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Siegfried Zabransky (Hrsg.) SGA-Syndrom ISBN 3-89445-340-0 In der vorliegenden Monografie „SGA-Syndrom: Ernährung und Wachstum“ werden Beiträge des 2. inter- disziplinären SGA-Workshops (Februar 2004) zusammen- gefasst. Es werden die intrauterinen und postnatalen Ernährungseinflüsse auf die weitere Entwicklung des Kindes diskutiert. Es werden u.a. die Grundlagen der komplexen Zusammenhänge zwischen Ernährung und Wachstum, aber auch praktische Aspekte der Ernährungs- beratung der Schwangeren, die Bedeutung des Homo- zysteins auf die kindliche Entwicklung, die genetische Steuerung des fetalen Wachstums, aktuelle Aspekte der fetalen Gewichtseinschätzung, die Regulation des Sättigungshormons und Wachstumsfaktors Leptin, die Zusammenhänge zwischen Ernährung und pulmo- naler Entwicklung, der schädliche Einfluss des Rauchens auf die fetale Entwicklung, psychologische und endokrine Aspekte (Einfluss der Wachstumshormontherapie auf Muskelmasse und Gewichtszunahme; Richtlinien der GH-Therapie bei SGA) behandelt. Die Themenbereiche wenden sich an Geburtshelfer, Perinatologen, Neonato- logen und Pädiater. Jonas SGA-Syndrom: Ernährung und Wachstum S. Zabransky (Hrsg.) Jonas Verlag Ernährung und Wachstum Small for Gestational Age 9 783894 453404

SGA-Syndrom · GH-Therapie bei SGA) behandelt. Die Themenbereiche wenden sich an Geburtshelfer, Perinatologen, Neonato-logen und Pädiater. achstum S. Zabrans ky (Hrsg.) Jonas Verlag

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Siegfried Zabransky (Hrsg.)

SGA-Syndrom

ISBN 3-89445-340-0

In der vorliegenden Monografie „SGA-Syndrom:Ernährung und Wachstum“ werden Beiträge des 2. inter-disziplinären SGA-Workshops (Februar 2004) zusammen-gefasst. Es werden die intrauterinen und postnatalenErnährungseinflüsse auf die weitere Entwicklung desKindes diskutiert. Es werden u.a. die Grundlagen derkomplexen Zusammenhänge zwischen Ernährung undWachstum, aber auch praktische Aspekte der Ernährungs-beratung der Schwangeren, die Bedeutung des Homo-zysteins auf die kindliche Entwicklung, die genetischeSteuerung des fetalen Wachstums, aktuelle Aspekteder fetalen Gewichtseinschätzung, die Regulation desSättigungshormons und Wachstumsfaktors Leptin,die Zusammenhänge zwischen Ernährung und pulmo-naler Entwicklung, der schädliche Einfluss des Rauchensauf die fetale Entwicklung, psychologische und endokrineAspekte (Einfluss der Wachstumshormontherapie aufMuskelmasse und Gewichtszunahme; Richtlinien derGH-Therapie bei SGA) behandelt. Die Themenbereichewenden sich an Geburtshelfer, Perinatologen, Neonato-logen und Pädiater.

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Siegfried Zabransky (Hrsg.)

SGA-Syndrom: Ernährung und Wachstum

Jonas Verlag

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Zweiter Interdisziplinärer Workshop der SGA-Syndrom Arbeitsgruppe

13.-14.Februar 2004, Fasanerie Zweibrücken

SGA-Syndrom: Ernährung und Wachstum

Intrauterine und postnatale Ernährungseinflüsse

auf die Entwicklung des Kindes

Herausgegeben von Prof. Dr. med. Siegfried Zabransky (Institut für Pädiatrische Endokrinologie und Präventivmedizin/Homburg)

in Zusammenarbeit mit der multidisziplinären Arbeitsgruppe der Universitäts-Frauen- und Kinderkliniken Berlin-Bonn-Erlangen-Frankfurt/Main-Gießen-Homburg/Saar-Magdeburg

und Kliniken in Saarbrücken

unter Mitarbeit von

K. Bauer, H. Böhles, I. Brandt, P. Bung, J. Dötsch, Th. Eggermann, Th. Harder, F. Haverkamp, W. Herrmann, M. Kirschbaum, U. Meißner, J. Möller, R. Obeid, I. Östreicher, U. Piro, A. Plagemann, Chr. Plank, M. Ranke, R. Schild, E. Schoof, R. Schweizer, R. Stillger, H. Wollmann

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei

der Deutschen Bibliothek erhältlich.

© 2004 Jonas Verlag für Kunst und Literatur GmbH

Weidenhäuser Str. 88 D-35037 Marburg

www.jonas-verlag.de

Druck: Fuldaer Verlagesagentur

ISBN………

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Vorwort „Ernährung und Wachstum“ war das Leitthema des 2. interdisziplinären SGA-Workshops (13.-14.2.2004 im Landschloss Fasanerie Zweibrücken/Pfalz). Wie bereits beim 1. Workshop 2003 wurden die meisten Beiträge in einem Buch zusammengefasst, das hiermit einem größeren Interessentenkreis vorgelegt werden kann. Nachdem Prof. Bung (Bonn) aus der Sicht des beratenden Arztes in der Praxis auf die Bedeutung der quantitativ und qualitativ richtigen Ernährung in der Schwangerschaft und deren Einfluss auf die spätere Entwicklung des Neugeborenen und des Kindes und die Bedeutung der Mikronährstoffe und Genussgifte (Alkohol, Nikotin) einging, stellte Prof. Böhles (Frankfurt) die komplexen Zusammenhänge der Ernährung und die genetische Regulation wachstumsstimulierender Faktoren, das ICP-Modell, die Bedeutung der Ernährung in den verschiedenen Entwicklungsstufen, ihren Einfluss auf prä- und postnatales Wachstum und die Auswirkungen der Mikronährstoffversorgung auf das Wachstum (Zink, Eisen, Kupfer, Ca, P, Vitamine) dar. Prof. Schild ging auf das Problem der fötalen Gewichtseinschätzung ein. Über die Bedeutung der Homocysteins für die fetale und spätere kindliche Entwicklung referierten Herr Prof. Herrmann und Frau Dr. Obeid (Homburg/Saar). Schlechter B-Vitaminstatus in der frühen Lebensphase, sogar schon zum Zeitpunkt der Empfängnis, kann einen negativen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes haben. Abort, Schwangerschaftskomplikationen, Totgeburt, Neugeborene mit zu geringem Geburtsgewicht (SGA), Neuralrohrdefekte (NRD) und schwere angeborene Anomalien werden mit erhöhten Hcy-Konzentrationen und schlechtem B-Vitaminstatus in Zusammenhang gebracht. Nach der Geburt und im ersten Lebensjahr kann es, wegen der geringen Vitamin B-12-Konzentration in der Muttermilch und dem noch unreifen kindlichen Intrinsic -Faktor, zu einer verringerten Aufnahme von Vitamin B12 kommen. Weitere Beiträge: Dr. Eggermann (Aachen): Übersicht zu genetischen Komponenten des pränatalen Wachstums und dessen Störungen. Dr. Harder, Prof. Plagemann (Berlin): Ernährung und perinatale Programmierung von Adipositas: Zur epidemiologischen Evidenzlage. Prof. Bauer (Frankfurt): Ernährung bei Frühgeborenen. Prof. Mihatsch (Ulm): Nahrungsaufbau bei sehr kleinen Frühgeborenen. Muttermilch für Frühgeborene - was ist bewiesen? Prof. Kirschbaum (Saarbrücken):Rauchen in der Schwangerschaft. PD Dr. Dötsch (Erlangen) und seine Arbeitsgruppe stellten eigene Daten zum Regulationssättigungs- hormon und Wachstumsfaktor Leptin bei der durch IUGR komplizierten Schwangerschaft vor. Die komplizierten Zusammenhänge zwischen Wachstum, Gedeihen und pulmonaler Entwicklung referierte Prof. Möller (Saarbrücken). Frau Prof. Brandt stellte eindrucksvolle Entwicklungsdaten kleiner Früh-/Mangelgeborener und die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Aufholwachstum des Kopfumfangs und der Prognose vor. Das Thema „Die psychologischen Aspekte essgestörter SGA-Kinder“ (Prof. Haverkamp, Bonn) schloss den Themenkreis. Zuvor gingen Dr. Schweizer (Tübingen) und Prof. Zabransky (Homburg) auf endokrine Aspekte ein. Schweizer: Einfluss von Wachstumshormon, Gewichtsentwicklung und Körperzusammensetzung bei Kindern mit SGA. Zabransky: Empfehlungen zur WH-Therapie von SGA-Kindern. Die interdisziplinäre Betrachtung der mit SGA und IUGR im Zusammenhang stehenden Fragen und Probleme wir zunehmend an Bedeutung gewinnen. Das vorliegende Buch will einen kleinen Beitrag als Informationsquelle für Interessierte leisten. Der 3. interdisziplinäre SGA-workshop wird vom 27.-28.2.2005 in Homburg/Saar (Schlossberghotel) abgehalten. Leitthema: Risiken für die Entwicklung des Nervenssystems bei SGA und IUGR. Informationen: www.sga-syndrom.de ; [email protected] . Ich danke allen, die am Gelingen dieses Buches beigetragen haben und wünsche mir weiterhin lebhaftes Interesse an unserem Arbeitskreis SGA-Syndrom

Homburg/Saar, im Juni 2004 Prof. Dr. Siegfried Zabransky

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Adressenverzeichnis der Erstautoren

Prof. Dr. med. Karl Bauer Universitätskinderklinik/Neonatologie Theodor Stern Kai 7 D-60590 Frankfurt/Main Tel. +49(0)69-6301-5120 Fax.+49(0)69-6301-6763 [email protected] Prof. Dr. med. Hanjosef Böhles Universitätskinderklinik Theodor Stern Kai 7 D-60590 Frankfurt/Main Tel. +49(0)69-6301-6473 Fax.+49(0)69-6301-5229 [email protected] Frau Prof. Dr. med. Ingeborg Brandt Universitätskinderklinik Adenauerallee D-53113 Bonn Tel. +49(0)228-287-3239 Fax.+49(0)228-3314 [email protected] Prof. Dr. med Peter Bung Gynäkologische Praxisklinik, Friedensplatz 9 D-53111 Bonn [email protected] PD Dr. med. Jörg Dötsch Universitätskinderklinik Loschgestr. 15 D-91054 Erlangen Tel: +49-9131-853-3131 Fax: +49-9131-853-6097 [email protected] Dr. rer.nat. Thomas Eggermann Institut für Humangenetik Universitätsklinikum der RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 D-52074 Aachen Tel. +49 (0) 241 8088008 Fax +49 (0) 241 8082394 [email protected] Dr. med. Thomas Harder, M.Sci (Epidemiology) AG Experimentelle Geburtsmedizin Klinik für Geburtsmedizin, Charite Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum Augustenburger Platz 1 D-13353 Berlin

Tel. +49-30-450-524068 Fax.+40-30-450-524922 [email protected] Prof. Dr. med. Fritz Haverkamp Universitätskinderklinik Adenauerallee D-53113 Bonn Tel: +49-228-287-3289 Fax: + 49-228-287-3314 [email protected] Prof. Dr. med. habil. Dr. rer. nat. Wolfgang Herrmann Leiter Klinisch-Chemisches Zentrallabor Universitätskliniken des Saarlandes Gebäude 40 D-66421 Homburg/Saar Tel: 06841-16-23081 Fax: 06841-16-23109 [email protected] Prof. Dr. Dr.med. Michael Kirschbaum Chefarzt der Frauenklinik Caritasklinik St. Theresia Rheinstr. 266113 Saarbrücken Tel. +49-681-406-1300 Fax. +49-681-406-1383 [email protected] Prof. Dr. med. Jens C. Möller Chefarzt Klinik für Kinder und Jugendmedizin Klinikum Saarbrücken Winterberg 1 D-66119 Saarbrücken [email protected] Tel. +49-681-963-2149 Fax.+49-681-963-2126 Dr. med. Roland Schweizer Universitätskinderklinik Hoppe-Seyler-Straße 1 D-72076 Tübingen Tel. 07071-29-83781 [email protected] Prof. Dr. med. Siegfried Zabransky Institut für Päd. Endokrinologie und Präventivmedizin Im Fuchstal 8 D-66424 Homburg/Saar Tel. +49(0)6841-172 785 Fax. 01212-5-152-13-672 [email protected]

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1. Ernährung und WachstumHansjosef Böhles

Unter Hungerbedingungen, wie sie in Deutsch-land nach dem Zweiten Weltkrieg bestanden,wurde bei Kindern eine Wachstumsretardie-rung von 10 bis 20 Monaten beobachtet. DieseBeobachtung unterstreicht die Bedeutung derErnährung als wesentliche Einflusskomponenteauf das normale Wachstum. Bei einer Malnutri-tion besteht nicht nur ein kalorisches Problem,sondern ein Mangel an spezifischen Nahrungs-bestandteilen, die Einfluss auf das Wachstumhaben können. Energiebildung, Versorgungmit Cofaktoren und Gewebebausteinen sinddie verbindenden Komponenten zwischenNahrungsaufnahme und Wachstum.

1. Allgemeine Gesichtspunkte desEinflusses der Nahrung auf die gene-tische Regulation wachstumsstimulie-render Faktoren

Wachstumssteigernde Faktoren wirken nicht nurüber klassische endokrine, sondern auch überparakrine, juxtakrine und autokrine Mechanis-men. Die Regulation ihrer Wirkung kann überdie Einzelfaktoren selbst, über ihre Bindungs-proteine oder ihre Rezeptoren erfolgen. Kennt-nisse über Gen-Nahrungsmittelinteraktionen inkritischen Entwicklungsmomenten haben einezentrale Bedeutung für die Regulationsmecha-nismen des Wachstums. Am Mausmodell(C57BL/6J-hg/hg) konnte eindeutig nachge-wiesen werden, dass die Nahrungszusammen-setzung z.B. die Wirkungen des Genotyps hgauf das Wachstum modulieren kann (1).

Hormone, die eine besondere Rolle imWachstumsprozess spielen, insbesondereWachstumshormon, die Schilddrüsenhormoneund Insulin, signalisieren Nährstoffverfügbar-keit und bestimmen die Aktivität substratbezo-gener Transporter und geschwindigkeitsbestim-

mender Enzyme. Änderungen der Nährstoffzu-fuhr können die Verfügbarkeit und Aktivität prä-existierender Proteine verändern oder die Syn-these neuer Proteine beeinflussen, indem derGen-Transskriptionsprozess bzw. der posttrans-lationale Verarbeitungsprozess des Gen-pro-dukts beeinflusst wird.

In den Geweben ausgewachsener Personenmit ausgeglichener Energiebilanz besteht einGleichgewicht zwischen anabolen und katabo-len Genprodukten. Im Entwicklungsalter dage-gen sind die Regulationsmechanismen zugun-sten eines Nettowachstums verschoben.Wachstum ist dabei von der verfügbaren Ener-giemenge nach Deckung des Bedarfs für Ther-moregulation und Körperaktivität abhängig.Die Betrachtung der Energiezufuhr in Abhän-gigkeit des Energiebedarfes hat eine wesentlichhöhere Aussagekraft als die alleinige Aussageüber die Energieaufnahme. Die Plasma IGF-1Konzentrationen werden daher hauptsächlichdurch die Nettoenergieverfügbarkeit beein-flusst. Es besteht eine starke positive Korrelationzwischen der Plasma-IGF-1 Konzentration undder Wachstumsgeschwindigkeit. EingehendereStudien haben darüber hinaus gezeigt, dass ei-ne Absenkung der Energiezufuhr beim Fastenzu einem verminderten Knorpelwachstum führt.Dem Abfall der kartilaginären Wachstumsakti-vität geht der Abfall der Plasma IGF-1 Konzen-tration voraus (2).

Der Ernährungszustand reguliert gewebe-spezifisch die Expression des Wachstumshor-monrezeptors. Im Zustand der Unterernährungist der hepatische Wachstumshormonrezeptordown-reguliert während er in der Muskulaturup-reguliert ist (3). Diese gewebespezifischeAntwort der Wachstumshormonregulation inAbhängigkeit des Ernährungszustandes legtnahe, dass eine geringe Nahrungsaufnahme ineiner verminderten hepatischen IGF-1 Produk-

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tion und damit in einem vermindertem Wachs-tum resultiert. Die Rezeptorvermehrung amMuskel dagegen weist auf eine Zunahme derdirekten metabolischen Wachstumshormonwir-kungen hin, wodurch Glukose gespart undFettutilisation gefördert würden. Dahinter steckteine Optimierungsphilosophie des Organis-mus bei Energiemangel primär den glukoseab-hängigen Organen das Überleben zu ermögli-chen. Gewebewachstum hat in dieser Situationsomit eine nachgeordnete Bedeutung.

Innerhalb weniger Tage des Nährstoffman-gels fällt die IGF-1 Konzentration exponentiellab. Klinische Untersuchungen konnten zeigen,dass es während einer zehntägigen Fastenperi-ode zu einem zunehmendem Abfall der IGF-1Konzentrationen kam, wobei bereits nach fünfTagen für einen Hypopituitarismus typischeKonzentrationen erreicht wurden. Die IGF-1Konzentrationen waren mit der Stickstoffbilanzkorreliert, was ganz allgemein als Hinweis aufdie Bedeutung des Proteinstoffwechsels gewer-tet werden kann. Mit der Wiederauffütterungkam es schnell wieder zu einer Normalisierungder IGF-1 Konzentrationen (4). Dieser Abfall istdurch die Verminderung der hepatischen IGF-1Genexpression, die auch in nicht-hepatischenGeweben erfolgt, verursacht. Sowohl die Kalo-rien- als auch die Proteinaufnahme spielen da-bei eine Rolle.

Experimentell kann die IGF-1 Aktivität inNormalserum durch die Zugabe von Serummangelernährter Patienten gehemmt werden;dies spricht für zirkulierende IGF-1 Inhibitoren(5, 6). Der Abfall der IGF-1 Aktivität wird je-doch nicht alleine auf die alleinige Anwesen-heit von Inhibitoren zurückgeführt. IGF-1 und-2 werden im Nüchternzustand viel wenigerdurch Wachstumshormon stimuliert als im Zu-stand der ausreichenden Fütterung. Die abge-schwächte Antwort war für IGF-1 stärker ausge-prägt als für IGF-2 (7). Diese Untersuchungenzeigen, dass IGF-Messungen im Rahmen derEinschätzung eines Ernährungsproblems bzw.einer ernährungsbezogenen Erkrankungdurchaus nützlich sein können. Bei Kindern oh-ne Wachstumshormonmangel sollten bei nied-rigen IGF-1 Konzentrationen daher auch er-

nährungsbezogene Erkrankungen in Betrachtgezogen werden. Die Geschwindigkeit derIGF-1 Normalisierung im Rahmen der Wieder-auffütterung ist ein sensitiverer Indikator dermetabolischen Situation als z.B. die Messungder Serumalbuminkonzentration.

Die Ernährung ist ebenfalls ein wichtiger Re-gulator des Wachstumshormonrezeptors undder Wachstumshormonbindungsproteine (8).Die Regulation der Serum-IGFBP-3- wie auchder IGF-1 Konzentration erfolgt hauptsächlichüber Wachstumshormon. IGFBP-1 dagegenwird im wesentlichen durch die Nährstoffzufuhrbeeinflusst. Im Nüchternzustand steigt IGF-1rasch an, während IGFBP-1 bei Wiederauffüt-terung supprimiert wird. Diese Effekte sinddurch Insulin bedingt, welches die IGFBP-1Genexpression hemmt. Dieser Effekt ist durchdie intrazelluläre Verfügbarkeit von Glukosebedingt. In der Folge ist es verständlich, dassbei Unterernährung und Diabetes mellitus dieIGFBP-1 Konzentrationen erhöht sind und beiWiederauffütterung rasch wieder abfallen.

2. Das ICP-Modell

Die Analyse der menschlichen Wachstumskurveentsprechend dem von Karlberg et al. (9) be-schriebenen „Infancy-Childhood-Puberty (ICP)“-Modell beschreibt die kumulierenden physiolo-gischen Einflüsse auf das Wachstum in ihrem dy-namischen Zusammenhang. Die „Infancy“-Komponente ist dabei weitgehend ernährungs-beeinflusst, während die „Childhood“-Kompo-nente durch die Wachstumshormonausschüt-tung bedingt ist. Die „Puberty“-Komponente re-präsentiert die Summe der Einflüsse von Wachs-tumshormon und Sexualsteroiden. Kinder mitWachstumshormonmangel wachsen daher zu-mindest während der ersten mindestens sechsLebensmonate durchaus normal. Der Beginnder „Childhood“-Komponente ist positiv mit derErnährungsintensität während der „Infancy“-Komponente korreliert. Ein geringer Längenzu-wachs in der ernährungsabhängigen Phase wirdoffensichtlich durch einen frühen Beginn der„Childhood“-Komponente kompensiert. Sitzhö-

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he und Extremitätenlänge werden im zeitlichenAblauf der drei Komponenten unterschiedlichbeeinflusst. Ein Zuwachs an Sitzhöhe ist mehrdurch die „Infancy“- und die „Puberty“-Kompo-nente bedingt. Der Zuwachs an Extremitätenlän-ge dagegen erfolgt im Rahmen der „childhood“-Komponente.

3. Der Einfluss der Ernährung auf dasWachstum während unterschiedlicherEntwicklungsperioden

Der entscheidende Faktor im Einfluss der Er-nährung auf das Wachstum ist die Wachstums-geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Nahrungs-mangels. Die somatische Wachstumsrate ist niemehr im Leben so hoch wie während der Fötal-zeit. Obwohl die Wachstumsgeschwindigkeitnach der Geburt stark abnimmt, ist sie trotzdemin den ersten drei Lebensjahren, insbesondereim ersten Lebensjahr, sehr hoch. Das erste Le-bensjahr ist die hinsichtlich der Auswirkungeneiner Mangelernährung vulnerabelste Periode.Nach einer Malnutritionsperiode ist dasWachstum zum Ausgleich des Längen- und Ge-wichtsdefizits im Sinne eines Aufholwachstumsbeschleunigt. Je nach der Dauer der Malnutri-tionsperiode ist der Versuch des Aufholwachs-tums unterschiedlich erfolgreich.

3.1 Ernährung und pränatales Wachstum

Fötales Wachstum ist das Ergebnis genetischerEinflüsse und modifizierender exogener Einflüs-se, unter denen die fötale Ernährung am wich-tigsten ist. Die fötale Nährstoffversorgung isthauptsächlich durch Plazentawachstum unddie uterine Blutzufuhr beeinflusst. Die limitie-renden Substrate sind Sauerstoff, Glukose undAminosäuren. In einer normalen Schwanger-schaft besteht ein direkter Zusammenhang zwi-schen mütterlicher Blutglukosekonzentration imdritten Trimenon und dem Geburtsgewicht(10). Hierdurch wird exemplarisch deutlich,dass die fötale Insulinsekretion für das Wachs-tum entscheidend ist (11). Es wird im allgemei-

nen angenommen, dass die Zufuhr von zu we-nig Nährstoffen eine relativ geringe Wirkungauf das fötale Wachstum hat. Ein Hungerzu-stand, wie er in Holland 1944–45 beobachtetwurde, führte nur dann zu einer Verminderungdes Geburtsgewichts, wenn die mütterliche Ka-lorienzufuhr im dritten Schwangerschaftstrime-non von 1500 kcal/Tag unterschritten wurde(12). Geringere Grade der Unterernährungkönnen Langzeitkonsequenzen für das postna-tale Wachstum und die Entwicklung haben.Diese Untersuchungen ergaben auch Hinweiseauf Effekte über eine Generation hinweg, d.h.Frauen, die im ersten Schwangerschaftstrime-ster hungerten, gebaren Töchter mit normalemGeburtsgewicht; aber wenn die Töchter selbstwiederum Kinder gebaren, hatten diese ein ge-ringeres Geburtsgewicht als erwartet. Darauswurde geschlossen, dass die großmütterlicheUnterernährung das Uteruswachstum der zu-künftigen Mütter beeinflusst hatte (13).

3.2 Einfluss der Ernährung auf das postnataleWachstum

3.2.1 Einfluss der Nahrungsrestriktion auf dasWachstum

Wachstum braucht eine positive Nettoenergie-bilanz. Darin sind Nährstoffe für die Grund-energieversorgung als auch für den Gewebe-neuaufbau eingeschlossen. Der Energiebedarffür die Gewebesynthese übersteigt die Energie-menge, die in den gebildeten Peptid-bindun-gen enthalten sind (14). Der wachstumsbezo-gene kalorische Bedarf ist relativ gering, wennman von den ersten Monaten des ersten Le-bensjahres absieht, in denen bis zu 30% desEnergieverbrauches wachstumsbezogen sind(15); in Zeiten der Erholung von einer Malnutri-tion übersteigt die Gewichtszunahme das7–15fache des Normalen (16). Nach dem er-sten Lebensjahr übersteigt der Energiebedarffür körperliche Aktivität den für das Gewebe-wachstum (17). Ein vermindertes Wachstum istein sensitiver klinischer Marker einer Unterer-nährung, wobei die Verminderung der Ge-

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wichtszunahmegeschwindigkeit die der Wachs-tumsgeschwindigkeit vorausgeht. Beide Maßesind sensitiver als eine altersbezogene Vermin-derung der Höhe (18).

Der spezielle Substratbezug der Nährstoff-einschränkung (Protein, Protein-Kalorien, Koh-lenhydrate, Fett) wirkt sich auf das Wachstums-muster aus. Einzelne Fettsäurefamilien habenoffensichtlich keinen Einfluss auf die Konzentra-tionen von Serumwachstumsfaktoren, wie aneiner Studie mit Fischölsupplementen gezeigtwerden konnte (19). Gewebe wachsen drei-phasisch, die mit einer Zunahme der Zellzahlbeginnt, dann in einer Vermehrung der Zell-zahl und Zellgröße übergeht, um dann in einerreinen Zellhypertrophie zu enden (20). Die Zeit,in der es in bestimmten Geweben zu einer Ver-mehrung der Zellzahl kommt, ist kritisch undabhängig vom Ernährungszustand. Nach die-ser Periode ist nur noch eine Zellhyperplasiemöglich, die jedoch auch bei verbesserterNährstoffsituation nicht mehr voll kompensato-risch ist (21).

3.2.2 Der unterschiedliche Einfluss einerUnterernährung auf das Organwachstum

Unterernährung hat unterschiedliche Auswir-kungen auf das Organwachstum. So wird z.B.das Zahnwachstum früher betroffen als das vonKnochen, und Knochen wachsen besser alsweiche Gewebe wie Muskulatur und Fett. Ske-lettreifung ist weniger betroffen als Skelett-wachstum, und im Gehirn ist die Myelinisierungweniger betroffen als das Gesamtwachstum.Eine frühzeitige Mangelernährung kann denOrganismus dauerhaft schädigen, wobei je-doch unterschiedliche Gewebe unterschiedlichbetroffen sein können. Allgemein kann formu-liert werden: Organismen, die sehr frühzeitigunterernährt werden, haben kleinere Organemit weniger Zellen, und relativ zu ihrer vermin-derten Gesamtgröße haben sie ein dyspropor-tioniert großes Gehirn und große Knochen, einnormal großes Herz und Nieren und eine Ver-minderung der Skelettmuskulatur (22). Wäh-rend eine Mangelernährung das Wachstum

vermindert, kann eine exzessive Nährstoffzu-fuhr zu einem verstärkten Wachstum führen(23). Dies wurde sowohl an Ratten wie auch beiMenschen gezeigt (24). Überernährte Kindersind nicht nur dick, sondern auch groß und ha-ben eine vermehrte Körpermagermasse (24).Lange Wachstumsstillstandperioden manife-stieren sich an einer verminderten Beinlänge.Zwischen Nahrungsverfügbarkeit und Beinlän-ge konnte eine Korrelation nachgewiesen wer-den (25). Bei schlechter Nährstoffversorgungist das Wachstum der Sexualorgane zum Zeit-punkt der Pubertät relativ weniger vermindertals das anderer Organe. Nährstoffeinschrän-kung führt zu einer verlangsamten Produktiondes stratum germinativum der Haut, abergleichzeitig auch zu einer verminderten Haut-abschilferung, so dass in der Differenz dieHautdicke normal bleibt (26). Unter diesen Be-dingungen wird Eiweiß nicht nur in nicht ausrei-chender Menge zugeführt, sondern zusätzlichverbraucht, so dass eine Reduktion der Körper-zellmasse resultiert. Obwohl die Fettmasse ver-mindert ist, ist eine Verminderung des Körper-gewichtes durch die Flüssigkeitsretention im Ex-trazellulärraum (Hungerödeme) maskiert.

3.2.3 Energie- und Proteinbedarf für dasGewebewachstum

Der wachstumsbezogene Nahrungsbedarfkann am besten bei schnell wachsenden Säug-lingen festgestellt werden. Die Nettoproteinsyn-these resultiert aus der gleichzeitigen Syntheseund Degradation von Eiweiß. Die Nettoprotein-synthese von 1g resultiert von 7,5g Syntheseund 6,5g Degradation. Wenn der Nettopro-teinzuwachs gegen den Energieverbrauch auf-getragen wird, ergibt sich für einen 0-Protein-zuwachs ein Energiebedarf von 40 kcal/kg/Tag. Dieser Energiebedarf wird somit allein fürProteinauf- und -abbau benötigt. Wenn derNettoproteinzugewinn gegen die zugeführteProteinmenge aufgetragen wird, schneidet dieRegressionslinie die X-Achse bei einer Protein-zufuhr von 0,3–0,4 g/kg/Tag. Diese Mengebeschreibt die minimale Proteinzufuhr, um ei-

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nen Nettoproteinabbau zu vermeiden. EineAminosäurezufuhr von ca. 0,4 g/kg/Tag bei 40kcal/kg/Tag Energiezufuhr gibt das absoluteMinimum für die Körperproteinstabilität an. ZurAufrechterhaltung der Gewichtsstabilität wer-den weitere 10 kcal/kg/Tag benötigt. Der Ener-giebedarf pro kg Körpergewicht nimmt mit zu-nehmendem Alter ab. Er beträgt in den erstensechs Lebensmonaten ca. 120 kcal/kg/Tagund ca. 110 kcal/kg/Tag in den nächsten sechsMonaten. Eine effiziente Proteinausnutzungkann bei einem Energie/Protein-Verhältnis von24–31 kcal/g Eiweiß erwartet werden. Wäh-rend des zweiten und dritten Lebensjahres istder Energiebedarf immer noch ca. 100 kcal/kg/Tag.

