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Siu Nim TauGeschichte – Ausf ü hru nG – Biom ech A nik
J ö r g E c k s t E i n
>>Dies ist eine Vorschau. Die Anzahl der angezeigten Seiten ist begrenzt.<<
>>Urheberrechtlich geschütztes Material.<<
Jörg eckstein
siu nim tau
kleiststraße 10, 01129 Dresden, sachsen, Germany
www.nugmui.de
Bibliografische information der Deutschen nationalbibliothek
Die Deutsche nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in
der Deutschen nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Design: Jörg eckstein
© Jörg eckstein
All rights reserved
illustrationen: Jörg eckstein
fotos: Daniel kaiser
Bildbearbeitung, Layout, satz: Ben kettelhut
herstellung: frick kreativbüro & onlinedruckerei e.k.
1. Auflage, februar 2015
Printed in Germany
Alle rechte, insbesondere das recht der Vervielfältigung und
Verbreitung sowie der übersetzung, sind vorbehalten. kein teil
des Werks darf in irgendeiner form (durch fotokopie, mikrofilm
oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung
des Autoren reproduziert oder unter Verwendung elektronischer
medien verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
eckstein, Jörg
siu nim tau. Geschichte – Ausführung – Biomechanik
nug mui organisation, Dresden, 2015
1. Auflage
isBn 978-3-00-048475-9
Was du mir sagst, vergesse ich.
Was du mir zeigst, daran erinnere ich mich.
Was du mich tun lässt, das verstehe ich.
Konfuzius
Prolog06 – VorWort
kaPitEl i09 – Aus Gr Auer Vorzeit
kaPitEl ii18 – stA mmt Die siu nim tAu Von Den shAoLin?
kaPitEl iii30 – Der BeGriff siu nim tAu
kaPitEl iV36 – Die LieBe zum DetAiL
kaPitEl V48 – DAs feDerGLeichGeWicht
kaPitEl Vi53 – zurück ins GLeichGeWicht
I. Den Kopf und den Nacken gerade halten, 56
II. Die Schultern sinken und die Ellenbogen zusammengehen lassen, 60
III. Der elastische Druck der Arme, 63
IV. Den Brustkorb frei schweben lassen, 68
V. Aufrecht stehen: Der Rücken geht nach oben, 71
VI. Das Steißbein hinter dem Lot halten, 75
VII. In den Stand sinken, 80
VIII. Entspannte Füße spüren den Boden, 83
IX. Die Geometrie des Yee Gee Kim Yang Ma, 86
X. Der Yang Trapezstand, 92
kaPitEl Vii94 – siu nim tAu in BiLDern
kaPitEl Viii159 – techniken im DetAiL
I. Gaan Sau, 160
II. Huen Sau, 162
III. Tan Sau, 164
IV. Jat Sau, 166
V. Tai Jaang, 168
VI. Jam Sau, 170
VII. Bong Sau, 172
VIII. Chung Kuen, 174
EPilog176 – nAchWort
QuEllEnVErzEichnis179
6
Vo r wo r t
Das chinesische Kampfkunst-Universum ist groß, riesengroß. Mit
dem Schamanismus wurde es vor 3600 Jahren ins Nichts hinein
geboren. Seitdem wächst es unaufhörlich weiter. Generationen
von Kampfsportlern, Kampfkunstlehrern und Straßenkämpfern
versuchen, die Geheimnisse des Kampfes durch tägliches Training
und täglichen Schweiß zu enträtseln. Doch für viele bleibt der Zweck
hinter den undurchsichtigen Handbewegungen für immer verborgen.
Dabei diente schon das antike Schattenboxen seit seinen ersten
Anfängen der kriegerischen, körperlichen und geistigen Entwicklung.
PrologVorWort
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7
Vo r wo r t
Dieses Buch hebt diese alten schätze. und sie heben ihre selbstverteidi-
gungskraft, ihren körper, ihren geist und ihre taktik auf ein neues niveau.
Entdecken sie versteckte angriffe, die stärke der techniken hinter den
geheimnisvollen Bewegungen. Dabei treten sie in die Fußstapfen des Bruce
lee, des Yip Man, der kung Fu legende Dr. leung Jan.
