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Experte entlarvt Irrtümer Sieben weit verbreitete Allergie-Mythen Zum Thema „Allergie“ kursieren vor allem im Internet zahlreiche Informationen, die die Wissenschaft längst widerlegt hat. Ein US-Experte hat auf einer Fachta- gung die häufigsten Irrtümer entlarvt. Sensibilisiert durch einseitige Medienbe- richte zum ema „Allergie“ neigen viele Menschen zu übertriebenen, oſt sogar schädlichen Maßnahmen. So schränken vermeintliche „Lebensmittelallergiker“ ihren Speiseplan unnötig ein, Katzenall- ergiker lassen sich „hypoallergene“ Tiere andrehen und Patienten mit einer Unver- träglichkeit gegen Meeresfrüchte verwei- gern dem Arzt die Röntgenuntersuchung mit Iodkontrastmittel. Internet voller Mythen Wie aus einer Mitteilung der Fachgesell- schaſt ACAAI (American College of Al- lergy, Asthma and Immunology) hervor- geht, kursieren vor allem im Internet zahlreiche Meinungen, die von der Wis- senschaſt bereits widerlegt sind. Der Allergologe Dr. David Stukus aus Columbus, Ohio, hatte zuvor auf einer Fachtagung der Gesellschaſt verbreitete Mythen zum ema „Allergie“ aufgelis- tet und erklärt, was daran falsch ist: 1. „Ich bin allergisch gegen künstliche Tönungen“: Für einen Zusammenhang zwischen künstlichen Haarfärbemitteln und Allergien gibt es laut Stukus keiner- lei wissenschaſtliche Evidenz. Strittig sei derzeit noch, ob ein Zusammenhang zur chronischen Urtikaria sowie zu Asthma bestehe. Die Existenz von Kon- taktallergien, z. B. gegen p-Phenylendi- amin und 2,5-Diaminotoluol in Haar- tönungen, ist damit nicht bestritten. Da- bei handelt es sich allerdings um Typ- IV-Sensibilisierungen. 2. „Ich habe eine Hühnereiweißallergie und darf mich deswegen nicht imp- fen lassen.“ Tatsächlich werden z.B. Vakzine gegen Influenza oder Gelbfie- ber teilweise immer noch auf der Basis von Hühnerembryonen hergestellt. In diesem Fall besteht für Eiweißallergi- ker eine echte Kontraindikation. Es gebe jedoch Grippeimpfstoffe, die si- cher seien, betonte Sukus. In Deutsch- land steht seit der Saison 2007/2008 ein Impfstoff zur Verfügung, der auf der Basis von Zellkulturen produziert wird und damit frei von Hühnereiweiß ist. 3. „Mit einem Allergietest für zuhause kann man leicht herausfinden, ge- gen was man allergisch ist.“ Diese Art von kommerziellen Bluttests für den Hausgebrauch können zwar eine Sensibilisierung aufdecken; das heißt aber noch lange nicht, dass eine echte Allergie vorliegt. Die Tests sind nach Stukus wenig verlässlich und können dazu führen, dass Menschen ihren Speiseplan unnötig einschränken. 4. „Hochallergene Nahrungsmittel sollte man bei Kindern bis zum Alter von einem Jahr vermeiden.“ Für ei- nen Verzicht auf entsprechende Nah- rungsmittel über die ersten vier bis sechs Lebensmonate hinaus gibt es für die meisten Kinder kein wissenschaſt- liches Argument. Im Gegenteil, man vermutet sogar, dass eine frühzeitige Einführung die Toleranz fördert. 5. „Mit meiner Katzen- oder Hunde- haarallergie kann ich eine hypo- allergene Rasse halten.“ Leider, be- dauerte Stukus, gebe es so etwas wie Die „hypoallergene Katze“ ist ein Mythos für sich. © Kletr / fotolia.com 16 CME 01 •  2014 Medizin

Sieben weit verbreitete Allergie-Mythen

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Page 1: Sieben weit verbreitete Allergie-Mythen

Experte entlarvt Irrtümer

Sieben weit verbreitete Allergie-MythenZum Thema „Allergie“ kursieren vor allem im Internet zahlreiche Informationen, die die Wissenschaft längst widerlegt hat. Ein US-Experte hat auf einer Fachta-gung die häufigsten Irrtümer entlarvt.