Während der folgenden Jahre besteht fol-gender Kalorienbedarf:

• 4.–6. Lebensjahr: ca. 90 kcal/kg/Tag• 7.–9. Lebensjahr: ca. 80 kcal/kg/Tag• 10.–12. Lebensjahr: ca. 70 kcal/kg/Tag• 13.–15. Lebensjahr: ca. 60 kcal/kg/Tag

Der ausgereifte Organismus hat einen Energie-bedarf von ca. 40–50 kcal/kg/Tag. Interessan-terweise sind Diäten mit einem Fettanteil von<22% mit einem verminderten Wachstum ver-bunden (27). Es konnte bei Kindern aus einemElendsvorstadtsviertel in Sao Paulo (Brasilien)keine signifikante Assoziation zwischen Wachs-tumseinschränkung und Energieverbrauch fest-gestellt werden. WachstumseingeschränkteMädchen zeigten jedoch einen niedrigerenEnergiebedarf als Knaben. Damit kann evtl.das hohe Adipositasrisiko wachstumseinge-schränkter Mädchen erklärt werden (28). Va-riationen des Ruheenergiebedarfs stehen in Be-ziehung zu den Veränderungen der Muskelpro-teinsynthese. Die ist weitgehend auf den Ener-giebedarf für die Muskelproteinsynthese zu-rückzuführen (29).

4. Die Auswirkungen der Mikronähr-stoffversorgung auf das Wachstum

Neben einer ausreichenden Proteinzufuhr wer-den eine Reihe von Mikronährstoffen für dasWachstum als essentiell angesehen.

4.1 Zink

Zink ist seit langem als ein essentieller Mikro-nährstoff für das Wachstum erkannt. Es ist alsBestandteil einer Vielzahl von Enzymen an denmetabolischen Abläufen beteiligt. Zinkmangelbeeinflusst mehrere wesentliche biologischeFunktionen, wie z.B. Genexpression, Protein-synthese, Immunität, Skelettwachstum und -rei-fung, Gonadenentwicklung, Geschmacks-wahrnehmung und Appetit. Kleinwuchs ist einklassisches Merkmal des schweren Zinkman-gels (30). Zink beeinflusst die Sekretion vonWachstumshormon, IGF-1, Schilddrüsenhor-monen und Sexualsteroiden. Beim Zinkmangelist die Konzentration des zirkulierenden IGF-1sowie die hepatische Wachstumshormonrezep-tordichte vermindert. Die Wachstumshormon-konzentration selbst ist nicht betroffen (31). Dieeleganteste Nachweismethode eines Zinkman-gels ist die Beurteilung der Reaktion auf eineZinksupplementierung. In einer placebokon-trollierten Untersuchung, die in Äthiopien ankleinwüchsigen Kindern durchgeführt wurde,konnte gezeigt werden, dass das Wachstum si-gnifikant zunahm, wenn für 6 Monate 10 mgZink/Tag supplementiert wurden. Die Zinkkon-zentrationen im Serum und in den Haaren wa-ren dabei positiv mit dem linearen Wachstumkorreliert (32). Diese Ergebnisse stimmen mitden Befunden einer Metaanalyse von 22 Zink-supplementierungsuntersuchungen bei Kin-dern überein (33). Der wachstumsstimulieren-de Effekt von Zink war jedoch bei Knaben stär-ker ausgeprägt als bei Mädchen (34). Für ge-stillte Kinder ist anzumerken, dass der Zinkge-halt der Muttermilch nicht durch die mütterlicheDiät beeinflusst wird. Ein kritischer Faktor je-doch ist die Verschlechterung der Bioverfügbar-keit durch Cerealien (35).

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4.2 Eisen

Eisen hat einige, nicht hämatologische Funktio-nen. Die Ergebnisse verschiedener Untersu-chungen hinsichtlich der Wirkung von Eisen aufdas Wachstum sind unterschiedlich. Es steht je-doch außer Frage, dass Eisenmangel sowohl diemotorische als auch die mentale Entwicklungnachhaltig beeinflusst (36). Eine kritische Zeit-periode dafür liegt zwischen dem 6. Lebensmo-nat und dem 2. Lebensjahr, also der Zeit mithäufig auftretenden Eisenmangelanämien.

4.3 Kupfer

Kupfermangel kann bereits bei niedrigem Ge-burtsgewicht auftreten. Gehäuft jedoch mussmit ihm bei reiner Kuhmilchfütterung, Malnutri-tion und Durchfall gerechnet werden. Bei Früh-geborenen kann Kupfermangel eine systemi-sche Knochenproblematik auslösen (37). DerEinfluss von Kupfer auf das Wachstum wurdevor allem bei Kindern in der Erholungsphasenach einer Mangelernährung studiert (38). Diemit Kupfer supplementierten Säuglinge zeigtenein signifikantes Gewichts-, aber nicht Längen-aufholwachstum.

4.4 Kalzium und Phosphor

Ohne eine ausreichende Supplementierungvon Kalzium, Phosphor und andere anorgani-sche Substanzen, wie Magnesium, Manganund Fluor, ist kein adäquates Knochenwachs-tum möglich. Eine problematische Absenkungder Serumphosphatkonzentration ist regelmä-ßig bei der Wiederauffütterung von Patientennach längeren Hungersituationen, wie z.B. beider Anorexia nervosa, zu sehen (39).

4.5 Vitamine

Vitamine haben hinsichtlich des ungestörtenAblaufes von Wachstumsvorgängen eine großeBedeutung.

Vitamin A kontrolliert sowohl die Osteobla-sten- als auch die Osteoklastenaktivität. EineVitamin A Überdosierung, wie sie bei der regel-mäßigen Aufnahme angereicherter Nahrungs-mittel oder pharmakologischer Mengen auftre-ten kann zu einer Verlangsamung des Skelett-wachstums führen. Ein Vitamin A-Mangel da-gegen führt zu einer Störung der „Modellie-rungsvorgänge“ an den Knochenendigungen.

Vitamin B2-Mangel (Riboflavin) ist mit einergravierenden Wachstumsbeeinträchtigung ver-bunden.

Vitamin C Mangel führt zu einer ungenügen-den Bildung interzellulärer Knochensubstanz,und neu gebildeter Knorpel ist nicht ausrei-chend kollagenisiert. Skorbut, als schwersteForm des Vitamin C-Mangels, ist mit einem ver-minderten Wachstum im Bereich der epiphysä-ren Wachstumsfugen verbunden.

Vitamin D-Mangel führt zu einer ungenügen-den Mineralisierung des epiphysären Knorpels.

5. Der Einfluss ausgewählter ernäh-rungsbezogener Erkrankungen aufdas Wachstum

5.1 Kwashiorkor

Bei schwerer Proteinmalnutrition (Kwashiorkor)findet trotz normaler oder sogar erhöhterWachstumshormonkonzentrationen kein regel-rechtes Längenwachstum mehr statt (40). Diezirkulierenden IGF-1 Konzentrationen sind ent-sprechend dem Ausmaß der Malnutrition ver-mindert. Wenn bei Schulkindern die täglicheKalorienzufuhr 12 kcal/kg unterschreitet, stelltsich in Folge einer Verminderung der Wachs-tumshormonrezeptordichte eine Unempfind-lichkeit gegenüber Wachstumshormon ein.Ausgelöst wird Kwashiorkor, die schwerste Formeiner Proteinmalnutrition, häufig durch Infektio-nen (Tuberkulose!) bei gleichzeitig im Verhältniszu den Kalorien zu geringer Proteinzufuhr. Dieklassischen Krankheitssymptome sind: Wachs-tumsretardierung, Hypalbuminämie mit Öde-men, Haar- und Hautveränderungen. Norma-lerweise dunkles Haar wird fein, depigmentiert

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oder „orange“-farben und kann in Büschelnausfallen. Das eingeschränkte Wachstum grün-det sich auf eine verzögerte Skelettentwicklungmit subnormaler Mineralisation, Corticalisver-dünnung der langen Röhrenknochen, vermin-derter Trabekulierung und Wachstumsstillstand.Nach entsprechender Wiederauffütterung istein vollständiges Aufholwachstum möglich.

5.2 Diabetes mellitus (DM)

Insulin fördert die Kalorienspeicherung durchdirekte Einwirkung auf Fett und Muskulatur. Eswirkt permissiv auf die proteinanabole Wirkungvon Wachstumshormon. Wachstumshormonbewirkt bei hypophysektomierten und zusätzlichpankreatektomierten Tieren nur eine geringeN-Retention. Erst nach Insulinsubstitution ist ei-ne Verbesserung der N-Bilanz zu erzielen (41).Der D.m.Typ I ist ein geradliniges Modell, beidem ein verändertes Wachstum und Verände-rungen der IGF-1 Konzentration auf eine ge-störte Nährstoffverwertung zurückgeführt wer-den können. Es bestehen erhöhte Konzentratio-nen zirkulierender metabolischer „Brennstoffe“(Glukose, freie Fettsäuren, Ketonkörper, Ami-nosäuren) bei einer wegen des Insulinmangelsverminderten Anabolie.

Nach der Manifestation des D.m. im Kindes-alter wurde eine allgemeine Verminderung derWachstumsgeschwindigkeit von – 0,7 SD be-obachtet (42). Von Kindern mit bereits längereZeit bestehendem D.m. Typ I wurde eine Ver-minderung der Wachstumsgeschwindigkeit vonca. 0,5 cm/Jahr berichtet (43). Gleichfalls exi-stieren Berichte über einen ausgeprägten Klein-wuchs bei Kindern mit einem D.m. Typ I seit > 6Jahren. Berichte von eineiigen Zwillingen ge-ben bei dem an D.m. erkrankten Zwilling einKörperhöhendefizit von > 5 cm an (44, 45).

5.3 Cystische Fibrose (CF)

Die Analyse der Wachstumsdaten von 226 au-stralischen Kindern mit CF zeigte, dass 7,6%der Patienten wachstumsretardiert waren (46).

Und Querschnittsuntersuchungen von Patien-ten in Großbritannien in der ersten Lebensde-kade wiesen eine Körperhöhe 0,5 SD unterdem Bevölkerungsdurchschnitt auf (47). Als Ur-sache der Wachstumsretardierung werden, wieauch im Tierversuch nachgewiesen, erniedrigteIGF-1 Konzentrationen angesehen (48).

5.4 Zöliakie

Die unbehandelte Zöliakie ist als Ursache einesstark eingeschränkten Wachstums geläufig(49). Auch hier fallen wieder die niedrigenIGF-1 Serumkonzentrationen auf (50). Da sichdie Zöliakie im Kindesalter durchaus mono-symptomatisch, z.B. ausschließlich als Klein-wuchs-problem manifestieren kann, sollte siedifferentialdiagnostisch immer und in vorder-ster Linie in die Aufarbeitung der Wachstums-störung einbezogen werden. Neuerdings wur-de auch dargestellt, dass sich hinter Kleinwuchsmit normaler Wachstumsgeschwindigkeitebenfalls eine Zöliakie verbergen kann (51).

5.5 M. Crohn

Die Störung des Längenwachstums ist ein klas-sisches und häufig der gastrointestinalen Pro-blematik vorausgehendes klinisches Symptomentzündlicher Darmerkrankungen (52, 53). Ei-ne reduzierte Kalorienzufuhr spielt dabei keineentscheidende Rolle (54). In einer retrospekti-ven Untersuchung an 38 M. Crohn-Patientenmit dem Erkrankungsbeginn im Kindesalterwurde bei 31% eine permanente Beeinträchti-gung des Längenwachstums nachgewiesen(55). Die Wachstumsstörung war dabei beiKnaben stärker ausgeprägt als bei Mädchen.Die Wachstumsstörung ist durch eine gestörtepulsatile Wachstumshormonsekretion in derfrühen „slow wave“-Schlafphase bedingt (56).Es wurde nachgewiesen, dass durch eine fünf-wöchige ausschließliche Ernährung mit einerElementardiät die spontane Wachstumshor-monfreisetzung normalisiert werden konnte.Durch diese Behandlungsform, die sich vor al-

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lem für Fälle mit vorwiegendem Dünndarmbe-fall bewährt hat, konnte eine primäre Reduktiondes Mengenbedarfes an Methylprednison undAzathioprin erzielt werden (57).

5.6 Anorexia nervosa

An einer Anorexia nervosa erkrankte (meistens)Mädchen erleiden eine massive Einschrän-kung des Längenwachstums, die mit einer star-ken Verminderung der IGF-1 Konzentrationeinhergeht (58). Die endokrinologischen Auf-fälligkeiten der somatotropen Achse enthaltenhypothalamische, hypophysäre und periphereElemente. Bei Patienten mit Anorexia nervosasind die hypophysären Wachstumshormonpul-se in bezug auf Häufigkeit, Intensität und Dau-er vermehrt. Eine Vervierfachung der täglichenpulsatilen Wachstumshormonsekretion warvon einem 20fachen Anstieg der basalen,nicht pulsatilen Sekretion begleitet. Es bestehteine negative Korrelation zwischen dem Kör-

permassenindex (BMI) und den basalen, wieauch pulsatilen GH-Sekretionsraten (59). DieWachstumshormonantwort auf GHRH ist incharakteristischer Weise gesteigert, und diehemmende Wirkung einer Hyperglykämie istverloren gegangen (60). Dagegen sind IGF-1und sein Bindungsprotein IGFBP3 bei diesenPatienten massiv erniedrigt, während sie z.B.bei Patienten mit Adipositas erhöht sind (61,62). Die IGFBP-3 Konzentrationen sind positivmit dem BMI korreliert (62). Alle Veränderun-gen waren durch die Wiederauffütterung re-versibel (62). Die verminderten IGFBP 3 Kon-zentrationen unterscheiden sich von anderenkatabolen Situationen, weil sie bei anorekti-schen Patienten nicht mit einem vermehrtenIGFBP 3-Abbau assoziiert sind (63). Diese Da-ten stimmen mit der Hypothese überein, dassder Nährstoffmangel die GH-IGF Achse durchDown-Regulation des Wachstumshormonre-zeptors bzw. seiner Postrezeptormechanismen.Dieser Effekt ist durch die Wiederauffütterungreversibel (62, 64).

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2. Lifestyle in der Schwangerschaft:Ernährung und Genussgifte und derenAuswirkungen auf das weitere Leben

Peter Bung

1. Einleitung

In den ersten Gesprächen vor und während derfrühen Schwangerschaft soll nach dem Mutter-pass die Beratung über Angelegenheiten derim weiteren Sinne „Lebensführung“ einen be-sonderen Stellenwert einnehmen. Mit diesenFragen setzt sich heute – in einer Zeit mit Beto-nung auf Freizeitgestaltung und einem erhöh-ten Körperbewusstsein, also der Ära des „life-styles“ – eine Vielzahl der Schwangeren immerkritischer auseinander, und die Beantwortungist erfreulicherweise in den vergangenen Jah-ren in zunehmendem Maße auch auf wissen-schaftlicher Ebene erfolgt. Gleichwohl basierenzahlreiche, auch ärztliche Empfehlungen aufdem nicht immer ganz korrekten „gesundenMenschenverstand“. Dies betrifft hinsichtlichder Ernährung gelegentlich noch immer dieMenge der Nahrungszufuhr („Frau soll für zweiessen“), dabei insbesondere Unklarheiten überdie sogenannten Mikronährstoffe, deren Be-deutung für die Medizin im allgemeinen und fürdie Schwangerschaft im speziellen einen zen-tralen Stellenwert einzunehmen beginnt. Auchbezüglich der sozial akzeptierten bekanntenGenussgifte scheint gelegentlich die Informa-tionsvermittlung und damit die präventive Auf-gabe des geburtshilflichen Beraters nicht immerausreichend strikt.

2. Ernährung in der Schwangerschaft– Risiko oder Selbstverständlichkeit –Fragen zu Über- und Unterernäh-rung, Mikronährstoffen und Genuss-giften

Eine ausgewogene Ernährung ist in jeder Le-bensphase wichtig. Gerade hier besteht abereine bedeutsame Diskrepanz zwischen den imweiteren Sinne ernährungsbedingten Erkran-kungen und den daraus entstehenden Kosten –diese belaufen sich auf ein Drittel des gesamtenGesundheitsbudgets – und den Kosten für Prä-vention und Prophylaxe: Diese liegen lediglichzwischen 3 und 6%.

Dabei ist für den Zeitraum der Schwanger-schaft bekannt, dass bereits der Ernährungszu-stand der Mutter vor der Schwangerschaft so-wohl die Fertilität als auch den Verlauf derSchwangerschaft, aber auch die Häufigkeitund Ausprägung bestimmter Komplikationenwährend der Schwangerschaft, der Geburt undder Stillzeit beeinflussen kann. Schließlich wirdseit Jahren postuliert, dass die Quantität undQualität der Ernährung in der Schwangerschafteinen wesentlichen Einfluss auf die spätere Ent-wicklung des Neugeborenen und des Kindeshat. So sind die Auswirkungen der Ernährungzum Beispiel auf den Verlauf einer Schwanger-schaft, auch in Form von verkürzten Tragzeitenund/oder reduzierten Geburtsgewichten unddamit Konsequenzen auf das weitere Leben be-kannt. Aus dem zweiten Weltkrieg gibt es denBericht über den „holländischen Hungerwin-ter“, wo die mittlere Kalorienaufnahme der Be-völkerung auf 800 kcal pro Tag absank; unterdieser Restriktion fielen die Geburtsgewichte

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der Neugeborenen um 300g und die Plazenta-gewichte um 100g. Demgegenüber stellt inden heutigen Industrieländern die kalorischeÜberernährung ein vorherrschendes Problemdar.

Die Folgen einer Adipositas und/oder einerübermäßigen Gewichtszunahme sind für dieSchwangere und ihr Kind gleichsam gravie-rend. Sie reichen von der Ausbildung von Stoff-wechselstörungen (zum Beispiel erhöhte Inzi-denz von Gestationsdiabetes) über ein gehäuf-tes Auftreten von Präeklampsien bis hin zu zahl-reichen mechanischen Problemen unter derGeburt (auf mütterlicher Seite Weichteilverlet-zung, auf kindlicher Seite Schulterdystokie) mitden möglichen Auswirkungen auf das weiterLeben des Kindes.

Insofern spielt die Ernährungsberatung überden Energiebedarf und eine wünschenswerteGewichtszunahme eine wesentliche Rolle: Esmuss klar sein, dass bei einer kontinuierlichenUnterschreitung der Gesamtkalorienaufnahmeunter 1500 kcal über eine plazentare Minder-versorgung des Feten und die folgende Ernied-rigung des Geburtsgewichts kurz und mittelfri-stig im Leben eines Kindes negative Auswirkun-gen entstehen können, ebenso wie eine chroni-sche Überversorgung mit Kalorien genausoschädlich sein kann.

In diesem Zusammenhang stellte die Arbeits-gruppe um Barker 1994 eindrücklich fest, dassdie fetale Unterernährung in verschiedenenSchwangerschaftsphasen unterschiedlicheAuswirkungen auf das Geburtsgewicht undspäter auftretende Krankheitsmuster hat. Soführte eine Unterernährung im ersten Trimenonzu einem Mangelwachstum mit reduziertemGeburtsgewicht und einem proportioniertenkleinen Kind, welches schlecht und mit nur ge-ringer Gewichtszunahme das erste Lebensjahrerreichte. Im späteren Lebern neigen solcheKinder zu Bluthochdruck und Tod durch hä-morrhagische Schlaganfälle. Eine Unterernäh-rung im zweiten Trimester führte über eine ge-störte „fetoplazentare Beziehung“ zu einem re-duzierten Geburtsgewicht, jedoch normalenKörpergewicht nach einem Lebensjahr, aller-dings mit der Gefahr von Bluthochdruck, nicht-

insulinabhängigem Diabetes mellitus und einerausgeprägten Mortalität durch koronare Herz-krankheiten. Einschränkungen im dritten Trime-ster führen zu asymmetrischer Wachstumsreta-dierung mit reduziertem Gehirnwachstum zu-gunsten des Rumpfwachstums, welches – beinormalem Geburtsgewicht – zu einer kurzemKörpergröße und einem reduzierten Gewichtnach einem Jahr führt. In erwachsenen Lebenführen erhöhter Blutdruck, Verschiebungen inden Blutfetten und Gerinnungsfaktoren zu einererhöhten Mortalität in der Verbindung mit Herz-kranzgefäßerkrankungen und thrombotischenSchlaganfällen.

Aus diesen Zusammenhängen wird klar, dasseine direkte Krankheitsprävention der folgen-den Generationen erreicht werden kann, in-dem die Aufmerksamkeit hinsichtlich der Aus-wirkungen der fetalen und kindlichen Versor-gung und deren entsprechenden Folgen aufdas spätere Lebensalter auf die Ernährung derwerdenden Mutter und damit des Kindes gelei-tet wird. Insofern entstand und besteht für die inder Geburtshilfe Tätigen ein Handlungs- undErklärungsbedarf.

3. Mikronährstoffe

Neben diesen grundsätzlichen Untersuchun-gen und Überlegungen über die Bedeutung derso genannten Makronährstoffe besteht aber ineiner „Wohlstandsgesellschaft mit Nahrungs-überschuss“ das Hauptproblem in einer unzu-reichenden Beachtung der Versorgung mit Mi-kronährstoffen, also an Vitaminen, Mineralienund Spurenelementen, die im Organismus nurin geringem Maße vorrätig sind. Für dieSchwangerschaft besteht für einige dieser Wirk-stoffe ein deutlicher Mehrbedarf; wird dieserunterschritten, kann es in allen Phasen derSchwangerschaft zu klinisch fassbaren Störun-gen kommen; diese bestehen im Tierversuch inWachstumsretardierung oder kongenitalenAnomalien und haben insofern eine Auswir-kung auf das weitere Leben des Kindes. Als Bei-spiele für derartige Konsequenzen wird im Fol-genden ausführlicher der Stellenwert von Jod

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und Folsäure sowie weiterer Mikronährstoffeund die Bedeutung eines Mangels für dieSchwangere und insbesondere das Kind be-schrieben.

3.1 Jod

Aus dem Schwerpunktthema einer Zeitschriftfür Gynäkologen war 2002 zu entnehmen, dassehr viele Menschen unter einer behandlungs-bedürftigen Jodmangelstruma leiden, die beieiner suffizienten, generellen Jodprophylaxeein vermeidbares Krankheitsbild darstellt. Inder Bundesrepublik Deutschland gibt es minde-stens 20 Millionen solcher Kropfträger. Etwadie Hälfte der 12 bis 14-jährigen Schulkinder,ein Drittel der Frauen, eine Viertel der Männerleiden an einer Struma aufgrund eines endemi-schen Jodmangels. Dabei ist der Zusammen-hang zwischen Jodmangel, Ernährung und der-artigen Veränderungen der Schilddrüse ausrei-chend belegt. Bei diesen Zahlen ist der mit 50%sehr hohe Anteil junger Mädchen und Frauenbeachtenswert, die in einer solchen Ausgangs-situation in eine Schwangerschaft eintreten. DieGefahren und Folgen einer Mangelsituationliegen auf Seiten der werdenden Mutter häufigin einer Verschlimmerung einer vorbestehen-den Struma, in einer herabgesetzten Fertilitätoder in Störungen der Schwangerschaft (erhöh-tes Abortrisiko; erhöhte Gefahr von Früh- undTotgeburten). Beim Kind liegt die Gefahr in ei-nem erhöhten Risiko für die Entwicklung einerStruma congenita und in der späteren Kindheit.Diese erstere findet sich in Deutschland in bis zu6% der Neugeborenen; als Ursache ist in denmeisten Fällen ein Jodmangel der Mutter vorund in der Schwangerschaft zu sehen. Hinsicht-lich präventiver Überlegungen zeigen Erfah-rungen aus Österreich, das eine konsequentverfolgte Gesundheitspolitik – etwa in Form vonInformationen und dem fast ausschließlichenVertrieb von jodiertem Speisesalz – höchst er-folgreich sei kann. So konnte im Land Salzburgin Inzidenz von neonatalen Strumen von 12%auf weniger als 1% gesenkt werden. Insofernmuss eine Prophylaxe auch zur Vermeidung von

Auswirkungen auf das spätere Leben des Kin-des darin bestehen, dass neben der Liberalisie-rung beim Vertrieb und einer besseren Akzep-tanz von Speisesalz eine Änderung von Ernäh-rungsgewohnheiten angestoßen wird. So kanndurch den regelmäßigen Genuss von Seefischeine Anhebung der Jodaufnahme und die Ver-meidung der beschriebenen Risiken bewirktwerden. Bis zu einem effektiven Umsetzen die-ser Empfehlungen bzw. der Reduktion von Fol-gen muss zu Prävention der Jodmangelstrumagefordert werden, dass über die 1995 in dieMutterschaftrichtlinien aufgenommen ärztli-chen Beratungen und ernährungsmedizini-schen Empfehlungen zum Thema Jodmangelhinaus eine Jodprophylaxe mit 100 bis 200 Mi-krogramm pro Tag generell verordnet wird.Konsequenterweise muss auch später im Zu-sammenhang mit den vorgeschriebenen Regel-untersuchungen des Neugeborenen, des Klein-kindes und des Heranwachsenden eine Aufklä-rung der Jodversorgung im Sinne einer Ernäh-rungsberatung bzw. einer Supplementierungerfolgen.

3.2 Folsäure

Bei der Analyse von Mikronährstollen und ihrenMangelerscheinungen wird von vielen Autorender Folsäuremangel als der wichtigste Vitamin-mangel in den westlichen Industrieländern defi-niert. Ergebnisse aus Verzehrstudien aus demBeginn der 90er Jahren zeigen eindrücklich,dass die Folataufnahme in nahezu allen Bevöl-kerungsgruppen unter den Empfehlungen derGesellschaft liegt. Vergleicht man diese Emp-fehlungen für Schwangere mit denen für men-struierende Frauen im gebärfähigem Alter, sosteht dem im 2. und 3. Schwangerschaftsdrittelerhöhten Energiebedarf von 10% bereits sehrfrüh in der Schwangerschaft eine Bedarfserhö-hung an Folsäure um 100% gegenüber. DieBedeutung dieses Vitamins liegt darin, dass esbereits für die normale Zellteilung unerlässlichund damit für Lebensphasen mit verstärktemWachstum von essentieller Bedeutung ist, wasden Stellenwert bei Differenzierungs- und

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Wachstumsprozessen beim Embryo und Fetenunterstreicht. Ein recht augenscheinliches Bei-spiel für einen Folatmangel ist eine dramati-sche Störung in der Frühschwangerschaft: An-fang der 90er Jahren konnte schlüssig nachge-wiesen werden, dass durch eine perikonzeptio-nelle Folsäuresubstitution Neuralrohrdefektenvorgebeugt werden kann. In Deutschland wer-den derzeit pro Jahr mehr als 300 Kinder mitdiesen Defekten geboren; mehr als 500Schwangerschaftsabbrüche werden nach einerentsprechenden Diagnose durchgeführt; dieZahl durch Aborte bei weiteren Schwanger-schaften ist unklar. Hieraus wird jedoch ersicht-lich, dass neben dem nicht fassbaren Leid fürdie Betroffenen, der Belastung für die Elternund der Auswirkungen für das Kind ein ver-meidbarer Kostenfaktor steht, der pro Jahrdeutlich mehr als 250.000 Euro ausmachendürfte. Nach den Mitteilungen der Kassenärztli-che Bundesvereinigung (KBV) aus dem Jahre2002 soll Frauen, die ein Kind mit einem Neu-ralrohrdefekt geboren und erneuten Kinder-wunsch haben, und die damit ein erhöhtes Risi-ko tragen, dass die erneute Schwangerschaftzum gleichen angeborenen Defekt führt, eineSubstitution mit täglich 4mg Folsäure bereitsvor einer möglichen Konzeption empfohlenwerden. Die dadurch bedingte Risikoreduktionliegt immerhin bei 70%. Ebenfalls kann hier-durch die Häufigkeit solcher Fehlbildungen beiFrauen reduziert werden, die während derSchwangerschaft Antikonvulsiva einnehmen.Nach den Informationen der KBV können Frau-en, die diesbezüglich keine Belastung haben,das Risiko für derartige Neuralrohrdefektenebenfalls um ca. 60% reduzieren, wenn siemindestens vier Wochen vor der Empfängnis0,4mg Folsäure täglich einnehmen. Es wird be-schrieben, dass diese Folsäuremenge durch ei-ne geeignete Ernährung mittels einer ausgewo-genen Kostzuführung mit Gemüse und Salatzugeführt werden kann. Weiterhin wird ausge-führt, das die weitere Folsäureaufnahme unterder Voraussetzung einer weiterhin bestehendengesunden Ernährung überflüssig wird. Dies istnach eigener Meinung und höchstintensiverBeschäftigung mit der Thematik und der Erfas-

sung der tatsächlichen Ernährungsgewohnhei-ten aus präventiven Gesichtspunkten falsch:Epidemiologische Studien über die tatsächlicheFolsäureaufnahme belegen, dass eine ausrei-chende Folataufnahme in der Schwangerschaftnicht gewährleistet und damit die Prophylaxenicht garantiert ist. Weiterhin ist aus eigenenUntersuchungsreihen bekannt, dass Frauen mitausreichenden Folsäurespiegeln im Blut sichhinsichtlich der Kenngrößen „Schwanger-schaftsdauer“, „Geburtsgewicht“ und „Längedes Neugeborenen“ und damit den Startbedin-gungen für das weiter Leben deutlich von nichtausreichend versorgten Frauen unterscheiden.Daher muss bei der beeindruckten Kausalitätund der Möglichkeit einer aktiven Kostenein-sparung durch die Prävention von Neuralrohr-defekten eine bessere Aufklärung der Bevölke-rung und der behandelnden Ärzte gefordertwerden.

