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Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau Skript Elastizitäts- und Festigkeitslehre (Technische Mechanik II) begleitend zur Vorlesung „Festigkeitslehre“ im SS 2011 von Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber HAW Hamburg

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(Technische Mechanik II)

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Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau

Skript Elastizitäts- und Festigkeitslehre

(Technische Mechanik II)

begleitend zur Vorlesung „Festigkeitslehre“

im SS 2011

von Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

HAW Hamburg

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -3-

Gliederung der Vorlesung

0 Einführung

1 Grundlagen der Elastizitätstheorie

1.1 Übersicht

1.2 Spannungen

1.2.1 Normalspannungen

1.2.2 Tangentialspannungen (Schubspannungen)

1.2.3 Hauptnormalspannungen

1.2.4 Hauptschubspannungen

1.3 Verzerrungen

1.4 Materialgesetz für elastische Körper

1.4.1 Übersicht

1.4.2 Hookesches Gesetz

1.4.3 Verallgemeinertes Hookesches Gesetz

2 Grundbeanspruchungen

2.1 Einführung

2.2 Zug und Druck

2.2.1 Stäbe

2.2.1.1 Ausgangssituation

2.2.1.2 Spannungsverteilung

2.2.1.3 Verformung

2.2.1.4 Bemessung

2.2.2 Dünnwandige Zylinder

2.2.3 Beispiele

2.3 Biegung

2.3.1 Einführung

2.3.2 Gerade Biegung

2.3.2.1 Definition

2.3.2.2 Berechnung der Dehnung am Balkenelement

2.3.2.3 Spannungsberechnung

2.3.3 Axiale Flächenmomente

2.3.3.1 Einführung

2.3.3.2 Definition des Flächenmomentes 2. Grades

2.3.3.3 Gruppensatz

2.3.3.4 Satz von Steiner

2.3.3.5 Beispiele

2.3.4 Biegelinie

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-4- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

2.3.4.1 Einführung

2.3.4.2 Differentialgleichung der elastischen Linie

2.3.4.3 Direkte Integration der DGL der Biegelinie

2.3.4.4 Überlagerung (Superposition) von Durchbiegungen

2.3.5 Schiefe Biegung

2.3.5.1 Einführung

2.3.5.2 Biegeachsen sind Hauptzentralachsen

2.3.5.3 Biegeachsen keine Hauptzentralachsen

2.4 Schub

2.4.1 Abscherung

2.4.2 Schub infolge Querkraft bei Biegung

2.4.2.1 Einführung

2.4.2.2 Balken mit Vollquerschnitten

2.4.2.3 Balken aus dünnwandigen offenen Profilen

2.4.3 Schubmittelpunkt

2.5 Torsion ohne Wölbbehinderung

2.5.1 Einführung

2.5.2 Kreisvollquerschnitte

2.5.3 Dünnwandige geschlossene Hohlquerschnitte

2.5.4 Sonstige Querschnitte

2.5.4.1 Dünnwandige offene Profile

2.5.4.2 Allgemeine Vollquerschnitte

2.6 Zusammenfassung der Grundbeanspruchungen

3 Zusammengesetzte Beanspruchung

3.1 Einführung

3.2 Festigkeitshypothesen

3.3 Berechnung der Vergleichsspannungen

4 Statisch unbestimmte Systeme

4.1 Einführung

4.2 Statisch unbestimmte Stabsysteme (Zug/Druck)

4.3 Statisch unbestimmt gelagerte Balken bei Biegung

5 Eulersche Knicktheorie

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -5-

0 Einführung

Gliederung der Mechanik

- TM 1: Statik starrer Körper - TM 2: Festigkeitslehre - TM 3: Kinetik

Aufgaben der Festigkeitslehre

Berechnung der inneren Beanspruchung (=Spannung) und Verformung eines Bauteils aus der äußeren Belastung und der Bauteilgeometrie und Vergleich mit zulässigen Werten.

Innere Beanspruchung

K: z.B.: Zugfestigkeit Rm

Streckgrenze Re

S: nötig wg. Unsicherheiten (Werkstoffkennwert, Belastung, Toleranzen bei Fertigung, Vereinfachungen in Berechnungsmethoden

Verformung

K: z.B.: Bruchdehnung b

Bei schlanken bzw. dünnwandigen Bauteilen besteht zusätzlich Gefahr des Knickens, Kippens oder Beulens

Stabilitätsproblem: gewinnt zunehmend an Bedeutung in Leichtbau (Materialeinsparung)

Vorhandene innere

Beanspruchung, z.B. svorh

Bed.: svorh<szul

Zulässige Werkstoff-

Beanspruchung, z.B. szul=K/S

Äußere BelastungBauteilgeometrie Werkstoffkennwert K Sicherheit S

Vorhandene Verformung,

z.B. vorh

Bed.: vorh< zul

Zulässige Werkstoff-

Beanspruchung, z.B. zul=K/S

Äußere BelastungBauteilgeometrie Werkstoffkennwert K Sicherheit S

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-6- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Grundaufgabenstellungen (entsprechen den vier Hauptparametern)

Gesuchte Größe Aufgabe Beispiel

Bauteilabmessungen Dimensionierung Auslegung während der

Konstruktionsphase

Sicherheitsfaktor Sicherheitsnachweis

(od. Spannungs-, Verformungs-, Stabilitätsnachweis)

Genaue Berechnung der fertigen Konstruktion gemäß

der Vorschriften

Werkstoffkennwert Werkstoffauswahl Vor/während der Dimensionierung

Belastung Tragfähigkeitsnachweis Maximal zulässige Last nach Auftreten von Rissen u.v.m

Voraussetzungen der elementaren Festigkeitslehre

(a)

(b) Verhalten unter Einwirkung von äußeren Lasten ist bekannt (z.B. Hookesches Gesetz, Spannung ~Dehnung)

(c) Beschränkung auf kleine, elastische Verformungen

Erforderliche Grundkenntnisse

(a) Statik (TM 1): Zur Beherrschung der äußeren und inneren Kräfte (Schnittprinzip) (b) Werkstoffkunde und Werkstoffprüfung: Zur Beherrschung der Materialeigenschaften unter

Last

Damit manuelle Berechnung vieler Bauteile ohne wesentliche Einschränkungen prinzipiell möglich: Die Grundlage hierfür bildet die Elastizitätstheorie.

Exakte Berechnung dreidimensionaler Gebilde jedoch in der Regel zu schwierig, z.B. Automobilkarosserie, Flugzeugstrukturen. Dort kommen im Allgemeinen numerische Nährungsverfahren zum Einsatz, z.B. Finite-Elemente-Methoden (FEM).

Körper homogen und isotrop

Die Eigenschaften sind in jedem Punkt gleich

Die Eigenschaften sind in jedem Punkt richtungsunabhängig

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -7-

Abbildung: FEM-Berechnung einer Sandwichstruktur

Abbildung: Crashsimulation eines PKW mittels FEM

Für technische Festigkeitslehre werden vereinfachende Bauformen verwendet:

Dies führt in vielen Fällen zu einem schnellen und genügend genauen Ergebnis per Handrechnung (z.B. Getriebewelle, MEL). Auch wenn heute überwiegend mit spezieller Software gerechnet wird, sind die in TM 2 erlernten Methoden dennoch unverzichtbar, u.a. zur Kontrolle und Beurteilung der numerischen Ergebnisse und zum Umgang mit Berechnungssoftware.

Stab, Balken, Scheibe, Platte

1-dim. 2-dim.

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-8- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Beanspruchungsarten

Die Beanspruchung eines Bauteils lässt sich im Allgemeinen in typische Grundbeanspruchungen zerlegen:

In der Praxis treten häufig aus den o.g. Grundbeanspruchungen zusammengesetzte Beanspruchungen auf.

Zeitlicher Verlauf der Belastung

Auch der zeitliche Verlauf der Belastung hat einen Einfluss auf die Beanspruchung.

Ruhende Belastung (statisch) Zufällige Belastung (dynamisch)

F F F F

M MF

F

ZugDruck

BiegungSchub

Torsion

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -9-

Sinusförmige Belastung (dynamisch) Schlagartige Belastung (dynamisch)

Beispiele:

Ruhend (Statisch): Hochregallager, durch Gewichte belastet

Regellos (stochastisch): Schwingungsdämpfer, Stoßdämpfer

Sinusförmig (harmonisch): Unwucht einer Welle bei konstanter Drehzahl

Schlagartig: Explosion, Fahrzeugcrash

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-10- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

1. Grundlagen der Elastizitätstheorie 1.1 Struktur der Vorlesung

1.2 Spannungen Grundannahme: die Kraftübertragung im Inneren eines Bauteils erfolgt an jeder gedachten Schnittfläche durch flächenhaft verteilte Kräfte (Spannungsprinzip von Euler und Cauchy).

Äußere Belastungen

Innere Bean-spruchungen

Verformungen

…reagiert mit…

Bauteil

… wirken auf…

Stoffgesetz (Materialgesetz) (Kap. 1.4)

Spannungen(Kap. 1.2)

Verzerrungen (Kap. 1.3)

Grundbeanspruchungen

Zug/Druck (Kap. 2.2)Biegung (Kap. 2.3)Schub (Kap. 2.4)Torsion (Kap. 2.5)

Zusammengesetzte Beanspruchung (Kap 3)

Eulersches Knicken(Kap. 5)

Statisch unbestimmte Systeme(Kap. 4)

F1F2

F3

Beliebig geformter Körper unter Einwirkung

von äußeren Lasten

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -11-

Ein Schnitt durch den Körper legt die inneren Kräfte frei:

Innere Kräfte werden sichtbar und damit berechenbar.

Zugehörig zu den Elementen der Schnittkräfte N und Q (in der Ebene) werden zwei grundlegende Spannungstypen unterschieden.

1) Normalspannung (auf die Fläche bezogene Normalkraft) 2) Schubspannungen, auch Tangentialspannungen (auf die Fläche bezogene Querkraft)

Wirkungsweise der Spannungen:

Normalspannungen führen zunächst zu elastischer Verformung und trennen dann bei sprödem

Material (z.B. Grauguss) die in Kraftrichtung hintereinanderliegenden Körner (Trennbruch!)

Schubspannungen bewirken bei zähem Material (Baustahl) ebenfalls zunächst eine elastische

Verformung, dann aber ein Abgleiten der Kristalle. Diese führt zur plastischen Verformung des

Materials und schließlich zur Zerstörung durch Abscherung.

