151
Physikalisch-Chemisches Praktikum I Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie Leibniz-Universität Hannover Druck: 17.09.2013

Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Physikalisch-Chemisches

Praktikum I

Institut für Physikalische Chemie

und Elektrochemie

Leibniz-Universität Hannover

Druck: 17.09.2013

Page 2: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

2

Page 3: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

3

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Hinweise zum Ablauf des Praktikums 5

1.1. Praktikumsordnung 5

1.2. Inhalt der Leistungsnachweise 6

2. Bedienungsanleitungen mit praktischen Hinweisen 8

2.1. Druck und Vakuumtechnik 8

2.2. Temperaturmessung und Temperaturegelung 11

2.3. Stoffmengenbestimmung und Benutzung der Waagen 15

2.4. Volumenmessung 16

3. Versuche im Physikalisch-Chemischen Praktikum I mit Lageplan 17

3.1. Wärmekapazität von idealen Gasen (Versuch Nr. 22) 19

3.2. Joule-Thomson-Effekt (Versuch Nr. 9) 26

3.3. Verbrennungsenergie (Versuch Nr. 2) 32

3.4. Verdampfungsenthalpie von Wasser (Versuch Nr. 1) 40

3.5. Verdampfungsenthalpie von Aceton (Versuch Nr. 6) 45

3.6. Gefrierpunktserniedrigung (Versuch Nr. 7) 51

3.7. Schmelzdiagramm (Versuch Nr. 8) 57

3.8. Homogenes Dissoziationsgleichgewicht (Versuch Nr. 10) 63

3.9. Heterogenes Dissoziationsgleichgewicht (Versuch Nr. 11) 68

3.10. Adsorption (Versuch Nr. 5) 73

3.11. Oberflächenspannung von binären Lösungen (Versuch Nr. 23) 83

3.12. Elektrochemie (Versuch Nr. 24) 89

3.13. Inversion von Rohrzucker (Versuch Nr. 16) 108

3.14. Moleküle in Bewegung (Versuch Nr. 25) 115

3.15. Quantisierung atomarer Energieniveaus (Versuch Nr. 21) 123

3.16. Lichtabsorption von Farbstoffmolekülen (Versuch Nr. 26) 139

4. Fehler- und Ausgleichsrechnung 144

Page 4: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

4

Page 5: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

5

1 Hinweise zum Ablauf des Praktikums

1.1 Praktikumsordnung

Voraussetzungen zur Teilnahme am Praktikum sind:

1. Mathe-Schein I (Analysis)

2. PC1-Klausur (Thermodynamik-Schein)

3. Das AC-Praktikum soll soweit abgeschlossen sein, dass dort keine Experimente parallel zum

PC-Grundkurs stattfinden müssen (Nachweis durch Laufzettel o. Prakt.-Schein)

Die Anzahl der Praktikumsplätze pro Kurs ist begrenzt.

Die Teilnehmer werden in der jeweiligen Vorbesprechung bestimmt.

Das Praktikum umfasst

1. für die Studiengänge Bachelor, Chemie-Diplom und Biochemie-Diplom 10 Versuche.

2. für den Studiengang Fächerübergreifender Bachelor, Höheres Lehramt 8 Versuche.

Das Praktikum findet von 13.00-17.00 in den Räumen 040, 046 und 048 im Seitentrakt des Instituts

für Physikalische Chemie und Elektrochemie statt. Es erstreckt sich über 4-5 Wochen, wobei von

jedem Praktikanten 2-3 Versuche pro Woche zu absolvieren sind.

Vor Beginn der praktischen Arbeiten müssen Sie sich über zu treffende Sicherheitsmaßnahmen bei

der Durchführung des Versuches informieren. Spezielle Sicherheitsanweisungen zu den einzelnen

Versuchen liegen am Praktikumsplatz aus. Sollten Sie mit den Sicherheitsmaßnahmen nicht vertraut

sein, darf der Versuch nicht durchgeführt werden. Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften (z. B.

Schutzhandschuhe tragen, Schutzbrille aufsetzen) können zum Ausschluß vom Praktikum führen.

Beim Umgang mit verflüssigten Gasen, anderen gefährlichen Substanzen und evakuierten oder unter

Druck stehenden Glasapparaturen sind Schutzbrillen und Schutzhandschuhe zu tragen.

Schutzhandschuhe und Schutzbrillen liegen im Praktikum aus. Besondere Sorgfalt ist beim Arbeiten

mit Quecksilberthermometern und Probengefäßen, die mit Blei/Zinnmischungen gefüllt sind, zu üben.

Wird ein entsprechendes Thermometer oder Probengefäß zerbrochen, so ist sofort die für das

Praktikum zuständige chemisch-technische Assistentin zu benachrichtigen.

Elektrische Schaltungen sind vor Benutzung dem Assistenten zur Prüfung vorzuzeigen.

Stoppuhren können bei der Praktikumsassistentin ausgeliehen werden.

Jeder Praktikant hat die Verantwortung für die pflegliche Behandlung der bereitgestellten Geräte. Die

Waagen sind peinlich sauber zu halten. Für beschädigte Geräte wird im Falle grober Fahrlässigkeit

Ersatz gefordert.

Chemikalienreste, die nicht ins Abwasser gelangen dürfen, sind in die vorgesehenen Restebehälter zu

füllen.

Nach Abschluß des Versuches sind Geräte und Arbeitsplatz sorgfältig zu reinigen. Geräte und

Substanzen sind an ihren ursprünglichen Platz zurückzustellen. Maßlösungen sind verschlossen zu

halten.

Vor Beginn des Praktikums muß durch Unterschrift die Kenntnisnahme der Praktikumsordnung sowie

die Teilnahme an der Sicherheitsbelehrung bestätigt werden. Die weiblichen Kursteilnehmer werden

zusätzlich über besondere Gefahren für werdende Mütter unterrichtet und bestätigen dies durch

Unterschrift.

Page 6: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

6

1.2. Inhalt der Leistungsnachweise

1.2.1 Antestate:

Zu Beginn eines jeden Versuchstages findet eine Vorbesprechung bzw. ein

Antestat statt. Zur Durchführung des Versuches sollen Sie sich daher sowohl

über den praktischen Teil als auch über die zum Versuch gehörenden

theoretischen Grundlagen informieren. Im Antestat sollen Sie zeigen, daß Sie

wissen, was das Ziel des Versuches ist, welche physikalisch-chemischen

Größen gemessen werden und wie sie zusammenhängen, wie diese Größen

gemessen werden und was man aus diesen Größen berechnen bzw. lernen kann.

Sollten Sie nur unzureichend mit dem Versuchsstoff vertraut sein, dann muß das

Antestat wiederholt werden. Falls im Antestat schwerwiegende Mängel vom

Assistenten festgestellt werden, müssen Sie damit rechnen, daß die

Praktikumsleitung Ihren Kenntnisstand überprüft.

1.2.2 Protokolle:

Für jeden durchgeführten Praktikumsversuch ist ein Protokoll anzufertigen. Die

Protokolle werden von jeweils einem Gruppenmitglied geschrieben und müssen

vor Beginn des nächsten Versuchs in die ausstehenden Protokollbehälter

abgegeben werden. Die Auswertung kann ebenfalls mit Computer oder mit der

Hand (Taschenrechner) geschehen. Zum Umfang und zum Anfertigen der

Protokolle sollte folgende Gliederung beachtet werden:

a) Protokollkopf:

Gruppen-Nr.:

Versuchs-Nr.:

Protokollant:

Teilnehmer:

Datum:

Assistent:

b) Versuchsbeschreibung:

Kurze Beschreibung des Versuchs mit Zielsetzung in einem Satz.

c) Theoretische Grundlagen:

Dieser Abschnitt soll in kurzer und zusammenhängender Form die theoretischen

Voraussetzungen für die Versuchsdurchführung wiedergeben (maximal 1 Seite).

Platz für Praktikumsstempel

Page 7: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

7

d) Versuchsaufbau und -durchführung:

In diesem Abschnitt werden die durchgeführten praktischen Arbeiten

beschrieben und anhand einer Versuchsskizze erläutert (maximal 1 Seite

inklusive Skizze).

e) Meßprotokoll:

Das vom Praktikumsassistenten oder technischen Assistenten abgezeichnete

Meßprotokoll (Meßwerte in tabellarischer Form, DINA4) wird in das Protokoll

eingeheftet.

f) Auswertung:

In diesem Abschnitt geht es darum, die eigenen Meßergebnisse auszuwerten.

Alle Zwischenergebnisse sollen mit den verwendeten Formeln übersichtlich

dargestellt werden. Zum Schluß wird das Endergebnis angegeben. Für jeden

Zwischenschritt muß eine entsprechende Fehlerrechnung durchgeführt werden,

d. h. alle Größen sind mit einem Fehler anzugeben (siehe dazu auch Abschnitt

über Fehler- und Ausgleichsrechnung Seite 121-128).

Bei graphischen Darstellungen wird eine vollständige Achsenbeschriftung

erwartet. Die Angaben müssen mit richtigen Einheiten versehen sein und die

Meßpunkte sind mit Fehlerbalken zu versehen. Außerdem soll die Abbildung

zur Übersichtlichkeit beschriftet sein. Diese Punkte sind insbesondere beim

Anfertigen der graphischen Darstellungen mit dem Computer zu beachten

(maximal 5 Seiten inklusive graphischen Darstellungen).

g) Fehlerbetrachtung:

Hier werden die eigenen Meßergebnisse mit Literaturangaben verglichen. Die

verwendete Literaturquelle muß explizit angegeben werden (Titel, Verfasser,

Verlag, Jahr, Seite). Im Praktikum gibt es dazu einen Ordner, der

Literaturangaben zu jedem Versuch enthält. Zusätzlich findet man in dem

Ordner weiterführende Literatur zum Versuch.

Außerdem soll eine kritische Bewertung bzw. Diskussion der einzelnen

Meßergebnisse stattfinden. Dabei können noch nicht berücksichtigte

Fehlerquellen angeführt werden oder es kann auf Vereinfachungen bzw.

unzulässige Annahmen bei der Auswertung aufmerksam gemacht werden

(maximal 1 Seite).

1.2.3. Modulprüfung:

Das Modul Physikalische Chemie II, zu dem dieses Praktikum gehört, wird

durch eine mündliche Prüfung abgeschlossen. Die Prüfer werden ausgelost. Der

Prüfungstermin soll laut dem auf dem Los angegebenen Hinweis vereinbart

werden, wobei die Anmelde- und Prüfungszeiträume zu beachten sind. Der

Prüfungsstoff umfasst bei den Chemikern und Biochemikern das

Grundpraktikum und den Inhalt der Vorlesung PC-II bei Studenten des

fächerübergreifenden Bachelors das Grundpraktikum und den Inhalt der

Page 8: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

8

Vorlesung „Aufbau der Materie“. Die Protokolle sind zur Modulprüfung

mitzubringen.

2. Bedienungsanleitungen mit praktischen Hinweisen

2.1. Druck- und Vakuumtechnik

2.1.1. Druckeinstellung am Reduzierventil:

a) Wenn kleine Drücke (bis Luftdruck) eingestellt werden sollen, ist folgendes zu

beachten:

1. Hauptventil öffnen.

2. Auslaßventil öffnen.

3. Apparatur anschließen (falls noch nicht geschehen).

4. Durch vorsichtiges Hereindrehen der Einstellschraube den gewünschten

Druck einstellen, indem man den Druck am genauesten verfügbaren

Manometer kontrolliert

Abb. 1: Reduzierventil.

b) Wenn größere Drücke eingestellt werden sollen und es nicht besonders auf die

Genauigkeit ankommt, geht man folgendermaßen vor:

1. Hauptventil öffnen.

2. Durch Hereindrehen der Einstellschraube den gewünschten Druck

einstellen, in dem man den Druck am Manometer des Reduzierventils

kontrolliert.

3. Apparatur anschließen (falls noch nicht geschehen).

4. Auslaßventil öffnen.

Page 9: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

9

c) Alle Reduzierventile müssen am Ende des Versuchstages "entlastet" werden, d. h. das Gas muß herausgelassen werden, da sonst die Dichtungen im Ventil schnell verschleißen. Zum Entlasten eines Reduzierventils ist zu beachten:

1. Zunächst wird das Auslaßventil geschlossen und der Gasweg nach außen geöffnet.

2. Hauptventil schließen. 3. Auslaßventil wieder öffnen. 4. Sollte das Manometer nun immer noch einen Druck anzeigen, so muß die

Einstellschraube etwas weiter hereingedreht werden, bis das Gas entweicht. 5. Auslaßventil schließen. 6. Einstellschraube wieder bis locker vor den Anschlag herausdrehen.

2.1.2. Funktionsweise eines Dosenmanometers bzw. Federvakuummeters:

Das Innere eines kreisförmig gebogenen Rohres (sogenanntes Bourdonrohr) wird an den zu evakuierenden Behälter angeschlossen. Durch die Wirkung des äußeren Luftdruckes wird das Ende des Rohres beim Evakuieren mehr oder weniger gebogen. Dadurch wird das dort angreifende Zeigerwerk betätigt. Die Skala ist linear. Die Druckanzeige ist vom äußeren Luftdruck abhängig.

Abb. 2: Aufbau eines Dosenmanometers mit Verbindung zum Rezipienten (1), Zeiger (2), Bourdon-Röhre (3) und Hebelsystem (4).

2.1.3. Betrieb und Funktionsweise einer Ölrotationspumpe:

Die Arbeitsweise von Ölrotations- bzw. Drehschieberpumpen ist in Abbildung 3 dargestellt. In einem feststehenden Außenzylinder dreht sich exzentrisch ein

Page 10: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

10

Innenzylinder. Mit dem Innenzylinder sind zwei federnde Schieber verbunden, die den freien Raum zwischen Innen- und Außenzylinder in zwei Kammern I und II teilen.

Abb. 3: Aufbau einer Ölrotationspumpe.

Bei der eingezeichneten Drehrichtung wird in der Kammer I das Gas aus dem zu evakuierenden Gefäß angesaugt, bis der obere Schieber das Gaseinlaßrohr passiert hat. Dann ist die eingesaugte Gasmenge zwischen beiden Schiebern eingeschlossen und wird über ein Auslaßventil aus der Pumpe entfernt. Der Außenzylinder befindet sich in einem Ölbad, um eine sichere Abdichtung der beweglichen Teile (Durchführungen der Antriebswelle) zu erreichen. Mit solchen Ölrotationspumpen läßt sich ein Druck von etwa 10−2 mbar (1 Pa) erreichen.

Bei den im Praktikum verwendeten Ölrotationspumpen sind folgende Punkte zu beachten: 1) Wenn sich eine Kühlfalle zwischen Versuchsaufbau und Pumpe befindet,

muß diese mit flüssigem Stickstoff eingekühlt werden, bevor die Pumpe eingeschaltet wird. Nach dem Einkühlen sollte die Kühlfalle aber möglichst bald evakuiert werden, da sonst Luft in ihr kondensiert und den Gasweg zur Pumpe versperrt.

2. Vor jedem Ausschalten der Pumpe muß sie belüftet werden. Dazu ist an allen Apparaturen ein Dreiwegehahn zwischen Pumpe und Versuchsaufbau vorhanden.

3. Nach dem Belüften der Pumpe darf sie nicht in Betrieb bleiben, sondern muß ausgeschaltet werden, da sonst das Öl in der Pumpe aufschäumt und durch den Auspuff abgeblasen wird.

Page 11: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

11

2.2. Temperaturmessung und Temperaturegelung

2.2.1. Flüssigkeitsthermometer:

Zur Temperaturmessung können im Prinzip alle Stoffeigenschaften herangezogen werden, die monoton von der Temperatur abhängen, wie z. B. die Volumenänderung einer Flüssigkeit. In diesen Flüssigkeitsthermometern verwendet man normalerweise Quecksilber als Thermometerfüllung. Eine spezielle Ausführung eines Quecksilberthermometers stellen die Beckmann-Thermometer dar, mit denen Temperaturdifferenzen sehr genau gemessen werden können. Dabei steigt das Quecksilber bei Erwärmung aus einem Vorratsgefäß durch eine sehr dünne Kapillare hoch. An der Kapillare ist ein Maßstab angebracht, dessen Teilstriche 1/100 °C voneinander entfernt sind, so daß Temperaturdifferenzen von 1/1000 °C noch geschätzt werden können. Diese Thermometer sind für verschiedene Meßbereiche erhältlich (Kalorimeterthermometer).

2.2. Thermoelemente:

Bringt man zwei verschiedene Metalle I und II miteinander in Kontakt, so lädt sich eines der Metalle gegenüber dem anderen Metall elektrisch auf, weil die Austrittsarbeiten in den beiden Materialien verschieden sind. Die elektrische Spannung zwischen den beiden Metallen wird auch als Kontaktpotentialdifferenz bezeichnet. Man kann diese Potentialdifferenz selbst nicht direkt messen (siehe Abb. 1), weil beim Anschließen eines Meßinstrumentes immer mindestens zwei Kontaktpotentialdifferenzen I/II und II/I auftreten, die sich jedoch gegenseitig kompensieren, so daß das Meßinstrument die Spannung Null anzeigt.

I IIII

1 2

Abb. 1: Geschlossener Stromkreis mit mehreren Kontaktpotentialen.

Da die Kontaktpotentialdifferenzen jedoch empfindlich von der Temperatur abhängen, kann man sie zur Temperaturmessung benutzen. Hat nämlich die Verbindungs- oder Lötstelle 1 eine von der Lötstelle 2 verschiedene Temperatur, so zeigt das Meßinstrument eine elektrische Spannung ∆φ an, die

Page 12: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

12

bei einigen Metallkombinationen in einem großen Temperaturbereich linear von der Temperaturdifferenz ∆T zwischen den Lötstellen abhängt, d. h. ∆φ=c·∆T.

∆φ

Metall I

T1 T2Lötstelle 2Lötstelle 1

Metall II

Abb. 2: Messung der Temperatur mit einem Thermoelement.

Ist die Temperatur T2 einer Lötstelle bekannt, so kann man aus der gemessenen Spannung ∆φ die Temperatur T1 der anderen Lötstelle bestimmen. Metallpaare, die zur Messung der Temperatur benutzt werden, bezeichnet man als Thermoelemente. Für die am häufigsten verwendete Metallkombination Chromel/Alumel (Chromel: 89% Ni, 10% Cr, 1% Fe; Alumel: 94% Ni, 2% Al, 1% Si, 3% Mn) ist die Spannung ∆φ in Abhängigkeit von T1 für den Fall T2=0 °C in Abbildung 3 dargestellt. Der Kurve entnimmt man, daß die Proportionalitätskonstante c=4.1·10−2 mV/°C ist. Somit lassen sich problemlos Temperaturänderungen von einigen °C messen.

Abb. 3: Thermospannung eines Chromel/Alumel-Thermoelements (T2=0 °C).

Für eine größere Meßgenauigkeit schaltet man mehrere Thermoelemente hintereinander. Mit einer solchen Thermosäule kann man die Genauigkeit ohne weiters auf das 100fache verbessern.

Page 13: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

13

2.2.3. Heizregler:

Elektrische Heizregler dienen der Temperierung elektrischer Heizöfen oder Ölbäder. Sie werden zwischen das Heizgerät und die Spannungsquelle geschaltet, wobei ein Thermoelement die Temperatur im Heizgerät mißt. Man stellt am Heizregler eine Solltemperatur ein. Die tatsächlich erreichte Temperatur mißt man aber meistens mit einem genaueren Thermometer im Versuchsaufbau.

Einstellen der Solltemperatur:

Am Regler befindet sich ein Wahlschalter, der auf die Position "Soll"-Temperaturanzeige-Regelung "Ein"-geschaltet gestellt werden muß. Dann stellt man mit dem Potentiometer die gewünschte Temperatur nach Skalenteilen am Anzeigeinstrument des Reglers ein. Der sogenannte Vollausschlag (100 Skalenteile) entspricht dabei der maximal möglichen Temperatur im jeweiligen Meßbereich. Will man z. B. 120 °C im 300 °C Meßbereich einstellen, so müßte man

.Skt40C300

.Skt100*C120

Meßbereich

lagVollaussch*aturSolltemper=

°°

=

einstellen.

2.2.4. Thermostate:

Zur Konstanthaltung der Meßtemperatur werden Thermostate benutzt.

Abb. 4: Schema eines Thermostaten.

Ein Thermostat besteht aus einem Behälter, der mit einer Flüssigkeit, meist Wasser, gefüllt ist. In die Flüssigkeit tauchen ein Rührer, ein Tauchsieder, eine

Page 14: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

14

Kühlschlange und ein Temperaturregler. Mit Hilfe einer Kühlflüssigkeit (meist ebenfalls Wasser) deren Temperatur tiefer als die geforderte Temperatur liegen muß, wird die Thermostatenflüssigkeit gekühlt. Am Temperaturregler stellt man die gewünschte Temperatur ein. Sobald die Temperatur der Thermostatenflüssigkeit diesen Sollwert unterschreitet, wird vom Temperaturregler der Tauchsieder eingeschaltet, so daß die Temperatur der Thermostatenflüssigkeit wieder ansteigt. Beim Überschreiten der eingestellten Solltemperatur wird der Tauchsieder wieder abgeschaltet, und die Thermostatenflüssigkeit kühlt wieder ab. Da der Tauchsieder nicht unmittelbar nach dem Einschalten Wärme abgibt und nach dem Abschalten noch etwas weiterheizt, schwankt die Thermostatentemperatur innerhalb enger Grenzen. Diese Grenzen sind normalerweise um so geringer, je besser die Kühlleistung der Kühlschlange und die Heizleistung des Tauchsieders aufeinander abgestimmt sind. Das Meßobjekt, das thermostatisiert werden soll, kann direkt in die Thermostatenflüssigkeit eingetaucht werden. Es ist aber auch möglich, durch eine Pumpe dem Thermostaten Flüssigkeit zu entnehmen, sie mit dem Meßobjekt in thermischen Kontakt zu bringen und anschließend in den Thermostaten zurückzuführen. Bei den im Praktikum verwendeten Thermostaten sind folgende Punkte zu beachten:

1) Wenn der Thermostat über eine zuschaltbare Dauerheizung verfügt, sollte sie in der Regel ausgeschaltet bleiben. Nur bei Solltemperaturen über 60°C wird sie eingesetzt.

2) Die Wasserkühlung wird im Temperaturbereich unter Raum-temperatur und bis ca. 10°C über Raumtemperatur mehr oder weniger stark aufgedreht. Bei noch höheren Solltemperaturen genügt die Wärmeabgabe über die Raumluft als Kühlung.

Page 15: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

15

2.3. Stoffmengenbestimmung und Benutzung der Waagen

Im Praktikum befinden sich insgesamt 4 Waagen: 2 elektronische Analysenwaagen mit einer Genauigkeit von 0.0001 g bzw. 0.00001 g und 2 elektronische Grobwaagen mit einer Genauigkeit von 0.1 g bzw. 0.01 g.

2.3.1. Elektronische Analysenwaage (Kern):

Der Wägebereich beträgt maximal 150 g.

1) Waage einschalten (on/off) und warten bis 0.0000 g angezeigt werden. 2) Wägegut auflegen und nach ca. 5 Sekunden das Gewicht ablesen. 3) Durch Drücken der Tara-Taste (T) kann man die Anzeige bei

Leergewichten von Probengläschen und Wägeschälchen wieder auf 0.0000 g bringen.

Niemals die Mode-Taste betätigen! 2.3.2. Elektronische Analysenwaage (Sartorius): Sollte der Netzstecker dieser Waage nicht angeschlossen sein, benötigt die Waage 20 Min. Aufwärmzeit vor der ersten Benutzung, da die Genauigkeit sonst nicht garantiert werden kann. Um die Präzision zu erhalten ist die Wägeschale äußerst sauber zu halten. Die Genauigkeit beträgt bis 80 g Gesamtgewicht 0.01 mg und bis 220 g Gesamtgewicht 0.1 mg.

1) Waage einschalten (I/0) und abwarten bis 0.00000 g angezeigt wird. 2) Behälter für Wägegut auflegen und auf 0 tarieren (TARE). 3) Wägegut in Behälter legen und nach ca. 5 Sekunden das Gewicht ablesen.

Auf keinen Fall dürfen mit den anderen Tasten die Grundeinstellungen der Waage verändert werden. 2.3.3. Elektronische Grobwaage (Kern):

Bei einem Wägebereich bis 500 g beträgt die Genauigkeit 0.1 g, bei einem Wägebereich bis 1500 g ist die Genauigkeit nur noch 0.2 g.

1) Waage einschalten und warten bis 0.0 g angezeigt wird. 2) Durch Drücken der Tara-Taste kann man die Anzeige bei Leergewichten

von Probengläschen und Bechergläsern wieder auf 0.0 g bringen. 3) Wägegut auflegen und nach ca. 5 Sekunden den Wert ablesen.

Page 16: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

16

2.3.4. Elektronische Grobwaage (Denver MAXX): Bei einem Wägebereich bis 600 g beträgt die Ablesbarkeit 0.01 g und die Genauigkeit 0.03 g.

1) Waage einschalten und warten bis 0.00 g angezeigt wird. 2) Ggf. Waage auf 0 stellen (Taste „Zero“ drücken). Mit dieser Funktion

kann auch das Gewicht von Wägeschälchen u.ä. nivelliert werden. 3) Wägegut auflegen und nach ca. 5 Sekunden den Wert ablesen.

Auf keinen Fall dürfen mit den anderen Tasten die Grundeinstellungen der Waage verändert werden.

2.4. Volumenmessung

1) Die verwendeten Volumenmeßgeräte, wie z. B. Pipetten, Meßkolben und Pyknometer, gehören nicht in den Trockenschrank und dürfen auch nicht auf andere Weise erhitzt werden, da die Genauigkeit der Geräte darunter leidet.

2) Außerdem ist beim Einsatz von Peleusbällen darauf zu achten, daß sie nach Beendigung des Versuches wieder entlastet, d. h. nicht zusammengedrückt liegengelassen, werden.

Page 17: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

17

3. Versuche im Physikalisch-Chemischen Praktikum I mit Lageplan

Pflichtversuche:

Thermochemie Versuch Nr. 2: Verbrennungsenergie

Chemische Kinetik Versuch Nr. 16: Inversion von Rohrzucker

Transport von Ionen und Diffusion von Molekülen Versuch Nr. 25: Moleküle in Bewegung

Elektrochemisches Gleichgewicht und Brennstoffzellen Versuch Nr. 24: Elektrochemie

Wahlversuche:

Eigenschaften von idealen und realen Gasen Versuch Nr. 22: Wärmekapazität von idealen Gasen oder Versuch Nr. 9: Joule-Thomson-Effekt

Zustandsänderungen reiner Substanzen Versuch Nr. 1: Verdampfungsenthalpie von Wasser oder Versuch Nr. 6: Verdampfungsenthalpie von Aceton

Zustandsänderungen einfacher Mischungen Versuch Nr. 7: Gefrierpunktserniedrigung oder Versuch Nr. 8: Schmelzdiagramm

Chemisches Gleichgewicht Versuch Nr. 10: Homogenes Dissoziationsgleichgewicht oder Versuch Nr. 11: Heterogenes Dissoziationsgleichgewicht

Chemisches Gleichgewicht unter Beteiligung von Grenzflächen Versuch Nr. 5: Adsorption oder Versuch Nr. 23: Oberflächenspannung von binären Lösungen

Aufbau der Materie und Spektroskopie Versuch Nr. 26: Lichtabsorption von Farbstoffmolekülen oder Versuch Nr. 21: Quantisierung atomarer Energieniveaus

Page 18: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

18

Versuchs-Lageplan Praktikum I

Page 19: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

19

3.1. Wärmekapazität idealer Gase (Versuch ;r. 22) Ziel des Versuches ist, die Wärmekapazitäten CV,m und Cp,m von Luft zu bestimmen. Dabei wird angenommen, daß Luft sich unter den Versuchsbedingungen wie ein ideales Gasgemisch verhält. Vorbereitung: • Thermodynamik idealer / realer Gase • Gibbssche Fundamentalgleichungen • Hauptsätze der Thermodynamik • Kalorimetrie • Gaskinetische Erklärung der molaren Wärmekapazität bei 1-atomigen idealen Gasen • Bewegungsfreiheitsgrade von Molekülen / Gleichverteilungssatz Literatur: P. W. Atkins, Physikalische Chemie, 2. Auflage, VCH-Verlag, Weinheim, 1996, S. 23-46, 53-72, 153-161, 664-669. G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 4. Auflage, Wiley-VCH-Verlag, Weinheim, 1997, S. 10-11, 13-22, 23-33, 69-75, 80-88, 272-283, 744-753. Theoretische Grundlagen: 1) Prinzip der Messung: 1a) CV-Bestimmung: Im Experiment wird die Stoffmenge n und die Zusammensetzung der Luft konstant gehalten. Daher hängt die Innere Energie U der Luft nur von zwei Variablen ab. Wählt man z. B. die Temperatur T und das Volumen V als unabhängige Variable, so ergibt sich U=U(T,V). Die Änderung der Inneren Energie U bei einer Zustandsänderung wird durch das totale Differential

dVdTCdVV

UdT

T

UdU TV

TV

π+=

∂∂

+

∂∂

= (1)

beschrieben, wobei CV=(∂U/∂T)V die Wärmekapazität bei konstantem Volumen und πT=(∂U/∂V)T der sogenannte innere Druck des Gases ist. Wie der Überström-Versuch von Gay-Lussac zeigt, verschwindet πT bei idealen Gasen. Somit hängt die Innere Energie U bei idealen Gasen nur von der Temperatur T ab und das totale Differential von U vereinfacht sich zu

Page 20: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

20

dTCdU V= . (2)

Nach dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik läßt sich die Innere Energie eines Systems nur durch Wärme- oder Arbeitszufuhr bzw. -abfuhr verändern, d. h.

dWdQdU += , (3)

wobei das hier betrachtete Gas als geschlossenes System nur Volumenarbeit dW=−pdV mit der Umgebung austauschen kann. Aus (2) und (3) ergibt sich ein Ausdruck

pdVdQdTCV −= , (4)

der als Meßvorschrift für CV genutzt werden kann. Der experimentelle Aufbau (siehe Abb. 1) zur Bestimmung der molaren Wärmekapazität CV,m=CV/n besteht aus einer 1 L-Glasflasche, die Luft enthält. In ihr befinden sich zwei elektrisch leitende Drähte, die als Heizung fungieren. Dabei wird elektrische Energie irreversibel in Wärmeenergie IdtdQ φ∆= umgewandelt, wobei ∆φ die elektrische Spannung ist, die an den Drähten anliegt, und dt das Zeitintervall angibt, in dem die Stromstärke I durch die beiden Drähte fließt. Die aus der Erwärmung resultierende Druckerhöhung wird mit einem Feinmanometer gemessen. Da sich Druckmessungen jedoch experimentell nur schwierig ohne Volumenänderungen vornehmen lassen, muß der pdV-Term in Gleichung (4) berücksichtigt werden. Außerdem muß man für die Temperaturänderung dT in Gleichung (4) neben der Druck- auch die Volumenänderung mit einbeziehen, so daß man für das totale Differential der Temperatur

dpp

TdV

V

TdT

Vp

∂∂

+

∂∂

= (5)

schreibt. In dem im Versuch verwendeten Feinmanometer kann die Volumenänderung aus der Druckänderung berechnet werden, weil dV=adp ist, wobei a eine von der Manometer-Flüssigkeit abhängige Proportionalitätskonstante ist. Bei dem im Versuch verwendeten Spezialöl ist a=0.855 cm³/hPa. Aus Gleichung (4) erhält man damit für kleine Aufheizzeiten ∆t die molare Wärmekapazität CV,m zu

( ) ( )( )

+−

∆∆+φ∆

=∆+∆−∆φ∆

==Vap

ap

tpVap

IR

pVap

paptIR

n

CC V

m,V , (6)

wobei die entsprechenden Druckänderungen ∆p am Feinmanometer abzulesen sind.

Page 21: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

21

1b) Cp-Bestimmung: Am zweckmäßigsten stützt man sich auf das totale Differential der Enthalpie H=H(T,p)

dpdTCdpp

HdT

T

HdH TP

Tp

ε+=

∂∂

+

∂∂

= , (7)

wobei Cp=(∂H/∂T)p die Wärmekapazität bei konstantem Druck und εT=(∂H/∂p)T den sogenannten isothermen Drosseleffekt bezeichnet. Das Joule-Thomson-Experiment zeigt, daß εT für ideale Gase verschwindet. Somit hängt auch die Enthalpie bei idealen Gasen ausschließlich von der Temperatur ab und das totale Differential für H vereinfacht sich zu

dTCdH p= . (8)

Mit Hilfe des 1. Hauptsatzes und der Definition der Enthalpie kann man die Änderung der Enthalpie dH auch schreiben als

VdpdQ)pV(dpdVdQ)pV(ddUdH +=+−=+= . (9)

Somit erhält man

VdpdQdTCP += . (10)

Dabei ist dQ=∆φIdt wiederum die elektrisch erzeugte Wärme. Der Versuchsaufbau bei der Cp-Bestimmung besteht aus einem vertikal aufgebauten Kolbenprober, der über einen Dreiwegehahn mit der 1 L-Glasflasche verbunden ist (siehe Abb. 3). Die Temperaturänderung dT des Gases wird nun bei konstantem Druck durch die Bewegung des Kolbens im vertikalen Kolbenprober als Volumenänderung dV gemessen. Mit der Temperaturänderung dT

dVnR

pdV

V

TdT

p

=

∂∂

= (11)

erhält man somit

dVnR

pCdTCIdtdQ pP ==φ∆= . (12)

Für kleine Heizzeiten ∆t ergibt sich damit die molare Wärmekapazität Cp,m zu

Page 22: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

22

( )tV

I

p

R

n

CC

pm,p ∆∆

φ∆⋅== , (13)

wobei ∆V die gemessene Volumenänderung und p=pA−pG der konstante, um den Druck pG=mg/AK verminderte atmosphärische Druck pA ist. Der zu berücksichtigende Druck pG kommt durch ein am Kolbenprober befestigtes Gewicht der Masse m zustande. Dabei bezeichnet g die Erdbeschleunigung und AK=7.55.10−4 m2 die Kolbenquerschnittsfläche.

2) Differenz von Cp,m und CV,m bei idealen Gasen:

Zunächst erhält man aus der Definition von Cp und H die Beziehung

ppppppP T

Vp

T

U

T

pV

T

Vp

T

U

T

HC

∂∂

⋅+

∂∂

=

∂∂

⋅+

∂∂

⋅+

∂∂

=

∂∂

= . (14)

Da bei gegebener Stoffmenge n der Druck p=p(T,V) nur noch von der Temperatur T und dem Volumen V abhängt, kann man die Temperaturabhängigkeit der inneren Energie bei konstantem Druck mit Hilfe der Kettenregel umformulieren in

pTV

pTpV)V,T(pp T

VC

T

V

V

U

T

T

T

U

T

U

∂∂

π+=

∂∂

∂∂

+

∂∂

∂∂

=

∂∂

=

. (15)

Da für ideale Gase πT=0 ist, ergibt sich

VV

p T

UC

T

U

∂∂

==

∂∂

(16)

und mit Gleichung (14) erhält man

nRCT

VpCC V

pVp +=

∂∂

⋅+= bzw. RCC m,Vm,p =− . (17)

3) Gleichverteilungssatz und angeregte Freiheitsgrade: Mit Hilfe der statistischen Thermodynamik kann man Wärmekapazitäten von idealen Gasen berechnen. Diese Berechnungen zeigen, daß man oftmals die molare Wärmekapazität bei konstantem Volumen CV,m mit Hilfe einer einfachen Faustregel recht gut abschätzen kann, indem man die thermisch angeregten Freiheitsgrade des betrachteten Moleküls abzählt. Dazu ordnet man bei Raumtemperatur jedem Translations-, Schwingungs- und Rotationsfreiheitsgrad

Page 23: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

23

einen Beitrag von R/2 zu (Gleichverteilungssatz). Dabei ist zu beachten, daß zu jeder Schwingung 2 Freiheitsgrade gehören. Allerdings sind bei vielen herkömmlichen 2-atomigen Molekülen (im Gegensatz zu vielen Festkörpern) die Schwingungen bei Raumtemperatur noch nicht angeregt, so daß man für eine grobe Abschätzung die Schwingungsfreiheitsgrade vernachlässigen kann. Die nachfolgende Tabelle gibt die maximal mögliche Anzahl an angeregten Freiheitsgraden an. Dabei trägt jeder Freiheitsgrad mit R/2 zu CV,m bei.

Freiheitsgrade der

Anzahl der Atome

Trans-lation

Rota-tion

Schwin-gung

Gesamtzahl der Freiheitsgrade

CV,m/R Beispiel

1 3 --- --- 3 1.5 He, Ar 2 3 2 2*1 7 3.5 N2, O2

3, gestreckt 3 2 2*4 13 6.5 CO2 3, gewinkelt 3 3 2*3 12 6.0 H2O N, gewinkelt 3 3 2*(3N−6) 6N−6 (3N−3) CH4

Aufgaben: 1) Man bestimme die molaren Wärmekapazitäten bei konstantem Volumen CV,m und bei konstantem Druck Cp,m von Luft. 2) Man vergleiche die Differenz der experimentell bestimmten Werte von Cp,m und CV,m mit dem für ideale Gase von der Thermodynamik geforderten Ergebnis. 3) Man diskutiere die experimentell gefundenen Einzelwerte von Cp,m und CV,m im Zusammenhang mit Literaturwerten und berechneten Werten, die sich näherungsweise unter Verwendung des Gleichverteilungssatzes und dem Abzählen von angeregten Freiheitsgraden der Gasmoleküle ergeben. Zubehör: 1 L-Gasflasche mit eingebauter Heizung, Feinmanometer, Digitalzähler, Strom- und Spannungsmeßgerät, 1x 100 mL Kolbenprober. Durchführung: a) Bestimmung von CV,m: Die 1 L-Glasflasche wird mit dem Feinmanometer mittels eines Dreiwegehahns verbunden.

Page 24: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

24

Abb. 1: Glasflasche mit Feinmanometer. Anschließend wird der Digitalzähler mit der Taste „Function“ in die Stellung „Timer“ gebracht. Mit der „Trigger“-Taste wählt man die unterste Einstellung. Um das Zeitintervall ∆t zu messen, wird die „Reset“-Taste bedient und 1-mal auf Start gedrückt. Es leuchtet nun eine grüne Lampe auf. Durch kurzes Antippen des Schalters (∆t<1 s) fließt der Heizstrom und erwärmt die Luft. Es werden die Druckerhöhung ∆p und die Zeitdauer ∆t gemessen.

Abb. 2: Schaltplan für elektrische Heizung. Die Messung wird insgesamt 20-mal mit verschiedenen Zeitintervallen, die alle jeweils kleiner als 1 Sekunde sein sollen, durchgeführt. Die Auftragung von ∆p gegen ∆t ergibt eine Gerade, aus deren Steigung man CV,m bestimmen kann. Dazu muß allerdings noch die Spannung ∆φ, die Stromstärke I und der Luftdruck p gemessen werden.

Page 25: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

25

b) Bestimmung von Cp,m: Statt des Feinmanometers wird an die Glasflasche ein Kolbenprober über den Dreiwegehahn angeschlossen. Der Kolbenprober soll dabei vertikal ausgerichtet sein.

Abb. 3: Glasflasche mit Kolbenprober.