Der erste Teil des Buches sammelt theoretische, biomechanische und his-
torische Fakten. Die darauf folgenden sachdienlichen Erklärungen werden
bestimmt einige Überraschungen für Sie bereithalten. Während der Ent-
stehung der chinesischen Kampfkünste verschmolzen nämlich die alten
Kampftechniken mit den großen Philosophien des Buddhismus, Konfuzia-
nismus und Taoismus zu einer unlösbaren Einheit. Hinter den Philosophien
pulsiert das uralte Wissen der Heiler. Erkennen Sie es! Nutzen Sie es ab jetzt
für sich - ein Leben lang! Damit kalibrieren Sie Ihren Körper und rüsten ihn
zu einer hocheffizienten Kampfmaschine auf. Der Siu Nim Tau Ablauf lässt
sich leicht lernen. Die Siu Nim Tau gut zu machen, erfordert großes Geschick,
eine exzellente Körperbeherrschung und ein hohes Maß an Selbstkontrolle.
Essentielle Trainingstipps und fundamentale Hintergrundinformationen des
ersten Teils erklären, wie das geht.
Jeden Tag, jeden Monat, jedes Jahr möchten viele Menschen wissen, wie
sie sicher leben können. Was zunächst erstaunt: Das beharrliche Üben der
„kampflosen“ Siu Nim Tau kann einen kampftechnisch weiter bringen, als
man es sich heute noch zu träumen wagt. Im Mittelteil sind alle Siu Nim
Tau-Bewegungen aus zwei Perspektiven Punkt für Punkt abgebildet. Die
Bilder sind im Stile der chinesischen Kalligraphie, einer der großen Künste
aus dem Reich der Mitte, angefertigt. So bekommt der Student die präzise
Bewegung und eine echte Gedankenstütze für seinen Ablauf. Denn ein be-
sonderes Augenmerk sollte er auf die korrekte Technikausführung dieser
Grundbewegungen legen.
Im letzten Teil werden acht dieser Grundbewegungen ausführlich vorgestellt,
anschaulich erklärt und methodisch begründet. Denn hinter den rätselhaften
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Bewegungen steht eine nachprüfbare Grundlage: die unzerstörbaren Gesetze
der Straße und der Wissenschaft.
Ich möchte eine so logische Sache wie die Siu Nim Tau nicht verkomplizieren.
Deshalb verzichte ich weitgehend auf eine verwissenschaftlichte Sprache.
Zu Worte kommen lediglich die chinesischen Schriftzeichen und deutschen
Erklärungen, aber kein Fachchinesisch. Der interessierte Leser kann durch
diese Informationen und mit den Literaturquellen aus dem Anhang tiefer in
die Materie einsteigen.
Lassen Sie uns nun zu einer Reise aufbrechen, die uns von der äußeren zur
inneren Welt führt. Großartige Siu Nim Tau Bewegungsabläufe erwarten uns.
Ihr Interesse an allem, was dahintersteckt, Ihre Disziplin und Entschlossen-
heit, Ihr unbeugsamer Wille sind gefragt. So werden Sie die korrekte Körper-
struktur, die optimale Kampfstrategie und feuergefährliche Angriffswaffen
entdecken. Ohne dabei in Klangschalen-Esoterik oder westliche Mc Philosophie
zu verfallen, erspüren Sie Ihre inneren Kräfte. Ein chinesisches Sprichwort
besagt: „Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem einzigen Schritt.“
Tun wir ihn zusammen.
千里之行, 始於足下
Vo r wo r t
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Um die Techniken der Kampfkünste zu erlernen, wurden schon in
alten Zeiten kämpferische Bewegungsabfolgen, Formen genannt,
erschaffen. Es gibt in allen Kampfstilen, auf allen Erdkontinenten
diese faszinierenden Übungsfolgen effizienter Kampftechniken.
Selbst im modernen Boxen kennt man das Schattenboxen. Dabei
können die Formen unterschiedlicher kaum sein.
au s g r au E r Vo r z E i t
kaPitEl iAus GrAuer Vorzeit
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au s g r au E r Vo r z E i t
Die kürzesten Formen umfassen einige wenige Bewegungen und dauern
lediglich ein paar sekunden. Die längsten Formen aus dem taijiquan bein-
halten über 100 Positionen und können bis zu 10 Minuten lang ausgeführt
werden. Mal sind sie kurz und knapp, mal lang und ausschweifend, mal
raumgreifend und akrobatisch, mal stehend und unspektakulär. aber was
macht diese kampf-choreografien aus?