A

x

y

z

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-12- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Die Angabe eines resultierenden Spannungsvektors

s

S zu einer gedachten Schnittfläche ist jedoch nicht ausreichend, um den Spannungszustand in einem beliebigen Punkt P eines Körpers vollständig zu beschreiben (unendlich viele Schnittflächen mit dazugehörigen Spannungsvektoren denkbar. Frage 1:

Für wie viele Schnittebenen durch einen Körperpunkt P muss man den Spannungsvektor S

kennen, um ihn für beliebig gerichtete Schnittebenen durch P angeben zu können? ( Spannungszustand vollständig beschrieben) Antwort:

y

z

x

P

x

z

y

y

z

x

P

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -13-

Frage 2: Sind alle Komponenten unabhängig voneinander oder gibt es irgendwelche Einschränkungen? Antwort:

y

z

x

P

y

z

x

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-14- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Darstellung des Spannungszustandes Vollständige Darstellung Vereinfachte Darstellung Frage 3: Der Spannungszustand ist nun vollständig bekannt. Wie kann nun der Spannungsvektor für eine beliebig gerichtete Schnittebene ermittelt werden? Antwort:

bekannter Spannungszustand gesuchter Spannungszustand

x

y

yx

xs

y

x

ys

xy

yx

yx

ys

xy

xs

y

x

s

s

s

s

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -15-

Beispiel 1: Zugstab Hier: einachsiger Spannungszustand, d.h. bei einem Schnitt senkrecht zur Längsachse ist nur sx

vorhanden, xy = yx = 0 und sy = 0. Gegeben: sx; xy = yx = sy = 0

Gesucht: s; =

Lösung: Fragen: 1) Wie groß sind maximale Normal- und Schubspannungen? 2) Unter welchem Winkel treten Sie auf? Fazit:

- Auch im Zugstab treten Schubspannungen auf - Die Spannungen hängen von der Orientierung der Schnittebene ab - Der Winkel zwischen den Schnittflächen mit smax und max beträgt 45° (gilt allgemein!) - beim Druckstab nur Vorzeichenwechsel

y

x

F F

F F

s

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-16- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Beispiel 2: Ebener hydrostatischer Spannungszustand

Gegeben: sx = sy = s; xy = yx = 0

Gleichseitiger oder allseitiger Zug/Druck

Gesucht: s; =

Lösung:

Fazit: - Normalspannungen sind in allen Schnittrichtungen gleich - Schubspannungen sind immer null - Der Name „hydrostatisch“ kommt daher, dass der Druck in einem Punkt einer ruhenden

Flüssigkeit ebenfalls in allen Richtungen gleich ist. - Da die Schubspannungen hier immer Null sind, lässt sich ein Körper durch einen

hydrostatischen Spannungszustand nicht plastisch verformen.

y

x

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -17-

Hauptspannungen (maximale Spannungen) s, s und hängen von der Schnittrichtung, d.h. vom Winkel ab. Für bestimmte Winkel nehmen Sie Extremwerte an. Diese Extremwerte nennt man Hauptspannungen. 1.2.3 Hauptnormalspannungen

Extremwerte treten auf bei 0d

d

s (oder 0d

d

s )

Aus ss

ss

s 2sin2cos22

xyyxyx folgt somit:

Schnittflächenwinkel, bei dem ein Extremwert der Normalspannung auftritt:

Tangensfunktion ist -periodisch, d.h.

22tan)2tan( . Damit ist Gleichung (V) für zwei

senkrecht aufeinander stehende Schnittrichtungen und

2 erfüllt, die sogenannten

Hauptrichtungen. Die zugehörigen Schnittebenen heißen Hauptspannungsebenen. Die Normalen zu diesen Ebenen bilden das Hauptachsensystem (HAS). Seine Achsen werden mit 1 und 2 bezeichnet, die entsprechenden Hauptspannungen mit s1 und s2. Die zu den Hauptrichtungen gehörenden Normalspannungen erhält man durch Einsetzen (V) (Bestimmung von ) in (I) zur Berechnung von s und (III) zur Berechnung von s. Die Extremwerte der Normalspannungen s1 und s2 ergeben sich dann zu:

2xy

2

yxyx2/1

22

ss

sss (VI)

- s1 und s2 sind die Hauptnormalspannungen (oft kurz: Hauptspannungen) - Die Hauptspannungen zeigen in Richtung der Achsen 1 und 2 - Übereinkunft: s1 > s2

- Durch Einsetzen von und

2 in (II) ergibt sich: 12 = 21 = 0, d.h. im HAS sind die

Schubspannungen immer null!

Somit vereinfacht sich der Spannungstensor im Hauptachsensystem:

s

s

yyx

xyxS~~

s

s

2

1

0

0S~~

Beliebiges System (x,y,z) Hauptachsensystem HAS (1,2,z)

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-18- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

ACHTUNG: Beide Spannungstensoren beschreiben den Spannungszustand im gleichen Punkt P!

Anmerkungen: - xy = 0 sx und sy sind Hauptspannungen s1 und s2 - Seien die Hauptspannungen s1 und s2 gegeben, dann folgt aus (I), (II) und (III):

ss

ss

s

2cos22

2121

,

und

ss

2sin2

21

sx

sy

yx

xy

x

y

P

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -19-

1.2.4 Hauptschubspannungen

Die Hauptschubspannungen sind die Extremwerte der Schubspannungsfunktion (). Bedingung

ist daher wieder:

0d

d

Daraus folgt mit:

ss

2cos2sin2

xyyx

Damit ergibt sich der Schnittflächenwinkel, unter dem ein Extremwert der Schubspannung auftritt:

Hieraus ergeben sich wieder zwei Winkel, nämlich und

2

Multipliziert man Gleichung (VII) mit Gleichung (V) für so folgt

tan 2tan 2 = -1 und daraus ohne Herleitung:

4

Also halbieren die Hauptschubspannungen die Winkel zwischen den Hauptspannungsebenen. Das

bedeutet, die Richtungen ( extremaler Schubspannungen sind zu den Richtungen

extremaler Normalspannung unter 45° geneigt (Siehe auch Beispiel 1: Zugstab).

Die Extremwerte der Schubspannungen heißen Hauptschubspannungen, sie ergeben sich durch

Einsetzen von (VII) für in (II) für (nach trigonometrischen Umformungen) zu:

Die Koordinatenachsen in Richtung der Hauptschubspannungen werden mit 1* und 2* bezeichnet.

In den Hauptschubspannungsebenen sind im Allgemeinen auch Normalspannungen

vorhanden. Setzt man in die Transformationsgleichungen (I) bzw. (III) ein, so erhält man:

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-20- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Beispiel 3: Homogener Spannungszustand in ebenen Blech

In einem Blech wirkt ein homogener Spannungszustand mit sx= -64 N/mm², sy = 32 N/mm² und xy = -20 N/mm²

Bestimmen Sie

a) Die Spannungen in einem Schnitt unter 60° zur x-Achse

b) Die Hauptspannungen und Hauptrichtungen

c) Die Hauptschubspannungen sowie die zugehörigen Schnittrichtungen

Skizzieren Sie die Spannungen in ihren Schnittflächen

y

x

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -21-

Mohrscher Spannungskreis - Grafische Interpretation der Koordinatentransformation - Drehung des Koordinatensystems um φ (math. positiv, d. h. gegen den Uhrzeigersinn)

entspricht einer Drehung im Mohrschen Kreis um 2φ in gleicher Richtung

Konstruktion des Mohrschen Kreises aus σx, σy und τxy: 1 Lageplan (Skizze) anfertigen: Spannungen (sx, sy, xy, yx) vorzeichenrichtig in die Skizze eintragen

(in dieser Skizze alle Spannungen positiv!) 2 Einzeichnen von sx und sy auf der s-Achse unter Beachtung des Vorzeichens 3 In diesen Punkten Schubspannungen τxy = τyx auftragen. Dabei gilt folgende Regel: In positive

(negative) Richtung, wenn im Lageplan das Körperinnere in Pfeilblickrichtung der Schubspannung rechts (links) liegt.

4 Mit (x) und (y) liegen 2 Punkte des MSK (Mohrschen Spannungskreis) fest. Schnittpunkt mit der s-Achse entspricht dem Mittelpunkt sm.

sx

sy

yx

xy

x

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-22- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Auswertung des Mohrschen Spannungskreises Bei gegebenen Spannungszustand sx, sy und xy lassen sich die Spannungen des um gedrehten Systems s, s und aus dem MSK gemäß der Skizze ablesen. Ebenfalls lassen sich die Hauptspannungen s1 und s2, sowie die Hauptschubspannung 1*2* aus dem Spannungskreis ablesen. Das Vorzeichen der Schubspannung ist aus der o.g. Konvention ersichtlich.

(x)

(y)

sx

sy

|yx|

|xy|

KR (körperinneres rechts)

KL (körperinneres links)

|ji|

|ij|

sm

(x)

(y)

s

s

sx

sy

s1s2 2

|yx|

||

|xy|

||

KR (körperinneres rechts)

KL (körperinneres links)

|2*1*|

|1*2*|

|ji|

|ij|

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -23-

Sonderfälle des ebenen Spannungszustandes

1) Einachsiger Zug/Druck

2) Hydrostatischer Spannungszustand

3) Reiner Schub

s

s1s2s1s2

s

s1=s2

s

s1s2

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-24- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

1.3 Beschreibung des Verformungszustandes

Äußere Belastungen

Bauteil

VerformungenInnere Bean-spruchungen

…reagiert mit…

… wirken auf…

Spannungen Verzerrungen

Verformungen sind im Gegensatz zuSpannungen sichtbar bzw. messbar

Verformungen durch Änderung von

Längenabmessungen Winkelabmessungen

F F

Längenänderung

ursprüngliche Länge= Dehnung Winkeländerung= Gleitwinkel g/Gleitung

Dehnungen und Gleitungen gemeinsam heißenVerzerrungen des Körpers

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -25-

Einfachster Fall: Zugstab

u(x)

x

u1

x

u

u2

x=0 x=lx x+x

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-26- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Ebener Verzerrungszustand

Beispiel: Ebenes Blech, Verformungen bleiben in der Blechebene

Verformtes Blech (stark übertrieben)

Annahmen:

Verschiebungen und Verzerrungen für den ebenen Fall

1. Nur sehr kleine Winkeländerungen2. Nur sehr kleine Längenänderungen

Vereinfacht stark die mathematischen Beziehungen

y

x

A B

CD

x

y

x+dx

y+dy

A‘

B‘

C‘

D‘

u(x,y)

v(x

,y)

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -27-

Fazit und weitere Aussagen

Die Verzerrungen x, y, z, gxy = gxy, gxz = gzx, gyz = gzy folgen aus den Verschiebungen u(x,y,z),

v(x,y,z), w (x,y,z) des Punktes P durch partielle Differentiation.

Die Verschiebungen können aus den Verzerrungen durch Integration berechnet werden, wozu

jedoch die Verträglichkeitsbedingungen erforderlich sind, die die Dehnungen mit den Gleitungen

verknüpfen, da aus sechs Verzerrungen drei Verschiebungen gewonnen werden sollen.

Bezeichnungen:

x, y, z : Dehnungen

xy = yx, xz = zx, yz = zy : Gleitungen

gxy = gxy, gxz = gzx, gyz = gzy : Gleitwinkel

Dehnungen und Gleitungen heißen zusammen Verzerrungen.

Gleitwinkel (Ingenieurkenngröße) und Gleitung (tensorielle Größe) hängen folgendermaßen

zusammen:

Dehnungen und Gleitungen definieren den symmetrischen Verzerrungstensor, der den

Verzerrungszustand in einem Punkt P vollständig beschreibt:

gg

gg

gg

zzy21

zx21

yz21

yyx21

xz21

xy21

x

zzyzx

yzyyx

xzxyx

ijV

Für isotropes Material gilt:

Die Hauptachsen (1,2,3) des Verzerrungs- und Spannungstensors fallen zusammen. Die Bestimmung

der Hauptdehnungen 1, 2, 3 (Gleitungen 12, 23 , 13 sind null!) erfolgt analog zur Bestimmung der

Hauptspannungen. Es gelten die gleichen Transformationsformeln und Zusammenhänge, da beides

Tensoren sind.

x

y

yx

xy

gxy = yx + xy

gxy = xy

gxy

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-28- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

1.4 Materialgesetz für elastische Körper

1.4.1 Übersicht

Es ist nun bekannt, wie Spannungen in einem Körper beschrieben werden können, und wie der

Verzerrungszustand eines Körpers beschrieben werden kann. Nun ein Zusammenhang gesucht,

welche Spannungen welche Verformungen verursachen, bzw. welche Verformungen welche

Spannungen verursachen.

Dieser gesuchte Zusammenhang zwischen Verzerrungen und Spannungen heißt

Materialgesetz (Stoffgesetz)

Dieses Gesetz verknüpft die im Körper auftretenden Spannungen mit den Verzerrungen.

Das Materialgesetz…

… ist werkstoffabhängig

… kann nur experimentell ermittelt werden

… existiert in vielen unterschiedlichen Varianten (elastisch/plastisch, linear/nichtlinear,

mit/ohne Zeit-/Lasteinfluss, etc.)

