offene Liederbühne sollte ein Muss sein für alle Freunde des Singer/Songwritings und der Liedpoesie. Vor mehr als acht Jahren als eigenstän-diger Ableger aus der offenen Bühne entstanden, hat sie nichts von ihrem Charme und ihrem Flair eingebüßt. In diesen Jahren gab es viele Songpoeten und Liedermacher, die die offene Lie-derbühne moderierten, nun hat Lothar Rosengarten von „workingmansdead“ die Moderation übernommen. Die offene Liederbühne richtet sich an alle gestandenen und aufstrebenden Musiker, die ihre eigenen Songs oder auch eigene Interpretationen anderer Songschreiber vor einem geneigten Publikum ausprobieren möchten. Sie ist sowohl Podium als auch Treffpunkt vieler Musiker und hat so auch einen gewissen Werkstattcharakter.

Am 17. Juni, um 20 Uhr

Eintritt frei, aber eine Spende ist erwünscht!

Zur Teilnahmeanmeldung für Musiker: per E-Mail unter [email protected]. Die Anmeldung sollte etwa bis drei Tage vorher erfolgen.

Zimmer 16Florastraße 1613187 Berlin

Info: www.foerderverein-mikado.de

Bildnachweis: www.2.bp.blogspot.com

Schicken Sie uns Ihre schrägen, skurrilen, famosen und preis-werten Veranstaltungstipps an: [email protected]

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Lager von Wohnungslosen aus Osteuropa unter einem S-Bahn-BogenFotos: Jutta H.

„Entlassen nach Hause“Auf Berlins Straßen verelenden und sterben obdachlose Menschen aus Osteuropa. Viele von ihnen sind schwere Alkoholiker. Sind ihre Schicksale unabänderlich?

Text Jutta H.

Rafael B.‘s Körper scheint nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen. Seine zarte Gestalt verschwindet fast in dem mit vielen Schaltern versehenen Hochfunktionsbett des Krankenhauses. Auffallend dick zeich-

net sich dagegen sein Bauch unter der Bettdecke ab. Die Haut des Mannes ist fahl, doch seine Augen sind klar und wach. Mit einem kräfi gen Händedruck begrüßt er die Besucherin.

In den letzten Monaten habe er immer mal wieder einige Tage im Krankenhaus verbracht, sagt Rafael B. Doch dieses Mal sei die Lage ernster. Seine Leber arbeite nicht mehr richtig, was mit seinem jahrelan-gen Alkoholkonsum zu tun habe, Flüssigkeit staue sich an in seinem Körper. 14 Liter Wasser seien von den Ärzten das letzte Mal abgelassen worden aus seinem Bauch. Vor ein paar Tagen hätten sie ihm zudem zwei Zehen amputiert. Er deutet auf seinen rechten Fuß, den ein dünner Strumpf bedeckt: Der zweite und vierte Zeh fehlen.

Eine Freiluftunterkunft im ParkRafael ist Pole. Die letzten drei Jahre hat er in Berlin auf der Straße gelebt. Zuletzt in einem kleinen Park nahe der Spree. Eine Gruppe wohnungsloser Männer aus Polen hat sich dort eine Freiluftunterkunft eingerichtet. Anwohner, Besitzer nahe gelegener Restaurants, Passanten versorgen die Männer regel-mäßig mit Lebensmitteln und alltäglichen Bedarfsge-genständen. Als die Deutsche Bahn die Männer nach Ende des Winters aus einer, in unmittelbarer Nähe des Parks gelegenen S-Bahn-Unterführung vertreiben ließ, schrieb eine Anwohnerin einen Protestbrief an die Deutsche Bahn. Obdachlose gehörten zu jeder Stadt, „wie Huren, Drogenabhängige, Neo-Nazis oder der sogenannte Promi“, schrieb sie. Man könne Obdachlose nicht vertreiben.

Rafael B. und seine Gefährten im Park sind Teil einer viel größeren Gruppe an Zuwanderern, die sich nach Beitritt ihrer Länder zur Europäischen Union zur Arbeitssuche in den Westen aufgemacht haben. Vor allem Polen – von zwei Millionen ist die Rede - haben ihr Land verlassen. Die allermeisten haben

Arbeit gefunden. In England vor allem und auch in Deutschland. Diejenigen, die keine gefunden oder sie wieder verloren haben, sind diejenigen, die später in den Obdachlosenszenen der großen deutschen Städte aufgetaucht sind. Seit vielen Jahren berichten Mitarbeiter von Notunterkünften und Tagesstätten, dass ihre Klientel inzwischen zum größten Teil aus Osteuropa stamme.

Bis zu seinem 25. Lebensjahr verlief Rafael B.‘s Leben wie das eines Durchschnitts-Polen. Er arbeitete für die Post, fuhr durch seine Heimatstadt und brachte den Leuten ihre Pakete. Irgendwann verliebte er sich und heiratete. Dann geschah ein schwerer Autounfall, an dem er beteiligt war. Er musste ins Gefängis, aus dem er bald wegen erwiesener Schuldlosigkeit entlassen wurde. Doch seine Frau, die ein Kind von ihm erwartete, hatte sich inzwischen von ihm getrennt und war zu einem anderen Mann gezogen. Ihn bestimmte sie als künftigen Vater für das Kind. Hätte Rafael B. sich dagegen gewehrt, wäre vielleicht alles anders gekommen, hätte sein Leben heute eine Zukunft.

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Die Straße ist ein schlechter Ort, um gesund zu werden: behandlungsbedürftige, wohnungslose Polen

Er fing an, Alkohol zu trinken. Bald verlor er seine Arbeit, einige Zeit später seine Wohnung. Es folgten zehn Jahre Leben auf der Straße in Polen - und exzes-siver Alkoholkonsum. 2010 kam er nach Deutschland, mit der Hoffnung auf einen Neuanfang. Doch es gelang ihm nicht, seine Sucht zu besiegen.