Eine Form ist eine genau festgelegte strukturierte Ein-Personen-Übung
spezieller Kampftechniken gegen einen imaginären Gegner. Sie beinhaltet
Bewegungen, wie Angriffe, Verteidigungen und Gegenangriffe. Formen spielen
in den asiatischen Kampfkünsten eine wichtige Rolle und werden je nach
Herkunft unterschiedlich bezeichnet:
• Japan:Kata(形) im Aikido, Judo, Kendo und Karate.
• Nord-China:Taolu(套路) im Kung Fu.
• Südchina:Kuen(拳) im Wing Chun.
• Vietnam:QuyenimVoViNamundVietVoDao.
• Korea:Hyeong(형),Tul(틀)oderPoomse(품새) im Taekwondo.
Die chinesischen Kampfkünste unterscheiden
zwischen den nördlichen und südlichen Stilen.
Die nördlichen bezeichnen die Formen als Tao-
lu(套路).DasSchriftzeichenTao(套) steht für
„Behältnis“, „umhüllen“ und „bedecken“. Lu
(路) bedeutet „Weg“, „Pfad“ oder „Straße“.
Taolu(套路) ist demnach ein „Behältnis für
denWeg“.AufdemWeg(lu) der Formenübung
sindErkenntnisseineinemBehältnis(tao) ver-
steckt. Dieses Behältnis sind wir selbst. Es ist
an uns, diese versteckten Schätze zu bergen.
In den südchinesischen Stilen werden Formen
alsKuen(拳)bezeichnet.DasWortKuen(拳)
bedeutet „Faust“, „Boxen“ und „Stärke“.Wuismus-Schriftzeichen auf
einem Schildkrötenpanzer.
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Es gibt drei Arten der Formen, die speziellen Zwecken dienen:
1. Formen für den Kampf zur Schulung der Selbstverteidigung.
2. Formen für den Energiefluss zur Verbesserung der Gesundheit.
3. Formen zur Präsentation der Fähigkeiten.
Die Siu Nim Tau dient in erster Linie der Selbstverteidigung, in zweiter der
Gesundheit und selten der Vorführung.
Die Entstehung der Formen reicht bis in die graue Vorzeit Chinas, ins dritte
Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, zurück. Die ersten Formen der chi-
nesischenKampfkünsteentwickeltensichausdenTänzendesWuismus(巫),
des alten chinesischen Schamanismus. Der chinesische Schamanismus gilt
als der älteste historisch belegte Schamanismus weltweit. Es waren wohl
dessen frühe Kultfeiern, wie Sonnen-, Sieges- oder Ahnenkulte, die die jungen
MänneraufdenPlanriefen,ihrekämpferischenFähigkeiteninrhythmischen
Kampftänzen zu demonstrieren.
AuchdiePhilosophiedesQi,dasYin-Yang-Prinzip,dasOrakelbuchIGing,
diealtechinesischeMedizinQiGong,TaiChi,FengShui,sowiedasReiki
haben ihre Ursprünge in den alten schamanischen Ritualen. In der ländli-
chen chinesischen Bevölkerung, wo der größte Teil der Bewohner lebt, ist der
sogenannteWuismus(巫) heute noch gegenwärtig.
SeitderShang-Dynastie(商朝) von 1600 – 1046 v. u. Z. sorgte sich der heil-
kundige Schamane, Wu genannt, mit spirituellen Praktiken um Verstorbene,
Traumdeutung, Heilung, Geburt und Tod. Die wichtigste Praktik der Wu war
das ekstatische Tanzen, begleitet von Gesängen oder Ausrufen. Die tanz-
ähnlichen Bewegungsabfolgen konzentrierten den Geist und die Seele der
Menschen auf einen tiefen Bewusstseinszustand.
au s g r au E r Vo r z E i t
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tiErtänzE
Die frühen Bewegungsabfolgen der Schamanen dienten dem Einüben von
Verteidigungstechniken. Sie waren noch nicht detailliert oder spezialisiert
wie heute, sondern grob, barbarisch und zweckgerecht. Kraftvolle Angriffe,
die auch den Tod brachten, waren das Entscheidende. Die Frage, wie sich
ein schwächerer Gegner erfolgreich verteidigen könne, suchten die alten
Chinesen durch Beobachtung ihrer Umwelt zu beantworten. Die Heiler und
Schamanen beobachteten sehr genau ihre Umwelt und gewannen daraus
wertvolle Erkenntnisse. Die Natur lässt große und kleine, starke und schwa-
che Tiere gleichermaßen überleben. Die Geschicktheit und Schnelligkeit der
Tiere bewegte sie, diese nachzuahmen. Bei der Imitation vergleicht sich der
Schamane mit dem Tier und erlangt so Informationen und Rückmeldungen
über sich selbst. Dazu war der Heilkundige mit Tierfellen und Tiermasken
ausgestattet. Er imitierte die Bewegungen besonders kampfstarker Tiere. Er
ahmte ihre wirkungsvollsten Tierkampfbewegungen nach. Diese übertrug er
dann auf den menschlichen Körper. Um die Effektivität im Kampf zu erhöhen,
nahm sich der Mensch häufig das kräftige und schnelle Tier zum Vorbild.