Zu Beginn des Versuchs wird der Kolbenprober bei offenem Dreiwegehahn soweit nach oben gedrückt, bis keine Luft mehr im Kolbenprober vorhanden ist. Dann wird der Dreiwegehahn so eingestellt, daß nur noch eine Verbindung zur Glasflasche besteht. Der Digitalcounter wird meßbereit eingestellt. Der Kolben des Kolbenprobers wird nun in Drehung versetzt, so daß die Reibung möglichst gering ist. Ist der Versuch so weit vorbereitet, werden insgesamt 20 Messungen mit verschiedenen Heizzeiten ∆t<1 s durchgeführt. Dabei muß die Volumendifferenz ∆V vor und nach dem Betätigen des Digitalcounters gemessen werden. Aus der mittleren Steigung in der ∆V/∆t-Auftragung kann man Cp,m bestimmen. Sollte der Kolben während einer Messung zur Ruhe kommen, so ist diese Messung ungültig, da die gemessene Volumenänderung ∆V zu gering ist. Für die Auswertung muß ∆φ, I, der äußere Luftdruck pA und die Masse m des Kolbens mit dem Gewichtsstückchen bestimmt werden.

Praktische Hinweise:

- Die Heizdrähte dürfen die Wand der Glasflasche auf keinen Fall berühren. - Der Stopfen zur Durchführung der Heizdrähte muß luftdicht abschließen.

Page 26: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

26

3.2. Joule-Thomson-Prozeß (Versuch ;r. 9)

Das Ziel des Versuches ist, den Joule-Thomson-Koeffizienten µJT für 3 verschiedene Gase experimentell zu bestimmen.

Vorbereitung:

• Ursache des Joule-Thomson-Effektes • Thermodynamik idealer / realer Gase • Hauptsätze der Thermodynamik • Gibbssche Fundamentalgleichungen • Van der Waals / Virialgleichung • Technische Bedeutung des Joule-Thomson-Effektes • Bewegungsfreiheitsgrade von Molekülen / Gleichverteilungssatz

Literatur:

P. W. Atkins, Physikalische Chemie, 2. Auflage, VCH-Verlag, Weinheim, 1996, S. 23-46, 91-102, 153-161, 664-669. G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 4. Auflage, Wiley-VCH-Verlag, Weinheim, 1997, S. 13-22, 23-33, 59-75, 80-88, 232-243, 248-252, 744-753.

Theoretische Grundlagen:

1) Prinzip der Messung:

Man betrachtet einen Prozeß, der darin besteht, daß ein Gas, welches sich unter dem Druck p1 befindet, auf stationäre Weise in ein Gefäß übergeht, in dem sein Druck p2 beträgt (siehe Abb. 1). Die Stationarität des Prozesses bedeutet, daß im Verlauf des gesamten Prozesses die Drücke p1 und p2 konstant bleiben. Einen solchen Prozeß kann man schematisch als Übergang des Gases durch eine poröse Scheidewand darstellen, wobei die Konstanz der Drücke auf beiden Seiten der Scheidewand durch hineingeschobene bzw. herausgezogene Kolben erhalten bleiben soll. Sind die Öffnungen der Trennwand hinreichend klein, so kann man die Geschwindigkeit der makroskopischen Strömung des Gases vernachlässigen und sich auf die Diskussion der Thermodynamik beschränken. Dabei wird vorausgesetzt, daß das Gas von der Umgebung thermisch isoliert ist.

Abb. 1: Schematische Darstellung des Joule-Thomson-Prozesses.

Page 27: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

27

Es möge nun eine gewisse Gasmenge, die bei dem Druck p1 das Volumen V1 einnimmt, in das Volumen 2 übergehen, in dem der Druck gleich p2 ist. Die Energieänderung U2−U1 des Gases wird bei diesem thermisch isolierten, d. h. adiabatischen, Prozeß gleich der Arbeit sein, die an dem Gas geleistet werden muß, um es aus dem Volumen V1 zu verdrängen (diese Arbeit ist gleich p1V1), minus der Arbeit, die an dem Gas geleistet werden muß, damit es bei dem Druck p2 das Volumen V2 einnehmen kann (diese Arbeit ist gleich p2V2). Damit erhält man U2−U1=p1V1−p2V2, d. h. U1+p1V1=U2+p2V2 oder H1=H2. Beim Joule-Thomson-Prozeß bleibt also die Enthalpie H des Gases erhalten. Für einen solchen isenthalpischen Prozeß (dH=0) kann man aus dem vollständigen Differential der Enthalpie

dpdTCdpp

HdT

T

HdH Tp

Tp

ε+=

∂∂

+

∂∂

= (1)

die Änderung der Temperatur T mit dem Druck, d. h. den sogenannten Joule-Thomson-Koeffizienten µJT

p

T

HJT Cp

T ε−=

∂∂

=µ (2)

bestimmen. Dabei ist Cp die Wärmekapazität bei konstantem Druck und εT der sogenannte isotherme Drosseleffekt. Berücksichtigt man, daß die Temperatur T=T(S,p) als Funktion der Entropie S und des Druckes p geschrieben werden kann, dann läßt sich εT mit Hilfe der Kettenregel umformulieren

TTpTS)p,S(TTT

p

STV

p

S

S

H

p

p

p

H

p

H

∂∂

+=

∂∂

∂∂

+

∂∂

∂∂

=

∂∂

=ε=

. (3)

Mit Hilfe der bekannten Maxwell-Relation

pTT

V

p

S

∂∂

=

∂∂

− (4)

läßt sich somit der isotherme Drosseleffekt gemäß

pT T

VTV

∂∂

−=ε (5)

Page 28: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

28

aus der thermischen Zustandsgleichung berechnen. Bezieht man die Volumina und Wärmekapazitäten auf 1 mol, dann erhält man für den Joule-Thomson-Koeffizienten

m,p

mp

m

JT C

VT

VT −

=µ . (6)

Aus dieser Gleichung liest man ab, daß der Joule-Thomson-Koeffizient für ideale Gase verschwindet. Bei realen Gasen kann µJT je nach Temperatur und Druck verschiedene Vorzeichen besitzen. Das Vorzeichen von µJT ist unmittelbar mit dem Vorzeichen von εT verknüpft. Ist εT negativ, so kühlt sich das Gas bei der Entspannung (p1>p2) ab, für positive εT-Werte erwärmt es sich. Um diese Effekte quantitativ zu erfassen, bietet es sich an, das reale Verhalten der Gase mit einer vereinfachten van der Waals-Gleichung

BpRTpVm += (7)

zu beschreiben, wobei der zweite Virialkoeffizient B=b−a/RT von den van der Waals-Parametern a und b abhängt. Mit diesem vereinfachten Ansatz kann man Gleichung (6) auswerten und erhält µJT in Abhängigkeit der van der Waals-Parameter und der molaren Wärmekapazität

m,pJT C

bRT

a2−

=µ . (8)

2) Gleichverteilungssatz und angeregte Freiheitsgrade:

Mit Hilfe der statistischen Thermodynamik kann man Wärmekapazitäten von idealen Gasen berechnen. Diese Berechnungen zeigen, daß man oftmals die molare Wärmekapazität bei konstantem Volumen CV,m mit Hilfe einer einfachen Faustregel recht gut abschätzen kann, indem man die thermisch angeregten Freiheitsgrade des betrachteten Moleküls abzählt. Dazu ordnet man bei Raumtemperatur jedem Translations-, Schwingungs- und Rotationsfreiheitsgrad einen Beitrag von R/2 zu (Gleichverteilungssatz). Dabei ist zu beachten, daß zu jeder Schwingung 2 Freiheitsgrade gehören. Allerdings sind bei vielen herkömmlichen 2-atomigen Molekülen (im Gegensatz zu vielen Festkörpern) die Schwingungen bei Raumtemperatur noch nicht angeregt, so daß man für eine grobe Abschätzung die Schwingungsfreiheitsgrade vernachlässigen kann. Die nachfolgende Tabelle gibt die maximal mögliche Anzahl an angeregten Freiheitsgraden an. Dabei trägt jeder Freiheitsgrad mit R/2 zu CV,m bei.

Page 29: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

29

Freiheitsgrade der Anzahl der

Atome Trans-lation

Rota-tion

Schwin-gung

Gesamtzahl der Freiheitsgrade

CV,m/R Beispiel

1 3 --- --- 3 1.5 He, Ar 2 3 2 2*1 7 3.5 N2, O2

3, gestreckt 3 2 2*4 13 6.5 CO2 3, gewinkelt 3 3 2*3 12 6.0 H2O N, gewinkelt 3 3 2*(3N−6) 6N−6 (3N−3) CH4

3) Berechnung von Cp,m für reale Gase:

Um die Druckabhängigkeit der Wärmekapazität zu erfassen, geht man von Gleichung (1) aus. Da es sich bei dH um ein totales Differential handelt, ist der Satz von Schwarz erfüllt, d. h. es muß

p

T

T

p

Tp

C

∂ε∂

=

∂ (9)

gelten. Mit Hilfe der vereinfachten van der Waals-Gleichung (7) kann man nun die Temperaturabhängigkeit von εT berechnen. Einsetzen in (9) und anschließende Integration liefert

pRT

a2CC

2id

m,pm,p += , (10)

wobei die Integrationsgrenzen so gewählt wurden, daß man für 0p → die

Wärmekapazität des idealen Gases erhält.

Aufgaben:

1) Aus der Differenz zwischen Meß- und Nullinie werden für die untersuchten Druckdifferenzen ∆p=p1−p2 die dazugehörigen Temperaturänderungen ∆Τ=Τ1−Τ2 abgelesen. Damit kann man den Joule-Thomson-Koeffizienten der 3 untersuchten Gase für jede Druckdifferenz ∆p gemäß

HHJT p

T

p

T

∆∆

∂∂

=µ .

berechnen. Durch Mittelwertbildung bestimmt man anschließend den mittleren Joule-Thomson-Koeffizienten im untersuchten Druckbereich. 2) Man vergleiche die experimentell bestimmten Werte mit Literaturdaten. Außerdem diskutiere man die in den unterschiedlichen Werten für µJT zum

Page 30: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

30

Ausdruck kommenden nicht-idealen Eigenschaften der Gase im Vergleich zueinander. 3) Man berechne µJT für die 3 untersuchten Gase mit Hilfe der vereinfachten van der Waals-Gleichung, indem man aus der Literatur Werte für a, b und Cp,m verwendet. Anschließend diskutiere man die berechneten µJT-Werte zusammen mit den Literaturwerten. 4) Für ideale Gase kann man mit Hilfe einer einfachen Faustregel, die vom Gleichverteilungssatz und dem Abzählen von angeregten Freiheitsgraden Gebrauch macht, die Werte von CV,m und Cp,m abschätzen. Wie groß sind die entsprechenden Werte der molaren Wärmekapazitäten bei den 3 untersuchten Gasen? Berechnen Sie mit Hilfe der vereinfachten van der Waals-Gleichung die Abweichung von dem idealen Verhalten für Cp,m bei Stickstoff (N2). Diskutieren Sie diese Werte in Zusammenhang mit dem Literaturwert. Berechnen Sie ausgehend vom Literaturwert der Wärmekapazität Cp,m von CO2

die Art und Anzahl der im Kohlendioxidmolekül bei Raumtemperatur angeregten Freiheitsgrade.

Zubehör:

Joule-Thomson-Zelle, Badthermostat mit Kühlaggregat, Thermostatisierspirale, Dosenmanometer, Schreiber, Reduzierventil mit Gasleitung.

Versuchsbeschreibung und Durchführung:

Das zu untersuchende Gas wird mit Hilfe eines in der Seitenwand fest installierten Reduzierventils V entnommen und strömt, bevor es die eigentliche Joule-Thomson-Zelle Z erreicht, zum Zwecke der Thermostatisierung durch eine aus langem Kupferrohr gebundene Spirale S, die sich in einem Wasserbad B bei Raumtemperatur befindet.

Abb. 2: Versuchsaufbau zum Joule-Thomson-Prozeß.

Page 31: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

31

Innerhalb der Zelle expandiert das Gas durch eine poröse Glasfritte G von seinem konstanten Anfangsdruck p1 auf den als konstant zu betrachtenden Druck p2, der gleich dem Druck der umgebenden Atmosphäre ist, mit der die obere Zelle über die Öffnung H in Verbindung steht. Der Druck p1, der nicht mehr als 800 mbar über dem Atmospärendruck p2 liegen darf, wird mit Hilfe des Reduzierventils V vorgegeben und am Dosenmanometer M abgelesen (zur Funktionsweise eines Dosenmanometers siehe Seite 5). Direkt an der Unterseite der Glasfritte befindet sich das Thermoelement T1 zur Messung der Gastemperatur vor der Expansion abgelesen (zur Funktionsweise eines Thermoelementes siehe Seite 7-8). Das unmittelbar oberhalb der Trennwand angebrachte Thermoelement T2 mißt die Temperatur des Gases nach der Expansion. Die Temperaturdifferenz ∆T zwischen den beiden Thermoelementen wird von einem Schreiber R aufgezeichnet. Nachdem man mit Hilfe des Reduzierventils einen Druckabfall von 800 mbar eingestellt hat, wird am Schreiber eine Meßlinie aufgezeichnet. Wenn die Meßlinie einen konstanten Verlauf zeigt, wird der Druck am Dosenmanometer abgelesen. Dann kann der Schreiber kurzgeschlossen werden, um die Nullinie aufzuzeichnen. Danach wird der nächste Wert für den Druck eingestellt und die Messung wiederholt. Insgesamt werden pro Gas 7 Meßwerte zwischen 200 und 800 mbar aufgenommen. Als Gase werden Wasserstoff (H2), Stickstoff (N2) und Kohlendioxid (CO2) verwendet. Praktische Hinweise: - Da die Skalenteile des Schreibers nicht mit der Graduierung des Papiers

übereinstimmen, ist es am einfachsten, den Vollausschlag des Schreibers (0-100 Skalenteile) mit dem Lineal auszumessen und ebenso die gemessenen Spannungsdifferenzen. Man erhält den Differenzwert zwischen den beiden Thermospannungen dann gemäß folgender Beziehung

Meßwert (V) = Meßbereich (V) x Meßwert (cm) / Vollausschlag (cm). - Die Differenz der Thermospannungen kann dann mit Hilfe eines

Proportionalitätsfaktors in die entsprechende Temperaturdifferenz ∆T umgerechnet werden.

- Zur Druckeinstellung am Reduzierventil sind die Anweisungen in der

Bedienungsanleitung auf Seite 4-5 für kleine einzustellende Drücke zu befolgen. Dabei ist beim Entlasten des Reduzierventils allerdings zu beachten, daß vorsichtshalber zuerst das Auslaßventil geschlossen und der Schlauch zur Meßapparatur abgezogen wird. Erst dann sollte man das Hauptventil zur Gasleitung schließen.

Page 32: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

32

3.3 Verbrennungsenergie einer aromatischen Verbindung (Versuch ;r. 2)

Das Ziel des Versuches ist, die Standardmesomerieenthalpie ∆MH° von Anthracen aus der kalorimetrisch gewonnenen Standardverbrennungsenthalpie ∆RH° zu bestimmen.

Vorbereitung:

• Zustandsfunktionen und Zustandsänderungen • Hauptsätze der Thermodynamik • Thermochemie und Kalorimetrie • Satz von Hess • Zusammenhang zwischen ∆RH und ∆RU • Druck- und Temperaturabhängigkeit von ∆RH, ∆RS, ∆RG.

Literatur:

P. W. Atkins, Physikalische Chemie, 2. Auflage, VCH-Verlag, Weinheim, 1996, S. 53-84. G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 4. Auflage, Wiley-VCH-Verlag, Weinheim, 1997, S. 2-44.

Theoretische Grundlagen:

1) Prinzip der Messung:

Man betrachte die (gehemmte) chemische Reaktion

DCBA DCBA ν+ν→ν+ν , (1)

in welcher z. B. eine aromatische Verbindung (A) mit Sauerstoff (B) zu Kohlendioxid (C) und Wasser (D) umgesetzt wird. Die Größen νJ sind die stöchiometrischen Koeffizienten der beteiligten Reaktionspartner J=A, B, C und D. Die Innere Energie US=US(V,T,nA,nB,nC,nD) des Systems, d. h. der Reaktionsmischung, hängt im allgemeinen von dem Volumen V, der Temperatur T und den Stoffmengen nJ der beteiligten Komponenten (von der Zusammensetzung der Reaktionsmischung) ab. Die betrachtete Reaktion soll jedoch in einem Autoklaven, d. h. bei konstantem Volumen, ablaufen, so daß sich für die Änderung der Inneren Energie

∑+=+++=

∂∂

++

∂∂

+

∂∂

=

≠≠

JJmVDmAm

SV

D

n,T,VD

S

A

n,T,VA

S

n,V

SS

dn)J(UdTCdn)D(U....dn)A(UdTC

dnn

U....dn

n

UdT

T

UdU

DJAJJ (2)

Page 33: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

33

ergibt, wobei CVS die Wärmekapazität der Reaktionsmischung bei konstantem

Volumen ist und die Um(J) die partiellen molaren Inneren Energien der beteiligten Reaktionspartner sind. Mit Hilfe der Umsatzvariable bzw. Reaktionslaufzahl ξ kann man die Stoffmengenänderungen dnJ=νJ d ξ ersetzen, so daß sich für die Änderung der Inneren Energie

ξ∆+=ξν+= ∑ UddTCd)J(UdTCdU RVJ

mJSV

S (3)

ergibt. Die Reaktionsenergie ∆RU=(∂US/∂ξ)V,T hängt dabei im allgemeinen ebenfalls von der Zusammensetzung ab, so daß sich zur Ermittlung einer definierten Reaktionsenergie die Zusammensetzung der Mischung durch die Reaktion nicht ändern darf, d. h. es darf nur ein differentieller Umsatz stattfinden. Für den Fall, daß an der Reaktion allerdings nur reine Phasen (oder ideale Mischphasen) beteiligt sind, hängt die Reaktionsenergie nicht mehr von der Zusammensetzung der Mischung ab und die partiellen molaren Inneren Energien können durch die molaren Inneren Energien der reinen Stoffe ersetzt werden. Für solche Reaktionstypen ist es möglich mit Hilfe eines kalorimetrischen Experimentes aus der Änderung der Umsatzvariable ∆ξ die Reaktionsenergie ∆RU bei der Temperatur T zu messen. Bei der oben beschriebenen Verbrennungsreaktion kann man durch Aufhebung der Reaktionshemmung (z. B. durch Zündung) einen vollständigen Umsatz der Edukte (organische Verbindung + Sauerstoff) zu den Produkten (Wasser + Kohlendioxid) erzielen und somit die Verbrennungsenergie bestimmen. Dazu bringt man den Autoklaven bzw. die kalorimetrische Bombe mit der Reaktionsmischung in ein Wasserbad, wobei das Gesamtsystem aus Autoklav und Wasserbad energetisch isoliert sein soll. Damit ist nach dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik mit der Änderung der Inneren Energie dUS des Systems auch eine Änderung der Inneren Energie des Wasserbades dUB=-dUS verbunden. Unter der Voraussetzung, daß zwischen der Reaktionsmischung in der kalorimetrischen Bombe und dem Wasserbad zumindest vor Beginn und nach Beendigung der Reaktion thermisches Gleichgewicht herrscht, ergibt sich beim differentiellen Ablauf der Reaktion folgender Zusammenhang

SRV

BV

B dU)UddTC(dTCdU −=ξ∆+−== , (4)

wobei CVB die Wärmekapazität des Wasserbades und dT die gemeinsame

Temperaturänderung von System und Wasserbad ist. Zweckmäßigerweise faßt man alle beteiligten Wärmekapazitäten zur Kalorimeterkonstante C zusammen, so daß sich die Reaktionsenergie ∆RU bei einem endlichen Umsatz ∆ξ

ξ∆∆

=∆−T

CUR (5)

Page 34: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

34

aus dem Temperaturunterschied ∆T vor Beginn und nach Ablauf der Reaktion bestimmen läßt. Dabei wurde die Abhängigkeit der Kalorimeterkonstanten von ξ und eine mögliche Temperaturabhängigkeit von ∆RU und C vernachlässigt.

2) Zusammenhang zwischen ∆RU und ∆RH:

Um den Zusammenhang zwischen ∆RU und ∆RH zu finden, setzt man in ∆RH=(∂H/∂ξ)p,T die Definitionsgleichung für die Enthalpie H=U+pV ein

p,Tp,Tp,Tp,Tp,TR

Vp

U)pV(UHH

ξ∂

∂+

ξ∂

∂=

ξ∂

∂+

ξ∂

∂=

ξ∂

∂=∆ . (6)

Bei den hier untersuchten Reaktionen zwischen reinen Phasen (oder idealen Mischphasen) bezeichnet ∆RV=(∂V/∂ξ)T,p die bei der Reaktion stattfindende Volumenänderung pro Formelumsatz. Beachtet man, daß der Druck p vom Volumen V und der Umsatzvariable ξ abhängt, dann kann man mit Hilfe der Kettenregel den Ausdruck für (∂U/∂ξ)T,p

p,T,Tp,TV,T)V,(pp,T

V

V

UUU

ξ∂

∂∂

+

ξ∂ξ∂

ξ∂

∂=

ξ∂

ξξ=

(7)

umformen. Damit erhält man folgenden allgemeinen Zusammenhang

VpV

UUH R

,TRR ∆

+

∂∂

+∆=∆ξ

. (8)

In der betrachteten Verbrennungsreaktion kann man in guter Näherung den Einfluß der Molvolumina der kondensierten Phasen auf ∆RV gegenüber den Molvolumina der beteiligten Gasphasen vernachlässigen. Nimmt man zusätzlich an, daß sich die beteiligten Gase unter den Verbrennungsbedingungen ideal verhalten, dann verschwindet die Volumenabhängigkeit der Inneren Energie bei beliebiger Temperatur und Zusammensetzung, d. h. (∂U/∂V)T,ξ=0, und man erhält mit Hilfe des idealen Gasgesetzes

∑ν+∆=∆J

JRR RTUH , (9)

wobei die stöchiometrischen Koeffizienten νJ der beteiligten Gase für die Produkte positiv und für die Edukte negativ zu zählen sind.

Page 35: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

35

3) Druckabhängigkeit von ∆RH: Die Verbrennung der Edukte zu den Produkten findet nicht unter Standardbedingungen, sondern typischerweise bei einem Druck von 10 bar statt. Man muß also auf Standardbedingungen umrechnen, um aus der experimentell bestimmten Verbrennungsenergie ∆RU die Standardverbrennungsenthalpie ∆RH° berechnen zu können, d. h. man muß die Druckabhängigkeit von ∆RH kennen

∂ν=

∆∂

J T

mJ

T

R

p

)J(H

p

H. (10)

Die Druckabhängigkeit von ∆RH setzt sich hierbei additiv aus der Druckabhängigkeit der molaren Enthalpien der an der Reaktion beteiligten Komponenten zusammen. Da die Druckabhängigkeit von kondensierten Phasen vernachlässigt werden kann und vorausgesetzt wurde, daß sich die an der Reaktion beteiligten Gase ideal verhalten, verschwindet für die hier untersuchte Verbrennungsreaktion in guter Näherung die Druckabhängigkeit der Reaktionsenthalpie, d. h.

∑ν+∆=∆=∆J

JRRR RTUHHo . (11)

4) Inkrementsystem für (Standard)Verbrennungsenthalpien:

Auf empirischem Wege hat man durch Messung der Bildungsenthalpien einer großen Anzahl von organischen Verbindungen gefunden, daß sich die Bildungsenthalpien vieler gasförmiger organischer Moleküle näherungsweise additiv aus Bindungsanteilen zusammensetzen lassen. Diese Bindungsanteile oder Bindungsinkremente sind charakteristisch für eine Bindung (z.B. C−H, C−C, C=C) und unabhängig davon, in welchem Molekül die Bindung vorliegt. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, die gesamte Verbrennungsenthalpie ∆RH von Anthracen aus den Verbrennungsenthalpieanteilen der einzelnen chemischen Bindungen des Anthracen-Moleküls zu berechnen (siehe Tabelle im Anhang). Bei Benzol und aromatischen Molekülen versagt allerdings dieses Vorgehen. Man nennt bei diesen Molekülen die Differenz zwischen der gemessenen und der durch Addition von Bindungsinkrementen berechneten Bildungsenthalpie Resonanz- oder Mesomerieenthalpie ∆MH. Die Mesomerieenthalpie ∆MH von gasförmigem Anthracen ist nach dem Satz von Hess identisch mit der Differenz der gemessenen und über das Inkrementsystem berechneten Verbrennungsenthalpien. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Inkremente nur für gasförmige Stoffe gelten, im Experiment aber festes Anthracen verbrannt wird, und man somit die Sublimationsenthalpie von Anthracen in der Berechnung von ∆MH berücksichtigen muß.

Page 36: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

36

Aufgaben: 1) Bestimmung der Kalorimeterkonstante C durch Verbrennen von Benzoesäure. Den benötigten Wert für ∆RU kann man aus dem Literaturwert für die Standardverbrennungsenthalpie ∆RH° von festem Benzoesäure berechnen. 2) Experimentelle Bestimmung der Verbrennungsenergie ∆RU von festem Anthracen. 3) Berechnung der Standardverbrennungsenthalpie ∆RH° von festem Anthracen aus seiner experimentell bestimmten Verbrennungsenergie ∆RU und Vergleich mit Literaturdaten. 4) Ermittlung der Standardverbrennungsenthalpie ∆RH° von gasförmigem Anthracen mit Hilfe des Satzes von Hess unter Zuhilfenahme der Standardsublimationsenthalpie ∆subH° von Anthracen. 5) Berechnung der Standardverbrennungsenthalpie ∆RH° von gasförmigem Anthracen aus dem Inkrementsystem für die (Standard)Verbrennungsenthalpien pro Bindung. 6) Berechnung der Standardmesomerieenthalpie ∆MH° von gasförmigem Anthracen aus der Differenz der beiden Werte für ∆RH° in Aufgabe 4 und 5.

Zubehör:

Kalorimeter mit Berthelot-Malerscher Bombe mit Wasserbad und Rührer, Pastillenpresse, Zünddraht, Zündtrafo, Thermoelement, Schreiber, Vielfachmeßgerät, Benzoesäure und Anthracen.

Durchführung:

Die Kalorimeterkonstante C wird durch Verbrennung von Benzoesäure mit bekannter Verbrennungswärme ∆RU bestimmt. Dazu werden ca. 0,25 g Benzoesäure zu einer Pastille (A) gepreßt, wobei ein ca. 10 cm langer Draht (B), der zur Zündung (Aufhebung der Reaktionshemmung) dient, mit eingepreßt wird.

Abb. 1: Pastille (A) mit eingepreßtem Zünddraht (B)

Der Zünddraht muß vorher gewogen werden, um die Substanzmasse aus der Gewichtsdifferenz zwischen Draht und fertiger Pastille zu ermittelten (siehe

Page 37: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

37

Bedienungsanleitung zum Benutzen der Waagen auf S. 15-16). Daraus kann man die umgesetzte Soffmenge ∆ξ an Benzoesäure berechnen. Die Pastille wird in die kalorimetrische Bombe eingehängt, indem die Enden des Zünddrahtes mit den Elektroden verbunden werden. Anschließend wird die Bombe mit ca. 10 bar O2 gefüllt und in das mit Wasser gefüllte Kalorimeter gestellt. Zur Druckeinstellung am Reduzierventil sind die Anweisungen in der Bedienungsanleitung auf Seite 8-9 zum Einstellen größerer Drücke zu befolgen.

Abb. 2: Berthelot-Mahlersche Verbrennungsbombe mit gepreßter Pastille (A) und Zünddraht (B). Analog wird mit Anthracen als zu untersuchender Substanz verfahren. Beide Substanzen werden sowohl mit dem älteren Versuchsaufbau als auch mit dem neuen Gerät ausgeführt. Bei dem älteren Kalorimeter wird der Temperaturverlauf (Vorperiode - Zündung - Nachperiode) mit einem Thermoelement gemessen, das an einen Schreiber angeschlossen ist (zur Funktionsweise eines Thermoelementes siehe Seite 11-12). Das zur Auswertung benötigte ∆T erhält man aus dem Temperaturverlauf durch Extrapolation von Vor- und Nachperiode bei Gleichheit der beiden schraffierten Flächen, wie es in Abbildung 3 gezeigt ist.

Page 38: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

38

Abb. 3: Temperaturverlauf im Kalorimeter. Bei dem neueren Kalorimeter (Typ C4000) ist zu beachten, daß das Gerät mindestens 1 Stunde vor Versuchsbeginn durch den Assistenten eingeschaltet wird, damit sich konstante thermische Verhältnisse einstellen. Nach dem Einbringen der Kalorimeterbombe und dem Schließen des Deckels erfolgt eine automatische Überwachung des Temperaturverlaufs. Sobald sich die Temperaturdrift innerhalb eines erlaubten Spielraumes bewegt, wird der Bediener durch ein akustisches Signal zum Ablesen der Temperaturanzeige und zum Betätigen der Zündtaste aufgefordert. Nachdem die Taste "Zündung" betätigt wurde, erfolgt die automatische Überwachung des Temperaturverlaufes. Wenn die Temperaturdrift wieder innerhalb der erlaubten Toleranzgrenzen ist, erfolgt erneut ein akustisches Signal. Die Temperatur muß dann innerhalb von 3 Minuten abgelesen werden. Durch Öffnen des Deckels wird der Versuch beendet. Praktische Hinweise: - Verrußte Quarztöpfchen können mit Aceton gereinigt werden. - Der Draht darf in der Pastille nicht verdreht sein. - Beim Pastillenpressen ist darauf zu achten, daß der Draht in der vorhandenen

Nute fixiert wird, damit er nicht flachgepreßt wird. - Die Pastillenpresse nicht zu fest anziehen, da sonst der Draht in der Pastille

reißt. - Vor dem Verschließen der Kalorimeter-Bombe überprüfen, ob sich die beiden

Zuleitungskontakte nirgends berühren und so den Zündstromkreis kurzschließen.

- Vor dem Verschließen der Bombe und nach dem Gaseinleiten den Zündstromkreis in der Bombe mit dem Ohm-Meter auf Durchgang prüfen.

- Das verwendete Vielfachmeßgerät nicht zu lange in Ohm-Stellung lassen, da sich bei zufälliger Berührung der beiden Kontakte die Batterie des Gerätes entlädt.

- Vor dem Einleiten des Sauerstoffs wird die Kalorimeterbombe mit Sauerstoff vorgespült. Das Auslaßventil der Bombe muß zunächst geschlossen sein. Es wird erst beim Einleiten des Gases vorsichtig für einige Sekunden geöffnet.

- Die Kalorimeterbombe sollte bis 3 mm über dem flachen Teil des Deckels im Wasser stehen, wenn sie sich im Kalorimeter befindet.

Bei der älteren Apparatur: - Darauf achten, daß einer der Zündstecker in den isolierten Kontakt im Deckel

der Kalorimeterbombe gesteckt wird.

Page 39: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

39

- Wenn bei der Zündung ein Strom von ca. 8 A angezeigt wird, herrscht ein Kurzschluß in der Bombe.

- Die Messung darf auf keinen Fall zu früh abgebrochen werden, da man sonst nicht vernünftig extrapolieren kann.

Beim neuen Kalorimeter: - Der isolierte Kontakt muß sich unbedingt vorn befinden, wenn die Bombe in

das Kalorimeter eingesetzt wird - Beim Schließen des Deckels nochmals kontrollieren, ob die Zündkontakte

richtig auf dem Bombendeckel aufsetzen - Am Ende des Versuchstages das Reduzierventil entlasten. Anhang: Verbrennungsenthalpien pro Bindung und Korrekturen für spezielle Strukturelemente nach F. Klages, Chem. Ber. 82, 358 (1949).

Bindungstyp/Struktureleme

nte Konfigurationen ∆RH (kJ/mol)

C−H alle 226.0 C−C alle 206.4 C=C H2C=CH2 509.0 C=C RHC=CH2 498.6 C=C cis-RHC=CHR 491.4 C=C trans-RHC=CHR 487.3 C=C R2C=CHR 484.3 C=C R2C=CR2 483.1

Korrektur 5-Ring alle 25.1 Korrektur 6-Ring alle 4.2

Korrektur für CCCC −> alle −7.1

Page 40: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

40

3.4 Verdampfungsenthalpie von Wasser (Versuch ;r. 1) Das Ziel des Versuches ist die elektrokalorimetrische Bestimmung der Verdampfungsenthalpie von Wasser. Vorbereitung: • Zustandsänderungen / Fundamentalgleichungen • Hauptsätze der Thermodynamik • Kalorimetrie und Thermochemie • Kirchhoffscher Satz • Phasengleichgewichte / Phasengrenzlinie • Phasendiagramme (insbesondere bei Wasser) • Kritischer Punkt / Prinzip der übereinstimmenden Zustände (Pictet-Troutonsche Regel) Literatur: P. W. Atkins, Physikalische Chemie, 2. Auflage, VCH-Verlag, Weinheim, 1996, S. 40-47, 55-72, 139-145, 153-164, 173-188. G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 4. Auflage, Wiley-VCH-Verlag, Weinheim, 1997, S. 23-41, 232-248, 271-288, 299-309. Theoretische Grundlagen: 1) Prinzip der Messung: Man betrachtet in einem Dewar, d. h. einem adiabatisch isolierten Behälter, das Phasengleichgewicht zwischen flüssigem und gasförmigem Wasser. Der Dewar ist offen, d. h. im Druckgleichgewicht mit der Umgebung. Damit kann man den Druck im Dewargefäß als konstant ansehen. In dem Dewargefäß befindet sich zusätzlich eine elektrische Heizung, die (bei konstantem Druck) irreversibel elektrische Energie in Wärmeenergie umwandelt

IdtTdSdHHeizung φ∆== , (1) wobei ∆φ die elektrische Spannung ist, die an den Heizdrähten anliegt, und dt das Zeitintervall angibt, in dem die Stromstärke durch die Heizung fließt. Zunächst ist es am einfachsten anzunehmen, daß das System aus flüssigem und gasförmigem Wasser zusammen mit der Heizung energetisch abgeschlossen ist, d. h. dHHeizung=dHSystem. Das bedeutet aber, daß die gesamte Wärmeenergie TdS dazu benutzt wird, flüssiges Wasser in gasförmigen Wasserdampf umzuwandeln.

Page 41: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

41

Das Sieden setzt ein, wenn der Dampfdruck des Wassers genauso groß ist wie der Druck der Umgebung. Dabei bleibt die Temperatur des Wasser/Wasserdampfgemisches konstant. Somit ist die Änderung der Enthalpie dHSystem des Systems aus Wasser und Wasserdampf ausschließlich durch Austausch von Stoffmenge zwischen den beiden Phasen bestimmt, d. h.

ggm

llm

gg

ll

System dnHdnHdnn

Hdn

n

HdH +=

∂+

∂= , (2)

wobei Hm

l und Hmg die molaren Enthalpien der Flüssigkeit und des Dampfes

sind und dnl und dng die Soffmengenänderungen in den beiden Phasen bezeichnen. Da die Soffmengenänderungen dnl und dng im vorliegenden Experiment nicht unabhängig voneinander sind, kann man Gleichung (2) durch die Änderung der Umsatzvariable dξ=dng=−dnl in

ξ∆=ξ+ξ−= dHdHdHdH vapgm

lm

System , (3)

umformulieren, wobei ∆vapH=Hm

g−Hml die (molare) Verdampfungsenthalpie ist.

Aus Gleichung (1) und (3) erhält man für einen endlichen Umsatz ∆ξ die Verdampfungsenthalpie zu ∆vapH=∆φI/(∆ξ/∆t). In den bisherigen Überlegungen wurde angenommen, daß die irreversibel erzeugte Wärme TdS vollständig zum Verdampfen von flüssigem Wasser aufgebraucht wird. Im Experiment geht allerdings ein bestimmter Bruchteil an Wärme verloren. Dazu führt man im einfachsten Fall einen konstanten Verlustfaktor C ein und erhält somit

Ct

HI vap +∆

ξ∆∆=φ∆ . (4)

Die Messung der Umsatzänderung ∆ξ pro Zeiteinheit ∆t wird im Experiment durch Auskondensieren und anschließendes Auswiegen des gebildeten Wasserdampfes bestimmt. 2) Temperaturabhängigkeit der Verdampfungsenthalpie: Die Siedetemperatur wird über die Clausius-Clapeyron’sche Gleichung berechnet. Diese folgt aus der Clapeyron’schen Gleichung unter Vernachlässigung des Volumens der flüssigen Phase gegenüber der Gasphase und der Anwendung der idealen Gasgleichung.

2

vap

RT

H

dT

plnd ∆= .

Page 42: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

42

Mit Hilfe des Kirchhoffschen Satzes

∫ −+∆=∆2

1

T

T

lm,p

gm,p1vap2vap dT)CC()T(H)T(H (5)

kann mittels der Siedetemperatur die Verdampfungsenthalpie für eine andere Temperatur bestimmt werden. Für nicht zu große Temperaturintervalle kann man darüber hinaus auch die

Temperaturabhängigkeit der Wärmekapazitäten gm,pC und l

m,pC in guter

Näherung vernachlässigen, so daß man für die Temperaturabhängigkeit der Verdampfungsenthalpie

)TT)(CC()T(H)T(H 12l

m,pg

m,p1vap2vap −−+∆=∆ (6)

erhält. 3) Prinzip der übereinstimmenden Zustände (Pictet-Troutonsche Regel): Mit Hilfe der kritischen Größen eines realen Gases kann man sogenannte reduzierte Variablen für Druck, Temperatur und Molvolumen einführen und die stoffspezifischen Parameter a und b in der van der Waals-Gleichung ersetzen. Als Ergebnis erhält man eine Zustandsgleichung, die frei von stoffspezifischen Parametern ist und eine Art „universelle Zustandsgleichung“ darstellt. Man spricht auch vom Prinzip der übereinstimmenden Zustände und meint damit, daß bestimmte physikalisch-chemische Eigenschaften, wie z. B. der Kompressionsfaktor am kritischen Punkt oder die Verdampfungsentropie, universellen Gesetzmäßigkeiten folgen. Dazu stellt man sich die Verdampfung als einen Übergang von der flüssigen Phase mit dem Molvolumen Vm

l in die gasförmige Phase mit dem Molvolmen Vm

g bei konstanter Temperatur T vor. Betrachtet man also für diesen Übergang die molare Innere Energie Um in Abhängigkeit von T und Vm, so ergibt sich

mTm

mm dV

V

UdU

∂∂

= . (7)

Bei einem Stoff, der durch die van der Waals-Gleichung beschrieben wird, ist die Volumenabhängigkeit der Inneren Energie durch

2mTm

m

V

a

V

U=

∂∂

(8)

bestimmt. Somit erhält man durch Integration entlang der Isothermen

Page 43: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

43

gm

lm

lm

gmvap

V

a

V

aUUU −=−=∆ , (9)

wobei ∆vapU die Innere Verdampfungsenergie ist. Beachtet man, daß das Molvolumen der Flüssigkeit klein gegenüber dem Molvolumen des Dampfes ist, dann ergibt sich ∆vapU≈a/Vm

l. Da sich das Molvolumen der Flüssigkeit näherungsweise durch das Kovolumen b beschreiben läßt, erhält man im Rahmen der van der Waalsschen-Näherung für das Verhältnis aus Innerer Verdampfungsenergie und kritischer Temperatur Tk= 8a/(27bR)

R8

27

T

U

k

vap ≈∆

, (10)

d. h. einen konstanten Wert. Da außerdem die Verdampfungstemperatur Tvap bei p° zur kritischen Temperatur Tk≈(5/3)Tvap proportional ist, ergibt sich somit für die Verdampfungsentropie ∆vapS

R7R124

135R

T

U

T

HS

vap

vap

vap

vapvap ≈

+≈+

∆≈

∆=∆ (11)

ein Wert, der unabhängig von stoffspezifischen Parametern ist. Für alle die Stoffe, für die der van der Waalssche-Ansatz eine gute Näherung darstellt, wird dieses universelle Verhalten für die Verdampfunsgentropie auch beobachtet. Die experimentellen Werte liegen allerdings in der Regel eher bei ∆vapS≈10R (Pictet-Troutonsche Regel).