Dass polnische Wohnungslose in höherem Maße alkoholabhängig sind als deutsche, habe auch damit zu tun, dass Wohnungslose in Polen nicht so leicht Zugang zu warmen Mahlzeiten und Lebensmitteln hätten, sagt Artur Darga. Da sei der Griff zu billigem Wein, der den Magen füllt, schnell getan. Bier sei in Polen deutlich teurer als in Deutschland.

Ein Rollstuhl für einen WohnungslosenDarga, 50, ist Mitarbeiter der Berliner Stadtmission und im Winter für diese Fahrer des Kältebusses. Er kennt die Gruppe Männer im Park an der Spree – in unterschiedlicher Zusammensetzung – gut. Im Winter hat er sie unter dem S-Bahn-Bogen mit heißem Tee und Schlafsäcken versorgt. Ebenso mit einem Roll-stuhl. Darga hat Kontakt zu einem Seniorenheim, von dem er schon öfters ausrangierte Rollstühle und Gehwagen für wohnungslose Osteuropäer erhalten hat.

An diesem Tag im Juni sitzt tatsächlich der Mann, für den der Rollstuhl damals bestimmt war, in genau diesem. Im Lager der wohnungslosen Männer im Park sitzt er mit einigen anderen Polen in einer Runde zusammen. Sein Name ist Jacek. Er zeigt einen Entlassungsbrief aus dem Krankenhaus herum, aus dem er gestern entlassen wurde: Unten rechts steht darauf: „Entlassen nach Hause“.

Jacek kann nicht mehr laufen, der Alkohol hat die Nerven seiner Beine zerstört. Von „Polyneuropathie“ sprechen die Ärzte. Mann erkennt, wie dünn Jaceks Beine sind. Da sie nicht mehr beansprucht werden, haben die Muskeln deutlich an Umfang verloren. In kleinen Trippelschritten kann er sich aber noch im Rollstuhl fortbewegen. So rollt er täglich zu der Bankfiliale, an deren Eingang er den Kunden die Tür aufhält und dafür nach Geld verlangt. Auch Jacek hat Frau und Kind in Polen. Auch er hatte einen Beruf. Eine ganze, gute Lebensgeschichte – bis der Alkohol kam.

Eine Art SterbebegleitungArtur Darga, der selber aus Polen stammt, hat mehrere seiner Landsleute in den letzten Jahren sterben sehen. Der kräftige Mann, der seine Haare zum Pferdeschwanz zusammenbindet und viele Jahre selber drogenabhängig war, hat mit angesehen, wie sich die Männer langsam zu Tode tranken. Er hat sie im Winter mit warmer Kleidung versorgt, mit ihnen zusammengesessen und geredet. Hat auf diese Weise eine Art Sterbebegleitung geleistet, wie er sagt. Zwei der Männer hat er bis zum Schluss im Krankenhaus besucht, andere waren irgendwann einfach nicht mehr da.

Rafael B. sagt, die Ärzte hätten ihn gefragt, ob er in ein Heim wolle. Er habe ja gesagt. Nun kümmere sich ein Sozialarbeiter des Krankenhauses darum, dass er einen Platz dort kriege. Nach Polen möchte er nicht zurück, wo seine Eltern leben und seine Schwester. Zu ihnen hat er keinen Kontakt mehr, seitdem er vor 13 Jahren obdachlos geworden ist. Den Kontakt zu ihnen möchte er auch nicht wieder aufnehmen.

Die Kosten für Rafael B.‘s Behandlung zahlt keine Krankenkasse, denn er ist nicht versichert. Die Kosten trägt erstmal das Krankenhaus. Bei Menschen ohne Krankenversicherung sind die deutschen Kranken-häuser verpflichtet, „Notfälle“ zu behandeln. Die Erstattung der Behandlungskosten dafür können die Krankenhäuser bei den Sozialämtern der jeweiligen Bezirke beantragen, sie ist gesetzlich geregelt.

Eine Umfrage der Berliner Krankenhausgesellschaft unter der Mehrzahl der Berliner Krankenhäuser ergab, dass die befragten Krankenhäuser 2012 innerhalb eines halben Jahres Anträge bei den Bezirksämtern auf Kostenübernahme für 887 stationäre Behand-lungen stellten. 57 Prozent davon waren EU-Bürger betreffende Anträge. Nur fünf Prozent dieser Anträge, die die Behandlungskosten von EU-Bürgern betrafen, wurde den Krankenhäusern von den Sozialämtern rückerstattet.

Aus diesem Grund hat die Berliner Krankenhausge-sellschaft vor einem Jahr die zuständige Sozialse-natsverwaltung in einem Schreiben aufgefordert, die Bezirksämter „nochmals auf die Einhaltung des abgestimmten Verfahrens hinzuweisen.“ Und darüber hinaus „auf die Notwendigkeit der vollständigen Refi-

nanzierung der von den Krankenhäusern erbrachten medizinischen Notfallleistungen“ hinzuweisen.

Eine Versicherung, eine Unterkunft, ein SozialarbeiterDie Ärztin Jenny De la Torre, die wohnungslose Menschen ambulant in ihrer Praxis behandelt, sagt, manche der wohnungslosen Osteuropäer, die zu ihr kämen, seien in so schlechtem körperlichen Zustand, dass sie sie „nur ungern“ wieder auf die Straße schicke. „Manche könnte ich sogar ins Hospitz schicken“, sagt sie. Die Idee einer Krankenstation, wie sie derzeit für die Genesung von Wohnungslosen nach einer Krankenhausbehandlung von der Berliner Stadtmission ins Auge gefasst wird, findet sie gut, aber das sei keine wirkliche Lösung des Problems:

„Diese Menschen bräuchten eine Unterkunft. Zudem vor allem eine intensive sozialarbeiterische Unter-stützung.“ Außerdem sollten sie, ihrer Meinung nach, eine Versicherung bekommen. Die Europäische Union solle nicht vergessen, sich um diese Leute zu kümmern. „Wir reden hier über Leute, die nicht mehr zurechtkommen.“

Artur Darga hat vor drei Jahren zehn Polen, alle schwerst alkoholsüchtig, einen Therapieplatz in Polen organisiert. Einen Platz für Entzug und Langzeit-Suchttherapie. Darga ist mit ihnen zur polnischen Botschaft in Berlin gefahren und hat ihnen geholfen, einen neuen Personalausweis – der alte war verloren gegangen– zu beantragen. Er hat sie ins Auto gesetzt und hat sie am Therapieort in Polen abgesetzt.