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au s g r au E r Vo r z E i t
Mit den Jahrhunderten entwickelten sich aus den noch einfachen schama-
nischen Tiertänzen komplexe Formen und ganze Tierstile, wie der Drachen-,
Tiger-, Leoparden-, Schlangen- und Kranich-Stil. Die Tiere stellten die
ursprünglichenKräftedesMenschendar:Erdverbundenheit(Bär),Leichtig-
keit(Vogel),Macht(Tiger)undGeschmeidigkeit(Schlange).Sogutwiejeder
chinesische Stil wurde durch den Kampf zweier Tiere inspiriert. Lokale Tiere,
häufig Reiher, Kranich oder Gottesanbeterin und heilige sowie mächtige Tiere
aus den chinesischen Tierkreiszeichen, wie Stier, Tiger, Drache und Schlange,
wurden zu Paten der Kampfschulen. Selbst heutzutage zieren diese archaischen
TierbilderdiedurchgestyltenLogoshochmodernerKampfkunst-Studios.
hEiltänzE
Der Schamane war hauptsächlich ein
Heiler, der Krankheiten unter anderem
in Form von Geistern und Dämonen
durch seine reinigenden „Heiltänze“
vertrieb(vgl.Schott-Billmann1994).Das
mandschurischeVolkderXibe(锡伯族)
kanntedreiSchamanentypen:
• Elcin–ErheiltevorallemSeuchen.
Schon als Kind begann die Ausbildung
mitzahlreichenInitiationen(z.B.
magische Leiter mit Schwertsprossen).
• Siyangtung–NurFrauendurftendie
schweren Krankheiten heilen.
• Deoci–Männer,dieBesessene
durch Geisteraustreibung heilten –
antikePsychiater.
Der berühmte Hua Tuo (華佗) wandte
als erster Arzt die Anästhesie bei einer
Operation an.
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Seit den Wu sind Heiltänze eine tief in der Menschheitsgeschichte universell
verankerte Form des Heilens.
Die Kulttänze haben ihren reinigenden, präventiven und therapeutischen
Effekt bis in die Gegenwart bei allen Völkern der Welt beibehalten. Heiltänze
werden heute als medizinische Tanztherapie bei vielen Krankheitsbildern
genutzt: von chronischen Schmerzen über Schizophrenie bis hin zur Brust-
krebsnachsorge.
Ein altertümliches Beispiel für solche kultischen Gesundheitsbewegun-
genausdemTierreichistdie„KunstderfünfTiere“(Wuqinshu)desArztes
HuaTuo(華佗) aus dem 2. Jahrhundert. Die Gesundheitsform des Vaters
au s g r au E r Vo r z E i t
– tigEr –Der Tiger steht für explodie-
rende kräftige und harte Be-
wegungen. Der Tiger bewegt
sich geschmeidig und greift
blitzschnell seinen Gegner
an. Tiger sind Herzkämpfer,
denn sie starten den Angriff.
– Bär –Handballenstöße, tiefe
Tritte zu den Knien: Trotz
seiner Körperfülle ist der
Bär schnell und beweglich.
Häufig sind raumgreifende
Bewegungen, wie beim Rin-
gen, Würfe oder Festhalten.
– aFFE –Der Affe ist als kluges, in-
telligentes Wesen ständig in
Bewegung, nicht zu packen.
Er kombiniert schnellstes
Kampfverhalten mit Witz.
Er springt, taumelt, um zu
verwirren und neckt seine
Gegenüber. Er klettert, fällt
und schneidet Grimassen.
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D e r B e g r i f f S i u N i M T au
Die Siu Nim Tau zu erlernen, ist, wie ein Klavierstück zu erlernen.