3.3 Eisen

Auch die Eisenversorgung ist häufig unzurei-chend: Durch den Totalverbrauch von 800–1200mg Fe in der Schwangerschaft ergibt sichein Mehrbedarf von 100%, der trotz einer ver-besserten Resorption nur selten – u.a. auchmangels der erforderlichen Kenntnisse einergezielten Kostzusammenstellung – über dieNahrung decken lässt. Ursache ist neben demmütterlichen Gewebewachstum und einemMehrverbrauch an Sauerstoff und Sauerstoff-trägern der Fet mit seinem eigenen Wachstumund Mehrverbrauch. Die Folgen einer Anämiefür die Schwangerschaft, insbesondere, wennsie bereits mit erniedrigten Speichern begon-nen wird, liegen in erhöhter fetaler und mütter-licher Morbidität und Mortalität, kardiovasku-lärem Stress mit vermehrten Komplikationenvor und unter der Geburt und einem erhöhtenRisiko für Frühgeburtlichkeit und reduziertesGeburtsgewicht. Ein Mangel lässt sich labor-chemisch neben der Hämoglobin/Hämatokrit-Bestimmung, die nur die periphere Situationwiedergibt, in Form eines Bildes der Eisenreser-ven, des Serumferritins, wiedergeben. Ohne ei-

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ne entsprechende Substitution – am besten mitFerro-Eisensalzen (z.B. Eisensulfat 100–200mg) – sinkt dieser Speicherwert bereits imzweiten Trimenon unter die kritische Grenzevon 22ug/l ab. Es scheint also, dass das Nah-rungseisenangebot, welches bei einer durch-schnittlichen Mischkost bei 11–15mg/die liegt,nicht ausreicht. Bei der Ernährungsberatungsollte daher auf förderliche Momente hinge-wiesen („meat factor“ – an Fleisch gebundenesEisen besser verfügbar; Vitamin C als Promotor[reduzierende Wirkung auf Eisen in den zwei-wertigem Zustand]) und inhibitorische Faktorenbesprochen werden (vermehrte Aufnahme vonBallaststoffen; Gerbstoffe des schwarzen Teesals Komplexbildner).

3.4 Calcium

Neben diesen in der Versorgung als kritisch zubezeichnenden Mikronährstoffen verdienen ei-nige weitere Beachtung, u.a. wegen möglichenspäterer Auswirkung auf die mütterliche Ge-sundheit. Dies gilt z.B. für Calcium, dessen Be-darf im 2. und 3. Trimenon 1200mg beträgtund damit 20% über der normalen Tageszufuhrliegt. Durch eine komplexe hormonelle Ände-rung des mütterlichen Stoffwechsels resultierthier letztlich eine Akkumulation beim Feten, diebei eingeschränkter Zufuhr von z.B. Milch undMilchprodukten die mütterliche Langzeitversor-gung beeinträchtigen kann. Ob so und inKenntnis der multiätiologischen Entstehung ei-ne später auftretende Osteoporose beeinflusstwird, ist unklar, jedoch denkbar und möglich.Deshalb sollte an eine ausreichende Versor-gung bzw. eine prophylaktische Supplementie-rung gedacht werden.

3.5 Magnesium

Magnesium spielt eine wesentliche Rolle durcheine Funktion bei der neuromuskulären Über-tragung. Der mit einem Bedarf von 400mg inder Schwangerschaft in der Regel nicht subsitu-tionspflichtige Mineralstoff wird bei der unspe-

zifischen Behandlung von Wadenkrämpfenoder Obstipation und in Kombination bei derBehandlung vorzeitiger uteriner Aktivität ge-nutzt; die hochdosierte Mg-Sulfat-Applikationstellt das Mittel der Wahl bei der Eklampsie dar.

4. Alkohol in der Schwangerschaft

Der Genuss von Alkohol ist weit verbreitet undim Allgemeinen toleriert. Für den Zeitraum derSchwangerschaft setzt sich zunehmend, unter-stützt durch die weiter unten beschriebenen wis-senschaftlichen Erkenntnisse, die Auffassungdurch, dass Alkohol in der Schwangerschaftschädlich ist. Nach großen internationalen Stu-dien geben nur weniger als 10% der Frauen inder Schwangerschaft gar keine Alkoholkonsumund in den meisten Ländern weniger als 5% kei-nen Konsum in der Frühschwangerschaft an.Weiterhin ist bekannt, dass unabhängig vondem Zeitraum in der Schwangerschaft in vielenLändern der Anteil von chronischen und star-ken Trinkerinnen im Ansteigen begriffen ist;20% der alkoholkranken Frauen sind im gebär-fähigem Alter. Hieraus mag sich ermessen las-sen, dass mit den bekannten Zahlen und demgroßen unbekannten Anteil an Alkoholkonsu-mentinnen das Problem nur am Rande erfasstist. Dabei ist bekannt und erwiesen, dass derausgeprägte mütterliche Alkoholkonsum bzw.-missbrauch zu schwersten physischen und psy-chischen Schäden bei einem Kind führen kann.Die Folgen werden im deutschsprachigenRaum als „Alkoholembryopathie“ bezeichnetund stellen eine Kombination von ausgeprägterkindlicher Mangelentwicklung im Sinne einerpränatalen und postnatalen Wachstumsreta-dierung mit Untergewicht, einer anatomischenVeränderung des Gehirn sowie des Gesichtsmit spezifischen Veränderungen (abgeflachteStirn, Stupsnase, ausgeprägte Nasen/Lippen-falten, fliehendes Kinn und vieles andere mehr)dar. Damit verbunden sind häufig motorischeund geistige Retardierungen in Kombinationmit Hyperaktivität bei gleichzeitig muskulärerHypotonie. Neben dieser ausgeprägten Formvon Symptomen als Folge von exzessivem Trin-

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ken muss auch die Schwangere mit gelegentli-chen Alkoholgenuss, dem so genannten„social drinking“ darüber informiert werden,dass ein ungefährlicher Zeitabschnitt für dasTrinken in der Schwangerschaft oder eine Mini-malmenge, die die embryonale und fetale Ent-wicklung nicht beeinflusst, nicht bekannt ist. ImGegenteil, namhafte Experten fordern eine ge-nerelle Alkoholabstinenz in der Schwanger-schaft, da auch bei geringen Mengen und ingroßen Populationen Unterschiede in der psy-chomotorische Entwicklung bzw. den kogniti-ven Fähigkeiten im späteren Leben beobachtetwurden.

5. Rauchen in der Schwangerschaft

In den westlichen Industriestaaten rauchen et-wa 3 bis 4 von 10 Frauen. Nur 30–50% dieserRaucherinnen stellen den Nikotingenuss, zu-meist zu Beginn einer Schwangerschaft, ein.Wenngleich sich der Anteil von rauchendenFrauen in den letzten zwei Jahrzehnten fast hal-biert hat, raucht heute etwa jede sechste Frau inder Schwangerschaft. Hier muss davon ausge-gangen werden, dass sich unter diesen die star-ken und abhängigen Raucherinnen befinden.Dabei gibt es ausreichend klinische und epide-miologische Beobachtungen, die die Auswir-kungen des Rauchens vor und während derSchwangerschaft beschreiben: Neben einergehäuften Anzahl von Frauen mit unerfülltemKinderwunsch oder wiederholten Aborten sindwährend der Schwangerschaft gehäuft vorzeiti-ge Lösung der Plazenta, vorzeitiger Blasen-sprung sowie eine deutliche Häufung der peri-natalen Mortalität beschrieben. Der Start desKindes in die extrauterine Welt wird durch eineReduktion des mittleren Geburtsgewichtes um200g, einer deutlichen Häufung von stärkeruntergewichtigen Kindern sowie durch Frühge-burtlichkeit erschwert. Dabei gilt eine Dosisab-hängigkeit, das heißt ein Anstieg der beschrie-benen Probleme mit steigendem Zigaretten-konsum. Hinzu kommt, dass Rauchen auch ei-ne „transplazentare Karzinogenese“ induzierenkann: Bei Kindern, deren Mütter in der Schwan-

gerschaft geraucht hatten, wurden Lymphomeund Leukämie häufiger gesehen. Schließlich istauch die Entwicklung des geborenen Kindesnachteilig durch das Rauchen in der Schwan-gerschaft beeinflusst. Bereits in den 1950erJahren konnte in einer renommierten britischenPerinatalstudie festgestellt werden, dass dieweitere Entwicklung während der Kindheit undAdoleszenz durch mütterliches Rauchen in derSchwangerschaft im Sinne von Wachstums-und Entwicklungsrückständen beeinträchtig ist.Die Beratung und Führung der Raucherin ver-dienen im Rahmen der Prävention einen beson-deren Stellenwert. Zur Vermeidung von intrau-terinen und postpartalen Schäden stellt jedenicht gerauchte Zigarette für das Kind einenGewinn dar. Weiterhin ist bei der Aufklärungund präventiven Beratung darauf hinzuweisen,dass nicht nur die Reduktion des Rauchens inder Schwangerschaft von Vorteil ist, sonderndass eine Rauchabstinenz auch für das weiterLeben des Kindes, insbesondere in der erstenpostpartalen Phase durch die Vermeidung vonpassivem Rauchen einen prophylaktischen Ge-winn darstellt.

6. Zusammenfassung

Die Beratung über die Ernährung und Genuss-gifte in der Schwangerschaft erfordert ein zu-nehmend umso spezielleres Wissen, als tradi-tionelle Ernährungszusammensetzung und -zu-bereitung und Ansichten über Genussgifte inder Gesellschaft zunehmend verlassen werdenbzw. sich verändern: Dies betrifft zunächst dieVersorgung mit Makro- und Mikronährstoffen.Aus der beschriebenen Erfahrung aus demKriegswinter und an Schwangeren aus der sog.Dritten Welt lässt sich schließen, dass für dieVersorgung bzw. zum Ausschluss einer kalori-schen Unterversorgung des Feten ein untererSchwellenwert für tägliche Gesamtkalorienauf-nahme in Höhe von 1500–1800 kcal definiertwerden kann. Erst bei einer kontinuierlichenUnterschreitung kommt es zur signifikanten Er-niedrigung des Geburtsgewichtes. Andererseitskann aus dem Umstand, dass die genannte kri-

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tische Kalorienmenge normalerweise unter täg-lichen Kalorienaufnahme erwachsener Frauenin Deutschland liegt, und unter Zugrundele-gung eines mütterlichen Gewichtsanstieges inder Schwangerschaft um 12–13 kg, welchersich aus etwa 4 kg Fett, 1,6 kg Proteinen und6,9 l Wasser zusammensetzt, davon ausgegan-gen werden, dass die kalorische Versorgungwährend der Schwangerschaft und Stillzeit inMitteleuropa kein Problem ist, auch wenn sichim Gestationsverlauf der mittlere tägliche Ener-giemehrbedarf von 300 kcal (ca. 13%) und um900 kcal in der Laktationsphase aufpfropft.Dies entspricht in der Schwangerschaft einemkumulativen Mehrbedarf an Energie von etwa85.000 kcal, der sich auf die verschiedenenPhasen unterschiedlich verteilt.

7. Bei der Ernährungsberatung solltedaher beachtet werden:

Die Beurteilung der Gewichtszunahme darf kei-nen starren Regeln folgen. Insbesondere solltezu Beginn der Schwangerschaft ein Über- oderein Untergewicht der Graviden berücksichtigtwerden. In der Spätschwangerschaft könnenpathologische Verschiebungen des Wasser-haushaltes (Ödeme) zu Fehlbeurteilung führen.

Nach den Richtlinien der Deutschen Gesell-schaft für Ernährung (DGE) wird folgende Ver-teilung der Nahrungsenergieträger empfohlen:

• 50–60% Kohlenhydrate (380 bis429 Gramm = 1540–1680kcal)

• 30% Fett (105 Gramm = 840 kcal)• 10–15% Proteine (70–105 Gramm

= 280–420 kcal)

Hierbei wird mit fortschreitender Schwanger-schaft eine Anhebung des Eiweißanteils wegendes zunehmenden diaplacentaren Transfersempfohlen; wegen der besseren Nutzbarkeitsollten bei der Abdeckung des Bedarfs mit es-sentiellen Aminosäuren 50–70% tierischen Ur-sprungs sein.

Die tatsächliche Verteilung der Energiesub-strate zeigt eine merkliche Abweichung von

diesen Richtlinien: Danach werden die Protein-aufnahme um etwa 12%, die Kohlenhydratauf-nahme um etwa 18% zugunsten eines Zuvielsan Fett um etwa 40% unterschritten, was einemÜberschreiten der Energieaufnahme von 10–20% entspricht.

Die marginalen Defizite, wie sich durch z.B.ein Zuviel an Fett und ein Zuwenig an Mikro-nährstoffen wie Jod, Folsäure und Eisen bereitsin der Normalbevölkerung bestehen, könnensich zu einem Risiko sowohl im intrauterinen alsauch in der Entwicklung im späteren Leben zu-spitzen. Hier sind bei nicht ausreichender Ver-sorgung durch die tägliche Nahrungsaufnah-me Supplementierungen bei kritischen Mikro-nährstoffen zu empfehlen.

Eine zunehmende Aufmerksamkeit verdie-nen die gesellschaftlich tolerierten Gifte (Alko-hol, Nikotin), deren Genuss für die Phase derSchwangerschaft unterbrochen oder bessergänzlich aufgehoben werden sollte.

Literatur beim Verfasser

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3. Regulation des Sättigungshormons undWachstumsfaktors Leptin bei der durch

intrauterine Wachstumsrestriktionkomplizierten Schwangerschaft

Jörg Dötsch, Udo Meißner, Ellen Schoof, Christian Plank, Iris Östreicher

1. Einleitung

Leptin, abgeleitet vom griechischen Wort lep-tos für dünn, wurde 1994 von der Arbeitsgrup-pe um Jeff Friedman entdeckt (Zhang et al.1994). Richtungsweisende Experimente, diediese Entdeckung vorbereiteten, waren diesog. Parabioseexperimente der 1950er und1960er Jahre, bei denen die später als Leptindefizient identifizierte ob(obese)-Maus eineBlutkreislaufverbindung zu einer normalge-wichtigen Maus erhielt. Dieser Kreislaufkurz-schluss führte zu einer Gewichtsabnahme derübergewichtigen ob-Maus und schließlich zurErreichung des Normalgewichtes. Diese Un-tersuchungen legten die Existenz eines späterals Leptin identifizierten Gewichtsregulations-hormons nahe. Der Entdeckung des Leptinsfolgte bald die Identifikation von massiv über-gewichtigen Kindern mit Leptindefizienz und ei-ner Defizienz ihres Rezeptors (Montague et al.,1997; Clement et al., 1998). Jedoch wurdesehr schnell nach der Entdeckung von Leptinklar, dass eine Defizienz nicht für die großeMenge von übergewichtigen Patienten ursäch-lich in Frage kommt. Entsprechend war eineTherapie von übergewichtigen Patienten mitrekombinantem Leptin enttäuschend (Heyms-field et al., 1999). Ursächlich für die humaneLeptinresistenz ist einerseits ein sättigbarerTransportmechanismus über die Bluthirn-schranke ins cerebrale Nervensystem (Dötschet al., 1997), zum anderen eine Störung derSignaltransduktion des Leptinrezeptors. Derzweite Mechanismus lässt sich vergleichen mitder Insulinresistenz vom Typ II-Diabetes. Daher

wurde in den letzten Jahren zunehmend eineweitere Rolle von Leptin interessant, nament-lich als Wachstumsfaktor bzw. permissiver Fak-tor bei Wachstumsvorgängen. So zeigt Leptin-gabe bei Leptin-defizienten ob-Mäusen eineStimulation von Wundheilungsprozessen(Frank et al., 2000). In ähnlicher Weise stimu-liert Leptin die Heilungsvorgänge bei experi-menteller Ulcuserkrankung im Nagermodell(Konturek et al., 2001). Auch das Wachstumvon Endothelzellen wird durch Leptin geför-dert. Jedoch ist diese Wirkung nicht immer inRichtung Gewebsregeneration ausgeprägt.Beispielsweise findet sich an der Niere im Na-getierexperiment eine Stimulation der Prolife-ration glomerulärer Endothelzellen durch Lep-tin, die wiederum eine Zunahme von Proteinu-rie und frühzeitigem chronischen Nierenversa-gen zur Folge hat (Wolf et al., 1999; Han etal., 2001). Eine entscheidende permissive Rol-le hat Leptin beispielsweise bei der Entwicklungneuronaler Strukturen in der Schwangerschaft.So zeigen Leptin defiziente ob-Mäuse eine er-höhte Rate von Nekrose und Apopose in Glia-und Nervenzellen des zentralen Nervensy-stems. Diese Entwicklung ist durch Leptingabezu vermeiden (Ahima et al., 1999). Eine wichti-ge kürzlich erschienene Arbeit zeigt zusätzlich,dass Leptin essentiell für die perinatale Ent-wicklung der Neurone ist, die im späteren Le-ben für die Appetitregulation von entscheiden-der Bedeutung sind (Bouret et al., 2004).Vor diesem Hintergrund ist Leptin sowohl für diepotentielle Regulation von Energieumsatz undNahrungsaufnahme in der Schwangerschaftsowie die Regulation der Proliferation fetaler

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Gewebe von Bedeutung. Im weiteren Verlaufdieses Kapitels soll daher auf die mögliche Rol-le von Leptin bei der Schwangeren und dem Fe-ten eingegangen werden sowie auf die Synthe-seorte von Leptin und die potentiellen Mecha-nismen, die bei unterschiedlichen Erkrankun-gen in der Schwangerschaft eine veränderteLeptinsynthese nach sich ziehen.

2. Syntheseorte für Leptin und Regu-lation der Leptinsynthese

Außerhalb der Schwangerschaft ist quantitativin erster Linie das Fettgewebe für die Leptinsyn-these verantwortlich. Aus diesem Grund be-steht eine enge Beziehung zwischen Fettmasseund Leptinserumkonzentration (Blum et al.1997). In geringerem Ausmaß konnte in zahl-reichen weiteren Organen eine geringere Lep-tinsynthese festgestellt werden. EntscheidendeRegulatoren für die Leptinserumkonzentrationsind neben der Masse des Fettgewebes in ersterLinie Östradiol als positiver Regulator und Te-stosteron als negativer Regulator, wie sich ander unterschiedlichen Leptinserumkonzentra-tion von Männern und Frauen zeigt (Blum et al.1997). Weitere wichtige Regulatoren für dieLeptinsynthese sind Insulin und Glucocorticoi-

Abbildung 1: DerzeitigerKenntnisstand der wesentli-chen Regulatoren der Leptin-transkription und Proteintrans-lation sowie die bisher be-kannten Effekte von Leptin

de, die beide die Leptinsynthese steigern (Abbil-dung 1).

In der Schwangerschaft kommt ein neuerSyntheseort für Leptin hinzu. Dies ist die Pla-zenta, die v.a. im letzten Trimenon derSchwangerschaft deutlich zu den Leptinplas-makonzentrationen beiträgt (Dötsch et al.1999). Leptin wird insbesondere im Synzytio-trophoblasten im direkten Kontakt mit mater-nalen Blut und im Zytotrophoblasten sowie invillösen vaskulären Endothelzellen, die in di-rektem Kontakt mit fetalem Blut stehen, syn-thetisiert. Von Interesse ist, dass inbesonderein der Plazenta die Hypoxie einen wesentli-chen Einfluss auf die Synthese von Leptin aus-übt (Mise et al. 1998). Die Aktivierung derLeptinsynthese erfolgt über eine Stabilisierungdes Transkriptionsfaktors Hypoxia-inducible-factor-1-alpha (HIF-1a). Für dieses Protein be-stehen auf dem Leptinpromoter insgesamt bis-lang 5 mögliche Bindungsstellen, die zu einerAktivierung der Leptinsynthese führen (Gros-feld et al. 2002). Insulin führt ebenso über Ak-tivierung von Hypoxia-inducible-factor-1-al-pha zur Steigerung der Synthese von Leptin.Interessanterweise können allerdings Hypoxieund Insulin gemeinsam einen deutlich su-praadditiven Effekt auf die Leptinsynthese er-zeugen, so dass davon auszugehen ist, dass

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für Insulin ein eigenes Regulationselement aufdem Promoter von Leptin besteht. Dies konnteanhand von Transfektionsexperimenten mittrunkierten Promoterfragmenten gezeigt wer-den (Meißner et al. 2003).

3. Die Rolle von Leptin in der norma-len Schwangerschaft und bei patholo-gischen Veränderungen während derSchwangerschaft

In der normalen menschlichen Schwanger-schaft steigen die Leptinserumkonzentrationenund stehen in enger Beziehung zu zahlreichenweiteren schwangerschaftsinduzierten Hormo-nen (Sivan et al. 1998). Leptin erreicht seinenhöchsten Spiegel während des zweiten und drit-ten Trimenons und fällt dann ca. 24 Stundennach Entbindung wieder auf Normalwerte. Die-se Veränderungen könnten im Zusammenhangmit der Regulation der maternalen und fetalenEnergiebalance während der Schwangerschaftstehen, wenngleich Beweise hierfür ausstehen.Plazentares Leptin sowie Nabelschnurblutleptinist während diabetischer Schwangerschaftenerhöht (Lea et al. 2000), allerdings bleiben diematernalen Spiegel unverändert (Lepercq et al.1998). Je mehr Insulin in der Schwangerschaftappliziert werden muss, desto höher sind auf-grund der leptininduzierenden Wirkung des In-sulins die durch die Plazenta sezernierten Lep-tinmengen.

Eine erhöhe plazentare Leptinproduktion so-wie erhöhte maternale und fetale Serumkon-zentrationen von Leptin finden sich bei derPräeklampsie (Mise et al. 1998; McCarthy etal. 1999). Wie bereits im vorhergehenden Ab-schnitt beschrieben ist der wesentliche Regula-tor dieser erhöhten plazentaren Leptinsynthesedie Hypoxie.

4. Die Rolle von Leptin für den Feten

Tierexperimentelle und zum Teil auch humaneDaten zeigen, dass Leptin für die Aufrechterhal-tung der Fertilität bei der geschlechtsreifen Frau

sowie für die mögliche Implantation von wichti-ger Bedeutung ist. Interessant für den Fetenwird jedoch seine Rolle in der späterenSchwangerschaft, insbesondere sobald die pla-zentare Synthese ein bedeutendes Ausmaß an-nimmt. Hierbei ist wichtig festzustellen, dass diematernalen Leptinkonzentrationen keine Bezie-hung zum Geburtsgewicht des Neugeborenenhaben. Vielmehr findet sich eine positive Korre-laton zwischen Leptin im Nabelschnurblut unddem Geburtsgewicht der Neugeborenen (Var-varigou et al. 1999; Mantzoros et al. 1997;Christou et al. 2001; Harigaya et al. 1997;Ong et al. 1999; Koistinen et al. 1997).

Syntheseort für das Leptin ist neben der Pla-zenta v.a. das fetale Fettgewebe. Aufgrund desNachweises von Rezeptoren in großer Anzahlim fetalen Gewebe entstand die Spekulation,dass Leptin eine direkte Rolle in der fetalen Ent-wicklung und dem Wachstum des Feten spielenkönnte. Diese Hypothese wird dadurch unter-stützt, dass eine positive Korrelation im Nabel-schnurblut zu Konzentrationen des Insulin-like-growth-factors-1 (IGF1) und auch Insulins v.a.bei Large-for-gestational-age-Neugeborenengefunden werden konnte (Wolf et al. 2000). ImGegensatz zu den erhöhte Leptinkonzentratio-nen im Nabelschnurblut von hypertrophenNeugeborenen findet sich bei Neugeborenenmit intrauteriner Wachstumsretardierung eineErniedrigung der Nabelschnurleptinkonzentra-tion (Pighetti et al. 2003). Da Neugeborene mitgeringem Geburtsgewicht auch über eine ge-ringe Fettmasse verfügen, scheint die Synthesevon Leptin bei diesen Kindern v.a. durch diePlazenta zu erfolgen (Grisaru-Granowsky et al.2003). Interessanterweise zeigen jedoch Fetenvon Müttern mit Präeklampsie erhöhte Leptin-konzentrationen im Nabelschnurblut (Hytinanttiet al. 2000). Die Ursache hierfür dürfte in derdeutlich gesteigerten Leptinsynthese in der prä-eklamptischen Plazenta liegen (Dötsch et al.1999, Lepercq et al. 2003). Bei Feten von Müt-tern mit Diabetes sind deutlich höhere Leptin-konzentrationen zu finden als bei Feten nicht-diabetischer Schwangerschaften. Neben demerhöhten Körpergewicht spielt hierbei die Stoff-wechseleinstellung eine entscheidende Rolle

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Abbildung 2: Einflussfaktorenauf die Leptinkonzentration imSerum des Feten

(Manderson et al. 2003). Auch bei diabeti-schen Schwangerschaften findet sich in der Pla-zenta eine deutlich erhöhte Leptinsynthese, sodass neben dem höheren Fettgewebsanteil dieverstärkte plazentare Synthese zu den deutlichgesteigerten Spiegeln beitragen dürfte.

Nachgeburtlich fallen die Leptinkonzentra-tionen im Serum des Neugeborenen sehrschnell ab (Schubring et al. 1998). Dies ist Fol-ge der nun fehlenden plazentaren Leptinsynthe-se und ähnelt dem Verlauf der Leptinkonzentra-tion bei der Mutter.

5. Schlussfolgerungen

Schlussfolgernd bleibt festzuhalten, dass Leptinwährend der Schwangerschaft sowohl vommütterlichen und kindlichen Fettgewebe alsauch von der mütterlichen und fetalen Plazentasynthetisiert wird, und dass alle Anteile gemein-sam die jeweiligen Leptinserumkonzentratio-nen determinieren. Aufgrund der humanenLeptinresistenz, die sich insbesondere in höhe-

ren Konzentrationen physiologischerweisezeigt, ist davon auszugehen, dass die Hauptrol-le von Leptin während der Schwangerschaft dieeines Wachstumsfaktors sein dürfte. Ähnlichwie für die Gewährleistung von Fertilität bei derFrau scheint Leptin hierbei insbesondere dieRolle eines permissiven Faktors zu spielen. Die-se Hypothese wird durch die Beobachtung un-terstützt, dass keine bedeutenden Abnormalitä-ten im fetalen Wachstum bei leptindefizientenMenschen beobachtet werden (Clement et al.1998). Insofern dürfte Leptin ähnlich wie Insu-lin-like-growth-factor-1 für die Schwanger-schaft im Wesentlichen ein Signal über die aus-reichenden energetischen Reserven darstellen.Für die Zukunft von besonderem Interesse dürf-te sein, ob unterschiedliche Leptinkonzentratio-nen während der Schwangerschaft bzw. eineunterschiedliche Leptinsynthese in der Plazentadie fetale Programmierung des Leptinsystemsbeeinflusst und damit eine Bedeutung für diespätere Entwicklung von metabolischen Er-krankungen haben könnte.

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4. Genetische Steuerungdes fetalen Wachstums

Thomas Eggermann

1. Einleitung

Der Wachstumsprozess als Konsequenz kom-plexer Interaktionen verschiedener Faktorenunterliegt einer Vielzahl von endogenen undexogenen Einflüssen, die in-utero und in derKindheit wirken. Während das intrauterineWachstum durch eine hohe Mitoserate undstarke Zelldifferenzierung gekennzeichnet ist,liegen die postnatalen Wachstumsschwerpunk-te in der Zellexpansion und der Vermehrung in-ter- und extrazellulärer Substanzen. Differen-ziell exprimierte Hormone sowie komplex inter-agierende Wachstumsfaktoren gewährleistendie zeitliche Abfolge der intrauterinen Zellproli-feration und Zelldifferenzierung, während sy-stemisch wirkende Hormone wie das Wachs-tumshormon (GH) das postnatale Wachstums-geschehen regulieren (zur Übersicht: Chard1994).

Im folgenden soll eine Übersicht zu geneti-schen Komponenten des pränatalen Wachs-tums und dessen Störungen gegeben werden.Insbesondere diese Abweichungen vom regel-rechten Wachstum erlauben die Identifizierungvon Faktoren, die wesentlich zum Wachstums-geschehen beitragen. Zur weitergehenden undaktuellen Information über die einzelnenKrankheitsbilder sei auf Datenbanken wie Men-delian Inheritance in Man (OMIM; http://-www3.ncbi.nih.nlm/) verwiesen.

2. Wachstum und Genetik

Der Anteil genetischer Faktoren, die die Kör-perlänge beeinflussen, wird auf 70–90% ge-schätzt (Phillips and Matheny 1990; Carmicha-el and McGue 1995; Preece 1996; Silvetoinen

et al. 2000). So ist die Körpergröße eines Neu-geborenen vor dem Hintergrund der familiärenKörpergröße zu bewerten. Dieser genetisch be-dingte Einfluss ist größer als der Effekt des kind-lichen Geschlechts auf das Geburtsgewicht.