Von fast allen Männern weiß er, dass sie zurück nach Berlin gekommen sind. Gesundheitlich erholt, kräftig, voller guter Vorsätze. Alle haben wieder angefangen zu trinken. Zwei sind inzwischen – an den Folgen ihres Alkoholkonsums – gestorben.

Nein, sein Versuch, ihnen eine Therapie in Polen zu vermitteln, sei nicht vergebens gewesen, sagt Darga. „Diese Menschen haben nicht viel Achtung vor sich selber, sie wissen, man interessiert sich nicht wirklich für sie. Alle waren berührt, dass ihnen da jemand helfen wollte. Auf den Fahrten nach Polen sind enge Kontakte entstanden. Auf diese Weise haben sie wenigstens etwas Wertschätzung erfahren.“ n

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Skeptische Blicke von Manager und Trainer beim Stand von 28:27 Fotos: Andreas Düllick ©VG Bild-Kunst

Ende gut, alles gut? Füchse Berlin erzittern

sich einen mühsamen Sieg im letzten

Heimspiel der Saison

Interview Andreas Düllick

Es war ein echter Zittersieg: Mit 29:28 holten die „Füchse Berlin“ im letzten Heimspiel der DKB-Handball- Bundesliga-Saison 2012/2013 gegen den VfL Gummersbach zwei überaus wichtige Punkte. Damit

sicherten sich die Berliner Handballer zum dritten Mal in Folge die Teilnahme am europäischen Hand-ballwettbewerb. Ob es am Ende der EHF-Pokal oder aber sogar die Champions League sein wird, das wird am Grünen Tisch entschieden. Vor 9.000 Zuschauern sah es eigentlich alles nach einem deutlichen Erfolg im ausverkauften Fuchsbau aus. Die Füchse gingen schnell mit 8:4 in Führung. Doch statt den Gegner auf Abstand zu halten, leisten sich die Berliner häufig Unkonzentriertheiten. So sorgten sie selbst dafür, dass die Gummersbacher immer wieder herankamen. Eine Minute vor Schluss erzielte Nationalspieler Adrian Pfahl für die Gäste den Anschlusstreffer zum 28:27. Die Füchse hatten es dann Spielmacher Bartlomiej Jaszka zu verdanken, dass die Punkte in Berlin blieben. Mit seinem einzigen Treffer des Abends sorgte er für die endgültige Entscheidung und für Jubelstürme der Fans. Die feierten danach die Spieler, die den Verein verlassen: Kapitän Torsten Laen, Johannes Sellin, Evgeni Pevnov, Børge Lund, Mark Bult und Ivan Nincevic gehen zum Saisonende. strassenfeger-Chefredakteur Andreas Düllick sprach mit Füchse-Manager Bob Hanning über Höhepunkte der Saison 2012/2013 und die kommende Spielzeit.

Andreas Düllick: Die Füchse haben sich wieder die Teilnahme am internationalen Wettbewerb gesichert. Macht Sie das stolz?Bob Hanning: Ja, wir haben ja das Ziel ausgeben, in fünf Jahren mindestens vier Mal europäische Wettbewerbe zu erreichen. Jetzt spielen wir schon in den ersten drei Jahren zum dritten Mal europäisch.

Von daher sind wir schon mächtig stolz auf das, was wir gerade wieder geleistet haben.

A. D.: Was waren für Sie die schönsten Momente in dieser Saison?B. H.: Es gab wirklich viele, viele schöne Momente. Wenn ich z. B. an den 37:27 Sieg gegen Hamburg denke, das war sicher einer der ganz tollen Momente. Aber auch das Champions League Spiel gegen Barcelona (31:30) gehört dazu. Und auch der Auswärtssieg in Magdeburg (31:33). Wir haben viele sehr gute Spiele gemacht in dieser Saison. Da eines herauszupicken, ist nicht ganz einfach.

A. D.: Was waren die enttäuschensten, bittersten Momente?B. H.: Sehr schade war, dass Bartolomej Jaszka mit dem letzten Wurf im Viertelfinale der Handball Cham-pions League gegen Atletico Madrid im Fuchsbau nur den Pfosten traf und wir unglücklich ausgeschieden sind (26:27). Ärgerlich waren die unnötigen Nie-derlagen daheim gegen Hannover-Burgdorf (27:28) und gegen Wetzlar (27:28), der Punktverlust gegen Melsungen (27:27). Und dann muss ich natürlich noch das schwere Foul von Thorsten Jansen vom HSV an Ivan Nincevic nennen.

A. D.: Warum reicht es noch nicht für die Füchse, um den Meistertitel mitspielen zu können?B. H.: Wir sind eigentlich schon längst Deutscher Mei-ster, wenn man das Geld, das man zur Verfügung hat, in Punkte umrechnet. Dann sind wir wahrscheinlich so souverän Meister, wie kaum eine andere Mannschaft das schaffen würde. Letztlich ist das auch eine Form von Wirtschaftlichkeit. Wir sind vergleichbar mit dem FC Freiburg, der ja in der Fußballbundesliga gerade

auch oben anklopft. Wir machen das jetzt schon drei Jahre in Folge. Ich habe immer gesagt, wir haben eine eigene Philosophie, und die wollen wir auch konse-quent verfolgen. Jetzt werden wir junge Spieler aus unserem Verein in die erste Mannschaft integrieren.