Am besten ist es, sich jede einzelne Sequenz vorzunehmen. Dieser
Abschnitt wird perfektioniert. Erst wenn der Teilbereich wirklich
sitzt, geht man zum nächsten Abschnitt über. Schritt für Schritt.
Alles auf einmal zu spielen, bringt kein wirkliches Können und
kein tiefes Kampfverständnis hervor.
KapiTel iiiDer Begriff Siu Nim Tau
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D e r B e g r i f f S i u N i M T au
Jeder Stil, jede Kampfschule, jede Trainingsgruppe hat individuelle Be-
wegungen und formen. Wie die entstehungsgeschichte der Siu Nim Tau
gezeigt hat, gibt jeder Sifu sein Können und seine Kenntnisse sachkundig
und kompetent an seine Schüler weiter. Dabei legt er sein augenmerk auf
spezielle Details. infolge dieser im Didaktischen begründeten eigenheiten
unterscheiden sich manche Siu Nim Tau formen lediglich in Nuancen,
andere wiederum komplett voneinander.
Es gibt diese ganz unterschiedlichen Bezeichnungen für ursprünglich ein
und dieselbe Form:
• SiuNimTau
• SiuLimTao
• SiuLienTao
• SiuLeemTau
• SilLimTau
• Saam-Pai-Fut
HäufigwirdderBegriff„SiuNimTau“als„Kleine-Idee-Form“übersetzt.
DasseineKampfformsolchfreundlicheTöneanschlägt,überraschtaufden
erstenBlickundistbeigenauerBetrachtungnichtganzkorrektübersetzt.Die
SiuNimTau (小念頭) stammtausSüdchina,wirddarumimkantonesischenDialekt ausgesprochen und bedeutet Wort für Wort:
小 -Siu:klein,jung,beginnend.
念 -Nim:Bewusstsein,Idee,Ursache.
頭 -Tau:Kopf,Anfang,Verstand.
EinchinesischesSchriftzeichenhatimmermehrere,manchmalsehrun-
terschiedlicheBedeutungen.DiewahreBedeutungergibtsicherstausden
vorstehendenundnachstehendenWörtern,demsogenanntenKontext.Hört
mandasdeutscheWort„wagen“,ergibtsichgenausoerstausdenvor-und
nachstehendenWörtern,obessichum„sichtrauen“,einenKleinwagenoder
eineKutschehandelt.
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D e r B e g r i f f S i u N i M T au
DieSiuNimTauansichistjanichtklein.Jederbeginntinseinenersten
Kampfkunststundenmitihr.SieistderallererstejungeAnfangfürdiegesamte
KampfkunstunddasKämpfenschlechthin.Laozi,derchinesischePhilosoph,
wussteschonim6.Jh.v.Chr.:„PlantdasSchwierigeda,woesnochleichtist.
TutdasGroßeda,woesnochkleinist.AllesSchwereaufErdenbeginntstets
alsLeichtes.AllesGroßeaufErdenbeginntstetsalsKleines.“
auS Der JuNgeN iDee eNTSTehT BeWuSSTSeiN
DieausderSiuNimTauentspringenden,tiefgehendenErfahrungenlassen
sichbesserinbedeutsames„Bewusstsein“,alsinspontane„Idee“übersetzen.
SieistvielmehrdergeistigeundkörperlicheFührer,Ideengeber,Initiator,die
treibendeKraft,derSpiritusRectorderKampfkunst.DerBegriffSiuNimTau
(小念頭)wirdtreffendermit„AusderjungenIdeeentstehtBewusstseinundVerstand”übersetztoderbedeutetschlicht„beginnend“.
groSSe uNTerSchieDe
JederSifubringtmitseinerindividuellenArtundWeisederSiuNimTau-
AusführungseinureigenesKönnenundKampfverständniszumAusdruck.
Deshalb variieren die gleichen Bewegungen zwischen verschiedenen Meis-
tern.ImÜbrigenunterscheidetsichdieFormauchzwischendenverschie-
denenKampfschulenundStrömungeninnerhalbeinerLinie.Auchvariieren
FormendesgleichenMeistersinnerhalbseinesLebens.DerverstorbeneYip
ManunterrichtetewährendseinerKampfkunst-Karriereunterschiedliche
VersionenderSiuNimTau,ganznachseinenLebensphasenunddemdamit
einhergehendenKampfverständnis.SeinefrüheFoshan-Versionweichter-
heblichvonseinerspäterenHongkong-Versionab.