Aufgaben:

1) Aus der Auftragung der zugeführten elektrischen Leistung P=∆φI gegen die pro Zeiteinheit verdampfte Stoffmenge an Wasser ∆ξ/∆t bestimmt man den Verlustfaktor C und die Verdampfungsenthalpie ∆vapH. 2) Aus dem gemessenen Luftdruck, der gleich dem Dampfdruck des siedenden Wassers ist, und der experimentell bestimmten Verdampfungsenthalpie ∆vapH kann man mit Hilfe der Clausius-Clapeyronschen-Gleichung abschätzen, bei welcher Temperatur das Wasser im Experiment verdampft. Aus der Temperaturabhängigkeit der Verdampfungsenthalpie berechne man dann ∆vapH für eine Verdampfungstemperatur, bei der der Dampfdruck p gleich dem Normaldruck ist, und vergleiche den so erhaltenen ∆vapH-Wert mit Literaturwerten. 3) Man berechne den Wert für ∆vapH mit Hilfe der Pictet-Troutonschen Regel. Was läßt sich im Vergleich zu den experimentellen Werten über die Tragfähigkeit des Prinzips der übereinstimmenden Zustände bei Wasser aussagen?

Page 44: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

44

Zubehör:

Dewar-Gefäß, Tauchsieder, Kühler mit Dampfableitungsrohr, Netzgerät für Heizung, Becherglas.

Durchführung:

Um das Kühlwasser vorzukühlen, wird in einem Behälter ein Eis-Wasser-Gemisch bereitet und die Kupfer-Kühlschlange hineingelegt. Dann wird das Dewar-Gefäß bis 6 cm unter dem Rand mit dest. Wasser gefüllt. Das Wasser wird mit dem Tauchsieder zum Kochen gebracht (220 V Netzsteckdose). Danach wird der Tauchsieder an das Gleichspannungsnetzgerät angeschlossen und dem siedenden Wasser wird eine zeitlich konstante elektrische Leistung P=∆φI zugeführt, wobei ∆φ und I zu notieren sind.

Abb. 1: Versuchsaufbau zur elektrokalorimetrischen Bestimmung der Ver-dampfungsenthalpie von Wasser.

Der entstehende Wasserdampf wird im Kühler vollständig auskondensiert. Die Wassertropfen fängt man in einem Becherglas auf und ermittelt die gebildete Wassermenge ∆m durch Differenzwägung (siehe Bedienungsanleitungen zum Benutzen der Waagen auf den Seiten 15-16). Pro Leistungseinstellung wartet man 10 Minuten auf die Gleichgewichtseinstellung (gleichmäßig tropfender Kühler) und nimmt dann jeweils 5 Minuten lang 2 Meßwerte auf. Dies geschieht bei 6 verschiedenen Leistungseinstellungen zwischen 40 und 80 Watt. Am Ende der Messung darf man nicht vergessen, den herrschenden Luftdruck mit dem Barometer zu messen.

Page 45: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

45

3.5 Verdampfungsenthalpie von Aceton (Versuch ;r. 6) Ziel des Versuches ist, den Dampfdruck von Aceton für verschiedene Temperaturen zu messen und daraus dessen Verdampfungsenthalpie zu bestimmen. Vorbereitung: • Gibbssche Fundamentalgleichungen • Allgemeine Gleichgewichtsbedingungen • Phasengleichgewichte / Phasengrenzlinie • Kirchhoffscher Satz • Zustandsänderungen und Zustandsdiagramme idealer und realer Gase: (p,Vm)-, (pVm,p)-, (p,T)- und (Vm,T)-Auftragung • Kritischer Punkt / Theorem der übereinstimmenden Zustände (Pictet-Troutonsche Regel) Literatur: P. W. Atkins, Physikalische Chemie, 2. Auflage, VCH-Verlag, Weinheim, 1996, S. 40-47, 139-145, 153-164, 173-188. G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 4. Auflage, Wiley-VCH-Verlag, Weinheim, 1997, S. 33-41, 232-248, 271-288, 299-309. Theoretische Grundlagen: 1) Prinzip der Messung: Man betrachtet zwei Phasen α und β einer reinen Substanz, die sich in einem geschlossenen Behälter bei konstantem Druck p befinden. Der Behälter selbst sei mit einem Wärmebad der Temperatur T in thermischem Kontakt. Als extensive Größe setzt sich die Freie Enthalpie G des Zweiphasensystems additiv aus den Freien Enthalpien Gα und Gβ der beiden Phasen zusammen. Die Freie Enthalpie Gα hängt von der Temperatur Tα, dem Druck pα und der Stoffmenge nα der Phase α ab, entsprechendes gilt für Gβ der Phase β. Somit läßt sich die Änderung der Freien Enthalpie dG bei einer Zustandsänderung durch

ββββββααααααβα µ++−µ++−=+= dndpVdTSdndpVdTSdGdGdG (1)

beschreiben. Dabei sind die Si, Vi und µi die Entropien, Volumina und chemischen Potentiale der beiden Phasen i=α,β. Unter der Annahme, daß sich die

Page 46: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

46

beiden Phasen untereinander und mit der Umgebung im thermischen und mechanischen Gleichgewicht befinden, d. h. Tα=Tβ=T bzw. pα=pβ=p, vereinfacht sich die Änderung der Freien Enthalpie zu

ββαα µ+µ= dndndG , (2)

weil der äußere Druck p und die Temperatur T des Behälters konstant gehalten werden. Eine Änderung der Freien Enthalpie unter diesen Bedingungen ist also nur durch den Austausch von Stoffmenge zwischen den beiden Phasen möglich, wobei allerdings die Änderungen der beiden Stoffmengen im geschlossenen Behälter nicht unabhängig voneinander sind, d. h. dnα=−dnβ. Der Gleichgewichtszustand für den Austausch von Stoffmenge zwischen den beiden Phasen ist durch das Minimum der Freien Enthalpie bestimmt, was somit nach Gleichung (2) gleichbedeutend mit µα=µβ ist. Für reine, homogene Phasen hängen die chemischen Potentiale nur noch von zwei intensiven Variablen ab. Wählt man wiederum den Druck p und die Temperatur T als unabhängige Varibale, dann lautet die Gleichgewichtsbedingung

)p,T()p,T( βα µ=µ . (3)

Im chemischen Gleichgewicht sind also auch der Druck und die Temperatur nicht mehr unabhängig voneinander wählbar, sondern der Gleichgewichtsdampfdruck p ist durch die Temperatur T eindeutig festgelegt. Um die Phasengrenzlinie p=p(T) zu bestimmen, betrachtet man kleinen Änderungen dµα(T,p)=dµβ(T,p) aus der Gleichgewichtslage, die sich durch die totalen Differentiale der chemischen Potentiale als

dpVdTSdpVdTS mmmmββαα +−=+− (4)

formulieren lassen. Dabei bezeichnen die Vmi und Sm

i die molaren Volumina und Entropien der beteiligten Phasen i=α,β. Für den hier zu untersuchenden Fall des Verdampfungsgleichgewichtes wird die Temperaturabhängigkeit des Gleichgewichtsdampfdruckes durch die Clapeyronsche Gleichung beschrieben

V

S

dT

dp

vap

vap

∆= , (5)

wobei ∆vapS=Smg−Sm

l die molare Verdampfungsentropie und ∆vapV=Vmg−Vm

l das molare Verdampfungsvolumen angibt. Die Gleichung zeigt, daß die Phasengrenzlinie p=p(T) durch Änderung der Entropie und des Volumens beim Phasenübergang bestimmt wird. Umgekehrt kann man aus der Messung der Phasengrenzlinie p=p(T) die Verdampfungsentropie ∆vapS bzw. die

Page 47: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

47

Verdampfungsenthalpie ∆vapH=T∆vapS erhalten, falls das Verdampfungsvolumen ∆vapV bekannt ist. Dazu kann man das molare Volumen der Flüssigkeit Vm

l im Vergleich zum Molvolumen des Dampfes Vm

g vernachlässigen und erhält unter der Annahme, daß sich der Dampf ideal verhält, die Clausius-Clapeyronsche Gleichung

2

vap

RT

H

dT

plnd ∆= . (6)

Vernachlässigt man die Temperaturabhängigkeit der Verdampfungsenthalpie dann kann man die Clausius-Clapeyronsche Gleichung integrieren und es ergibt sich der gesuchte Zusammenhang zwischen dem Dampfdruck und der Verdampfungsenthalpie

cRT

Hpln

vap +∆

−= , (7)

wobei c eine Integrationskonstante darstellt.

2) Temperaturabhängigkeit der Verdampfungsenthalpie:

Vernachlässigt man das Molvolumen der flüssigen Phase gegenüber dem Molvolumen der Dampfphase und betrachtet man den Dampf als ideales Gas, dann ist die Temperaturabhängigkeit von ∆vapH durch den Kirchhoffschen Satz

∫ −+∆=∆2

1

T

T

lm,p

gm,p1vap2vap dT)CC()T(H)T(H (8)

gegeben. Für nicht zu große Temperaturintervalle kann man darüber hinaus auch

die Temperaturabhängigkeit der Wärmekapazitäten gm,pC und l

m,pC in guter

Näherung vernachlässigen, so daß man für die Temperaturabhängigkeit der Verdampfungsenthalpie

)TT)(CC()T(H)T(H 12l

m,pg

m,p1vap2vap −−+∆=∆ (9)

erhält.

3) Prinzip der übereinstimmenden Zustände (Pictet-Troutonsche Regel):

Mit Hilfe der kritischen Größen kann man sogenannte reduzierte Variablen für Druck, Temperatur und Molvolumen einführen und die stoffspezifischen Parameter a und b in der van der Waals-Gleichung ersetzen. Als Ergebnis erhält man eine Zustandsgleichung, die frei von stoffspezifischen Parametern ist und

Page 48: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

48

eine Art „universelle Zustandsgleichung“ darstellt. Man spricht auch vom Prinzip der übereinstimmenden Zustände und meint damit, daß bestimmte physikalisch-chemische Eigenschaften, wie z. B. der Kompressionsfaktor am kritischen Punkt oder die Verdampfungsentropie, universellen Gesetzmäßigkeiten folgen. Dazu stellt man sich die Verdampfung als einen Übergang von der flüssigen Phase mit dem Molvolumen Vm

l zur gasförmigen Phase mit Vmg bei konstanter Temperatur

T vor. Betrachtet man also für diesen Übergang die molare Innere Energie Um in Abhängigkeit von T und Vm, so ergibt sich

mTm

mm dV

V

UdU

∂∂

= . (10)

Bei einem Stoff, der durch die van der Waals-Gleichung beschrieben wird, ist die Volumenabhängigkeit der Inneren Energie durch

2mTm

m

V

a

V

U=

∂∂

(11)

bestimmt. Somit erhält man durch Integration entlang der Isothermen

gm

lm

lm

gmvap

V

a

V

aUUU −=−=∆ , (12)

wobei ∆vapU die Innere Verdampfungsenergie ist. Beachtet man, daß das Molvolumen der Flüssigkeit klein gegenüber dem Molvolumen des Dampfes ist, dann ergibt sich ∆vapU≈a/Vm

l. Da sich das Molvolumen der Flüssigkeit näherungsweise durch das Kovolumen b beschreiben läßt, erhält man im Rahmen der van der Waalsschen-Näherung für das Verhältnis aus Innerer Verdampfungsenergie und kritischer Temperatur Tk= 8a/(27bR)

R8

27

T

U

k

vap ≈∆

, (13)

d. h. einen konstanten Wert. Da außerdem die Verdampfungstemperatur Tvap bei p° zur kritischen Temperatur Tk≈(5/3)Tvap proportional ist, ergibt sich somit für die Verdampfungsentropie ∆vapS

R7R124

135R

T

U

T

HS

vap

vap

vap

vapvap ≈

+≈+

∆≈

∆=∆ . (14)

ein Wert, der unabhängig von stoffspezifischen Parametern ist. Für alle die Stoffe, für die die van der Waalssche-Näherung eine gute Beschreibung darstellt,

Page 49: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

49

wird dieses universelle Verhalten für die Verdampfunsgentropie auch beobachtet. Die experimentellen Werte liegen allerdings in der Regel eher bei ∆vapS≈10R (Pictet-Troutonsche Regel). Aufgaben: 1) Aus den experimentell bestimmten Dampfdrücken bei den verschiedenen Temperaturen bestimme man die Verdampfungsenthalpie ∆vapH für Aceton. 2) Man berechne die Verdampfungsenthalpie ∆vapH am Siedepunkt Tvap von Aceton bei p=p° und vergleiche das Ergebnis mit Literaturwerten. 3) Man berechne den Wert für ∆vapH mit Hilfe der Pictet-Troutonschen Regel. Was läßt sich im Vergleich zu den experimentellen Werten über die Tragfähigkeit des Prinzips der übereinstimmenden Zustände bei Aceton aussagen? Zubehör: Glasapparatur mit Manometer, Ölrotationspumpe, 2 Dewargefäße, Aceton als Kühlbadflüssigkeit, Kühlautomat, Heizung (220 V), 2 Thermometer. Durchführung: Zum Schutz der Ölrotationspumpe (siehe Betrieb und Funktionsweise einer Ölrotationspumpe: auf Seite 5-6) wird die Kühlfalle zwischen dieser und der Apparatur vor Versuchsbeginn mit flüssigem Stickstoff eingekühlt. Die Apparatur wird bis zum Hahn H1 mit der Ölrotationspumpe evakuiert. Dann wird das Meßkölbchen soweit mit Aceton gefüllt, daß das Schliffthermometer gut eintaucht, außerdem sollten noch zwei Siedesteinchen hinzugefügt werden. Das Kölbchen wird mit den Spannfedern an der Apparatur befestigt. Die Schliffe müssen gut gefettet sein. Nun wird das Meßkölbchen vorsichtig evakuiert. Nach Schließen des Hahnes H1 stellt sich am Manometer ein konstanter Zeigerausschlag (d. h. konstanter Druck) ein, sofern die Apparatur dicht ist und die Temperatur konstant bleibt. Um Luftreste zu entfernen wird das Meßkölbchen noch zweimal kurzzeitig evakuiert. Anschließend wird das Aceton für das Kühlbad in ein Dewargefäß gefüllt und mit dem Kühlautomaten auf −23 °C abgekühlt (Thermometer im Acetonbad beachten). Dann wird der Kühlfinger aus dem Bad entfernt und der Kühlautomat abgestellt. Das Dewar wird unter das Meßkölbchen gestellt und mit der Hebebühne auf die richtige Höhe gebracht. Der Meßkolben sollte bis ca. 0,5 cm über dem inneren Flüssigkeitsspiegel in das Kühlbad eintauchen.

Page 50: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

50

Abb. 1: Meßapparatur zur Dampfdruckbestimmung. Wenn sich das Aceton im Meßkolben auf die Temperatur des Kühlbades abge-kühlt hat, muß es noch einmal evakuiert werden. Nachdem sich der Gleichgewichtsdruck eingestellt hat, kann man den ersten Druckwert am Manometer ablesen. Da das Manometer nur die Differenz zum Luftdruck anzeigt, muß man für die Angabe des absoluten Dampfdruckes den Luftdruck mit dem Barometer im Praktikum messen. Die Temperatur wird nun mit Hilfe der Heizung zunächst um ca. 10 °C, dann (ab −10 °C) um jeweils ca. 5 °C erhöht und der Dampfdruck ermittelt. Im letzten Durchgang wird der Dampfdruck bei Raumtemperatur gemessen. Höhere Temperaturen als Raumtemperatur sind zu vermeiden, da ansonsten Aceton an den kälteren Stellen der Apparatur einkondensiert wird. Nach Beendigung der Messung wird die Apparatur vorsichtig belüftet. Anschließend wird das Aceton aus dem Meßkolben zur Kühlbadflüssigkeit dazugegeben und in die Vorratsflasche zurückgefüllt. Praktische Hinweise: - Das Acetonbad muß hin und wieder vorsichtig umgerührt werden, da sich

sonst ein Temperaturgefälle darin einstellt. - Temperaturkonstanz im Meßkolben ist zu erwarten, wenn die Temperatur des

Kühlbades annähernd mit der Temperatur der Meßsubstanz übereinstimmt. - Die Heizung darf nicht heiß in das kalte Acetonbad gestellt werden. Sie darf

also erst nach dem Eintauchen in das Acetonbad eingeschaltet werden und muß vor dem Herausnehmen wieder ausgeschaltet werden.

- Die Rotationspumpe muß vor dem Ausschalten am Hahn H2 belüftet werden, da sonst Öl zurückströmen kann.

Page 51: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

51

3.6. Gefrierpunktserniederigung (Versuch ;r. 7) Im Versuch wird das Schmelzverhalten von verdünnten wäßrigen Lösungen untersucht, um die Molmasse der gelösten Substanzen zu bestimmen. Vorbereitung: • Allgemeine Gleichgewichtsbedingungen • Phasengleichgewichte bei reinen Stoffen und binären Mischungen • Kolligative Eigenschaften • Gibbssche Phasenregel • Schmelzdiagramme von binären Mischungen • Thermische Analyse von Schmelzdiagrammen Literatur: P. W. Atkins, Physikalische Chemie, 2. Auflage, VCH-Verlag, Weinheim, 1996, S. 139-145, 153-165, 184-188, 225-230, 239-241. G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 4. Auflage, Wiley-VCH-Verlag, Weinheim, 1997, S. 271-290, 299-345, 362-368. Theoretische Grundlagen: 1) Gefrierpunktserniedrigung in ideal verdünnten Lösungen: Man betrachte bei konstantem Druck p das heterogene Gleichgewicht zwischen einem reinen festen Lösungsmittel und einer realen Lösung, die durch die Molenbrüche xA und xB von Lösungsmittel und gelöster Substanz charakterisiert ist. Da sich die beiden Phasen im thermischen Gleichgewicht befinden sollen, kann man das chemische Gleichgewicht auch als

A

lAA

lA

sA alnR

T

)p,T(

T

)x,p,T(

T

)p,T(**

(1)

formulieren, wobei aA die Aktivität des Lösungsmittels A in der Lösung ist. Für kleine Änderungen aus der Gleichgewichtslage ergibt sich die Bedingung für währendes Gleichgewicht zu

)a(lndRT

)p,T(d

T

)p,T(d A

lA

sA

**

+

µ=

µ, (2)

Page 52: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

52

die man mit Hilfe der Gibbs-Helmholtz-Beziehung in

)a(lndRdTT

HdT

T

HA2

lA,m

2

sA,m

**

+−=− (3)

umformulieren kann, wobei Hm,A

s* und Hm,Al* die molaren Enthalpien des reinen

festen und flüssigen Lösungsmittels sind. Mit Hilfe der molaren Schmelzenthalpie ∆fusHA

*= Hm,Al*−Hm,A

s* läßt sich Gleichung (3) in

dTRT

H)a(lnd

2

*Afus

A∆

= (4)

umschreiben. Unter der Annahme, daß die Schmelzenthalpie ∆fusHA

* des reinen Lösungsmittels und die Aktivität aA nicht von der Temperatur abhängen, kann man Gleichung (4) integrieren und erhält

∆=

A,fus*

A,fus

*Afus

AT

1

T

1

R

Haln . (5)

Dabei sind Tfus,A

* und Tfus,A die Gefrierpunkte des reinen flüssigen Lösungsmittels und der Lösung. Für den Grenzfall, daß die Lösung ideal verdünnt ist, kann man die Aktivität aA durch den Molenbruch xA=(1−xB) ersetzen. Außerdem kann man den Ausdruck für ln(1−xB) in eine Taylorreihe entwickeln und erhält bei sehr verdünnten Lösungen (xB<<1) als Näherung

A,fus2*A,fus

*Afus

A,fus*

A,fus

A,fus*

A,fus*Afus

B TRT

H

TT

TT

R

Hx ∆

∆≈

−∆≈ . (6)

Diese Gleichung beschreibt die Zunahme der Gefrierpunktserniedrigung ∆Tfus,A=Tfus,A

*−Tfus,A mit dem Molenbruch xB der gelösten Substanz. Für sehr verdünnte Lösungen hängt der Molenbruch xB=mBMm,A/(mAMm,B) mit den Einwaagen an gelöster Substanz mB und Lösungsmittel mA sowie den Molmassen Mm,B und Mm,A zusammen, so daß eine Bestimmung der Molmasse von B aus der gemessenen Gefrierpunktserniedrigung ∆Tfus,A gemäß

A

B

Bm

f

A

B

Bm

Am

Afus

Afus

Afusm

m

M

K

m

m

M

M

H

RTT

,,

,*

2*,

, =∆

=∆ , (7)

Page 53: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

53

möglich ist, wenn die kryoskopische Konstante von Wasser Kf = 1,86 K kg / mol bekannt ist und die Einwaagen mA und mB bestimmt werden. Da die kolligativen Eigenschaften nur von der Teilchenzahl in Lösung abhängen, ist zudem der Dissoziationsgrad der gelösten Substanz zu berücksichtigen. 2) Abkühlverhalten von Schmelzen: Zur Ermittlung des Schmelzdiagramms verfolgt man das Abkühlverhalten, d. h. die Abkühlgeschwindigkeiten, von Schmelzen verschiedener Zusammensetzung. Betrachtet man zunächst die reine Schmelze A bei einer Temperatur T, die größer ist als die Temperatur der Umgebung TU, dann wird sich die Schmelze durch Abgabe von Entropie an die Umgebung abkühlen. Dabei ist die abgegebene Wärmemenge TdS pro Zeiteinheit dt der Temperaturdifferenz UTT − zwischen

Probe und Umgebung proportional

)TT(dt

dTC

dt

dT

dT

dST

dt

dST Up −α=−=−=− , (1)

wobei α ein Proportionalitätsfaktor ist. Mit der Anfangstemperatur T0 der Schmelze erhält man durch Integration von Gleichung (1) das sogenannte Newtonsche-Abkühlungsgesetz

pCtU0U e)TT(TT

α−−+= , (2)

das ein exponentielles Abkühlverhalten für die reine Schmelze vorhersagt. Sobald die Probe soweit abgekühlt ist, daß der Gefrierpunkt Tfus,A* der reinen Schmelze erreicht wird, bleibt die Temperatur T der Schmelze konstant, weil beim Phasenübergang erster Ordnung die Schmelzentropie und Schmelzenthalpie freigesetzt wird. Erst wenn die gesamte Schmelze erstarrt ist, sinkt die Temperatur T der Probe wieder rasch ab (Abkühlkurve A). Kühlt man eine Lösung mit einem großen Überschuß an Substanz A ab, dann beobachtet man zunächst das gleiche Verhalten wie bei der reinen Schmelze (Abkühlkurve AB). Wenn die Temperatur Tfus,A erreicht wird, beginnt die Komponente A auszukristallisieren, wobei die Temperatur Tfus,A gegenüber der Schmelztemperatur der reinen Substanz erniedrigt ist. Durch das Auskristallisieren von A wird die Lösung in Bezug auf die Komponente B konzentrierter, und der Gefrierpunkt sinkt weiter ab, allerdings langsamer als zuvor. Die Lösung verarmt mit sinkender Temperatur nun solange an der auskristallisierenden Komponente A, bis eine in beiden Komponenten gesättigte Lösung erreicht wird. Dann scheidet sich neben dem Lösungsmittel A auch der gelöste Stoff B ab, und die Temperatur TE der Schmelze bleibt konstant bis sämtliche Substanz in den festen Zustand übergegangen ist. An dieser Stelle befindet man sich im sogenannten eutektischen Punkt E (griech.: gut

Page 54: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

54

schmelzend), bei dem das binäre System seinen niedrigsten isobaren Schmelzpunkt aufweist und die Schmelze mit zwei verschiedenen Feststoffen im Gleichgewicht steht. Sowohl die eutektische Temperatur als auch die eutektische Zusammensetzung sind druckabhängig. Die Gibbssche Phasenregel F = C - P + 2 wird unter isobaren Bedingungen (konstanter Druck) zu F = C - P + 1 , so daß dann der eutektische Punkt ein invarianter Punkt (F = 0) wird, an dem für ein zweikomponentiges System drei Phasen miteinander im Gleichgewicht stehen.

Abb. 1: Isobares Schmelzdiagramm mit dazugehörigen Abkühlungskurven.

Geht man umgekehrt von einer Schmelze aus, in der die Komponente B in großem Überschuß vorliegt, so kristallisiert zunächst ausschließlich B aus, bis der eutektische Punkt E erreicht ist und dann neben B auch A ausgeschieden wird. Eine Schmelze, die von vornherein die Zusammensetzung des eutektischen Gemisches besitzt, verhält sich im Abkühlverhalten wie eine chemisch reine Substanz (Abkühlkurve E). Eine solche Mischung ist von einem reinen Stoff durch das Schmelzverhalten nicht zu unterscheiden, erst die Untersuchung der ausgeschiedenen Kristalle zeigt, daß es sich um ein binäres System handelt. Bei der Aufnahme der Erstarrungskurven läßt es sich trotz guter Rührung oft nicht vermeiden, daß die Schmelze unterkühlt wird und die Temperatur deshalb nach Bildung der ersten Kristalle wieder ansteigt. Die Erstarrungstemperatur Tfus läßt sich in diesem Fall bestimmen, wenn man den geradlinigen Teil der Abkühlungskurve bis zum Schnittpunkt mit dem steil abfallenden Ast nach links verlängert.

Schmelzdiagramm A-B Abkühlungskurven A, AB, E

A AB E

xA

xB

B A

A(s)+B(s)

A(s) +SchmelzeB(s) +

Schmelze

Schmelze

AB

E

T T T

Zeit

T *fus,A

Tfus,A

TE

Page 55: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

55

Abb. 2: Auswertung der Erstarrungskurven bei Unterkühlung.

Trägt man die Temperatur Tfus, bei der eine der beiden Komponenten gerade auskristallisiert, z. B. in Abhängigkeit vom Molenbruch xA der Komponente A auf, so erhält man das Schmelzdiagramm, d. h. eine Kurve, die für das betrachtete binäre System charakteristisch ist. Aufgaben: 1) Ermitteln Sie aus den gemessenen Abkühlkurven graphisch die Gefrierpunktserniedrigung ∆Tfus,A bei Wasser als Lösungsmittel für die untersuchten Stoffe mit den verschiedenen Zusammensetzungen. 2) Durch Auftragen der gemessenen Gefrierpunktserniedrigung ∆Tfus,A gegen das Verhältnis aus mB/mA und unter Verwendung des in der Literatur bekannten Wertes für ∆fusHA

* bestimme man die Molmassen Mm,B der unbekannten Verbindungen. 3) Vergleichen Sie die experimentell bestimmten Molmassen mit den tatsächlichen Werten.

Zubehör:

Weites, dickwandiges Reagenzglas mit Stopfen und Rührer, Motor, Thermo-element, Kühlthermostat mit Temperiergefäß, Aceton, Versuchssubstanzen.

Durchführung:

Das Aceton wird im Temperiergefäß des Kühlaggregates auf ungefähr −15 °C gekühlt. Dann werden 20 mL dest. H2O in das Versuchsgefäß eingefüllt und die Versuchsanordnung wie in Abbildung 3 aufgebaut. Der Rührer muß sich leicht bewegen lassen, da er sonst leicht verbiegt. Der Schreiber wird so eingestellt, daß der Nullpunkt ungefähr bei 30 Skalenteilen liegt. Zum Messen wird der Meßbereich 0,5 mV (cal.) eingestellt. Sollte die Thermospannung (zur Funktionsweise eines Thermoelementes siehe Seite 11-12) anfangs noch zu

reiner Stoff /Eutektikum Lösung

Zeit Zeit

TT

Tfus

Tfus

Page 56: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

56

groß für diesen Bereich sein, den Meßbereich entsprechend höher einstellen, bis sich das Wasser im Versuchsgefäß weit genug abgekühlt hat. Die Papiergeschwindigkeit sollte 2 cm/min betragen. Der Papiervorlauf sollte aber immer erst dann eingeschaltet werden, wenn man den empfindlichsten Meßbereich einstellen kann.

Abb. 3: Apparatur zur Gefrierpunktserniedrigung.

Zunächst wird die Abkühlkurve von reinem Wasser der Masse mA zweimal aufgenommen. Dann wird die empfohlene Einwaagemenge mB (siehe Aufschrift des Probenglases) an Substanz zugegeben und wieder eine Abkühlkurve aufgenommen. Danach wird die Messung noch einmal mit der Hälfte der empfohlenen Einwaagemenge wiederholt.

Praktische Hinweise: - Damit sich das Wasser im Versuchsgefäß zwischen den Messungen immer

wieder erwärmen kann, wird das Temperiergefäß mit dem Kühlbad abgesenkt. - Bei der Substanzzugabe muß darauf geachtet werden, daß nichts an den

Gefäßwandungen haften bleibt. - Die Substanz muß sich restlos aufgelöst haben, bevor mit der Messung

begonnen wird. - Beim Auftreten einer Unterkühlung während des Abkühlvorgangs muß die

Messung lange genug weitergeführt werden, um den exakten Wert des Gefrierpunktes ermitteln zu können.

Page 57: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

57

3.7. Schmelzdiagramm binärer Mischungen (Versuch ;r. 8) Ziel des Versuches ist die thermische Untersuchung des Schmelzverhaltens von Pb/Sn-Mischungen unterschiedlicher Zusammensetzung, um daraus das Schmelzdiagramm des binären Systems zu konstruieren. Vorbereitung: • Allgemeine Gleichgewichtsbedingungen • Phasengleichgewichte bei reinen Stoffen und binären Mischungen • Kolligative Eigenschaften • Gibbssche Phasenregel • Schmelzdiagramme von binären Mischungen • Thermische Analyse von Schmelzdiagrammen Literatur: P. W. Atkins, Physikalische Chemie, 2. Auflage, VCH-Verlag, Weinheim, 1996, S. 139-145, 153-165, 184-188, 225-230, 239-241. G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 4. Auflage, Wiley-VCH-Verlag, Weinheim, 1997, S. 271-290, 299-345, 362-368. Theoretische Grundlagen: 1) Abkühlverhalten von Schmelzen: Zur Ermittlung des Schmelzdiagramms verfolgt man das Abkühlverhalten, d. h. die Abkühlgeschwindigkeiten, von Schmelzen verschiedener Zusammensetzung. Betrachtet man zunächst die reine Schmelze A bei einer Temperatur T, die größer ist als die Temperatur der Umgebung TU, dann wird sich die Schmelze durch Abgabe von Entropie an die Umgebung abkühlen. Dabei ist die abgegebene Wärmemenge TdS pro Zeiteinheit dt der Temperaturdifferenz UTT − zwischen

Probe und Umgebung proportional

)TT(dt

dTC

dt

dT

dT

dST

dt

dST Up −α=−=−=− , (1)

wobei α ein Proportionalitätsfaktor ist. Mit der Anfangstemperatur T0 der Schmelze erhält man durch Integration von Gleichung (1) das sogenannte Newtonsche-Abkühlungsgesetz

pCtU0U e)TT(TT

α−−+= , (2)

Page 58: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

58

das ein exponentielles Abkühlverhalten für die reine Schmelze vorhersagt. Sobald die Probe soweit abgekühlt ist, daß der Gefrierpunkt Tfus,A* der reinen Schmelze erreicht wird, bleibt die Temperatur T der Schmelze konstant, weil beim Phasenübergang erster Ordnung die Schmelzentropie und Schmelzenthalpie freigesetzt wird. Erst wenn die gesamte Schmelze erstarrt ist, sinkt die Temperatur T der Probe wieder rasch ab (Abkühlkurve A).

Abb. 1: Isobares Schmelzdiagramm mit dazugehörigen Abkühlungskurven.

Kühlt man eine Lösung mit einem großen Überschuß an Substanz A ab, dann beobachtet man zunächst das gleiche Verhalten wie bei der reinen Schmelze (Abkühlkurfe AB). Wenn die Temperatur Tfus,A erreicht wird, beginnt die Komponente A auszukristallisieren, wobei die Temperatur Tfus,A gegenüber der Schmelztemperatur der reinen Substanz erniedrigt ist. Durch das Auskristallisieren von A wird die Lösung in Bezug auf die Komponente B konzentrierter, und der Gefrierpunkt sinkt weiter ab, allerdings langsamer als zuvor. Die Lösung verarmt mit sinkender Temperatur nun solange an der auskristallisierenden Komponente A, bis eine in beiden Komponenten gesättigte Lösung erreicht wird. Dann scheidet sich neben dem Lösungsmittel A auch der gelöste Stoff B ab, und die Temperatur TE der Schmelze bleibt konstant bis sämtliche Substanz in den festen Zustand übergegangen ist. An dieser Stelle befindet man sich im sogenannten eutektischen Punkt E (griech.: gut schmelzend), bei dem das binäre System seinen niedrigsten isobaren

Schmelzdiagramm A-B Abkühlungskurven A, AB, E

A AB E

xA

xB

B A

A(s)+B(s)

A(s) +SchmelzeB(s) +

Schmelze

Schmelze

AB

E

T T T

Zeit

T *fus,A

Tfus,A

TE

Page 59: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

59

Schmelzpunkt aufweist und die Schmelze mit zwei verschiedenen Feststoffen im Gleichgewicht steht. Sowohl die eutektische Temperatur als auch die eutektische Zusammensetzung sind druckabhängig. Die Gibbssche Phasenregel F = C - P + 2 wird unter isobaren Bedingungen (konstanter Druck) zu F = C - P + 1 , so daß dann der eutektische Punkt ein invarianter Punkt (F = 0) wird, an dem für ein zweikomponentiges System drei Phasen miteinander im Gleichgewicht stehen. Geht man umgekehrt von einer Schmelze aus, in der die Komponente B in großem Überschuß vorliegt, so kristallisiert zunächst ausschließlich B aus, bis der eutektische Punkt E erreicht ist und dann neben B auch A ausgeschieden wird. Eine Schmelze, die von vornherein die Zusammensetzung des eutektischen Gemisches besitzt, verhält sich im Abkühlverhalten wie eine chemisch reine Substanz (Abkühlkurve E). Eine solche Mischung ist von einem reinen Stoff durch das Schmelzverhalten nicht zu unterscheiden, erst die Untersuchung der ausgeschiedenen Kristalle zeigt, daß es sich um ein binäres System handelt. Bei der Aufnahme der Erstarrungskurven läßt es sich trotz guter Rührung oft nicht vermeiden, daß die Schmelze unterkühlt wird und die Temperatur deshalb nach Bildung der ersten Kristalle wieder ansteigt. Die Erstarrungstemperatur Tfus läßt sich in diesem Fall bestimmen, wenn man den geradlinigen Teil der Abkühlungskurve bis zum Schnittpunkt mit dem steil abfallenden Ast nach links verlängert.

Abb. 2: Auswertung der Erstarrungskurven bei Unterkühlung.

Trägt man die Temperatur Tfus, bei der eine der beiden Komponenten gerade auskristallisiert, z. B. in Abhängigkeit vom Molenbruch xA der Komponente A auf, so erhält man das Schmelzdiagramm, d. h. eine Kurve, die für das betrachtete binäre System charakteristisch ist.

reiner Stoff /Eutektikum Lösung

Zeit Zeit

TT

Tfus

Tfus

Page 60: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

60

2) Gefrierpunktserniedrigung in ideal verdünnten Schmelzen: Man betrachte bei konstantem Druck das heterogene Gleichgewicht zwischen einem reinen Feststoff und einer realen Schmelze, die durch die Molenbrüche xA und xB der beiden Komponeten charakterisiert ist. Da sich die beiden Phasen im thermischen Gleichgewicht befinden sollen, kann man das chemische Gleichgewicht auch als

A

lAA

lA

sA alnR

T

)p,T(

T

)x,p,T(

T

)p,T(**

(3)

formulieren, wobei aA die Aktivität des Lösungsmittels A in der Lösung ist. Für kleine Änderungen aus der Gleichgewichtslage ergibt sich die Bedingung für währendes Gleichgewicht zu

)a(lndRT

)p,T(d

T

)p,T(d A

lA

sA

**

+

µ=

µ, (4)

die man bei konstantem Druck p mit Hilfe der Gibbs-Helmholtz-Beziehung in

)a(lndRdTT

HdT

T

HA2

lA,m

2

sA,m

**

+−=− (5)

umformulieren kann, wobei Hm,A

s* und Hm,Al* die molaren Enthalpien des reinen

festen und flüssigen Lösungsmittels sind. Mit Hilfe der molaren Schmelzenthalpie ∆fusHA

*= Hm,Al*-Hm,A

s* läßt sich Gleichung (5) in

dTRT

H)a(lnd

2

*Afus

A∆

= (6)

umschreiben. Unter der Annahme, daß die Schmelzenthalpie ∆fusHA

* der reinen Komponente A und die Aktivität aA nicht von der Temperatur abhängen, kann man Gleichung (6) integrieren und erhält

∆=

A,fus*

A,fus

*Afus

AT

1

T

1

R

Haln , (7)

wobei Tfus,A

* und Tfus,A die Gefrierpunkte der reinen Schmelze und der Lösung sind. Für den Grenzfall, daß die Schmelze ideal verdünnt ist, kann man die Aktivität aA durch den Molenbruch xA=(1-xB) ersetzen und erhält

Page 61: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

61

∆=−

A,fus*

A,fus

*Afus

BT

1

T

1

R

H)x1ln( . (8)

Eine entsprechende Gleichung kann man aufstellen, um den Einfluß von gelöstem A auf den Gefrierpunkt von B zu erfassen. Aufgaben:

1) Durch Aufnehmen von 2 Abkühlkurven des reinen Zinn wird das verwendete Thermoelement unter der Annahme, daß die Thermospannung im Bereich zwischen 100°C und der Schmelztemperatur von reinem Zinn linear mit der Temperatur zunimmt, kalibriert. Anschließend werden die Abkühlkurven von verschiedenen Sn/Pb-Mischungen gemessen, um daraus das entsprechende Schmelzdiagramm zu konstruieren. 2) Man bestimme die Zusammensetzung des eutektischen Gemisches aus dem Schmelzdiagramm. 3) Das experimentell bestimmte Schmelzdiagramm und die Werte des eutektischen Gemisches werden zusammen mit Literaturdaten diskutiert. 4) Das Schmelzdiagramm für die Pb/Sn-Gemische wird ausgehend von reinem Pb und Sn nach Gleichung (8) aus der Gefrierpunktserniedrigung berechnet. Was läßt sich bei metallischen Schmelzen (flüssigen Legierungen) im Vergleich mit den experimentellen Daten über die Leistungsfähigkeit und Gültigkeit des verwendeten Modells zur Berechnung des Schmelzdiagramms aussagen?

Zubehör:

Probengefäße mit verschiedenen Pb/Sn-Mischungen, Probenschmelzofen mit Rührmotor, Chromel-Alumel-Thermoelement mit Ofen für 100°C-Vergleichsmeßstelle, Computer mit Drucker.

Durchführung:

Die beiden Öfen werden 1 Stunde vor Beginn des Versuches durch den Assistenten eingeschaltet.

Page 62: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

62

Abb. 3: Apparatur zur Schmelzdiagrammbestimmung.

Nachdem die Vergleichsstelle die Temperatur von siedendem Wasser erreicht hat, wird eine Probe im Ofen geschmolzen. Dabei wird der Temperaturanstieg mit dem Thermoelement verfolgt und die Meßwerterfassung am Computer gestartet und abgelesen (zur Funktionsweise eines Thermoelementes siehe Seite 11-12). Allerdings sollen die Daten der Aufheizkurven nicht abgespeichert werden. Nachdem die Probe vollständig geschmolzen ist, wird sie aus dem Ofen genommen und die Abkühlkurve aufgenommen, indem man die Meßwerterfassung erneut startet. Die dabei aufgenommenen Werte werden auf Diskette gespeichert, wobei automatisch der Temperaturverlauf auf dem Drucker ausgedruckt wird. Praktische Hinweise: - Die Proben sollten nicht zu stark und nicht zu schwach aufgeheizt werden.

Beim Schmelzen kann man sich dabei an der jeweils vorausgehenden Probe orientieren. Der Abstand der Schmelzpunkte liegt bei ca. 1 mV Thermospannung (zwischen Probe 4 und 5 allerdings bei ca. 3 mV).