A. D.: Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit von Trainer Dagur Sigurdsson? B. H.: Ich bin sehr zufrieden mit dem gesamten Trainerteam, mit der gesamten Entwicklung unserer ersten Mannschaft. Das hat mir wirklich sehr gut gefallen.

A. D.: Was sind die größten Herausforderungen in der kommenden Saison?B. H.: Jetzt freuen wir uns auf das Projekt „Füch-setown“. Dabei werden wir den Profisport und den Jugendbereich richtig miteinander verzahnen. Die Profis ziehen ins Sportforum Hohenschönhausen um. Das Ganze logistisch zu bewältigen, dass das alles richtig funktioniert, das wird sicher eine große Herausforderung für uns sein. Wir wollen ja, das Jung von Alt und Alt von Jung lernt.

A. D.: Mit welchen Spielern waren Sie zufrieden, bei wem erwarten Sie mehr Engagement? B. H.: Noch mehr Engagement erwarte ich von keinem Spieler, weil das OK war. Da gibt es nichts zu Meckern. Smöre Christophersen hat in dieser Saison nicht die Leistung gebracht, wie in der Saison zuvor. Er hat sicherlich Steigerungspotenzial. Konstantin Igropulo ist jetzt richtig angekommen in Berlin. Das hat auch eine ganze Weile gedauert. Ich denke aber, dass der eine oder andere Spieler noch ein paar Prozentpunkte zulegen kann. Von daher haben wir schon noch Entwicklungspotenzial.

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Kapiän Torsten Laen: Immer zuverlässig; jetzt verlässt er die „Füchse“

Die „Füchse“-Chefs Igropulo (li.) und Jaszka

A. D.: Werden die Talente wie Paul Drux, Jonas Thümmler und Fabian Wiede mehr Einsätze und Spielzeit bekommen?B. H.: Ja, das hoffe ich sehr. Das ist ja bei uns eine innere Überzeugung. Selbst unser Vereinsbüro ist fast ausschließlich mit eigenen Leuten besetzt ist, die von Anfang an dabei waren. Es ist mein ausdrücklicher Wunsch, dass im Profikader und auch auf Trainere-bene die Akzente ganz klar auf eigene Leute gesetzt werden.

Manager eines großen Vereins werde, dann wird das auf jeden Fall ein ganz wesentlicher Baustein sein. Das ist ganz klar genauso gewollt und wird von uns allen durchgängig so gelebt.

A. D.: Wie ist es derzeit um den Finanzetat für die Füchse bestellt?B. H.: Wir arbeiten seit sieben Jahren ohne Schulden hier in Berlin, weil wir nie den Blick dafür verloren haben, was tatsächlich machbar ist. Wir haben uns immer nur das geleistet, was wir uns auch leisten

konnten. Ich bin sehr optimistisch, dass uns das auch in der kommenden Saison wieder gelingen wird.

A. D.: Warum ist es so schwer, in Berlin einen potenten Großsponsor zu gewinnen, der richtig viel Geld in die Füchse investiert?B. H.: Tja, auf diese Frage hätte ich gern eine Antwort. Haben Sie eine?

A. D.: Nein, leider nicht. Aber ich werde darüber nachdenken.B. H.: (Lacht) Sehen Sie!

A. D.: Die Fans haben oft das Gefühl, dass Handball im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine völlig unterrepräsentiert ist. Was können Sie dagegen tun?B. H.: Den Eindruck habe ich auch. Aber dagegen kann ich sehr wenig tun. Ich wünsche mir, dass das besser wird, natürlich. Gerade die Arbeit rund um unsere Nationalmannschaft muss dafür noch professioneller werden. Generell müssen wir dabei die Themen ‚TV-Vermarktung’ und ‚Synergien‘, ins-besondere auch bei der Nationalmannschaft, noch sehr viel professioneller angehen.

A. D.: Was wünschen Sie sich für die kommende Saison 2013/2014? B. H.: Dass ich die Spiele meiner Mannschaft wieder mit genauso viel Freude anschauen kann, wie in dieser Saison.

A. D.: Was macht Bob Hanning eigentlich, wenn er nicht Handball lebt?B. H.: (Lacht) Dann müsste er sterben! Nein im Ernst: Ich gehe sehr gern ins Theater. Ich verreise gern. Mir reicht es meist, wenn ich mal eine Woche Zeit dafür habe. Oder aber am Schlachtensee oder am Charlottenburger Schloss spazierengehen, das sind wirklich schöne Momente für mich. n

A. D.: Einige Spieler verlassen den Verein, z. B. Johannes Sellin und Evgeni Pevnov. Beide haben sich prächtig entwickelt, viele Tore gemacht, sich in die Herzen der Zuschauer gespielt. Ärgert Sie das, dass die beiden gehen?B. H.: Nein, überhaupt nicht. In jedem Abgang liegt auch eine Chance. Jeder Spieler hat nach Vertragsende die Möglichkeit zu entscheiden, was er will. Wir können Verträge verlängern oder auch nicht. Die Spieler haben die Möglichkeit, sich eine andere, neue Herausforderung zu suchen. Das ist völlig in Ordnung so. Ich drücke beiden von ganzem Herzen die Daumen, dass sie sich so entwickeln, wie sie sich das selbst vorstellen.

A. D.: Welche Erwartungen haben Sie an die Neuzu-gänge, die schwedischen Nationalspieler Mattias Zachrisson, Fredrik Petersen und Jesper Nielsen sowie Pavel Horak (Tschechien)B. H.: Ich glaube, dass wir mit den beiden schwe-dischen Außenspielern neue Reize für die Defensive setzen können, insbesondere was das Rückzugsver-halten angeht. Das hat mir in der Saison nicht gefal-len. Pavel Horak wird sicher eine echte Verstärkung sein. Wir haben eine Risikoposition, das ist am Kreis. Ob wir das gelöst kriegen, werden wir sehen. Man hat uns oft gesagt, „Jetzt geht Wilczynski, jetzt geht Petterson, Kjetil Strand. Wie soll das klappen?“ Es gab für alle Abgänge von Spielern eine Lösung, die nicht schlechter war. Kritiker sagten: „Konstantin Igropulo war ein Fehleinkauf. Iker Romero war ein Fehleinkauf.“ Ich hoffe, dass mir noch viele solcher Fehleinkäufe gelingen.