Die Entschlüsselung des menschlichen Ge-noms im Februar 2001 und die Entwicklung ef-fizienter molekularer Technologien haben derErforschung der genetischen Grundlagen einerVielzahl von Erkrankungen neue Impulse gege-ben. An dieser Stelle sei insbesondere die An-wendung im Bereich der Erforschung komple-xer Merkmale und Erkrankungen zu nennen, inder von der Genomforschung ein praktischerNutzen in Hinblick auf die „individualisierte“Medizin erwartet wird.

Zwar ist nun die Abfolge aller Basenpaarebekannt, auch zeigte sich, dass die Gesamtzahlder humanen Gene mit ca. 30.000 wesentlichunter der vormals vermuteten Anzahl von70.000 bis 100.000 liegt. Allerdings lässt diegroße Menge von exprimierten Sequenzen, so-genannten ESTs (expressed sequence tags),vermuten, dass diese 30.000 Gene – bedingtdurch alternatives Spleißen – mehr als100.000 Proteine codieren. Dabei beinhaltetdie genetische Veranlagung nicht nur die reineInformation zum Aufbau beteiligter Proteine,sondern auch die entwicklungs- und organspe-zifisch gesteuerte Realisierung dieser Informa-tion. Daher konzentrieren sich die molekularenArbeiten nun auf die Realisierung der geneti-schen Information und die Klärung der komple-xen Interaktionen der Proteine im Organismus,eine Arbeitsrichtung, die unter dem Begriff Pro-teomics zusammengefasst wird. Diese Entwick-lungen sollten in Zukunft die Aufklärung auchkomplexer Merkmale wie des menschlichenWachstums erlauben.

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3. Intrauterine Wachstumsstörungen(IUGR)/SGA

Bereits die pränatale Diagnose „IntrauterineWachstumsstörung“ (intrauterine growth retar-dation IUGR/small for gestational age SGA) istverbunden mit einem erhöhten perinatalenMorbiditäts- und Mortalitätsrisiko und erforderteine adäquate Ursachenabklärung. WährendWachstumsstörungen als Folge intrinsischer fe-taler Faktoren wie Chromosomenstörungen,angeborenen Fehlbildungen und fetalen Infek-tionen in Hinblick auf eine Prognose richtungs-weisend sind, ist die IUGR in Zusammenhangmit einer plazentaren Störung oder einer müt-terlichen Erkrankung oft die Konsequenz einerinadäquaten Substratversorgung. Bei der IUGRhandelt es sich somit um keine eigene Entität,sondern um die Manifestation einer Vielzahlmöglicher fetaler oder maternaler Erkrankun-gen, so dass eine Abklärung beteiligter geneti-scher Ursachen stark erschwert ist.

Die Tatsache, bei Geburt erheblich zu kleinzu sein, hat auch langfristige Konsequenzen:Wie die epidemiologischen Untersuchungenum Barker (1997) zeigen, ist das Risiko dieserPatienten, im späteren Leben an kardiovaskulä-ren Erkrankungen zu leiden, erheblich erhöht.Nicht zuletzt durch diese Beobachtungen hatdie Erforschung der Ursachen des intrauterinenKleinwuchses in den letzten Jahren große Be-deutung erlangt.

Wachstumsstörungen des Feten stellen eineder Hauptfaktoren der perinatalen Mortalitätdar. Obwohl zahlreiche fetale und maternaleErkrankungen und Einflussgrößen (Chromoso-menstörungen, Plazentainsuffizienz, Infektio-nen) als mit IUGR assoziiert bekannt sind, istdie Entstehung der IUGR in der Mehrzahl derFälle ungeklärt: In der BRD sind ca. 3% derNeugeborenen bei Geburt für das Schwanger-schaftsalter zu klein; zwar zeigen ungefähr 80%dieser zu klein geborenen Kinder in den erstenbeiden Lebensjahren ein Aufholwachstum,nichtsdestotrotz haben ca. 5.000 Kinder aufder Basis einer IUGR einen Kleinwuchs (zurÜbersicht: Wollmann 1998). Bei der Hälfte derKinder bleibt dieser ohne Bedeutung, doch

mehr als 2.000 Kinder weisen eine klinisch re-levante Wachstumsverzögerung auf. In 10%der Fälle wird eine Wachstumhormon (growthhormone, GH)-Mangel als Kleinwuchs-Ursa-che diagnostiziert, in weiteren 10% lassen sichsystemische Erkrankungen oder Chromoso-menstörungen feststellen. Ein weiterer Teil derUrsachen kann in mütterlichen Determinantenausgemacht werden, nichtsdestotrotz bleibendie Ursachen für eine intrauterine und anschlie-ßende postnatale Wachstumsretardierung beibis zu 60% der Fälle unklar, diese sind somit alsidiopathisch einzuordnen (Lin und Santoly-For-gas, 1998).

Mütterliche Faktoren beeinflussen als exoge-ne Einflüsse gerade die hormonelle Wachs-tumsregulation des Feten: zu diesen Faktorengehören Noxen (Alkohol, Nikotin etc.), aberauch mütterliche Erkrankungen wie die Prä-eklampsie. Dass auch hier genetische Kompo-nenten eine Rolle spielen, zeigen die derzeiti-gen Forschungsansätze zur Ursachenabklä-rung der Präeklampsie (zur Übersicht: Cross2003).

4. Fetale Wachstumsstörungen undPlazenta

Die Plazenta als hochentwickeltes und speziali-siertes Organ erlaubt eine besonders lange in-trauterine Entwicklung des Kindes. Schon ge-ringe Störungen in ihrer Funktion und Morpho-logie können zu einer IUGR führen: So konntebei Kindern mit SGA eine geringere fetale Ver-sorgung mit Glukose belegt werden (zur Über-sicht: Linnemann und Fusch, 2002). Allerdingsist die plazentare Pathologie und Pathophysio-logie, die zu einem schlechteren Glukosetrans-fer und somit zur Wachstumsretardierung führt,bislang kaum aufgeklärt. Zahlreiche Studienbelegen, dass neben hämodynamischen Ursa-chen auch rein plazentare Störungen zu gerin-gerem Aminosäuretransfer in den Fetus und so-mit zu geringerem Wachstum führen können.Weiterhin können gestörte Hormonsekretionender Plazenta in einer IUGR resultieren. So sindzu geringe Produktionsraten von plazentaren

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Wachstumshormons (PGH) und insbesondereein Absinken des freien PGH mit fetaler Wachs-tumsretardierung verbunden. Im normalenSchwangerschaftsverlauf nimmt die PGH-Pro-duktion durch die Plazenta zu und ist auch einwesentlicher Faktor des Plazentawachstumsselbst. Auch werden veränderte Leptinkonzen-trationen im Nabelvenenblut bei Kindern mitIUGR gefunden (Cetin et al., 2000). Eine ge-störte plazentare Leptinproduktion als IUGR-Ursache wird diskutiert.

Auf der morphologischen Ebene ist eine guteImplantation mit Entwicklung und Ausbildungdifferenzierter Zotten Voraussetzung für eineoptimale Versorgung des Feten. Morphologi-sche Veränderungen der Plazenta führen zu ei-ner schlechteren Versorgung des Feten mitNährstoffen und Sauerstoff und somit zurIUGR.

Die morphologischen Veränderungen beiIUGR-Schwangerschaften betreffen meist dieAufzweigung und Ausprägung der fetalen Ka-pillaren und verschlechtern so die Austausch-fläche und Durchblutung der Plazenta. Nebenanderen Ursachen ist hier auch der Einflusschromosomaler Aberrationen, z.B. verschiede-ner autosomaler Aneuploidien (Tab. 1), be-kannt.

5. Fetales Wachstum und Chromo-somenstörungen

Allgemein stellt eine Wachstumsstörung ein un-spezifisches Merkmal dar, das bei einer großenZahl genetischer Störungen zu finden ist. Soweisen bis zu 40% aller Kinder mit Chromoso-menstörungen eine IUGR auf, weiterhin wer-den bei ca. 10% der Feten mit IUGR Chromo-somenstörungen gefunden. Damit ist ein Groß-teil der bekannten Chromosomenstörungendes Menschen mit einer IUGR assoziiert (Tab.1). Eine IUGR insbesondere in Kombination mitweiteren fetalen Auffälligkeiten können bei ge-sichertem Gestationsalter ein deutliches Hin-weiszeichen für eine fetale Chromosomenstö-rung sein. Hieran wird deutlich, dass die IUGRin dieser Gruppe ein unspezifisches Merkmaldarstellt und dass einzelne Wachstumsgenehier i.d.R. keine Rolle spielen.

Neben der Aneuploidie beim Feten selbstkann eine Chromosomenstörung auf die Pla-zenta beschränkt sein und deren Funktion ein-schränken; in diesen Fällen sollte es zu einempostnatalen Aufholwachstum kommen, wie esauch für Kinder nach Schwangerschaften mitTrisomie 16-Mosaiken in der Chorionzotten-biopsie berichtet ist.

Ein derzeit intensiv bearbeitetes Feld in die-sem Zusammenhang stellt die Erforschung ei-

Tabelle 1: Beispiele für Chro-mosomenstörungen und chro-mosomal bedingte Syndrome,die mit einer IUGR einherge-hen können

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ner konventionell cytogenetisch nicht-sichtba-ren Komplementstörung dar, die allgemein aufWachstum und Entwicklung zentralen Einflusshaben kann, die Uniparentale Disomie (UPD):

Für die Entwicklung eines normalen Orga-nismus ist nicht nur die Vollständigkeit der Erb-information, sondern auch die regelrechte Ver-erbung der beiden homologen Chromosomeneines Paares von beiden Eltern, also eine bipa-rentale Vererbung, notwendig. Engel postulier-te bereits 1980, dass die Vererbung eines

Tabelle 2: Übersicht über die zur Zeit bekannten UPDs, die von klinischer Bedeutung sind. a) Daten zu den geneti-schen Grundlagen. b) Darstellung der Hauptsymptome (Fett unterlegt sind die UPD-Syndrome, die durch eineWachstumsstörung charakterisiert sind)

Chromosomenpaares von nur einem Elternteil,eine uniparentale Disomie (UPD), mit klini-schen Auffälligkeiten assoziiert sein könnte. Mitdem Nachweis einer UPD und des zugrundeliegenden Mechanismus der elterlichen Prä-gung (genomic imprinting) für einzelne chro-mosomale Regionen wurde diese Vermutungbestätigt (Tab. 2a). Pathogenetisch sind als Ur-sache Veränderungen in der Expression elter-lich geprägter Gene anzunehmen: währendbeim normalen Imprinting nur eine Genkopie

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in Abhängigkeit von der elterlichen Herkunftexprimiert wird, kommt es bei einer UPD zu ei-ner fehlenden oder übermäßigen Expressionbeider Genkopien. Bekannte Beispiele beimMenschen sind das Prader-Willi-, das Angel-man- und das Beckwith-Wiedemann-Syndrom(BWS) (s.u.; Tab. 2b).

Die Zahl der elterlich geprägten Gene wirdauf ca. 150 geschätzt; da diese Gruppe vonGenen dazu neigt, als Cluster in bestimmtenchromosomalen Regionen vorzuliegen, sollteeine UPD nur dann von Bedeutung sein, wenneine solche geprägte Region betroffen ist. Da-her sind UPDs zwar mittlerweile für die meistenChromosomen berichtet, aber nur für einigelässt sich ein klinischer Phänotyp auf der Basisvon Imprintingstörungen ableiten (Tab. 2a, b).

Interessanterweise gehen viele der UPDs miteiner intrauterinen (und teilweise auch postna-talen) Wachstumsstörung einher, nur die pater-nale UPD des Chromosoms 11 stellt als Groß-wuchs-Syndrom (BWS) eine Ausnahme dar(Tab. 2a, b). Ein Grund für die IUGR bei UPD-Patienten kann in der einer UPD notwendiger-weise vorausgehenden numerischen Chromo-somenstörung liegen, die auch die Plazentaund deren Funktion einschränken kann (Egger-mann et al., 2002). So ist die maternaleUPD16 die häufigste UPD nach der UPD15(Prader-Willi-/Angelman-Syndrom). Dies istnicht überraschend, da das UPD-Risiko beiChromosomen, die häufiger in Aneuploidieninvolviert sind, höher ist und die Trisomie 16 diehäufigste Chromosomenstörung bei Spontan-aborten darstellt. Daher sind die meistenUPD16-Fälle verbunden mit einem chromoso-malen Plazentamosaik. Aufgrund der relativenUnspezifität klinischer Merkmale bei materna-len UPD16-Patienten wurde postuliert, dass derPhänotyp, insbesondere der Schweregrad derIUGR, vom Ausmaß der Plazentainsuffizienzbeeinflusst sei.

6. Strategien zur Ermittlung geneti-scher Veränderungen bei Wachstums-störungen

Zur Ermittlung der genetischen Ursachen vonWachstumsstörungen sind verschiedene Strate-gien möglich. So können Chromosomenstö-rungen, die mittels konventioneller cytogeneti-scher Diagnostik erfasst wurden, wegweisendfür die genomische Lokalisierung eines Merk-mal-relevanten Gens sein. Von molekularge-netischer Seite sind sowohl direkte als auch in-direkte Lösungsansätze vorstellbar. Währenddie direkten Ansätze von Kandidatengenenausgehen, die über ihre chromosomale Lokali-sation und/oder Funktion definiert sind und ei-ne direkte Suche nach pathogenen Mutationenbeinhalten, ist das Ziel der indirekten Ansätze,Kandidatengenregionen zu identifizieren. Siebasieren auf Varianten im menschlichen Ge-nom: Aus diesem Grunde ist ein wichtiges Zieldes humanen Genomprojektes die Erfassungvon DNA-Sequenzunterschieden zwischen Indi-viduen und Populationen. Auf der einen Seitekönnen Unterschiede der genomischen Se-quenz ohne jegliche klinische Konsequenz sein,andererseits können Mutationen zu schwerenKrankheitsbildern führen.

Neben diesen extremen Wirkungen von Ba-senpaarunterschieden existieren auch solche,die lediglich statistisch mit einer pathologi-schen Eigenschaft assoziiert sind. So sind z.B.Varianten bekannt, die statistisch gehäuft beiPatienten mit bestimmten Erkrankungen zu fin-den sind und bei denen entsprechend eine An-lageträgerschaft mit einem erhöhten Risiko zurAusprägung einer Erkrankung einhergeht.

Die Erfassung derartiger Zusammenhängegestaltet sich allerdings schwierig, insbesonde-re bei Merkmalen und Erkrankungen, bei de-nen der (Patho)mechanismus noch ungeklärtund damit keine oder nur sehr wenige aus-sichtsreiche Kandidaten-Gene oder verant-wortliche Genregionen bekannt sind. Nichts-destotrotz sind verschiedene Ansätze bei der Er-forschung der genetischen Basis komplexer Er-krankungen denkbar: Neben den Methoden,die auf der Analyse von familiären Fällen mit

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der entsprechenden Erkrankung basieren undteilweise eine Kenntnis über deren Erbgangvoraussetzen, sind auch Ansätze möglich, dienicht auf derartigen Voraussetzungen basieren.

So werden die über das Genom verteiltenund lokalisierten Marker in Patienten- und Kon-trollpopulationen getestet und miteinander ver-glichen. Es gilt, diejenigen genetischen Poly-morphismen zu identifizieren, die in einem Zu-sammenhang zu in der Nähe liegenden, medi-zinisch relevanten Genen stehen. Die erfolgrei-che Anwendung dieser als „genome scan“ be-zeichneten Strategie wird zu einem großen Teilvom Kopplungsungleichgewicht („linkage dis-equilibrium“) abhängen. Ein Kopplungsun-gleichgewicht liegt dann vor, wenn Marker mitdem Krankheitsphänotyp assoziiert sind. Engmiteinander verbundene Polymorphismen bil-den ein bestimmtes Muster (Haplotyp) und be-finden sich im Kopplungsungleichgewicht miteinem Phänotyp oder einer Erkrankung. Siekönnen aufgrund ihrer räumlichen Nähe aufdie genomische Region für ein Kandidatengenhinweisen. Eine grundlegende Voraussetzungdes Genome Scans ist das Vorhandensein einergenügenden Zahl von Markern sowie große,mehrere 100 bis 1000 Individuen umfassen-den Patienten- und Kontrollkollektive.

Unabdingbare Voraussetzung für derartigeStudien ist die exakte Definition des Phänotypssowie die anschließende und zuverlässige Ein-ordnung der Patienten in die entsprechendenunterschiedlichen Untersuchungskollektive.Nur diese eindeutige Zuordnung erlaubt dieverlässliche Durchführung der biostatistischenAuswertung. Aus diesem Grunde dürfen Patien-ten mit unklaren Phänotypen oder nicht eindeu-tig bestimmbaren Diagnoseparametern nichtaufs grade Wohl zu einem Kollektiv gezähltwerden, vielmehr muss hier – wenn auch aufKosten der Kollektivgröße – eine restriktive Er-fassung erfolgen.

7. Beispiele für die Analyse geneti-scher Veränderungen bei Wachstums-störungen

Aufgrund des hohen Anteils genetischer Fakto-ren am Wachstum sind wie geschildert trotz derKomplexität dieses Merkmals mehrere human-genetische Klärungsansätze denkbar. So be-richteten Hirschhorn und Mitarbeiter (2001)über groß angelegte, mehrere hundert Fami-lien umfassende genomweite Kopplungsstu-dien zur Körpergröße; dabei gelang es, vier

Tabelle 3: Darstellung bisheri-ger Studien zu Einzelgende-fekte und -varianten, die imZusammenhang mit IUGR be-richtet wurden

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chromosomale Regionen zu identifizieren, dieKopplung mit der Körperlänge zeigten.

Die auf Familien mit Fällen einer IUGR „be-schränkten“ Untersuchungen von Ghezzi et al.(2003) zeigten eine genetische Prädispositionfür Feten mit IUGR: so fanden sich in einerGruppe von 70 Frauen mit IUGR-Feten mehr-fach bereits vorher geborene IUGR-Kinder,auch war in 9 von 15 Familien ein dominantesMuster nachweisbar.

Neben derartigen genannten humangeneti-schen Untersuchungsansätzen versprechentransgene Tiermodelle weitere Einsichten in diePathologie von Wachstumsstörungen. So wur-de bereits das Wachstumsmuster bei Mäusenberichtet, bei denen einzelne Komponentendes GH/IGF-Systems gezielt ausgeschaltetwurden; dabei zeigten z.B. knock-out-Mäusefür das igf2-Gen eine extreme IUGR, währendpostnatal eine normale Wachstumsgeschwin-digkeit vorlag, das Wachstumsdefizit allerdingsnicht aufgeholt wurde.

8. (Kandidaten-)Gene des Klein-wuchses und der IUGR/SGA

Klassischerweise erfolgt die Auswahl von Kan-didatengenen entweder aufgrund ihrer genom-ischen Lokalisation, auf die man durch die o.g.Untersuchungsstrategien und Tiermodelle Hin-weise erhält, oder aufgrund ihrer physiologi-schen Funktion.

Beispiele für Gene, die als relevant für dasWachstum und dessen geordneten Ablauf er-achtet werden und bei denen genetische Ver-änderungen bereits nachgewiesen wurden,sind in Tab. 3 genannt.

Im Falle der funktionellen Kandidaten sindFaktoren auf verschiedenen Ebenen der Reali-sierung der Erbinformation denkbar: so kön-nen neben Genen, deren Produkte direkt in dasWachstumsgeschehen eingreifen wie Wachs-tumshormon (growth hormone, GH), Insulin-ähnliche Wachstumsfaktoren (insulin-likegrowth factors, IGFs), IGF-Rezeptoren (IGF re-ceptor, IGFR), IGF-Bindeproteine (IGF bindingproteins, IGFBPs) und GRBs (growth factor re-

ceptor bound proteins) auch solche eine Rollespielen, die deren Expression regulieren (PIT1,PROP) (Tab. 3). Es wurden bereits in einzelnenGenen Mutationen in Patienten mit IUGR und/oder Kleinwuchs nachgewiesen (Tab. 3). Aberauch Faktoren, in denen bestimmte Allele ein-zelner Polymorphismen gehäuft oder seltenerbei Patienten im Vergleich zur Normalbevölke-rung zu finden sind, ohne dass pathogene Mu-tationen derzeit bekannt sind, sind berichtet.

Während Veränderungen in einzelnen Ge-nen meist Einzelkasuistiken darstellen, wurdemit dem kürzlich identifizierten SHOX-Gen(short stature homeobox) das erste Gen identi-fiziert, in dem Mutationen bei immerhin 2.4%von 900 Patienten mit (isoliertem) Kleinwuchsgefunden werden (Rappold et al., 2002). Dar-überhinaus scheinen Mutationen im SHOX-Gen für klinische Merkmale wie die des Turner-Syndroms, des Lery-Weil-Syndroms und derMesomelen Dysplasie Typ Langer verantwort-lich zu sein (zur Übersicht: Blaschke und Rap-pold, 2000).

Hier zeigt sich wie für andere genetische Er-krankungen, dass Veränderungen eines einzel-nen Gens für ein breites Spektrum von klini-schen Merkmalen verantwortlich sein können,so dass auch die Analyse klinisch „untypischer“Fälle oft sinnvoll ist.

Am Beispiel der bereits intensiv untersuchtenFaktoren GH1 und SHOX lassen sich die ver-schiedenen Gruppen von Mutationen und de-ren funktionelle Wirkungen aufzeigen: so füh-ren Deletionen, die das ganze Gen oder großeTeile umfassen, zu einer Reduktion der Genpro-duktmenge, einer sogenannten Haploinsuffi-zienz, Duplikationen hingegen können zurÜberdosis führen. Substitutionen einzelnerAminosäuren führen je nach Lage u.a. zu bioin-aktiven Substanzen, durch die Einführung so-genannter Stopcodons kommt es zum vorzeiti-gen Abbruch des Genprodukts.

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9. Wachstumsstörungen undepigenetische Veränderungen:Beckwith-Wiedemann- und Silver-Russell-Syndrom

Beispiele für die Komplexität gleichartiger gene-tischer Veränderungen bei Krankheitsbildern mitgegensätzlichen Wachstumsstörungen stellendas Beckwith-Wiedemann-Syndrom (BWS) unddas Silver-Russell-Syndrom (SRS) dar (Tab. 2b).

Das Beckwith-Wiedemann-Syndrom gehörtzu den Makrosomie-Syndromen: Neben einembereits intrauterinen Großwuchs finden sichhäufig Bauchwanddefekte, eine neonatale Hy-poglykämie, Viszeromegalien, eine Hemihy-pertrophie sowie eine Makroglossie. WährendGroßwuchs und Übergewicht charakteristischfür das Kindesalter sind, haben Erwachsene mitBWS meistens normale Endlänge und -gewicht.Beim BWS ist ein vermehrtes Auftreten von Tu-moren (Wilmstumor, Neuroblastom, Rhabdo-myosarkom) bekannt.

Bei ca. 20% der Patienten lässt sich eine pa-ternale UPD der Region 11p15 nachweisen.Weitere genetische Veränderungen betreffenGene in der gleichen Region (IGF2,CDKN1C), u.a. wurden Störungen des Imprint-ing-Musters einzelner Faktoren beschrieben.Zusammenfassend gilt das BWS als ein u.a.durch Störungen des Imprinting-Musters verur-sachtes Krankheitsbild mit Beteiligung derchromosomalen Region 11p15.

Beim SRS handelt es sich um ein meist spora-disch auftretendes Syndrom, das zum einendurch schweren intrauterinen und postnatalenKleinwuchs geprägt ist, zum anderen typischecraniofaziale Auffälligkeiten wie relative Ma-krozephalie, prominente Stirn, kleines dreieck-förmiges Gesicht, Mikrognathie und herabge-zogene Mundwinkel umfasst (zur Übersicht:Wollmann et al., 1995). Als weitere Leitsympto-me gelten Klino- und Brachydaktylie V, Hemihy-pertrophie des Körpers, des Gesichts und derExtremitäten. Die Ursachen des SRS sind derzeitunbekannt: Zwar treten die meisten Fälle spo-radisch auf, einzelne familiäre Fälle mit unter-schiedlichen Erbgängen weisen allerdings aufgenetische Komponenten in der Ätiologie des

Syndroms hin. Diese genetische Heterogenitätfindet sich auch bei den bei SRS-Patienten sel-tenen Chromosomenstörungen, ein einheitli-cher Aberrationstypus ist nur für die chromoso-malen Regionen 7p, 17q und eventuell 11p er-kennbar. Auch ist beim SRS die Rolle eineschromosomalen Mosaiks vorstellbar.

Auf eine wesentliche Bedeutung von Fakto-ren, die auf Chromosom 7 liegen, deutet wei-terhin der Befund der maternalen uniparenta-len Disomie 7 (matUPD7) hin, der bei ca.7–10% der Patienten mit SRS erhoben wird.

Mit dem Nachweis einer matUPD7 bei SRS-Patienten wurde bereits 1995 postuliert, dasselterlich geprägte Gene auf Chromosom 7 ei-ne Rolle in der Ätiologie der Erkrankung spielensollten (Kotzot et al., 1995). Daher wurden be-reits zahlreiche Gene aufgrund ihrer Lokalisa-tion auf Chromosom 7, ihrem möglichen Im-printingstatus und/oder ihrer physiologischenFunktion in Hinblick auf Mutationen untersucht,allerdings ergaben sich bisher keine ursächli-chen Zusammenhänge.

Jüngste Fallberichte deuten daraufhin, dassauch chromosomale Veränderungen in 11p15eine Rolle bei der Ausprägung des SRS spielenkönnten (zur Übersicht: Eggermann et al.,2004). So wurden bereits mehrfach Patienten mitSRS bzw. SRS-ähnlichen Symptomen und einermaternalen Duplikation von 11p15 berichtet.

Ein ursächlicher Zusammenhang zwischendem Auftreten von Störungen in der gleichenRegion 11p15 bei derartig gegensätzlichenKrankheitsbildern wie dem BWS und dem SRSbleibt aufzuklären.

10. Ausblick

Aufgrund der komplexen Regulationsmecha-nismen des fetalen wie des postnatalen Wachs-tums gestaltet sich die Abklärung genetischerUrsachen von Wachstumsstörungen alsschwierig. Durch die rasante Entwicklung mole-kularer Testsysteme ist zwar das technischeWerkzeug zur Aufklärung dieser Zusammen-hänge vorhanden: wie bisherige Studien aberzeigen, ist die gute Patientencharakterisierung

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Abbildung 1: Diagnostischer Algorithmus zur molekularen Abklärung von Kleinwuchs-Ursachen. (angelehnt an Kantet al., 2003)

einschließlich Verlaufskontrolle die Grundvor-aussetzung für eine aussagekräftige Bearbei-tung einer solch komplexen Ursachenabklä-rung wie der von Wachstumsstörungen. Hier istdaher eine enge interdisziplinäre Zusammen-arbeit notwendig.

Wie dargestellt sind verschiedene Strategienzur Ursachenabklärung denkbar. So erlaubengroße einheitliche Kollektive die Durchführungvon Assoziationsstudien; Untersuchungen ankleineren ausgewählten Patientengruppen, diedurch IUGR, Kleinwuchs und spezifische weitereMerkmale charakterisiert sind, wie z.B. solchemit Silver-Russell-Syndrom, machen die geziel-tere Analyse von Kandidatengenen möglich;die gewonnenen Ergebnisse können dann ananderen Kleinwuchsgruppen validiert werden.

Zwar erlauben die derzeit verfügbaren gene-tischen Testsysteme nur die Erfassung eines Teilsder möglichen Ursachen einer IUGR, nichtsde-stotrotz stellt die humangenetische Diagnostikin Kombination mit endokrinologischen Analy-

sen eine sinnvolle Ergänzung bei der Abklärungdes Kleinwuchses dar (Abb. 1). Nach Aus-schluss exogener Ursachen für eine IUGR solltebei zusätzlichen klinischen Merkmalen eineChromosomenanalyse (>400 Banden) in Er-wägung gezogen werden. Je nach Begleitsym-ptomen ist die Durchführung einer gezieltenmolekular-zytogenetischen Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung zur Erfassung submikroskopi-scher Umbauten sinnvoll. Auch sollte an dasVorliegen einer cytogenetisch nicht nachweis-baren UPD gedacht werden (Tab. 2a, b) (zurÜbersicht: Eggermann et al., 2002). Die Ab-klärung von Einzelgendefekten sollte dann auf-grund des teilweise erheblichen Aufwands erstnach sorgfältiger klinischer Anamnese erfolgen(Abb. 1). Natürlich stellt das dargestellte dia-gnostische Fließdiagramm nur den Status-quodar und wird in Zukunft mit der Zunahme desWissens über die genetischen Grundlagen desWachstums wesentliche Erweiterungen und Dif-ferenzierungen erfahren.

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5. Ernährung und perinataleProgrammierung von Adipositas:

Zur epidemiologischen EvidenzlageThomas Harder und Andreas Plagemann

1. Zusammenfassung

Bereits seit längerem wird kontrovers diskutiert,ob Stillen, d.h. Muttermilchernährung währendder Säuglingsperiode, mit einem im Vergleichzu Formulaernährung verringerten Adipositas-risiko assoziiert ist. Ziel unserer Untersuchungwar die Durchführung einer umfassenden Me-taanalyse zu dieser Fragestellung. 22 Studien(18 Kohortenstudien, 4 Fall-Kontroll-Studien)wurden nach prädefinierten Einschlusskriterienin die Analyse aufgenommen. Das gepoolteOdds ratio für Adipositas nach Stillen, im Ver-gleich zu Nichtstillen, betrug 0,75 (95% Konfi-denzintervall, 95% CI: 0,68–0,82; random ef-fects model). Das auf Konfounder adjustiertegepoolte Odds ratio (0,77; 95% CI: 0,71–0,84) unterschied sich kaum von demjenigender unadjustierten Studienschätzer (0,72; 95%CI: 0,65–0,80). Sensitivitätsanalysen bestätig-ten die Robustheit des gepoolten Schätzers. Ei-ne längere Stilldauer war mit einer signifikantstärkeren Senkung des Adipositasrisikos assozi-iert. Die Ergebnisse unterstreichen, dass Stillenmit einer deutlichen Verringerung des späterenAdipositasrisikos assoziiert ist. Stillen sollte an-gesichts steigender Adipositasprävalenzen ver-stärkt zur Primärprophylaxe von Adipositas pro-pagiert und gefördert werden.