1.4.2 Hookesches Gesetz

1) Zugversuch (wichtigster Versuch der Werkstoffkunde)

Zugversuch nach DIN EN 10002

Kennzeichen:

- einachsiger Spannungszustand

- Ziehen von Rund- oder Flachstäben mit konstanter Abzugsgeschwindigkeit

- Folgende Messgrößen werden erfasst

o Last F Normalspannung:

S0 : Ausgangsquerschnitt

o L Dehnung

L0 : Bezugslänge

sDiagramm

0S

Fs

0

0

L

)LL(

L

L

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -29-

Spannungs-Dehnungsdiagramm eines Stahls mit ausgeprägter Streckgrenze

mit: Rp0,01: 0,01%-Dehngrenze

sE : Elastizitätsgrenze

Re : Streckgrenze

Rm: Zugfestigkeit

Spannungs-Dehnungsdiagramme verschiedener Metalle

Von sx = 0 bissx = Rp0,01: linear elastisches Werkstoffverhalten

sx ~ x so lange keine bleibende (plastische) Verformung

Dehnung

Span

nu

ng

s

Rp

0,0

1

Re R

m

sE

Dehnung

Span

nung s hochfester Stahl

mittelfester Stahl

Grauguss

Aluminiumlegierung

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-30- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Zusammenfassung des einachsigen Spannungszustandes

y

x

F F

sx = s1

L0

L

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -31-

2) Torsionsversuch

Torsion eines dünnwandigen Rohres durch ein Kräftepaar (reines Moment) reiner Schub

Abb.: Darstellung von reinem Schub im Mohrschen Spannungskreis

s

s1s2

F

F

r

t

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-32- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

2 Grundbeanspruchungen

2.1 Bemessung

Bemessung von Strukturen ist oft die wichtigste Tätigkeit von Ingenieuren.

Bei ruhender Belastung kann ein Versagen den Bauteils eintreten durch

a) Bruch (Überschreiten von szul)

b) Unzulässige Verformung (Überschreiten von lzul, zul, fmax, max)

c) Instabilität (z.B. Knicken, Beulen)

Zwei Arten der Bemessung sind üblich:

1) Direkte Bemessung:

Gegeben: Grenzwerte z.B.: szul, lzul

Gesucht: Querschnitt, Abmessungen, so dass die tatsächlichen Größen smax, lmax

die Grenzwerte nicht überschreiten.

2) Indirekte Bemessung:

Gegeben: Abmessungen (z.B. Querschnitt A) sind technisch bedingt vorgegeben,

außerdem ist szul, bekannt.

Gesucht: Nachweis, dass Grenze szul nicht überschritten wird

2.2 Zug und Druck, dargestellt am Stab

2.2.1 Ausgangssituation

Ein gerader Stab werde zentrisch, d.h. im Schwerpunkt (SWP) seiner Querschnittsfläche durch eine

Kraft F auf Zug bzw. Druck belastet.

Gesucht: Spannungen Verzerrungen Bemessung

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -33-

2.2.2 Spannungsverteilung

Hinweis: Obige Annahme der homogenen Spannungsverteilung gilt nur in genügender Entfernung

vom Kraftangriffspunkt. Dieser Abstand liegt etwa in der Größenordnung des Durchmessers des

Stabes

Stab unter Zuglast

Schnittreaktionen

Spannungsverteilung

Schnittebene

resultierendeNormakraft

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-34- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Allgemeiner Fall

Stab mit veränderlichem Querschnitt und veränderlicher Belastung (z.B. Stab unter Eigengewicht

und zusätzlicher Einzellast)

z

N(z)

Normalkraftverlauf

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -35-

Beispiel: Zylindrischer Stab mit linearer Änderung des Durchmessers

Geg.: F, Gges, l

r(z=0) = 2r0 ; r(z=l) = r0

Ges.: Normalspannungsverlauf

F

2r0

4r0

l

z

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-36- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

2.2.3 Verformung

Anmerkungen:

a) Bisherige Annahme: allmähliche, geringe Querschnittsänderungen. Bauteile mit Absatz,

Kerben, Nuten sind so nicht berechenbar. Hier kommt die Kerbspannungslehre zum

Einsatz. Hier werden experimentell ermittelte Formzahlen k verwendet, um diesen

Einsatz zu berücksichtigen

b) Die Theorie des Zugstabes kann auch auf dünnwandige, zylindrische Kessel angewandt

werden (s. Kap. 2.2.4)

y

z

F F

l

l‘ = l + l

x

w(0) w(l)

z = 0 z = l

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -37-

2.2.4 Dünnwandige zylindrische Kessel

Ausgangssituation:

- Kreiszylindrischer Druckbehälter unter konstantem Innendruck pi, durch Deckel (Form

unerheblich) verschlossen.

- Mittlerer Radius r, Wanddicke t (Hinweis: dünnwandig heißt: 18,0r

t )

Unter diesen Voraussetzungen liegt in der Oberfläche näherungsweise ein spezieller, zweiachsiger

Spannungszustand vor.

Dieser Spannungszustand soll im Folgenden hergeleitet werden:

1) Axialer Schnitt durch den Druckbehälter

Kräfte GG in Längsrichtung:

2) Longitudinaler Schnitt durch den Druckbehälter

Kräfte-GG quer zur Längsrichtung:

pi

su

su

sl

sl

sl

p i r2

p 2rli

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-38- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Beispiel 1: Stabwerk

Gegeben: Einfaches Fachwerk (s. Skizze)

Vorgeschrieben: szul = 10.000 N/cm²

lzul = 2,5 mm

Gesucht: Konstanter, kreisförmiger

Querschnitt der Zugstange Z

aus Stahl (E = 210 GPa)

l = 500 cm

BA

F = 100 kN

60° 60°

1 2

Z

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -39-

Beispiel 2: Hohlzylinder

In einem Hohlzylinder aus Kupfer (Querschnittsfläche AK, Elastizitätsmodul Ek) befindet sich ein

Vollzylinder gleicher Länge aus Stahl (AS, ES). Beide Zylinder werden durch eine Kraft F über eine

starre Platte gestaucht.

a) Wie groß sind die Spannungen in den Zylindern?

b) Wie groß ist die Zusammendrückung?

F

AK

EK

AS

ES

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-40- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Beispiel 3: Druckbehälter

Ein dünnwandiger Druckbehälter steht unter dem Innendruck pi.

Gegeben: l = 5 m ; r = 1 m ; s = 10 mm E = 210 GPa ; = 0,3 ; szul =150 MPa Gesucht: a) Wie groß darf der Innendruck pi maximal werden, damit szul nicht überschritten wird? b) Wie ändern sich Radius r und Länge l bei pi = pi,max

pi

l

pi

s

r

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -41-

2.3 Biegung 2.3.1 Einführung In dieser Vorlesung beschränkt sich die Behandlung der Biegung auf den ursprünglich geraden Balken. Ein Balken wird auf Biegung beansprucht, wenn Kräfte zur senkrecht zur Längsachse wirken oder Kräftepaare in einer Ebene wirken, die die Längsachse enthält. Die Schnittmomentenvektoren stehen senkrecht auf der Lastebene.

Ausgangspunkt: Reine Biegung (querkraftfreie Biegung) In jedem Querschnitt des Balkens tritt nur ein Biegemoment auf, Querkraft und Normalkraft N sind überall null. Die äußere Belastung besteht dann auch nur aus Momenten (Kräftepaaren).

F , i=1,2,3i

M

Q

N

M

F

z

y

a

a

F

F

z

y

M

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-42- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Der Faserbegriff Der Balken wird gedanklich in ein Bündel von Fasern aufgeteilt. Der gebogene Balken kann dann folgendermaßen dargestellt werden:

vor der Verformung:

nach der Verformung:

Obere Faser: verkürzt (Druck) Mittlere Faser: unverändert (neutrale Faser) Untere Faser: verlängert (Zug) Die neutrale Faser liegt dabei nicht unbedingt in der Mitte zwischen oberer und unterer Faser. Da die Querkraft Q nach Voraussetzung überall null ist, sind auch die Schubspannungen ij überall null. In den Fasern herrscht also reine Normalspannung! Der Spannungstensor ergibt sich somit zu: Aber: Biegespannungen sind Normalspannungen!

obere Faser

mittlere Faser

untere Faser

verkürzte Faser (Dru

ck)

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -43-

2.3.2 Gerade Biegung 2.3.2.1 Definition

Lastebene = Symmetrieebene Häufigster Fall der geraden Biegung: Lastebene liegt in einer Symmetrieebene des Balkens, allgemeine Definition folgt später. Gegenbeispiel:

F1

F2F3

LastebeneF , i=1,2,3i

Querschnitts-hauptachse

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-44- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

2.3.2.2 Berechnung der Dehnung an einem Balkenelement Zunächst reine Biegung (reines Moment, Q = 0, N=0)

A B

l

z

Q(z)

M(z)

z

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -45-

Damit: a) Verzerrungen für jeden Querschnitt A(z) = A = const. sind in diesem Bereich konstant. b) Alle Fasern bilden konzentrische Kreisabschnitte um den gemeinsamen

Krümmungsmittelpunkt. vor der Verformung: nach der Verformung

Folgerung:

Bernoulli-Hypothese (Normalenhypothese) Alle Querschnitte bleiben eben und stehen auch nach der Verformung senkrecht auf der dann gekrümmten Balkenachse (neutrale Faser).

oben unten

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-46- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Folgende Größen sind nun noch unbekannt:

- Lage der neutralen Faser (nicht notwendigerweise Querschnittsmitte) - Krümmungsradius des gebogenen Balkens

Zur Bestimmung der gesuchten Größen werden folgende Kenntnisse verwendet:

1) Lage der Neutralen Faser

2) Krümmungsradius

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -47-

Weiterer wichtiger Begriff: Widerstandsmoment W vergrößern maximale Biegespannung wird kleiner W verkleinern maximale Biegespannung wird größer Damit gilt für die Extremwerte der Biegespannung im Querschnitt (an den Rändern):

1max,Z

W

Ms (Zugseite)

2max,D

W

Ms (Druckseite)

Bei allgemeiner gerader Biegung unter Querkräften und bei veränderlichen Querschnitten ergeben sich die Biegespannungen näherungsweise durch die für reine Biegung (querkraftfreie Biegung) abgeleiteten Beziehungen. Für die maximale Biegespannung gilt somit:

s

s

)z(W

)z(Mmax)z(e

)z(I

)z(Mmax

)z(W

)z(Mmax)z(e

)z(I

)z(Mmax

22

xmax,D

11

xmax,Z

Der Querschnitt mit der maximalen Spannung heißt: Gefährdeter Querschnitt. Bemessung Bei ruhender Belastung tritt Versagen durch

1. Bruch (svorh > szul) 2. unzulässig große Durchbiegung (s. Biegelinie) 3. Instabilität (Kippen)

ein. Bruch oder Fließen tritt ein, wenn |smax| > szul ist. Für eine sichere Konstruktion muss hinsichtlich der Spannung gelten: sZ,max < sZ,zul

sD,max < sD,zul Vorgehensweise

- Indirekte Bemessung: Spannungsnachweis bei gegebenen Abmessungen - Direkte Bemessung: Werf wird so bestimmt, dass szul nicht überschritten wird

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-48- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Sonderfall: sZ,zul = sD,zul = szul (z.B. Stahl) mit konstantem Querschnitt A = const. Dann gilt

zulmin

maxmax

x

maxmax

W

Me

I

Mss

Die minimalen Widerstandsmomente W sind für die gängigen, genormten Trägerprofile in sog. Tabellenbüchern zusammengefasst. (z.B. Dubbel, Hütte) Beispiel: Träger auf 2 Stützen

geg.: l = 6 m F = 40 kN Stahl: szul = 16 kN/mm² ges.: I-Profil

A B

l

Fl/2

z

y

e1 = e2

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -49-

2.3.3 Flächenmomente 2.3.3.1 Einführung Flächenmomente werden als geometrische Hilfsgrößen berechnet und kommen in unterschiedlichen Bereichen der Mechanik zum Einsatz, z.B. in der Statik zur Berechnung der Flächenschwerpunkte. Allgemein sind Flächenmomente n-ten Grades folgendermaßen definiert.