A. D.: Die Füchse machen eine herausragende Nachwuchsarbeit. Das spiegelt sich auch in den Erfolgen in den jeweiligen Spielklassen wieder. Ist das für Sie, der auch als Trainer arbeitet, eine Herzensangelegenheit oder ergibt sich das aus den wirtschaftlichen Zwängen? B. H.: Für mich ist das ganz klar eine Herzensange-legenheit! Ich habe immer gesagt: Wenn ich jemals

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28 Aktuell

Von der sowjetischen Besatzungsmacht eingesetzte Panzer zur Niederschlagung der Unruhen in der Schützenstrasse.

Sowjetischer Panzer vor Gebäude des Georgi-Dimitroff-Museums (des ehemaligen Reichsgerichtes in Leipzig, um den 17. Juni 1953)

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Wenn der gewollt hätte, wären wir hinüber…Erinnerungen eines Zeitzeugen an den 17. Juni 1953Text Ernst Rinck

Als ich am 17. Juni 1953 in meine Schule kam, begann der Unterricht nicht pünkt-lich. Stattdessen ließ die Schulleitung verkünden, dass alle nach Hause zu gehen haben. Daraufhin wurde herumgerätselt

und getuschelt, einige wussten etwas. Irgendetwas lag in der Luft. Ich hatte an diesem Tag noch Formali-täten zu erledigen für die Lehre, die ich im September beginnen sollte.Deshalb machte ich mich auf in Richtung Zentrum, zum Alexanderplatz. In der Bahnhofshalle, es war so 9 Uhr 15, hatten sich viele Menschen versammelt und diskutierten über die Versorgungslage und die Arbeitsnormen.

Der Demonstrationszug setzt sich in BewegungGegen 9 Uhr 30 setzten sich die Menschen dann bei leichtem Regen in Bewegung. Das Ziel war mir unbe-kannt, bis es sich dann herumsprach, dass es zum Haus der Ministerien bzw. dem Regierungsgebäude gehen sollte. In Höhe des Roten Rathauses waren es ca. 500 Menschen, die ohne Transparente als loser Haufen liefen. Ich hatte meine Schultertasche umgehängt, andere marschierten in normaler Arbeitsbekleidung und schlechten Schuhen mit. Vom Straßenrand kommend versuchten sich gewisse Typen, es waren Intellektuelle bzw. Künstler, einzureihen. Es war zu sehen, dass sie einer anderen Klasse angehörten. Sie wurden nicht in die inzwischen geschlossenen Reihen eingelassen. Warum auch, denn jeder konnte ihnen ihre Besserstellung im sogenannten Arbeiter- und Bauernstaat, der für seine getreuen Mitläufer auch schon lange besondere Lebensmittelkarten, Woh-nungen und andere Privilegien bereithielt, ansehen.

Erste Schüsse fallenAm Regierungsgebäude Leipziger – Ecke Wilhelm-straße angelangt hatten sich bereits mehr als tausend Demonstranten versammelt. Auch die Leip-ziger Straße war in Richtung Potsdamer Platz voller Menschen. Ich stand auf einem Trümmergrundstück gegenüber. Kasernierte Volkspolizisten sperrten in dichten Zweierreihen den Eingangsbereich ab, dahinter waren Schützenpanzerwagen postiert. Die schweren Eisentore waren geschlossen. Ein Demonstrant, der wohl diskutieren wollte, kam den Vopo’s zu nahe. Er wurde sofort ergriffen und abgeführt. Irgendwo fiel dann ein Schuss. Aus einem Fenster des Gebäudes wurde auf die Leipziger Straße geschossen. Es gab viel Gebrüll und Sprechchöre aus der Menge heraus.

Inzwischen waren es einige tausend Demonstranten, die aus den Seitenstraßen herbeiströmt waren. Auf dem Dach eines Hauses ließ sich dann eine Person blicken. Die Menge glaubte sofort, Walter Ulbricht ausgemacht zu haben. Deshalb skandierten sie „Der Spitzbart, der muss weg!“ Es war sehr laut und es wurde noch lauter. Aus der Wilhelmstraße kamen drei Panzer auf die Kreuzung gefahren. Sie hielten und aus einer Luke schaute der Kommandant raus. Er ließ sich auf eine Diskussion ein. Natürlich gab es Meinungsverschiedenheiten und plötzlich flogen Steine. Die Panzer fuhren daraufhin an und rollten nebeneinander die Straße entlang, immer auf und ab. Die Menschen flüchteten auf die Trümmergrundstücke und in die Seitenstraßen und Hauseingänge. Aus einem Bürohaus flogen dann Akten, Stalin-, Ulbricht-Bilder und Fahnen wurden verbrannt. Dann hieß es plötzlich, das Columbiahaus brennt.

Mit Panzern gegen das eigene VolkDie Panzer, inzwischen waren es vier, leisteten ganze Arbeit. Alles war in ständiger Bewgung und rannte umher oder war auf der Flucht. Gegen 13 Uhr kletterte dann ein Bauarbeiter auf einen der Panzer und demolierte die Antenne. Ein andere steckte eine Bahnschwelle zwischen Kette und Laufrad des T34. Damit machte er den Panzer manövrierunfähig. Er konnte sich nur noch im Kreis drehen. Ein anderer T34 kam ihm zu Hilfe. Dann fielen ein paar Schüsse aus dem Bord-MG, die über unsere Köpfe hinweg in den Giebel des Hauses Zimmer- Ecke Wilhelmstraße einschlugen. Wenn die gewollt hätten, dann wären wir wohl hinüber gewesen.

