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1 Skriptum zur Vorlesung GASDYNAMIK Sommersemester 2010 Steffen Schmidt Sommersemester 2011 Steffen Schmidt Technische Universität München Lehrstuhl für Aerodynamik Univ. Professor Dr.-Ing.habil. N.A. Adams

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Skriptum zur Vorlesung GASDYNAMIK

Sommersemester 2010 Steffen Schmidt

Sommersemester 2011

Steffen Schmidt

Technische Universität München Lehrstuhl für Aerodynamik

Univ. Professor Dr.-Ing.habil. N.A. Adams

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Umschlagbild Space Shuttle Atlantis STS 106 beim Erreichen (Überwinden) der Schallgeschwindigkeit (Machzahl 1)

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Vorwort

Dieses Skriptum ist eine Baustelle. Nachtrag 2011-05-03: Die Baustelle ist kleiner geworden.

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1 Thermodynamische Grundlagen ..................................... 7 1.1 Hauptsätze .................................................................................. 7 1.2 Zustandsgleichungen..................................................................... 8 1.3 Statische thermodynamische Zustandsgrößen ......................... 10 1.4 Perfektes Gas – thermodynamisches Modell für Luft .................. 12

2 Strömungsmechanische Grundgleichungen.................. 14

2.1 Massenbilanz und Massenflüsse ................................................. 14 2.2 Impulsbilanz und Impulsflüsse ..................................................... 16 2.3 Energiebilanz und Energieflüsse ................................................. 18 2.4 Kompressible Euler-Gleichungen ................................................ 21

2.4.1 Kompressible Euler-Gleichungen „Grundform“ ...................................21 2.4.2 Kompressible Euler-Gleichungen „Divergenzform“.............................22 2.4.2 Kompressible Euler-Gleichungen „primitive Form“ .............................23 2.4.3 Zusammenfassung „kompressible Euler-Gleichungen“ ......................24

3 Stromröhrentheorie 1-D stationär, var. Querschnitt....... 25

3.1 Machzahl-Querschnittsgleichung................................................. 26 3.2 Thermodynamische Zustandsänderungen in Abhängigkeit von der

Machzahl...................................................................................... 31 3.2.1 Zusammenfassung der Ruhegrößenbeziehungen ........................34 3.2.2 Zustandsgrößen bei M=1 (kritische Größen) .................................34 3.2.3 Kritische Verhältnisse für Luft (perfektes Gas) ..............................35 3.2.4 Diagramme statische Größen über die Machzahl .........................36

3.3 Unterschallströmung Quasi 1-D................................................... 37 3.3.1 Zustandsverläufe im Unterschall ...................................................39

3.4 Transschallströmung Quasi 1-D .................................................. 42 3.4.1 Massenstrom und Massenstromdichte ..........................................42 3.4.2 Ideal angepasste Düse..................................................................45 3.4.3 Transsonische Düsenströmung mit Verdichtungsstoß ..................49 3.4.4 Beziehungen stationärer senkrechter Stoß ...................................53 3.4.5 Zusammenfassung der Zustandsänderungen über einen

stationären senkrechten Stoß ........................................................57 3.4.6 Bestimmung der Stoßposition in einer transsonisch durchströmten

Düse ..............................................................................................60 3.5 Doppelt blockierte Systeme Quasi 1-D........................................ 63

3.5.1 Bedingungen für stabile Doppelblockade ......................................64 3.5.2 Zustandsverläufe – stoßfreie Durchströmungspfade im Unterschall

und im Überschall ..........................................................................65 3.5.3 Zustandsverläufe – Durchströmungspfad mit Stoß und doppelter

Blockierung ....................................................................................66 3.6 Reibung und Energiezufuhr - Tendenzaussagen ........................ 67

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4 Grundlagen hyperbolischer Systeme............................. 68 4.1 Grundtypen von partiellen Differentialgleichungen ...................... 68

4.1.1 Parabolische Prozesse..................................................................68 4.1.2 Elliptische Differentialgleichungen.................................................69 4.1.3 Hyperbolische Differentialgleichungen und Prozesse....................70

4.2 Erhaltungsgleichungen und Transportprozesse .......................... 70 4.2.1 Linearer Transport .........................................................................73 4.2.2 Nichtlinearer Transport ..................................................................76 4.2.3 Lineare hyperbolische Systeme ....................................................82 4.2.4 Nichtlineare hyperbolische Systeme..............................................86 4.2.5 Einfache Wellentypen....................................................................86

5 1-D instationäre Wellendynamik .................................... 87

5.1 Lineare Wellen in der Zeit ............................................................ 91 5.1.1 Linearisierte Euler-Gleichungen ....................................................91 5.1.2 Elementare lineare Wellentypen....................................................94 5.1.3 Lineares „Stoßrohr“ .....................................................................108 5.1.4 1-D Strömungen durch Kolbenbewegungen................................113 5.1.5 Randbedingungen am offenen und am verschlossenen Rohr.....116