- Das Reagenzglas mit dem Wasser darf niemals aus dem Ofen genommen werden. Wasser braucht erst nachgefüllt zu werden, wenn der Wasserspiegel bis unter den Ofenrand gesunken ist. Zum Nachfüllen von Wasser den Stopfen herausnehmen und das Reagenzglas mit der Spritzflasche bis zur Markierung auffüllen.

- Unterkühlungen kann man unter Umständen vermeiden, wenn man dem Probenröhrchen leichte Erschütterungen (mit Hilfe des Rührmotors) zufügt.

- Die Bleiprobe sollte zum Schluß gemessen und zur schonenden Abkühlung im wärmeisolierten Becherglas stehengelassen werden.

Page 63: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

63

3.8. Homogenes Dissoziationsgleichgewicht (Versuch ;r. 10) Ziel des Versuches ist, die Gleichgewichtskonstante für das NO2/N2O4-Dissoziationsgleichgewicht bei verschiedenen Temperaturen zu messen, um daraus die Standardreaktionsenthalpie zu bestimmen. Vorbereitung: • Gibbssche Fundamentalgleichungen • Chemisches Gleichgewicht • Abhängigkeit des chemischen Potentials von Druck, Temperatur und Zusammensetzung • Zusammenhang zwischen den verschiedenen Gleichgewichtskonstanten • Massenwirkungsgesetz • Druck- und Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskonstanten (Le Chatelier-Braunsches Prinzip) • Ideales Gasgesetz / Gesetz von Dalton / Dissoziationsgrad Literatur: P. W. Atkins, Physikalische Chemie, 2. Auflage, VCH-Verlag, Weinheim, 1996, S. 153-165, 195-201, 216-219, 225-230, 255-272. G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 4. Auflage, Wiley-VCH-Verlag, Weinheim, 1997, S. 271-290, 299-303, 329-336, 372-391, 406-408. Theoretische Grundlagen: Man betrachte die allgemeine homogene Dissoziationsreaktion

)g(B2)g(A → . (1)

Die Freie Enthalpie G des Gesamtsystems hängt neben der Temperatur T und dem Druck p auch von den beiden Stoffmengen nA und nB ab. Bei konstantem p und T ergibt sich somit für die Änderung der Freien Enthalpie

BBAA dndndG µ+µ= . (2)

Mit Hilfe der Umsatzvariable (Reaktionslaufzahl) ξ kann man Gleichung (2) umformulieren und erhält

ξµ−µ= d)2(dG AB . (3)

Page 64: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

64

Im chemischen Gleichgewicht ist die Freie Enthalpie G minimal, d. h. ∆RG=(∂G/∂ξ)T,p=0, so daß sich das chemische Gleichgewicht für die Dissoziationsreaktion auch mit Hilfe der chemischen Potentiale µA und µB als

BA 2 µ=µ (4)

schreiben läßt. Nimmt man an, daß sich die beiden gasförmigen Komponenten A und B in der Mischung ideal verhalten, dann erhält man

°

+°µ=

°

+°µp

plnRT2

p

plnRT B

BA

A . (5)

Man kann Gleichung (5) mit der Freien Standardreaktionsenthalpie ∆RG° in

Klnpp

pln

RT

)2(

RT

G

A

2BABR =

°=

°µ−°µ−=

°∆− (6)

umformen, wobei K die sogenannte thermodynamische Gleichgewichtskonstante ist. Konsequenter wäre es jedoch K als Standardgleichgewichtskonstante K° zu bezeichnen, weil K neben den Partialdrücken pA und pB explizit auch von dem gewählten Standarddruck p°=105 Pa abhängt. Nimmt man an, daß zu Beginn der Reaktion eine bestimmte Stoffmenge n0 von A und kein B vorhanden war, dann kann man die Stoffmengen von A und B im Gleichgewicht nA=(1−α)n0 und nB=2αn0 durch den Dissoziationsgrad α ausdrücken. Über die Molenbrüche von A und B

α+α

==α+α−

==1

2

p

pxund

1

1

p

px B

BA

A (7)

lassen sich die Partialdrücke pA und pB und somit auch die Gleichgewichtskonstante K durch den Dissoziationsgrad α und den Gesamtdruck p

°α−

α=

°=

p

p

1

4

pp

pK

2

2

A

2B (8)

beschreiben. Eine Messung des Dissoziationsgrades α für verschiedene Temperaturen T kommt somit einer temperaturabhängigen Bestimmung von K bzw. von ∆RG° gleich. Aus der Temperaturabhängigkeit der Freien Standardreaktionsenthalpie ∆RG° erhält man die Standardreaktionsentropie

Page 65: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

65

−∆RS°=(∂∆RG°/∂T)ξ und über die Gibbs-Helmholtz-Gleichung auch die Standardreaktionsenthalpie ∆RH°

ξ

°∆∂=

°∆−

T

)T/G(

T

H R2

R . (9)

Mit Hilfe der Gleichgewichtskonstanten K aus Gleichung (6) ergibt sich die van’t Hoffsche Reaktionsisobare zu

ξ

∂∂

=°∆

T

Kln

RT

H2

R , (10)

aus der man durch Integration unter der Annahme, daß ∆RH° nicht von der Temperatur abhängt, zu

.constRT

HKln R +

°∆−= (11)

gelangt. Dabei ist allerdings zu beachten, daß sich im hier beschriebenen Experiment die Zusammensetzung ξ des Gasgemisches mit der Temperatur T verändert. Somit darf man Gleichung (10) im allgemeinen nur näherungsweise zur Bestimmung von ∆RH° anwenden, falls chemisches Gleichgewicht vorliegt. Da jedoch im untersuchten Fall davon ausgegangen wird, daß sich die beiden Komponenten im Gasgemisch ideal verhalten, hängt ∆RH° nicht von der Zusammensetzung ξ ab und Gleichung (10) kann ohne Einschränkung zur Bestimmung von ∆RH° verwendet werden. Die Messung des Dissoziationsgrades α erfolgt unter Ausnutzung des idealen Gasgesetzes pV=nRT, wobei n=nA+nB=n0(1+α) die gesamte Stoffmenge ist. Da das Volumen V des gesamten Gasgemisches bei verschiedenen Temperaturen im Experiment annähernd konstant bleibt, ergibt sich für das Verhältnis des Gesamtdruckes p zu einem Referenzgesamtdruck p∞ bei zwei verschiedenen Temperaturen T und T∞

∞∞∞ α+α+

=T)1(

T)1(

p

p. (12)

Ist die Temperatur T∞ groß genug, dann liegt das chemische Gleichgewicht bei endothermen Reaktionen, wie z. B. der N2O4-Dissoziation, praktisch vollständig auf der Seite von B, d. h. α∞=1. Somit kann man den Dissoziationsgrad α

Page 66: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

66

1Tp

pT2−=α

∞ (13)

und gemäß Gleichung (8) auch die Gleichgewichtskonstante K für beliebige Temperaturen T<T∞bestimmen. Aufgaben:

1) Man berechne Kp und Kx für das NO2/N2O4-Dissoziationsgleichgewicht und zeige, wie Kp und Kx mit der thermodynamischen Gleichgewichtskonstante K zusammenhängen. 2) Man trage den Gesamtdruck p gegen die Temperatur T auf. Man zeichne in die Abbildung den hypothetischen Verlauf der Drücke von reinem NO2 und N2O4 mit ein. Wie hängt die Differenz zwischen dem Gesamtdruck p und dem hypothetischen Druck von reinem N2O4 bzw. NO2 mit dem Dissoziationsgrad α zusammen? Außerdem zeichne man bei einer Temperatur in der Graphik ein, wie groß die Partialdrücke von NO2 und N2O4 sind. 3) Man nehme an, daß bei der größten Temperatur im Experiment die Dissoziation in NO2 vollständig ist und berechne den Dissoziationsgrad α und die thermodynamische Gleichgewichtskonste K für alle Temperaturen T<T∞. 4) Man trage ln(K) gegen 1/T auf und berechne aus der Steigung die Standardreaktionsenthalpie ∆RH° für die Dissoziation von N2O4 in NO2 und vergleiche das Ergebnis mit Literaturdaten. Hat die Temperaturabhängigkeit von ∆RH° einen großen Einfluß auf ihr Ergebnis? Zubehör:

Vakuumapparatur mit Quarzspiralmanometer, Ölrotationspumpe, Rührer, Heizung, Heizregler, Transformator, Dosenmanometer, Thermometer. Durchführung:

Die Hauptmenge des N2O4 befindet sich in der Doppelspirale D, die durch ein Glasrohr mit dem Quarzspiralmanometer MQ verbunden ist. Durch Druckunterschiede zwischen dem Inneren der Quarzspirale und dem umgebenden Raum weitet sich die Spirale auf bzw. zieht sich zusammen. Durch vorsichtiges Evakuieren oder Belüften der Spirale mit dem Dreiwegehahn werden die Zeiger des Quarzspiralmanometers genau übereinander gestellt. Dann ist der Druck innen und außen gleich und kann am Differenzdruckmanometer M abgelesen werden. Das Thermometer hängt frei im Zentrum der Doppelspirale. Die gesamte Versuchsanordnung befindet sich in einem Silikonölbad, das mit dem Rührer R durchmischt und über die elektrische Heizung E erwärmt werden kann.

Page 67: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

67

Abb. 1: Dissoziationsgleichgewicht von N2O4 und NO2.

Der Gesamtdruck p wird zuerst bei Raumtemperatur bestimmt, dann werden am Heizregler ca. 8 Temperaturen zwischen 40 und 180 °C eingestellt (Ein/Aus-Schalter hinten am Gerät):

Wenn die Temperatur konstant ist, wird das Quarzspiralmanometer MQ abgeglichen. Nach 10 bis 15 Min. kann der Gleichgewichtsdruck p abgelesen werden, wenn der Zeiger des Manometers MQ keinen Ausschlag mehr anzeigt. Praktische Hinweise: - Nachdem alle Drücke für die zu untersuchenden Solltemperaturen gemessen

wurden, wird der Temperatur-Regler auf einen Wert < 15 °C gestellt und ausgeschaltet.

- Bevor man die Ölrotationspumpe abschaltet, muß sie unbedingt belüftet werden.

Page 68: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

68

3.9. Heterogenes Dissoziationsgleichgewicht (Versuch ;r.11) Ziel des Versuches ist, die Gleichgewichtskonstante für ein heterogenes Dissoziationsgleichgewicht bei verschiedenen Temperaturen zu messen, um daraus die Standardreaktionsenthalpie zu bestimmen. Vorbereitung: • Gibbssche Fundamentalgleichungen • Chemisches Gleichgewicht • Abhängigkeit des chemischen Potentials von Druck, Temperatur und Zusammensetzung • Zusammenhang zwischen den verschiedenen Gleichgewichtskonstanten • Massenwirkungsgesetz • Druck- und Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskonstanten • Le Chatelier-Braunsches Prinzip • Gibbssche Phasenregel mit und ohne chemische Gleichgewichte Literatur: P. W. Atkins, Physikalische Chemie, 2. Auflage, VCH-Verlag, Weinheim, 1996, S. 153-165, 195-201, 216-219, 225-230, 255-272. G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 4. Auflage, Wiley-VCH-Verlag, Weinheim, 1997, S. 271-290, 299-303, 329-336, 372-391, 406-408. Theoretische Grundlagen: Man betrachte die Dissoziation von festem [Ni(NH3)6]Br2 in Ammoniak und festes [Ni(NH3)2]Br2, die man durch die Reaktionsgleichung

)g(C4)s(B)s(A +→ (1)

beschreiben kann. Dabei handelt es sich um eine heterogene Reaktion, an der zwei feste Phasen und eine gasförmige Phase beteiligt sind. Nimmt man nun an, daß sich die 3 Phasen im thermischen und mechanischen Gleichgewicht befinden, dann hängt die Freie Enthalpie G des Gesamtsystems von der Temperatur T, dem Druck p und den Stoffmengen nA, nB und nC ab. Bei konstantem p und T ergibt sich somit die Änderung der Freien Enthalpie zu

CCBBAA dndndndG µ+µ+µ= . (2)

Mit Hilfe der Umsatzvariable (Reaktionslaufzahl) ξ kann man Gleichung (2) umformulieren und erhält

Page 69: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

69

ξµ−µ+µ= d)4(dG ACB . (3)

Im chemischen Gleichgewicht ist die Freie Enthalpie G minimal, d. h. (∂G/∂ξ)T,p=0, so daß sich das chemische Gleichgewicht für die heterogene Dissoziationsreaktion auch mit Hilfe der chemischen Potentiale µA, µB und µC als

CBA 4µ+µ=µ (4)

schreiben läßt. Vernachlässigt man nun den Dampfdruck der beiden festen Phasen A und B, dann handelt es sich bei der Gasphase um eine reine Phase. Nimmt man zusätzlich an, daß sich die gasförmige Komponente C ideal verhält, dann ergibt sich für das chemische Potential µC der reinen gasförmigen Phase

°

+°µ=µp

plnRT C

CC , (5)

wobei pC der Partialdruck von C ist. Die chemischen Potentiale µA und µB der beiden reinen, festen Phasen A und B ergeben sich zu

BBAA und °µ=µ°µ=µ . (6)

Hierbei wurde die Druckabhängigkeit der chemischen Potentiale der beiden Feststoffe vernachlässigt. Somit kann man die Gleichgewichtsbedingung (4) in

Kln)p

pln(

RT

)4(

RT

G 4CACBR =°

=°µ−°µ+°µ

−=°∆

− (7)

umformen, wobei ∆RG° die Freie Standardreaktionsenthalpie und K die thermodynamische Gleichgewichtskonstante ist. Konsequenter wäre es jedoch K als Standardgleichgewichtskonstante K° zu bezeichnen, weil K neben den Partialdruck pC explizit auch von dem gewählten Standarddruck p°=105 Pa abhängt. Da der Partialdruck pC der Komponente C in der reinen Gasphase gleich dem Gesamtdruck p ist, kann man durch Messen des Gesamtdruckes p die Gleichgewichtskonstante bestimmen. Im hier betrachteten Fall ist p eindeutig durch die Temperatur T festgelegt. Man spricht daher auch von einem univarianten System, d. h. das System hat im chemischen Gleichgewicht nur noch einen Freiheitsgrad. Eine Messung des Partialdruckes pC bei verschiedenen Temperaturen T kommt einer temperaturabhängigen Bestimmung von K bzw. von ∆RG° gleich. Aus der Temperaturabhängigkeit der Freien Standardreaktionsenthalpie ∆RG° erhält man die Standardreaktionsentropie −∆RS°=(∂∆RG°/∂T)ξ und über die Gibbs-Helmholtz-Gleichung auch die Standardreaktionsenthalpie ∆RH°

Page 70: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

70

ξ

°∆∂=

°∆−

T

)T/G(

T

H R2

R . (8)

Mit Hilfe der Gleichgewichtskonstanten K aus Gleichung (7) ergibt sich die van’t Hoffsche Reaktionsisobare zu

dT

)ppln(d4

T

Kln

RT

H C2

R °=

∂∂

=°∆

ξ

, (9)

aus der man durch Integration unter der Annahme, daß ∆RH° nicht von der Temperatur abhängt, zu

.constRT4

H

p

pln RC +

°∆−=

°

(10)

gelangt. Da es sich bei dem hier untersuchten Fall, um eine reine gasförmige Phase handelt, deren Dampfdruck eindeutig durch die Temperatur festgelegt ist, konnte im zweiten Schritt in Gleichung (9) das partielle Differential durch ein totales Differential ersetzt werden.

Aufgaben:

1) Man berechne Kp und Kx für die Dissoziation des Ammoniaks und zeige, wie Kp und Kx mit der thermodynamischen Gleichgewichtskonstante K zusammenhängen. 2) Man bestimme den Partialdruck von Ammoniak in Abhängigkeit der Temperatur T bei der Dissoziation von festem [Ni(NH3)6]Br2. 3) Man trage ln(K) gegen 1/T auf und berechne aus der Steigung die Standardreaktionsenthalpie ∆RH° für die Dissoziation von festem [Ni(NH3)6]Br2 in NH3 und festem [Ni(NH3)2]Br2. 4) Vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit Literaturdaten.

Zubehör:

Vakuumapparatur mit Quarzspiralmanometer, Ölrotationspumpe, Rührer, Heizung, Heizregler, Transformator, Dosenmanometer, Thermometer. Durchführung:

Die Glasapparatur ist zu Versuchsbeginn evakuiert.

Page 71: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

71

Abb. 1: Glasapparatur zur Untersuchung des heterogenen Dissoziationsgleichgewichtes.

Das Kölbchen mit der Substanz befindet sich in einem Ofen mit Temperaturregler, dessen Bedienung vom Assistenten erklärt wird (siehe Bedienungsanleitung zum Betrieb von Heizreglern auf Seite 13). Zur Druckmessung dient ein Quarzspiralmanometer. Durch Druckunterschiede zwischen dem Inneren der Quarzspirale und dem umgebenden Raum weitet sich die Spirale auf bzw. zieht sich zusammen. Durch vorsichtiges Evakuieren (siehe Betrieb und Funktionsweise von Ölrotationspumpen auf Seite 9-10) oder Belüften der Spirale mit dem Dreiwegehahn C werden die Zeiger des Quarzspiralmanometers genau übereinander gestellt. Dann ist der Druck innen und außen gleich und kann am Differenzdruckmanometer D abgelesen werden werden (zur Funktionsweise eines Dosenmanometers siehe Seite 9). Da das Gleichgewicht der Reaktion bei Raumtemperatur auf der Seite des Hexamin-Nickel-(II)-bromids liegt, notiert man sich den vor dem Aufheizen am Manometer D angezeigten Druck, um später alle gemessenen Druckwerte darauf zu beziehen. Dann wird am Heizregler eine Temperatur von ca. 90°C eingestellt. Nachdem das Thermometer am Glaskolben einen konstanten Wert anzeigt, muß noch der Gleichgewichtsdruck bestimmt werden. Dazu werden entstehende Zeigerausschläge am Quarzspiralmanometer immer wieder abgeglichen bis sich der Zeiger nicht mehr bewegt. Dann kann der Gleichgewichtsdruck am Dosenmanometer D abgelesen. Die Gleichgewichtseinstellung dauert 10-15 Min.

Page 72: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

72

Abb. 2: Probenofen.

Es werden für die Dissoziation ca. 8 Meßwerte bei Temperaturen zwischen 90 und 195 °C aufgenommen. Dabei sollten die Temperaturerhöhungen um so kleiner sein, je höher die Temperatur ist, z.B.: 90, 120, 150, 160, 170, 180, 185, 190, 192, 195 °C. Die letzten Temperaturen sind nur dann meßbar, wenn der Luftdruck sehr hoch und damit der Meßbereich des Manometers D entsprechend groß ist. Zur Beendigung des Versuches wird der Ofen ausgeschaltet, damit die Reaktion in umgekehrter Richtung ablaufen kann.

Praktische Hinweise:

- Vor dem Abschalten muß die Ölrotationspumpe belüftet werden (Hahn links an der Apparatur).

- Die Hähne A und B dürfen nicht betätigt werden, sondern müssen immer geschlossen bleiben.

- Der Heizregler mit dem Thermoelement dient nur zur Temperierung der Probe, gemessen wird mit dem Thermometer.

- Der Schalter am Heizregler muß unbedingt auf "Soll - Reg. ein" eingestellt sein, da sonst entweder keine Temperaturregelung stattfindet oder man den Sollwert nicht einstellen kann.

- Die Temperatur der Substanz darf auf keinen Fall so hoch eingestellt werden, daß in der Apparatur ein höherer Druck als Luftdruck entsteht bzw. das Ende der Meßskala am Dosenmanometer überschritten wird, da die Apparatur sonst undicht werden und im schlimmsten Fall zerbrechen kann.

Page 73: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

1 Adsorption

1.1 Einleitung

Ziel dieses Versuches ist, die Adsorptionsisotherme von in Wasser gelöstem Me-thylenblau an Kieselgel zu bestimmen.

1.1.1 Vorbereitung

Grenzächengleichgewichte

Kinetische Beschreibung der Adsorption

Adsorptionsisothermen nach Langmuir, Freundlich und Henry

Wesen der Adsorptionskräfte (Physi- und Chemisorption)

Grundlagen der Spektralphotometrie

1.1.2 Literatur

P. W. Atkins, J. de Paula, Physikalische Chemie, 4. Auage, Wiley-VCH,Weinheim 2006, S. 1015-1026; bzw. 2. Auage (1996) S. 929-940.

G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 4. Auage, Wiley-VCH,Weinheim 1997, S. 421-435.

1.2 Theoretische Grundlagen

1.2.1 Die Langmuir-Isotherme

An einer Grenzäche zwischen zwei Phasen wird oft eine gewisse Stomenge anGas oder gelöster Substanz angereichert, ein Eekt der als Adsorption bezeich-net wird. Es handelt sich dabei um einen chemischen Gleichgewichtsvorgang,an dem als ein Reaktionspartner die feste oder üssige Phasengrenzäche be-teiligt ist. Der Sto, an dessen Grenzäche die Adsorption stattndet, wird alsAdsorbens, der Sto, der adsorbiert wird, als Adsorbat bezeichnet. Der Adsorp-tionsprozess kann durch Isothermen beschrieben werden, welche den Anteil anbedeckter Oberäche in Abhängigkeit vom Partialdruck (Gas) oder der Konzen-tration (Lösung) bei konstanter Temperatur wiedergeben. Die wichtigste dieserIsothermen ist die Langmuir-Isotherme, die im Folgenden hergeleitet und dis-kutiert wird.

Betrachtet man z.B. die Adsorption eines in Wasser gelösten Farbstoes aneiner festen Oberäche, so lässt sich diese Reaktion schreiben als

B + Sadsk1−−k2

Bads + S , (1.1)

wobei B und S für den Farbsto bzw. das Solvens in der üssigen Phase undBads und Sads für ein adsorbiertes Farbsto- bzw. Solvens-Molekül stehen. DieFestkörper-Oberäche wird im Langmuir-Modell also als eine Ansammlungvon gleichwertigen Adsorptionsplätzen betrachtet, die entweder mit Solvens-Molekülen oder mit Molekülen des gelösten Farbstoes besetzt sind. Dabei wird

73

Page 74: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

nur eine Schicht von Farbsto- oder Solvens-Molekülen gebunden. Jenseits die-ser Monolage wird die Lösung durch die Oberäche nicht mehr beeinusst undeine Anlagerung weiterer Schichten ist im Rahmen dieses Modells nicht möglich.

Wird die Zahl der von Farbsto-Molekülen besetzten Plätze mit NB be-zeichnet und die Gesamtzahl der Adsorptionsplätze mit Nm (das m steht hierfür maximale Belegung), so kann man den Bedeckungsgrad der Grenzächedenieren als:

θ =NB

Nm

(1.2)

Sieht man die Gesamtheit der adsorbierten Farbsto- und Lösungsmittelmo-leküle als eigenständige Phase an (Oberächenphase), so lässt sich der Bede-ckungsgrad als Molenbruch des Farbstoes in dieser Phase interpretieren.

Man führt nunmehr eine kinetische Betrachtung durch. Im Gleichgewichtzwischen Grenzäche und Lösung nden zwei Prozesse statt, nämlich die Ad-sorption und die Desorption. Für beide Prozesse lassen sich Geschwindigkeits-gesetze zweiter Ordnung aufschreiben

rads = k1cB(1− θ) (1.3)

rdes = k2cSθ , (1.4)

wobei cB die Konzentration des Farbstos und cS die des Lösungsmittels dar-stellen. Im Gleichgewicht müssen die beiden Reaktionsgeschwindigkeiten gleichsein und man erhält daher:

k1cB(1− θ) = k2cSθ ⇐⇒k1k2

=cS · θ

cB(1− θ)(1.5)

Auf der linken Seite der zweiten Gleichung steht die Gleichgewichtskonstantedes Adsorptions/Desorptions-Gleichgewichtes, K = k1/k2. Berücksichtigt manauÿerdem, dass die Konzentration des Lösungsmittels in guter Näherung kon-stant ist und fasst sie mit der Gleichgewichtskonstanten zu einer neuen Gröÿeb zusammen, so ergibt sich:

b =K

cS=

θ

cB(1− θ)(1.6)

Diese Gleichung ist nichts anderes, als das Massenwirkungsgesetz des Adsorpti-onsgleichgewichtes, wenn ideales Verhalten der Lösung vorausgesetzt wird. BeiBerücksichtigung von Abweichungen von der Idealität müsste die Konzentrationdes Farbstoes durch die Aktivität ersetzt werden.

Wird Gleichung (1.6) nach dem Bedeckungsgrad θ aufgelöst, so ergibt sichschlieÿlich die Langmuirsche Adsorptionsisotherme:

θ =bcB

1 + bcB(1.7)

Diese Adsorptionsisotherme ist im linken Teil von Abbildung 1.1 für zwei Tem-

74

Page 75: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

peraturen dargestellt. Das wichtigste Charakteristikum der Kurven besteht dar-in, dass sie mit steigender Konzentration gegen den Grenzwert θ = 1 streben,welcher vollständiger Belegung der Grenzäche entspricht (NB = Nm). Bei ge-ringen Konzentrationen dagegen ergibt sich ein annähernd linearer Anstieg desBedeckungsgrades mit der Konzentration. Eine solche lineare Beziehung zwi-schen θ und cB wird auch als Henrysche Adsorptionsisotherme bezeichnet. Beihöheren Temperaturen wird in der Regel ein weniger steiler Anstieg der Iso-therme als bei niedrigen beobachtet, was darauf zurückzuführen ist, dass Ad-sorptionsprozesse üblicherweise exotherm verlaufen und somit gemäÿ dem LeChatelier-Prinzip bei steigender Temperatur eine Verringerung der Gleichge-wichtskonstanten K sowie der Konstanten b auftritt.

1.2.2 Die Freundlich-Isotherme

In der Praxis zeigt sich, dass die Langmuir-Gleichung 1.7 in vielen Fällen dasexperimentell gefundene Verhalten nicht gut wiedergeben kann. Das wesentli-che Problem der zugrunde liegenden Modellvorstellung erkennt man, wenn mannoch einmal Gleichung (1.6) betrachtet. Die dort auftretende Gleichgewichts-konstante kann zur Freien Enthalpie der Adsorptionsreaktion unter Standard-bedingungen, ∆G− , in Beziehung gesetzt werden, welche sich wiederum durchdie entsprechende Reaktionsentropie und -enthalpie ausdrücken lässt:

K = e−∆G−RT = e

∆S−R e−

∆H−RT (1.8)

Beim Langmuir-Modell wird angenommen, dass K für alle verfügbaren Ad-sorptionsplätze unabhängig vom Bedeckungsgrad der Grenzäche den gleichenWert besitzt. Daraus folgt, dass auch die Standardenthalpie und -entropie derReaktion, ∆H− und ∆S− konstant und vom Bedeckungsgrad unabhängig seinmüssen. Dies ist jedoch oftmals nicht erfüllt, vielmehr ndet man ein Spektrumunterschiedlicher Adsorptionsplätze mit variierender Adsorptionsenthalpie. DieÄnderungen in der Reaktionsentropie werden dagegen üblicherweise vernach-lässigt.

Abbildung 1.1: Links: Langmuir-Isothermen für zwei unterschiedliche Tem-peraturen. Es gilt T2 > T1. Rechts: Freundlich-Isotherme.

75

Page 76: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Zieht man den Term e∆S−R in Gleichung (1.6) mit der Solvens-Konzentration

cS zu einer neuen Konstante b′ zusammen, so ergibt sich:

b = b′e−∆H−RT (1.9)

Geht man davon aus, dass die Adsorptionsenthalpie variabel ist, und verwendetzur Vereinfachung der Schreibweise die Adsorptionswärme Q = −∆H− , so kannman b explizit als Funktion von Q formulieren:

b(Q) = b′eQRT (1.10)

Man nimmt nunmehr an, dass sich das Verhalten der Adsorptionsplätze, dieeinen bestimmten Wert von Q aufweisen, durch die Langmuir-Isotherme be-schreiben lässt. Dann ergibt sich für den Bedeckungsgrad aus (1.7):

θ(Q, cB, T ) =b(Q)cB

1 + b(Q)cB(1.11)

Gleichung (1.11) gibt den Anteil an der Adsorption wieder, der auf Absorpti-onsplätze mit einem bestimmten Wert Q der Adsorptionswärme zurückzuführenist. Um den gesamten Bedeckungsgrad zu nden, muss diese Funktion mit derWahrscheinlichkeit für das Auftreten eines solchen Adsorptionsplatzes multi-pliziert und anschlieÿend über alle möglichen Werte von Q integriert werden.Die Wahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von Q ist durch die Verteilungsfunktionf(Q) gegeben1. Damit resultiert für den gesamten Bedeckungsgrad:

Θ(cB, T ) =

∞∫0

f(Q)θ(Q, cB, T )dQ (1.12)

Für die Verteilungsfunktion f(Q) wird üblicherweise eine exponentiell abfallen-de Form angenommen

f(Q) = αe−Q

mRT , (1.13)

wobei m ein neuer Parameter ist, der experimentell bestimmt werden muss.Verwendet man diesen Ansatz in Gleichung (1.12) zusammen mit (1.11) fürθ(Q, cB, T ) und löst die resultierende Integralgleichung2, so ergibt sich die soge-nannte Freundlich-Isotherme:

Θ(cB, T ) = αRTmb′(cB)1m = a(cB)

1m (1.14)

Diese Isotherme wurde ursprünglich aus Experimenten gewonnen und erst nach-träglich wie oben dargestellt theoretisch begründet. Eine Freundlich-Isothermeist im rechten Teil von Abbildung 1.1 aufgetragen. Ein wesentlicher Unterschiedzur Langmuir-Isotherme besteht darin, dass aufgrund der Abhängigkeit von ei-ner Potenz der Konzentration kein Sättigungswert des Bedeckungsgrades er-reicht wird. Weiterhin ergibt sich im Grenzfall niedriger Konzentrationen imUnterschied zur Langmuir-Isotherme keine lineare Beziehung zwischen Bede-ckungsgrad und Konzentration.

1Genauer gesagt gibt die Verteilungsfunktion die Wahrscheinlichkeit dafür wieder, dass

der Adsorptionsplatz eine Adsorptionswärme im innitesimalen Intervall [Q,Q+dQ] besitzt.2Siehe dazu: A. W. Adamson, A. P. Gast, Physical Chemistry of Surfaces, Sixth Edition,

John Wiley and Sons 1997.

76

Page 77: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

1.2.3 Spektralphotometrie

Im Versuch wird die Adsorption von Methylenblau in wässriger Lösung an kie-selgel untersucht. Dazu wird die adsorbierte Stomenge an Methylenblau nB

pro eingewogener Menge an Kieselgel mK aus der Dierenz der Konzentratio-nen an Methylenblau vor und nach der Zugabe von Kieselgel bestimmt. DieKonzentrationsmessung von Methylenblau erfolgt photometrisch. Dabei wirddie Tatsache ausgenutzt, dass die Lichtabsorption durch den Farbsto direktproportional zur Konzentration dieses Stoes ist. Betrachtet man die Änderungder Lichtintensität dI in der Probe beim Durchstrahlen einer kleinen Weglängedl, so gilt

dI = −κ · I · cB · dl . (1.15)

Dabei ist κ eine stark von der Wellenlänge abhängige, substanzspezische Gröÿe,der sogenannte Absorptionskoezient. Integriert man Gleichung (1.15) über dengesamten Weg, den der Lichtstrahl in der Lösung zurücklegt, d.h. die gesamteLänge der Küvette, so resultiert das Lambert-Beersche Gesetz:

I = I0e−κ·cB·d (1.16)

Hierbei ist I0 die ursprüngliche Lichtintensität und d die Länge der Küvette.In der Regel wird von einem Spektralphotometer nicht das Verhältnis I/I0, diesogenannte Transmission, gemessen, sondern die Absorbanz A (auch Extinktiongenannt), welche deniert ist als:

A = logI0I

(1.17)

Kombiniert man diese Denition mit Gleichung (1.16), so ergibt sich

A = ε · cB · d mit ε =κ

ln 10(1.18)

ε(λ) wird als molarer dekadischer Extinktionskoezient bezeichnet. Im Prakti-kumsversuch wird dieser Koezient bei vorgegebener Wellenlänge durch Eich-messungen an Lösungen mit bekannter Konzentration des Farbstoes bestimmt.Anschlieÿend kann mittels Gleichung (1.18) die Konzentration des Farbstosnach Zugabe des Adsorbens (Kieselgel) ermittelt werden.

1.3 Versuchsanleitung

1.3.1 Aufgaben

1) Wie hängt die pro Gramm Kieselgel adsorbierte Substanzmenge an Methy-lenblau nB/mK mit dem Bedeckungsgrad θ zusammen?

2) Man bestimme die Adsorptionsisotherme von in Wasser gelöstem Methy-lenblau an Kieselgel und überprüfe, ob sich der Verlauf der Messwerte bes-ser durch die Freundlich- oder die Langmuir-Adsorptionsisotherme erklärenlässt. Dazu muss man bei der Langmuir-Isotherme cB/(nB/mK) gegen cB

77

Page 78: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

auftragen und bei der Freundlich-Isotherme ln(nB/mK) gegen ln(cB/c− ).

Durch die Methode der kleinsten Fehlerquadrate muss herausgefunden wer-den, welche der beiden Isothermen die experimentellen Daten besser be-schreibt.

3) Man ermittle die Konstanten für die Freundlich-Isotherme und vergleiche dieWerte mit Literaturangaben.

1.3.2 Zubehör

2 Magnetrührer, Spektralphotometer mit Farbltern, Rundküvetten, Becher-gläser, Messkolben, Pipetten, Zentrifuge, Zentrifugengläser, Kieselgel, Methy-lenblau.

1.3.3 Durchführung

Das im Versuch verwendete Spektralphotometer ist in Abbildung 1.2 dargestellt,der Aufbau des Gerätes ist in Abbildung 1.3 skizziert.

Zuerst wird das Gerät eingeschaltet (Drehschalter 13 und Schiebeschalter 6,links hinten). In der Aufwärmphase des Photometers (10 - 20 Min.) darf sichkeine Küvette im Gerät benden. Das Filterrad 14 wird auf gelb gestellt. Mit

Abbildung 1.2: Im Versuch verwendetes Spektralphotometer.

Drehknopf 9 werden 616 nm eingeregelt. Mit der Folientaste 8 wird Transmis-sion/Absorption auf dem Display 3 eingestellt. Mit dem Drehregler 13 wirddie Transmission auf 0% geregelt (ohne Küvette). Dann wird eine Rundküvettemit dest. Wasser in den Küvettenschacht 2 eingesetzt und mit dem Drehregler12 die Anzeige auf 100% Transmission eingestellt. Das Gerät ist jetzt betriebs-bereit. Bei längeren Messpausen sollte sich keine Küvette im Küvettenschachtbenden.

Aus der bereitgestellten wässrigen Methylenblau-Stammlösung von unge-fähr 5 · 10−4 mol/L wird eine Verdünnungsreihe von 6 Lösungen mit folgendenAusgangskonzentrationen cB0 hergestellt:

Ausgangslösung = 5 · 10−4 mol/L

78

Page 79: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

5 ml auf 50 ml → 5 · 10−5 mol/L4,5 ml auf 50 ml → 4, 5 · 10−5 mol/L4 ml auf 50 ml → 4 · 10−5 mol/L3,5 ml auf 50 ml → 3, 5 · 10−5 mol/L3 ml auf 50 ml → 3 · 10−5 mol/L2,5 ml auf 50 ml → 2, 5 · 10−5 mol/L

Mit den fünf am schwächsten konzentrierten Lösungen wird die Absorbanz mitHilfe des Photometers gemessen. Daraus erhält man eine Eichkurve mittels dererspäter die Farbstokonzentrationen nach Zugabe von Kieselgel bestimmt werdenkönnen.

Dazu wird zunächst nochmals die Einstellung von 0% und 100 % Transmis-sion überprüft (siehe oben). Dann wird die Küvette mit der gefärbten Lösungin den Strahlengang gebracht und die entsprechende Absorbanz (am Gerät:Absorption) abgelesen. Für jede Lösung ist der Vorgang zweimal zu wiederho-len. Nach der Messung muss die Lösung aus der Küvette zur Weiterverwertungwieder in das jeweilige Glasgefäÿ zurückgefüllt werden.

Um die Adsorption von Methylenblau an Kieselgel zu untersuchen, werdenjeweils 50 mL der zu untersuchenden Farbstoösung einer bestimmten An-fangskonzentration cB0 mit 0,05 g Kieselgel versetzt und 2,5 Stunden auf denMagnetrührern gerührt. Anschlieÿend werden die Lösungen 20 Minuten langzentrifugiert (Zentrifugenleistung = 50) und die Rest- bzw. Gleichgewichts-konzentration cB an Methylenblau durch jeweils zwei photometrische Messun-gen bestimmt. Die pro Gramm Kieselgel adsorbierte Stomenge an Methylen-blau ergibt sich aus nB/mK = VL(cB0 − cB)/mK, wobei VL das zur Adsorptionverwendete Volumen der Farbstoösung und mK die Einwaage an Kieselgeldarstellt.

Abbildung 1.3: Schematischer Aufbau des Spektralphotometers.

79

Page 80: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

1.4 Anhang: Alternative Herleitung der Langmuir-

Isotherme

Die Langmuir-Isotherme, welche in Abschnitt 1.2.1 aus einer Betrachtungder Reaktionsgeschwindigkeiten hergeleitet wurde, lässt sich auch aus einfa-chen statistisch-thermodynamischen Überlegungen gewinnen. Dieser Ansatz istaufschluÿreich bezüglich der Interpretation des Langmuir-Modells, setzt aberGrundkenntnisse der statistischen Thermodynamik voraus, welche erst in derVorlesung Physikalische Chemie III ausführlich behandelt wird. Diese Herlei-tung wird daher hier nur als Ergänzung (nicht prüfungsrelevant) dargestellt.Um die Darstellung zu vereinfachen wird dabei nicht die Adsorption aus einerLösung sondern die Adsorption von Gasteilchen an einer Festkörperoberächebetrachtet.Ziel ist es wiederum, einen Ausdruck für den Bedeckungsgrad der Oberäche

θ =NB

Nm

(1.19)

zu erhalten, und zwar in diesem Fall als Funktion des Gasdruckes. Man betrach-te zunächst für 0 < θ < 1 eine mögliche Anordnung adsorbierter Teilchen aufder Oberäche des Adsorbens (Abbildung 1.4). Für diese spezische Anordnunglässt sich eine molare Entropie der adsorbierten Gasteilchen denieren, welcheim Folgenden mit Sads

mbezeichnet werden soll. Diese Entropie unterscheidet sich

von der Entropie der gleichen Teilchen in der Gasphase, SGas

m , da z.B. Transla-tionen und Rotationen der Moleküle nicht mehr uneingeschränkt möglich sind.Die Entropieänderung bei der Adsorption der Moleküle aus der Lösung unterAusbildung einer fest vorgegebenen Konguration auf der Oberäche beträgtdann

NB

NL

(Sads

m− SGas

m) . (1.20)

Abbildung 1.4: Schematische Darstellung der Adsorption auf einer Oberä-che. Die Adsorptionsplätze sind durch ein Kreuz, die Adsorbatmoleküle durcheinen Kreis dargestellt.