Auf einem Trümmerberg wähnten wir uns dann in Sicherheit. Als aber die Schüsse fielen, warfen sich die älteren Männer sofort hin, sie hatten wohl Kriegserfahrung. Ich tat es nicht und deshalb riefen sie mir zu: „Junge, wenn es knallt, mußt du sofort runter!“ Woher sollte ich das aber schon wissen? Die Panzer hatten dann alles im Griff. Der Bereich wurde immer leerer. Die Vopo’s waren nicht mehr zu sehen. Gegen 13 Uhr kamen dann die Henningsdorfer an. Sie waren ein müder Haufen, deren vorderste Reihe einen zerbrochenen Zonenschlagbaum trug. Unter großem Jubel löste sich die Gruppe dann in der immer kleiner werden Menge auf. Ab und an knallte es. Am Straßenrand war eine Blutlache zu sehen. Um 14 Uhr sprang dann ein Arbeiter auf eine Betonsockel und verkündete: „Wir treffen uns heute um 18 Uhr auf dem Rudolph-Wilde-Platz!“ Er musste dann schnell untertauchen, denn unter die Demonstranten hatten sich die Regierungshäscher gemischt, und es gab die

ersten Verhaftungen. Es sprach sich dann rum, dass die S-Bahn nicht mehr fuhr.

Der Volksaufstand wird niedergeschlagen und totgeschwiegenUm 15 Uhr machte ich mich zu Fuß auf den Heimweg. Unterwegs lagen überall auf dem Boden Bilder von Ulbricht und sozialistischen Parolen. An der Warschauer Brücke fielen zwei Schüsse, es wurde geschrien und gebrüllt. Ich machte einen weiteren Umweg. Hinter dem Bahnhof Stalin-Allee war die Straße fast menschenleer. Am Bahnhof-Friedrichs-felde-Ost lag der ehemalige Magerviehhof, der jetzt Vopo-Kaserne war und als Gefangenenlager für festgenommene Demonstranten benutzt wurde. Ab und zu öffnete sich das schwere Eisentor und LKW’s mit Gefangenen wurden eingelassen.

Dann kam die Ausgangssperre und mehr als drei Personen durften nicht mehr zusammenstehen. Der Volksaufstand wurde niedergeschlagen, der Sozialismus hatte gesiegt. In der Schule wurde der 17. Juni einfach totgeschwiegen, war nie ein Thema. Das Duckmäusertum und das System der Mitläufer hatte dann in der DDR für lange, lange Zeit die Oberhand. n

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29Ratgeber

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Allgemeine Rechtsberatung

ACHTUNG!HARTZ IV

Neues Urteil zu WAV BerlinText Jette Stockfisch

Zum Thema „Mietenprobleme“ hatte ich die Serie gerade beendet. Am 25.4.2013 hat jedoch das Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg sein Urteil (Az. L 36 AS 2095/12 NK) über den Normenkontrol-

lantrag zur WAV (Wohnaufwendungsverordnung) gefällt. Im Normenkontrollverfahren nach § 55a Sozialgerichtsgesetz wird die Verordnung als solche und nicht der Einzelfall überprüft. In diesem Fall hatten zwei Alg II-Bezieher geklagt. Die Normen-kontrollklage ist etwas anderes als die Einzelklage eines Betroffenen gegen die Höhe „seiner“ Miete. Eine solche Einzelfallklage war auch Gegenstand des fünften Teiles der Serie „Mietenprobleme“. In diesem Fall hatte das Berliner Sozialgericht die Werte der WAV für die Nettokaltmiete als „Werte ohne Substanz“ bezeichnet. Ebenso hat es die „ angemessenen“ kalten Betriebskosten beanstandet und dem klagenden Alg II-Bezieher eine höhere Miete zugesprochen.

Mit dem Urteil des LSG ist nun leider erstmal ein anderes Urteil ergangen. Bis zum Redaktionsschluss lag nur die Presseerklärung des LSG vor. Die aus-führliche Begründung ist noch nicht verfügbar. Aus der Presseerklärung geht hervor, dass das Gericht die WAV für unwirksam erklärt hat. Das klingt zwar positiv, ist es aber leider nicht. Das Gericht hat (laut Presseerklärung) nur die Heizkosten bean-standet. „... Die daraus folgende Verzerrung sei so gravierend, dass der Summenwert – also die in der WAV als Richtwert ausgewiesene angemessene

Bruttowarmmiete – keinen Bestand hat.“ Da das Gericht wohl weder die Nettokaltmiete, noch die Betriebskosten beanstandet hat, wird der Senat von Berlin an deren Höhe nichts ändern. Das geht auch aus dem umgehend verfassten „Jubelschreiben“ des Senats hervor, in dem betont wurde, dass diese Werte der WAV weiter gelten. Sollte die Urteilsbegründung des LSG wesentliche Neuigkeiten enthalten, wird das Thema an dieser Stelle noch einmal aufgenommen.

Nun kann man nur hoffen, dass dieses Urteil beim Bundessozialgericht „landet“ und sich dieses Gericht dann an seine eigenen Vorgaben hält. Unabhängig der, vom Berliner Sozialgericht, beanstandeten Werten, besteht in Berlin ein Wohnungsmangel an Mietwohnungen, insbesondere an preisgünstigen Mieten. Laut BBU (Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen) ist der Leerstand ihrer Mitgliedsunternehmen 2012 auf durchschnittlich 2,3 Prozent gesunken. Selbst in Hellersdorf lag die Lee-standsquote 2012 unter den Durchschnittswert. Sie ist um 1,8 Prozent, von 4 auf 2,2 Prozent gefallen. Der Wohnungsmarkt-Report hat bei den Angebotsmieten eine durchschnittliche Mietpreiserhöhung von 13,8 Prozent von 6,59 Euro pro qm auf 7,50 Euro ermittelt. Für die 10 Prozent der günstigsten Wohnungen mit durchschnittlich 4,89 Euro pro qm wurden 8,7 Prozent mehr verlangt als 2011.