)A(

nx dAyF

)A(

ny dAxF

)A(

2

n

2

n

xy dAyxF

Somit wurde in der Statik (TM 1) das Flächenmoment 1. Grades verwendet, um die Schwerpunkte zu berechnen:

)A(

S dAxA

1x

)A(

S dAyA

1y

Flächenmomente 1. Grades 2.3.3.2 Definition der Flächenmomente 2. Grades (früher: Flächenträgheitsmomente) Querschnittsfläche liegt in der x-y-Ebene Axiale Flächenmomente: Biaxiales Flächenmoment (früher: Deviationsmoment, Zentrifugalmoment)

y

x

y

x

dA

beliebiger Querschnitt

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-50- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Anmerkung: Das negative Vorzeichen ist ohne physikalische Bedeutung, aber in der Literatur üblich. Grund hierfür ist die Darstellung als Flächenmomenten-Tensor. Bei Drehung des Achsensystems gelten die gleichen Transformationsgleichungen wie für Spannungen. Wenn eine der beiden Bezugsachsen x oder y eine Symmetrieachse ist, dann gilt: Bsp:

Anteile heben sich bei der Integration paarweise auf. Das axiale Flächenmoment kann auch bei unsymmetrischen Querschnitten verschwinden. Bei jeder Querschnittsform lässt sich der x-y-KOS mit dem Ursprung im Flächenschwerpunkt so drehen, dass das biaxiale Flächenmoment Ixy = 0 wird. Polares Flächenmoment: Trägheitsradius:

y

x

y

x

dAdA

-x

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -51-

Gruppensatz:

y

x

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-52- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Die Flächenmomente von negativen Flächen (Aussparungen, Bohrungen) werden negativ berücksichtigt. Beispiel:

Flächenmomente 2. Grades verschiedener Flächen dürfen addiert oder voneinander subtrahiert werden, wenn sie auf dieselben Bezugsachsen bezogen sind. Berechnung der Flächenmomente durch Integration

1) Rechteckquerschnitt

= -

y

x

y

x

y

x

x

y

S

b

h

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -53-

2) Kreisquerschnitt

x

y

S

R

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-54- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Beispiele Kreisringquerschnitt

I-Träger

x

y

S

Di

Da

t

B

HD

S

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -55-

Für den I-Träger sind auch andere Flächenaufteilung naheliegend:

Die axiale Flächenmoment Ix ist bei dieser Aufteilung nicht direkt mit dem Gruppensatz berechenbar, da hierzu eine gemeinsame Bezugsachse erforderlich ist. Bisher sind aber nur die Flächenmomente der Rechtecke bezüglich der eigenen Schwereachsen bekannt sind. Bestimmung von Ix ist bis jetzt nur durch direkte Integration möglich. Die Berechnung wird aber durch die Sätze von Steiner erheblich vereinfacht. Sätze von Steiner Die Sätze von Steiner ermöglichen die Berechnung der Flächenmomente bei Parallelverschiebung der Bezugsachsen.

Gegeben: Ix; Iy; Ixy (bezogen auf x-y-KOS mit dem Schwerpunkt als Ursprung) Gesucht: I; I; I

S

A1

A2

A3

y

x

y

x

dA

S

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-56- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Axiale Flächenmomente I; I: Folgerung:

1) Eine Achse muss bei Anwendung des Satzes von Steiner immer Schwerpunktachse sein. 2) Flächenmoment (axial) bezüglich der Schwerpunktachse ist immer kleiner als bezüglich

der zweiten Achse.

y*

x*S

y

x

|ys|

|s|

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -57-

Biaxiales Flächemoment I: Ergebnis: Flächenmomente 2. Grades beliebig zusammengesetzter Flächen werden berechnet, indem die Flächenmomente der Teilflächen auf gemeinsame Bezugsachsen umgerechnet werden (Satz von Steiner) und diese Teilflächen dann zusammenfasst (Gruppensatz).

Page 58: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

-58- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Beispiele

1) Rechteckquerschnitt

2) Zusammengesetzes Profil

x

y

Sh

b

10

10

2

2

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -59-

3) Dreiecksfläche

h

b

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-60- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Drehung des Schwerpunkts-Koordinatensystems um den Winkel Die axialen und biaxialen Flächenmomente werden wie die Spannungen und Verzer-rungen durch einen Tensor beschrieben. Somit gelten für die Transformation der Flächenmomente die gleichen Beziehungen wie für alle Tensoren 2. Stufe.

Somit lautet der Tensor der Flächenmomente 2. Grades:

yxy

xyx

II

III~~

Die Berechnung der Transformation lässt sich somit genauso wie für alle Tensoren 2. Stufe vornehmen. Transformation der axialen Flächenmomente:

2sinI2cosIIIII xyyx21

yx21

2sinI2cosIIIII xyyx21

yx21

Transformation des biaxialen Flächenmomentes:

2cosI2sinIII xyyx21

Polares Flächenmoment:

IIIII yxp

Auch bei den Flächenmomenten 2. Grades existieren Hauptachsen, bei denen die biaxialen Flächenmomente verschwinden (Ixy = I12 = 0) und die axialen Flächenmomente Ix = I1 und Iy = I2 extremal werden. Die Hauptachsen durch den Schwerpunkt S heißen Hauptzentralachsen. Symmetrieachsen sind immer gleichzeitig auch Hauptzentralachsen (Achtung: Die Umkehrung gilt nicht!) Die Hauptflächenmomente werden ebenfalls analog zu den Spannungen berechnet:

2xy

2

yxyx2

12,1 I

2

IIIII

S=O x

y

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -61-

Die Richtung der Hauptzentralachsen ergibt sich dann aus:

yx

xy

II

I22tan

Damit kann die gerade Biegung nun exakt definiert werden:

Die Spur der Lastebene fällt mit einer der beiden Hauptzentralachsen zusammen.

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-62- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

2.3.4 Biegelinie

2.3.4.1 Einführung

Bisher wurden nur die Biegespannungen berechnet. Um das Bauteil zu bemessen, sind

jedoch auch die Verformungen wichtig. Die Verformung eines durch Biegung belasteten

Balkens wird durch die sog. Durchbiegung angegeben. Die Durchbiegung kann

folgendermaßen definiert werden:

Unter der Durchbiegung eines Balkens versteht man die Biegelinie der neutralen Faser,

die man auch als elastische Linie bezeichnet.

2.3.4.1 Differentialgleichung der elastischen Linie

Aus der Spannungsberechnung für die gerade Biegung ist bekannt:

xIE

M

mit : Krümmungsradius der neutralen Faser

Daraus folgt:

xEI

M1

als Gleichung der elastischen Linie.

Für die Praxis ist die Beschreibung der Biegelinie durch den Krümmungsradius aber

umständlich, eine viel praxisnähere Größe ist die Verschiebung v(z) in y-Richtung.

BA

M

z

y, v

v(z)

Biegelinie

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -63-

Vorzeichenkonvention:

Das bedeutet, dass ein positives (negatives) Biegemoment M bewirkt im gegebenen

Koordinatensystem (v = v(z)) eine negative (positive) Krümmung v‘‘(z).

Somit gilt:

y, v(z)

z

MMM > 0

v‘‘ < 0

x .

y, v(z)

z

MM

M < 0

v‘‘ > 0

x .

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-64- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Diese Differentialgleichung ist durch Rand- und Auflagerbedingungen zu ergänzen.

Lösung der DGL durch:

Superposition

Beispiel 1: Kragträger unter Einzellast

Geg: EIx= const. ; l ; F

Ges: Biegelinie (v(z) Max. Durchbiegung f = vmax

z

y, v(z)

l

F

x.

fBiegelinie

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -65-

Beispiel 2: Träger auf zwei Stützen mit konstanter Streckenlast

Geg.: q0= const. EIx = const. l Ges.: v(z), f = vmax

q0

l

A

z

y, v(z)

B.x

f = v(l/2)

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-66- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Beispiel 3: Träger auf 2 Stützen, belastet durch eine außermittige Einzellast

Geg.: EIx = const. a, b, l Ges.: v(z), vmax

Weitere Standardlastfälle sind in Tabellenbüchern tabelliert. Beachten Sie dabei die unterschiedlichen Bezeichnungsweisen für die Achsen und die Flächenmomente. Fazit Die Methode der direkten Integration lässt sich also auch anwenden, wenn ein Balken in verschiedene Bereiche aufgeteilt werden muss (s. Beispiel 3). Ist ein Balken durch mehrere Einzelkräfte und Streckenlasten beaufschlagt, so wird er in n Bereiche aufgeteilt, wobei in

jedem Bereich das Schnittmoment M(z) durch einen Formelausdruck bestimmt werden muss (Aufgabe der Statik). Die abgebildeten Balken haben drei bzw. fünf Bereiche, d.h. auch die Biegelinie besteht aus drei bzw. fünf Stücken. In jedem Bereich kann man die beiden Integrationen der DGL ausführen und erhält dabei je zwei Integrationskonstanten, also insgesamt 2n. An den (n-1) Bereichsgrenzen hat man jeweils die beiden Übergangsbedingungen zu erfüllen, dass v und v‘ kontinuierlich übergehen und erhält daraus 2(n-1) Bedingungsgleichungen. Dazu kommen noch die beiden Auflagerbedingungen, dass entweder in zwei Punkten v = 0 sein muss (Balken auf 2 Stützen) oder dass in einem Punkt v = 0 und v‘ = 0 sein müssen (fest eingespannter Balken). Man hat also immer 2n lineare Bestimmungsgleichungen für die 2n unbekannten Integrationskonstanten und kann so die Aufgabe prinzipiell formelmäßig lösen, jedoch mit teilweise erheblichem Rechenaufwand.

l

A

z

y, v(z)

B.x

a (b)

A

z

y, v(z)

B.x

A

z

y, v(z)

B.x

q0

1

2

3

q0

2 F1

1

3

n=3

n=3

A

z

B.x

F1 F2 F3

q0

21 3 4

5

n=5

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -67-

2.3.4.4 Überlagerung (Superposition) von Durchbiegungen

Die Differentialgleichung der Biegelinie )z(EI

)z(Mv

x

ist eine gewöhnliche, lineare DGL

2. Ordnung. Dies bedeutet, dass die Lösungen für verschiedene Lastfälle überlagert werden dürfen. Dies bezeichnet man als Superpositionsprinzip. Anwendung des Superpositionsprinzips zur Bestimmung der Biegelinie

- Unterteilung des Gesamtlastfalles in einfache Grundlastfälle, deren Lösung in allgemeiner Form tabelliert ist (Biegelinien)

- Angabe der Biegelinien der benötigten Grundlastfälle - Addition der Biegelinien der Grundlastfälle zur Gesamtbiegelinie des Gesamtlastfalles.