80

Page 81: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

NL steht hier für die Avogadro-Konstante. Die betrachtete Anordnung ist abernur eine von vielen Möglichkeiten, die Adsorbat-Moleküle auf der Oberäche zuverteilen. Geht man davon aus, dass alle Adsorptionsplätze gleichwertig sind,und sich benachbarte Teilchen nicht beeinussen, so besitzen alle diese Möglich-keiten die gleiche Wahrscheinlichkeit des Auftretens. Bei der Berechnung derAdsorptionsentropie muss dann ein zusätzlicher Term der Gröÿe k ln Ω berück-sichtigt werden, wobei Ω die Zahl der Realisierungsmöglichkeiten wiedergibt:

∆S =NB

NL

(Sads

m− SGas

m) + k ln Ω (1.21)

Die in der obigen Gleichung gegebene Entropie bezeichnet man als Kongu-

rationsentropie. Ω kann anhand einfacher statistischer Überlegungen bestimmtwerden: Die Zahl der Möglichkeiten, NB unterscheidbare Elemente eine Mengeauf Nm mögliche Plätze zu verteilen, beträgt NB!/(Nm−NB)!. Sind die Elemen-te dagegen nicht unterscheidbar, wie es bei adsorbierten Molekülen auf einerOberäche der Fall ist, so muss dieser Ausdruck noch durch die Zahl der mög-lichen Anordnungen dieser Elemente dividiert werden. Letztere entspricht derZahl möglicher Vertauschungen von NB Elementen, also NB!. Man erhält somitfür Ω:

Ω =NB!

Nm!(NB −Nm)!(1.22)

Wird dieser Ausdruck in Gleichung (1.21) eingesetzt, so erhält man:

∆S =NB

NA

(Sads

m− SGas

m ) + k lnNB!− k lnNm!− k ln(NB −Nm)! (1.23)

Anwendung der Stirling-Näherung lnN ! ≈ N lnN −N liefert

∆S =NB

NA

(Sads

m−Ssolv

m)+k [NB lnNB −Nm lnNm − (NB −Nm) ln(NB −Nm)] .

(1.24)

Es soll nunmehr die Änderung der Entropie pro Mol adsorbierten Gases beikonstanter Zahl der Bindungsplätze bestimmt werden. Zu diesem Zweck wirdGleichung (1.24) nach NB abgeleitet und es ergibt sich:

∂∆S

∂NB

=Sads

m − SGas

m

NA

− k lnNB

Nm −NB

=Sads

m− SGas

m

NA

− k lnθ

1− θ

(1.25)

Dies ist die Entropieänderung bei Adsorption eines Moleküls. Die Änderung beiAdsorption eines Mols ergibt sich daraus durch Multiplikation mit der Avogadro-Konstanten:

∆Sm = Sads

m− SGas

m−R ln

θ

1− θ(1.26)

81

Page 82: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Führt man weiterhin die Adsorptionsenthalpie ∆Hm ein, so kann man die molareFreie Enthalpie des Prozesses berechnen:

∆Gm = ∆Hm − T∆Sm

= Hadsm−HGas

m − T (Sads

m− SGas

m) +RT ln

θ

1− θ

= Hadsm− TSads

m−GGas

m +RT lnθ

1− θ

(1.27)

Die Freie Enthalpie GGasm entspricht dem chemischen Potential des Gases, wel-

ches bei Annahme idealen Verhaltens zum Druck der Gasphase in Beziehunggesetzt werden kann:

∆Gm = µGas = µ− +RT lnp

p−(1.28)

Damit ergibt sich aus Gleichung (1.28)

∆Gm = Hadsm − TSads

m +RT lnθ

1− θ− µ− +RT ln

p

p−. (1.29)

Im Adsorptionsgleichgewicht muss ∆Gm = 0 gelten, da die Freie Enthalpie einMinimum besitzen muss. Aus dieser Bedingung folgt mit Gleichung (1.27): Fasstman alle auftretenden Konstanten zu einer neuen Gröÿe b zusammen gemäÿ

b = p− exp

(−H

adsm − µ−

RT+Sads

m− SGas

m

R

)(1.30)

und löst nach θ auf, so erhält man schlieÿlich die Langmuir-Isotherme für dieAdsorption aus der Gasphase:

θ(p, T ) =p

b+ p(1.31)

82

Page 83: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

83

3.11. Oberflächenspannung (Versuch ;r. 23) Ziel des Versuches ist, den Platzbedarf eines Ethanol-Moleküls in der Grenzfläche zwischen Dampfphase und Lösung aus der Konzentrationsabhängigkeit der Oberflächenspannung bei wäßrigen Ethanol-Lösungen zu ermitteln. Vorbereitung: • Gibbssche Fundamentalgleichungen • Grenzflächenthermodynamik und Grenzflächeneigenschaften • Oberflächenüberschuß, Gibbssche-Gleichung der Oberflächenspannung • Oberflächenaktive Substanzen • Bedeckungsgrad und Langmuirsche Adsorptionsisotherme (Theorie der Adsorption) • Verdünnte Lösungen Literatur: P. W. Atkins, Physikalische Chemie, 2. Auflage, VCH-Verlag, Weinheim, 1996, S. 216-219, 907-916, 929-933. G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 4. Auflage; Wiley-VCH-Verlag, Weinheim, 1997, S. 329-336, 411-425. Theoretische Grundlagen: Man betrachte eine flüssige Mischphase α mit den beiden Komponenten A und B, die mit ihrer Dampfphase β im chemischen Gleichgewicht ist. Die beiden Phasen α und β seinen durch eine Grenzfläche Aαβ voneinander separiert. Man kann sich nun vorstellen, daß die beiden Phasen α und β den Raum vollständig mit Stoffmenge ausfüllen, so daß das Volumen V des Gesamtsystems sich aus den Volumina Vα bzw. Vβ der beiden Phasen α und β gemäß V=Vα+Vβ zusammensetzt. Wenn die Konzentrationen der beiden Komponenten in der Phase α und β bis an die Grenzfläche konstant wären, dann würde sich auch die Freie Enthalpie G des Gesamtsystems additiv aus den Freien Enthalpien Gα und Gβ der beiden Phasen zusammensetzen. Dadurch daß die Stoffmengen an A und B jedoch im allgemeinen nicht gleichmäßig über die beiden Phasen verteilt sind, sondern sich z. B. an der Phasengrenzfläche anreichern können, unterscheidet sich die Freie Enthlapie G des Gesamtsystems von Gα+Gβ um einen Beitrag Gαβ

)GG(GG βααβ +−= , (1)

Page 84: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

84

der als Freie Grenzflächenenthalpie bezeichnet wird. Bei den nachfolgenden Überlegungen wird vorausgesetzt, daß zwischen den beteiligten Volumenphasen α bzw. β sowie der Grenzflächenphase αβ thermisches und mechanisches Gleichgewicht herrscht, d. h. Tα=Tβ=Tαβ=T und pα=pβ=pαβ=p. Darüber hinaus sollen die beiden Komponenten A und B sich auch im chemischen Gleichgewicht befinden, d. h. µΑ

α=µΑβ=µΑ

αβ=µΑ und µB

α=µBβ=µB

αβ=µB. Die Freie Enthalpie G des Gesamtsystems hängt nun neben dem Druck p, der Temperatur T und den Stoffmengen nA und nB auch von der Grenzfläche Aαβ ab, so daß sich für die Änderung der Freien Enthalpie

αβσ+µ+µ++−= dAdndnVdpSdTdG BBAA (2)

ergibt, wobei σ die sogenannte Oberflächenspannung der Lösung ist. Die Oberflächenspannung gibt somit an, wie sich die Freie Enthalpie G des Gesamtsystems verändert, wenn Druck, Temperatur und Zusammensetzung konstant bleiben. Für die beiden Volumenphasen ergibt sich die Änderung der Freien Enthalpie zu

.dndndpVdTSdG

unddndndpVdTSdG

BBAA

BBAA

βββββ

ααααα

µ+µ++−=

µ+µ++−= (3)

Dabei bezeichnen die nA

α und nBα bzw. nA

β und nBβ die Änderungen der

Stoffmenge von A und B in den beiden ausgedehnten Phasen α und β. Somit läßt sich die Änderung der Freien Grenzflächenenthalpie dGαβ durch

αβαβαβαββααβ σ+µ+µ+−=+−= dAdndndTS)dGdG(dGdG BBAA (4)

beschreiben, wobei Sαβ=S−(Sα+Sβ) die Grenzflächenentropie ist und nA

αβ=nA−(nAα+nA

β) bzw. nBαβ=nB−(nB

α+nBβ) die Stoffmengen an A und B in der

Grenzflächenphase αβ sind. Bei konstanter Temperatur T ist Gαβ eine homogene Funktionen ersten Grades in nA

αβ, nBαβ und Aαβ und man erhält

gemäß dem Satz von Euler

αβαβαβαβ σ+µ+µ= AnnG BBAA . (5)

Da dGαβ ein totales Differential ist, ergibt sich aus Gleichung (4) und (5) eine Gibbs-Duhem-Relation

0dAdndn BBAA =σ+µ+µ αβαβαβ , (6)

Page 85: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

85

die die Änderung der chemischen Potentiale von A und B mit der Änderung der Oberflächenspannung verknüpft. Unter Einführung des sogenannten Oberflächenüberschusses der beiden Komponenten ΓA=nA

αβ/Aαβ und ΓB=nB

αβ/Aαβ bezeichnet man Gleichung (6) auch als die Gibbssche Adsorptionsisotherme oder auch als die Gibbssche Gleichung der Oberflächenspannung

)dd(d BBAA µΓ+µΓ−=σ . (7)

Wir wollen nun den speziellen Fall betrachten, daß sich eine der beiden Komponenten (B) bevorzugt in der Grenzfläche anreichert. Dann kann man in Gleichung (7) den Oberflächenüberschuß der anderen Komponente (A) vernachlässigen und erhält dσ=−ΓBdµB. Wenn man nun weiß, wie sowohl das chemische Potential µB von B in der Lösung als auch der Oberflächenüberschuß ΓB von der Konzentration cB abhängen, dann kann man die Konzentrationsabhängigkeit von σ berechnen. Dazu muß man beachten, daß viele oberflächenaktive Substanzen, das sind die Substanzen, die sich bevorzugt in der Grenzfläche anreichern, meistens nur eine Monolage ausbilden. Daher bietet es sich an, den sogenannten Bedeckungsgrad θ einzuführen, der angibt, welcher Bruchteil der Monolage bereits mit oberflächen-aktiver Substanz besetzt ist. Bei vorgegebener Grenzfläche Aαβ ist der Bedeckungsgrad θ gemäß

maxB

B

Γ

Γ=θ (8)

mit dem Oberflächenüberschuß ΓB verknüpft, wobei ΓB

max den Oberflächenüberschuß für die vollständig belegte Monolage bezeichnet. Diese Größe wiederum ist mit der Fläche aB

maxBL

BN

1a

Γ= (9)

verbunden, die ein einzelnes Molekül B in der gefüllten Monoschicht einnimmt. Dabei ist NL die Avogadro-Konstante. Für das einfachste Adsorptionsmodell an einer völlig einheitlichen Grenzfläche nach Langmuir hängt der Bedeckungsgrad über

)cc(K1

)cc(K

B

B

°+°

=θ (10)

Page 86: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

86

von der Konzentration cB des gelösten Stoffes ab. Hierbei ist K die thermodynamische Gleichgewichtskonstante für den Anreicherungs- bzw. Adsorptionsvorgang. Hat man es mit einer ideal verdünnten Lösung von B in A zu tun, dann kann man das chemische Potential von B durch

°

+°µ=µc

clnRT B

BB (11)

beschreiben. Somit kennt man alle Abhängigkeiten um die Gibbssche-Adsorptionsisotherme dσ=−ΓBdµB zu integrieren. Man erhält dann für die Abhängigkeit der Oberflächenspannung von der Konzentration an gelöster Substanz B

( ))cc(K1lnRT* BmaxB °+Γ−σ=σ , (12)

wobei σ* die Oberflächenspannung des reinen Lösungsmittels, d. h. der reinen Komponente A, bezeichnet. Durch experimentelle Untersuchung des Verlaufs von σ=σ(cB) ist man in der Lage neben der thermodynamischen Gleichgewichtskonstanten auch ΓB

max zu bestimmen und erhält daraus den Flächenbedarf aB eines Moleküls B in der vollständig gefüllten Monolage. Die Oberflächenspannung σ der verschiedenen Lösungen wird mit der Ringmethode nach Du Nuoy untersucht. Dazu wird mit einer Feder(waage) die Kraft gemessen, die notwendig ist, um eine Flüssigkeitslamelle, die sich beim Herausziehen des Ringes aus der Lösung bildet, abzureißen. Die Änderung der Freien Enthalpie dG, die benötigt wird, um den Ring mit dem Radius r bei konstanter Temperatur, Druck und Zusammensetzung um ein kleines Stückchen dz nach oben zu ziehen, ist gegeben durch

dzFdzz

AdAdG

BA n,n,p,T

σ

αβαβ −=

∂∂

σ=σ= . (13)

Bis zum Abreißen ist der Kraft Fσ, die auf die Oberfläche wirkt, immer eine entsprechende Federkraft Ff=−Fσ entgegengerichtet. Da beim Bügelring in unserem Experiment die Änderung der Oberfläche beim Herausziehen konstant ist

r22z

A

BA n,n,p,T

π⋅=

∂∂ αβ

, (14)

Page 87: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

87

erhält man die Oberflächenspannung direkt aus der gemessenen maximalen Federkraft Ff,max beim Abreißen

r22

F max,f

π⋅=σ . (15)

Dabei ist berücksichtigt worden, daß der Ring einen Innen- und Außenseite besitzt. Aufgaben: 1) Man bestimme die maximale Abreißkraft Ff,max bei den verschieden Ethanol-Wasser-Lösungen und berechne daraus die Oberflächenspannung σ. Man vergleiche die σ-Werte von reinem Wasser und reinem Ethanol mit Literaturdaten. 2) Man trage die gemessene Oberflächenspannung σ gegen die Konzentration von Ethanol cB auf. 3) Man bestimme aus der Konzentrationsabhängigkeit von σ den Flächenbedarf aB eines einzelnen Ethanol-Moleküls in der vollständig gefüllten Monolage. Dazu muß man mit Hilfe eines nicht-linearen Kurvenregressionsprogramms die Meßdaten an Gleichung (12) anpassen. 4) Man schätze den Wert von aB im Rahmen eines einfachen geometrischen Modells ab, das von einer dichtesten Packung an Ethanol-Molekülen in der vollständig gefüllten Monolage ausgeht und vergleiche diesen Wert mit dem aus der Konzentrationsabhängigkeit von σ experimentell bestimmten Wert. Zubehör: 100 mL-Becherglas, höhenverstellbares Stativ, Tensiometer, Bügelring (mittlerer Umfang = 0,061 m), Pipetten, Pipettierball, Ethanol, dest. Wasser, 100 mL Fläschchen mit Ethanol-Wasser-Lösungen. Durchführung: Aus dem entsprechenden Vorrats-Fläschchen füllt man ca. 50 mL Ethanol-Wasser-Lösung in das 100 mL Becherglas (siehe Hinweise zur Volumenmessung auf Seite 16). Dann wird das Glas in das verstellbare Stativ eingespannt. Der Meßring wird an die linke Seitenstange des Tensiometers gehängt und das Becherglas so positioniert, daß der Ring mindestens 0,5 cm in die Lösung eintaucht. Mit der Stellschraube hinten am Tensiometer wird die Seitenstange so eingestellt, daß sie sich zwischen den Markierungen befinden. Das Tensiometer muß dabei auf 0 mN eingestellt sein. Dann wird das Becherglas mit der Stellschraube des Stativs vorsichtig abgesenkt und das Tensiometer gleichzeitig

Page 88: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

88

so verstellt, das die Seitenstange beständig zwischen den Markierungen bleibt, bis der Kontakt des Rings mit der Flüssigkeitsoberfläche reißt. Die jetzt zu sehende Einstellung am Tensiometer entspricht der maximalen Federkraft Ff,max beim Abreißen für die entsprechende Lösung. Allerdings ist der so erhaltene Wert noch etwas ungenau.

0

3

6

9

m;

Becherglas mit Lösung

Tensiometer

Bügelring

Abb. 1: Apparatur zur Bestimmung der Oberflächenspannung nach Du Nuoy. Um die genaue Abreißkraft zu ermitteln, sollte man das Tensiometer nocheinmal um 0,05-0,10 mN zurückstellen und die Seitenstange vorsichtig soweit herunterdrücken, daß der Ring wieder in die Flüssigkeit taucht. Dann stellt man am Tensiometer ganz langsam höhere Werte ein, bis der Kontakt zwischen Ring und Oberfläche erneut reißt, ohne das Becherglas weiter abzusenken. Da die Flüssigkeitsoberfläche ruhiger ist, wenn man das Becherglas nicht bewegen muß, ist der so ermittelte Wert der genauere. Diese Messung wird für alle bereitstehenden Lösungen 5x bei Raumtemperatur durchgeführt. Die Meßlösungen sollen wiederverwendet werden, d. h. sie müssen nach Gebrauch in das richtige Fläschchen zurückgefüllt werden.

Page 89: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

3.12 Elektrochemie (Versuch Nr. 24)

Dieser Versuch besteht aus zwei Teilen: Im ersten Teil soll die NernstscheGleichung für eine elektrochemische Reaktion experimentell bestätigt und dasStandardpotential E− dieser Reaktion bei verschiedenen Temperaturen gemes-sen werden, woraus dann die thermodynamischen Gröÿen ∆RG

− , ∆RH− und

∆RS− bestimmt werden können. Im zweiten Versuchsteil wird die Spannungs-

Strom-Kurve einer Brennstozelle gemessen und daraus der Wirkungsgrad er-mittelt. Weiterhin wird die Gültigkeit des Faraday-Gesetzes nachgewiesen unddie Faraday-Konstante bestimmt.

Vorbereitung

Elektrodengleichgewichte

Elektrochemisches Potential, EMK

Beziehung der EMK zu ∆RG, ∆RS und ∆RH

Aktivität, Aktivitätskoezienten, Nernstsche Gleichung

Standardzustände

Konzentrationsabhängigkeit von Aktivitätskoezienten (Debye-Hückel-Theorie)

Funktionsweise einer Brennstozelle

Überspannung, Butler-Volmer-Gleichung

Wirkungsgrad einer Brennstozelle

Literatur

P. W. Atkins, J. de Paula, Physikalische Chemie, 4. Auage, Wiley-VCH,Weinheim 2006, S. 170-179 und S. 241-260 bzw. 2. Auage (1996) S. 216-219 und S. 293-329.

G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 4. Auage; Wiley-VCH,Weinheim 1997, S. 187-197, 329-345, 448-485.

89

Page 90: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Teil A: Nernstsche Gleichung

1) Theoretische Grundlagen

Elektrodenpotentiale

Man betrachte die Oxidation von Silber durch Hexacyanoferrat(III):

Ag(s) + Cl−(aq) + Fe(CN) 3−6 (aq) −→ AgCl(s) + Fe(CN) 4−

6 (aq) (1)

Diese Redoxreaktion lässt sich in einer Galvanischen Zelle durchführen, derenZellschema die Form

Ag|AgCl(s)|Fe(CN) 4−6 (aq),Fe(CN) 3−

6 (aq)|Pt . (2)

besitzt, d.h. es wird eine Silber/Silberchlorid-Elektrode gegen eine Platinelek-trode geschaltet, welche in eine Lösung der beiden Hexacyanoferrate eintaucht.Um aus der gemessenen Zellspannung thermodynamische Gröÿen wie z.B. Stan-dardpotentiale oder Freie Reaktionsenthalpien zu bestimmen, ist es nötig, dassdie Galvanische Zelle reversibel arbeitet. Um dies zu realisieren muss im strom-losen Zustand gemessen werden, was entweder durch Verwendung eines hoch-ohmigen Voltmeters erreicht wird, oder indem die Zellspannung genau mittelseiner äuÿeren, variablen Spannungsquelle kompensiert wird. Im Versuch wirdder erste Weg beschritten.

Die gesamte Redoxreaktion (1) kann in zwei Teilreaktionen zerlegt werden

Links (L): AgCl(s) + e− → Ag(s) + Cl−(aq)

Rechts (R): Fe(CN) 3−6 (aq) + e− → Fe(CN) 4−

6 (aq) ,(3)

die in der linken bzw. rechten Halbzelle des Galvanischen Elementes ablaufensollen. Die Änderung der Freien Enthalpie dG(L) in der linken Halbzelle beikonstantem Druck p und Temperatur T ist gegeben durch

dG(L) = µAgCldnAgCl + µe−dne− + µAgdnAg + µCl−dnCl− , (4)

wobei die µi die elektrochemischen Potentiale der einzelnen Komponenten dar-stellen. Diese setzen sich gemäÿ

µi = µi + ziFφi (5)

aus dem chemischen Potential µi der entsprechenden Komponente und dem elek-trischen Potential φi der jeweiligen Phase zusammen, wobei zi die Ladung derKomponente angibt. Die Stomengenänderungen dni der verschiedenen Kom-ponenten können auch durch die Änderung der Umsatzvariable dξ = dni/νiausgedrückt werden (νi ist der stöchiometrische Koezient), so dass sich dieÄnderung der Freien Enthalpie in der linken Halbzelle als

dG(L) = (µAg + µCl− − µAgCl − µe−)dξ (6)

90

Page 91: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

schreiben lässt. Die linke Halbzelle bendet sich im elektrochemischen Gleich-gewicht, wenn die Freie Enthalpie G(L) minimal ist, d. h.

µAg + µCl− − µAgCl − µe− = 0 (7)

Setzt man für die elektrochemischen Potentiale die entsprechenden chemi-schen und elektrischen Potentiale ein, dann ergibt sich für die Potentialdierenz∆φ(L) zwischen der Ag-Elektrode und der wässrigen Lösung

∆φ(L) = − 1

F(µAg + µCl− − µAgCl − µe−) = −∆G(L)

F, (8)

wobei ∆G(L) die Freie Reaktionsenthalpie für die Reaktion in der linken Halb-zelle ist. Eine entsprechende Potentialdierenz ∆φ(R) entsteht auch in der rech-ten Halbzelle zwischen der verwendeten Pt-Elektrode und der wässrigen Lösung1

∆φ(R) = − 1

F(µFe(II) − µFe(III) − µe−) = −∆G(R)

F. (9)

Dabei ist ∆G(R) die Freie Reaktionsenthalpie für die entsprechende Reaktion inder rechten Halbzelle. Somit baut sich eine elektrische Spannung E = ∆φ(R)−∆φ(L) zwischen den beiden Elektroden auf

E = ∆φ(R)−∆φ(L) = − 1

F[∆G(R)−∆G(L)] = −∆RG

F(10)

Im Falle der stromlosen Messung, und nur dann, kann also die elektrischeSpannung E des Galvani-Elementes, welche auch als elektromotorische Kraft(EMK) bezeichnet wird, mit der Freien Reaktionsenthalpie ∆RG der Zellreak-tion in Verbindung gebracht werden. In verallgemeinerter Form gilt:

∆RG = −z · F · E (11)

Dabei gibt z die Zahl der ausgetauschten Elektronen an, wobei im vorliegendenFall z=1 gilt.

Durch eine temperaturabhängige Messung der EMK bei konstantem Druck pund konstanter Zusammensetzung ξ kann man die Reaktionsentropie bestimmengemäÿ

∆RS = −(∂∆RG

∂T

)p,ξ

= z · F(∂E

∂T

)p,ξ

, (12)

und über die Gibbs-Helmholtz-Beziehung auch die Reaktionsenthalpie ∆RHgewinnen:

∆RH

T 2= z · F

(∂(E/T )

∂T

)p,ξ

(13)

1Um den Schreibaufwand zu verringern, wird im Folgenden das Hexacyanoferrat(II)-Anionmit Fe(II) bezeichnet und das Hexacyanoferrat(III)-Anion mit Fe(III).

91

Page 92: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Nernstsche Gleichung

In hoch verdünnten Elektrolytlösungen lassen sich die chemischen Potentialealler an einer elektrochemischen Reaktion beteiligten Stoe in der Form

µi = µ−i +RT lncic−

(14)

ausdrücken, wobei µ−i den Standardwert des chemischen Potentials darstellt.Der Standardzustand ist hier eine Lösung der Konzentration c = 1mol/L beieinem Druck von p = p− = 1 · 105 Pa. Eine Lösung, die der obigen Gleichunggehorcht, wird als ideale Lösung bezeichnet. Bedingung für ideales Verhalten ist,dass zwischen den gelösten Ionen keinerlei Wechselwirkungen auftreten, bzw.dass diese vernachlässigt werden können. In der weitaus gröÿten Zahl der Fällevon praktischer Bedeutung ist letzteres jedoch nicht der Fall, und es kommtzu Abweichungen vom idealen Verhalten. Um diese zu berücksichtigen, wird inGleichung (14) die Aktivität des gelösten Stoes eingeführt, und man erhält:

µi = µ−i +RT ln ai (15)

Der Standardzustand entspricht dem der Gleichung (14), d.h. es handelt sichum einen hypothetischen Zustand, bei dem die Konzentration des betrachtetenIons 1 mol/L beträgt, wobei sich die Lösung aber wie eine ideale Lösung verhält.Für die reale Lösung erreicht das chemische Potential den Wert µ−i , wenn dieAktivität des Ions den Wert eins annimmt, aber die Lösung bendet sich dannnicht in ihrem Standardzustand.

Die Aktivität kann zur Konzentration des gelösten Ions durch Einführungdes sogenannten Aktivitätskoezienten in Beziehung gesetzt werden:

ai = γicic−

(16)

Die Aktivität bzw. der Aktivitätskoezient sind Gröÿen, die sowohl von Druckund Temperatur, als auch von den Konzentrationen aller gelösten Stoe ab-hängen. Sie sind entweder durch Messungen zugänglich oder durch Rechnungenunter Verwendung von Modellen für Elektrolytlösungen. Das wichtigste dieserModelle, welches im folgenden Abschnitt kurz skizziert wird, ist das Debye-Hückel-Modell, aus welchem sich die folgende Beziehung für Aktivitätskoezi-enten von Ionen im Grenzfall einer stark verdünnten Lösungen ergibt:

ln γi = −Az2i

(I

c−

) 12

(17)

Dabei ist A eine vom Lösungsmittel abhängige Konstante und I die sogenannteIonenstärke

I =1

2

∑j

z2j cj , (18)

welche von den Konzentrationen und den Ladungszahlen aller in Lösung vor-handener Ionen abhängig ist.

92

Page 93: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Unter Verwendung des Ausdrucks (15) für die chemischen Potentiale der Re-aktanden ergibt sich aus den Gleichungen (8) bis (10) für die elektromotorischeKraft des hier untersuchten Galvani-Elementes:

FE = µ−Fe(III) +RT ln aFe(III) + µ−Ag +RT ln aAg + µ−Cl− +RT ln aCl−

− (µ−Fe(II) + RT ln aFe(II)) − (µ−AgCl + RT ln aAgCl) (19)

und nach Denition des Standardpotentials

E− =1

F

(µ−Fe(II) + µ−AgCl − µ−Fe(III) − µ−AgCl − µ−Ag

)(20)

gelangt man zur Nernstschen Gleichung:

E = E− − RT

Fln

(aFe(II) · aAgCl

aFe(III) · aAg · aCl−

)(21)

Es ist nunmehr zu beachten, dass die Aktivitäten der reinen Phasen AgCl(s)und Ag(s) eins betragen, was daher rührt, dass die chemischen Potentiale reinerPhasen per Denition den Standardpotentialen entsprechen. Auÿerdem wirdim Versuch die Konzentration der KCl-Lösung in der Ag/AgCl-Elektrode so ge-wählt, dass die Aktivität der Chlorid-Ionen ebenfalls genau eins beträgt. Dahervereinfacht sich die Nernstsche Gleichung zu:

E = E− − RT

Fln

(aFe(II)

aFe(III)

)(22)

Werden gemäÿ Gleichung (16) anstelle der Aktivitäten die Konzentrationen unddie Aktivitätskoezienten eingesetzt, so ergibt sich:

E = E− − RT

Fln

(γFe(II)cFe(II)

γFe(III)cFe(III)

)= E− − RT

Fln

(cFe(II)

cFe(III)

)− RT

Fln

(γFe(II)

γFe(III)

) (23)

Verwendet man weiterhin das Debye-Hückel-Grenzgesetz (17) zur Berechnungder Aktivitätskoezienten, so erhält man wegen z2

Fe(II) − z2Fe(III) = 42 − 32 = 7

den folgenden Ausdruck:

E = E− − RT

Fln

(cFe(II)

cFe(III)

)+ 7A

RT

F

(I

c−

) 12

. (24)

Man kann nun einerseits das Konzentrationsverhältnis cFe(II)/cFe(III) bei kon-stanter Ionenstärke I variieren, um die Konzentrationsabhängigkeit der EMKgemäÿ der Nernstschen Gleichung in ihrer vereinfachten Form (22) zu überprü-fen. Andererseits ist man unter Verwendung dieser Gleichung in der Lage, durchMessen der EMK von äquimolaren Fe(II)/Fe(III)-Lösungen mit verschiedenenKonzentrationen c = cFe(II) = cFe(III), d. h. verschiedenen Ionenstärken I, denStandardwert der EMK E− über eine geeignete Extrapolation zu gewinnen.

93

Page 94: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Das Debye-Hückel-Modell

Das Debye-Hückel-Modell ermöglicht die Berechnung der Aktivitätskoezien-ten von Ionen in Lösungen ausgehend von der Betrachtung der zwischen die-sen wirkenden elektrostatischen Kräfte (bzw. Coulomb-Kräfte). Alle übrigenWechselwirkungen werden vernachlässigt. Im Folgenden soll eine stark verein-fachte Ableitung des Debye-Hückel-Grenzgesetzes (17) skizziert werden, wel-che für stark verdünnte Lösungen, bei denen der Ionenradius gegenüber demdurchschnittlichen Abstand zwischen den Ionen vernachlässigbar ist, Gültig-keit besitzt. Eine ausführliche Besprechung des Modells und eine vollständigeAbleitung nden sich im Wedler in Kapitel 2.5.5 und im Atkins in den Zu-satzinformationen zu Kapitel 5.1.

Abbildung 1: Ionenwolken in Elektrolytlösungen.

Die Anziehung zwischen ungleichnamig geladenen Ionen in der Lösung führtdazu, dass sich in unmittelbarer Nachbarschaft negativ geladener Ionen bevor-zugt positiv geladene Teilchen aufhalten und umgekehrt, so dass es zur Ausbil-dung einer Ionenwolke um jedes Ion kommt, welche einen Überschuss an Ladun-gen entgegengesetzten Vorzeichens enthält (s. Abb. 1). Das jeweils betrachteteTeilchen, welches den Mittelpunkt der Ionenwolke darstellt, wird als Zentralionbezeichnet. Dabei ist zu beachten, dass jedes Kation und Anion zugleich sowohlZentralion als Bestandteil der Ionenwolken benachbarter Teilchen ist. Auÿer-dem sollte man sich klar machen, dass die Ionenwolken keine statischen Gebildesind, sondern dass vielmehr ständig Teilchen diese Wolken verlassen und durchandere ersetzt werden, wobei sich aber im Zeitmittel der erwähnte Überschussvon positiven bzw. negativen Ladungen ergibt.

Da vorausgesetzt wurde, dass der einzige Unterschied zwischen einer idealenund der realen Lösung in der elektrostatischen Wechselwirkung besteht, redu-ziert sich die Bestimmung des Aktivitätskoezienten auf die Berechnung derArbeit, die nötig ist, um eine hypothetische Lösung ungeladener Teilchen auf-zuladen, so dass im Ergebnis die tatsächlichen Ladungen der Ionen erhaltenwerden. Man betrachtet dazu ein ungeladenes Zentralteilchen, das von seiner(geladenen) Ionenwolke umgeben ist. Erhöht man die Ladung des zentralen

94

Page 95: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Teilchens kontinuierlich, bis sie die gewünschte Gröÿe erreicht, so entspricht diedabei geleistete elektrische Arbeit genau der Dierenz zwischen dem tatsächli-chen chemischen Potential des Ions und dem Potential, welches für eine idealeLösung auftreten würde, d.h. dem Standardpotential. Es gilt somit:

Wel = µi − µ−i = RT ln ai (25)

Betrachtet man eine einmolare Lösung und ersetzt die Aktivität gemäÿ ai =γici, so erhält man aus Gleichung (25) eine Anleitung zur Bestimmung desAktivitätskoezienten:

Wel = RT ln γi (26)

Um die Auadearbeit zu berechnen, wird die kugelsymmetrische Ionenwolkeum das Zentralion wie eine gleichmäÿig geladene Hülle mit einem bestimmtenRadius rD (Debye-Radius) betrachtet. Das elektrostatische Potential der Hülleam Ort des punktförmig angenommenen Zentralions ist über das Coulomb-Gesetz gegeben als:

φi = − zie4πε· 1

rD(27)

Damit lässt sich die Auadearbeit mittels Integration berechnen

µi − µ−i = − NA

4πεrD

zie∫0

zie d(zie) = −NA(zie)2

2 · 4πεrD, (28)

und für den Aktivitätskoezienten ergibt sich

ln γi = − NA(zie)2

8πε rDRT. (29)

Der Radius der Ionenwolke kann durch eine Betrachtung der gegenläugen Ein-üsse von elektrostatischer Anziehung ungleichnamiger Ladungen, welche dieAusbildung der Wolke befördert, und von thermischer Bewegung, welche ihrentgegenwirkt, hergeleitet werden. Bezüglich der Details dieser recht langwieri-gen Herleitung sei auf die o.g. Lehrbücher verwiesen. Das Ergebnis lautet

rD =

√εkT

2NAe2I, (30)

wobei ε die Dielektrizitätskonstante des Lösungsmittels ist, e die elektrischeElementarladung und I die in Gleichung (18) denierte Ionenstärke. Man be-achte, dass der Radius der Ionenwolke mit zunehmender Ionenstärke abnimmt,wie es aufgrund der steigenden Anzahl entgegengesetzt geladener Teilchen inder Lösung zu erwarten ist, während er mit steigender Temperatur aufgrundder stärkeren Wärmebewegung der Ionen zunimmt. Aus den Gleichungen (29)und (30) ergibt sich das bereits in Gleichung (17) dargestellte Debye-Hückel-Grenzgesetz für verdünnte Elektrolyte:

ln γi = −z2i

(e2

4εkT

) 32(

2NaI

π2

) 12

= −z2i · A · I

12 (31)

95

Page 96: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

2) Versuchsanleitung

Aufgaben

1) Man überprüfe die Nernstsche Gleichung, indem man die EMK bei konstan-ter Temperatur T für verschiedene Zusammensetzungen der Fe(II)/Fe(III)-Lösung misst und E gegen ln(cFe(II)/cFe(III)) aufträgt. Man bestimme aus derGeradensteigung die Faraday-Konstante F und vergleiche diese mit Litera-turdaten.

2) Inwieweit bleibt die Ionenstärke der Elektrolytlösung bei den verschiedenenKonzentrationsverhältnissen cFe(II)/cFe(III) wirklich konstant?

3) Man messe für unterschiedliche äquimolare Fe(II)/Fe(III)-Konzentrationendie EMK. Man berechne die Ionenstärke I für die verschiedenen Konzentra-tionen c = cFe(II) = cFe(III) und bestimme aus der Auftragung von E gegen(I/c− )1/2 den Standard-Wert der EMK bei den drei untersuchten Tempera-turen.

4) Man ermittle aus der Temperaturabhängigkeit von E− den Wert von ∆RS−

und ∆RH− und berechne damit den Wert von ∆RG

− bei 298 K. Man ver-gleiche das Ergebnis mit Literaturdaten für E− , ∆RG

− , ∆RS− und ∆RH

− .

Zubehör

Thermostat, Pt-Elektrode, Ag/AgCl-Elektrode, Stativ mit Elektrodenhalter,Magnetrührer, div. Bechergläser, Messkolben mit Stammlösungen, Fläschchenmit Fe(II)- und Fe(III)-Lösungen, Küchentücher, Schutzhandschuhe.

Durchführung

Es wird eine Messreihe mit unterschiedlichen KonzentrationsverhältnissencFe(II)/cFe(III) von Fe(II)- und Fe(III)-Lösungen bei Raumtemperatur durch-geführt. Dazu werden die angesetzten Lösungen verwendet, die aus 0.001M Fe(II)- und Fe(III)-Ausgangslösungen hergestellt wurden.

Anschlieÿend wird für verschiedene äquimolare Konzentrationen zwischen0.01 mol/L und 0.0005 mol/L jeweils eine Messreihe bei Raumtemperatur,bei 30C und bei 40C aufgenommen. Dazu sollte man die Lösungen imThermostaten vortemperieren, damit sich die gewünschte Temperatur imMessgefäÿ nachher schneller einstellen kann (siehe Bedienungsanleitungzum Betrieb von Thermostaten auf Seite 13-14)

Für eine EMK-Messung wird ein 100 mL Becherglas mit ca. 50 mL Lösunggefüllt und auf den Magnetrührer gestellt. Die Elektroden werden in die Hal-teklammer eingesetzt und soweit abgesenkt, dass sie möglichst tief eintauchenohne das Magnetrührstäbchen zu berühren (siehe Abb. 2). Dann wird mit demVoltmeter die Spannung zwischen den Elektroden gemessen. Bevor sich einekonstante Spannung einstellt, driftet der Wert einige Zeit. Diese Zeit muss vorder Messung unbedingt abgewartet werden.

96

Page 97: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Nach Aufnahme des Messwertes wird die Lösung in das Fläschchen zurückgefüllt. Dieses Fläschchen kann dann zur Vortemperierung für weitere Messun-gen in den Thermostaten gestellt werden. Im Thermostaten haben 5-6 Fläsch-chen Platz. Bevor man mit der Messung der nächsten Lösung beginnen kann,sind die Elektroden unbedingt mit einem sauberen Küchentuch abzutrocknen.Auch im Glasschutz der Pt-Elektrode darf keine Lösung mehr vorhanden sein.Da die Eisenverbindungen als reizend eingestuft sind, müssen dabei entspre-chende Schutzhandschuhe getragen werden. Bei den Messungen oberhalb Raum-temperatur werden die Lösungen in das temperierte Messgefäÿ gefüllt und dieTemperatur wird mit dem Thermometer kontrolliert. Nach jeder Messung wirddas Messgefäÿ ebenso wie die Elektroden abgetrocknet. Ansonsten verläuft die-se Messreihe genau wie die vorhergehende.

Abbildung 2: Aufbau der elektrochemischen Messzelle.

Praktische Hinweise:

Die benutzten Küchentücher werden wie verunreinigtes Filterpapier ent-sorgt und müssen daher gesammelt werden (Plastikbeutel im Abzug).

Spülwasser, in dem sich Reste der Lösungen bendet, wird gesammelt undzum Schluss in den bereitstehenden Restebehälter gefüllt.

Die Ag/AgCl-Elektrode muss am Versuchsende wieder in das Reagenzglasmit KCl-Lösung zurückgestellt werden.

97

Page 98: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Teil B: Brennstozelle

1) Theoretische Grundlagen

Prinzip einer Brennstozelle

Brennstozellen (engl. fuel cells) sind elektrochemische Energiewandler, die che-mische Energie direkt in elektrischen Strom überführen. Im Unterschied zuBatterien, die erschöpft sind, wenn die chemischen Umsetzungen der Batterievollzogen sind, werden bei einer Brennstozelle die Reaktanden als Gase kon-tinuierlich zugeführt. Weitere Vorteile sind der hohe Wirkungsgrad, der meistbeträchtlich über dem Carnotschen Wirkungsgrad von Wärmekraftmaschinenliegt und die Umweltfreundlichkeit. Als Ernder der Brennstozelle gilt R. Gro-ve, der im Jahre 1839 eine funktionsfähige Anordnung konstruierte. Bereits einJahr zuvor hatte Schönbein aber schon festgestellt, dass zwischen zwei mit Was-sersto bzw. Sauersto umspülten Platinelektroden, die in eine Salzsäurelösungtauchen, eine elektrische Spannung auftritt. In einer Brennstozelle wird die beider Reaktion

H2 +1

2O2 → H2O, ∆RH

− = −241, 83 kJ/mol, ∆RG− = −228, 59 kJ/mol

freiwerdende Energie in Form von elektrischem Strom geliefert, das heiÿt, esndet bei der Brennstozelle der umgekehrte Vorgang wie bei der Elektrolysevon Wasser statt. Der prinzipielle Aufbau einer Brennstozelle ist in Abb. 3gezeigt. Die an den Elektroden ablaufenden Teilreaktionen sind

Anode H2 → 2H+ + 2e−

Kathode 12O2 + 2H+ + 2e− → H2O

Gesamt H2 + 12O2 → H2O

Der Ladungsausgleich ndet über einen Elektrolyten statt, der ionenleitendist, aber keine elektronische Leitfähigkeit aufweisen darf, denn sonst würde

Abbildung 3: Aufbau einer Brennstozelle.