Berlin ist in vielen Fällen „Deutschlandmeister“. Bei Arbeitslosigkeit, Armut insgesamt, insbesondere

Kinderarmut und sie ist Single-Hauptstadt. Es fehlen seit Jahren insbesondere kleine Wohnungen zu preisgünstigen Mieten. In den nächsten zehn Jahren verliert Berlin 50.000 sogenannte „Sozial-wohnungen“. Übrigens sind 60 Prozent aller Berliner Haushalte WBS-berechtigt.

Nachdem der Berliner Senat über Jahre jegliche Pro-bleme auf dem Berliner Wohnungsmarkt geleugnet hat, will er jetzt Wohnungsneubau fördern. Angeblich auch den sozialen Wohnungsbau. Bei bisherigen Verlautbarungen sollen diese „Sozialmieten“ dort knapp sechs bis sieben Euro kosten. Damit sind Alg II-, Sozialhilfe- und Grundsicherungsbezieher von Anfang an ausgeschlossen. Die Neubauten werden jedoch den Mietspiegel weiter in die Höhe treiben.

Kleiner Exkurs in die Vergangenheit gefällig? Vor zehn Jahren wurde auch in Berlin das Programm „Umbau Ost“ aufgelegt. Die Prognose lautete damals: Berlins Bevölkerung schrumpft erheblich. Der „Umbau“ wurde fast ausschließlich zum Abriss Ost. Kritiker der Prognose wurden nicht gehört. Von Vorschlägen, die momentan überflüssigen Wohnungen „einzumotten“, was insbesondere bei Plattenbauten möglich gewesen wäre, wollte man nichts wissen. Vor fünf Jahren wurden die letzten Wohnungen abgerissen! n

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strassen|feger 12/2013

30 Mittendrin – KptnGraubärs KolumnePr

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Man sagt uns Seeleuten ja manches nach: Wir sind abergläubisch oder nehmen es mit der Wahrheit nicht immer so genau, wenn wir Seemannsgarn spinnen. Dabei ist das alles fast wahr. Natürlich hat jeder von uns schon mal den Klabautermann gesehen, und Frauen an Bord einer Jungfernfahrt brin-gen Unglück. Dass der Äquator aus Messing ist und man nur bei Hochwasser darüber hinweg segeln kann, klingt doch auch sehr glaubhaft.

Die besten Flunkereien höre ich seit einiger Zeit, wenn es um Gesundheit geht. Da werden die abenteuerlichsten Geschichten erzählt, und das Beste daran ist, dass das viele Leute auch glauben. Nicht so gut daran ist, dass diese Geschichten auch immer zu erheblichen Geldausgaben führen. Wenn wir Seeleute was erzählen, sind wir meist schon zufrieden, wenn uns einer einen Köm spendiert.

Hat man Ihnen auch schon mal geraten, dass sie sich entschlacken müssen? Leuchtet ja ein, denn im Körper wird was verbrannt, und dann bleiben Schlacken zurück, kennen wir ja noch von der guten alten Ofenheizung. Dummerweise hat noch keiner diese Schlacken gesehen, und bei genauer Betrachtung haben ein Kachelofen und ein Mensch auch nicht viel gemeinsam.

Schlafen Sie manchmal schlecht? Das liegt sicher an den Wasseradern unter dem Haus. Also wird ein Rutengänger bestellt, der die aufspürt und dann zu einem Umzug oder wenigstens zum Verschieben des Bettes ins Wohnzimmer rät. Macht man die Probe aufs Exempel und beauftragt einen anderen Rutengänger, kommt der zu einem ganz anderen Ergebnis: Es reicht, wenn man das Bett rumdreht. Konfrontiert man beide mit diesen Erkenntnissen, haben sie dafür eine plausible Erklärung. Der jeweils andere ist ein Scharlatan.

Wasser habe ich ja auf allen Weltmeeren genug gesehen. Wenn nichts anderes da ist, trinke ich es sogar aus der Leitung, aber noch nie energeti-siertes Wasser. Das soll enorme Wirkungen haben. Vielleicht sollte man mal damit die Füße waschen, sie haben es nötig. Und dann gibt es auch Wasser mit Gedächtnis! Wenn sich das herumspricht, können wir uns die teuren Festplatten im Computer sparen. Edelsteine im Wasser erzeugen wunderbare Kräfte. So etwas Ähnliches habe ich schon bei meinen Ostseefahrten

kennengelernt: „Danziger Goldwasser“. Nach ein paar Gläsern fühlte ich mich auch immer besonders stark, allerdings hatte das auf das Gedächtnis und die Geisteskräfte eher nachteilige Wirkungen, von den energetisch hoch geladenen Wässerchen, gemeinhin Wodka genannt, ganz zu schweigen.

Besonders interessant wird die Sache, wenn von höheren oder tieferen Einsichten die Rede ist. Da werden welche vom Licht der Ewigkeit durchströmt und fi nden dabei Lösungen für die schwierigsten Probleme.

Telefonverbindungen zur lieben Oma, die leider schon verstorben ist, werden fast so leicht hergestellt wie bei der Telekom. Ein Spiel

Skatkarten gibt Auskunft über die Zukunft, wobei der Kreuzbube mal nicht der Beste ist. Das erinnert mich irgendwie an

Null Ouvert. Wahrsager haben Konjunktur und bieten ihre Dienste zeitgerecht in allen möglichen Medien an. Bislang ist noch von keinem vernommen worden, dass er einen Sechser im Lotto gewonnen hat, aber das liegt wohl an ihrer durchgeistigten Bescheidenheit.

Am meisten wundere ich mich immer, wenn ich sehe, dass Leute, die sich sonst für ausgemachte Schlaumeier und Intellektuelle halten, bei diesem Hokuspokus mitmachen. Denen scheint wohl irgendwas zu fehlen. Während sie sich in ihrem Alltag mit wissenschaftlichen

Methoden um die Lösung von kniffl igen Problemen mühen, folgen sie nach Feierabend den Anweisungen von

Sägewerksbesitzern, Schlossern, verträumten Kranken-schwestern und selbsternannten Geistheilerinnen. Wenn

ich mir die so anschaue, erscheinen mir im Vergleich Medizin-männer im Löwenfell schon fast als seriöse Wissenschaftler. Auf

jeden Fall verstehen sie was vom Geschäftemachen. Keine Wohltat wird umsonst vergeben. Da sie meist darauf bestehen, ohne Rechnung bar

entlohnt zu werden, wird das Finanzamt auch nur eingeschränkte Freude an ihnen haben.