Schlüsselwörter

Perinatale Programmierung; Stillen; Mutter-milch; Adipositas; Metaanalyse

2. Einleitung

Hoefer und Hardy publizierten bereits 1929erstmals Befunde, nach denen Stillen, d.h. eineMuttermilchernährung während der Säuglings-periode, im Vergleich zu künstlicher Ernährungmit einem geringeren Risiko der Entwicklungvon Adipositas im späteren Leben assoziiert ist(Hoefer und Hardy 1929). In den darauffolgen-den Jahren erschienen mehrere Studien, diediese Befunde bestätigten (bspw. Dörner undMohnike 1977; Kramer 1981; Von Kries et al.1999; Gillman et al. 2001; Hediger et al.2001). Dem gegenüber stehen einige Studien,die keinen Einfluss des Stillens auf das Adiposi-tasrisiko berichteten (Dine et al. 1979).Schließlich existieren sogar Untersuchungen,die ein erhöhtes Adipositasrisiko bei vormalsgestillten Probanden fanden (Wells et al.1998). Es verwundert daher kaum, dass in jün-gerer Zeit publizierte narrative Reviews zu kon-troversen Beurteilungen der Befundlage ka-men: Während Parsons et al. (1999) und Butte(2001) zusammenfassend das Fehlen einesEinflusses des Stillens auf das Adipositasrisikokonstatierten, urteilte Dewey (2003), dass einschwacher Zusammenhang existiere, demmöglicherweise eine erhebliche Bedeutung fürPublic Health zukommen könnte.

Die Aufklärung einer derartigen Datenlagein Beobachtungsstudien kann geradezu als Do-mäne der Metaanalyse bezeichnet werden. Be-sondere Bedeutung könnten Metaanalysen aufdem Forschungsgebiet der „Perinatalen Pro-grammierung“, und hier zumal bei der Unter-suchung des Einflusses perinataler nutritiverFaktoren erlangen, da für diese Fragestellun-

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gen i.d.R. randomisierte kontrollierte Studiennicht durchführbar sind und Metaanalysen vonBeobachtungsstudien damit das Studiendesignmit dem höchstmöglichen klinischen Evidenz-grad darstellen.

Zur Frage eines möglichen Zusammenhan-ges zwischen Stillen und Adipositasrisiko exi-stierte bisher keine Metaanalyse. Im Unter-schied zu narrativen Reviews eröffnet sich hierdie Möglichkeit, die vorliegende Informationquantitativ zusammenzufassen. Außerdemkann nach möglichen Ursachen für Diskrepan-zen zwischen den Studienergebnisse systema-tisch gesucht und die Rolle von bias und con-founding durch geeignete Techniken quantifi-ziert werden.

3. Material und Methoden

Wir führten eine Metaanalyse entsprechenddem von der MOOSE Group vorgeschlagenenVorgehen für Metaanalysen von Beobach-tungsstudien durch (Stroup et al. 2000). ZurIdentifikation relevanter Studien wurde einedreistufige Suchstrategie verwendet. Zunächsterfolgte eine Datenbankrecherche in den Da-tenbanken MEDLINE (1966 – Juni 2003), CI-NAHL (1982 – Juni 2003), SERFILE (2002) undEMBASE (1989 – Juni 2003). Hierbei wurdennachfolgende Begriffe bzw. Begriffskombina-tionen im Volltext gesucht: breast feeding; in-fant nutrition; weaning; overweight; obes*[trunkiert]; adipos* [trunkiert]. Die identifizier-ten Studien wurden auf das Zutreffen der u.g.Einschlusskriterien geprüft. Daneben wurdensämtliche so identifizierte Übersichtsarbeitenauf Zitate von potentiell den Einschlusskriterienentsprechenden Studien überprüft. Schließlichwurden die Bibliographien aller identifiziertenArbeiten nach weiteren potentiell relevantenOriginalarbeiten durchsucht.

Es wurden folgende Einschlusskriterien fürdie Metaanalyse definiert:

1. Studientyp: Eingeschlossen wurden alleals Originalarbeit publizierten Studien (alle Stu-dientypen), in denen während der Säuglingspe-riode gestillte Studienteilnehmer im Vergleich zu

nichtgestillten Probanden untersucht wurden.2. Studienteilnehmer: Eingeschlossen wur-

den Studien mit Probanden in allen Lebensal-tern.

3. Studiengruppen (Definition der Exposi-tion): Eingeschlossen wurden alle Studien, indenen ausschließlich formulaernährte Proban-den (Referenzgruppe) mit Studienteilnehmernverglichen wurden, die mindestens einmal ge-stillt wurden (Expositionsgruppe).

4. Outcome-Variablen: Als outcome-Varia-ble wurde der Anteil von Studienteilnehmern,die Übergewicht bzw. Adipositas entwickelten,festgelegt. Eingeschlossen wurden daher alleStudien, die mindestens eine Angabe (Anzahl,prozentualer Anteil oder Odds ratio mit 95%Konfidenzintervall) zum Anteil übergewichtigerbzw. adipöser Probanden in mindestens zweiStudiengruppen (Referenzkategorie sowie min-destens eine Kategorie mit Muttermilchexposi-tion) enthielten. Es wurde primär jede studien-interne Definition dieser outcome-Variablen(Übergewicht, Adipositas) zugelassen.

Studien wurden nur dann eingeschlossen,wenn sie sämtliche der o.g. Kriterien erfüllten.

Zur Auswertung wurden, soweit nicht ausden Publikationen entnehmbar, aus den Stu-dienergebnissen jeweils Odds ratios (OR) für„breast feeding“ vs. „formula feeding (Refe-renzkategorie)“ berechnet. Bei Vorliegen vonDaten aus verschiedenen Lebensaltersstufenaus derselben Studie wurde hierfür das höchsteangegebene Lebensalter verwendet. Enthieltdie betreffende Studie mehrere outcome-Varia-blen für Adipositas mit unterschiedlichemSchweregrad, so wurden primär die Angabenzum niedrigsten Schweregrad in die Auswer-tung aufgenommen.

Die Effektschätzer der eingeschlossenen Stu-dien wurden zunächst mittels Chi-Quadrat-Testauf Heterogenität überprüft. Anschließend wur-den für Adipositas bei gestillten Probanden, imVergleich zur Referenzkategorie (nichtgestillt),gepoolte OR mit 95% Konfidenzintervall (95%CI) sowohl mittels fixed effects model als auchmittels random effects model berechnet.

In prädefinierten Subgruppen der einge-schlossenen Studien wurden separate gepoolte

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OR mit 95% CI errechnet. Die untersuchtenSubgruppen ergaben sich aus 1) allgemeinenStudiencharakteristika, 2) Charakteristika derExposition und 3) Charakteristika des Out-comes.

Die Daten der Hauptanalyse wurden mittelsBeggs funnel plot, Beggs test und Egger test aufmögliches Vorliegen eines publication bias ge-testet.

Aus allen Studien, in denen sowohl unadju-stierte als auch adjustierte Schätzer berichtetwurden, wurden gepoolte Effektschätzer ausden unadjustierten und den adjustierten Einzel-schätzern berechnet und verglichen.

Ein Zusammenhang zwischen Stilldauer undAdipositasrisiko wurde mittels gewichteter Me-taregressionsanalyse untersucht. Hierzu wurdedie Stilldauer in den eingeschlossenen Studienals „exposure category“ definiert. Da die Still-dauer in den Studien jeweils als Spannweite an-gegeben war (bspw. „1–3 Monate“), wurde je-der exposure category zunächst ihr Median zu-geordnet. In einem Scatterplot wurden die zuden exposure categories gehörigen log OR derSchätzer als abhängige Variable (y-Achse) ge-gen die jeweilige exposure category als unab-hängige Variable (x-Achse) dargestellt. Der Plotzeigte eine lineare Beziehung zwischen Still-dauer und Effektschätzer. Es wurde daher einegewichtete Metaregression (mixed effects, ran-dom effects model mit additiver between-study-variance-Komponente) mit Stilldauer als Kova-riate angepasst.

Zur Evaluation der Robustheit des gepooltenEffektschätzers führten wir eine kumulative Me-taanalyse durch. Hierzu wurden alle Studiendem Publikationsjahr nach chronologisch ge-ordnet. Es wurden schrittweise in chronologi-scher Reihenfolge die Studienschätzer einzelnzum gepoolten Schätzer vereinigt und nach je-dem Einschluss einer Studie ein neuer gepool-ter Schätzer berechnet. Zur Abschätzung desEinflusses einzelner Studien auf den gepooltenSchätzer führten wir eine influence analysisdurch. Hierbei wurde für alle 22 Studien jeweilseine einzelne Studie aus der Analyse entferntund der gepoolte Effektschätzer über die ver-bliebenen 21 Studien erneut berechnet.

Die Analysen wurden mit Hilfe des Software-paketes Stata 8.0 (Stata Corp., College Sta-tion, TX, USA) durchgeführt.

4. Ergebnisse

Es wurden 20 Studien identifiziert, auf die dieEinschlusskriterien zutrafen (Hillman 1963;Taitz 1971; Nitzan und Schönfeld 1976; Du-bois et al. 1979; Thorogood et al. 1979; Kra-mer 1981; Richter 1981; Yeung et al. 1981;Czajka-Narins und Jung 1986; O’ Callaghanet al. 1997; Von Kries et al. 1999; Wadsworthet al. 1999; Scaglioni et al. 2000; Gillman etal. 2001; Hediger et al. 2001; Liese et al.2001; Poulton und Williams 2001; Armstronget al. 2002; Toschke et al. 2002; Langnäse etal. 2003). Zwei der eingeschlossenen Studien(Kramer 1981; Liese et al. 2001) bestandenaus je zwei voneinander unabhängigen Teilstu-dien (nachfolgend Kramer I, Kramer II, Liese etal. I; Liese et al. II genannt). Zusammengefasstergab sich damit eine Gesamtheit von 22 Stu-dien, die in die Auswertung aufgenommen wur-den.

Die Studien wurden in insgesamt 9 Ländern(Australien, Bundesrepublik Deutschland,CSSR, Deutsche Demokratische Republik,Grossbritannien, Italien, Kanada, Neuseeland,USA) auf drei Kontinenten (Australien/Ozea-nien, Europa, Nordamerika) durchgeführt. 21Studien waren in englischer Sprache, eine Stu-die war in deutscher Sprache abgefasst. Die äl-teste eingeschlossene Studie stammte aus demJahr 1963, die jüngste aus 2003. 18 Studienwaren Kohortenstudien, 4 Studien waren Fall-Kontroll-Studien. Die Studiengröße variiertezwischen 66 und 33768 untersuchten Proban-den. In 7 der eingeschlossenen Studien wurdenadjustierte Schätzer berichtet, wobei auf 3–14Konfounder adjustiert wurde.

Abb. 1 zeigt den forrest plot und das gepool-te OR aus dem random effects model. Das ge-poolte Odds ratio für Adipositas nach Stillen,im Vergleich zu Nichtstillen, betrug 0,75 (95%Konfidenzintervall, 95% CI: 0,68–0,82; ran-dom effects model). Der Heterogenitätstest

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Abbildung 1: Forrest plot: Stillen und Adipositasrisiko (Odds ratios und 95% Konfidenzintervalle; gepoolter Schätzermittels random effects model)

Tabelle 1: Subgruppenanaly-se zum Zusammenhang zwi-schen Stillen und Adipositasri-siko (random effects model)

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zeigte signifikante Heterogenität der Studien-schätzer an (p = 0,004), weshalb auch für allenachfolgenden Analysen das random effectsmodel verwendet wurde.

Zur Untersuchung möglicher Quellen vonHeterogenität führten wir Subgruppenanalysendurch. Die Ergebnisse dieser Untersuchungensind in Tab. 1 zusammengefasst. Kohorten- undFall-Kontroll-Studien schätzten im Mittel dengleichen Effekt, wobei der gepoolte Effektschät-zer der vier Fall-Kontroll-Studien allerdingsnicht signifikant von 1,0 verschieden war. Diegeographische Lokalisation der Studien hatteeinen vergleichsweise deutlichen Effekt auf dengepoolten Effektschätzer: Studien aus Europaund Nordamerika schätzten im Mittel den glei-chen Effekt. Demgegenüber schätzten die dreiin Australien und Neuseeland durchgeführtenStudien im Mittel keinen protektiven Einflussdes Stillens auf das Adipositasrisiko. Der ge-poolte Schätzer von Studien, in denen die Ex-position mit Hilfe von Krankenakten verifiziertwurde, unterschied sich fast nicht von demjeni-gen von Studien, die Interviews bzw. Fragebö-gen zur Erhebung der Exposition verwendeten.Die Art der Adipositas-Definition hatte nur ei-nen mäßigen Einfluss auf den gepoolten Effekt-schätzer: Der gepoolte Studieneffekt war in denBMI-basierten Studien ausgeprägter als in je-nen Studien, die ein nicht-BMI-basiertes Kriteri-

Abbildung 2: Beggs funnelplot zur Untersuchung vonpublication bias aller Studienzu Stillen und Adipositasrisiko

um zur Adipositasdefinition verwendeten, wo-bei der letztere Effektschätzer ausserdem nichtsignifikant von 1,0 verschieden war.

Wir untersuchten mit drei verschiedenen Me-thoden die Möglichkeit des Vorliegens einespublication bias. Abb. 2 zeigt den aus den ein-geschlossenen Studien resultierenden Beggsfunnel plot, welcher keinen Hinweis auf einenpublication bias lieferte. Zur formalen Testungdieser Hypothese führten wir ausserdem denrank correlation test nach Begg durch. DerBegg test lieferte keinen Hinweis auf Vorliegeneines publication bias (p = 0,61). Zusätzlichuntersuchten wir diese Fragestellung mit Hilfedes linear regression test nach Egger, welcherebenfalls keinen Hinweis auf publication biasergab (p = 0,70).

9 Studien lieferten Angaben zu Konfoundernsowie auf Konfounder adjustierte Effektschät-zer. In zwei Studien wurden zwar Adjustierun-gen berichtet, diese waren jedoch für die vorlie-gende Analyse nicht verwendbar: In einer ein-geschlossenen Studie (O’Callaghan et al.1997) wurde zwar ein konfounderadjustiertesOdds ratio berichtet, allerdings mit „breast fee-ding“ statt „formula feeding“ als Referenzkate-gorie. Von Wadsworth et al. (1999) wurden ad-justierte Odds ratios nur für ausgewählte Teil-stichproben berichtet. Das gepoolte Odds ratioder adjustierten Studienschätzer der verblei-

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benden 7 Studien (0,77; 95% CI: 0,71–0,84)unterschied sich kaum von demjenigen derunadjustierten Schätzer derselben Studien(0,72; 95% CI: 0,65–0,80).

Mittels gewichteter Metaregression unter-suchten wir, ob ein Zusammenhang zwischender Stilldauer und der Grösse des Effektschät-zers bestehen könnte. 16 der eingeschlossenen22 Studien enthielten Angaben zur Stilldauer. In14 dieser 16 Studien waren Angaben zu Effekt-schätzern für mehr als eine Stilldauer enthalten,woraus insgesamt 51 Stilldauer-Effektschätzer-Datenpaare resultierten. Die graphische Dar-stellung der Effektschätzer in Abhängigkeit vonder Stilldauer ergab eine annähernd lineareBeziehung zwischen beiden Variablen. Der Re-gressionskoeffizient zeigte eine signifikante ne-gative Beziehung zwischen Effektgröße und

Abbildung 3: Kumulative Metaanalyse aller Studien zu Stillen und Adipositasrisiko (jeweils gepooltes Odds ratio und95% Konfidenzintervall nach schrittweisem Einschluss aller Studien in chronologischer Reihenfolge in die Analyse;random effects model)

Stilldauer an (gewichteter logarithmierter Re-gressionskoeffizient: -0,03; 95% CI: -0,05- -0,009). Damit war eine längere Stilldauer miteiner stärkeren Reduktion des Adipositasrisikosassoziiert.

Die kumulative Metaanalyse der chronolo-gisch nach ihrem Publikationsdatum geordne-ten Studien ergab, dass bereits im Jahr 1981,mit der Publikation der Studie von Richter(1981), ein gepoolter Effektschätzer von 0,77erreicht war, welcher mit der Veröffentlichungder Studie von Czajka-Narins und Jung (1986)signifikant von 1,0 verschieden wurde (Abb. 3).

Zur Abschätzung des Einflusses einzelner Stu-dien auf den gepoolten Schätzer führten wir eineinfluence analysis durch. Durch Herausnahmejeweils einer einzelnen Studie aus der Analysekam es zu nur geringen Veränderungen des ge-

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meinsamen Effektschätzers: Das gepoolte Oddsratio nahm Werte zwischen 0,73 und 0,76 an,bei nur geringen Schwankungen von Weite undBereich des 95% Konfidenzintervalls.

5. Diskussion

Bisher wurde die Datenlage zum möglichenZusammenhang zwischen Stillen und dem Adi-positasrisiko im späteren Leben kontrovers be-wertet. Unsere hier vorgelegte Metaanalysezeigt einen deutlichen protektiven Effekt desStillens auf das spätere Adipositasrisiko. Der Ef-fektschätzer erwies sich als sehr robust undzeigte einen inversen Zusammenhang zur Still-dauer. Darüberhinaus konnten wir keinen deut-lichen Einfluss von Konfoundern auf den ge-poolten Schätzer finden.

Durch Subgruppen- und Sensitivitätsanaly-sen sollte die Robustheit des gepoolten Schät-zers untersucht und mögliche Quellen von biasin der Metaanalyse aufgedeckt werden. So un-tersuchten wir in zwei Analyseschritten einenmöglichen recall bias. Sowohl Fall-Kontroll-Studien, als auch Studien, in denen die Exposi-tion mittels Interview oder Fragebogen erhobenwurde, unterliegen potentiell einem recall bias.Weder die Subgruppenanalyse der unter-schiedlichen Studiendesigns (Kohortenstudien,Fall-Kontroll-Studien), noch die separate Un-tersuchung von interview- bzw. fragebogenba-sierten Studien im Vergleich zu aktenbasiertenStudien erbrachte substantielle Gruppenunter-schiede, so dass das Vorliegen eines bedeutsa-men recall bias unwahrscheinlich erscheint.

Eine Metaanalyse zum Zusammenhang zwi-schen Stillen und Adipositasrisiko könnte po-tentiell durch Unterschiede in der Definitionvon Adipositas zwischen den einzelnen Studienbeträchtlich beeinflusst werden. Der BMI wurdeerst in jüngster Zeit zum international akzeptier-ten Standardkriterium für die Adipositasdefini-tion, während v.a. in älteren Studien sehr varia-ble Kriterien zur Definition von Adipositas ver-wendet wurden, wie z.B. auf Hautfaltendickeberuhende Definitionen oder diverse cut-off-Werte für das absolute Körpergewicht. Tatsäch-

lich zeigte sich in der Subgruppenanalyse, dassdie Adipositasdefinition nur einen vernachläs-sigbaren Einfluss auf die Stärke der Beziehungzwischen Stillen und Adipositasrisiko hatte.

Interessanterweise ergab die Subgruppen-analyse einen deutlichen Einfluss der geogra-phischen Lokalisation der Studien auf das Stu-dienergebnis. So zeigten die in Australien/Neu-seeland durchgeführten Studien, im Unter-schied zu den in Europa oder Nordamerika er-hobenen Daten, im Mittel keinen protektivenEinfluss des Stillens auf das Adipositasrisiko,was bspw. auf Unterschiede im Basisrisiko fürAdipositas zwischen den einzelnen Studienpo-pulationen zurückzuführen sein könnte.

Mittels kumulativer Metaanalyse, sowiedurch influence analysis untersuchten wir, obdie seit 1999 publizierten Ergebnisse von gros-sen populationsbezogenen Studien, wie bspw.diejenigen von von Kries et al. (1999) und Gill-man et al. (2001) einen bedeutsamen Einflussauf das Ergebnis der vorliegenden Metaanaly-se hatten. Die Daten zeigen, dass dies nicht derFall war: Der gepoolte Schätzer war seit Beginnder 1980er Jahre nahezu unverändert, wobeidie seit 1999 publizierten großen Studien deut-lich die Präzision des gepoolten Schätzers er-höhten, aber nur einen geringen Einfluss aufdie Lage des Punktschätzers selbst hatten.

In 7 Studien wurden sowohl unadjustierte alsauch adjustierte Schätzer berichtet, so dass ei-ne Abschätzung einer möglichen Rolle vonKonfounding durchgeführt werden konnte. DerVergleich des gepoolten OR aller unadjustier-ten mit demjenigen aller adjustierten Schätzerzeigte eine vergleichsweise geringe Differenz,so dass geschlussfolgert werden kann, dassKonfounding wahrscheinlich nur eine unterge-ordnete Rolle für die Beziehung zwischen Stillenund Adipositasrisiko spielt.

Für die beobachtete protektive Rolle vonMuttermilchernährung für das Adipositasrisikokönnte eine ganze Reihe von Mechanismenverantwortlich sein. Stillen führt, im Vergleich zuFormulaernährung, zu einer verringerten neo-natalen Gewichtszunahme, welche ihrerseits zueinem verminderten Adipositasrisiko führt (Dör-ner und Mohnike 1977; Stettler et al. 2002). In

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tierexperimentellen Studien konnte gezeigt wer-den, dass die Art der neonatalen Ernährung dieEntwicklung neuroendokriner Regelkreise, wel-che maßgeblich in die Regulation von Nah-rungsaufnahme und Körpergewicht involviertsind, permanent beeinflussen kann, mit Folgenfür das spätere Adipositasrisiko (Dörner undPlagemann 1994).

Zusammengefasst könnten die Ergebnissender vorliegenden Metaanalyse beträchtlichegesundheitspolitische Konsequenzen haben.Angesichts permanent steigender Adiposita-

sprävalenzen in nahezu allen westlichen Indu-striestaaten wächst die Notwendigkeit der Iden-tifikation und Etablierung geeigneter Präventiv-faktoren und -maßnahmen. Die Ergebnisse un-serer Metaanalyse sprechen für eine Reduktiondes Adipositasrisikos durch Stillen von 25%.Die im Verlauf der letzten 70 Jahre akkumulier-te Evidenz weist damit klar darauf hin, dassMuttermilchernährung eine effektive und siche-re Massnahme zur Primärprävention von Adi-positas darstellt und dementsprechend propa-giert und gefördert werden sollte.

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6. Die Bedeutung von Homocystein,Folsäure und Vitamin B-12-Status in derPädiatrie: prä- und postnatale Einflüsse

auf die Entwicklung des KindesWolfgang Herrmann und Rima Obeid

1. Zusammenfassung

Die Bestimmung der Serum-Konzentration vonden Metaboliten Homocystein (HCY) und Me-thylmalonsäure (MMA) als Indikatoren des B-Vitaminstatus hat sich in der Pädiatrie etabliert.Anhand dieser sensitiven und funktionellenMarker konnte eine hohe Frequenz an subopti-malem B-Vitaminstatus bei Säuglingen und Kin-dern aufgedeckt werden. Erhöhte HCY-, ernied-rigte Folsäure- und/oder Vitamin B-12-Konzen-trationen steigern das Risiko für die Entwicklungverschiedener Erkrankungen bei Säuglingen.Die Bestimmung der Serumkonzentration vonMetaboliten bei Kindern definierter Zielgruppenhat sich in zahlreichen Studien als nützlich er-wiesen. Neben seiner Rolle als Indikator des B-Vitaminstatus gilt HCY als unabhängiger Risiko-faktor für vaskuläre Erkrankungen, Thrombosenund kognitive Dysfunktion bei Erwachsenen.Obwohl im Vergleich zu Erwachsenen bei Kin-dern diesbezügliche Ergebnisse aus großange-legten Studien weniger verfügbar sind, wird dieBedeutung von HCY als pathogener Faktorauch in der Pädiatrie mehr und mehr bestätigt.Aufgrund der fundamentalen Rolle der B-Vit-amine für die Entwicklung des Embryos bis hinzum Kindesalter, können durch Mangel an B-Vitaminen Langzeitschäden entstehen, die beifrüher Diagnose und adäquater Therapie relativeinfach vermeidbar sind.

Es ist gezeigt worden, dass ein schlechter B-Vitaminstatus in der frühen Lebensphase, sogarschon zum Zeitpunkt der Empfängnis, einennegativen Einfluss auf die Entwicklung des Kin-des haben kann. Abort, Schwangerschaftskom-

plikationen, Totgeburt, Neugeborene mit zugeringem Geburtsgewicht (SGA), Neuralrohr-defekte (NRD) und schwere angeborene Ano-malien werden mit erhöhten HCY-Konzentra-tionen und schlechtem B-Vitaminstatus in Zu-sammenhang gebracht. Nach der Geburt undim ersten Lebensjahr kann es, wegen der gerin-gen Vitamin B-12-Konzentration in der Mutter-milch und dem noch unreifen kindlichen Intrin-sic-Faktor, zu einer verringerten Aufnahme vonVitamin B-12 kommen.

Stillende Mütter können leicht einen Mangelan Mikro-Nährstoffen entwickeln, infolgedes-sen es zu einer veränderten Zusammensetzungder Muttermilch und einer Verschlechterungdes Ernährungsstatus des Säuglings kommenkann. Berichte von schwangeren oder stillen-den Frauen aus Entwicklungsländern, die sichüberwiegend vegetarisch ernähren, oder sol-chen mit makrobiotischer Diät haben außer-dem gezeigt, dass ein niedriger Vitamin B-12-Status (untersucht mit HCY und MMA) sehrhäufig vorlag und dieser mit dem Vitamin B-12-Status der Neugeborenen korrelierte. EinVitamin B-12-Mangel der Mutter führt daher zueiner schnellen Entleerung der Vitamin B-12-Speicher (Leber) des Neugeborenen. Ein nied-rigeres Vitamin B-12 und höheres MMA wieauch HCY bei Kindern unter 6 Monaten im Ver-gleich zu Kindern über 6 Monaten weisen aufeinen transienten Vitamin B-12-Mangel bei derjüngeren Gruppe unter 6 Monate hin.

Ein Mangel an Folsäure und Vitamin B-12kann bei Kindern bleibende physische als auchpsychische Schäden verursachen. Der Auf-rechterhaltung eines adäquaten Vitamin B-12-

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Abbildung 1: Homocystein-Metabolismus. THF, Tetrahydrofolat; MTHFR, Methylentetrahydrofolatreduktase; MS,Methioninsynthase; BHTM, Betain-Homocystein-Methyltransferase; CBS, Cystathionin-β-Synthase; GCT, γ-Cystathio-nase; SAM, S-Adenosyl-Methionin; S-Adenosyl-Homocystein; R-CH3, Methylierungsprodukt; MCM, L-Methylmalo-nyl-CoA-Mutase; MMA, Methylmalonsäure

Spiegels im Säuglings- und frühen Kindesaltersowie in Perioden progressiven Wachstums undEntwicklung sollte daher besondere Beachtunggeschenkt werden, da Symptome des VitaminB-12-Mangels in diesem Alter schwer detek-tierbar sind. Es ist gezeigt worden, dass einschlechter B-Vitaminstatus bei Kindern zuschwachen schulischen Leistungen, verringer-ter Anpassungsfähigkeit und Lernschwächeführen kann. HCY und MMA sind gute Indika-toren für die Evaluierung des B-Vitaminstatusbei Neugeborenen und Kindern.

2. Hintergrund

HCY ist eine nicht-proteinbildende, schwefel-haltige Aminosäure des Methioninstoffwech-sels (Abb. 1). Anfang der 60er Jahre wurdeerstmals über Homocystinurie als angeboreneStörung des Aminosäurestoffwechsels berichtet(1). Dieser Stoffwechseldefekt ist mit einer dra-stischen Erhöhung des HCY-Spiegels im Plas-

ma wie auch einer stark erhöhten Ausschei-dung des Oxidationsprodukts Homocystin imUrin verbunden (1). Unbehandelt entwickelnBetroffene bereits im jugendlichen Alter nebenanderen Symptomen schwere atheroskleroti-sche Gefäßveränderungen, geistige Retardie-rung und Knochendeformationen. McCully for-mulierte bereits 1969 den Zusammenhang zwi-schen dem stark erhöhten HCY-Spiegel imPlasma und der Atherosklerose (1). Nachfol-gend wurde in vielen Studien gezeigt, dassauch moderat erhöhte HCY-Konzentrationenim Plasma bzw. Serum eine positive Assoziationmit einem erhöhten Risiko für ischämischeHerzerkrankung, venöse Thrombose, periphe-re arterielle Verschlusskrankheit, Schlaganfalloder Schwangerschaftskomplikationen aufwei-sen. Hyperhomocysteinämie ist außerdemauch ein Risikofaktor für neurodegenerative Er-krankungen wie vaskuläre Demenz, AlzheimerDemenz oder kognitive Störungen.