5.2 Nichtlineare Wellen in der Zeit ................................................... 119 5.2.1 Einfache Wellen für nichtlineare Euler-Gleichungen ...................121 5.2.2 Nichtlineares Stoßrohr.................................................................130 5.2.3 Reflexion eines Stoßes am verschlossenen Rohrende ...............139

6 2-D stationäre Wellen im Überschall ........................... 141

6.1 Lineare Wellen im Ort ................................................................ 149 6.1.1 Lineare Kompression und lineare Expansion ..............................150 6.1.2 Auftrieb und Wellenwiderstand....................................................156 6.1.3 Zusammenhang zwischen mehrdimensionalen instationären Wellen

und mehrdimensionalen stationären Wellen ................................165 6.2 Nichtlineare Wellen im Ort ......................................................... 168

6.2.1 Expansion und Epizykloide..........................................................170 6.2.2 Schiefer Stoß und Stoßpolare .....................................................175 6.2.3 Eine kombinierte Anwendung von Stoßpolare und Epizykloide...183 6.2.4 Kontaktwellen ..............................................................................188 6.2.5 Reguläre Reflexion und Machreflexion........................................188 6.2.6 Mehrstoßprobleme Herzkurve .....................................................188

7 Transschall .................................................................. 188

7.1 Profilumströmungen................................................................... 188 7.1.1 Pfeilflügel.....................................................................................188

7.2 2-D Lavaldüsenströmung........................................................... 188 7.3 Über- und Unterexpandierte Düse ............................................. 188

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8 Visualisierung kompressibler Strömungen .................. 188 8.1 Schlierentechnik......................................................................... 188 8.2 Mach-Zehnder-Interferometrie ................................................... 188

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1 Thermodynamische Grundlagen Die kompressible Strömungsmechanik ist eine Verbindung der Kinematik von Massenpunkten mit der Thermodynamik des strömenden Mediums. Diese Verbindung erhöht die Komplexität der Strömungsvorgänge im Vergleich zur „inkompressiblen“ Strömungsmechanik deutlich.

1.1 Hauptsätze Die klassische Thermodynamik beruht auf 4 Hauptsätzen.

Nullter Hauptsatz Steht das System A mit dem System B im thermodynamischen Gleichgewicht und steht das System B mit dem System C im thermodynamischen Gleichgewicht, dann stehen automatisch auch A und C im thermodynamischen Gleichgewicht. Erster Hauptsatz Die Energie ist eine Erhaltungsgröße, sie kann weder erzeugt noch vernichtet werden sondern nur in andere Energieformen umgewandelt werden. Es bezeichne

U die gesamte innere Energie Ekin die gesamte kinetische Energie Epot die gesamte potentielle Energie Q eine über die Systemgrenze zu-/abgeführte Wärmemenge Wvol Kompressions-/Expansionsarbeit (Volumenänderung) Wdiss Dissipative Arbeit (Reibungsarbeit, Stoßverluste, Drosselverluste)

dann lautet der erste Hauptsatz für ein geschlossenes (d.h. massenfestes) System

dissvolpotkin WWQdEdEdU δ+δ+δ=++ Gl. 1

Für ein geschlossenes, ruhendes und adiabates System gilt unter Vernachlässigung der Schwerkraft

dissvol WWdU δ+δ= Gl. 2

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Zweiter Hauptsatz

Thermische Energie ist nicht beliebig in andere Energien überführbar. Es bezeichne

S die gesamte Entropie T die statische Temperatur

dann lautet der zweite Hauptsatz für ein geschlossenes (d.h. massenfestes) System

( )TWQdS dissδ+δ

=

Gl. 3

In einem geschlossenen, adiabaten System kann die Gesamtentropie S nicht abnehmen, da grundsätzlich gilt

0T

WdS diss ≥δ

=

Gl. 4

Der Spezialfall mit dS = 0 steht für Isentropie, d.h. alle Prozesse laufen reversibel (verlustfrei) ab. Im Hinblick auf die Thermodynamik kompressibler Strömungen ist dieser Spezialfall von herausragender Bedeutung. Dritter Hauptsatz Es ist nicht möglich, ein System bis zum absoluten Nullpunkt abzukühlen.

1.2 Zustandsgleichungen Die vollständige Charakterisierung aller thermodynamischen Größen eines abgeschlossenen thermodynamischen Systems im thermodynamischen Gleichgewicht erfordert die Kenntnis einer charakteristischen Funktion. Eine

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charakteristische Funktion ist ein nach jeder Variablen mindestens zweifach stetig differenzierbarer Zusammenhang zwischen der gesamten inneren Energie U, der Gesamtentropie S und dem Systemvolumen V.