Wenn ich mir das ganze Getue so anschaue, frage ich mich immer, ob diese Gurus das wirklich alles selbst glauben, was sie für sehr ungeistiges Geld unter die Leute bringen. Die Selbstgläubigen sind dann wohl ein Fall für die Psychiatrie, und um die anderen sollte sich mal ein Staatsanwalt kümmern.KptnGraubär

daran ist, dass das viele Leute auch glauben. Nicht so gut daran ist, dass diese Geschichten auch immer zu erheblichen Geldausgaben führen. Wenn wir Seeleute was erzählen, sind wir meist schon

bestellt, der die aufspürt und dann zu einem Umzug oder

rät. Macht man die Probe aufs Exempel und beauftragt einen anderen Rutengänger, kommt der zu einem ganz anderen Ergebnis: Es reicht, wenn man das Bett rumdreht. Konfrontiert

werden fast so leicht hergestellt wie bei der Telekom. Ein Spiel Skatkarten gibt Auskunft über die Zukunft, wobei der Kreuzbube

mal nicht der Beste ist. Das erinnert mich irgendwie an Null Ouvert. Wahrsager haben Konjunktur und bieten ihre

Dienste zeitgerecht in allen möglichen Medien an. Bislang ist noch von keinem vernommen worden, dass er einen

mühen, folgen sie nach Feierabend den Anweisungen von Sägewerksbesitzern, Schlossern, verträumten Kranken-

schwestern und selbsternannten Geistheilerinnen. Wenn ich mir die so anschaue, erscheinen mir im Vergleich Medizin-

männer im Löwenfell schon fast als seriöse Wissenschaftler. Auf

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12/2013 strassen|feger

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ab 24. Juni 2013Vorschau

Spätverkauf & Waschsalons

Streetart

„Querstadtein“ – Soziale Stadtführung

Ausgabe 13/2013 „Reclaim the streets“

Viola reclaims den Innsbrucker Platz

Herausgeber mob – obdachlose machen mobil e.V.Prenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTel.: 030 - 46 79 46 11Fax: 030 - 46 79 46 13E-Mail: [email protected]

Vorsitzende Dr. Dan-Christian Ghattas, Lothar Markwardt, Andreas Düllick (V.i.S.d.P.)

Chefredakteur Andreas Düllick

Redaktionelle Mitarbeit

Andreas Düllick, Laura F., Guido Fahrend-holz, Detlef Flister, rwf, Christopher G., Dr. Dan-Christian Ghattas, Jutta H., Jan Mar-kowsky, Christoph Mews, Marcel Nakoinz, Thomas N., OL, Andreas P., Thekla Priebst, Andreas Prüstel, Ernst Rinck, Anne Juliane Wirth, Urzsula-Usakowska-Wolff, Manfred Wolff

Titelbild „Christopher Street Day“ Foto: Andreas Düllick ©VG Bild-Kunst

Karikaturen Andreas Prüstel, OL

Satz und Layout Ins Kromminga

Belichtung & Druck

Union Druckerei Berlin

Redaktionsschluss der Ausgabe

05. Juni 2013

Redaktion Prenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTel.: 030 - 41 93 45 91E-Mail: [email protected]

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Notübernachtung Prenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTel.: 030 - 41 93 45 93wÖffnungszeiten: 17:00 – 8:00 UhrAnmeldung: 17:00 – 23:00 Uhr

Trödelpoint bei mob e.V.

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„OVARTESTISIMILAR“ Ins A Kromminga präsentiert sich in der „GALERIE FUNKE“ in Kreuzberg

„OVARTESTISIMILAR“ – so heißt die erste Einzelausstellung mit Zeichnungen und Wandinstal-lationen von Ins A Kromminga in Berlin. Der Titel verbindet spielerisch medizinische Begriffe für die weiblichen und männlichen Keimdrüsen als Produktionsort der Geschlechtshormone mit dem englischen „similar“ und setzt sie so in eins. Noch bis zum 6. Juli präsentiert die „GALERIE FUNKE“ in Kreuzberg die Arbeiten Krommingas. Vor dem eigenen biografi schen Hintergrund refl ektieren Krommingas Arbeiten das Thema der Intersexualität und den gesellschaftlichen Zwang, ein Zweigeschlechtersystem als Norm zu postulieren, in dem ausschließlich eine entweder männliche oder weibliche Zuschreibung gilt.

Krommingas Kunst zielt über das Persönliche hinaus und verfolgt das politische Anliegen der Geschlechtervielfalt, Sichtbarmachung und Akzeptanz von intergeschlechtlichen Menschen und das Recht auf Gleichheit und emanzipatorische Selbstbestimmung. Als Anregungen und Vorlagen der Zeichnungen, die oft zunächst mit Bleistift vor Ort entstehen, und später im Atelier mit Buntstift, Tusche, Federlavierung und Aquarell weiterbearbeitet werden, dienen Kromminga historische Darstellungen, medizinische und naturwissenschaftliche Quellen, Abbildungen aus Illustrierten, Comics, die Bildwelten von Filmen, Science-Fiction und der Alltagskultur. Claudia Funke

Info: „GALERIE FUNKE“ in der Willibald-Alexis-Straße 13/14, 10965 BerlinÖffnungszeiten: Mi 12-17 Uhr, Do-Fr 12-18 Uhr, Sa 12-15 Uhr und nach Vereinbarungwww.galeriefunke.de • www.abject.de

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Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, unterstützt die Spendenkampagne „Ein Dach über dem Kopf“