Die Superposition ist ebenso möglich bei:

- Neigung: ...)z(v)z(v)z(v)z(v 321

- Moment: M(z) = M1(z) + M2(z) + M3(z) + …

- Querkraft: Q(z) = Q1(z) + Q2(z) + Q3(z) + …

Mit Hilfe des Superpositionsprinzipes und den in Tabellenbüchern tabellierten Grundlösungen für Balken konstanter Biegesteife EI kann also für viele zusammengesetzte Belastungsfälle durch Überlagerung die Gleichung der Biegelinie einfach abgeleitet werden, ohne dass die DGL der Biegelinie integriert werden muss. Anmerkung: Für Balken mit sprungförmigen Querschnittsänderungen (z.B. abgesetzte Wellen) und vielen Kraftangriffspunkten sind häufig Näherungsverfahren erforderlich.

q0 F

q0

F

= +

v(z) = v1(z) + v2(z)

v1(z)

v2(z)

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-68- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Beispiel 4: Träger auf 2 Stützen mit konstanter Streckenlast q0 und Einzelkraft F. Geg.: EIx = const. q0, F, a, b, l Ges.: v(z)

Lösung:

Lastfall 1 Lastfall 2

l

A

z

y, v(z)

B.x

a (b)F

q0

A

z

y, v(z)

B.x

A

z

y, v(z)

B.x

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -69-

Beispiel 5: Träger auf 2 Stützen mit veränderlichem Querschnitt und Einzelkraft F Geg.: EI1 = const. EI2

= const. l, a, F Ges.: v(l+a)

l

A

z

y, v(z)

Bx

F

C

.

a

EI1EI2

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-70- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

2.3.5 Schiefe Biegung 2.3.5.1 Einführung Wenn die Spur der Lastebene zwar durch den Flächenschwerpunkt S geht, aber nicht mit einer der Hauptzentralachsen 1,2 zusammenfällt, dann liegt schiefe (zweiachsige) Biegung vor.

Die Durchbiegung der neutralen Faser erfolgt dann nicht nur in y-Richtung (v(z)), sondern auch in x-Richtung (u(z)). Bei der Berechnung der Durchbiegung bei schiefer Biegung ist die Unterscheidung in zwei Fälle zweckmäßig:

a) Gegebene Koordinatenachsen x, y sind Hauptzentralachsen 1,2. Es wirken Biegemomente sowohl um die x-Achse als auch um die y-Achse. (2.3.5.2)

b) Gegebene Koordinatenachsen sind keine Hauptzentralachsen 1,2 (2.3.5.3)

A B

F

z

y

M(z)

F

xS

y

.

1

2

M(z) z

Lastebene

.

Page 71: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -71-

2.3.5.2 Gegebene Koordinatenachsen x,y sind Hauptzentralachsen 1,2 z.B. Rechteckquerschnitt mit Biegemomentenbelastung unter einem Winkel * gegen die 1- (x-) Achse. Vorgehensweise Zerlegung des Momentenvektors M(z) in Richtung der zwei Hauptzentralachsen x und y.

Jetzt getrennte Betrachtung der beiden Lastfälle (Mx und My) mit den Ergebnissen der geraden Biegung.

Ms(z)

x,1

y,2

Mx(z)

x,1

y,2

=

Mx(z) = M(z) cos My(z) = M(z) sin

S.

x,1

y,2

My(z)

+

Page 72: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

-72- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Die Vorzeichenunterschiede beruhen auf der unterschiedlichen Wirkung von Mx und My.

Ein positives Mx bewirkt bei positivem y Ein positives My bewirkt bei positivem eine Zugspannung sZ > 0 x eine Druckspannung sD > 0

z

y

x.

Mx

sD> 0

sZ > 0

v‘‘ < 0

Mx

Mx

z

x

y.

My

sD> 0

sZ > 0

u‘‘ > 0

My

My

y, v(z)

z

v‘‘ < 0

x . x, u(z)

zy

Mx Mx

u‘‘ > 0

My My

Positives Mx negative Krümmung von v(z) Positives Mypositive Krümmung von u(z)

Page 73: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -73-

Wichtig: Die Größen Mx, My, x, y und * sind Koordinaten und damit vorzeichenbehaftet einzusetzen. Lage der Spannungsnulllinie

Die Lage der Spannungsnulllinie (SNL) fällt im Allgemeinen nicht mit der Richtung von M

(das wäre *) oder einer der Hauptzentralachsen zusammen. Sie geht aber weiter durch den Schwerpunkt. Bei gerader Biegung:

Bei schiefer Biegung:

Mx(z)

x

y

s

y

sD > 0

sZ > 0

SNL

Spannungen um 90° indie Zeichenebene geklappt

Ms(z)

x

y

S.

SNL

Im Allgemeinen gilt *

Richtung von SNLHZAM

Page 74: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

-74- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Die Biegung erfolgt um die SNL, d.h. die max. Biegespannungen treten in den Punkten P1 und P2 auf, die am weitesten von der SNL entfernt sind (P1 und P2 werden am einfachsten aus der Anschauung bestimmt.)

Ms(z)

x

y

S.

SNL

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -75-

2.3.5.3 Gegebene Koordinatenachsen sind nicht Hauptzentralachsen 1,2

Vorgehensweise 1. 2. 3.

xS

y

.

1

2

M(z)

z

Spur der Lastebene

Page 76: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

-76- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Beispiel: Gleichschenkliger Winkelträger

Ein gleichschenkliger Winkelträger der Länge 2l, der in A zweiwertig und in B einwertig gelagert ist, wird mittig durch die Einzelkraft F belastet.

a) Bestimmen Sie aus der Anschauung die Hauptzentralachsen des angegebenen Profils und zeichnen Sie die Achsen in die Querschnittskizze ein.

b) Berechnen Sie die Hauptflächenmomente I und I und überprüfen Sie damit Ihr Ergebnis (Es muss gelten: I > I)

c) Berechnen Sie den Biegemomentenverlauf im gesamten Träger (0 < z < 2l) und bestimmen Sie den Maximalwert. Zeichnen Sie den Biegemomentenvektor des Betrages Mmax in die Querschnittskizze ein und zerlegen ihn in seine Komponenten M und M in Richtung der Hauptzentralachsen.

d) Stellen Sie unter Verwendung der Beziehung I/I= 3,65 die Gleichung für die Spannungsnulllinie auf und skizzieren Sie den Verlauf in der Querschnittskizze.

e) Berechnen Sie die größte Zug- und Druckspannungen im Querschnitt.

x

y

S

F

.

45°

A B

2l

Fl

z

y

Page 77: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -77-

2.4 Schub 2.4.1 Abscherung Ein Stabquerschnitt A-B- ist auf Abscherung beansprucht, wenn an ihm zwei äußere Kräfte F mit eng beieinander liegende Wirkungslinien quer zur Längsachse angreifen.

In dem belasteten Querschnitt A-B treten Schubspannungen auf, die man auch als (Ab-) Scherspannung a bezeichnet. Diese Art der Beanspruchung liegt z.B. in Nieten, Scherstiften, Kleb- und Schweißverbindungen und beim Schneiden oder Stanzen von Blechen vor. Der auftretende Spannungszustand ist äußerst kompliziert, denn neben den Schubspannungen können auch Normalspannungen infolge Zug, Druck und Biegung vorkommen. Dadurch, dass die vorhandenen Kräfte nicht auf der gleichen Wirkungslinie liegen (Abstand e), wird der Stab über das Moment M = F e z.B. zusätzlich auf Biegung beansprucht. Bei der typischen Scherbelastung kann man jedoch im Allgemeinen die übrigen Spannungen gegenüber den Schubspannungen vernachlässigen. Mit der sicher nicht vollständig zutreffenden Annahme, dass sich die Scherspannung a

gleichmäßig über den Abscherquerschnitt A verteilt, erhält man die Beziehung: Wenn a,zul die zulässige Scherspannung ist (durch Scherversuche zu ermitteln) gilt für den Spannungsnachweis: und für die Bemessung:

z

x.

y, v(z)

A

B

F

F

e

A

A: AbscherquerschnittF

A

A

B

a

Page 78: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

-78- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

2.4.2 Schub infolge Querkraft bei Biegung 2.4.2.1 Einführung Bei allgemeiner Biegung mit .const)z(M ist wegen stets eine Querkraft Q(z)

vorhanden, die eine Schubbeanspruchung des Balkens verursacht.

Die Querkraft Q(z) bewirkt Schubspannungen in der Querschnittsfläche A, aber auch ins Längsrichtung. Die Schubspannungen in Längsrichtung leicht nachweisbar: Bsp.: Durchbiegung eines Stapels lose aufeinander gelegter Platten (reibungsfrei) anstelle eines massiven Balkens.

Stapel: Platten verschieben sich gegeneinander

Balken: Kein (bzw. vernachlässigbar geringes) Verschieben der Balkenschichten

nur erklärbar durch ein Wirkung von Schubspannungen yz zwischen den Fasern, die das

Verschieben verhindern. Infinitesimales Balkenstück:

Satz der zugeordneten Schubspannungen (siehe Kapitel 1.1)

yzzy

zy = yz sollen im Folgenden näherungsweise berechnet werden. Im Verlauf der Vorlesung wird nur der Querkraftschub prismatischer Balken einfach zusammenhängender Querschnitte berechnet.

z

y

x. F

z

y

x. F

)z(Qdz

dM

y

z

yz

yz

zy

zy

Page 79: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -79-

Einfach zusammenhängende Querschnitte:

Jeweils 1 Schnitt nötig, um den Querschnitt in zwei Teile zu trennen. Zweifach zusammenhängende Querschnitte:

Jeweils 2 Schnitte nötig, um den Querschnitt in zwei Teile zu trennen. 2.4.2.2 Balken mit Vollquerschnitten Balken mit Vollquerschnitten sind z.B. Kreis, Rechteck, Trapez,… usw.) Folgende Voraussetzungen werden im folgenden angenommen:

1) Balkenquerschnitt ist konstant 2) Querkraft Q(z) wirkt in Richtung einer HZA (d.h. es handelt sich um gerade Biegung)

Freischnitt eines Balkenstückes der Länge dz

A

y, v(z)

B

.x

F

z A = const.

Page 80: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

-80- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Zusätzlich wird nun noch ein Schnitt an beliebiger Stelle y senkrecht zur y-Achse durchgeführt, um die Schubspannung yz(y) sichtbar zu machen!

Annahmen:

1) Die Schubspannungen yz im Querschnitt wirken parallel zur Querkraft (trifft für beliebig geformte Querschnitte nicht exakt zu), z.B. am Rand immer tangential zur Oberfläche.

Bsp:

2) Für die Schubspannungsverteilung gilt: yz(x) = const.

Dies bedeutet, dass yz ist über der Querschnittsbreite b(y) konstant ist. (Dieser Sachverhalt trifft nicht exakt zu, es wird also die mittlere Schubspannung über der Querschnittsbreite berechnet.)

y

zx

y

z. x .

x

y

z.

Q(z)

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -81-

Kräfte-GG in z-Richtung am freigeschnittenen Balkenstück: Daraus erhält man schließlich: Diese Gleichung gibt den Verlauf der über der Breite gemittelten Schubspannungen yz in Abhängigkeit von y an einer beliebigen Stelle z des Balkens an. Anmerkung: Bei konstantem Biegemoment (reine Biegung mit M = const.) gilt: und damit yz = 0 (keine Schubspannungen).

0)z(Qdz

dM

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-82- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Berechnung des statischen Momentes von A bezüglich der x-Achse

Beispiel 1: Rechteckquerschnitt

x

y

z.S

x

y

S

b

h

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -83-

Die maximale Schubspannung tritt also an der Stelle y = 0 auf, an der sich auch die neutrale Faser befindet und damit für die Biegenormalspannung sz = 0 gilt. Sie ist mit

yz,max = um die Hälfte größer als die gleichmäßig über den Querschnitt verteilt angenommene Abscherspannung a = Q/A (siehe Kap. 2.4.1). Am oberen und unteren Rand ( ) wird die Schubspannung null. Dies hat seine Ursache

darin, dass der Balken am oberen und unteren Rand nicht in Balkenlängsrichtung belastet ist (freie Oberfläche). Demnach müssen sowohl tangential zum Rand als auch in den dazu senkrechten Querschnitten an den Stellen die Schubspannungen verschwinden

(zugeordnete Schubspannungen yzzy ).