WerheuteTechnikenauseinemVideo-Internetportalerlernenmöchte,was
ichaufgrundderkargenPädagogiknichtempfehlenkann,siehtschonbei
denerstenBewegungenderSiuNimTaugroßeUnterschiede.Obichwiein
einerInterpretationdieHändezuerstnachuntenschlage,umdannwieder
hochzukippenodererstdieHändevordemKörperkreuze,umsiedannnach
untenzuschlagen–dasisteinUnterschiedwieTagundNacht.
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I. Den Kopf unD Den nacKen geraDe halten
Kopf hoch, entspannte schultern
登頭
Halten Sie den Kopf gerade, der Nacken wird leicht gestreckt und die Augen
blicken geradeaus. Das Kinn wird leicht herunter genommen. Nacken und
Schultern sind ganz entspannt, sogar die Kiefermuskeln und die Zunge. Der
Kopf steht mit kleinstmöglicher Nackenspannung aufrecht über dem Körper.
Der Scheitel wird nun ausbalanciert. Der Kopf wird dabei leicht nach oben
gestreckt, als ob ihn jemand sanft nach oben zieht.
Die fünf inneren harmonien – nach vorne sehen, nach hinten
hören, herz beruhigen, Mitte finden, ruhig beginnen.
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So machen SIe Den
nacKen beweglIcher
Strecken Sie den Kopf leicht nach oben,
als ob er leicht mit einer Feder gezogen
würde. Helfen Sie mit beiden Händen ein
wenig nach und schieben Sie den Kopf
nach oben. Lassen Sie ihn wieder in den
Nacken sinken. Spüren Sie etwas? Jetzt
sitzt der Kopf frei oben auf – wie eine Boje.
Entspannen Sie sich wie ein Einschla-
fender, dessen Nackenmuskeln langsam
nachgeben. Der Blick fixiert nicht. Er ist
offen. Der Geist ist offen und wach.
DIe augen Schauen geraDeauS unD paSSen In alle rIchtungen auf
Ein Zweikampf ist eine Eins-zu-eins-Situation, in der jedes kleine Detail zählt.
Man muss selbstbewusst und sicher in die Augen seines Gegners blicken. Die
Siu Nim Tau kennt drei Schritte zum optimalen „Bösen Blick“:
1. 朝面追形 Blicke in das Gesicht und stelle den Gegner.
2. 意到眼到手脚要跟上 Wohin der Geist geht, dahin folgen die Augen.
3. 眼睛和意识一起移动
Die Augen und der Geist reisen zusammen,
achten Sie auf die Spitze des Angriffs.
Den Kopf unD Den nacKen geraDe halten
Stellen Sie sich vor, Sie balancieren einen Golfball auf dem stehenden Griffende
eines Golfschlägers. Wird der Ball zu weit vorn gehalten, überträgt sich das
Gewicht des Golfballs nicht komplett über den Schläger in die Erde. Um den
entspannung zwischen hals und schultern
durch gerades ausrichten.
Z u r ü c K I n S g l e I c h g e w I c h t
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Kopf zu halten, werden viele Nacken- und Rückenmuskeln angestrengt. Der
Kopf sollte aber locker in der Mitte unseres Körpers stehen. Er steht genau
über unseren Füßen. Es herrscht Stabilität und die dritte innere Harmonie
der Mitte.
wuSSten SIe?
In der Siu Nim Tau achtet man besonders auf den Scheitelpunkt. Hier sitzt
die Stelle der ersten inneren Harmonie. Hier treffen die Leitbahnen zusam-
men. Hier befindet sich der Akupunkturpunkt Baihui (百会). Er wird leicht
angehoben. Zugleich wird die Kopfhaltung gleichmäßig ausbalanciert, dass
man sich während der Siu Nim Tau eine Schale Wasser auf den Kopf stellen
könnte, ohne dass etwas überschwappt.
VorSIcht!
Hebt man den Kopf übertrieben stark an und zieht das Kinn zu weit ein, ver-
steifen der Nacken und alle Bewegungen. Man darf bei der Konzentration auf
den Kopf nur wenig Kraft aufwenden. Natürlichkeit und Gelöstheit sind das
Ziel. Allein so können Geschicklichkeit und Beweglichkeit erreicht werden.
Erst wenn man sich auf natürliche Weise auf die Mittelachse Sick Sin (直線)
ausrichtet, gewinnen die Bewegungen an Festigkeit und Elastizität.