98

Page 99: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

ein Kurzschluss zwischen Kathode und Anode auftreten. Der bei der H2/O2-Reaktion meist verwandte Elektrolyt, der auch in dem Versuchsaufbau hier Ver-wendung ndet, ist eine H+-leitende Polymermembran (NAFION-Membran).Entsprechend der elektrochemischen Spannungsreihe bzw. der Nernst-Gleichungergibt sich bei Standard-Bedingungen und Aktivität bzw. Fugazität gleich eins,eine Zellspannung von 1,18 V. Diese Spannung, die auch EMK (elektromoto-rische Kraft) genannt wird, kann nur im stromlosen Zustand gemessen werdenund wird im praktischen Betrieb aus verschiedenen Gründen (s. u.) nicht er-reicht.

Elektrochemie der Brennstozelle im stromlosen Zustand

Die elektromotorische Kraft einer Brennstozelle bei reversiblem Betrieb, d.h.im stromlosen Zustand, kann völlig analog zur EMK eines herkömmlichen Gal-vanischen Elementes berechnet werden. Ausgangspunkt sind die chemischen Po-tentiale der drei gasförmigen Reaktanden H2, O2 und H2O, für die bei Voraus-setzung idealen Verhaltens gilt:

µi = µ−i +RT lnpip−

(32)

Die Annahme idealen Verhaltens ist hier im Gegensatz zur Situation bei ioni-schen Verbindungen in Lösung in erster Näherung gerechtfertigt, da die elek-trisch neutralen Gasmoleküle nur vergleichsweise geringe Wechselwirkungen un-tereinander aufweisen. Für eine detailliertere Betrachtung wäre es aber nötig,anstelle der Partialdrücke pi die Fugazitäten der gasförmigen Reaktanden ein-zusetzen.

Nach dem gleichen Verfahren wie in Teil A ergibt sich unter Verwendungdes chemischen Potentials und der Beziehung

E = − 1

zF∆RG (33)

die Nernstsche Gleichung für die Wasserbildungsreaktion:

Erev = E−rev −

RT

2Fln

pH2O

pH2p1/2

O2

(34)

Um darauf hinzuweisen, dass die EMK nur für reversible Prozessführung, alsoden stromlosen Fall mit I = 0 gilt, wurde das Symbol für die EMK, E, mit demIndex rev versehen. Das Standardpotential E− lässt sich wiederum zur FreienStandardreaktionsenthalpie bzw. den Standardwerten der chemischen Potentia-le in Beziehung setzen:

−z · F · E− = ∆RG = µ−H2O − µ−H2− (µ−O2

)1/2 (35)

Entsprechend den thermodynamischen Beziehungen (s. Guggenheim-Schema) ist die Zellspannung temperatur- und druckabhängig:(

∂Erev

∂T

)p

= − 1

zF

(∂∆RG

∂T

)p

=∆RS

zF(36)(

∂Erev

∂p

)T

= − 1

zF

(∂∆RG

∂p

)T

= −∆RV

zF(37)

99

Page 100: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

wobei ∆RV die bei der chemischen Reaktion auftretende Volumenänderung dar-stellt.

Kinetik und erzielbare Wirkungsgrade der Brennstozelle

Die verschiedenen Überspannungen

Denitionsgemäÿ beziehen sich alle EMK-Werte auf stromlose Messungen (I=0). Sobald ein Strom ieÿt, also bei allen praktischen Anwendungen, tretenzusätzliche Spannungsabfälle auf, die auf die Kinetik der Elektrodenreaktionenund auf Transportbegrenzungen zurückzuführen sind.

Die Durchtrittsüberspannung ηD. Da die Ladungsübertragung an einerElektrode ein aktivierter Schritt ist, muss ein bestimmter Teil der elek-trischen Spannung, nämlich, ηD, dafür aufgebracht werden, die dann alsSpannungsabfall zwischen Elektrode und Elektrolyt anliegt. Denitions-gemäÿ gilt ηD(I=0) = 0.

Die Konzentrations- oder Diusionsüberspannung, ηKonz, die entsteht,wenn die Umsetzungen an der Elektrode so schnell ablaufen, dass durchDiusion nicht genügend Reaktanden nachgeliefert werden können, sodass im Elektrolyt ein Konzentrationsgefälle entsteht. Entsprechend derNernstschen Gleichung (Konzentrationszelle) übersetzt sich der Konzen-trationsunterschied in eine elektrische Spannung: ηKonz.

Der ohmsche Spannungsabfall oder IR-Abfall. Da man den Transport-widerstand von Ionen durch den Elektrolyten näherungsweise durch dasohmsche Gesetz beschreiben kann, wird der Spannungsabfall im Elektro-lyten, ηOhm, durch ηOhm = I · R wiedergegeben, wobei R den ohmschenWiderstand des Elektrolyten darstellt.

Damit gilt für die Zellspannung bei Stromuss I :

E(I) = Erev(I=0)− ηD − ηKonz − I ·R (38)

Für I=0 verschwinden alle Überspannungen einschlieÿlich des IR-Abfalles unddie Zellspannung wird gleich der Gleichgewichtsspannung, Erev(I = 0). Glei-chung (38) lässt sich noch weiter aufspalten in die einzelnen Beiträge von Anode(A) und Kathode (K):

E(I) = Erev(I=0)− ηD,A − ηD,K − ηKonz,A − ηKonz,K − I ·R (39)

Die Butler-Volmer-Gleichung

Zwischen der Durchtrittsüberspannung, ηD, einer Elektrode und dem Strom Ibesteht ein exponentieller Zusammenhang, der durch die so genannte Butler-Volmer(BV)-Gleichung beschrieben wird. Diese Gleichung wurde in der Grund-vorlesung PC-I nicht durchgenommen. Wir behandeln sie hier losgelöst vom

100

Page 101: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Abbildung 4: Verlauf der Strom-Spannungs-Kennlinie einer Brennstozellemit schematisch gezeichnetem Anteil der Überspannungen und des IR-Abfalles.

theoretischen Hintergrund als rein empirisches Gesetz. Wer an der zugrundelie-genden Theorie interessiert ist, ndet diese in fast allen Standardlehrbüchernder physikalischen Chemie und der Elektrochemie [1,2].

I = I+ + I− = I0

exp

[(1− α)zFηD

RT

]− exp

[−αzFηDRT

](40)

Hierbei sind

I0: Austauschstromα: Symmetriefaktor, der die Lage der Energiebarriere zwischen Elektrode

und Elektrolyt beschreibt (meist um 0.5)z: Zahl der übertretenden ElektronenI+: anodischer TeilstromI−: kathodischer Teilstrom

Man sieht, dass sich Arrhenius-ähnliche Ausdrücke ergeben, bei denen die Ak-tivierungsenergie durch α · z · F · ηD bzw. (α − 1) · z · F · ηD ersetzt ist undder Frequenzfaktor durch den Austauschstrom I0. Man beachte, dass für jedeElektrode ein kathodischer und anodischer Strom angenommen wird, das heiÿtfür jede Elektrode existiert ein dynamisches Gleichgewicht, bei dem Ladungs-und Entladungsvorgänge in beiden Richtungen an der Elektrode ablaufen.

Fall 1: Kleine Überspannungen (|ηD| < 0.01V)

Da ηDF/RT 1 gelten soll, verbleibt bei Reihenentwicklung der Exponenti-alfunktion nur der lineare Term und die BV-Gleichung reduziert sich auf eineProportionalität zwischen Strom I und Spannung ηD

ηD =RT

zFI0I (41)

101

Page 102: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Fall 2: Groÿe Überspannung (|ηD| > 0.1V)

Für groÿe positive Überspannungen wird der zweite Exponentialterm vernach-lässigbar und die BV-Gleichung reduziert sich zu

I = I0 exp

[(1− α)zFηD

RT

](42)

die in der Form

ηD = − RT

αzFln I0 +

RT

αzFln I (43)

als Tafel-Gleichung bekannt ist. Entsprechend ergibt sich für eine groÿe negativeÜberspannung

ηD =RT

(1− α)zFln I0 −

RT

(1− α)zFln I (44)

Aus einer Tafel-Auftragung von ln I gegen ηD ergibt sich als TafelsteigungRT/αzF bzw. RT/(1 − α)zF , aus dem Achsenabschnitt ergibt sich der Aus-tauschstrom I0.

Wirkungsgrad einer Brennstozelle

Der Wirkungsgrad einer Brennstozelle ist deniert als das Verhältnis von er-zeugter elektrischer Energie zur Reaktionswärme der Wasserbildung, d. h. zumHeizwert. Dementsprechend gilt2:

εBZ =Wel

∆H(45)

Der maximale Wirkungsgrad wird erreicht, wenn die Brennstozelle reversibelarbeitet.In diesem Fall lässt sich die geleistete Arbeit gemäÿ

Wel = −∆RG = z · F · Erev (46)

aus der Zellspannung berechnen, und man erhält den idealen Wirkungsgrad,εrev:

εrev =∆G

∆H=ErevzF

∆H(47)

Dieser Wirkungsgrad ist eine hypothetische Gröÿe, da dabei der in der Praxisnicht auftretende Fall I=0 vorausgesetzt wird. Wir denieren einen Spannungs-wirkungsgrad, εU , der als das Verhältnis von gemessener Klemmenspannung Eder Zelle zur maximal möglichen Spannung Erev mit

εU =E

Erev

(48)

2Um Verwechslungen mit der Überspannung zu vermeiden, wird hier statt dem eigentlichüblichen Symbol η der Buchstabe ε für den Wirkungsgrad verwendet.

102

Page 103: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

gegeben ist und einen Stromwirkungsgrad εI , der sich daraus ergibt, dass nichtalle zugeführten Reaktionsgase wirklich an den Elektroden umgesetzt werden:

εI =I

IFaraday(49)

Der Faraday-Strom, IFaraday, ergibt sich aus den Faradayschen Gesetzen unterder Annahme, dass die zugeführten Gase vollständig und ohne Nebenproduktean den Elektroden umgesetzt werden.

Für den Gesamtwirkungsgrad einer Brennstozelle, εBZ, resultiert damit

εBZ = εrevεUεIεSys (50)

wobei wir zusätzlich noch den Systemwirkungsgrad, εSys, eingeführt haben, derberücksichtigt, dass ein Teil der gewonnenen elektrischen Energie auch für ver-fahrenstechnische Peripherie wie Pumpen, Heizen, Kühlen aufgewandt werdenmuss.

Für die Auswertung notwendige Beziehungen

Aus dem gemessenen Wasserstostrom, V , und dem Molvolumen von Wasser-sto, Vm, errechnet sich der Faraday-Strom, IFaraday, gemäÿ

IFaraday =V Fz

Vmn(51)

wobei n die Zahl der Zellen im Zellenstapel (stack) bedeutet. Setzen wir ηSys =1, so ergibt sich mit Gl. (47) bis (51):

εBZ =EIVmn

∆HV(52)

2) Versuchsanleitung

Beschreibung des Gerätes

Das im Praktikum verwendete Brennstozellensystem besteht aus drei Modu-len: Der Wasserstoversorgung (Abb. 5), der eigentlichen Brennstozelle (FC50,s. Abb. 6) mit zugehöriger Steuerung und der elektronischen Last (EL200, s.Abb. 7).

Die Wasserstoversorgung erfolgt durch einen Metallhydridspeicher, derüber ein Ventil an einen Druckminderer angeschlossen ist. Hinter dem Druck-minderer bendet ein Magnetventil, über welches der Wasserstostrom zurBrennstozelle gesteuert wird. Dieses Ventil wird von der zentralen Elektronikdes Versuchsaufbaus gesteuert.

Das zweite Modul enthält den Brennstozellstapel (Stack) mit zehn einzel-nen Zellen. Der Wasserstostrom zur Anode wird mittels eines Durchussmes-sers registriert und angezeigt. Der für die Kathodenreaktion nötige Sauerstowird der umgebenden Luft entnommen, welche durch zwei regelbare Lüfter an

103

Page 104: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Abbildung 5: Wasserstoversorgungsmodul.

Abbildung 6: FC50-Modul mit Brennstozelle.

104

Page 105: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Abbildung 7: EL200-Modul mit elektronischer Last.

der Oberseite des Stacks zugeführt wird. Der Brennstozellenstapel besitzt wei-terhin einen Ausgang für den Wassersto, der jedoch im Regelfall verschlossenist und nur geönet wird, um die Zellen zu spülen. Dieser Spülvorgang mit Was-sersto ist während des Betriebs in regelmäÿigen Abständen notwendig und wirddurch die Geräteelektronik gesteuert. Der Luftstrom durch den Zellstapel dientneben der Zufuhr von Sauersto auch der Kühlung der Brennstozellen, derenTemperatur in einem separaten Anzeigefeld dargestellt wird. Die überschüssigeLuft, wie auch das gebildete Wasser treten an der Unterseite des Brennstozellenaus. Der durch die Brennstozellen erzeugte elektrische Strom wird vom Last-ausgang im unteren Teil des Moduls zum Verbraucher weitergeleitet. Der Strom,wie auch die am Stack anliegende Spannung, werden am Modul angezeigt. DieElektronik des Moduls benötigt eine externe 12V-Spannungsversorgung, die inunserem Fall aus dem Netz bezogen wird. Es ist grundsätzlich auch möglich,das System autark zu betreiben, allerdings wäre dafür ein zusätzlicher Span-nungswandler erforderlich.

Das dritte Modul besteht aus einem regelbaren Widerstand (Potentiometer)mit Kühlung und einer Anzeige für die am Widerstand erbrachte Leistung.Im Widerstand wird die erzeugte elektrische Energie verbraucht, indem sie inWärme umgewandelt wird.

105

Page 106: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Versuchsablauf

Im Versuch sollen an diesem Gerät die Spannungs-Strom-Kennlinie (U -I-Kennlinie)3 der Brennstozelle und der Wasserstoverbrauch in Abhängigkeitvom elektrischen Strom gemessen werden.

Inbetriebnahme des Gerätes

1. Önen Sie das Ventil am Wasserstospeicher.

2. Stellen Sie sicher, dass der Wasserstodruck bei 0.8 bar liegt. In der Regelist dies der Fall, und der Druckminderer muss nicht neu eingestellt werden.

3. Stellen Sie sicher, dass der Regler des Lüfters auf Auto steht. Ist diesnicht der Fall, lässt sich die Elektronik nicht starten.

4. Stellen Sie den Kippschalter am Modul FC50 auf Ein und drücken Sieden Start-Knopf. Das System führt nunmehr einige Selbsttests durch,nach deren Abschluss die fünf Anzeigen des Moduls aueuchten.

5. Schalten Sie die Stromversorgung des Moduls EL200 ein. Der Schalterbendet sich auf der rechten Seite des Gerätes. Stellen Sie sicher, dasssich das Potentiometer in Nullstellung bendet und schalten sie dann denKippschalter auf der Vorderseite ein.

Durchführung der Messungen

Die Messungen sollen bei einer Temperatur von ca. 40C durchgeführtwerden. Um diese zu erreichen, wird die Brennstozelle für einige Zeitmit einem Strom von 5 Ampere bei einer Lüfterleistung von 15% belastet.Die Betriebstemperatur ist nach etwa 10 Minuten erreicht. Es ist unver-meidlich, dass die Temperatur anschlieÿend im Verlaufe einer Messreihewieder um einige Grad absinkt. Da die U -I-Kurven jedoch nur qualitativausgewertet werden, ist dies nicht von wesentlicher Bedeutung.

Vor jeder Messung ist nach dem Einstellen der Stromstärke eine Wartezeitvon 15 Sekunden einzuhalten.

Für jeden Messpunkt sollen gleichzeitig elektrischer Strom, Spannung undWassersto-Volumenstrom abgelesen werden.

Bringen Sie vor Beginn der eigentlichen Messungen den Regler für denLüfter wieder in Stellung Auto und schalten sie vorübergehend das Mo-dul EL200 aus. Nunmehr können Spannung und Wasserstoverbrauch imstromlosen Zustand abgelesen werden. Der in dieser Messung beobach-tete geringe Volumenstrom von Wassersto entsteht durch Lecks in derBrennstozelle.

3Während bisher Zellspannungen mit E (elektromotorische Kraft) bezeichnet wurden, wirdhier das allgemeinere Symbol U für die Spannung verwendet.

106

Page 107: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Schalten Sie das Modul EL200 wieder ein und messen Sie nunmehr Span-nung und Wasserstoverbrauch bei den folgenden Werten des elektrischenStromes:

I = 0,2 A; 0,4 A; 0,6 A; 0,8 A; 1,0 A; 1,5 A; 2,0 A; 2,5 A; 3,0 A; 4,0 A;5,0 A; 6,0 A; 8,0 A; 10,0 A

Anmerkung: Der Strom lässt sich oftmals nicht genau auf den vorgegebe-nen Werte einstellen. Abweichungen um ±0, 05 A sind jedoch unproble-matisch.

Diverse Probleme, wie z.B. mangelhafte Sauerstoversorgung oder zu hoheTemperatur, können zu einem automatischen Abschalten des Brennsto-zellmoduls führen. In diesem Fall erlöschen die Anzeigen mit Ausnahmeder für den Wasserstoverbrauch, welche einen Fehlercode anzeigt. Schal-ten Sie in diesem Fall die Elektronik des FC50-Moduls aus (Kippschalter)und starten Sie neu, wobei wieder darauf zu achten ist, dass der Reglerfür den Lüfter auf Auto steht.

Nach Beendigung der Messung schalten Sie die Elektronik der beiden Mo-dule FC50 und EL200 ab, und schlieÿen Sie das Ventil am Wasserstospei-cher.

Auswertung der Messungen

1. Stellen Sie die U -I-Kurve in einem Diagramm dar und erklären Sie denVerlauf dieser Kurve.

2. Berechnen Sie aus der U -I-Kurve die Leistungs-Strom-Kennlinie und tra-gen Sie diese in einem Diagramm auf.

3. Berechnen Sie auÿerdem gemäÿ Gleichung (52) die Wirkungsgrad-Strom-Kennlinie und stellen Sie diese ebenfalls grasch dar.

4. Tragen Sie in einer weiteren Abbildung den Wasserstoverbrauch gegendie Stromstärke auf. Hierbei sollte sich eine Gerade ergeben, aus derenSteigung gemäÿ Gleichung (51) die Faraday-Konstante bestimmt werdenkann. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass der vom Gerät angezeigteWassersto-Volumenstrom auf Normbedingungen, d.h. 0C und 101325Pa, umgerechnet ist. Daher ist in Gleichung (51) für Vm das molare Norm-volumens eines ideales Gas von 22,41 l/mol zu verwenden.

107

Page 108: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

3.13 Rohrzuckerinversion (Versuch Nr. 16)

Ziel des Versuches ist, aus der Untersuchung des optischen Drehwinkels in Ab-hängigkeit von der Zeit die Geschwindigkeitskonstanten für die Rohrzuckerin-version bei zwei verschiedenen Temperaturen zu messen und daraus die Akti-vierungsenergie zu bestimmen.

Vorbereitung

Reaktionsgeschwindigkeit und Geschwindigkeitskonstante

Geschwindigkeitsgesetze, Reaktionsordnung, Halbwertszeiten

Elementarreaktionen

Katalyse

Quasistationarität und vorgelagerte Gleichgewichte

Kinetische Formulierung des Massenwirkungsgesetzes

Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeitskonstanten (Arrhenius-Gesetz)

Polarimetrie

Literatur

P. W. Atkins, Physikalische Chemie, 4. Auage, VCH-Verlag, Weinheim2006, S. 875-903; bzw. 2. Auage (1996) S. 813-840.

G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 4. Auage; Wiley-VCH-Verlag, Weinheim 1997, S. 166-184, 868-873, 876-878.

Theoretische Grundlagen:

Man betrachte die Dissoziation von Saccharose (S) zu Glucose (G) und Fructose(F) in wässriger Lösung

C12H22O11(aq)Saccharose

+ H2O −→ C6H12O6(aq)Glucose

+ C6H12O6(aq)Fructose

. (1)

Die Freie Standardreaktionsenthalpie ∆rG− für die Dissoziation ist stark nega-

tiv, und man erwartet daher, dass die Reaktion ausgehend von den Eduktenfreiwillig abläuft und im chemischen Gleichgewicht fast ausschlieÿlich Glucoseund Fructose vorliegen. Trotzdem beobachtet man, dass eine wässrige Lösungvon Saccharose stabil ist. Dies hängt damit zusammen, dass die Einstellung deschemischen Gleichgewichtes gehemmt ist. Erst wenn man einen geeigneten Kata-lysator zusetzt, der die Reaktionshemmung vermindert, kann sich der chemischeGleichgewichtszustand einstellen. Bei der Rohrzuckerspaltung wird das durchdie Zugabe einer Brönstedt-Säure bewirkt. Die Zugabe von z. B. verdünnterSalzsäure zur wässrigen Saccharose-Lösung führt dazu, dass die Reaktionshem-mung erniedrigt und somit die Reaktionsgeschwindigkeit für die Hydrolyse von

108

Page 109: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Saccharose erhöht wird. Aus der Untersuchung der Reaktionsgeschwindigkeitkann man daher etwas über die Gröÿe der Reaktionshemmung lernen.

Um das Geschwindigkeitsgesetz der Hydrolysereaktion, d.h. die Verände-rung der Saccharose-Konzentration mit der Zeit, zu erhalten, benötigt man eineVorstellung über den Mechanismus der Reaktion. Nach gegenwärtigem Kennt-nisstand erfolgt zunächst (erste Elementarreaktion) eine Protonierung des Rohr-zuckers in einer schnellen Gleichgewichtsreaktion gemäÿ

S + H+ k1−−−−k−1

SH+ . (2)

Anschlieÿend reagiert in einer zweiten Elementarreaktion die protonierte Sac-charose mit Wasser zu Glucose und Fructose

SH+ + H2Ok2−→ G + F + H+ , (3)

wobei das chemische Gleichgewicht fast vollständig auf der Produktseite liegt.Für die Bildung der Glucose lässt sich nunmehr folgendes Geschwindigkeitsge-setz aufstellen:

d[G]

dt= k2[SH+][H2O] (4)

Ein entsprechendes Geschwindigkeitsgesetz wird auch für die Bildung des zwei-ten Produktes (Fructose) erhalten.

Auf die vorliegende Reaktion, bestehend aus einem schnellen Gleichgewichtund einer darauf folgenden langsameren Zerfallsreaktion, kann das Quasistatio-naritätsprinzip angewendet werden. Man geht dabei davon aus, dass im Verlaufder Reaktion nach kurzer Zeit ein stationärer Zustand erreicht wird, in dem sichdie Konzentration des Zwischenproduktes SH+ nicht mehr ändert. D.h. es gilt:

d[SH+]

dt= k1[S][H+]− k−1[SH+]− k2[SH+][H2O] = 0 (5)

Hieraus lässt sich ein Ausdruck für die Konzentration des Zwischenproduktesnden:

⇔ [SH+] =k1[S][H+]

k2[H2O] + k−1

(6)

Berücksichtigt man weiterhin, dass die Einstellung des vorgelagerten Gleichge-wichts wesentlich schneller erfolgt als der Zerfall der protonierten Zwischenstufe,d.h. dass k−1 k2[H2O] gilt, so kann man den ersten Term im Nenner vernach-lässigen und es ergibt sich

[SH+] =k1

k−1

[S][H+] = K[S][H+] (7)

wobei K die Gleichgewichtskonstante der Protonierungsreaktion ist. Da im sta-tionären Zustand die Verbrauchsgeschwindigkeit des Eduktes Saccharose gleich

109

Page 110: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

der Bildungsgeschwindigkeit des Produktes Glucose (bzw. Fructose) sein muss,ergibt sich aus den Gleichungen (4) und (7):

d[S]

dt= −d[G]

dt= −k2

k1

k−1

[S][H+][H2O] (8)

Da die zugesetzte Säure als Katalysator fungiert und nicht verbraucht wird,bleibt ihre Konzentration nach einer sehr kurzen Anfangsperiode konstant. Wei-terhin liegt das Lösungsmittel Wasser in sehr groÿem Überschuss vor, worausfolgt, dass auch dessen Konzentration als konstant angesehen werden kann1.Daher kann man [H+] und [H2O] mit den Geschwindigkeitskonstanten zu einereektiven Geschwindigkeitskonstante zusammenfassen gemäÿ

ke =k2k1

k−1

[H+][H2O] (9)

und erhält schlieÿlich ein Geschwindigkeitsgesetz pseudo-erster Ordnung:

d[S]

dt= −ke[S] (10)

Zur Integration dieser Dierentialgleichung bedient man sich der Methode derVariablentrennung. Man schreibt

d[S]

[S]= −kedt , (11)

integriert beide Seiten der Gleichung separat und erhält

ln [S]t − ln[S]0 = −ket , (12)

wobei [S]t für die Konzentration zu einem bestimmten Zeitpunkt t und [S]0 fürAusgangskonzentration der Saccharose stehen. Nach Entlogarithmieren ergibtsich daraus:

[S]t = [S]0 · e−ket (13)

Demnach ist für die Konzentration des Eduktes ein exponentieller Abfall mitder Zeit zu erwarten, während die Konzentrationen der Produkte exponentiellanwachsen.

Arrhenius-Gleichung. Die Geschwindigkeitskonstanten chemischer Reak-tionen zeigen in der Regel eine sehr starke Abhängigkeit von der Temperatur.Aus einer Vielzahl experimenteller Beobachtungen wurde von Arrhenius eineGleichung abgeleitet, welche die Reaktionsgeschwindigkeit mit der Temperaturverknüpft

k = A exp(−Ea/RT ) , (14)

1in der Reaktionsmischung beträgt das Verhältnis der Molzahlen von Saccharose und Was-

ser etwa 1 zu 16000.

110

Page 111: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

wobei Ea die Aktivierungsenergie und A der präexponentielle Faktor oder auchStoÿfaktor genannt werden. Durch Logarithmieren ergibt sich

ln k = lnA− Ea/RT (15)

woraus folgt, dass diese beiden Gröÿen bei Auftragung des Logarithmus der Ge-schwindigkeitskonstanten gegen 1/Taus der Steigung und dem Achsenabschnittgewonnen werden können.

Abbildung 1: Potentielle Energie als Funktion der Reaktionskoordinate

Eine anschauliche Interpretation der Arrhenius-Gleichung ergibt sich, wennman die Änderung der potentiellen Energie im Verlaufe einer Reaktion betrach-tet. Siehe dazu Abb. 1. Zu Beginn liegen die Ausgangsstoe vor, die sich an-einander annähern müssen, damit die Reaktion stattnden kann, wodurch diepotentielle Energie des Systems steigt. Nach der Reaktion entfernen sich dieProduktmoleküle wieder voneinander und die potentielle Energie nimmt wiederab. Der Fortschritt der Reaktion kann durch die sogenannte Reaktionskoordina-te wiedergegeben werden, welche die Änderungen aller Koordinaten des Systemsim Verlauf der Reaktion widerspiegelt. Eine präzisere Denition der Reaktions-koordinate ndet sich z. B. im Wedler, Kapitel 6.4.3.

Aus der Abbildung ist zu erkennen, dass die potentielle Energie des Systemsim Verlaufe der Reaktion ein Maximum durchlaufen muss. Die Geometrie, beider dieses Maximum erreicht wird, wird als Übergangszustand bezeichnet. Ei-ne einfache stoÿtheoretische Überlegung ergibt, dass die Geschwindigkeit einerReaktion gegeben ist durch die Anzahl der Stöÿe der Reaktanden, multipliziertmit der Wahrscheinlichkeit, dass ein Stoÿ zur Reaktion führt. Geht man von derklassischen Boltzmann-Verteilung aus, so besteht ein exponentieller Zusammen-hang zwischen der Energie eines Stoÿes und der Wahrscheinlichkeit, dass dieserauftritt. Demnach lässt sich der Exponentialterm in Gl. (14) als Erfolgswahr-scheinlichkeit für einen Stoÿ und der präexponentielle Faktor A als Stoÿfrequenzinterpretieren. Die Aktivierungsenergie Ea stimmt dann, wie in Abb. 1 gezeigt,mit der Höhe der Energiebarriere entlang der Reaktionskoordinate überein.

111

Page 112: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Versuchsdurchführung

Aufgaben

1) Man untersuche mit dem Polarimeter den Drehwinkel α in Abhängigkeit vonder Zeit t bei 25 C und 35 C und überprüfe durch eine geeignete Auftra-gung, ob das vorgeschlagene Geschwindigkeitgesetz pseudo-erster Ordnungrichtig ist.

2) Man bestimme die beiden Geschwindigkeitskonstanten für 25 C und 35 Cund berechne daraus die Aktivierungsenergie EA und den Stoÿfaktor A. An-schlieÿend vergleiche man die erhaltenen Werte mit Literaturdaten.

Zubehör

Polarimeter mit Na-Dampf-Lampe, Umwälzthermostat, Bechergläser, Pipetten,Rohrzucker, Salzsäure.

Durchführung

Die Konzentration des Rohrzuckers [S] wird mit einem Halbschattenpolarimetergemessen (Abb. 2). Das Charakteristische dieses Apparates ist der Polarisator,der aus zwei Polarisationsprismen besteht, deren Gröÿe so bemessen ist, dass siejeweils die Hälfte des Gesichtsfeldes einnehmen. Entscheidend für die Anordnungist, dass der Hauptschnitt H' des Halbprismas P' um einen kleinen Winkelgegenüber dem Hauptschnitt H des Halbprismas P gedreht ist (Abb. 3a). Kreuztman den Analysator A mit P, so ist die linke Seite des Gesichtsfeldes dunkel unddie rechte mäÿig hell (Abb. 3b). Das umgekehrte Bild ergibt sich, wenn manA mit P' kreuzt (Abb. 3c). Dreht man dagegen den Analysator A so, dass ersenkrecht zur Winkelhalbierenden zwischen den beiden Hauptschnitten H undH' steht, erscheinen beide Gesichtsfelder gleich hell (Abb. 3d), was das Auge mitgroÿer Genauigkeit feststellen kann. Dies ist die Stellung, in der abgelesen wird,wobei sich mit Hilfe des Nonius eine Genauigkeit von etwa 0,1 Grad erreichenlässt.

Grundlage der Bestimmung der Konzentration eines optischen aktiven Stof-fes aus dem gemessenen Drehwinkel α ist die Proportionalität zwischen diesenbeiden Gröÿen

α(t) = β · c(t) (16)

wobei die Proportionalitätskonstante β als spezischer Drehwinkel bezeichnetwird. Damit ergibt sich zu Beginn der Reaktion ein Drehwinkel von α0 = βS[S]0,während man am Ende der Reaktion α∞ = βI [S]0 erhält. Dabei ist βS der spe-zische Drehwinkel von reiner Saccharose und βI der von Invertzucker (äqui-molares Gemisch von Glucose und Fructose). Für beliebige Reaktionszeiten tergibt sich der Drehwinkel zu α(t) = βS[S]t + βI([S]0 − [S]t). Damit ist man inder Lage das Konzentrationsverhältnis [S]t/[S]0 durch

[S]t[S]0

=α− α∞α0 − α∞

(17)

112

Page 113: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Abbildung 2: Halbschattenpolarimeter.

Abbildung 3: Okularbilder beim Abgleich (d = Abgleichposition).

auszudrücken. Es wird daher eine Messung bestehend aus der Bestimmung desAusgangsdrehwinkels α0, dem zeitlichen Verlauf der Drehung des Winkels undder Bestimmung des Enddrehwinkels α∞ bei 25C und 35C ausgeführt. Da-zu wird zunächst aus 22,5 g Rohrzucker und 127,5 g dest. H2O eine 15%-igeLösung hergestellt und diese in einem der beiden Temperiergefäÿe des Ther-mostatkreislaufes vortemperiert (siehe Bedienungsanleitung zum Betrieb vonThermostaten auf Seite 13-14). Dann wird der Drehwinkel α′0 dieser Stammlö-sung gemessen. Da die Konzentration an Saccharose hier doppelt so groÿ ist wieim eigentlichen Reaktionsgemisch, ist der Ausgangsdrehwinkel als α0 = α′0/2gegeben. Zum Beginn der eigentlichen Messreihe werden nunmehr 20 mL derZuckerlösung mit 20 mL ca. 2 M HCl, die ebenfalls in einem Temperiergefäÿvorgewärmt wurde, verdünnt und schnell intensiv vermischt (siehe Hinweise zurVolumenmessung auf Seite 16). Der Zeitpunkt des Vermischens entspricht demNullpunkt der Zeitmessung (t = 0). Die Küvette des Polarimeters (Inhalt ca.20 ml) wird nun zunächst mit dem Reaktionsgemisch vorgespült und anschlie-

113

Page 114: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

ÿend damit gefüllt. Dann wird der Drehwinkel α(t) in folgenden Zeitintervallengemessen: 5 x 3 Min., 4 x 5 Min., 1 x 10 Min. Weitere 40 mL Reaktionsmi-schung werden während dieser Zeit in einem Wasserbad kurz (5-10 Min.) aufca. 70 C erwärmt (nicht überhitzen), um damit später die Enddrehung α∞(bei der gleichen Temperatur wie die vorhergehende Messung) bestimmen zukönnen.

114

Page 115: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

115

3.14. Moleküle in Bewegung (Versuch ;r. 25) Dieser Versuch besteht aus zwei Teilen. Dabei ist aus der Untersuchung der Brownschen Molekularbewegung sowie aus Ionenbeweglichkeitsmessungen die Avogadro-Konstante NA zu bestimmen. Vorbereitung: • Ladungstransport in Elektrolytlösungen • Elektrische Kraft, Reibungskraft • Kräftegleichgewicht • Ohmsches Gesetz • Brownsche Molekularbewegung • Diffusion • Thermodynamische Kraft • Stokes-Einstein Beziehung • Mikroskopische Interpretation der Diffusion (Einstein-Smoluchowski Gleichung) Literatur: P. W. Atkins, Physikalische Chemie, 2. Auflage, VCH-Verlag, Weinheim, 1996, S. 771-783, 787-807. G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 4. Auflage; Wiley-VCH-Verlag, Weinheim, 1997, S. 187-215, 814-821. Theoretische Grundlagen: A: Ladungstransport im elektrischen Feld: Legt man an zwei Elektroden, die im Abstand l in eine Elektrolytlösung tauchen, eine elektrische Potentialdifferenz ∆φ an, dann fließt durch die Lösung ein elektrischer Strom I. Dieser elektrische Strom resultiert aus einem Ladungstransport durch die Lösung. Dazu kann man sich vorstellen, daß infolge des angelegten elektrischen Feldes E=∆φ/l eine Kraft FE=zeE an den verschiedenen Ionen mit der Ladung ze angreift, die zu einer Beschleunigung der entsprechenden Ionen in der Lösung führt. Infolge der elektrischen Kraft nimmt die Geschwindigkeit des Ions zu und es erfährt eine immer größere Reibungskraft FR, die das Ion abzubremsen versucht. Wenn sich das Kräftegleichgewicht eingestellt hat, bewegt sich das Ion mit einer stationären Geschwindigkeit v, der sogenannten Wanderungs- oder Driftgeschwindigkeit, durch die Lösung. Nimmt man an, daß für die Bewegung der Ionen das

Page 116: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

116

Stokessche Reibungsgesetz gilt, d. h. FR=6πηav, dann ergibt sich die Driftgeschwindigkeit v zu

EuEa6

zev =

πη= , (1)

wobei η die Viskosität der Lösung und a ein effektiver Ionenradius ist, der auch als hydrodynamischer Radius bezeichnet wird. Die Ionenbeweglichkeit u beschreibt dabei, mit welcher Driftgeschwindigkeit v sich die Ionen bei einem äußeren angelegten elektrischen Feld E bewegen. Betrachtet man nun die Lösung eines starken Elektrolyten, der je Formeleinheit ν+ Kationen mit der Ladung z+e und ν− Anionen mit der Ladung z−e erzeugt, dann erhält man bei einer Elektrolytkonzentration c eine Kationenkonzentration von ν+c und eine Anionenkonzentration von ν−c. Entscheidend für den Beitrag der einzelnen Ionen zum gesamten Strom I ist die Anzahl Z an Ionen, die in einem bestimmten Zeitintervall ∆t durch eine gedachtes Fenster mit der Fläche A wandern. Betrachtet man z. B. die Kationen mit der Teilchenzahldichte ν+cNL, dann ist Z+ durch

LcNvZ +++ ν= (2)

gegeben, wobei v+ die Driftgeschwindigkeit der Kationen ist. Für die Anionen erhält man ein entsprechendes Ergebnis. Der Ladungsfluß J+, der vom Transport der Kationen herrührt, ist gegeben durch das Produkt aus Z+ und der Ladung z+e der Kationen. Damit ergibt sich der Strombeitrag I+=J+A der Kationen zu

dcFAuzcFAEuzAcFvzI

φ∆ν=ν=ν= ++++++++++ , (3)

wobei Gleichung (1) benutzt wurde und F=eNL die Faraday-Konstante ist. Den gesamten Strom I erhält man als Summe der Beiträge I+ und I− von Kationen und Anionen

dcFA)uzuz(III

φ∆ν+ν=+= −−−+++−+ . (4)

Dies ist das Ohmsche-Gesetz für den Ladungstransport in der Elektrolytlösung. Somit ergibt sich die spezifische Leitfähigkeit κ=κ++κ− zu

cF)uzuz( −−−+++−+ ν+ν=κ+κ=κ (5)

und man erhält für die molaren Ionenleitfähigkeiten λ+ und λ−

Page 117: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

117

FuzundFuz −−−+++ =λ=λ . (6)

Durch eine experimentelle Messung der Driftgeschwindigkeit v kann man also die entsprechende Ionenbeweglichkeit u, die molare Ionenleitfähigkeit λ und mit Hilfe der Viskosität η den effektiven Ionenradius a bestimmen. Unter der Annahme, daß der effektive Ionenradius a vergleichbar mit der Größe des entsprechenden Ions im festen Ionenkristall ist, kann man die Größe der Avogadro-Konstante NL abschätzen. Vernachlässigt man die Größenunterschiede zwischen Kation und Anion, dann nimmt ein Ionenpaar aus Kation und Anion in einer dichtesten Packung das Volumen V eines Quaders der Länge 4a und einer quadratischen Grundfläche (2a)2 ein. Aus der makroskopischen Dichte ρ und der Molmasse Mm des Salzes ergibt sich dann die Avogadro-Konstante näherungsweise zu

3mm

La16

M

V

MN

ρ≈

ρ= . (7)

B: Brownsche Molekularbewegung: Bereits im Jahre 1827 beobachtete der englische Botaniker R. Brown mit Hilfe eines optischen Mikroskops, dass sehr kleine, in einer Flüssigkeit suspendierte Partikel eigentümliche, vibrierende Bewegungen ausführen. Die Zitterbewegung der suspendierten Teilchen ist dabei um so größer, je kleiner das betreffende Teilchen ist. Die Ursache für die Brownsche Bewegung ist in der Wärmebewegung der Lösungsmittelmoleküle zu suchen. Ein suspendiertes Teilchen erhält von allen Seiten durch die in heftiger Bewegung befindlichen Flüssigkeitsmoleküle Kraftstöße, die sich im allgemeinen nicht immer vollständig aufheben und somit das Teilchen in Bewegung versetzen. In diesem Sinne gibt die Brownsche Bewegung ein vergröbertes Bild der Wärmebewegung der Flüssigkeitsmoleküle wider. Diese infolge der Wärmebewegung zustande kommende Verschiebung der Teilchen ist auch als Ursache für den Stofftransport in gewöhnlichen Lösungen infolge von Konzentrationsgradienten anzusehen, den man als Diffusion bezeichnet. Da von Seiten der Thermodynamik kein prinzipieller Unterschied zwischen gelösten Molekülen und suspendierten Teilchen besteht, kann man die Gesetzmäßigkeiten der Diffusion auch auf letztere anwenden. Zur Beschreibung der Diffusion gibt es nun zwei prinzipielle Möglichkeiten. Entweder man versucht die Wärmebewegung aller beteiligten Flüssigkeitsmoleküle zu erfassen und daraus mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen den Transport der gelösten Moleküle abzuleiten oder man macht von der thermodynamischen Beschreibung des Diffusionsvorgangs Gebrauch, indem man die Diffusion auf einen