Sensibilisiert durch einseitige Medienbe-richte zum �ema „Allergie“ neigen viele Menschen zu übertriebenen, o� sogar schädlichen Maßnahmen. So schränken vermeintliche „Lebensmittelallergiker“ ihren Speiseplan unnötig ein, Katzenall-ergiker lassen sich „hypoallergene“ Tiere andrehen und Patienten mit einer Unver-träglichkeit gegen Meeresfrüchte verwei-gern dem Arzt die Röntgenuntersuchung mit Iodkontrastmittel.

Internet voller MythenWie aus einer Mitteilung der Fachgesell-scha� ACAAI (American College of Al-lergy, Asthma and Immunology) hervor-

geht, kursieren vor allem im Internet zahlreiche Meinungen, die von der Wis-senscha� bereits widerlegt sind.

Der Allergologe Dr. David Stukus aus Columbus, Ohio, hatte zuvor auf einer Fachtagung der Gesellscha� verbreitete Mythen zum �ema „Allergie“ aufgelis-tet und erklärt, was daran falsch ist:

1. „Ich bin allergisch gegen künstliche Tönungen“: Für einen Zusammenhang zwischen künstlichen Haarfärbemitteln und Allergien gibt es laut Stukus keiner-lei wissenscha�liche Evidenz. Strittig sei derzeit noch, ob ein Zusammenhang zur chronischen Urtikaria sowie zu

Asthma bestehe. Die Existenz von Kon-taktallergien, z. B. gegen p-Phenylendi-amin und 2,5-Diaminotoluol in Haar-tönungen, ist damit nicht bestritten. Da-bei handelt es sich allerdings um Typ-IV-Sensibilisierungen.

2. „Ich habe eine Hühnereiweißallergie und darf mich deswegen nicht imp-fen lassen.“ Tatsächlich werden z.B. Vakzine gegen In�uenza oder Gelb�e-ber teilweise immer noch auf der Basis von Hühnerembryonen hergestellt. In diesem Fall besteht für Eiweißallergi-ker eine echte Kontraindikation. Es gebe jedoch Grippeimpfsto�e, die si-cher seien, betonte Sukus. In Deutsch-land steht seit der Saison 2007/2008 ein Impfsto� zur Verfügung, der auf der Basis von Zellkulturen produziert wird und damit frei von Hühnereiweiß ist.

3. „Mit einem Allergietest für zuhause kann man leicht heraus�nden, ge-gen was man allergisch ist.“ Diese Art von kommerziellen Bluttests für den Hausgebrauch können zwar eine Sensibilisierung aufdecken; das heißt aber noch lange nicht, dass eine echte Allergie vorliegt. Die Tests sind nach Stukus wenig verlässlich und können dazu führen, dass Menschen ihren Speiseplan unnötig einschränken.

4. „Hochallergene Nahrungsmittel sollte man bei Kindern bis zum Alter von einem Jahr vermeiden.“ Für ei-nen Verzicht auf entsprechende Nah-rungsmittel über die ersten vier bis sechs Lebensmonate hinaus gibt es für die meisten Kinder kein wissenscha�-liches Argument. Im Gegenteil, man vermutet sogar, dass eine frühzeitige Einführung die Toleranz fördert.

5. „Mit meiner Katzen- oder Hunde-haarallergie kann ich eine hypo-allergene Rasse halten.“ Leider, be-dauerte Stukus, gebe es so etwas wie

Die „hypoallergene Katze“ ist ein Mythos für sich.