Der verkrampfte nacken lässt die schultern
anheben. Das bricht die Verbindung zu anderen
Körperteilen und macht steif sowie langsam.
selbsterkenntnis ist das tragende
Motto der siu nim tau
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III. Der elastIsche Druck Der arme
ExtrEmE WEichhEit Ermöglicht Es, hart zu sEin – ExtrEmE natürlichkEit Ermöglicht Es, agil zu sEin
极软可以使人极韧.自然可以让人灵活
Stundenlanges Sitzen am Computer, im Auto oder beim Lernen beansprucht
die Brust-, Schulter- und Nackenmuskulatur. Geschieht das regelmäßig, ver-
kürzen sich diese Muskeln. Die Federn zerren permanent wie verrückt an den
Gelenken. Das natürliche Gleichgewicht ist gestört. Der Rücken ermüdet. Er
kann die Last des Brustkorbs nicht mehr halten. Er wird nach vorn überdehnt.
Die Schultern fallen ein. Ans Kämpfen ist mit solch einem Körper nicht zu
denken. Was ist zu tun?
Testen Sie Ihre Armfreiheit: Legen Sie sich gerade auf den Rücken. Strecken
Sie die Arme zur Seite. Lassen Sie die Handrücken den Boden berühren. Strei-
chen Sie mit den Handrücken nach oben über den Boden bis sich beide Hände
berühren. Spüren Sie eine Verkürzung? Die Verkürzung behindert Sie – bei
jeder Bewegung. Tun wir etwas dagegen!
In der Siu Nim Tau-Grundstellung werden die Arme auf der horizontalen
Medianlinie und neben den Oberkörper auf die Hoi Chun Sin (外中線) gesetzt,
berühren ihn aber nicht (Bild 一). Sie schließen vorn mit dem Oberkörper ab
hoi chun sin – Die arm-grundstellung dehnt verkürzte schultermuskeln.
一 二
horizontale
medianlinie
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64
(Bild 二). Die Unterarme stehen parallel zum Erdboden. Die Ellenbogen wer-
den hinten leicht zusammen gedrückt, wodurch sie direkt hinter den Fäusten
stehen. Dieses Zusammen drücken dehnt den häufig verkürzten Schulter- und
Brustmuskelbereich. Dieser wird in seine natürliche Position zurückgezogen.
Mit etwas Übung geschieht diese Position ohne Kraftaufwand. Das erste Ziel
ist erreicht. Die Spannung ist weg.
Diese vier Sinne helfen uns, die korrekte Position einzunehmen:
• DerStellungssinninformiertüberdieStellungderGelenkezueinander.
• DerBewegungssinninformiertüberRichtung,GeschwindigkeitundQualität
(z. B. fließend, federnd ...) der Bewegung.
• DerKraftsinninformiertüberdasMaßanMuskelkraft,daserforderlich
ist, um die Bewegung auszuführen.
• DerSpannungssinninformiertüberdenGradderMuskelspannung(Tonus).
Sie haben Ihre Schultern von bremsenden Zugkräften befreit. Jetzt machen
Sie mit dem inneren Ellenbogen Mai Jaang (埋肘) weiter. Ein nach innen ge-
dehnter Ellenbogen:
1. Nutzt kleinste Lücken der gegnerischen Abwehr für den Angriff. Dazu sollte
der Ellenbogen auf der vertikalen Medianlinie liegen. Er darf nicht zu nah
(Cho Keu = Ellenbogen zu nahe) oder zu weit entfernt (Fay Jeong = Ellenbogen
zu weit weg) stehen. Eine guter Ellenbogen ist faustbreit von der Mitte des
Solar Plexus entfernt. Aus dieser Position wird der Ellenbogen vorgeschoben.