HCY befindet sich am Schnittpunkt zweierStoffwechselwege, der katabolen Transsulfurie-

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rung und dem Remethylierungskreislauf (Abb.1). HCY wird entweder zu Cystathionin trans-sulfuriert oder zu Methionin remethyliert, wobeidie Remethylierungsrate von der diätetischenMethioninzufuhr abhängig ist. Bei der Reme-thylierung nimmt HCY eine Methylgruppe von5-Methyltetrahydrofolat auf und bildet Methio-nin. Die Reaktion findet in allen Geweben stattund wird durch das Vitamin B-12-abhängigeEnzym Methioninsynthase [EC 2.1.1.13] kata-lysiert. Alternativ kann die Methylgruppe auchvon Betain geliefert werden. Methionin wird zuS-Adenosylmethionin transformiert, das alsuniverseller Methylgruppendonor fungiert. Beider Demethylierung von SAM entsteht S-Ade-nosylhomocystein, woraus durch hydrolytischeSpaltung HCY freigesetzt wird. Im katabolenTranssulfurierungsweg kondensiert HCY mit Se-rin zu Cystathionin. Die Reaktion wird durchCystathionin-ß-Synthase [CBS, EC 4.4.1.1] ka-talysiert, einem Vitamin B-6-abhängigen En-zym. In einem zweiten Reaktionsschritt, kataly-siert durch γ-Cystathionase [EC 4.4.1.1], ei-nem ebenfalls Vitamin B-6-abhängigen Enzym,wird Cystathionin zu Cystein und α-Ketobutyrathydrolysiert. SAM spielt eine wichtige Rolle inder Regulation zwischen den Stoffwechselwe-gen Remethylierung und Transsulfurierung.

3. Homocystein – ein neuer Marker inder Pädiatrie

Die Anzahl von Studien, die sich mit dem The-ma Homocystein bei gesunden und erkranktenKindern befassen, ist in den letzten Jahren stetiggestiegen. Die Messung des Plasmaspiegelsvon HCY allein oder in Verbindung mit Methyl-malonsäure (MMA) ist für die pädiatrische Pra-xis ein sensitiver und relativ spezifischer Markereines Mangels an B-Vitaminen (2,3).

Die HCY-Plasmakonzentrationen bei Säug-lingen (<1 Jahr) liegen zwischen 4 bis 9 µmol/Lund sind damit vergleichsweise höher als beiälteren Kindern. Vitamin B-12 ist mehr als Folatder Hauptmodulator des Plasmaspiegels vonHCY bei Säuglingen (2,3). Kinder (>1 Jahr)haben normalerweise verglichen mit Erwachse-

nen niedrigeres Plasma-HCY, das dann mit zu-nehmenden Alter ansteigt (2). Bei Kindern >1Jahr wird der Folatstatus zur Hauptdeterminan-te der HCY-Plasmakonzentration, gefolgt vonVitamin B-12 und Alter. Der sexuelle Dimor-phismus der HCY-Konzentration setzt sehr zeitigim Alter von zehn Jahren ein. Jungen haben ge-genüber Mädchen einen höheren HCY-Spiegel(3). Diese Beobachtung wird aber nicht von al-len Untersuchern bestätigt.

Studien an Kindern mit Folat- oder VitaminB-12-Mangel haben die Bedeutung eines ad-äquaten Status dieser Vitamine bei Säuglingenaber auch in der frühen Kindheit wie auch wäh-rend Perioden progressiven Wachstums undEntwicklung unterstrichen. Die klinischen Zei-chen des B-Vitaminmangels sind bei Säuglin-gen häufig unspezifisch und schwierig zu er-kennen. Reizbarkeit, Antriebsarmut, verzögerteEntwicklung und hämatologische Veränderun-gen sind bei Vitaminmangel beschrieben wor-den. Langandauernder Vitaminmangel kann zuernsthaften neurologischen Schäden führen.Die als typisches Zeichen für B-Vitaminmangelangesehene megaloblastäre Anämie wird oftnicht vorgefunden oder kann auch durch einegleichzeitig vorhandene Eisenmangel-Anämiemaskiert werden.

Die Messung der Serumspiegel von Vitami-nen besitzt für die Diagnostik eines Mangelshäufig eine nur unzureichende Spezifität undSensitivität (4). Moderne metabolische Marker,wie HCY in Verbindung mit MMA, sind überle-gen und mit ihrer Hilfe ließ sich bei Neugebore-nen und Säuglingen eine hohe Prävalenz einessubtilen, nicht erkannten B-Vitaminmangelnachweisen.

Hyperhomocysteinämie kann erblich bedingtaber auch erworben sein. Einige dieser mögli-chen Faktoren sind in Tabelle 1 aufgelistet. Ver-schiedene relevante Genmutationen, die Enzy-me des HCY-Metabolismus oder den Vorgangder Folat- bzw. Vitamin B-12-Absorption sowiedes Transports betreffen, sind beschrieben wor-den (Tab. 1). In Untersuchungen ist gezeigtworden, dass einige der Polymorphismen einensignifikanten Einfluss auf den HCY-Plasmaspie-gel haben, entweder direkt oder erst in Verbin-

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Tabelle 1: Ursachen fürHyperhomocysteinämie beiNeugeborenen, Säuglingenund Kindern

dung mit einem entsprechenden Ernährungs-status (5). Das klassische Beispiel für Gen-Um-welt-Wechselwirkung ist die Auswirkung einesniedrigen Folat- und/oder Vitamin B-12-Spie-gels auf die HCY-Konzentration im Plasma beiPersonen, die homozygote Träger der C677TMutation im Gen der Methylentetrahydrofola-treduktase (MTHFR) sind (5).

4. Homocystein bei erkrankten Kin-dern

Bei Homocysteinspiegeln zwischen 30 und 100µmol/L liegt häufig ein heterozygoter Enzymde-fekt von am HCY-Metabolismus beteiligten En-zymen vor. Bei schweren Hyperhomocystein-ämien mit Werten über 100 µmol/L ist ein ho-mozygoter Enzymdefekt mit starkem Verlust anEnzymaktivität wahrscheinlich. Die klassischeHomocystinurie beruht auf einem homozygo-ten Defekt im Cystathionin-ß-Synthase (CBS)-Gen mit sehr starkem Verlust an Enzymaktivität(Prävalenz in Europa 1:40.000 bis 1:332.000)(6). Es treten rezidivierende Thrombosen, Lin-senluxationen und Krämpfe auf. Eine prämatu-re Atherosklerose ist vorprogrammiert. Häufighaben die Patienten vor dem 25. Lebensjahr ei-nen Herzinfarkt und ihre Lebenserwartung liegtunter 50 Jahre. In einer Analyse unter Ein-schluss von 629 Homocystinurie-Patienten mithomozygotem CBS-Mangel wurden bei 25%der Patienten thromboembolische Ereignissefestgestellt. Die Behandlung besteht in einer

diätetischen Methioninrestriktion und der Gabevon hohen Dosen an Vitamin B6. Ferner wirdempfohlen die Nahrung mit Cystein anzurei-chern, da diese Aminosäure aufgrund des re-duzierten Abbaus von Methionin essentiellwird.

Bei Erwachsenen ist eine moderate Hyperho-mocysteinämie mit einem erhöhten Risiko füratherothrombotische Gefäßerkrankungen ver-bunden, während ihre Auswirkung bei Kindernnoch nicht bekannt ist. Die Bedeutung einesgezielten HCY-Screenings bei pädiatrischenPatienten ist ausführlich betrachtet worden (7).Danach können Kinder mit phänotypischenMerkmalen einer Hyperhomocysteinämie(Schlaganfall, atypische Anämie), Kinder mitchronischer Nierenerkrankung oder Unterer-nährung von einem HCY-Screening mit geziel-ter nachfolgender Vitaminsubstitution profitie-ren. Die routinemäßige Erfassung erhöhterHCY-Spiegel bei pädiatrischen Patienten bieteteine verbesserte Prognose, wenn durch Vit-aminsupplementation eine Normalisierung desHCY-Spiegels im Plasma erreicht werden kann.

Moderat erhöhte Plasmakonzentrationen anHCY sind auch bei Kindern ein Risikofaktor fürGefäßverschlusskrankheit und Gehirnläsionen(8). In einer retrospektiven Studie an Neugebo-renen, bei denen in der Neonatalperiode zere-brovaskuläre Läsionen nachgewiesen wordenwaren, wurden die HCY-Spiegel im Vergleichzu gesunden Neugeborenen untersucht (9).Die mittlere HCY-Konzentration lag bei denNeugeborenen mit Schlaganfall, verglichen mit

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gesunden Neugeborenen, signifikant höher(9,3 vs. 7,4 µmol/L). In einer anderen Studiewurden ebenfalls bei Kindern mit Schlaganfallund Kindern, die antiepileptische Arzneimittelerhielten, im Vergleich zu gesunden Kontrollenhöhere HCY-Konzentrationen gemessen (10).Ein Screening auf Hyperhomocysteinämie beipädiatrischen Patienten mit Schlaganfall undsolchen unter Therapie mit Antiepileptika wirddeshalb empfohlen. Ebenso erscheint in ausge-wählten Fällen eine Folatsubstitution empfeh-lenswert zu sein, obgleich diese durch prospek-tive Studien noch zu bestätigen ist.

Hyperhomocysteinämie wird bei Nierenpa-tienten, gleichgültig ob Kinder oder Erwachse-ne, mit großer Häufigkeit angetroffen (11). Einemoderate Erhöhung des HCY-Spiegels wirdauch von Kindern berichtet, deren männlicheVerwandte vorzeitig an kardiovaskulärer Er-krankung gestorben sind. Daraus lässt sich dieBedeutung der familiären Belastung für das Ri-siko der Entwicklung von kardiovaskulären Er-krankungen ableiten. Bei Kindern mit entzünd-lichen Darmerkrankungen wird HCY, vergli-chen mit den gesunden Kontrollen, höher ge-messen und korreliert negativ mit 5-Methylte-trahydrofolat.

5. Homocystein als Risikofaktor fürSchwangerschaftskomplikationen

Eine positive Assoziation zwischen schlechtemmütterlichen Ernährungsstatus und Schwanger-schaftskomplikationen sowie ungünstigem Ge-burtsausgang wurde durch verschiedene Un-tersucher berichtet. Die Assoziation zwischenmütterlichem HCY und B-Vitaminstatus sowieungünstigem Schwangerschaftsverlauf wurdeprospektiv untersucht (12). PräkonzeptionellesHCY ≥12.4 µmol/L war mit einem 4fach er-höhtem Risiko für eine Frühgeburt (<37 Wo-chen) assoziiert. Eine Beziehung zwischen nied-rigem Vitamin B-6 während der Schwanger-schaft und Geburtsgewicht des Säuglings wur-de ebenfalls gezeigt.

Weiterhin ist nach den Ergebnissen der „Hor-daland Homocystein Studie“ (an 5883 Frauen

und 14492 Schwangeren) erhöhtes HCY alsunabhängiger Riskofaktor für die Entwicklungeiner Präeklampsie (OR = 1.32, vorzeitigemSchwangerschaftsabbruch (OR= 1.38) undniedrigem Geburtsgewicht (OR= 2.01) einge-stuft worden (13). Weiterhin ergaben andereUntersuchungen, dass ein niedriger Vitamin B-12-Status eine Assoziation zu gehäuften Abor-ten hat (14). Vitamin B-12-Therapie führte inverschiedenen Fällen mit gehäuftem sponta-nen Schwangerschaftsverlust nach Normalisie-rung des Vitamin B-12-Status zum erfolgrei-chen Schwangerschaftsverlauf (14). Die Auto-ren empfehlen deshalb, bei Frauen mit uner-klärbarem Schwangerschaftverlust unabhän-gig vom Vorhandensein oder Nichtvorhanden-sein hämatologischer Abnormalitäten den Vit-amin B-12-Status zu untersuchen.

6. Die Inzidenz von niedrigem B-Vit-aminstatus bei Säuglingen und in derfrühen Kindheit: die diagnostischeBedeutung der funktionellen Marker

Eine gesteigerter DNA-turnover und gesteigerteDNA-Synthese bei schwangeren Frauen, Neu-geborenen and Kindern bedeuten einen erhöh-ten Bedarf an Folsäure, Vitamin B-12 und B-6in diesen Zielgruppen. Ein gewöhnlich asym-ptomatischer grenzwertiger oder niedriger Vit-aminstatus während der perikonzeptionellenPeriode kann während der Schwangerschaftoder Laktation in einen Zustand des Vitamin-mangels übergehen. Serum-Folat kann sich beiMüttern mit einer täglichen Aufnahme < 380µg bei längerem Stillen (>6 Monate) erschöp-fen und den Mangelzustand erreichen. Niedri-geres Serum-Folat und höheres HCY fand sichbei (nicht-supplementierten) Müttern nach 6Monaten Stillen, verglichen mit den Wertennach 3 Monaten Stillen (15). Nach Verabrei-chung von täglich 1 mg Folat an stillende Müt-ter trat dieser Unterschiede nicht mehr auf.Neugeborene von Müttern mit erschöpften Vit-aminspeichern können ebenfalls leicht einenVitamin-Mangelzustand entwickeln. Außerdemwird sich eine niedrige oder marginale Vitamin-

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aufnahme nach der Geburt besonders bei ge-stillten Säuglingen von Müttern mit entleertenVitaminspeichern sehr wahrscheinlich fortset-zen. Deshalb wird Frauen, die eine Schwanger-schaft planen, geraten ihre Aufnahme an B-Vit-aminen zu erhöhen. Da aber die meistenSchwangerschaften nicht geplant sind, sollteder ausreichenden Aufnahme von B-Vitaminenbei Frauen im gebärfähigen Alter besondereAufmerksamkeit geschenkt werden. Durch dieAnreicherung von Getreideprodukten mit Fol-säure in den USA erwies sich bei den jungenFrauen eine Folsäureaufnahme von ≥ 400 µgpro Tag als leicht erreichbar.

Plasma-HCY ist ein funktioneller Indikatorfür den B-Vitaminstatus bei Neugeborenen. Angesunden, Muttermilch-ernährten Neugebore-nen wurde gefunden, dass die HCY-Konzentra-tion im Plasma von Nahrungsfaktoren wie Fol-säure, Vitamin B-12 und Vitamin B-6 beein-flusst wird (16). In derselben Studie wurde auchgefunden, dass mit Formulamilch-Nahrung er-nährte Säuglinge niedrigere Plasma-Konzen-trationen von HCY und höheres Vitamin B-12aufwiesen als Muttermilch-ernährte. Währenddes ersten Lebensjahres ist die Vitamin B-12-Aufnahme aufgrund eines niedrigen Vitamin B-12-Gehaltes der Muttermilch wie auch durchein noch unreifes Intrinsic-Faktor-System beiNeugeborenen begrenzt. Die in der Leber desNeugeborenen normalerweise vorhandenenVitamin-B-12-Speicher werden als ausrei-chend angesehen, den Bedarf an Vitamin B-12im ersten Lebensjahr zu decken. Jedoch ist esnicht einfach, den Vitamin B-12-Status beiNeugeborenen wieder zu normalisieren(17,18). Neugeborene sind deshalb sensitivdafür, einen echten Vitamin B-12-Mangel zuentwickeln.

Vitamin B-12 ist der hauptsächliche Modula-tor für das Plasma-HCY bei Neugeborenenund Säuglingen. Bei älteren Kindern korreliertHCY stärker mit dem Folat- als mit dem VitaminB-12-Spiegel (2,19). Die Nützlichkeit derMMA-Messung als Einzeltest zum Ausschlusseines Vitamin B-12-Mangels ist vielfach belegtworden. Babies mit niedrigem Vitamin B-12-Status hatten höheres MMA und HCY (17). Je-

doch ist seine Aussagekraft durch das häufigeVorkommen einer benignen MMA-Acidurie beiSäuglingen begrenzt. Messungen von MMA inVerbindung mit HCY verbessern die Spezifitätdes Tests und haben den Einfluss des Vitamin B-12-Status auf den HCY-Spiegel während derersten 6 Lebensmonate des Säuglings bestätigt(2). Es wurde beobachtet, dass die medianenPlasmakonzentrationen von MMA (780 nmol/L) und HCY (7,5 µmol/L) bei Säuglingen (6 Wo-chen bis 6 Monate) signifikant höher liegen alsbei älteren Kindern, wobei die Ursachen für diehöheren Metabolitspiegel bei den Säuglingennoch ziemlich ungeklärt sind (2). Die Resultateder Studie weisen aber auf eine hohe Prävalenzvon funktionellem B-12-Mangel bei Säuglin-gen hin.

Der diagnostische Wert der Bestimmung desHolotranscobalamin II als metabolisch aktiveVitamin B-12-Fraktion muss in Studien geprüftwerden, vor allem bezüglich einer frühen undspezifischen Diagnose eines erniedrigten Vit-amin B-12-Status bei Neugeborenen undSäuglingen. Außerdem haben Untersuchungengezeigt, dass die MMA-Konzentration im Se-rum oder Urin von Neugeborenen oder Säug-lingen mit dem Vitamin B-12-Status korreliert(2,20). So wurde bei gestillten Säuglingen ve-getarischer Mütter im Vergleich zu solchen vonomnivoren Müttern eine gesteigerte Ausschei-dung von MMA mit dem Urin beobachtet (20).Mit Formulamilch-Nahrung ernährte Säuglingeschieden gegenüber Muttermilch-ernährtenSäuglingen weniger MMA mit dem Urin aus(20). Unter Behandlung mit Vitamin B-12 odernach Modifikation der Diät nimmt die MMA-Ausscheidung mit dem Urin rasch ab (20). ImEinklang damit steht auch die Beobachtung,dass der Gehalt an Vitamin B-12 in der Mutter-milch sowohl mit dem mütterlichen Vitamin B-12-Spiegel im Serum wie auch mit der MMA-Acidurie des Säuglings korreliert.

Bislang wurde angenommen, dass in denhochentwickelten Industrieländern das Vor-kommen von Vitamin B-12- oder Folatmangeleher selten ist. Jedoch ist durch Einsatz der heu-te verfügbaren sensitiven und funktionellenMarker HCY und MMA erkannt worden, dass

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die Inzidenz eines klinisch noch unauffälligenfunktionellen Vitamin B-12-Mangels häufigerals angenommen ist. Die megaloblastäre An-ämie ist ein spätes Symptom eines Folat- oderVitamin B-12-Mangels und eine beträchtlicheAnzahl von Patienten entwickelt neurologischeSymptome bei Abwesenheit von megaloblastä-rer Anämie (21). Das bedeutet, dass eine großeAnzahl von Frauen im gebärfähigen Alter sichbei Eintritt der Schwangerschaft bereits in derPhase der Speicherentleerung befinden kann.Daraus folgt, dass Frauen mit marginalem Fo-lat- oder Vitamin B-12-Status ein erhöhtes Risi-ko für die Entwicklung eines Vitaminmangelswährend der Schwangerschaft und Laktationhaben, woraus ungünstige Auswirkungen aufden Föten oder Säugling resultieren können. Ineiner Studie an omnivoren Frauen wurde ge-funden, dass der mütterliche Vitamin B-12-Sta-tus die hauptsächliche Determinante für denVitamin B-12-Status der Neugeborenen ist(19). Neben dem mütterlichen Vitamin B-12-Status wird der Vitamin B-12-Status des Säug-lings von der Anzahl vorausgegangener Ge-burten und der Art der Ernährung (Muttermilchoder Formulamilch-Nahrung) bestimmt (16,19).

Weltweit ist eine hohe Inzidenz an B-Vitamin-mangel dokumentiert worden. In einer Studiean laktierenden Frauen und ihren 3 Monate al-ten Säuglingen in Guatemala ließ sich VitaminB-12-Mangel sehr häufig nachweisen (22). DerVitamin B-12-Gehalt der Muttermilch war bei31% der Mütter signifikant erniedrigt und kor-relierte mit der MMA-Ausscheidung im Urin ih-rer Säuglinge. Von dieser Untersuchung ist ab-geleitet worden, dass 16% der Säuglinge mitihrer Vitamin B-12-Aufnahme unter dem RDA(empfohlene tägliche Aufnahme) von 0,3 µgpro Tag lagen. Aus einer Studie an stillendenmexikanischen Müttern folgerte, dass 62% derMütter einen niedrigen Vitamin B-12-Gehalt inihrer Muttermilch aufwiesen (23). Die medianetägliche Vitamin B-12-Aufnahme der mexikani-schen stillenden Mütter lag nur bei 50% derempfohlenen täglichen Aufnahme. Zusätzlichwurde Folatmangel sehr häufig gefunden(43%) (24) und die mediane Folsäureaufnah-

me bei diesen Frauen mit 86 µg pro Tag lagweit unter der RDA für Folat während der Lakta-tion (24). In derselben Studie wurde berichtet,dass der Folatgehalt der Milch den Bedarf vie-ler Säuglinge nicht abgedeckt hat (24). EineFolataufnahme <380 µg pro Tag war nichtausreichend, um bei verlängerter Laktation ei-ne mütterliche Folatimmobilisation zu verhin-dern (15). Die Beobachtung des erhöhten Fo-latbedarfs während der Laktation schlägt sichnieder in der RDA für Folat, die für laktierendeFrauen bei täglich 500 µg liegt. Eine kürzlicheStudie an Schulkindern in Guatemala zeigte,dass 11% der untersuchten Schulkinder einenniedrigen Spiegel von Vitamin B-12 im Plasmaaufwiesen und dass bei weiteren 22% eingrenzwertiger Plasmaspiegel vorlag (25). Er-klärt wurden die Befunde mit einer zu geringenAufnahme an Vitamin B-12. Infektionen mit he-licobacter pylori werden für eine Beeinträchti-gung der Magensäuresekretion verantwortlichgemacht und diese als Ursache für eine Stö-rung der Vitamin B-12-Resorption angeführt.

Symptome des Vitamin B-12-Mangels beiNeugeborenen werden im Alter von vier bisneun Monaten erkennbar. Ein ernsthaftes in-fantiles neurologisches Syndrom ist bei einigen,ausschließlich gestillten Säuglingen von striktvegetarisch lebenden Müttern berichtet worden(26). Vitamin B-12-Mangel über lange Zeitkann durch moderate Modifikation der Diätnicht einfach beseitigt werden. Es wurde ge-zeigt, dass eine ausreichende Aufnahme vonVitamin B-12 in der frühen Lebensphase für diegesunde Entwicklung des Kindes in späterenLebensphasen von hohem Stellenwert ist. Un-tersuchungen an Jugendlichen, die in frühenLebensabschnitten bis zum sechsten Lebensjahrmakrobiotisch ernährt worden waren, hatteneinen persistierenden Vitamin B-12-Mangelbei einer beträchtlichen Zahl dieser Jugendli-chen ergeben, obwohl die Vitamin B-12-Auf-nahme seit dem 6. Lebensjahr gesteigert wor-den war (18). Der niedrige Vitamin B-12-Statusder Jugendlichen, die sich früher makrobiotischernährt hatten, im Vergleich zu Jugendlichen,die sich immer omnivor ernährt hatten, beein-flusste die kognitiven Leistungen negativ (18).

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Es gibt auch genügend Kenntnis darüber, dassein niedriger Vitamin B-12-Status in früherKindheit auf die mentale Entwicklung des Kin-des ungünstige Auswirkungen haben kann. BeiErwachsenen wie auch bei Kindern wurde einesignifikante Assoziation zwischen biochemi-schen Markern des Vitamin B-12 Status und derLeistung bei Tests, die die kognitive Funktionmessen, berichtet (27,28). Vitamin B-12-Man-gel bei Säuglingen ist assoziiert mit einer deutli-chen Unterentwicklung, einem geringerenWachstum des Gehirns und einer schlechterenintellektuellen Fähigkeit (18,28). Diese Lang-zeit-Konsequenzen eines Vitamin B-12-Man-gels bei Kindern unterstreichen die Notwendig-keit der Prävention wie auch frühzeitigen Erken-nung eines Vitamin B-12-Mangels.

7. Homocystein, Vitamin B-12 undFolat in Verbindung mit erblichenDefekten

Das Risiko für verschiedene kongenitale Miss-bildungen wird zum Teil auf erbliche und erwor-bene Defekte im Homocystein-Kreislauf zu-rückgeführt. Neuralrohrdefekte (NRD), an de-ren Entstehung Folatmangel und Hyperhomo-cysteinämie beteiligt sind, stellen die am häu-figsten beobachtete kongenitale Missbildungdar. Der genaue pathobiochemische Mecha-nismus, durch den Folsäure die Ausbildungdieses Defekts verhindert, ist noch nicht geklärt.Es gilt aber als wahrscheinlich, dass dem Folat,als bedeutendem Faktor der regulären DNA-Synthese und der DNA-Integrität, eine wesentli-che Rolle zukommt. Eine ausreichende Versor-gung mit Folat ist insbesondere während derersten postkonzeptionellen Wochen von großerBedeutung, da sich in diesem Zeitraum norma-lerweise das Neuralrohr schließt.

Andererseits weisen klinische Studien daraufhin, dass eine perikonzeptionelle Folateinnah-me das Auftreten bzw. das Wiederauftreten vonNRD beeinflussen kann (29). Bei Müttern vonKindern mit NRD wurde eine höhere mittlereHCY-Konzentration gefunden als bei Mütternvon gesunden Kindern (30). Aus Vitamin-Inter-

ventionsstudien weiß man, dass durch präkon-zeptionelle Supplementation die Häufigkeit voneinigen Geburtsdefekten verringert werdenkann. Die in den USA (140 µg pro 100g Ge-treide) und in ähnlicher Form in Kanada prakti-zierte Anreicherung der Getreideprodukte mitFolat verfolgt das Ziel der Sicherstellung dertäglichen Folataufnahme von 400 µg/Tag beiFrauen im gebärfähigen Alter. Mittlerweilekonnte bei diesen Frauen gezeigt werden, dasses durchschnittlich zu einer Erhöhung von Ser-umfolat bzw. Folat in den roten Blutzellen undeiner Erniedrigung des HCY-Spiegels gekom-men ist (31). Es wurde außerdem festgestellt,dass diese Verbesserung des HCY-Metabolis-mus mit einer deutlichen Reduktion der Häufig-keit von Geburtsdefekten in den USA und Ka-nada einher ging (zwischen 15–30%) (32).

Für die Embryonalentwicklung wichtige Kan-didatengene kodieren u.a. Enzyme, die an derVerteilung der Folatformen oder an folatbezo-genen Stoffwechselwegen beteiligt sind. Diesebiologischen Stoffwechselwege sind direkt inden C1-Metabolismus involviert, der für die Ent-wicklung des Embryos eine ausreichende DNA-Synthese und -Methylierung absichert. Über ver-schiedene Mutationen von am Folat- und Met-hioninmetabolismus beteiligten Genen ist be-richtet worden. Weiterhin ist auch bekannt, dassbei Vorliegen oder Abwesenheit einiger Muta-tionen ein gesteigertes Risiko für erbliche Ano-malien vorliegt, Tab. 2. Außerdem war von die-sen Untersuchungen auch eine Anzahl vonGen-Ernährungs-Wechselwirkungen ableitbar.Das diesbezüglich klassische Beispiel sind Per-sonen mit homozygoter MTHFR C677T-Muta-tion, die im Vergleich zu den anderen beidenGenotypen ein signifikant höheres HCY im Plas-ma aufweisen, wenn die Konzentration an Folatund/oder Vitamin B-12 relativ niedrig ist. Ande-rerseits sichert eine höhere Folat- und Vitamin B-12-Aufnahme, dass Personen mit TT-Genotypeine normale MTHFR-Aktivität und damit auchnormale HCY-Spiegel haben.

Die potentielle Bedeutung von erhöhtemPlasma-HCY für die Ätiologie von NRD ist un-tersucht worden. Verschiedene Arbeiten habeneine Assoziation zwischen dem MTHFR-Geno-

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typ und NRD berichtet (33). Jedoch ist diese Be-obachtung nicht in allen Studien bestätigt wor-den, was mit dem unterschiedlichen Folatstatusder Probanden in den verschiedenen Studien inZusammenhang stehen könnte. Der MTHFR-Polymorphismus in Verbindung mit niedrigemFolat ist, verglichen zum Vorliegen eines Fak-tors allein, mit einem höherem Risiko für NRDassoziiert (33). Bei Kindern mit Spina bifidawurde im Vergleich zu Gesunden ein niedrige-rer Folatspiegel im Blut festgestellt. ÄhnlicheResultate ergaben auch die Untersuchungenan den Müttern der Patienten im Vergleich zu

Tabelle 2: Mutationen mit gesteigerten Risiko für erbliche Anomalien

Tabelle 3: Zielpopulationen für das Screening auf Folat- und Vitamin B-12- Mangel oder erhöhten Folat- undVitamin B-12-Bedarf

den Müttern der gesunden Kontrollen. DieOdds Ratio für NRD wurde für niedriges Folatmit 2.6 (95% CI 1.3-5.1) berechnet (33). Einedeutliche Steigerung im Risiko für das Auftreteneines Kindes mit NRD wurde bei Trägern derhomozygoten MTHFR C677T-Mutation undgleichzeitig niedrigem Folat beobachtet.

Das Enzym Methionin-Synthase-Reduktase(MTRR) aktiviert die Cobalamin-abhängigeMethionin-Synthase. Es wurde gezeigt, dassder A66G Polymorphismus der MTRR das Risi-ko für NRD steigert, wenn der Vitamin B-12-Status niedrig ist (34). Patienten mit NRD und

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die Mütter der Patienten hatten gegenüberKontrollen häufiger den GG-Genotyp. BeiMüttern mit GG-Genotyp und niedrigem B-12-Spiegel lag das Risiko für NRD gegenüberden Kontrollen fünffach höher.

Die A80G Mutation im Gen des reduziertenFolat-Transportprotein (RFC-1) kann ein Risiko-faktor für niedrigere Folat- und höhere HCY-Konzentrationen sein, besonders bei gleichzei-tiger MTHFR-Mutation (35). Das RFC-1-Proteinist für den sich entwickelten Embryo wichtig, be-sonders für den Folattransport durch die Pla-zenta wurde gefunden, dass Säuglinge, die Trä-ger von mindestens einem G-Allel des RFC-1A80G Polymorphismus sind, ein erhöhtes Risi-ko für conotruncale Defekte haben. Die mütter-liche Einnahme von Folat hat sich in diesen Fäl-len als protektiv erwiesen (36).