Beispiel 2: Vollkreisquerschnitt

x

y

S

2

hyR

2

hyR

Page 84: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

-84- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Vergleich zwischen Schub- und Biegespannungen bei Kragträger mit Rechteckquerschnitt:

Freischnitt:

Bestimmung des Gefährdeten Querschnitts:

max. Biegespannung max. Schubspannung

z

y

l

F

x.

x

y

S

b

h

z

y

z

NQM(z)

l-z

F

Page 85: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -85-

Spannungsverhältnis:

Die Schubspannungen sind also gegenüber den Biegespannungen immer vernachlässigbar, wenn die Balkenlänge wesentlich größer ist als die Balkenhöhe. Sie betragen z.B. für l = 5h nur noch 5 % der Biegenormalspannungen. Anmerkungen:

1. Die zusätzliche Durchbiegung (Absenkung) eines Balkens infolge der Schubspannungen wird hier nicht berechnet (sog. Schubverformung). Sie kann i.A. vernachlässigt werden, wenn l > 5h zutrifft.

2. Bemessung: zulmax (wie bisher üblich)

3. Auch Profile sind als Vollquerschnitte anzusehen, z.B.

wenn die Wanddicke t in der gleichen Größenordnung liegt wie die übrigen Abmessungen b und h.

b

h

b

h

t t

Page 86: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

-86- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

2.4.2.3 Balken aus dünnwandigen offenen Profilen Folgende Profile oder ähnliche sind dünnwandige, offene Profile:

Profile mit geschlossenen Profilen werden nicht behandelt, wie z.B.

Voraussetzungen:

- wie unter 2.4.2.2 (d.h. Querschnitt konstant und Querkraft in Richtung einer der HZA) - außerdem: Wanddicke t ist sehr viel kleiner als die übrigen Querschnittsabmessungen

s: Laufkoordinate (folgt der Querschnittsmittellinie) x-y-KOS: HZA-KOS Annahme

t

s

y

xz

S

t(s) y

s = l*A

ys

y

zx .

sz(y) sz(y) + dsz

dz

sz

Page 87: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -87-

Die Schubspannungen zs sind gleichmäßig über der Wanddicke t(s) verteilt. Sie haben die Richtung der Tangente an die Querschnittsmittellinie, folgen also dem Profilverlauf. Größe und Richtung von zs sind mit der Laufkoordinate s veränderlich. z.B.:

Kräfte-GG in z-Richtung am freigeschnittenen Balkenstück:

Q Q

Page 88: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

-88- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Beispiel 3: Dünnwandiges U-Profil (Wichtige Voraussetzung: t << a) Geg.: Q, a,t Ges.: zs(s) Grafische Darstellung des Ergebnisses:

x

y

z.

Q(z)

x

y

z.

a

a

a

t=const.

Q

Page 89: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -89-

2.4.3 Schubmittelpunkt Bisher war in Kapitel 2.4.2 immer vorausgesetzt worden, dass die Wirkungslinie der Querkraft Q(z) parallel zu einer der Hauptzentralachsen (hier: y-Achse) verläuft (gerade Biegung). Über ihre genaue Lage wurde aber nichts ausgesagt. Da die Querkraft Q(z) den Schubspannungs-verlauf zy(y) bzw. zs(s) hervorruft, muss sie diesen Schubspannungen auch statisch gleichwertig (äquivalent) sein. Das bedeutet, die Querkraft Q muss mit der resultierenden Kraftwirkung der Schubspannungen übereinstimmen und sie muss bezüglich eines beliebigen Punktes das gleiche Moment wie die Schubspannungen hervorrufen. Dieser Sachverhalt soll anhand des C-Profils aus Beispiel 3 untersucht werden.

x

y

z.

Page 90: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

-90- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

2.5 Torsion ohne Wölbbehinderung 2.5.1 Einführung Unter Torsion ohne Wölbbehinderung versteht man eine sogenannte freie Torsion, bei der keine Normalspannungen in Achsrichtung auftreten. Torsion eines Stabes entsteht durch eine äußere Belastung, die ein Schnittmoment Mt um die Längsachse (z-Achse) bewirkt. Mögliche Lastfälle:

a) b)

Es entstehen Schubspannungen zx ,zy im Stabquerschnitt (x-y-Ebene)!

Äußeres Moment Mt um die z-Achse

Mt= Mz

y

zxF

y

zx

Äußere Kraft F in der x-y-Ebene (Querschnitts-ebene) verursacht immer Torsionsmoment Mt = Fa,

wenn die WL nicht durch den SMP T geht. Zusätzlich versursacht F Biegung und Schub!

a

x

y

z Mt

x

y

z

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -91-

Bei Verdrehung des Stabes um die z-Achse treten wegen der Gleichheit zugeordneter Schubspannungen auch Schubspannungen zx = xz undzy = yz in Stablängsrichtung auf.

Durch die Schubspannung in z-Richtung tritt im Allgemeinen eine Verwölbung des Querschnittes (d.h. er bleibt nicht eben) mit einer Verschiebung w(x,y) auf. Eine Ausnahme bildet hier der Kreisquerschnitt. Bei Behinderung der Verwölbung (z.B. bei fester Einspannung) sind zusätzlich Normalspannungen in Achsrichtung (z-Richtung) vorhanden. 2.5.2 Torsion von Kreisquerschnitten Die Theorie der Torsion für beliebig geformte Querschnitte ist kompliziert, deshalb beschränkt sich die Vorlesung auf wenige Sonderfälle. Als besonders einfaches Problem wird zunächst der Torsionsstab mit Kreisquerschnitt behandelt (wölbfrei). Annahme (Theorie von Coulomb): Die Querschnitte verdrehen sich wie starre Scheiben gegeneinander (Bierdeckelmodell): Es entsteht somit:

- keine Radialverschiebung - die Umfangsverschiebung ist proportional dem Abstand von der Längsachse - Keine Längsverschiebung (Verwölbung)

x

yz

Mt

Page 92: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

-92- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Verformungsgeometrie an einem Stabelement der Länge dz:

Mt bewirkt eine Verdrehung d der um dz benachbarten Endquerschnitte des Kreiszylinders. Bei kleiner Verformung besteht an der Zylinderoberfläche folgender Zusammenhang zwischen Verdrehung d und der Winkeländerung gR: Damit ist = res die aus zx, zy gebildete resultierende Schubspannung bzgl. des Flächenelementes dA in der Querschnittsfläche.

x

y

z

Mt

Mz

dz

Page 93: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -93-

Die Oberfläche ist unbelastet Schubspannungen am Rand verlaufen tangential (in Umfangsrichtung) Schubspannungen stehen auch im Inneren senkrecht auf dem Radius

x

y

Z.

x

y

Z.

Page 94: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

-94- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Moment der über der Querschnittsfläche A integrierten Schubspannungen muss äquivalent zum Torsionsmoment Mt sein:

Beim Vollkreisquerschnitt berechnet sich das polare Flächenmoment aus 4p R

2I

.

Die bisherigen Formeln in Kapitel 2.5.1 gelten auch für Kreisringquerschnitte mit

4i

4ap RR

2I

, worin Ra der Außenradius und Ri der Innenradius bedeuten.

Bei dünnwandigen Kreisringen mit der Wandstärke t = Ra – Ri und dem mittleren Radius

iam RR2

1R vereinfacht sich das Flächenmoment auf tR2I

3mp .

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -95-

Sonderfall: Torsionsstab mit konstanter Torsionssteifigkeit GIp und konstantem Torsionsschnittmoment.

Hier besteht wieder eine formale Analogie zum Zug-/Druckstab:EA

NlI

Beispiel 1: Einseitig eingespannter Torsionsstab mit zwei Torsionsmomenten Ein einseitig eingespannter Stab mit kreisförmigen Querschnitt (Durchmesser d) wird an den Stellen B und C durch die Torsionsmomente MB und MC belastet.

a) Wie groß muss das Moment MC bei gegebenen Moment MB gewählt werden, damit der Verdrehwinkel am Stabende C Null wird.

b) Wie groß ist die maximale Schubspannung, und wo tritt sie auf? Geg: MB, l, d

Mt=const.

y

zx

Ip, G = const.

l

z

y

l

x.

MB MC

32

l31

CBA

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-96- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Beispiel 2: Drehstabfeder mit variablem Querschnitt Eine einseitig eingespannte Drehstabfeder mit kreisförmigem Querschnitt wird durch das Torsionsmoment Mt beansprucht.

a) Um welchen Winkel wird dabei der Querschnitt der Feder am freien Ende verdreht? b) Bestimmen Sie die maximale Schubspannung z in der Feder sowie den Querschnitt in dem

sie auftritt. Skizzieren Sie den Verlauf der Schubspannung in diesem Querschnitt über dem Durchmesser und geben Sie den Spannungstensor im (r,,z)-System für einen beliebigen Oberflächenpunkt an.

c) Ermitteln Sie die Lage und Größe der Hauptspannungen

2l l

z

y

Mt

R2R

y

x

ere

Mt

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -97-

2.5.3 Torsion von dünnwandigen, geschlossenen Hohlquerschnitten Zunächst werden nur Hohlquerschnitte mit geschlossenem Profil betrachtet, da hier eine näherungsweise Berechnung noch einfach möglich ist. Geschlossene Hohlprofile haben eine große praktische Bedeutung z.B. Tragflächenprofile in der Luftfahrt oder als Leichtbau-Antriebswellen im Fahrzeugbau. Dünnwandige offene Profile werden in Kapitel 2.5.4 behandelt. Voraussetzungen und Annahmen:

a) Ungehinderte Ausbildung der Verwölbung. b) Querschnitte A längs der Stabachse sind konstant, also unabhängig von z. c) Die Profile haben eine geringe Wandstärke t(s), die aber mit der Bogenlänge

veränderlich sein kann. d) Die Schubspannungen zs(s) zeigen in Richtung der Profilmittellinie.

(Querschnittsmittellinie), verlaufen am Querschnittsrand tangential zu diesem (freie Oberfläche!) und sind über der Wandstärke t konstant verteilt (Annahme!).

s : Bogenlänge (Koordinate der Querschnittsmittellinie)

zs(s): Schubspannungen im

Querschnitt, hängen von der Bogenlänge s ab.

Zur Berechnung der Schubspannungen wird ein infinitesimales Element eines beliebigen, dünnwandigen Profils freigeschnitten:

Mt

z

t(s)

s

x

y

Z.beliebig

t(s)

Mt

Profilmittellinie

s

zs

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-98- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Am herausgeschnittenen Flächenstück mit: Annahme: Schubspannung ist konstant über die Wanddicke verteilt ergibt das Kräftegleichgewicht in s-Richtung: und das Kräftegleichgewicht in z-Richtung:

ds

dz

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -99-

Der Zusammenhang zwischen dem Torsionsmoment Mt und der Schubspannung ergibt sich aus der statischen Äquivalenz: Das Moment Mt muss dem Moment der Schubspannungen gleich sein.

x

y

Z.

t(s)

Mt

s = 0

0

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-100- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Beispiel 1: Kastenträger

Geg.: Mt, s1, s2, t1, t2, (t1>t2) Ges.: max

Beispiel 2: dünnwandiges Rohr (Kreisringquerschnitt)

Geg.: Mt, t, Rm Ges.: max

x

y

S

s1

s2 . z

t2 t2

t1

t1

Mt

x

y

Z.

Mt

Rm

t = const.