Z u r ü c k I n s G l e I c h G e w I c h t
一 二
zentrallinie
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S i u N i m T au i N B i l d e r N
98
Yao Tan SauRechte ausgebReitete hand
right dispersing arm
右攤手
Jo Tan SauLinke ausgebReitete hand
left dispersing arm
左攤手
Satz 1, Punkt 4 Satz 1, Punkt 5
>>dies ist eine Vorschau. die anzahl der angezeigten seiten ist begrenzt.<<
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S i u N i m T au i N B i l d e r N
99
Seung Tan SaudoppeLteR zeRstReuendeR aRm
doUble dispersing arm
雙攤手
Seung Gaan SaugekReuzte zeichnende hände
doUble cUltiVating arms
雙挭手
S i u N i m T au i N B i l d e r NSatz 1, Punkt 6 Satz 1, Punkt 7
>>dies ist eine Vorschau. die anzahl der angezeigten seiten ist begrenzt.<<
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S i u N i m T au i N B i l d e r N
100
Seung Lap SaudoppeLt gReifende aRme
doUble grabbing hands
雙拉手
Seung Kwan SaudoppeLteR RoLLendeR aRm
doUble rolling arms
雙滾手
Satz 1, Punkt 8 Satz 1, Punkt 9
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S i u N i m T au i N B i l d e r N
101
Seung Sau Kuen Seung Hau JaangzuRückziehen deR fäuste, RückwäRtigeR eLLenbogenstoss
bring both hands back, backward elbow – 雙收拳 / 雙後㬹
ende eRsteR satz „gekReuzte hände“ – beginn zweiteR satz „fauststösse“
S i u N i m T au i N B i l d e r NSatz 1, Punkt 10 Satz 2, Punkt 0
>>dies ist eine Vorschau. die anzahl der angezeigten seiten ist begrenzt.<<
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S i u N i m T au i N B i l d e r N
148
Jo Noi Huen SauLinke innere ZirkeLhand
left internal circling hand
左內圓手
Jo Tan SauLinke ausgebreitete hand
left dispersing arm
左攤手
Satz 7, Punkt 5 Satz 7, Punkt 6
>>dies ist eine Vorschau. die anzahl der angezeigten seiten ist begrenzt.<<
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S i u N i m T au i N B i l d e r N
149
Jo Oi Huen SauLinke äussere ZirkeLhand
left external circling hand
左外圓手
Satz 7, Punkt 7
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S i u N i m T au i N B i l d e r N
150
Sau Kuen Hau JaangZurückZiehen der Faust, rückwärtiger eLLenbogenstoss
withdrawing arm, backward elbow – 收拳/ 後㬹
– Rechts wiedeRholen –
ende siebter satZ „bong sau“ – beginn achter satZ „tut sau“
Satz 7, Punkt 8 Satz 8, Punkt 0
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164
T e c h n i k e n i m D e T a i l
aller anfang isT Der Tan sau
Die erste Handbewegung der Siu Nim Tau ist der
doppelt gekreuzte Tan Sau. Seine Anwendung findet
er als Einzeltechnik innerhalb und außerhalb des
gegnerischen Angriffs. Er wird in verschiedenen
Höhen genutzt, sogar gegen hohe Tritte. Im 3. Satz
der Siu Nim Tau wird der Tan Sau-Ellenbogen zur
Dehnung so weit nach innen gezogen, bis Mittel-
finger und Ellenbogen auf die Medianlinie fallen.
nuTzen sie Deckungslücken
Der offensive Tan Sau entwickelt eine durchschla-
gende Kraft, wie ein Chang Sau (Spatenhand). Durch
den inneren Ellenbogen (Siu Nim Tau-Dehnung)
passt er durch kleinste Deckungslücken.
Tan Sau ausgebreiTeTe hanD
Dispersing arm
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165
Je mehr Gelenke, desto besser: Der defensive Tan Sau absorbiert die gegnerische Energie. Der Ellenbogen
wird dazu wie ein Scharnier eingeklappt. Der Trizeps wird exzentrisch gedehnt, verlängert. Auch das
Handgelenk und die Schulter geben, wie eine große Feder nach. Um komplett aus der Angriffslinie zu
kommen, sollte zusätzlich ein Schritt zur Seite erfolgen.
energie sammeln
Drehen Sie die Handfläche nach oben. Ge-
hen Sie mit tiefem Ellenbogen entlang der
Zentrallinie nach vorn. Die Chinesen stel-
len sich den Unterarm als ein Tier vor. Sein
Schwanz steht für das Ende des Unterarms,
den Ellenbogen. Er drückt nach unten, wäh-
rend der Kopf, also die Hand, aufsteigt.
energie schiessT aus Den fingern
Die gestauchte Tan Sau-Feder, der Trizeps,
speichert die gegnerische Energie. Wird sie
wieder frei, schnappt die gestauchte Feder
vor, z. B. als Chang Sau. Stellen Sie sich vor,
Energie sprühe aus den Fingerkuppen.
扦尾屹頭Wird das Ende heruntergedrückt,
kommt der Kopf nach oben.
(Tan Sau Motto)
Ansicht des linken Armes von oben.
一 三二 四
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