8. Schlussfolgerungen und Empfeh-lungen

Aufgrund der möglichen schwerwiegendenKonsequenzen eines niedrigen Vitamin B-12-und/oder Folatstatus in der Schwangerschaft,während der Laktation oder im frühen Lebens-abschnitt des Nachkommen empfiehlt sich einemöglichst frühzeitige Diagnostik eines eventu-ellen B-Vitaminmangels. Ein pädiatrischesScreening auf Mangel an Folat oder Vitamin B-12 bei bestimmten Zielgruppen, vorgenom-men mit funktionellen Markern wie HCY undMMA, ist somit zu empfehlen (Tab. 3). Außer-dem sollten Frauen, die eine Schwangerschaftplanen, ihre Aufnahme an B-Vitaminen stei-gern.

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7. Wachstum, Gedeihen undpulmonale Entwicklung

Jens C. Möller

Heute überleben Frühgeborene sehr früher Ge-stationsalter und auch solche mit intrauterinerWachstumsretardierung und sehr geringemGeburtsgewicht. Die respiratorischen und hä-modynamischen Probleme bei extrem kleinenFrühgeborenen stehen in der Neonatologiebisher immer noch im Vordergrund der zu lö-senden klinischen Probleme. Zunehmend gehtes aber um die bisher kaum beeinflussbarenneurologischen Folgen extremer Frühgeburt-lichkeit und Wachstumsretardierung sowie umErnährung und Gedeihen. Diese beidenAspekte kamen in den 1990er Jahren zuneh-mend in den Vordergrund des wissenschaftli-chen und klinischen Interesses (15).

Neue Techniken, wie die Möglichkeit perku-tane endoskopische Gastrostomien (PEG)auch bei sehr kleinen Kindern anlegen zu kön-nen und adäquate, in ihrem Fettkohlehydrat-verhältnis ausgeglichene Kalorienverstärker(Fortifier), gaben erstmals auch die Möglich-keit, eine stärkere Gewichtszunahme zu errei-chen, als sie nach den Normwertkurven derLängen- und Gewichtszunahme von extrem un-tergewichtigen Kindern zu erwarten ist (11).

Ob eine Kalorienanreicherung der Frühge-borenennahrung oder eine Erhöhung der stan-dardisierten Volumina der Nahrungszufuhrüber Hilfsmittel wie gastroduodenale Sondenoder perkutane endoskopische Gastrostomienbesser sind, ist offen. Die Grundregeln der nor-malen Säuglingspflege werden Entwicklungund Gedeihen dieser Risikopopulation nichtoptimieren können (8).

Während in vielfältigen Veröffentlichungen,dabei allerdings nur wenigen kontrollierten Stu-dien, belegt werden konnte, dass bei Reduktionder pulmonalen Leistungsfähigkeit bei broncho-pulmonaler Dysplasie oder chronischen Lungen-erkrankungen (CLD) anderer Genese im Frühge-

borenenalter das Gedeihen schlechter ist, gibtes wenige Studien und Beobachtungen, die denUmkehrschluss zulassen, den, dass schlechtesGedeihen zu einer schlechteren pulmonalenPrognose, d.h. einer schlechteren Lungenfunk-tion führt (2, 3, 14, 18). Letzteres entspricht aberder anektodischen Beobachtung vieler Neona-tologen, die sich mit Kindern mit bronchopulmo-naler Dysplasie beschäftigen (14).

Die Frage, warum Kinder mit chronischenLungenerkrankungen schlechter gedeihen,d.h. schlechter wachsen und zunehmen, ist si-cher hauptsächlich durch eine Imbalance zwi-schen Sauerstoffangebot und Sauerstoffver-brauch zu begründen:

1. Die geringere Sauerstoffsättigung redu-ziert direkt das O2-Angebot. Dies kannnicht durch eine Erhöhung des Herzminu-tenvolumens adäquat ausgeglichen wer-den, eine Erhöhung des Hämoglobins, diesicher physiologisch über erhöhte Erythro-poetinproduktion erfolgen könnte, ist nichterwünscht, da über Perfusionsstörung inder pulmonalen Zirkulation die Oxygenie-rung in einem Zirkelschluss wiederschlechter werden könnte (Abb. 1) (14).

2. Es besteht ein hoher Energieverbrauch inder Atemmuskulatur. Dies erhöht denGrundumsatz und damit den Sauerstoff-verbrauch. Bis zu 50% des verbrauchtenSauerstoffs werden allein in der Atemmus-kulatur bei bronchopulmonaler Dysplasieverbraucht (14, 18).

3. Es ist belegt, dass die (in der Vergangen-heit) häufig geübte Steroidtherapie beibronchopulmonaler Dysplasie zu einemschlechteren Gedeihen führt (10).

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Abbildung 1: Zusammenhangzwischen Sauerstoffangebot(VO2) und Verbrauch (DO2).Das Frühgeborene mit BPDarbeitet immer im kritischenGrenzbereich. Anabolismusist nur im Bereich unterhalbdes Knicks zu erreichen

4. Die häufig erforderliche Diuretikathera-pie, insbesondere durch Schleifendiureti-ka, beeinträchtigt vor allem das Skelett-wachstum. Keiner dieser Erklärungsversu-che unterliegt aber den Kriterien der evi-denzbasierten Medizin, I°, d.h. wäre in kli-nisch-kontrollierten Studien belegt.

Es hat sich gezeigt, dass die seit Anfang der1990er Jahre intensiv propagierte und durch-geführte Heimsauerstofftherapie allein schonGewichtszunahme und Gedeihen der Kindermit chronischer Lungenerkrankung verbesserte(1, 7). Bei der grenzwertigen Balance zwischenSauerstoffangebot und Sauerstoffverbrauch beiKindern mit bronchopulmonaler Dysplasie, diesicher häufig im kritischen Grenzbereich desSauerstoffangebots liegt (Abb.1), ist nur in ei-nem ganz umgrenzten Bereich überhaupt Ana-bolismus erreichbar, bzw. die Erzeugung ana-boler Bedingungen setzt eine Optimierung desSauerstoffangebots voraus, dass zunächst ein-mal bei schlechter Sauerstoffsättigung durchHeimsauerstofftherapie erreicht werden kann.Die quantitative Möglichkeit, das Sauerstoffan-gebot wesentlich zu beeinflussen, ist dabei abergering.

Für ein besseres Gedeihen unter Sauerstoffbei Kindern mit brochopulmonaler Dysplasie

gibt es mehrere klinisch kontrollierte Studien,die einen positiven Effekt belegen. Dies dürftedamit den evidenzbasierten MedizinkriterienI/1 unterliegen (1, 7).

Im Gegensatz dazu, wie o.e., ist eine Ver-schlechterung des Gedeihen Folge des hohenEnergiebedarfs bei BPD eher spekulativ und nurin wenigen Beobachtungsstudien, insbesondereder Arbeitsgruppe von Fontan in New Haven,Connecticut/USA, belegt (nur in Übersichtsrefe-raten). Auch der negative Effekt von Steroidenauf das Gedeihen, der anfangs erwähnt wurde,lässt sich nur in kleinen, retrospektiven, nichtkontrollierten Studien zeigen (10).

In der anderen Richtung der „Henne-Ei“-Pro-blematik darf das Beispiel von Vierlingen ange-führt werden, die bei ihrer Geburt zwischen500 und 1800g wogen. Eines der vier Kinderzeigte wesentliche neonatologische Probleme.Trotzdem lässt sich eine Zeit der Abhängigkeitvon Sauerstoff mit dem initialen Geburtsge-wicht mit dem Röntgenbild und sogar mit demKriterium bronchopumonale Dysplasie in der36. postkonzeptionellen Woche, ja oder nein,herstellen. Lungengesundheit und neurologi-scher Entwicklungsstatus, auch am 1. Geburts-tag der Vierlinge, korrelierten genau mit deminitialen Geburtsgewicht, d.h. je schwerer, jebesser.

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Diese Vierlinge sind eine der Fallbeobach-tungen, die in der Neonatologie zu einer brei-ten Anhängerschaft für das Konzept frühe Stei-gerung der Kaloriendichte in der Ernährungvon Frühgeborenen führte.

Hier sei noch berichtet der Fall von Nina D.,eines Frühgeborenen der 23 + 4. Gestations-woche. Das Mädchen wurde mit 2600 g Ge-wicht in der rechnerisch 37. Gestationswochemit Magendauersonde und Heimsauerstoffthe-rapie eines FiO2 von 0,3–0,4 entlassen. Im kor-rigierten Alter von 6 Monaten erst Gewicht von4.100 g, praktisch keine von der Sonde unab-hängige Nahrungsaufnahme. Anamnestisch zudem Zeitpunkt sogar seit 14 Tagen Gewichtsab-nahme (von 200g). Zu diesem Zeitpunkt wird ei-ne perkutane endoskopische Gastrostomie an-gelegt, die sofort zu einer Verbesserung des Ge-deihens führt und zu einer deutlichen Besserungder pulmonalen Funktion. Im Alter von 8 Mona-ten (korrigiert) beträgt das Gewicht 6 kg; es istkeine Heimsauerstofftherapie mehr erforderlich.Im korrigierten Alter von 2 Jahren schließlichliegt das Kind sogar bezügl. Größe und Gewichtauf seiner 50. Perzentile bei unauffälligem pul-monalen Status (Abb. ). In einer Serie von insge-samt 8 BPD-Patienten, die im Alter von >4 Mo-naten zur ECMO-Evaluation zugewiesen wur-den, die im Alter von einem Jahr lebten und kei-nen FiO2 >0,2 benötigten die 4 waren, die dashöchste Gewicht bei Verlegung hatten (4).

Die Lösung des „Henne-Ei“-Problems,schlechte Lunge, schlechtes Gedeihen, ist des-halb schwierig, weil viele Einflussgrößen undBeziehungen von Problemen die Konzeptionklinischer Studien zur Beurteilung des Zusam-menhangs problematisch macht. So haben

• sehr unreife Frühgeborene häufiger einebronchopulmonale Dysplasie und ein ge-ringeres postnatales Wachstum (2, 3, 5,6, 9),

• die hypoxämischen Kinder auch die höch-ste Multimorbidität (9).

• Innerhalb der Gruppe bronchopulmona-ler Dysplasie gibt es häufiger Kinder, diesmall for gestational age-Kinder warenund damit Gedeihprobleme haben.

• Steroidbehandelte Kinder haben die krän-keren Lungen und sind häufiger hypoxä-misch.

• Die vermehrte Atemarbeit bei broncho-pulmonaler Dysplasie führt zu vermehrtemKalorienbedarf. Dies reflektiert sich in denNormwerten für die Gewichtszunahmevon sehr kleinen Frühgeborenen zwischen500 und 1500g Geburtsgewicht. So sindin den seinerzeit von der American Acade-my of Pediatrics publizierten Wachstums-kurven dieser Kinder 1996 wesentlicheGewichtszunahmen erst ab dem 56. Le-benstag zu verzeichnen. Kinder mit 500Geburtsgewicht wiegen am 98. Lebenstagim Durchschnitt erst 1750g! (Abb. 2)

Hier stellt sich die Frage: Ist normale Gewichts-zunahme unter der Berücksichtigung derPathophysiologie der BPD mit der sehr energie-verbrauchenden Atemmechanik eine optimaleGewichtszunahme?

Nebenbei muss bemerkt werden, dass alleaus diesem Beitrag hervorgehenden Appelle zueiner Verbesserung der Gewichtszunahme unddes Gedeihens von Frühgeborenen mit bron-chopulmonaler Dysplasie sich nicht auf die er-ste Lebenswoche beziehen.

Es ist vielfach belegt, dass die Rate der bron-chopulmonalen Dysplasie bei sehr kleinenFrühgeborenen von der Volumen- und damitvon der Nahrungszufuhr in der 1. Lebenswocheabhängt, d.h. je mehr Volumen zugeführt wird,je schlechter ist die pulmonale Prognose (16).Dies könnte ein Grund dafür sein, dass auch inder Folge nicht genügend auf eine adäquateNahrungszufuhr bei diesen Kindern geachtetwird.

In der Literatur finden sich nur geringe Hin-weise darauf, dass ein schlechtes Gedeihen,d.h. eine schlechte Gewichtszunahme, verbun-den mit einen unzureichenden Längenwachs-tum, die pulmonale Entwicklung beeinträchtigt(6, 9, 19). Erstmals suggeriert wird dieser Zu-sammenhang bei HACK et al., die im Alter von8 Jahren Frühgeborene nachuntersuchen undfeststellen, dass bei denen, die die beste Ge-wichtszunahme in den ersten Lebensjahren hat-

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Abbildung 2: Durchschnittliche Gewichtszunahme sehr kleiner Frühgeborener in den ersten 100 Tagen in Abhängig-keit vom Geburtsgewicht (American Academy of Pediatrics 1996)

ten, das pulmonale Langzeit-Outcome besserwar. Ähnliche Nebenaspekte können in derrandomisierten Studie bezügl. des Einflussesvon „Trophic feeding“ gewonnen werden (9,11, 17).

Zylberberg stellt kurzfristig bei einer Förde-rung der Gewichtszunahme bei sehr kleinenFrühgeborenen durch Insulininfusion eine Ver-besserung der pulmonalen Funktion, insbeson-dere des Sauerstoffverbrauches fest. In anderenArbeiten kann kein wesentlicher Effekt durchkalorienangereicherte Nahrung dokumentiertwerden (12, 19).

In der Evaluation von Sekundärprophylaxe-Maßnahmen bei sehr kleinen Frühgeborenenzeigt die Cochrane-Kollektion so auch keinenhohen Evidenzgrad. Eine jüngere Arbeit ausdem Jahre 2003, die 13 Kinder untersucht, de-nen im Alter von etwa 4 Monaten eine PEG an-gelegt wird, zeigt eine deutliche Gewichtsstei-

gerung in den folgenden 4 Monaten, die dannin den normalen Wachstumsverlauf mündetund so zu einem normalen Körpergewicht beimEin-Jahres-Follow up führt (15).

Guimber konstatiert bei diesen neun, sehrkleinen Frühgeborenen und 4 Kindern nachOperation von Zwerchfellhernien eine konkor-dant zur Gewichtszunahme sich bessernde pul-monale Funktion, sowie auch ein Schub in derneurologischen Entwicklung (8).

Die Erklärung für eine Verbesserung der re-spiratorischen Funktion bei höherer Gewichts-zunahme könnte darin bestehen, dass derEnergieaufwand für Atmung bei dyspnoischenKindern mit bronchopulmonaler Dysplasie er-heblich ist (14).

Die schon erwähnte Arbeitsgruppe von Fon-tan et al. an der YALE-Universität in New Havenkonnte zeigen, dass bis zu 50% der Energie-konsumtion in der Atemmuskulatur stattfindet.

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Abbildung 3: Verlauf von Länge und Gewicht eines Frühgeborenen der 23.+ 4. SSW, schwarz markiertdie Zeit der erforderlichen Heimsauerstofftherapie, markiert ist der Zeitpunkt der PEG

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Insofern arbeiten Kinder mit bronchopulmona-ler Dysplasie immer in einer Situation, wo Ener-gie- und Sauerstoffangebot und Energie- undSauerstoffverbrauch aus der Balance zu kom-men drohen, bzw. für Anabolismus nichts mehrzur Verfügung steht.

Weiterhin kann zur Erklärung herangezogenwerden, dass die Gewichtszunahme bei diesenKindern, gerade wenn sie in anaboler Situationgefahren werden, mit einer Zunahme der mus-kulären Kraft eine Änderung der Körperpropor-tion und damit der neurologischen Entwicklungeinhergeht. Interkostale und Hilfsmuskulaturkönnten sinnvoller eingesetzt werden, damitsinkt die funktionelle Residualkapazität, das Mi-nutenvolumen steigt.

In der Praxis ist das Postulat Optimierung derGewichtszunahme bei diesen Kindern schwerzu erreichen, da bei der üblichen Kaloriendich-te von Formelmilchen oder mit Fortifiern ange-reicherter Muttermilch eine erhebliche Volu-menbelastung mit einer Erhöhung der Energie-zufuhr eingeht. Die gewünschten 120 Kilokalo-rien pro kg und Tag sind so schwer erreichbar.Erkenntnisse über eine optimale Kombinationin Kalorienergänzungsstoffen von Kohlehydra-ten und Fetten schafft Möglichkeiten, das Volu-men bei einer höheren Energiedichte zu verrin-gern. Für ältere Säuglinge gibt es inzwischenauch hochkalorische Sondenernährungen mit100 Kalorien pro 100 ml Flüssigkeit. Ggf. ist ei-ne hohe Energiezufuhr nur durch Kombinationmit Diuretika-Therapie erreichbar, um die Volu-menbelastung, die lungenphysiologisch gese-hen, zumindest kontraproduktiv wäre, zu ver-mindern! Zu bemerken ist auch, dass Trinkenbei diesen Kindern seinerseits Energie ver-braucht und die normale Nahrungszufuhrdurch neurologische Defizite in vielen Fällenähnlich dem Bild der Pseudobulbärparalyseund dann auch durch frühe psychosomatischeInteraktionsstörungen beim Füttern erheblicheingeschränkt sein kann (8). Eine Ernährungder Kinder mit Nahrungen hoher Kaloriendich-te ist in der Regel dann nur über eine großzügi-ge Indikationsstellung zur perkutanen endo-skopischen Gastrostomie möglich (4, 8).

Endokrinologische Untersuchungen zum

Einfluss der Gewichtszunahme auf IGF und sei-ne Bindungsproteine gibt es nur wenig. Price etal. haben zeigen können, dass bei Kindern mitBPD IGF der einzige Faktor ist, der eine Ge-wichtszunahme in den nächsten Tagen voraus-sagen kann. Theoretisch wäre also eine Kon-trolle der ausreichenden Kalorienzufuhr überVeränderung des IGF-1 erreichbar (13). DieBindungsproteine 2 und 3 korrelieren negativmit der Eiweiß- und Kalorienzufuhr in beidenGruppen, d.h. mit bronchopulmonaler Dyspla-sie und denen ohne. Die Schlussfolgerung derAutoren ist, dass die Bestimmung von IGF-1und auch den Bindungsproteinen 2 und 3 denErnährungszustand von Kindern mit und ohneBPD reflektieren und die Bestimmung, insbe-sondere von IGF bei Kindern mit BPD, dieSteuerung der Kalorienzufuhr und damit Beein-flussung der Gewichtszunahme erleichternkönnte. Dies erscheint auch aus Fallbeobach-tungen her sinnvoll, da es durchaus Kinder mitbronchopulmonaler Dysplasie, intrauterinerWachstumsretardierung und extremer Unreifegibt, wenn Gewichts- und Längenwachstumsuboptimal bleibt, die aber trotz alledem pul-monal gesund sind und sich neurologisch her-vorragend entwickeln.

Als Beispiel sei ein Frühgeborenes der 26.Schwangerschaftswoche, jetzt 2 Jahre alt, ange-führt, das in der 36. postkonzeptionellen Wochenoch Sauerstoff braucht, ohne Sauerstoff ausder Klinik entlassen wird, nur einmal in den 2Jahren rehospitalisiert wird bei einem blandenLuftwegsinfekt. Jetzt vorgestellt, da das Kindmangelentwickelt erscheint. Jetzt ist das Kindneurologisch adäquat auf dem Status eineszweijährigen Kindes, Gewicht und Längen-wachstum haben sich aber auch im 2. Lebens-jahr noch deutlich von der 3. Perzentile nach un-ten entwickelt, wobei Rückstand von Gewichts-und Längenwachstum proportional sind.

Schlussfolgerungen

Wir würden aufgrund der Fallberichte und einerkritischen Wertung der Literatur trotz fehlender,klinisch kontrollierter Studien, eine forcierte In-

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tervention für ein besseres muskuläres Wachs-tum und eine bessere Gewichtszunahme beisehr kleinen Frühgeborenen mit BPD, insbeson-dere denen mit intrauteriner Wachstumsretar-dierung im 2. Lebenshalbjahr unterstützen. Diesbedeutet in der Regel eine Indikation zur perku-tanen endoskopischen Gastrostomie mit hoch-kalorischer Ernährung, mit balancierter, niedrig-volumiger Kohlehydratfettmischung und zusätz-

licher Gabe von Diuretika. Ob dies für sich dannpulmonal und neurologisch gut entwickelndegesunde Kinder gilt, ist zumindest fraglich.

Es ist interessant, dass bei diesen Kindern dieRetardierung von Gewicht und Länge propor-tional ist, umgekehrt bei Kindern mit positivemEffekt der Zufuhr hochkalorischer Nahrung dieGewichts- und Längenwachstumssteigerungproportional verläuft. Interventionen über IGF-1-Bestimmungen könnten so sinnvoll sein.

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8. Rauchen in der Schwangerschaft –Gibt es eine Dosis-Wirkungs-Beziehung?

Michael Kirschbaum, Rosi Stillger und Ulrike Piró

1. Epidemiologie

Zu Beginn einer Schwangerschaft bekennensich ungefähr 30 % aller Frauen als Raucherin-nen (Ergebnisse der Wöchnerinnenbefragungder Universität Bremen). In der Altersgruppeder unter 25-jährigen raucht zu diesem Zeit-punkt sogar jede zweite Frau. In dieser Gruppeist zudem der Anteil der starken Raucherinnenbesonders hoch.

Im Verlauf der Schwangerschaft schaffen esmehr als die Hälfte dieser Frauen, mit dem Rau-chen aufzuhören. Dabei zeigt sich, dass derAnteil dieser Frauen in den letzten Jahren er-freulicherweise zugenommen hat. Waren es imJahr 1990 noch 15%, die angaben währendder Schwangerschaft weiter geraucht zu haben,so waren es im Jahr 2000 zum Zeitpunkt derGeburt des Kindes nur noch ungefähr 10% (Er-gebnisse der Hessischen Perinatalerhebung).Die Bereitschaft, den Nikotinabusus zu been-den, ist in der Frühschwangerschaft besondershoch. Zu diesem Zeitpunkt zeigen sich heutemehr Schwangere für Aufklärungsgesprächeoffen. Dabei wirkt es motivierend, der Frau denerreichbaren Nutzen für sich und das ungebo-rene Kind darzulegen.

2. Auswirkungen auf die Schwanger-schaft und das Kind

In der Frühschwangerschaft ist die Rate an Fehl-geburten in Abhängigkeit von der Höhe des Zi-garettenkonsums bei Raucherinnen deutlich er-höht (relatives Risiko: 1,5). Darüber hinaus fin-det man eine Häufung von Implantationen anpathologischer Stelle innerhalb der Gebärmut-ter (Placenta praevia) oder außerhalb der Ge-bärmutter (ektope Schwangerschaft).

Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaftrauchen, weisen eine verzögerte geistige undkörperliche Entwicklung auf. Ihr IQ liegt unterdem genetisch determinierten. Sie zeigen psychi-sche Auffälligkeiten wie Unaufmerksamkeit, Hy-peraktivität und Konzentrationsschwäche. Die imZigarettenrauch enthaltenen krebserregendenInhaltsstoffe gehen transplazentar auf das Kindüber. Man findet eine erhöhte Rate an Leuk-ämien, Lymphomen und Wilms-Tumoren [Über-sicht bei (2)]. Die durch den Zigarettenrauch ge-störte Entwicklung der Lungenstruktur führt zu ei-ner erhöhten Rate an plötzlichen Kindstodfällen.Kinder, deren Mütter während der Schwanger-schaft geraucht haben, tragen ein höheres Risi-ko, im Verlauf ihres Lebens an Asthma, Diabetesmellitus und Adipositas zu erkranken.

Die Auswertung der Daten der HessischenPerinatalerhebung hinsichtlich des Rauchenswährend der Schwangerschaft bezieht sich vonder Art der erhobenen Daten auf die kurzfristi-gen Auswirkungen des Tabakrauches auf dieSchwangerschaft. Relevante Inhaltsstoffe fürdiese besonders kurzfristigen Wirkungen sinddas Nikotin mit seiner vasokonstringierendenWirkung und das Kohlenmonoxid mit seinerakut toxischen Wirkung auf die Sauerstoffbin-dungskapazität des (mütterlichen und z.T. auchdes fefalen) Hämoglobins.

Bei der Auswertung der Daten der hessischenPerinatalerhebung (1) lässt sich eine deutlicheDosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der Höhedes Zigarettenkonsums und der Rate der fest-gestellten Schwangerschaftsprobleme nach-weisen:

Untersucht werden über einen Zeitraum von10 Jahren (1990–2000) der Schwanger-schaftsverlauf, der Geburtsverlauf und das fetaloutcome von 622.699 Einlingsgraviditäten,davon 77.886 Schwangerschaften bei Rauche-

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Abbildung 1: Entwicklung desRauchverhaltens von Schwan-geren; Beobachtungszeitraum1990 bis 2000. Gesamtzahlder erfassten Schwanger-schaften 622.699; Raucherin-nen, N=77.886, eingeteiltnach Raucherinnen mit gerin-gem, mittlerem und hohemZigarettenkonsum. Daten derHessischen Perinatalerhebung

rinnen. Die Raucherinnen wurden nochmals in3 Gruppen unterteilt: leichte (0–10 Zigaretten/die), mittlere (10–20 Zigaretten/die) und starkeRaucherinnen (>20 Zigaretten/die).

Hierbei findet man als den eindrücklichstennegativen Einfluss mütterlichen Rauchens diedosisabhängige Abnahme des kindlichen Ge-burtsgewichtes und den dosisabhängigen An-stieg einer Plazentainsuffizienz. Das Geburts-gewicht ist im Mittel 200–300g. niedriger,wenn die Mutter raucht. Dabei lässt sich schonbei einem leichten Konsum von weniger als 10Zigaretten pro Tag eine Abnahme des durch-schnittlichen kindlichen Geburtsgewichtes vonungefähr 150g feststellen. Kinder von starkenRaucherinnen sind im Mittel sogar fast 400gleichter.

Die Rate an vorzeitiger Wehentätigkeit undFrühgeburtlichkeit ist dosisabhängig bei Rau-cherinnen deutlich erhöht. Man findet beiSchwangeren mit einem leichten Zigaretten-konsum kein höheres Risiko für Frühgeburtsbe-strebungen oder für eine Geburt vor der 37.SSW als bei Nichtraucherinnen. Dagegen hateine starke Raucherin ein über 200% erhöhtesRisiko für eine Frühgeburt. Vorzeitige Plazenta-lösungen treten bei Raucherinnen häufiger auf.Bei starken Raucherinnen erhöht sich das Risiko

um mehr als 50%. Abhängig von der Höhe desTabakkonsums sind Kinder von Raucherinnenzunehmend gefährdet, intrauterin oder peri-partal zu versterben. Das relative Risiko für eineTotgeburt liegt bei hohem Zigarettenkonsumbei über 2,5 im Vergleich zu Nichtraucherinnen(1,0). Auch die Morbidität nach der Geburt isterhöht.

Alle gefunden Probleme stehen offensichtlichim Zusammenhang mit einer intrauterinenMangelversorgung als Folge der Nikotin- undKohlenmonoxidwirkung. Nikotin ist ein Be-standteil der über 4.000 Inhaltsstoffe des Ziga-rettenrauches. Durch seine vasokonstriktori-sche Wirkung kommt es zu einer Abnahme deruteroplazentaren Durchblutung. Das mit demRauch aufgenommene Kohlenmonoxid ver-schlechtert zusätzlich die Sauerstoffversorgungim mütterlichen und kindlichen Blutkreislauf. Esverdrängt bereits in geringer KonzentrationSauerstoff von seinem Transportmedium Hä-moglobin. Zudem erhöht es die Affinität vonSauerstoff zum Hämoglobin, so dass im Gewe-be Sauerstoff erschwert abgegeben werdenkann. Es resultiert eine intrauterine Mangelver-sorgung, die in der Reduktion des durchschnitt-lichen kindlichen Geburtsgewichtes zum Aus-druck kommt.

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Abbildung 2: Durch Zigaret-tenkonsum angestiegene re-levante Schwangerschaftsrisi-ken im Vergleich zu Nichtrau-cherinnen (odds ratio = 1),eingeteilt nach Raucherinnenmit geringem, mittlerem undhohem Zigarettenkonsum.Beobachtungszeitraum 1990bis 2000, Gesamtzahl der er-fassten Schwangerschaften622.699; RaucherinnenN=77.886. Daten der Hessi-schen Perinatalerhebung.

3. Schlussfolgerung

Rauchen in der Schwangerschaft führt zum An-stieg wesentlicher Risiken während derSchwangerschaft wie Plazentainsuffizienz, feta-le Wachstumsretardierung, vorzeitige Wehen-tätigkeit und Frühgeburtlichkeit, perinataleMortalität und Totgeburten und ist mit langfristi-gen Auswirkungen auf das Kind verbunden.Die Dosisabhängigkeit der Probleme mit stei-gendem Zigarettenkonsum kann durch dieseDatenanalyse nachgewiesen werden.

Es gilt daher, dass auch schon eine Reduk-tion des Tabakkonsums für die ungeborenen

Kinder Vorteile bringt, deren Mütter es nichtschaffen, vollständig mit dem Rauchen aufzu-hören. Da es jedoch schon bei Raucherinnenmit geringem Zigarettenkonsum zu einer Ver-schlechterung der intrauterinen Versorgung desKindes kommt, kann eine Beratung auf keinenFall nur auf die Reduktion des Zigarettenkon-sums abzielen.

Der Gewinn ist am größten, wenn dieSchwangere den Tabakkonsum ganz beendet.Für Frauen, die dies nicht schaffen ist, bringt ei-ne Reduktion auch schon Vorteile.