Page 118: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

118

Mischungsvorgang zurückführt. Letzteres hat den Vorteil, daß man dazu auf die Theorie von Mischungsvorgängen zurückgreifen kann. Betrachtet man eine bestimmte Stoffmenge an Substanz nB, die zunächst in einem kleinen Bereich des Lösungsmittels räumlich lokalisiert ist, dann führt das in diesem Bereich vergrößerte chemische Potential der gelösten Substanz µB zum Mischungs- bzw. Diffusionsvorgang. Mit dem Konzentrationsgefälle cB(x) ist ein Gradient des chemischen Potentials µB(x) verbunden, der eine (thermodynamische) Kraft FT auf die gelösten Moleküle ausübt und diese in Bewegung versetzt. Nimmt man an, daß die Lösung ideal verdünnt ist, dann ist das chemische Potential der gelösten Substanz B gleich

°

+°µ=µc

)x(clnRT B

BB (8)

und man erhält bei konstantem Druck p und konstanter Temperatur T für die an B angreifende (molare) thermodynamische Kraft FT

T,p

B

BT,p

BT x

)x(c

)x(c

RT

xF

∂−=

∂µ∂

−= . (9)

Man kann die thermodynamische Kraft als die eigentliche Triebkraft für den Diffusionsprozeß ansehen. Allerdings wird der Verschiebung der gelösten Substanz die innere Reibung des Lösungsmittels entgegenwirken, so daß sich ein stationärer Zustand ausbildet, der formal durch ein Kräftegleichgewicht zwischen thermodynamischer Kraft und Reibungskraft FR beschrieben werden kann. Dann bewegt sich die gelöste Substanz mit einer konstanten Driftgeschwindigkeit vB durch die Lösung

T,p

B

LBBB x

)x(c

N)x(ca6

RTv

∂πη

−= , (10)

wobei für die auf ein Mol bezogene Reibungskraft FR angenommen wurde, daß das Stokessche Reibungsgesetz gültig ist, d. h. FR/NL=6πηaBνB. Dabei ist NL die Avogadro-Konstante, aB der effektive Radius der kugelförmig gedachten gelösten Substanz und η die Viskosität des Lösungsmittels. Damit ergibt sich der Teilchenfluß ZB an gelöster Substanz zu

T,p

BL

T,p

B

BLBBB x

)x(cDN

x

)x(c

a6

RTN)x(cvZ

∂−=

∂πη

−== . (11)

Dies ist das 1. Ficksche Gesetz. Der Diffusionskoeffizient D von B in der Lösung beschreibt, wie schnell der Teilchentransport bei einem gegebenen Konzentrationsgradienten erfolgt und somit wie schnell sich das chemische Gleichgewicht einstellt. Die Stokes-Einstein Beziehung D=RT/(6πηaBNL) gibt

Page 119: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

119

an, wie D von der Temperatur T der Lösung, d. h. der mittleren thermischen Energie, und der Größe aB der gelösten Moleküle abhängt. Untersucht man nun, wie sich der ursprüngliche Konzentrationsverlauf mit der Zeit t verändert, dann zeigt sich, daß der mittlere quadratische Abstand vom Ausgangsort <x2>, der von der gelösten Stoffmenge während der Zeit t zurückgelegt wurde, gleich

tD2x2 >=< (12)

ist. Da sich die zeitliche Veränderung des Konzentrationsverlaufes gemäß Gleichung (12) aus der Bewegung aller gelösten Moleküle ergibt, darf man auch für ein einzelnes suspendiertes Teilchen erwarten, daß seine Zickzackbewegung durch Gleichung (12) beschrieben wird, d. h. sein mittleres Verschiebungsquadrat <x2> sollte linear mit der Zeit t zunehmen. Falls das richtig ist, dann würde die Beobachtung der Zickzackbewegung eines einzelnen Teilchens im optischen Mikroskop eine Bestimmung des Diffusionskoeffizienten D ermöglichen und man wäre durch eine zusätzliche Messung des Teilchendurchmessers 2aB in der Lage, die Avogadro-Konstante NL aus der Stokes-Einstein Gleichung zu bestimmen. Daß das mittlere Verschiebungsquadrat <x2> eines einzelnen suspendierten Teilchens ebenfalls linear mit der Zeit t ansteigt, soll ein einfaches statistische Modell, mit dem man seine Zickzackbewegung beschreiben kann, zeigen. Man kann sich die Zickzackbewegung so vorstellen, daß das einzelne Teilchen infolge der Wärmebewegung der Flüssigkeitsmoleküle eine Reihe kleiner Sprünge ausführt und sich dabei schrittweise von seinem Ausgangspunkt entfernt, d. h. das Teilchen benötigt für einen Sprung die Zeit τ und legt dabei die Strecke d zurück. In der Zeitspanne t hat das Teilchen somit n=t/τ Sprünge ausgeführt. Da es in dem flüssigen Lösungsmittel keine Vorzugsrichtung für die Bewegung des Teilchens gibt, ist die Wahrscheinlichkeit P(n,xi) dafür, das Teilchen nach n Sprüngen an der Stelle xi anzutreffen durch eine symmetrische Binominalverteilung gegeben

!)]d/x(n([!)]d/x(n([

!n

2

1)x,n(P

i21

i21

n

i −⋅+

= . (13)

Aus dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung kann man nun das mittlere Verschiebungsquadrat des Teilchens berechnen. Am besten betrachtet man dazu die nachfolgende Tabelle, in der für maximal n=4 Sprünge die Zeitdauer t=nτ, die Gesamtzahl Ω an Möglichkeiten, die möglichen Positionen xi mit den in Klammern angegeben Häufigkeiten, die Summe über alle quadratischen Abstände und das mittlere Verschiebungsquadrat <x2> aufgelistet sind.

Page 120: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

120

Tabelle 1: Kenngrößen für die Brownsche Bewegung eines einzelnen Teilchens. Man erkennt aus der Tabelle einerseits, daß sich das Teilchen im Mittel nicht fortbewegt hat, d. h. <x>=0, andererseits aber die mittlere quadratische Verschiebung <x2> proportional mit der Anzahl n an Sprüngen und somit bei vorgegebener Sprungdauer τ auch linear mit der Zeit t zunimmt

Dt2td

dnx1

x2

2

i

2i

2 =τ

==Ω

=>< ∑ . (14)

Damit ist der Diffusionskoeffizient durch D=d2/(2τ) bestimmt, was als Einstein-Smoluchowski Gleichung bezeichnet wird. Diese Beziehung verdeutlicht, daß man den Diffusionsvorgang zu Recht als das Ergebnis einer großen Anzahl kleiner Schritte in zufälligen Richtungen infolge der Wärmebewegung der Flüssigkeitsmoleküle ansehen kann. Damit ist außerdem gezeigt, warum und wie man aus der Beobachtung der Brownschen Molekularbewegung eines einzelnen Teilchens im Lichtmikroskop seine Diffusionskoeffizienten D bestimmen kann. Aufgaben: 1) Man bestimme die mittlere Driftgeschwindigkeit von MnO4

−-Anionen und berechene daraus die Ionenbewegleichkeit u, die molare Ionenleitfähigkeit λ und den effektiven Radius a von MnO4

−. Man vergleiche die Werte mit Literaturdaten. 2) Mit Hilfe des einfachen Packungsmodells berechne man aus dem effektiven Ionenradius a die Avogadro-Konstante. 3) Man verfolge die zweidimensionale Zickzackbewegung von zwei suspendierten Teilchen, die eine unterschiedliche Größe aB besitzen.

n t Ω xi

2xi <x >2

0 0τ 20 00 01 1τ 21 2d2d (1) d2

2 2τ 22 8d22 d(1) 2d20 (2),3 3τ 23 24d2

3d (1) 3d2d (3),4 4τ 24 64d2 4d2

4d (1)2d (4),0 (6),

n nτ 2n n dΩ 2 nd2

i

......

......

...

Page 121: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

121

4) Man bestimme die mittleren Verschiebungsquadrate <x2> und <y2> in der x- und y-Richtung und berechne daraus für die beiden Teilchen den Diffussionskoeffizienten D. Anschließend kann man mit Hilfe der Stokes-Einstein Gleichung die Avogadro-Konstante bestimmen. Dabei nimmt man an, daß für die Viskosität η der Lösung der entsprechende Wert des Lösungsmittels eingesetzt werden darf. Zubehör: Zu A: Flachkammer, Gleichspannungsnetzgerät, Thermometer, KMnO4, KNO3. Zu B: Lichtmikroskop mit Kamera und Netzgerät, Fernseh-Monitor, Zählkammer, Objektträger, Deckplättchen, Latex-Suspension.

Durchführung:

Zu A: Es werden zwei Elektrolytlösungen benötigt: Elektrolyt I (farblos): 0,01 molare Kaliumnitratlösung Elektrolyt II (farbig): 0,06 molare Kaliumpermanganatlösung. Eine Deckplatte auf die Laufrinne legen. Die Vertiefung an der Anodenseite her trop-fenweise mit dem Elektrolyt I füllen, bis sich durch Kapillarwirkung auch die Laufrinne füllt. Dieser Vorgang kann ggf. durch leichtes Hin- und Herbewegen der Deckplatte in Längsrichtung unterstützt werden. Die Laufrinne muß bis kurz vor der kathodenseitigen Vertiefung blasenfrei gefüllt sein, keinesfalls darf der farblose Elektrolyt in die Vertiefung gelangen. In die kathodenseitige Vertiefung mit einer zweiten Pipette tropfenweise den farbigen Elektrolyt II füllen, bis die Lösung gerade die Übergangsstelle zwischen Vertiefung und Laufrinne erreicht. Damit der Kontakt der beiden Lösungen möglichst genau an der Übergangsstelle erreicht wird, nun vorsichtig nochmals 1 bis 2 Tropfen farblosen Elektrolyt I in die anodenseitige Vertiefung einfüllen. Die beiden Kammern sollten vor dem Einschalten der Spannung ungefähr gleich hoch gefüllt sein und die Schichtgrenze nicht wandern (eventuell ca. 10 Min. warten). Nach Anlegen der Spannung (30 V) wandern die violetten MnO4-Ionen in Richtung auf die Anode. Es ist eine breite Farbsäule mit etwas diffuser Frontlinie zu sehen. Fließt nach Anlegen der Spannung kein Strom, so kann der Flüssigkeitsstand in den Vertiefungen zu niedrig und somit der Stromkreis unterbrochen sein.

Page 122: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

122

Nach jedem Versuch ist die Flachkammer mit einer Spülmittellösung zu reinigen und anschließend mit destilliertem Wasser abzuspülen. Mit organischen Lösungsmitteln darf die Kammer nicht behandelt werden,da diese das Kammermaterial (Plexiglas) angreifen.

Abb. 1: Flachkammer mit Abdeckplättchen.

Zu B: In einem optischen Mikroskop wird die Brownsche Molekularbewegung von suspendierten Latex-Kügelchen untersucht. Dazu wird das Bild des Mikroskops über eine Videokamera auf einen Fernseh-Monitor übertragen. Dort werden auf Klarsichtfolien die Trajektorien von zwei Teilchen unterschiedlicher Größe nacheinander für 15 Minuten verfolgt. Dazu wird nach jeweils 30 Sekunden das untersuchte Teilchen durch einen Punkt auf der Folie markiert. Die Kalibrierung des zurückgelegten Weges erfolgt mit einem in die Zählkammer eingeritzten Maßstab, der ebenfalls auf der Folie eingezeichnet werden muß. Damit kann dann auch der Durchmesser 2aB der untersuchten Teilchen ausgemessen werden. Die Temperatur der Suspension muß abgeschätzt werden.

Page 123: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

3.15 Quantisierung atomarer Energieniveaus (Ver-

such Nr. 21)

Der Ursprung der Quantenmechanik liegt in einer Reihe von experimentellenBefunden die gegen Ende des 19. Jahrhunderts und am Beginn des 20. Jahrhun-derts gewonnen wurden. Im Endeekt führten diese Befunde zu der Erkenntnis,dass das Gebäude der klassischen Physik, welches bis dahin alle im makroskopi-

schen Bereich beobachteten Phänomene vollständig erklären konnte, für die In-terpretation mikroskopischer Vorgänge untauglich ist und dort durch die Quan-tenmechanik bzw. auf dieser Grundlage entwickelte Theorien (Quantenelektro-dynamik etc.) abgelöst werden muss. Einerseits lieferten sowohl das Spektrumder Schwarzkörperstrahlung und dessen Interpretation durch Planck, wie auchder Photoelektrische Eekt und der Compton-Eekt direkte und indirekte Hin-weise darauf, dass die Energie des elektromagnetischen Feldes quantisiert ist.Dies führte zur Einführung des Photonenbegries und zu der Erkenntnis, dasselektromagnetische Strahlung sowohl Wellencharakter wie auch eine korpusku-lare Natur besitzt, wobei je nach Experiment der eine oder der andere Aspektzu Tage tritt. Auf der anderen Seite zeigten die Befunde der Atomspektroskopie,wie auch das Franck-Hertz-Experiment, dass auch die Energien der Elektronenin Atomen quantisiert sind, eine Vorstellung, die sich nicht mit dem einfachenPlanetenmodell des Atombaus, wie es von Rutherford vorgeschlagen wordenwar, in Übereinstimmung bringen lieÿ. Gemäÿ diesem Modell bewegen sich dieElektronen der Atome auf kreisförmigen Bahnen um den zugehörigen Kern, wo-bei die Coulomb-Anziehung zwischen Kern und Elektron dafür sorgt, dass sieihre Bahnen nicht verlassen. Je nach Bahnradius sind beliebige Geschwindigkei-ten und daher auch beliebige Werte der kinetischen Energie möglich und somitgibt es keinerlei Begründung dafür, dass die Energie des Atoms nur bestimmte,diskrete Werte annehmen kann, wie es aus dem Experiment gefolgert werdenmuss.

Im vorliegenden Versuch sollen die beiden letztgenannten Experimente nach-vollzogen werden. Zum einen werden einige Linien des Emissionspektrums vonWassersto beobachtet, Übergängen zugeordnet und aus den Übergangsfrequen-zen die Rydberg-Konstante und die Ionisierungsenergie des Wasserstos be-rechnet. Im zweiten Versuchsteil wird der Franck-Hertz-Versuch an Helium-Gasdurchgeführt.

Vorbereitung

Spektroskopie des Wasserstoatoms, Rydberg-Formel

Termschema von Einelektronenatomen

Bohrsches Atommodell

Grundlagen der modernen quantenmechanischen Beschreibung des H-Atoms

Lichtbeugung am Spalt und am Gitter

Aufbau einer Franck-Hertz-Röhre

124

Page 124: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Interpretation des Franck-Hertz-Versuches

Literatur

P. W. Atkins, J. de Paula, Physikalische Chemie, 4. Au., Wiley-VCH2006, S. 283313, 365381.

G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 4. Au., Wiley-VCH1997, S. 104140, 514535, 556560.

Teil A: Das Spektrum des Wasserstoatoms

1) Grundlagen

Experimentelle Befunde

Abbildung 1 zeigt das Spektrum der Strahlung, welche von Wasserstoatomennach Anregung emittiert wird. Der im sichtbaren Bereich liegende Teil diesesSpektrums soll im vorliegenden Versuch beobachtet und interpretiert werden.Es lässt sich erkennen, dass eine Reihe scharfer Linien auftreten, welche sich,wie in der Abbildung gezeigt, zu Serien zusammenfassen lassen1. Ein völlig ana-loges Spektrum wird in Absorptionsmessungen gefunden, d.h. die Wellenlängender absorbierten Strahlung stimmen völlig mit denen der emittierten Strahlungüberein. Akzeptiert man die Tatsache, dass das Elektron nur bestimmte festeEnergien annehmen kann, so lässt sich der Prozess, der für das Auftreten derLinien im Spektrum verantwortlich ist, als Übergang zwischen zwei dieser Nive-aus ansehen, wobei gleichzeitig Energie in Form von elektromagnetischer Strah-lung aufgenommen bzw. abgegeben wird. Aufgrund des Energieerhaltungssatzesmuss im ersten Fall, d.h. bei Absorption von Strahlung, der Ausgangszustanddes Elektrons niedrigere und im zweiten Fall, also bei Emission von Strahlung,höhere Energie besitzen als der Endzustand.

1In der Abbildung sind aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht alle Serien dargestellt, diefür das Wasserstoatom beobachtet wurden. Weitere Linien benden sich am langwelligenEnde der Skala.

Abbildung 1: Emissionsspektrum des atomaren Wasserstos.

125

Page 125: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Schon einige Jahrzehnte vor Entwicklung der Quantenmechanik konnte Bal-mer eine empirische Formel gewinnen, mittels derer sich die Wellenlängen allerbeobachteten Übergänge im Wassersto-Spektrum berechnen lassen:

1

λ= RH

(1

m2− 1

n2

)(1)

Hierbei ist λ die Wellenlänge der emittierten (bzw. absorbierten) Strahlung,RH eine für Wassersto charakteristische Konstante, die sogenannte Rydberg-konstante, und n und m sind positive ganze Zahlen, wobei stets n > m gilt.Der Ausdruck 1/λ wird als Wellenzahl ν bezeichnet, mit der Einheit cm−1.Zwischen der Wellenlänge, der Wellenzahl und der Frequenz ν von Strahlungbestehen folgende Beziehungen

λ =c

νbzw. ν =

1

λ=ν

c, (2)

wobei c der Lichtgeschwindigkeit entspricht.Gleichung (0.1) zeigt, dass sich die Frequenzen der emittierten oder absor-

bierten Strahlung als Dierenzen zweier Ausdrücke der Form

Tn = −RH1

n2(3)

ergeben, welche als Terme bezeichnet werden. Man beachte dabei, dass dasVorzeichen so gewählt ist, dass die Werte der Terme stets negativ sind. Berück-sichtigt man die Einsteinsche Frequenzbedingung für die Energie der Strahlung

E = h · ν =h · cλ

, (4)

so kann man (0.1) umschreiben zu

E = hc(Tn − Tm) . (5)

Es ist nunmehr naheliegend, die beiden in Gleichung (0.5) auftretenden Aus-drücke hcTm und hcTn mit den Energien des Wasserstoatoms im Ausgangs-und Endzustand zu identizieren. Die Energie der Strahlung entspricht dann derEnergiedierenz zwischen diesen beiden Zuständen. Die Energieniveaus (bzw.Terme) und die Übergänge zwischen ihnen lassen sich in dem in Abbildung 2gezeigten Termschema darstellen. Man erkennt, dass sich die im Spektrum be-obachteten Serien auf Übergänge mit gleichem n zurückführen lassen. So erhältman für n = 1 die Lyman-Serie, für n = 2 die Balmer-Serie, für n = 3 diePaschen-Serie etc.

Die Tatsache, dass sich die im Spektrum beobachteten Frequenzen stetsals Dierenz zweier Terme ergeben, wird als Ritzsches Kombinationsprinzipbezeichnet. Dieses Prinzip bleibt auch bei Atomen mit mehr als zwei Elektronengültig, wohingegen die einfache Rydberg-Formel in diesen Fällen nicht mehranwendbar ist.

Wie bereits erwähnt, lässt sich die Tatsache, dass das Elektron im Was-serstoatom nur bestimmte, diskrete Werte der Energie annehmen kann, im

126

Page 126: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Abbildung 2: Termschema des Wasserstoatoms.

Rahmen des Rutherford-Atommodells der klassischen Physik nicht erklären.Dieses Modell scheitert aber auch schon an einem inneren Widerspruch. Beieinem System von Kern und Elektron, bei dem sich letzteres auf einer Kreis-bahn bewegt, handelt es sich nämlich vom Standpunkt der Elektrodynamik ausgesehen um einen periodisch schwingenden Dipol (Hertzscher Dipol). Diesermüsste aber gemäÿ der Theorie ständig elektromagnetische Strahlung abgebenund somit Energie verlieren. Demnach müsste sich das Elektron spiralförmigauf immer engeren Bahnen um den Kern bewegen und schlieÿlich mit diesemkollidieren. Das Rutherford-Atom stellt somit kein stabiles System dar, wie esfür das Wasserstoatom zu fordern ist.

Das Bohrsche Atommodell

Bohr ging in seinen frühen Überlegungen zum Atombau vom klassischen Bildder Bahnbewegung des Elektrons um den Kern aus, ergänzte dieses jedoch durchPostulate, mittels derer wesentliche Probleme der klassischen Betrachtungsweiseüberwunden werden. Auf diese Art war es möglich, die experimentellen Befun-de mit groÿer Genauigkeit wiederzugeben, jedoch bleibt die Herangehensweiseletztlich unbefriedigend, da sie keine wirkliche Erklärung für die beobachtetenPhänomene liefert. Dies wird erst im Rahmen der Wellenmechanik möglich.Da die Bohrsche Theorie aber vergleichsweise einfach ist und einige wichtigeBegrie einführt, soll sie an dieser Stelle kurz erläutert werden.

127

Page 127: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Die Bohrschen Postulate können in folgender Art formuliert werden:

Die Elektronen bewegen sich auf stabilen Kreisbahnen um den jeweiligenAtomkern, wobei entgegen den Gesetzmäÿigkeiten der makroskopischenElektrodynamik keine Strahlung abgegeben wird.

Bei Absorption und Emission von Strahlung ändern sich der Radius ei-ner Elektronenbahn und die Energie des Atoms sprunghaft um einen be-stimmten Betrag. Für die Energieänderung gilt dabei die von Planck fürdie Strahlung schwarzer Körper gefundene Formel ∆E = hν, wobei ν derFrequenz der Strahlung entspricht.

Der Betrag des Drehimpulses eines Elektrons auf einer stabilen Bahn kannnur Werte annehmen, die ganzzahligen Vielfachen des reduzierten Wir-kungsquantums ~ = h/(2π) entsprechen:

L = n · ~ . (6)

Im Folgenden wird zunächst der klassische Ausdruck für die Energie des Was-serstoatoms abgeleitet, welcher anschlieÿend zum Drehimpuls in Bezug gesetztwird, um die im dritten Postulat eingeführte Quantisierung anwenden zu kön-nen.

Gemäÿ der klassischen Mechanik ist der Betrag der Zentripetalkraft, die aufein Elektron einwirken muss, damit es sich auf einer Kreisbahn um den Kernbewegt, gegeben als

|~FZ | = mev2

r= meω

2r (7)

wobei me die Masse des Elektrons, v die Umlaufgeschwindigkeit, r der Bahnra-dius und ω die Kreisfrequenz ist. Dabei wurde angenommen, dass der wesentlichschwerere Kern sich nicht bewegt. Bei einer genaueren Behandlung müsste be-rücksichtigt werden, dass in Wirklichkeit eine Bewegung um den Schwerpunktdes Systems von Kern und Elektron stattndet. Dies führt dazu, dass in Glei-chung (0.7) und allen folgenden Gleichungen die Elektronenmasse durch diereduzierte Masse

µ =me ·mp

me +mp

(mp = Protonenmasse) (8)

ersetzt werden muss.Im mechanischen Gleichgewicht muss diese Kraft der Coulomb-Kraft zwi-

schen den beiden Ladungen entsprechen, für welche gilt

|~FC | =1

4πε0· e

2

r2(9)

wobei e die elektrische Elementarladung und ε0 die elektrische Feldkonstan-te darstellen. Die Gleichheit der beiden Kräfte (0.8) und (0.9) führt dann zu

128

Page 128: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

einer Bedingung, die den Bahnradius und die Geschwindigkeit des Elektronsverknüpft:

mev2 = mer

2ω2 =e2

4πε0r(10)

Dabei wurde die für die Kreisbewegung gültige Beziehung v = ω · r verwendet.Von zentraler Bedeutung für unsere Betrachtungen ist die Energie des

Wasserstoatoms. Diese setzt sich zusammen aus der kinetischen Energieder Elektronenbewegung T und der potentiellen Energie der Kern-Elektron-Wechselwirkung V . Für den ersten Term kann man

T =1

2mv2 =

e2

8πε0r(11)

schreiben und für die potentielle Energie der Coulomb-Wechselwirkung ergibtsich

V =

r∫∞

e2

4πε0r2dr = − e2

4πε0r. (12)

Damit erhält man für die Gesamtenergie des Wasserstoatoms unter Verwen-dung von Gleichung (0.10):

E = V + T = − 1

8πε0· e

2

r(13)

Der Nullpunkt der Energie ist erreicht, wenn Elektron und Kern unendlich weitvoneinander entfernt sind. Bei endlichen Abständen dagegen ist die Gesamt-energie negativ.

Es gilt nunmehr unter Anwendung des dritten Postulates einen Ausdruckfür den Bahnradius zu bestimmen. Dazu betrachtet man den Betrag des Dre-himpulsvektors des Elektrons, welcher gegeben ist als

L = |~r × ~p| = |~r ×me~v|= r ·mev = meωr

2 ,(14)

wobei r und v die Beträge des Ortsvektors ~r und des Geschwindigkeitsvektors~v = ~p/me darstellen und weiterhin berücksichtigt wurde, dass bei der Kreisbe-wegung ~r und ~v senkrecht zueinander sind. Substituiert man ω durch r gemäÿGleichung (0.10) so ergibt sich:

L =

(e2 · r ·me

4πε0

) 12

(15)

Setzt man nunmehr die Quantenbedingung (0.6) auf der linken Seite ein, soerhält man für den Bahnradius den folgenden Ausdruck:

rn =ε0n

2h2

πmee2n = 1, 2, . . . (16)

129

Page 129: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Man beachte, dass jetzt nur noch bestimmte diskrete Werte für den Radiuserlaubt sind, welche durch den Index n bezeichnet werden. Der kleinste möglicheBahnradius (n = 1) wird als Bohrscher Radius a0 bezeichnet. Er besitzt einenWert von 52,9177 pm.

Setzt man den obigen Ausdruck in Gleichung (0.13) ein, so ergibt sich schlieÿ-lich für die Energie des Atoms:

En = − e4me

8ε20h2· 1

n2(17)

Gemäÿ dem zweiten Postulat kann nunmehr die Energie der für eine Anregungbenötigten Strahlung (Absorption) zur Energiedierenz der beiden beteiligtenNiveaus in Beziehung gesetzt werden:

∆E = Em − En =e4me

8ε20h2

(1

n2− 1

m2

)(18)

Beim Emissionsprozess (Lumineszenz) kehrt sich das Vorzeichen von ∆E um.Durch einen Vergleich mit (0.3) und (0.5) ergibt sich schlieÿlich ein theoretischerAusdruck für die Rydberg-Konstante:

RH =e4me

8ε20h3c

(19)

Unter Berücksichtigung der endlichen Masse des Protons ergibt sich die genauereFormel:

RH =e4µ

8ε20h3c

(20)

Die oben dargestellte Theorie lässt sich auch auf andere Systeme mit einemElektron, wie z.B. Li+ und Be 2+ anwenden. Die Rydberg-Konstante nimmtdann allerdings einen anderen Wert an.

Die moderne quantenmechanische Behandlung des H-Atoms

Das wesentliche Problem des Bohrschen Modells besteht darin, dass es keiner-lei theoretische Rechtfertigung für das Einführen der Quantisierungsbedingungliefert. Weiterhin versagt das Modell aber z.B. auch bei Mehrelektronensyste-men und der Beschreibung der Spektren von Atomen in Magnetfeldern. Einevollständige Beschreibung des Wasserstoatoms wie auch anderer Atome wirderst im Rahmen der modernen Quantenmechanik (Wellenmechanik) möglich.Die wesentliche Erkenntnis, die dieser Entwicklung zugrunde liegt, besteht dar-in, dass, ebenso wie elektromagnetische Wellen Teilcheneigenschaften aufweisen,auch Materieteilchen Welleneigenschaften besitzen, eine Hypothese, die durchzahlreiche Experimente belegt wurde. Eine detaillierte Darstellung der Theorieist im Rahmen dieses Skriptes nicht möglich. Es sei daher auf die zum Mo-dul gehörige Vorlesung (Physikalische Chemie II) bzw. einschlägige Lehrbücherverwiesen. Im Folgenden wird nur ein kurzer Abriss dargestellt.

130

Page 130: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Die Verknüpfung zwischen Wellen- und Korpuskeleigenschaften erfolgt überdie de Broglie-Beziehung, welche die Wellenlänge λmit dem Betrag des Impulsesp verbindet:

λ =h

p(21)

Alle Materieteilchen werden durch ihre Wellenfunktion ψ(~r) beschrieben, dieeine Funktion der drei Ortskoordinaten ist2. Gemäÿ der Bornschen Interpre-

tation entspricht das Quadrat des Betrages der Wellenfunktion, |ψ(~r)|2, derWahrscheinlichkeitsdichte des Teilchens an dem durch ~r beschriebenen Ort, d.h.der Wahrscheinlichkeit, das Teilchen in einem innitesimal kleinen Volumenele-ment um ~r anzutreen, dividiert durch die Gröÿe dieses Volumenelementes.Die Wellenfunktion charakterisiert das betrachtete Teilchen vollständig, d.h. al-le physikalischen Gröÿen, die sich auf dieses Teilchen beziehen, können mittelsseiner Wellenfunktion berechnet werden.

Betrachtet man den stationären Fall, d.h. ein System, auf das von auÿenkeine zeitabhängigen Kräfte wirken, so ergibt sich die Wellenfunktion aus derLösung der zeitunabhängigen Form der Schrödinger-Gleichung, einer partiellenDierentialgleichung zweiter Ordnung. In allgemeiner Form lässt sich diese Glei-chung schreiben als

Hψ = E · ψ (22)

Neben der Wellenfunktion liefert die Lösung dieser Gleichung auch die Gesam-tenergie E des Systems. Der zugehörige Dierentialoperator H, der sogenannteHamilton-Operator, hat für das vorliegende Problem des Wasserstoatoms dieForm

H = − ~2

2me

(∂2

∂x2+

∂2

∂y2+

∂2

∂z2

)− 1

4πε0

e2

r, (23)

wobei der erste Term die kinetische Energie des Elektrons und der zweite Termdie potentielle Energie der Kern-Elektron-Wechselwirkung darstellt. Bei genaue-rer Rechnung muss auch hier wieder die Elektronenmasse me durch die redu-zierte Masse µ ersetzt werden.

Die Schrödinger-Gleichung (0.22) mit dem in (0.23) gegebenen Hamilton-Operator lässt sich analytisch lösen, wenn man von den kartesischen Koordina-ten x, y und z zu Kugelkoordinaten r, θ und φ übergeht. Die Integration derGleichung kann dann in drei Teilprobleme zerlegt werden (Separationsansatz)und die Wellenfunktion lässt sich als Produkt aus drei Faktoren darstellen:

ψ(r, θ, φ) = R(r) ·Θ(θ) · Φ(φ) (24)

Die Wellenfunktionen werden auch als Atomorbitale bezeichnet. Nach Lösungder Gleichung (0.22) ergibt sich für den Radialteil R(r) ein assoziiertes Laguerre-Polynom, für Θ(θ) eine assoziierte Lengendre-Funktion und für Φ(φ) eine Expo-nentialfunktion mit komplexem Exponenten. Bezüglich der Details dieser Funk-tionen sowie Abbildungen sei auf Lehrbücher und die Vorlesung verwiesen. Die

2Bei einer genaueren Betrachtung müsste man auch die Spinkoordinate berücksichtigen,welche den Spinzustand des jeweiligen Teilchens beschreibt. Da der Spin im vorliegendenZusammenhang nicht von Bedeutung ist, wird darauf hier jedoch verzichtet.

131

Page 131: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

beiden winkelabhängigen Anteile werden oftmals auch zur sogenannten Kugel-ächenfunktion Yl,ml

(θ, φ) zusammengefasst.Wie für die dreidimensionale Wellenfunktion eines gebundenen Teilchen zu

erwarten, wird jeder mögliche Zustand des Elektrons im Wasserstoatom durchdrei Quantenzahlen beschrieben. Dies sind:

Die Hauptquantenzahl n. Sie bestimmt die Gesamtenergie des Systems,wobei weiterhin die schon im Bohrschen Modell gefundene Formel gilt:

En = − e4me

8ε20h2· 1

n2n = 1, 2, . . . (25)

Alle Atomorbitale mit gleicher Hauptquantenzahl n besitzen beim Was-serstoatom die gleiche Energie, d.h. sie sind entartet. Dies gilt jedochnicht mehr für Atome mit mehreren Elektronen.

Die Nebenquantenzahl oder Drehimpulsquantenzahl l. Diese bestimmt dieGröÿe (den Betrag) des Drehimpulses für die Bewegung um den Atomkern.Es gilt:

|~L| = ~√

(l(l + 1) l = 0, 1, . . . , n− 1 (26)

In Abhängigkeit vom Wert dieser Quantenzahl (l = 0, 1, 2, . . .) unterschei-det man s-, p-, d-Orbitale etc.

Die Magnetquantenzahl ml. Sie charakterisiert die Ausrichtung des Dre-himpulsvektors im Raum. Genauer gesagt gibt der Wert dieser Quanten-zahl eine der drei Koordinaten dieses Vektors wieder. Die beiden übrigenKoordinaten können gemäÿ den Gesetzmäÿigkeiten der Quantenmechaniknicht gleichzeitig mit dieser bestimmt werden. Üblicherweise wählt mandie z-Komponente des Drehimpulsvektors als diejenige, welche durch ml

bestimmt ist. Dann gilt:

Lz = ~ ·ml ml = −l, . . . , 0, . . . ,+l (27)

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass noch eine vierte Quantenzahl zurBeschreibung des elektronischen Zustandes nötig ist, nämlich die Spinquanten-zahl. Der Spin kann aber weitgehend unabhängig von der Bahnbewegung desElektrons betrachtet werden und ist für den vorliegenden Versuch nicht vonBedeutung.

2) Versuchsanleitung

Aufgaben

Mit Hilfe der gelben Natrium-D-Linie (siehe Abb. 3) kalibriert man dasGoniometer und bestimmt anschlieÿend die Wellenlängen aller sichtbarenLinien im Wasserstospektrum.

132

Page 132: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Abbildung 3: Emissionsspektrum von Natrium.

Aus dem Vergleich mit Abbildung 1 wird schon klar, wie die beobachte-ten Spektrallinien den Übergängen der Balmer-Serie (n = 2) zuzuordnensind. Dennoch soll die Zuordnung noch einmal rein rechnerisch überprüftwerden. Dazu betrachte man das Frequenzverhältnis νn+1/νn+2 zweier be-nachbarter Emissionsübergänge einer Spektralserie mit m = n + 1 undm = n+ 2:

νn+1

νn+2

=

1n2 − 1

(n+1)2

1n2 − 1

(n+2)2

=(2n+ 1)(n+ 2)2

4(n+ 1)(n+ 1)2(28)

Man nehme an, dass zwei der benachbarten Linien im beobachteten Spek-trum zu Übergängen von diesem Typ gehören und nde durch Auspro-bieren, d. h. durch Einsetzen von verschiedenen Werte für n, heraus, zuwelcher Spektralserie die beobachteten Linien gehören.

Man vergleiche die Wellenlängen der zugeordneten Übergänge mit Litera-turdaten.

Durch Auftragen der gemessenen Frequenzen ν der einzelnen Spektralli-nien gegen 1/m2 bestimme man die Rydberg-Konstante RH und die Io-nisierungsenergie EIP des H-Atoms und vergleiche die experimentell be-stimmten Werte mit Literaturwerten. Auÿerdem vergleiche man die Wertemit theoretisch berechneten Werten ohne und mit Berücksichtigung derendlichen Masse des Atomkerns.

Man informiere sich in der Literatur (z.B. Wedler) über Spektrum undTermschema der Alkalimetalle und diskutiere die Unterschiede im Ver-gleich zum Wassersto.

Zubehör

Natriumdampampe, Wasserstoampe, Gitter, Spektralapparat mit Goniome-ter.

133

Page 133: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Durchführung

Abbildung 4: Versuchsaufbau.

Das Strichgitter wird zunächst im Gitterhalter fest eingeklemmt und dannauf dem arretierten Prismentisch so positioniert, dass es senkrecht zur Spalt-rohrachse steht. Man muss nun die Spektrallampe so einrichten, dass man dieverschiedenen Beugungsordnungen im Fernrohr beobachten kann. Der Dreh-winkel αz, den man am Winkelmesser (Goniometer) einstellen muss, um eineSpektrallinie im Fadenkreuz zu beobachten, ist über folgende Beziehung mit derWellenlänge λ der Spektrallinie verknüpft

λ =G

zsin(αz) (29)

wobei z die Beugungsordnung und G die Gitterkonstante, d. h. der mittlereAbstand zwischen zwei Spalten im Strichgitter, ist. Um den gemessenen Dreh-winkel einer Wellenlänge zuordnen zu können, muss man die Gitterkonstantedes Strichgitters bestimmen. Dazu beobachtet man die hell-leuchtende gelbeNa-D-Linie der Natriumdampampe in erster Beugungsordnung. Mit der be-kannten Wellenlänge von λD = 589, 29 nm kann man G bestimmen. Dabei gehtman allerdings am besten so vor, dass man in positiver und negativer Richtungden Beugungswinkel misst und davon den arithmetischen Mittelwert bestimmt.Die experimentelle Aufgabe besteht nun darin, die Wellenlängen aller Spektral-linien der Wasserstoampe, die man im sichtbaren Spektralbereich beobachtenkann, zu bestimmen, indem man die entsprechenden Drehwinkel misst.

Teil B: Franck-Hertz-Versuch

1) Grundlagen

Das Franck-Hertz-Experiment, für welches die beiden Namensgeber 1925 mitdem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurden, erlaubt einen weiteren direk-

134

Page 134: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

ten Nachweis der Quantisierung elektronischer Energieniveaus in Atomen. Indiesem Fall erfolgt die Anregung der Atome über Stöÿe mit Elektronen undnicht durch Photonen, wie es bei Absorption von Licht der Fall ist.

Abbildung 5 zeigt den Aufbau der meistens für das Franck-Hertz-Experimentverwendeten Vier-Elektrodenröhre, wie sie auch im Praktikum zum Einsatzkommt. Ist die Röhre in Betrieb, werden von der Glühkathode K Elektronenemittiert, die anschlieÿend durch die Gitterelektrode G1 hindurchtreten unddurch die zwischen G1 und G2 bestehende Potentialdierenz U1 in Richtungauf die Anode A beschleunigt werden. Nach Durchtritt durch die zweite Gitte-relektrode G2 werden die Elektronen durch ein Gegenfeld zwischen A und G2

abgebremst (Potential U2). Dieses Feld wirkt wie ein Filter bezüglich der kine-tischen Energie der Elektronen, d.h. nur Elektronen mit relativ hoher Energiekönnen die Anode A erreichen, während die übrigen von der Gitterelektrode G2

aufgenommen werden. Der durch die auf die Anode auftreenden Elektronenerzeugte Strom wird gemessen und gegen die variable BeschleunigungsspannungU1 aufgetragen. Die Spannung U3 dient lediglich dazu, den maximal möglichenStrom durch die Röhre einzustellen3 und bleibt während einer Messung ebensowie die Gegenspannung U2 unverändert.

Abbildung 5: Aufbau der Elektronenröhre im Franck-Hertz-Versuch.