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -101-

2.5.4 Torsion sonstiger Querschnitte 2.5.4.1 Dünnwandige offene Profile Mit elementaren Betrachtungen sind Näherungslösungen erzielbar. Es gelten die gleichen Formeln wie bei geschlossenen Profilen (siehe 2.5.3):

- Maximale Schubspannung:

- Verdrillung:

- Verdrehung In der Vorlesung Beschränkung auf Profile mit abschnittsweise konstanter Wanddicke t, z.B: -Profile. d.h. sie lassen sich aus schmalen Rechtecken zusammensetzen. Das Torsionsflächenmoment berechnet sich dann zu:

It=

Das Widerstandsmoment errechnet sich aus:

Wt=

mit : Korrekturfaktor (siehe Tabellenbuch) Die größte Schubspannung tritt also in dem Teil mit der größten Wanddicke t auf. Zur Erinnerung: Bei geschlossenen Profilen ist es genau umgekehrt: Die größte Schubspannung tritt an der Stelle der kleinsten Wanddicke auf.

t

tmax

W

M

t

t

GI

M

dzGI

Ml

0 t

t

ABER: Widerstandsmoment Wt und

Torsionsflächenmoment It werden

anders bestimmt!

t

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-102- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Beispiel 1: T-Profil

Bei Querschnitten mit gekrümmter Mittellinie (z.B. Halbkreisprofil) kann man diese Flächen näherungsweise als abgewickelte Rechtecke betrachten. Beispiel 2: geschlitztes, dünnwandiges Rohr abgewickelt:

h2

h1

t2

t1

Rm

t = const.

Schlitz

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -103-

2.5.4.2 Allgemeine Vollquerschnitte Exakte Lösungen existieren nur für Querschnitte in Form von Kreis, Ellipse, gleichseitiges Dreieck, Rechteck und einige andere Querschnitte. Für alle anderen Formen muss der Spannungszustand sowie die Verformung durch numerische oder experimentelle Verfahren ermittelt werden. Die bisherigen Beziehungen gelten nicht mehr. Es können jedoch grobe Näherungslösungen mit den bekannten Formeln berechnet werden:

- Maximale Schubspannung:

- Verdrillung:

- Verdrehung Die hier benötigten Werte für Wt und It können wieder aus Tabellenbüchern entnommen werden (z.B. Dubbel, Hütte, etc.).

t

t

GI

M

dzGI

Ml

0 t

t

t

tmax

W

M

Page 104: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

-104- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

2.6 Zusammenfassung der Grundbeanspruchungen Die auftretenden Grundbeanspruchungen leiten sich aus den 6 Schnittgrößen ab. Folgende Grafik verdeutlicht die Schnittgrößen und die zugehörigen Grundbeanspruchungen.

Die Abscherung ist hier nicht als Grundbeanspruchung aufgeführt, da sie im eigentlichen Sinne keine Grundbeanspruchung ist, sondern sich aus den Beanspruchungen Biegung und Querkraftschub ergibt. Systematisierung der Gleichungen zur Spannungs- und Verformungsberechnung Spannungen Die (maximalen) Spannungen ergeben sich aus den Quotienten der Belastung und dem Widerstand gegen diese Belastung also: Belastung Spannung = Widerstand gegen die Belastung Der Biegebalken setzt der Belastung durch das Biegemoment M das Widerstandsmoment Wb entgegen. Der Torsionsstab widersetzt sich der Belastung durch das Torsionsmoment Mt mit dem Widerstandsmoment Wt. Bei Zug/Druck wird die Belastung durch die Normalkraft N dargestellt, der Widerstand Wz, den der Balken dem Zug entgegensetzt ist die Querschnittsfläche A, also Wz = A. Entsprechend kann für Querkraftschub durch eine Querkraft Q auch ein Widerstand Ws definiert werden. Er hat die Größe: bzw. Die Berechnung der jeweiligen Wiederstände oder Widerstandsmomente ist von der Belastungsart und der Querschnittsgeometrie abhängig.

MzTorsion (zx,zy)

y

zx

MyBiegung um y-Achse (sz)

MxBiegung um x-Achse (sz)

NZug/Druck (sz)

QyQuerkraftbiegung (sz,zy)

QxQuerkraftbiegung (sz,zx)

x

xs

S

bIW

y

y

sS

bIW

Page 105: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -105-

Für einen kreisförmigen Vollquerschnitt mit dem Radius R gelten z.B. folgende Zusammenhänge

Grundbelastungsart Belastung Widerstand

Zug/Druck N Wz = A = R²

Querkraft in x-Richtung Qx x

xs

S

bIW (bei y=0)

Querkraft in y-Richtung Qy y

ys

S

bIW (bei y=0)

Biegung um die x-Achse Mx R

IW x

bx

Biegung um die y-Achse My R

IW

y

by

Torsion Mz R

IW t

t

Dies bedeutet, die Berechnung der maximalen Spannungen erfolgt immer nach dem gleichen Schema. Zunächst werden aus den äußeren Lasten (äußere Kräfte und Momente, sowie die Lagerreaktionen) die inneren Belastungen ermittelt (i.A. 3 Kräfte und 3 Momente), dann anhand der auftretenden Schnittgrößen die Grundbelastungsfälle gemäß obiger Grafik ermittelt. Nun müssen noch zu allen Belastungen die zugehörigen Widerstande bzw. Widerstandsmomente ermittelt und der Quotient gebildet werden. Verformungen Die lokalen Verformungen (Dehnung, Krümmung, Verdrillung) eines Balkens/Stabes etc. ergeben sich aus dem Quotienten zwischen Belastung und der zur Belastungsart gehörigen Steifigkeit: Belastung Lokale Verformung = belastungsspezifische Steifigkeit Folgende Belastungsspezifische Steifigkeiten wurden in der Vorlesung definiert:

Grundbelastungsart Belastung Steifigkeit Lokale Verformung

Zug/Druck N EA EA

N

Biegung um die x-Achse Mx EIx x

xx

EI

M)v(

Biegung um die y-Achse My EIy y

y

yEI

M)u(

Torsion Mt GIp p

t

GI

M

Die Gesamtverformung ergibt sich dann jeweils aus der Integration.

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-106- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

3 Zusammengesetzte Beanspruchung 3.1 Einführung Bisher wurden nur die Grundbeanspruchungsfälle als einzelne Belastung behandelt. Hierbei führten die Lastfälle

- Zug/Druck und Biegung zu Normalspannungen s und die Lastfälle

- Schub und Torsion zu Schubspannungen Im Allgemeinen treten diese Grundlastfälle jedoch nicht einzeln auf, sondern mehrere Beanspruchungen gleichzeitig. Dies bezeichnet man als zusammengesetzte Beanspruchung. Nahezu alle technischen Bauteile sind einer zusammengesetzter Beanspruchung unterworfen, zum Beispiel eine Anhängerkupplung oder eine Kurbelwelle.

Anhängerkupplung (real) Anhängerkupplung (mech. Ersatzmodell) Grundbelastung: Zug/Druck, Biegung

Kurbelwelle (real) Kurbelwelle (mech. Ersatzmodell) Grundbelastung: Biegung, Torsion

z

y

x.

F1

F2

F1

F2

y

zx

F2

Mt

F2F1

F1

F4F3

F5 F6

Mt

F4

F3

F5F6

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -107-

3.2 Festigkeitshypothesen 3.2.1 Übersicht Üblicherweise werden die Werkstoffkennwerte im Rahmen der Werkstoffprüfung ermittelt. Die Werkstoffprüfung liefert aber in der Regel nur einachsige Werkstoffkennwerte (z.B. Streckgrenze, Zugfestigkeit, Biegewechselfestigkeit, usw.). Die Beanspruchung der Bauteile ist aber in aller Regel mehrachsig. Bei einer Kurbelwelle (s.o.) liegt z.B. eine Beanspruchung durch Biegung und Torsion vor, dies ist also eine zweiachsige Beanspruchung. Diese Beanspruchung ist mit der einachsigen Beanspruchung (Werkstoffkennwerte!) nicht direkt vergleichbar. Daher stellt sich folgende Frage: Welche Forderung muss zur Bemessung erfüllt werden (wann versagt das Bauteil)? Bei einachsiger Beanspruchung ist die Frage einfach zu beantworten, da die auftretende einachsige Spannung direkt mit dem Werkstoffkennwert verglichen werden kann:

zulmax ss und zulmax

Um nun mehrachsige Beanspruchungen mit der einachsigen Beanspruchung aus der Werkstoffprüfung zu vergleichen, wird der zwei- bzw. dreiachsige Spannungszustand auf einen fiktiven einachsigen Spannungszustand umgerechnet. Diese Umrechnung führt auf eine sogenannte

Vergleichsspannung sV ( zuls )

Diese Umrechnung ist keine exakte Methode, sondern fußt auf Hypothesen, die experimentell abgesichert werden, d.h. es wird ein bestimmter Versagensmechanismus zugrunde gelegt. Dies kann z.B. Versagen aufgrund der Schubspannung (für zähe Werkstoffe) oder Versagen aufgrund von Normalspannung (für spröde Werkstoffe) sein. Somit existieren unterschiedliche Festigkeitshypothesen für unterschiedliche Werkstoffe, drei wichtige Festigkeitshypothesen werden im Folgenden vorgestellt. Dabei erfolgt eine Beschränkung auf den ebenen Spannungszustand. Allgemeiner ebener Spannungszustand (ESZ) im Körper:

s

|ji|

|ij|

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-108- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Mohrscher Spannungskreis 3.2.2 Normalspannungshypothese (N-Hypothese) von Rankine, 1861 Annahme:

Die größte Normalspannung ist für das Versagen maßgeblich:

sV =

Diese Hypothese trifft gut bei Versagen durch Trennbruch zu, also bei

- sprödem Material - in Schweißnähten - bei allseitigem Zug - bei stoßartiger Belastung von zähem Material

Beispiel: Kreide unter Zug oder Torsion Uniaxiale Zugbelastung

Torsionsbelastung

Relevanter Werkstoffkennwert: Trennfestigkeit Rm, damit mNH,v Rs

Sonderfall: Biegung und Torsion

F F

sV = s1

sv s1

Mt45°Mt

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -109-

3.2.3 Schubspannnungshypothese (S-Hypothese) von Tresca, 1868 Annahme:

Die größte Schubspannung ist für das Versagen maßgeblich:

sV =

Anmerkung: Der Faktor 2 in der Gleichung resultiert aus der Tatsache, dass der Zugversuch die Spannung s1 liefert. Daher ist die Vergleichsspannung auch sv,SH Diese Hypothese trifft gut bei Versagen durch Gleitbruch zu, also bei

- statischer Beanspruchung von zähem Material

Beispiel: Zugstab aus thermoplastischem Kunststoff

Relevanter Werkstoffkennwert: Fließschubspannung damit eSH,v Rs

Sonderfall: Biegung und Torsion

F F

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-110- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

3.2.4 Gestaltänderungsenergie-Hypothese (GE-Hypothese) von Mieses/Huber, 1913 Annahme:

Die zur Änderung der Bauteilgestalt erforderliche elastische Energie ist für das

Versagen maßgeblich.

sV =

Diese Hypothese trifft gut bei schwingender Belastung (Dauerbruch) von zähem Material.

Relevanter Werkstoffkennwert: Elastizitätsgrenze Re, Versagen tritt ein bei eGE,v Rs

Sonderfall: Biegung und Torsion

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -111-

3.3 Berechnung der Vergleichsspannung 3.3.1 Überlagerung von Zug/Druck und Biegung Die Überlagerung dieser beiden Lastfälle ist einfach und problemlos, da bei Überlagerung wieder ein einachsiger Spannungszustand auftritt mit s1 > 0 und s2 = 0 bzw. s1 = 0 und s2 < 0. Beispiel: Exzentrischer Zug-/Druckstab

Zugkraft F liegt außerhalb der neutralen Faser, die Exzentrizität ist e.

x-y-Koordinatensystem: Hauptzentralachsen Ix, Ix: Zugehörige Flächenmomente Folgende Spannungen treten auf:

- Zugspannungen infolge Zugkraft:

- Zug-/Druckspannungen infolge Biegemoment: Resultierende Spannungen durch Überlagerung:

z

y

F

x.

e

x

y

Z.