Literatur

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2. Diagnose

Die wesentliche Voraussetzung für eine opti-mierte Einschätzung intrauteriner Wachstums-störungen besteht in der genauen Bestimmungdes Gestationsalters. Hierzu sollte die früheBiometrie des Feten, wenn möglich aus dem 1.Trimester, herangezogen werden, da sie diepräziseste Einschätzung des Gestationsalterserlaubt. Auch eine Kombination aus Regel-anamnese und sonografischer Biometrie hatsich der alleinigen Biometrie als unterlegen ge-zeigt [19]. Methoden wie abdominelle Palpa-tion [20] und Bestimmung des Symphysen-Fun-du-Abstandes [21-23] konnten sich aufgrundihrer Ungenauigkeit in der klinischen Praxisnicht durchsetzen. Eine einzelne Biometrie er-laubt allerdings keine Rückschlüsse auf das fe-tale Wachstum und kann somit nicht zwischenSGA und IUGR differenzieren. Nur die Kombi-nation aus Biometrie und Doppleruntersu-chung des fetomaternalen Gefäßbettes oderdie serielle Biometrie vermögen diese Unter-scheidung zu treffen. Zu beachten gilt dabei,dass die Mehrzahl publizierter Wachstumskur-ven aus Querschnitts- und nicht aus Longitudi-naldaten erstellt wurde und somit zwar über dasfetale Gewicht, aber nur bedingt über das feta-le Wachstum Auskunft geben kann [24].

2.1 Fehlermöglichkeiten

Die Fehlerrate der sonografischen Gewichts-schätzung kann bis zu 25% des tatsächlichenGewichtes betragen [25]. Folgende Gründe

9. Fetale Gewichtsschätzungim Rahmen der Diagnostik intrauteriner

WachstumsstörungenRalf L. Schild

1. Einleitung und Hintergrund

Ein besonderes Problem der fetalen Biometriestellt die intrauterine Wachstumsstörung dar.Gerade in diesen Fällen ist die Gewichtsschät-zung allerdings mit ihrem größten prozentualenFehler behaftet. Dies trifft insbesondere auf Fe-ten mit einem Gewicht von kleiner 1500 g zu,da die Mehrzahl der verwendeten Gewichtsfor-meln nicht speziell für dieses Kollektiv entwik-kelt wurde [1–4]. Erschwerend für den Ver-gleich verschiedener Studienergebnisse ist zu-dem die uneinheitliche Definition von SGA(small for gestational age): Für verschiedeneMesswerte existieren verschiedene Grenzwerte(2,5., 3., 5., 10., 15., und 25. Perzentile sowie1, 1,5 oder 2 Standardabweichungen unterdem Bevölkerungsdurchschnitt) [5]. Außerdembeschreibt das SGA-Syndrom eine heterogeneGruppe, die sowohl Kinder mit Wachstumsre-striktion (IUGR) als auch konstitutionell kleineKinder umfasst. Letztere schöpfen ihr Wachs-tumspotential aus – stellen deshalb keineWachstumsstörung im eigentlichen Sinne dar –und bilden mit 50–70 % den Hauptteil dieserGruppe [6, 7]. Andererseits gibt es Feten mitIUGR, die nicht als SGA eingestuft werden dür-fen, da ihr Schätzgewicht oberhalb der verwen-deten Grenzwerte liegt [8]. IUGR-Feten habeneine höhere perinatale Morbidität, Mortalität[9-14] und Erkrankungsrate im Erwachsenen-alter [15-17], während sich die Komplikations-rate für konstitutionell kleine Kinder in Termin-nähe nicht von der normalgewichtiger Fetenunterscheidet [18].

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werden für diese Fehlerquote verantwortlichgemacht:

a) Technische Fehler in Bildakquisition undMessstreckenabgriff

b) Art der verwendeten Gewichtsformel, Feh-ler in der Messmethodik, fehlerhafte An-nahme einer konstanten Muskel-Fett-Re-lation des Feten [25]

c) Fehlende Berücksichtigung anderer bio-metrischer Einflussgrößen

a) Unabdingbare Voraussetzung einer präna-talen Diagnostik sollte eine umfassende Ultra-schallausbildung und ausreichend große Er-fahrung sein, um diesen vermeidbaren Fehlerzu minimieren.

b) Im angloamerikanischen Sprachraumsind die Gewichtsformeln nach Warsof [1],Shepard [2], Thurnau [3] und Hadlock [4,26]gebräuchlich. Die von Warsof und Mitarbeiternzur Formelfindung beschriebene Studie um-fasste 85 Feten sehr unterschiedlichen Gesta-tionsalters (18. bis 42. SSW), wobei dieseGruppe mit 11 Diabetikerinnen und 7 Zuwei-sungen zu späten Abbrüchen in ihrer Zusam-mensetzung sehr heterogen war [1]. Aus dersel-ben Arbeitsgruppe wurde 1982 eine verbesser-te Gewichtsberechnung, erstellt an 73 Feten,publiziert, da man festgestellt hatte, dass dieursprüngliche Formel das Gewicht des Feteneher unterschätzte. [2] Thurnau und Mitarbeiteruntersuchten 62 Feten < 34 SSW mit einemGeburtsgewicht < 2500 g [3]. Hadlock et al.integrierten die Femurlänge (FL) in die Ge-wichtsberechnung des Feten. Ihre Formel ausKopfumfang (KU), Abdomenumfang (AU) undFL wurde aus den Messwerten von 167 Fetenerrechnet [26]. In einer weiteren Studie an 109Feten, kombiniert mit o.g. Ergebnissen, leitetendie Autoren eine verbesserte Formel ab [4].

Nachteile der oben aufgeführten Gewichts-formeln sind sowohl die kleinen Fallzahlen, diezur Formelfindung für ausreichend erachtetwurden, als auch die unterschiedliche Mess-technik des biparietalen Durchmessers. Da derBIP auf dem amerikanischen Kontinent „außen– innen“ statt wie in Europa „außen – außen“

gemessen wird, sind die Ergebnisse und damitauch die Mehrzahl dieser Formeln nicht einfachübertragbar. Lediglich die Formeln nach Had-lock [4, 26] mit der Bestimmung des Kopfum-fanges statt des BIP lassen sich ohne systemati-schen Fehler bei uns anwenden.

Bei dolichozephaler Kopfform wird das fetaleGewicht mit alleiniger Bestimmung des bipa-rietalen Durchmessers zu niedrig gemessen.Deshalb sollte in diesen Fällen entweder einKorrekturfaktor oder ausschließlich der Kopf-umfang zur Berechnung verwendet werden.Zur Messung des Abdomens können prinzipielldrei Methoden herangezogen werden: die Be-stimmung der beiden Standard-Durchmesser,der Streckenabgriff mittels Ellipse oder die ma-nuelle Umfahrung des Umfangs. Letztere Me-thode ist nach Untersuchungen von Smulianund Mitarbeitern weniger geeignet als die bei-den erst genannten [27]. Bei Bestimmung derFemurlänge muss darauf geachtet werden,dass die Diaphyse in horizontaler Lage gemes-sen wird, um eine falsch-niedrige Längenmes-sung zu vermeiden.

c) Biometrische Maße der werdenden Eltern[24,28,29] und fetales Geschlecht beinflussenmaßgeblich das kindliche Gewicht, finden je-doch bis dato keine routinemäßige Berücksich-tigung in der pränatalen Gewichtsschätzung[30,31]. Schild und Mitarbeiter formuliertenneue geschlechtsspezifische Formeln, die beiihrer prospektiven Überprüfung an einem un-abhängigem Kollektiv signifikant niedrigereabsolute Fehlerraten als konventionelle For-meln aufwiesen [31].

Nach Untersuchungen von Voigt führt eineGewichtsberechnung mit Hilfe maternaler Pa-rameter (Körperhöhe und Gewicht vor derSchwangerschaft) zu einer optimierten fetalenGewichtsberechnung [32] (Abb. 1). Eine weite-re Möglichkeit zur verbesserten Einschätzungdes fetalen Gewichts wird durch individualisier-te Wachstumskurven eröffnet (GROW = gesta-tion related optimal weight) [24]. Dieses Soft-ware-Programm beruht auf Daten von annä-hernd 40.000 komplikationslosen Schwanger-schaften, die jenseits der abgeschlossenen 37.Schwangerschaftswoche entbunden wurden.

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Abbildung 1: Software-Programm der Fa. Viewpoint® zur optimierten Fetalgewichtsschätzung, basierend auf den Er-gebnissen von Voigt et al. [32]

Mit Hilfe der mütterlichen Parameter Gewicht,Größe, Parität und ethnische Abstammungkann das optimale Gewicht am Termin berech-net werden. Das sonografisch ermittelte Fetal-gewicht wird in die individualisierte Wachs-tumskurve eingetragen, wodurch eine reelleAbschätzung des ausgeschöpften Wachstums-potentials erfolgen kann [24] (Abb. 2). Pro-spektive Untersuchungen konnten belegen,dass durch o.g. Individualisierung 28% der zuklein geschätzten Kinder mit ihrem Gewicht imNormbereich lagen, während 24% der als nor-mal schwer eingestuften Feten zu klein waren[33]. Insgesamt konnte durch die verbesserteDiagnose von Wachstumsstörungen eine Sen-kung der perinatalen Morbidität und Mortalitäterreicht werden [34–36].

2.2 Andere Biometrieparameter

Bei unklarem Gestationsalter können im 2. und3. Trimenon transzerebellärer Durchmesserund Fußlänge des Feten herangezogen wer-den, um eine ungefähre Datierung des Entbin-dungstermins zu erreichen. Die Bestimmungder Quotienten aus Kopf- zu Abdomenumfangund Femurlänge zu Abdomenumfang sind beiDiagnostik intrauteriner Wachstumsstörungender seriellen Messung des fetalen Abdomen-umfanges oder Gewichtes eher unterlegen[37]. Andere Parameter wie Fruchtwassermen-ge oder Dopplersonografie der uterinen Arte-rien im 2. Trimenon weisen einen nur geringenVorhersagewert für eine Wachstumsstörung auf[38,39]. Die Kombination aus fetaler Biometrieund dopplersonografischer Evaluierung des fe-tomaternalen Gefäßbettes hingegen erhöht die

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Abbildung 2: Individualisierte Wachstumskurve nach Gardosi et al. (www.gestation.net) [24]

Entdeckungsrate von IUGR und ermöglicht ei-ne Prädiktion peripartaler Komplikationen [40].Außerdem erlaubt die zusätzliche Dopplerun-tersuchung neben einer Verminderung der Un-tersuchungsfrequenz eine verbesserte Abschät-zung des fetalen Zustandes.

2.3 Ablauf der Diagnostik bei Verdacht auf ei-ne intrauterine Wachstumsstörung

Nach Erhebung einer ausführlichen Familien-und Eigenanamnese (Grunderkrankungen, Ni-kotin- oder Drogenabusus, Ausgang frühererSchwangerschaften, Gewicht vor der Schwan-gerschaft, Körpergröße, aktuelle biometrischeParameter des Partners) sollte das Gestations-

alter auf der Basis einer dokumentierten frühenBiometrie überprüft und gegebenenfalls korri-giert werden. Im Anschluss daran sollte eine Ul-traschallbiometrie und ein detailliertes Organ-screening des Kindes erfolgen. Die Dopplerso-nografie des fetomaternalen Gefäßbettes kom-plettiert die bildgebende Diagnostik. Invasivepränatale Tests, in aller Regel in Form einer Am-niozentese, sollten immer dann erwogen wer-den, wenn strukturelle fetale Auffälligkeitenvorliegen, der Verdacht auf eine Aneuploidieoder fetale Infektion besteht oder ein atypischesBild vorliegt, wie z.B. bei Kombination einerWachstumsstörung mit normaler oder vermehr-ter Fruchtwassermenge, sehr frühem Auftreteneines IUGR oder auffälliger fetaler Haltung[40]. Zur Diagnostik einer Wachstumsstörung

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eignen sich insbesondere seriell durchgeführteBiometrien, wobei das optimale Intervall zwi-schen zwei Untersuchungen größer gleich dreiWochen betragen sollte. Geringere Intervallekönnen zu falsch-positiven Diagnosen führen.Erfordert die klinische Situation engmaschigereIntervalluntersuchungen, so sollte die aktuelleBiometrie mit einer mehr als 3 Wochen zurück-liegenden Untersuchung verglichen werden[36].

3. Neue Ansätze in der Diagnostik

Die 3D-Volumetrie stellt eine Erweiterung derdiagnostischen Möglichkeiten in der Pränatal-medizin dar. Mit Hilfe dieses relativ neuen Ver-fahrens kann der Weichteilmantel des Feten ge-messen und über das Volumen repräsentativerKörperabschnitte das Gewicht des Feten be-rechnet werden. Erste Arbeiten konnten einenVorteil von 3D-gestützten gegenüber konven-tionellen Formeln belegen [41].

4. Anhang

Formel nach Warsof [1]

log10(G) = – 1.599 + 0.144 BIP + 0.032AU – 0.111 (BIP2 x AU) / 1000

Formel nach Shepard [2]

log10(G) = – 1.7492 + 0.166 BIP + 0.046AU – 2.646 (BIP x AU) / 1000

Formel nach Thurnau [3]

G = (BIP x AU x 9.337) – 299.076

Formel nach Hadlock [26]

log10(G) = 1.5662 – 0.0108 KU + 0.0468AU + 0.171 FL + 0.00034 KU2 – 0.003685AU x FL

Formel nach Hadlock [4]

log10(G) = 1.326 – 0.00326 AU x FL +0.0107 KU + 0.0438 AU + 0.158 FL

Formel nach Schild [31]

Die Formel für Jungen lautet:

G = 43576.579 + 1913.853(log BIP) +0.01323 (KU)3 + 55.532(AU)2 –13602.664(AU)1/2 – 0.721(AU)3 + 2.31(FL)3

Die Formel für Mädchen lautet:

G = – 4035.275 + 1.143(BIP)3 +1159.878(AU)1/2 + 10.079(FL)3 –81.277(FL)2

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10. Gewichtsentwicklung undKörperzusammensetzung beikleinwüchsigen SGA-Kindern.

Einfluss der WachstumshormontherapieRoland Schweizer, Hartmut Wollmann, Michael B. Ranke

1. Einführung

In den ersten Lebensmonaten und Jahren ist dieausreichende Nahrungsaufnahme eines derHauptprobleme bei Kindern, die zu klein fürdas Gestationsalter (SGA) auf die Welt gekom-men sind. Sie beeinflusst das Ausmaß des post-natalen Aufholwachstums entscheidend. Die-ses Problem scheint bei Kindern mit Silver-Rus-sell-Syndrom noch ausgeprägter zu sein.

Ungefähr 8 bis 10% der Kinder, die SGA ge-boren werden, bleiben auch im späteren Lebenzu klein, sie zeigen kein Aufholwachstum underreichen eine Endgröße ca. 11 bis 15 cm un-terhalb ihrer Zielgröße (5). Viele von Ihnen ha-ben Probleme mit der Gewichtsentwicklung,sind meist mager und stellen sich oft mit einerschweren Dystrophie vor.

Normative Daten über die Entwicklung vonMuskulatur, Fett und BMI bei SGA Kindern lie-gen nicht vor. Einzelne Studien zeigen, dass beidiesen Kindern der Mangel an Muskelmassestärker ausgeprägt ist als der von Fettmasse (3),(6). Die Studie von Hediger et al. 1998 zeigtebei SGA-Kindern im Alter zwischen 2 und 47Monaten eine verminderte Muskelfläche ammittleren Oberarm, aber auch eine verminder-te Fettfläche an derselben Stelle. Der relativeFettanteil scheint bei den SGA-Kindern im Ver-gleich zu Kindern, die bei der Geburt zu großsind, höher zu sein. Die Studie umfasste sowohlKinder die ein spontanes Aufholwachstum zeig-ten und solche ohne Aufholwachstum. Die Stu-die von Leger et al. 1998 beschränkte sich aufSGA-Kinder ohne Aufholwachstums, die mitWachstumshormon behandelt wurden. Mus-

kel- und Fettgewebe wurden an einem Schnitt-bild des Oberschenkels abgeschätzt, welchesmittels MRI gemessen worden war. Basal zeigtesich ein signifikant erniedrigter Body-Mass-In-dex (BMI).

Während der Wachstumshormontherapiekam es bei den kleinwüchsigen SGA-Kindernzu einer signifikant größeren Zunahme derMuskelmasse und zu einer signifikant stärkerenAbnahme der Fettmasse, als bei unbehandel-ten Kontrollkindern. Diese Studie zeigte aberkeinen Vergleich von Fett- und Muskelmassemit Referenzdaten. Beide Studien berücksich-tigten beim Vergleich der Fett- und Muskelmas-se mit Kontrollen nicht die Größe der Kinder;beim Vergleich mit altersabhängigen Referenz-werten kann es zu einer Unterschätzung sowohlder Fett- wie auch der Muskelmasse kommen.Es gibt keine guten Studien, bei denen Ge-wichtsentwicklung und BMI-Entwicklung vonSGA-Kindern ohne Aufholwachstum untersuchtwerden. Das Augenmerk der meisten Studienbei dieser Subpopulation von SGA-Kindern istauf die Größenentwicklung und nicht auf dieGewichtsentwicklung gerichtet.

2. Studienziel

Im Folgenden werden Ergebnisse einer vorläu-figen Studie dargestellt. Ziel dieser Studie wares, bei SGA-Kindern ohne Aufholwachstum dienormale Fett- und Muskelverteilung und denEinfluss einer Wachstumshormontherapie aufdie Gewichts-BMI-Entwicklung und Körperzu-sammensetzung zu untersuchen.

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3. Patienten

SGA ist definiert als ein Geburtsgewicht und/oder eine Geburtslänge unterhalb von –2 SDbezogen auf Referenzwerte von Gestationsalterund Geschlecht (7). Wachstumshormonman-gel war ein Ausschlusskriterium (GH Peak >8µg/L). Die Studie untersuchte 4 Patientengrup-pen aus einer Gesamtgruppe von 85 klein-wüchsigen SGA-Kindern. Bei Beginn derWachstumshormontherapie waren alle Kinderpräpubertär. Die Gruppen 1 bis 3 wurden re-trospektiv analysiert, die Gruppe 4 wurde pro-spektiv untersucht und umfaßte nur Kinder, diewährend des gesamten Untersuchungszeit-raums präpubertär waren. Die Gruppe 1 be-stand aus 23 Kindern (10 Mädchen, 10 Kindermit Silver-Russel-Syndrom). In dieser Gruppewurden Gewichts- und Größenmessungenüber 4 Jahre vor der Wachstumshormonthera-pie durchgeführt und über 2 Jahre unter Thera-pie. In Gruppe 2 (N=85, 34 Mädchen, 29 Sil-ver-Russel-Syndrom) wurden Messungen vonGröße und Gewicht 1 Jahr vor und 1 Jahr mitWachstumshormontherapie erhoben. Gruppe3 (N=35, 11 Mädchen, 13 Silver-Russell-Syn-drom) wurde über 4 Jahre mit Wachstumshor-montherapie und 1 Jahr vor Wachstumshor-montherapie untersucht.

In Gruppe 4 (N=30, 13 Mädchen, 11 Sil-ver-Russell-Syndrom) wurden prospektiv Para-meter der Körperzusammensetzung vor undwährend einem Jahr mit Wachstumshormon-therapie untersucht. Bei allen Kindern wurdebei Beginn der Wachstumshormontherapie so-wie nach 6 und 12 Monaten mit Wachstums-hormon die Körperzusammensetzung gemes-sen. Die Grundcharakteristika der 4 Patienten-gruppen zeigten keine signifikanten Unter-schiede und sind in Tabelle 1 dargestellt.

4. Methoden

Messungen von Größe und Gewicht wurdenbei der Geburt sowie 4, 3, 2 und 1 Jahr vorWachstumshormontherapie, bei Beginn derWachstumshormontherapie und 0.5, 1, 2, 3

und 4 Jahre während Wachstumshormonthera-pie durchgeführt. Zur Berechnung des „Stan-dard Deviation Score“ (SDS) für Größe undGewicht wurden die Referenzwerte von Praderet al. (8) verwendet. Der Body-Mass-Index wur-de berechnet als Gewicht in [kg] geteilt durch(Größe in [m])2. BMI SDS Berechnungen basie-ren auf den britischen Referenzdaten von Free-man et al. (1). Die Berechnung des SDS für Ge-burtsgewicht und Geburtslänge erfolgte unterVerwendung der Referenzwerte von Niklassonet al. (7).

Die Messungen der Körperzusammenset-zung wurden mit Hilfe der peripher quantitati-ven Computertomographie (pQCT) am proxi-malen Unterarm durchgeführt, an einem Mess-ort, der – bezogen auf die Ulnalänge – 65%proximal der Wachstumsfuge des Radius liegt.Dort wurde eine Querschnittsscheibe des Un-terarms gemessen. Es wurde das pQCT XCT2000 (Firma Stratec, Pforzheim, Deutschland)benutzt. Mit Hilfe der eingebauten Softwarewurden Fett- und Muskelfläche in der Quer-schnittscheibe berechnet. Die Patientenwertewurden mit altersabhängigen und größenab-hängigen Referenzwerten von Schönau et al.Verglichen (11). Die Referenzwerte wurden mitderselben Methode gemessen wie die Patien-tenwerte. Mit Hilfe der Referenzdaten wurde einalters- und größenabhängiger SDS für dieMuskelfläche errechnet (10). Bisher gibt es kei-ne Referenzdaten für die Fettfläche gemessenmit pQCT, bei gesunden Kindern beträgt derFettanteil ca. 10% bei Jungen (Range 4 bis30%) und zwischen 15 und 20% bei Mädchen(Bereich 6 bis 40%) (12).

5. Ergebnisse

In Abbildung 1 ist die Entwicklung der Größe,des Gewichts und des BMI vor und währendder Wachstumshormontherapie in den 4 Grup-pen dargestellt. Von der Geburt bis zum Beginnder Wachstumshormontherapie nahm derGrößen-SDS signifikant ab (p<0.001). DerGewichts-SDS änderte sich nicht und der BMI-SDS stieg signifikant an (p<0.001). Während

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Abbildung 1: Entwicklung von Gewicht, Größe und BMI (Median SDS) über 4 Jahre vor und 4 Jahre mit Wachs-tumshormontherapie. Gruppe 1: 4 Jahre vor und 2 Jahre mit GH-Therapie; Gruppe 2: 1 Jahr vor und 1 Jahr mitGH-Therapie; Gruppe 3: 1 Jahr vor und 4 Jahre mit GH-Therapie; Gruppe 4: Körperzusammensetzung über 1 JahrGH-Therapie.

Abbildung 2: Entwicklung von Fett- und Muskelmasse über ein Jahr mit GH-Therapie (Gruppe 4). DieBalken markieren den Median. [SDS]Größe: größenbezogener SDS.

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der 4 Jahre vor Beginn der Wachstumshormon-therapie nahm der Größen-SDS leicht zu(p=0.03), und Gewichts-SDS (p<0.001) undBMI-SDS (p=0.01) stiegen signifikant an (Ge-wichts-SDS, und BMI SDS). Unter Wachstums-hormontherapie über 4 Jahre kam es zu einerhochsignifikanten Zunahme des Größen-SDS,Gewichts-SDS und BMI-SDS.

Tabelle 2 zeigt, dass der Muskelflächen-SDSverglichen mit alters- und größen-gematchtenKontrollen erniedrigt ist. Die Fettfläche beträgtca. 35% der Gesamtfläche. Die Muskelflächesteigt unter Wachstumshormontherapie signifi-kant an und die Fettfläche nimmt signifikant ab(siehe Abbildung 2 a und b).

6. Diskussion

Ältere Studien haben die spontane Größenent-wicklung von SGA-Kindern gut untersucht (4),(5); es konnte gezeigt werden, dass 8 bis 10%dieser Kinder kein Aufholwachstum zeigen. Diehier dargestellte Studie untersucht diese Sub-gruppe der kleinwüchsigen SGA-Kinder.

Dadurch, dass 4 Untergruppen dargestelltwerden, die sich in den Grundcharakteristikanicht signifikant unterscheiden, wird sicherge-stellt, dass die Verlaufsdaten repräsentativ fürdie gesamte Patientengruppe sind. Die Lang-zeitbeobachtung vor und während der Thera-pie mit Wachstumshormon gibt einen gutenEinblick in die Größen-, Gewichts- und BMI-Entwicklung dieser kleinwüchsigen SGA-Kin-der. Wie kürzlich gezeigt normalisiert Wachs-tumshormon die Größe dieser Kinder währendder Kindheit und auch im Erwachsenenalter (9,13). Die vorgestellte Studie zeigt eine weitereAbnahme des Größen-SDS, also einen relati-ven Größenverlust von der Geburt bis zum Be-ginn der Wachstumshormontherapie bei einerGewichts und BMI-Entwicklung weit unterhalbder Referenzwerte. Diese Beobachtung ist neu,sie zeigt, dass das Wachstumsmuster dieserKinder nicht nur prä-, sondern auch postnatalpathologisch ist.

Durch Verwendung des BMI sollte der Ein-fluss der Größenzunahme auf die Gewichtszu-

nahme vermindert werden und ein bessererEindruck über die relative Gewichtszunahmeentstehen. Die Bedeutung des BMI ist aber beikleinwüchsigen und auch dicken Kindern um-stritten. Vor Wachstumshormontherapie zeigtsich eine leichte Zunahme des BMI-SDS, diesewird deutlich stärker nach Beginn der Wachs-tumshormontherapie, aber nach 4 Jahren mitWachstumshormon ist der mittlere BMI-SDSimmer noch nicht normal. Gewichts- und Grö-ßen-SDS nehmen unter Wachstumshormonthe-rapie signifikant zu. Diese anthropometrischenParameter können keine Erklärung dafür ge-ben, ob eine verminderte Muskel- und/oderverminderte Fettmasse für das niedrige Ge-wicht und den niedrigen BMI verantwortlichsind.

Die vorgestellte Studie zeigt zum ersten Mal,dass kleinwüchsige SGA-Kinder im Vergleich zuKontrollen eine verminderte Muskelmasse beinormaler bis erhöhter Fettmasse haben.

Die verminderte Muskelmasse findet sichauch, wenn die gemessenen Patientenwerte fürdie Größe korrigiert werden, indem man grö-ßenabhängige Referenzwerte benutzt. In älte-ren Studien wurde die Fett- und Muskelmassemit anthropometrischen Methoden wie Mes-sung der Hautfalten und des Armumfanges ab-geschätzt (3), oder mit Methoden, die keinenVergleich mit Normwerten erlaubten (6). Ver-gleicht man die Fettmasse der Kinder mit denoben erwähnten Referenzdaten, ist sie erhöht.Im Hinblick auf die Körperzusammensetzungdieser Kinder ist das Fehlen von Muskelmassedas Hauptproblem und nicht eine verminderteFettmasse. In Hinblick auf den Ernährungszu-stand der Kinder bedeutet dies, dass ein ver-minderter Proteinmetabolismus der Haupt-grund für die Veränderungen der Körperzu-sammensetzung ist, wenn die körperliche Akti-vität und der Trainingszustand als wichtiger Re-gulator der Muskelmasse ähnlich sind. DieseBeobachtung könnte einen Hinweis darauf ge-ben, weshalb diese Kinder kein Aufholwachs-tums in den ersten Monaten nach Geburt zei-gen. Bei diesen Kindern könnte eine Hormon-resistenz für IGF-I oder auch Wachstumshor-mon zugrunde liegen. Eine IGF-I Resistenz

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Tabelle 1: Grundcharakteristika der Patientengruppen. Gruppe 1: N=23, Mädchen N=10, SRS N=10, vier Jahrevor und 2 Jahre mit GH-Therapie; Gruppe 2: N=85, Mädchen N=34, SRS N=29, ein Jahr vor und ein Jahr mitGH-Therapie; Gruppe 3: N=35 Mädchen N=11, SRS N=13, ein Jahr vor und 4 Jahre mit GH-Therapie; Gruppe4: N=30, Mädchen N=13, SRS N=11, Körperzusammensetzung über 1 Jahr GH-Therapie.

Tabelle 2: Entwicklung Muskel- und Fettmasse über ein Jahr mit GH-Therapie. [SDS]Alter: altersabhängiger SDS;[SDS]Größe: größenbezogener SDS.

scheint wahrscheinlicher, da andere SGA-Kin-der in den ersten Monaten mit ihrem Wachstumaufholen, in einem Lebensabschnitt, wo natürli-cherweise noch eine Wachstumshormonresi-stenz besteht. Auch ist die im späteren Lebenvon ehemaligen SGA-Kindern beschriebene In-sulinresistenz eher mit einer IGF-I Resistenz ver-einbar, wie sie auch bei den Pygmäen beschrie-ben ist (2). Deshalb scheint es sinnvoll, dieseKinder mit Wachstumshormon zu behandeln,nicht nur um die Größenentwicklung zu verbes-sern, sondern auch um den Proteinmetabolis-mus zu steigern, mit Hilfe der anabolen Wachs-tumshormon- und IGF-I-Wirkungen. Es scheintweiter nötig zu sein, eine etwas höhere Wachs-tumshormondosis als die Substitutionsdosis zu

verwenden, um die postulierte IGF-I- oderWachstumshormon-Resistenz zu überwinden.Tatsächlich zeigt die hier vorgestellte Studie ei-ne signifikante Zunahme der Muskelfläche undsignifikante Abnahme des Fettanteils währendder Wachstumshormontherapie.

Zusammenfassend können wir also sagen,dass bei kleinwüchsigen SGA-Kindern nicht nurder Kleinwuchs ein Problem darstellt, sondernauch die verminderte Muskelmasse, und dassbeidem evtl. eine Hormonresistenz für IGF-Iund/oder Wachstumshormon zugrunde liegt.Eine Wachstumshormontherapie mit einer ho-hen Dosis (0,066 mg/kg*d) scheint die Muskel-masse und auch die Größenentwicklung dieserKinder günstig zu beeinflussen.

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