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Blickdiagnose interaktiv auf www.springermedizin.de

Pärchen mit Papeln und Pusteln am Po

• HerpesZoster

• Herpesgenitalis

• Kontaktekzem

• Trichomykose

• Candidose

Ein junger Mann bemerkte seit Wochen zunehmend flache, schmerzhafte Knoten und Pusteln auf flächiger Rötung inguinal und in der Rima ani, zudem einen inzwischen münzgroßen, juckenden und schuppenden Plaque auf der rechten Wange. Seit wenigen Tagen bestünden auch bei seiner Partnerin juckende und schuppende Hautveränderungen. Eine Therapie mit Cefuroxim, die er vom Hausarzt verordnet bekommen hatte, zeigte nach nun knapp einer Woche keine Wirkung. Was ist die Ursache?

GehenSieauf www.springermedizin.de/4745420undklickenSieaufdemBeitragIhreLösungan.DorterfahrenSiesofort,obSierichtigliegen–nebstinteressantenInfoszudiesemFall.

Auflösung „Woher kommen die braunen Inseln?“ aus dem letzten Heft

Bei unserer letzten Blickdiagnose handelte es sich um ausgeprägte seborrhoische Kerato-sen, auch Alterswarzen genannt. Die seborrhoische Keratose ist der häufigste benigne Tu-

mor der Haut. Fast alle Menschen entwickeln im Alter unabhängig von exogenen Einflüssen seborrhoische Keratosen. Sie können an fast sämtlichen Stellen der Haut auftreten, bevor-

zugt im Gesicht, an den Handrücken und am Oberkörper. Fußsohle und Handinnenfläche werden ausgespart. Die Diagnose ergibt sich aus dem klinischen Bild und dem zeitlichen

Verlauf. Bei unklaren Befunden sollte eine histopathologische Untersuchung erfolgen.

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hypoallergene Katzen oder Hunde nicht. Es seien auch gar nicht die Haa-re selbst, auf die manche Menschen al-lergisch reagieren; die Allergene wür-den vielmehr über den Speichel, die Schweißdrüsen oder Drüsen rund um den A�er freigesetzt.

6. „Ich reagiere allergisch auf Meeres-früchte, deshalb kommt eine Rönt-gen- oder CT-Untersuchung mit iod-haltigem Kontrastmittel für mich nicht infrage.“ Auch von Ärzten wird bisweilen ein Zusammenhang zwi-schen Reaktionen auf Kontrastmittel und einer Meeresfrüchteallergie gese-hen. Das ist nach Stukus jedoch falsch. Iod sei de�nitiv kein Allergen.

7. „Ich darf kein Brot essen, weil ich ge-gen Gluten allergisch bin.“ Eine echte Glutenallergie ist dem Experten der

ACAAI zufolge extrem selten. Die meis-ten Reaktionen seien auf Unverträglich-keiten gegen Weizen zurückzuführen. Viele Betro�ene seien selbsternannte „Allergiker“ und meiden Gluten, ob-wohl hierfür keine medizinische Indi-kation bestehe, so Stukus. Aktuelle Stu-dien legen nahe, dass man zwischen Weizenallergie, Zöliakie und Gluten-sensitivität unterscheiden muss. Bei Letzterer ist möglicherweise nur das an-geborene Immunsystem beteiligt, wäh-rend es sich bei der Zöliakie um eine ad-aptive Immun reaktion handelt.

Bei Verdacht zum Allergologen schickenFür alle diejenigen, die glauben, an einer Allergie zu leiden, hat Stukus einen einfa-chen Rat: „Statt im Internet nach Antwor-ten zu suchen, sollten Sie zu einem Aller-gologen gehen. Nur der kann Ihre Be-

schwerden richtig einschätzen, testen, di-agnostizieren und behandeln.“ (Elke Oberhofer)

The greatest allergy myths and misconceptions. Pres-

semitteilung des American College of Allergy, Asthma

and Immunology (ACAAI), November 2013

Weitere Infos auf springermedizin.de

Dossier„Allergie“Weitere spannende Beiträge finden Sie in unserem Dossier Allergie unter

7www.springermedizin.de/deutscher-allergiekongress-2013/4669778

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