.F

ey

ex

e

S x

y

Z.S

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-112- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Spannungsnulllinie: Liegt die Spannungsnulllinie außerhalb des Querschnittes oder berührt ihn gerade noch, dann herrschen im Querschnitt nur Spannungen mit gleichem Vorzeichen.

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -113-

3.3.2 Überlagerung von Schub und gerader Biegung Überlagerung liefert einen (näherungsweise) zweiachsigen Spannungszustand. Beispiel: Querkraftbiegung

Folgende Spannungen treten auf: (im Punkt P):

- Schubspannungen infolge Querkraft:

- Normalspannungen infolge Biegemoment: Überlagerung führt zu einem zweiachsigen Spannungszustand im Punkt P Berechnung der Vergleichsspannung sv:

A

z

y, v(z)

B

.x P

F

A

z

y, v(z)

.x

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-114- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

3.3.3 Überlagerung von Biegung und Torsion Gleichzeitige Belastung durch Biegung und Torsion kommt sehr häufig bei Wellen (rotierend im Gegensatz zu Achsen!) vor.

Folgende Spannungen treten auf:

- Zug-/Druckspannungen infolge Biegemoment:

- Schubspannungen infolge Torsionsmoment:

Überlagerung führt zu einem zweiachsigen Spannungszustand. Die Berechnung der Vergleichsspannung erfolgt genauso wie in Kap. 3.3.2 (Schub und Biegung). Mohrscher Spannungskreis:

Also: Hauptnormalspannungen s1 immer Hauptschubspannungen max immer

y

zx

Mt

F

| ji|

| ij|

s

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -115-

3.3.4 Abschließende Hinweise zu den Festigkeitshypothesen Es existieren noch weitere für die Praxis wichtige, zusammengesetzte Beanspruchungen

- Zug mit Torsion (z.B. bei Schrauben) - Zug mit Schub (z.B. bei Nieten)

Hinsichtlich der Dimensionierungs- oder Nachweisrechnung wurden bisher nur Spannungsberech-nungen durchgeführt. Im Allgemeinen sind aber auch Verformungsrechnungen aufgrund von zusammengesetzten Beanspruchungen erforderlich. Diese werden meist durch eine geometrische Überlagerung der Teilverformungen ermittelt, wobei davon ausgegangen wird, dass sich die Verformungen gegenseitig nicht beeinflussen (z.B. Verformung bei schiefer Biegung entspricht überlagerter Verformung zweier gerader Biegungen).

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-116- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

4 Statisch unbestimmte Systeme 4.1 Einführung Bisher wurden nur statisch bestimmte Systeme betrachtet: Die Bestimmung der äußeren und inneren Kräfte/Momente ist sehr einfach, da die Gleichgewichtsbedingungen (GGB) alleine ohne Betrachtung der Verformung hierfür ausreichen. Beispiel: Statisch bestimmt gelagerter Balken

a) Äußere Kräfte und Momente

3 Unbekannte: Az, Ay, By lösbar! 3 GGBn, keine Entartung

b) Innere Kräfte und Momente

3 weitere Unbekannte: N, Q, M lösbar! 3 GGBn

y

z

F F

F F

y

z

By

Az

Ay

I II III

y

z

II

NIIQII MS,II

Az

Ay

F

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -117-

Äußerlich statisch unbestimmte Systeme Wenn mehr als 3 unbekannte Lagerreaktionen an einteiligen Systemen auftreten, genügen die 3 Gleichgewichtsbedingungen alleine nicht mehr! Es sind zusätzliche Gleichungen aus der Verformung nötig. Die Bestimmung der Lagerkräfte/-momente wird somit zu einem Problem der Festigkeitslehre. Beispiel: Kragträger, einfach statisch unbestimmt

f = 3 – bges = -1

Innerlich statisch unbestimmte Systeme Beispiel: Zwei ineinander gesteckte Zugstäbe aus unterschiedlichem Werkstoff

Es treten 2 unbekannte Spannungen s1 und s2 (bzw. zwei Normalkräfte N1 und N2) auf, zur Berechnung steht aber nur eine Gleichgewichtsbedingung zur Verfügung:

0Fiz

1-fach statisch unbestimmtes Problem (innerliche statische Unbestimmtheit) Allgemein: Grad der statischen Unbestimmtheit = Anzahl der Reaktionen – Anzahl der GGBn

y

z

F F

b = 3 b = 1

F

starrstarr

Dehnsteifigkeit E1A1

Dehnsteifigkeit E2A2 = E1A1

F

N1= s1A1F

N2= s2A2

z

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-118- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

4.2 Statisch unbestimmte Stabsysteme (Zug/Druck) Zur Bestimmung der fehlenden Reaktionskräfte sind folgende Elemente gemeinsam zu betrachten:

a) Gleichgewichtsbedingungen

b) Formänderung: EA

Nll (Elastizitätsgesetz)

c) Geometrie der Verformungen: Verträglichkeitsbedingungen (Kompatibilitätsbedingungen) zwischen den Verformungen

Beispiel: Stabsystem

Symmetrisches Stabsystem aus 3 Stäben mit den

Dehnsteifigkeiten EA1; EA2 und EA3. Es gilt A1= A3.

l

F

1 2

3

K.

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -119-

4.3. Statisch unbestimmt gelagerte Balken: Biegung Es existiert eine ganze Reihe von Methoden, um die Auflagerreaktionen und Schnittkräfte von statisch unbestimmt gelagerten Balken zu berechnen. Im Rahmen der Vorlesung wird jedoch nur das Superpositionsprinzip (Überlagerungsprinzip) behandelt. Dabei erfolgt eine Beschränkung auf äußerlich statisch unbestimmte Systeme. Diese Methode ist bei einfacher statischer Unbestimmtheit besonders vorteilhaft. Vorgehensweise

1. Alle Gleichgewichtsbedingungen anschreiben 2. Entfernung einer Lagerreaktion (statische Unbestimmte) führt auf ein statisch bestimmtes

Grundsystem. (Die Wahl des statisch bestimmten Grundsystems ist zwar beliebig, aber eine zweckmäßige Festlegung kann den Rechenaufwand stark reduzieren.

3. Berechnung der Formänderung des Systems an der Stelle, an der die Lagerreaktion entfernt wurde.

4. Die entfernte Lagerreaktion wird als einzige äußere (noch unbekannte) Last am statisch bestimmten Grundsystem angebracht (Alle anderen Lasten fallen weg!).Dann wird erneut die Formänderung an dieser Stelle berechnet (Verformung infolge der statisch Unbestimmten.)

5. Mit dem Überlagerungsprinzip wird nun eine Verträglichkeitsbedingung (geometrische Beziehung) zwischen den Formänderungen aus 3. und 4. aufgestellt. Dies ergibt dann eine zusätzliche Gleichung zur Ermittlung der statisch Unbestimmten.

Beispiel: Träger auf 3 Stützen mit Streckenlast

Gesucht: Lagerkräfte A, B, C

q0 = const.

l

A

z

y

B.x

2

l

2

C

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-120- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

5 Eulersche Knicktheorie 5.1. Einführung Beispiel: Lineal unter uniaxialer Druckbelastung

Beschreibung Die Last F wird von 0 langsam erhöht Beobachtung Zunächst bleibt der Stab gerade, solange die Last F noch hinreichend klein ist. Ab einer bestimmten Last Fkrit kommt es zu einer schlagartigen, deutlichen Durchbiegung des Lineals (gestrichelte Linie) Erklärung Es tritt ein Knicken der Struktur ein, bevor es zum Werkstoffversagen kommt. Dies bezeichnet man als ein sog.

Stabilitätsproblem

(mathematisch ist dies ein sog. Eigenwertproblem). Die gestrichelte Linie entspricht einer neuen stabilen Gleichgewichtslage mit großer Verformung. Dadurch entstehen zusätzlich zu den Druckspannungen Biegenormalspannungen. Dadurch kann ein Versagen direkt oberhalb der kritischen Last Fkrit eintreten (Sekundäreffekt).

Typische Anwendungen für Druckstäbe sind z.B. Fachwerke, Pendelstützen, Hubzylinder oder Fußbodenstützen im Flugzeug.

l

z, w(x)

.

x

F

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -121-

Hinsichtlich des Knickverhaltens werden vier klassische Knickfälle nach Leonard Euler (1707-1783) unterschieden.

Fall 1 Fall 2 Fall 3 Fall 4 Folgende benachbarte Gleichgewichtslagen ergeben sich für die vier Knickfälle.

Fall 1 Fall 2 Fall 3 Fall 4

l

F

l

F

l

F

l

F

l

F

l

F

l

F

l

F

Page 122: Skript_TM2_SSSkript Elastizitäts- und Festigkeitslehre2011

-122- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

5.2 Grundlage des Euler-Verfahrens Voraussetzungen für das elastische Knicken nach Euler

- Schlanke Stäbe (Beurteilbar mittels des Schlankheitsgrades ) - Ideal prismatischer Stab (A = const., Stabachse ideal gerade) - Zentrische Druckkraft, richtungstreu auch am verformten System - Linear-elastischer, homogener Stab ohne Eigenspannungen - Gültigkeit der technischen Balkenbiegelehre (Bernoulli-Hypothese, linearisierte DGL der

Balkenbiegung) - Aufstellung der Gleichgewichtsbedingungen am verformten System (bisher: immer am

unverformten System)

Eulerscher Knickstab: Fundamentalfall (Fall 2) Frage: Bei welcher Last F = Fkrit eines zentrisch gedrückten Stabes existiert neben der ursprünglich geraden Form (Grundzustand) eine benachbarte Gleichgewichtslage mit seitlicher Auslenkung? Stablagerung: Euler Fall 2

Freischnitt am verformten System

GGB:

z, w(x)

.

xl

z, w(x)

.

x

F

Gleichgewichtslage:w(z) = 0

benachbarteGleichgewichtslage:

w(z) = 0

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Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber -123-

Alle vier Knickfälle (s.o.) führen auf die gleiche Knicklastformel, wenn statt wirklicher Stablänge l die Knicklänge lk eingeführt wird. I ist jeweils das kleinste axiale Flächenmoment, also I2.

EIl

F2

k

2

krit

Biegeknicken Fall 1 Fall 2 Fall 3 Fall 4

Knicklänge lk l2lk llk l7,022

1lk l

2

1lk

Krit. Knicklast EIl4

F2

2

krit

EI

lF

2

2

krit

EI

l

2F

2

2

krit

EI

l

4F

2

2

krit

Kleinster Eigenwert l 2

I

I 2I 2I

Knickfall 2: Knickspannung in Druckstäben:

l

F

l

F

l

F

l

F

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-124- Skript Festigkeitslehre, SS 2011, Prof. Dr.-Ing. Ulrich Huber

Gültigkeitsbereich der Beziehungen:

mit: sdF: Druck Fließgrenze (Quetschgrenze) sdP: Druck Proportionalitätsgrenze

Beispiel: Beidseitig gelagerte Gelenkstange Eine beidseitig gelenkig gelagerte Stahlstange (l = 1000 mm, d = 10 mm Vollkreisquerschnitt) soll eine Druckkraft F = 1 kN bei einer Sicherheit S = 4 übertragen. Frage: Sind ein- oder mehrfache Führungen notwendig?

Werkstoff: S 235 mit P = 104 E = 210 GPa

l = 1000mm

A

z

y

B.x

10 mm

notwendig?

Quetschgrenze

Tetmajer-Gerade

Euler-Hyperbel

skrit

sdF

sdP

F P

Quetschen elastisches Knicken

plastisches Knicken