Die Röhre ist mit einem hochverdünnten Gas gefüllt, wobei sowohl Queck-silberdampf (monoatomares Hg-Gas) als auch Neon zum Einsatz kommen kön-nen. Im Praktikum wird eine Neon-Röhre verwendet. Während des Durchtrittsdurch die Röhre können die Elektronen mit den vorhandenen Atomen in elas-tischer wie auch in inelastischer Weise zusammenstoÿen. Es lässt sich zeigen4,dass elastische Stöÿe, bei denen die kinetische Energie der Stoÿpartner erhaltenbleibt, wesentlich häuger auftreten als inelastische, jedoch ndet dabei nur einäuÿerst geringer Energieübertrag von den Elektronen auf die Neonatome statt,da letztere eine um etwa vier Gröÿenordnungen höhere Masse besitzen. DieserEnergieübertrag führt zu einer leichten Erwärmung des Gases.

3U3 liefert auch einen geringen, konstanten Beitrag zur Beschleunigung der Elektronen.4D. R. A. McMahon, Am. J. Phys. 51, 1086 (1983).

135

Page 135: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Abbildung 6: Strom-Spannungs-Kurve einer Hg-Röhre.

Bei inelastischen Stöÿen kommt es zu einer Anregung der Neonatome, d.h.die kinetische Energie des Stoÿes wird teilweise in elektronische Anregungsener-gie umgewandelt. Gemäÿ dem klassischen Rutherford-Modell des Atombaus,bei dem sich die Elektronen auf festen Bahnen um die Kerne bewegen, sind fürdie Anregungsenergie beliebige Beträge möglich, woraus folgt, dass für beliebi-ge Stoÿenergien eine Energieübertragung auf das Neonatom möglich sein sollte.Der Elektronenstrom durch die Röhre sollte demnach um einen bestimmten kon-stanten Anteil gegenüber dem gleichen Strom im Vakuum geschwächt werden,wobei die Gröÿe dieser Abschwächung von der Wahrscheinlichkeit inelastischerStöÿe abhängt, grundsätzlich jedoch mit steigender Beschleunigungsspannungstets anwachsen. Dies ist jedoch nicht das, was im Experiment beobachtet wird.Vielmehr ndet man eine Strom-Spannungskurve, wie sie in Abbildung 6 exem-plarisch für eine Hg-Röhre dargestellt ist: Generell steigt der Strom mit wach-sender Spannung stark an, wie es aufgrund der wachsenden Beschleunigung derElektronen zu erwarten ist. Weiterhin ndet man jedoch bei bestimmten Span-nungen ausgeprägte Minima in der Strom-Spannungskurve, die einen in etwagleich bleibenden Abstand voneinander aufweisen5. Dies zeigt klar, dass einEnergieübertrag von den Elektronen auf die Atome nur in quantisierter Formstattnden kann. Sobald die Elektronen die für Anregung der Neonatome nötige

5Die Energieniveaus sind tatsächlich nicht exakt äquidistant. Vielmehr ergibt sich beiBerücksichtigung der mittleren freien Weglänge der Elektronen im verdünnten Gas, dassdie Abstände mit steigender Beschleunigungsspannung geringfügig abnehmen. Für den hierdurchgeführten Versuch soll dieser Eekt jedoch vernachlässigt werden. Es wird daher derMittelwert der Abstände zwischen den beobachteten Minima verwendet, um die Anregungs-energie zu berechnen. Der so erhaltene Wert ist in der Regel im Vergleich zu den wesentlichgenaueren Ergebnissen spektroskopischer Messungen etwas zu groÿ. Bei Berücksichtigung derveränderlichen Abstände zwischen den Minima ergibt sich dagegen eine wesentlich bessereÜbereinstimmung. Siehe dazu: G. Rapior, K. Sengstock, V. Baev, Am. J. Phys. 74, 423(2006).

136

Page 136: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Energie erreichen, sind inelastische Stöÿe möglich und die kinetische Energie derElektronen wird sprunghaft reduziert. Wird die Beschleunigungsspannung wei-ter erhöht, steigt der Strom zunächst wieder an, bis die nach dem ersten Stoÿaufgenommene kinetische Energie ausreicht, zum zweiten Mal ein Neonatomdurch Stoÿ anzuregen. Dieser Prozess setzt sich mit dreifacher Anregung, etc.fort, bis die Messung aus technischen Gründen (Entstehung eines Lichtbogens,s.u.) abgebrochen wird.

Abbildung 7: Ausgewählte Energieniveaus des Neons (siehe G. Rapior, K.Sengstock, V. Baev, Am. J. Phys. 74, 423 (2006).).

Der heutige Kenntnisstand bezüglich der Energieniveaus des Neonatoms er-möglicht eine recht detaillierte Interpretation der bei Anregung durch Elektro-nenstöÿe ablaufenden Vorgänge. Die aus spektroskopischen Untersuchungen mithoher Genauigkeit bekannte Lage der Energieniveaus im Neon ist schematischin Abbildung 7 dargestellt. Für das Experiment sind zwei Gruppen von ange-regten Niveaus von Interesse, deren Energien um etwa 16,7 eV bzw. 18,6 eVüber der des Grundzustandes liegen. Beim Stoÿ mit den Elektronen werdenÜbergänge in Niveaus beider dieser Gruppen angeregt (Ea1 und Ea2 in Abbil-dung 7). Die Tatsache, dass mehrere Übergänge vorliegen, erklärt das Auftreteneiner schwach ausgeprägten Struktur in der Umgebung der Minima der Strom-Spannungskurve. Nach der Anregung verbleiben die Neonatome nur kurzzeitigin einem angeregten Zustand, bevor die Anregungsenergie in Form von elek-tromagnetischer Strahlung wieder abgegeben wird. Dabei kommt es sowohl zuÜbergängen zwischen den angeregten Niveaus und dem Grundzustand, wobeiStrahlung im UV-Bereich erzeugt wird, als auch zu Übergängen zwischen denbeiden oben genannten Gruppen angeregter Zustände. Die hierbei emittierteStrahlung hat eine Wellenlänge von 540 bis 744 nm, und liegt somit im langwel-

137

Page 137: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

ligen Teil des sichtbaren Spektralbereiches. Diese Strahlung kann mit bloÿemAuge als rötlich leuchtende Zonen in der Röhre wahrgenommen werden.

2) Versuchsanleitung

Aufgaben

Nehmen Sie eine Strom-Spannungskurve für die bereitgestellte Franck-Hertz-Röhre auf. Dabei muss in zwei Teilschritten mit unterschiedlichenEinstellungen gemessen werden (s.u.).

Berechnen Sie aus dem Mittelwert der Abständen der Minima in derStrom-Spannungskurve die Anregungsenergie der Neonatome in eV wieauch in cm−1, und vergleichen Sie diesen Wert mit dem aus spektroskopi-schen Messungen gewonnenen Literaturwert.

Beschreiben und interpretieren Sie die im Verlauf der Messung auftreten-den Leuchterscheinungen in der Röhre.

Zubehör

Franck-Hertz-Röhre (mit Neon gefüllt), Betriebsgerät, Computer

Durchführung

Vorbemerkung: Bei der Versuchsdurchführung tritt bei hohen Beschleunigungs-spannungen oftmals das Problem eines Zündens der Röhre auf. Dabei kommtes aufgrund der Erzeugung von Neon-Ionen durch Elektronenstoÿ zu einer Glim-mentladung (Aueuchten der Röhre) begleitet von einem sprunghaften Anstiegdes Auängerstromes IA, der den maximalen Messbereich des Verstärkers über-steigt. Da ein längerer Betrieb in diesem Zustand zur Beschädigung der Röhreführt, ist im Betriebsgerät eine Schutzschaltung eingebaut, welche die Messungin diesem Fall nach wenigen Sekunden beendet. Tritt das Problem auf, mussdie Spannung U3 und evtl. auch die Heizspannung UH zurückgeregelt werden,um den Strom in der Röhre zu verkleinern. Dies führt jedoch meist dazu, dassdie Stromstärke im ersten Teil der Strom-Spannungskurve zu gering wird unddie Minima im ersten Teil der Kurve nicht mehr klar erkennbar sind, sondernabgeschnitten erscheinen. Daher ist es nötig die Strom-Spannungskurve inzwei Teilen aufzunehmen; mit einem relativ hohen Wert von U3 für den Bereichbis ca. U1=65 V und einem verringerten Wert von U3 für den Bereich hoherBeschleunigungsspannung.

Messung der Strom-Spannungs-Kurve

Schalten Sie die Kontrolleinheit, den Computer und den Monitor ein.

Stellen Sie mit dem Taster Function an der Kontrolleinheit auf PC-Betrieb um.

138

Page 138: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

Rufen Sie das Programm measure 4 auf. Eine detaillierte Beschreibungder verwendeten Software ndet sich am Arbeitsplatz.

Führen Sie nunmehr zwei Messungen für die zwei Bereiche der Strom-Spannungskurve unter- und oberhalb etwa 65 V durch. Für die Wahl derParameter gelten folgende Richtwerte:

1. Teilmessung 2. Teilmessung

U1 = 0 . . . 65V U1 = 0 . . . 99.9 V

U2 = 6V U2 = 7V

U3 = 2, 3V U3 = 1, 8V

UH = 8V UH = 7, 5V

Diese Werte führen nicht notwendigerweise zu guten Messungen. UnterUmständen müssen die Spannungen UH , U3 und U2 weiter angepasst wer-den. Es sollten insgesamt fünf ausgeprägte Maxima und Minima zu erken-nen sein.

Notieren Sie die Lage der Minima und speichern Sie die gewonnenenStrom-Spannungskurven wie in der Software-Anleitung beschrieben.

Beobachtung der Lumineszenz

Um die Lumineszenz möglichst gut beobachten zu können, bringen Siedie Franck-Hertz-Röhre in den abgedunkelten Kasten des VersuchsteilsWasserstoatom.

Stellen Sie das Kontrollgerät mittels des Tastschalters Function auf ma-nuellen Betrieb um.

Stellen Sie mittels des Tastschalters Display und des Handrades die fol-genden Parameter ein:

U2 = 12V

U3 = 1, 8V

UH = 8, 2V

Stellen Sie nun die Anzeige auf U1 ein und drücken Sie den Start-Schalter.Erhöhen Sie dann langsam die Spannung ausgehend von U1 = 0V. Be-obachten Sie dabei die Vorgänge in der Franck-Hertz-Röhre. Sie sollteneine Reihe von leuchtenden Zonen beobachten können, die sich durch dieRöhre bewegen.

Sobald die Röhre zündet (helles Aueuchten), schalten Sie die Messungab, reduzieren Sie U3 um 0,30,4 V und setzen Sie dann die Messung biszum Maximalwert von 99,9 V fort. Diese Verringerung der Spannung mussunter Umständen wiederholt werden.

139

Page 139: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

139

3.16. Lichtabsorption von Farbstoffmolekülen (Versuch ;r. 26)

Ziel des Versuches ist, die Absorptionsspektren von organischen Farbstoffen zu untersuchen und im Rahmen eines einfachen quantenchemischen Modells zu diskutieren.

Vorbereitung:

• Teilchen im Kasten • De Broglie Beziehung und stehende Elektronenwellen • Energieniveauschema und Wellenfunktionen für Teilchen im Kasten • Pauliprinzip • Quantenmechanische Beschreibung des Teilchens im Kasten • Optische Auswahlregeln • Absorptionspektroskopie

Literatur:

P. W. Atkins, Physikalische Chemie, 2. Auflage, VCH-Verlag, Weinheim, 1996, S. 343-353, 365-371, 513-519, 557-563. G. Wedler, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 4. Auflage; Wiley-VCH-Verlag, Weinheim, 1997, S. 108-111, 119-126, 134-147, 598-611, 628-634.

Theoretische Grundlagen:

Verantwortlich für die Lichtabsorption eines organischen Farbstoffes sind im wesentlichen die im Molekül enthaltenen π-Elektronen. Bei den hier zu untersuchenden Cyanin-Farbstoffen sind sämtliche Atome des mesomeren Systems über trigonal planare Bindungen miteinander verknüpft, wie es in Abbildung 1 gezeigt ist. Sie bilden also eine ebene Zickzackkette, wobei sich die Ladungswolken der π-Elektronen oberhalb und unterhalb dieser Ebene befinden. Die π-Elektronen können sich entlang der Zickzackkette annähernd frei bewegen, so daß man den Verlauf der potentiellen Energie Epot näherungsweise durch ein eindimensionales Kastenpotential darstellen kann, d. h. entlang des Molekülrumpfes wird Epot als konstant angenommen, während an den Enden des Moleküls Epot unendlich steil ansteigen soll. Wenn man die Längenausdehnung des π-Systems mit L beschreibt, dann können sich in dieser Näherung die π-Elektronen im Bereich zwischen x=0 bis x=L frei bewegen. Man kann nun mit Hilfe der de Broglie Beziehung den Elektronen mit der Masse m und der Geschwindigkeit v eine Wellenlänge λ zuordnen

vm

h

e

=λ . (1)

Page 140: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

140

Die verschiedenen Elektronenwellen werden dann an den Enden des Potentialkastens reflektiert, so daß infolge von Interferenz nur die Elektronenwellenlängen zu stationären Zuständen gehören, bei denen sich eine sogenannte stehende Welle im Potentialkasten ausbilden kann. Für die Wellenlängen λ dieser stehenden Wellen gilt die Interferenzbedingung

...,3,2,1nmitL2

n ==λ

⋅ . (2)

Das bedeutet aber, daß die Geschwindigkeit v der Elektronen im Kastenpotential und somit auch die kinetische Energie Ekin nur noch ganz bestimmte Werte annehmen können. Für die Gesamtenergie E aus Summe von potentieller und kinetischer Energie ergibt sich

...,3,2,1nmitEnLm8

hEvmEEE pot

22

e

2

pot2

e21

potkin =+=+=+= . . (3)

Die möglichen Energiezustände werden nach dem Pauliprinzip in der Reihenfolge steigender Energie mit je 2 π-Elektronen besetzt. Der längstwelligen Absorptionsbande des Farbstoffs entspricht ein Übergang eines Elektrons aus dem obersten besetzten Zustand mit der Energie EHOMO in den ersten unbesetzten Zustand der Energie ELUMO. Für die Anregungsenergie ∆E dieses Übergangs erhält man

( )2HOMO

2LUMO2

e

2

HOMOLUMO nnLm8

hEEE −=−=∆ , (4)

wobei nHOMO und nLUMO die Quantenzahlen der entsprechenden Zustände sind. Betrachtet man nun die verschiedenen Cyanin-Farbstoff-Kationen, dann kann man die Anzahl N der π-Elektronen, die für die Lichtabsorption verantwortlich sind, in Verbindung mit der Anzahl an Kettengliedern k bringen.

Abb. 1: Cyanin-Farbstoff-Kationen mit k=0, 1, 2 , 3, ... . Dazu berücksichtigt man, daß das π-System auch die Stickstoffatome in den beiden Heterozyklen umfasst, d. h. N=2(k+3). Damit ergibt sich für die

NN

+k

Page 141: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

141

Quantenzahlen nHOMO=k+3 bzw. nLUMO=k+4, so daß man die Anregungsenergie ∆E

( )1)3k(2Lm8

hEEE

2e

2

HOMOLUMO ++=−=∆ (5)

in Abhängigkeit von k darstellen kann. Schwieriger ist es, die Kastenlänge L durch die Anzahl k auszudrücken, weil man zunächst nicht genau weiß, über wie viele Bindungen sich das π-System erstreckt. Daher setzt man die Kastenlänge L als

d)ak2(L += (6)

an, wobei d der mittlere C−C-Bindungsabstand im konjugierten π-System ist und a ein Parameter darstellt, der die effektive Ausdehnung des π-Systems beschreibt. Damit ergibt sich die Wellenlänge λmax des langwelligsten Übergangs mit Hilfe von Gleichung (5) zu

( )1)3k(2

d)ak2(

h

cm8

E

hc 2e

max +++

⋅=∆

=λ . (7)

Um die k-Abhängigkeit im Experiment zu bestätigen, formt man Gleichung (7) in

( )( ) d)ak2(h

cm81)3k(2

21e21

max +

=λ++ (8)

um und erwartet bei Auftragen der linken Seite von (8) gegen k eine Gerade, aus der man den mittleren C−C-Bindungsabstand d und den Parameter a, der die effektive Ausdehnung des π-Systems beschreibt, gewinnen kann. Um das Absorptionsmaximum λmax zu bestimmen, wird ein Spektral-Photometer benutzt. Dabei bewirkt eine vorgegebene Farbstoffkonzentration cF eine wellenlängenabhängige Abschwächung der eingestrahlten Lichtintensität I. Die Abnahme dI der Intensität, die eintritt, wenn die Lichtstrahlung die Strecke dz in einer Probe zurücklegt, ist proportional zur Länge des zurückgelegten Weges, der Konzentration des Farbstoffs und der Intensität des Lichtstrahls, d. h. dI~−cFIdz. Mit Hilfe der wellenlängenabhängigen Proportionalitätskonstante κ ergibt sich dI/I=−κcFdz. Durch Integration mit geeigneten Anfangsbedingungen erhält man daraus das sogenannte Lambert-Beersche Gesetz

Page 142: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

142

KF0

zcI

Iln κ−= , (9)

wobei I0 die anfängliche Lichtintensität und zK die gesamte Dicke der Probe ist. Das Verhältnis aus I/I0 wird als Transmission bezeichnet. Oftmals verwendet man allerdings anstatt des natürlichen den dekadischen Logarithmus und führt die sogenannte dekadische Absorbanz bzw. Extinktion A ein

KF0 zcI

IlgA ε== . (10)

Dabei ist ε=κ/ln10 der (dekadische) Extinktionskoeffizient. Die Untersuchung der Extinktion A in Abhängigkeit der Wellenlänge λ erlaubt somit eine Bestimmung von ε=ε(λ) und des Absorptionsmaximums λmax für die verschiedenen Farbstoffe. Aufgaben: 1) Man bestimme die Absorptionsspektren der 3 vorhandenen Cyaninfarbstoffe mit k=1, 2 und 3 mit dem Spektrophotometer. 2) Für den Cyanin-Farbstoff mit k=3 überprüfe man am Absorptionsmaximum das Lambert-Beersche Gesetz. Man bestimme den entsprechenden Extinktionskoeffizienten ε=ε(λmax) und vergleiche mit Literaturdaten. 3) Aus den Absorptionsmaxima λmax der 3 untersuchten Farbstoffe berechne man die linke Seite von Gleichung (8) und trage sie gegen k auf. Wird die theoretisch vorhergesagte Gesetzmäßigkeit erfüllt? Man bestimme aus der Auftragung a und d. Was läßt sich über die Ausdehnung des π-Systems aussagen? Wie stimmt der ermittelte C−C-Bindungsabstand d mit Literaturdaten überein? 4) Man berechne die Energien der verschiedenen Zustände mit n≤nLUMO relativ zur potentiellen Energie und konstruiere das Energieniveaudiagramm. 5) Wie sehen die Wellenfunktionen des Elektrons im eindimensionalen Kasten der Länge L aus? Kann man aus der Symmetrie der Elektronenwellenfunktionen auf die optischen Auswahlregeln schließen? Zubehör: Photometer, Küvetten, Cyanin-Farbstoffe, Ethanol, Meßkolben, Vollpipetten.

Page 143: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

143

Durchführung: Die Extinktion wird mit einem sogenannten Spektralphotometer gemessen.

Abb. 2: Schematische Darstellung des Spektralphotometers.

Dazu wird am Photometer zunächst bei einer Küvette, die nur Lösungsmittel enthält, die Transmission auf 100% abgeglichen. Anschließend wird die Küvette mit der zu untersuchenden Lösung in den Strahlengang gebracht und die dazugehörige Transmission I/I0 der Lösung abgelesen. Für jede Lösung und Wellenlänge muß dieses Vorgehen wiederholt werden. Die gewünschte Wellenlänge kann dazu mit einem Handrad am Photometer eingestellt werden. Im Versuch werden die Absorptionsspektren von 3 Cyanin-Farbstoffen mit k=1, 2 und 3 gemessen. Dazu werden die bereitgestellten ca. 10−5 M Farbstofflösungen benutzt. Nach jeder Extinktionsmessung wird die ethanolische Farbstofflösung aus der Küvette in das jeweilige Meßkölbchen zurückgefüllt. Bei dem Farbstoff mit k=1 wird der Wellenlängenbereich zwischen 350 und 550 nm untersucht, bei dem Chromophor mit k=2 der Bereich zwischen 400 und 700 nm und bei dem Cyanin-Farbstoff mit k=3 wird zwischen 500 und 800 nm gemessen. Wichtig ist dabei vor allem die Absorptionsmaxima λmax sehr genau zu bestimmen. Anschließend wird bei dem Farbstoff mit k=3 eine Verdünnungsreihe mit 5 Konzentrationen zwischen 1·10−5 und 5·10−7 mol/L untersucht (siehe Bedienungsanleitungen zum Benutzen der Waagen auf den Seiten 15-16 und die Hinweise zur Volumenmessung auf Seite 16). Für alle Konzentrationen wird die Transmission I/I0 am Absorptionsmaximum λmax bestimmt. Außerdem muß die Dicke zK der verwendeten Küvette mit einer Schieblehre ausgemessen werden.

Page 144: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

144

4. Fehler- und Ausgleichsrechnung 1) Zufällige und systematische Fehler: Messungen sind gewöhnlich mit Fehlern behaftet. Diese können durch falsches Ablesen der Meßwerte, Unvollkommenheiten der Meßgeräte, Schwankungen der Meßbedingungen und vieles andere verursacht werden. Je nach ihrer Auswirkung kann man Meßfehler allgemein in zwei Gruppen unterteilen: • Systematische Fehler, die dadurch charakterisiert sind, daß sie auch bei mehrmaligem Messen in erster Näherung immer gleich bleiben. • Zufällige Fehler, die von Messung zu Messung verschieden groß sind und zu einer Streuung der Meßwerte führen. Während zufällige Fehler an der Streuung der Meßergebnisse beim mehrmaligen Messen derselben Größe erkannt werden, treten systematische Fehler nicht so offensichtlich zutage, sondern werden gewöhnlich erst durch eine gründliche und kritische Untersuchung des Meßvorgangs bemerkt. Da es sich bei den zufälligen Fehlern im mathematischen Sinne um zufällige Ereignisse handelt, gehorchen sie den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Man kann daher ihren Einfluß auf das Meßergebnis untersuchen, indem man die einzelnen Meßresultate nach statistischen Methoden auswertet. 2) Mittelwert und mittlerer Fehler der Einzelmessungen: Man betrachtet den Fall, daß irgendeine physikalisch-chemische Größe insgesamt n mal gemessen wurde. Den wahren Wert, den diese Größe besitzt, bezeichnet man mit xw, die n Meßwerte mit x1, x2, ... , xn. Bei der einzelnen Messung möge jeweils eine große Zahl von zufälligen Einflüssen wirksam sein, die zur Folge haben, daß die xi von xw abweichen. Eine gewisse Anzahl von Faktoren wirkt auf eine Vergrößerung des Meßwertes hin, eine Reihe von anderen Faktoren auf eine Verkleinerung. Es erhebt sich nun die Frage, wie man aus den einzelnen Messungen xi denjenigen Wert bestimmt, der mit größter Wahrscheinlichkeit dem wahren Wert xw entspricht. Diesen Wert bezeichnet man mit x . Die Bedingung zur Bestimmung des gesuchten wahrscheinlichsten Wertes x von xw ist durch das Minimum der Summe der quadratischen Abweichungen von xw gegeben, d. h.

∑=

==−n

1iw

2iw xxfürMinimum)xx( . (1)

Page 145: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

145

Das Minimum liegt nun an der Stelle, an der die Ableitung der Summe in Gleichung (1) nach xw gleich Null wird. Somit erhält man zur Bestimmung von x die Gleichung

xxfür0)xx(2)xx(dx

dw

n

1i

n

1iiw

2iw

w

==−=−∑ ∑= =

, (2)

aus der sich durch Umformen

∑=

=n

1iix

n

1x , (3)

ergibt. Man sieht also, daß derjenige Wert x , der mit größter Wahrscheinlichkeit dem wahren Wert xw entspricht, durch das arithmetische Mittel der einzelnen Meßwerte gegeben ist. Die Abweichungen der einzelnen Meßwerte xi vom Mittelwert nennt man die Fehler der einzelnen Messungen und bezeichnet sie mit δi=xi− x . Ein geeignetes Maß für die Größe dieser Fehler stellt die Streuung dar, die man erhält, indem man die Summe der Abweichungsquadrate durch n teilt und anschließend aus dem Resultat die Wurzel zieht. Man nennt diese Größe den mittleren Fehler m' der Einzelmessungen bezüglich des Mittelwertes

∑∑==

−=δ=n

1i

2i

n

1i

2i )xx(

n

1

n

1'm . (4)

Den mittleren Fehler m der Einzelmessungen bezüglich des wahren Wertes xw erhält man zu

−=−

−=δ

−= ∑∑∑

===

n

1i

22i

n

1i

2i

n

1i

2i xnx

1n

1)xx(

1n

1

1n

1m . (5)

3) Fortpflanzung des mittleren Fehlers und des maximalen Fehlers einer Einzelmessung: Gewöhnlich führt man eine Vielzahl von Messungen der Größen x und y durch und fragt danach, wie sich die mittleren Fehler in x und y auf den mittleren Fehler in z=f(x,y) auswirken. Es sollen nun r Messungen der Größe x und s Messungen der Größe y durchgeführt werden. Die erhaltenen Werte werden mit x1, x2, ... xr bzw. y1, y2, ... ys, die Mittelwerte mit x bzw. y und die mittleren

Fehler mit mx bzw. my bezeichnet. Den Mittelwert von z kann man dann gemäß Gleichung (3)

Page 146: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

146

∑∑= =⋅

=r

1i

s

1kikz

)sr(

1z (6)

berechnen. Für relativ kleine Fehler geht diese Formel in

)y,x(fz = (7)

über, d. h. man kann den Mittelwert von z=f(x,y) berechnen, indem man in f(x,y) die Mittelwerte von x und y einsetzt. Den mittleren Fehler mz von z erhält man in Analogie zu Gleichung (5) aus

∑∑= =

−−⋅

=r

1i

s

1k

2ikz )zz(

)1sr(

1m (8)

Auch hier läßt sich für relativ kleine Fehler der mittlere Fehler mz näherungsweise aus den mittleren Fehlern von x und y berechnen

2y

2y

2x

2xz m)y,x(fm)y,x(fm += , (9)

wobei fx( y,x ) die partielle Ableitung der Funktion f(x,y) nach x an der Stelle

x= x und y= y ist und fy( y,x ) die entsprechende partielle Ableitung nach y ist.

Dies ist das sogenannte Fehlerfortpflanzungsgesetz. Die Gleichung läßt sich auf eine beliebige Anzahl von Meßgrößen verallgemeinern. Im Praktikum wird in den meisten Fällen aus Zeitgründen eine physikalisch-chemische Größe nur einmal gemessen. Das bedeutet, daß man versuchen muß, den maximalen Fehler ∆x der Meßgröße x abzuschätzen bzw. ihn aus Informationen über das Meßinstrument herauszulesen. Der maximale Fehler ∆x wird dabei so gewählt, daß das Meßergebnis mit Sicherheit in dessen Grenzen liegt. Betrachtet man nun den Fall, daß zwei verschiedene Größen x und y gemessen werden und die neue Größe z=f(x,y) eine Funktion von x und y ist, dann stellt sich die Frage, wie groß der maximale Fehler in z ist, wenn die Fehler in x und y bei einer einmaligen Messung ∆x und ∆y betragen? Dazu kann man eine zum Fehlerfortpflanzungsgesetz ähnliche Formel verwenden

y|)y,x(f|x|)y,x(f|z yx ∆+∆=∆ , (10)

wobei an die einzelnen Faktoren Betragsstriche gesetzt wurden, um zu vermeiden, daß sich die Fehler in x und y teilweise kompensieren. Gewöhnlich

Page 147: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

147

versucht man diese Gleichung so umzuformen, daß rechts und links die sogenannten relativen Fehler ∆x/x, ∆y/y bzw. ∆z/z stehen. 4) Mittlerer Fehler des Mittelwertes: Als Maß für die mögliche Abweichung des berechneten Mittelwertes x vom wahren Wert xw führt man den mittleren Fehler von x ein, der mit m bezeichnet wird. Der mittlere Fehler des Mittelwertes m ist keineswegs mit dem mittleren Fehler m der Einzelmessungen identisch, da mit wachsendem n die Wahrscheinlichkeit dafür, daß sich die Fehler in den xi kompensieren, immer größer und somit der Fehler von x immer kleiner wird. Um m zu berechnen, geht man von Gleichung (3) aus. Dieser Formel gemäß ist x eine Funktion f(x1, x2, ... , xn) von n Veränderlichen x1, x2, ..., xn. Jede dieser Größen ist mit einem mittleren Fehler m behaftet. Der mittlere Fehler in x läßt sich somit mit Hilfe des Fehlerfortpflanzungsgesetzes (9) aus den Fehlern der xi berechen. Man erhält so den mittleren Fehler des Mittelwertes zu

n

mm = , (11)

indem man den mittleren Fehler m der n Einzelmessungen durch n1/2 dividiert. Das Ergebnis der Meßreihe wird dann in der Form x ± m dargestellt. 5) Ausgleichsrechnung (lineare Regression): Oftmals interessiert im Praktikum der Fall, daß zwei Meßgrößen x und y linear voneinander abhängen, d. h. y=a+bx. Die einzelnen gemessenen Wertepaare werden mit x1y1, x2y2, ... , xnyn bezeichnet. Wenn man die erhaltenen Wertepaare in ein Koordinatensystem einträgt, erhält man z. B. die in Abbildung 1 angegebenen Punkte. Diese Punkte liegen wegen der zufälligen Fehler, die bei den Messungen auftreten können, nicht auf einer Geraden. Man möchte aber die wahre Gerade finden, um so die Konstanten a und b zu bestimmen. Auf welche Weise kann man nun diejenige Gerade finden, die mit größter Wahrscheinlichkeit mit der tatsächlich vorliegenden Geraden übereinstimmt? Es läßt sich zeigen, daß man diese Gerade so wählen muß, d. h. die Konstanten in der Weise bestimmen muß, daß die Summe der quadratischen Abweichungen der Punkte von der Gerade ein Minimum wird.

Page 148: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

148

Abb. 1: Meßwerte yi in Abhängigkeit der xi und nach (12) und (14) berechnete Ausgleichsgerade.

Die Abweichungen des Punktes xiyi von der Geraden in y-Richtung ist durch yi−a−bxi gegeben, d. h. die Summe der quadratischen Abweichungen

∑=

−−n

1i

2ii )bxay( (12)

muß minimal sein. Dies ist gleichbedeutend damit, daß die beiden partiellen Ableitungen der Summe in (12) nach a und b verschwinden müssen, d. h.

0)bxay(b

und0)bxay(a

n

1i

2ii

n

1i

2ii =−−

∂∂

=−−∂∂

∑∑==

. (13)

Ausführen der partiellen Differentiation und umformen ergibt die gesuchten Bestimmungsgleichungen für a und b

2

ii

i

2i

ii

ii

iii

2

ii

i

2i

iii

ii

i

2i

ii

)x(xn

yxyxn

bund)x(xn

yxxxy

a∑∑

∑∑∑

∑∑

∑∑∑∑

=−

= . (14)

Mit Hilfe von a und b läßt sich nun die Fehlerquadratsumme (12) berechnen und somit die Streuung my, d. h. der mittlere Fehler der einzelnen y-Werte, angeben

∑=

−−−

=n

1i

2iiy )bxay(

2n

1m . (15)

Page 149: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

149

Die mittleren Fehler, mit denen a und b behaftet sind, ergeben sich zu

2

ii

i

2i

yb2

ii

i

2i

i

2i

ya)x(xn

nmmund

)x(xn

x

mm∑∑∑∑

−=

−= , (16)

so daß der y-Achsenabschnitt bzw. die Steigung der Ausgleichsgeraden durch a±ma bzw. b±mb gegeben sind. Als Qualitätsmaß für die Ausgleichsgerade wird oftmals der sogenannte Korrelationskoeffizient r2

=

∑∑∑∑

∑∑∑

2

ii

i

2i

2

ii

i

2i

2

ii

ii

iii

2

)y(yn)x(xn

yxyxn

r (17)

verwendet. Je näher r2 bei Eins liegt, um so besser beschreibt die Ausgleichsgerade die Meßpunkte. 6) Fehlerrechnung und Fehlerbetrachtung in den Protokollen: Für jeden Versuch muß eine Fehlerrechnung durchgeführt werden. Dazu werden entweder die Mittelwerte, die mittleren Fehler der Einzelmessungen, die mittleren Fehler der Mittelwerte und die sich fortpflanzenden mittleren Fehler berechnet, falls die verschiedenen physikalisch-chemischen Größen mehrmals gemessen wurden, oder es werden maximale Fehler der Meßgrößen abgeschätzt und daraus die maximalen Fehler der interessierenden Größen berechnet. Anschließend wird eine Abbildung erstellt, in der die Mittelwerte zusammen mit Fehlerbalken dargestellt werden. Die Auftragung in der Abbildung ist so zu wählen, daß eine lineare Regression durchgeführt werden kann, so daß Achsenabschnitt und Steigung mit den entsprechenden Fehlern bestimmt werden können. Daraus lassen sich dann die intressierenden physikalisch-chemischen Größen gewinnen. Danach werden die Ergebnisse in Zusammenhang mit Literaturdaten diskutiert. Daran schließt sich eine sogenannte Fehlerbetrachtung, d. h. eine kritische Untersuchung des Meßvorgangs und des Vorgehens bei der Auswertung, an. Das bedeutet, man muß sich z. B. Gedanken über mögliche systematische Fehler machen oder auf Modellannahmen bzw. Näherungen in der Auswertung hinweisen, die die möglichen Abweichungen vom Literaturwert erklären können.

Page 150: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

150

7) Beispiel: Der elektrische Widerstand R=R(T) eines Halbleiters hängt von der Temperatur ab. Bei einer bestimmten Temperatur T wurden die folgenden Meßwerte für die elektrische Spannung U und die Stromstärke I unabhängig voneinander erhalten: U=5.0, 4.7, 5.2, 5.1, 5.3 und 5.1 V; I=0.27, 0.29, 0.30, 0.25 und 0.28 mA. Man berechne den Mittelwert für den elektrischen Widerstand und den mittleren Fehler des Mittelwertes mit Hilfe des Ohmschen-Gesetzes. A) Der Widerstand wird aus dem Ohmschen Gesetz R=U/I berechnet. Aus den 6 unabhängigen Meßwerten für die Spannung U und den 5 Meßwerten für die Stromstärke I erhält man als Zwischenergebnis insgesamt 30 Meßwerte für den Widerstand R=18.52, 17.24, 16.67, 20.00, 17.86, 17.41, 16.21, 15.67, 18.80, 16.79, 19.26, 17.93, 17.33, 20.80, 18.57, 18.89, 17.59, 17.00, 20.40, 18.21, 19.63, 18.28, 17.67, 21.20, 18.93, 18.89, 17.59, 17.00, 20.40 und 18.21 kΩ. Nun kann man gemäß Gleichung (6) den Mittelwert zu R =18.3 kΩ berechnen. Den mittleren Fehler der Einzelmessung erhält man gemäß (7) zu mR=1.4 kΩ und der mittlere Fehler des Mittelwertes ergibt sich aus (11) zu Rm =0.3 kΩ.

Damit erhält man das Endergebnis R=(18.3±0.3) kΩ. B) Unter der Annahme, daß die Fehler in U und I relativ klein sind, kann man auch alternativ vorgehen. Dazu berechnet man zunächst die Mittelwerte, die mittleren Fehler und die Fehler des Mittelwertes für U und I gemäß den Beziehungen (3), (5) und (11). Damit erhält man U=(5.1±0.1) V bei einem mittleren Fehler für die Einzelmessungen von mU=0.2 V. Für die Stromstärke ergibt sich I=(0.28±0.01) mA bei einem mittleren Fehler für die Einzelmessung von mI=0.02 mA. Nun berechnet man den Mittelwert des Widerstandes R = I/U =18.2 kΩ gemäß Gleichung (7) und den mittleren Fehler mR=1.5 kΩ mit Hilfe des Fehlerfortpflanzungsgesetzes (9). Der mittlere Fehler des Mittelwertes ergibt sich dann aus (11) zu Rm =0.3 kΩ, d. h. R=(18.2±0.3) kΩ.

Die Unterschiede zwischen den Werten in den beiden Vorgehensweisen beruhen darauf, daß im Fall A mit den exakten Beziehungen (6) und (8) gerechnet wurde, während im Fall B nur die genäherten Beziehungen (7) und (9) verwendet wurden. Solange die Fehler klein genug sind, stimmen die beiden Ergebnisse im Rahmen der Fehlergrenzen überein. Das Vorgehen im Fall B hat dann den Vorteil, daß es mit deutlich weniger Rechenaufwand verbunden ist. Das Ergebnis wurde dabei auf die kleinste Zahl der Nachkommastellen gerundet, die in den Ausgangswerten vorkommt. In den Rechnungen wurden die erhaltenen Zwischenergebnisse allerdings auf eine signifikante Stelle mehr gerundet (siehe z. B. P. W. Atkins, Physikalische Chemie, 2. Auflage, VCH-Verlag, Weinheim, 1996, S. 9-10).

Page 151: Skript zum Physikalisch-Chemischen Grundpraktikum

151

Wenn man die Spannung U=5.0 V und die Stromstärke I=0.27 mA jeweils nur einmal gemessen hat, dann muß man versuchen den maximalen Fehler der beiden Größen abzuschätzen, um somit den maximalen Fehler des Widerstandes zu berechnen. Da der maximale Fehler so gewählt sein soll, daß der Meßwert mit Sicherheit in seinen Grenzen liegt, würde man die maximalen Fehler mit ∆U=0.3 V bzw. ∆I=0.03 mA ansetzen. Damit ergibt sich der Mittelwert des Widerstandes zu 18.5 kΩ und der maximale Fehler des Widerstandes wird gemäß (11) zu ∆R=3.2 kΩ berechnet. Somit erhält man R=(18.5±3.2) kΩ, d. h. der relative maximale Fehler beträgt ∆R/R=∆U/U+∆I/I=17.3 %. Im Vergleich zur Vorgehensweise unter A und B ist der resultierende Fehler im Widerstand deutlich größer, weil durch ein mehrmaliges Messen von Größen der Fehler des Mittelwertes deutlich herabgesetzt werden kann. Wenn man nun die Spannung U und Stromstärke I bei verschiedenen Temperaturen T gemessen hat, dann trägt man den jeweiligen mittleren Widerstand R als Punkt in das entsprechende Diagramm R-T-Diagramm ein und fügt die maximalen Fehler ∆R und ∆T als Fehlerbalken dazu. Falls man die Werte für R und T aus einer echten Mittelwertbildung gewonnen hat, dann gibt man die mittleren Fehler der Einzelmessungen mR bzw. mT als Fehlerbalken an. Zweckmäßigerweise wird dazu eine Auftragung gewählt, in der man eine lineare Abhängigkeit zwischen Ordinate und Abszisse erwartet. So hängt in vielen Fällen der elektrische Widerstand eines Halbleiters exponentiell von der Temperatur ab, d. h. R=R0exp(−a/T). Um zu überprüfen, ob die gemessenen Widerstands-Werte in Abhängigkeit der Temperatur T diese Gesetzmäßigkeit befolgen, wird ln(R/Ω) gegen 1/T aufgetragen. Falls in der Abbildung eine lineare Abhängigkeit sichtbar wird, lassen sich a, R0 und die entsprechenden Fehler von a und R0 mit Hilfe der linearen Regression bestimmen. Die Fehlerbalken ∆ln(R/Ω)=∆R/R und ∆(1/T)=∆T/T2 in der Abbildung lassen sich wieder aus den maximalen Fehlern ∆R und ∆T gemäß Gleichung (11) berechnen.