)V,S(UU = Gl. 5

Die Fundamentalgleichung der Thermodynamik erhält man durch Bildung des totalen Differentials der charakteristischen Funktion, es folgt

dVVUdS

SUdU

.konstS.konstV⋅

∂∂

+⋅∂∂

===

Gl. 6

Wegen

.konstS.konstV VUp,

SUT

== ∂∂

−=∂∂

=

Gl. 7

erhält man

dVpdSTdU ⋅−⋅= Gl. 8

An dieser Stelle wird ein für kompressible Strömungen besonders bedeutungsvoller Zusammenhang ersichtlich, wenn man Gl. 3 (1. Hauptsatz für adiabate, ruhende Systeme ohne Schwerkraft) und Gl. 8 gegenüberstellt.

dissvol WWdU δ+δ= = dSTdVp ⋅+⋅− Gl. 9

Entfällt die dissipative Arbeit, dann folgt die Änderung der gesamten inneren Energie dU allein aufgrund von Expansions- bzw. Kompressionsarbeit δWvol = -p·dV. Die Gesamtentropie bleibt dabei unverändert, der Prozess ist isentrop, d.h. dS=0.

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Bezeichnet man mit H=U+p·V die Gesamtenthalpie, so findet man die zur Gleichung Gl. 8 äquivalente Form

dpVdSTdpVdVpdU)VpU(ddH ⋅+⋅=⋅+⋅+=⋅+= Gl. 10

Jede Beziehung der Form U=U(S,V) oder H=H(S,V), die zweimal stetig differenzierbar ist und eine positiv semidefinite Hessematrix aufweist, ist eine kanonische Zustandsgleichung. „Kanonisch“ bedeutet, dass die Gleichung alle thermodynamischen Informationen vollständig beinhaltet. Oftmals sind jedoch nicht alle thermodynamischen Informationen erforderlich (bzw. oftmals kennt man keine kanonische Zustandsgleichung). Zur Beschreibung der Thermodynamik von kompressiblen Strömungen bevorzugt man üblicherweise die Kombination einer thermischen Zustandsgleichung, die den Druck als Funktion von Dichte und Temperatur beschreibt

( )T,pp ρ= Gl. 11

und einer kalorischen Zustandsgleichung, die die massenspezifische innere Energie e als Funktion von Dichte und Temperatur darstellt

( )T,ee ρ= . Gl. 12

Die Wahl der beiden Zustandsgesetze ist nicht frei, da die Kompatibilität der beiden Gleichungen nur dann erfüllt ist, wenn die Maxwell-Beziehungen (Satz von Schwarz) der Thermodynamik erfüllt sind.

1.3 Statische thermodynamische Zustandsgrößen Im Rahmen der Lehrveranstaltung Gasdynamik sind folgende thermodynamischen Größen relevant.

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Statische Größen p statischer Druck [Pa] T statische Temperatur [K] ρ statische Dichte [kg/m³] v statisches spezifisches Volumen [m³/kg] e statische spezifische innere Energie [J/kg] h statische spezifische Enthalpie [J/kg] s statische spezifische Entropie [J/kg/K] Abgeleitete statische Größen Spezifische Wärmekapazität cp bei konstantem Druck

.konstp.konstpp T

sTThc

== ∂∂

⋅=∂∂

=

Gl. 13

Spezifische Wärmekapazität cv bei konstantem Volumen

.konstv.konstvv T

sTTec

== ∂∂

⋅=∂∂

=

Gl. 14

Schallgeschwindigkeit c

.konsts

pc=ρ∂

∂=

Gl. 15

Adiabatenexponent (bzw. Isentropenexponent)

pc2⋅ρ

Gl. 16

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Der Adiabatenexponent beschreibt die (negative) Steigung der Adiabaten bzw. Isentropen im logarithmischen p-v Diagramm. Es ist per Definition

p²cp

pvp

pv

))v(log())p(log(

.konsts.konsts.konsts

⋅ρ=

ρ∂∂⋅

ρ=

∂∂⋅−=

∂∂

−=γ===

Gl. 17

und daraus folgt, dass entlang jeder Isentropen folgende Konstanz gilt

.konstsfür.konstvp ==⋅ γ Gl. 18

Man beachte, dass der Adiabatenexponent im allgemeinen Fall (reales Fluid) weder konstant ist noch das Verhältnis der spezifischen Wärmekapazitäten darstellt – dies ist nur für das ideale Gas (bzw. perfekte Gas) korrekt.

1.4 Perfektes Gas – thermodynamisches Modell für Luft Im Mittelpunkt dieser Lehrveranstaltung steht das Verhalten von Gasen, deren thermodynamisches Verhalten in den betrachteten Zustandsbereichen adäquat durch das perfekte Gasgesetz dargestellt werden kann. In diesem Fall (perfektes Gas) ergeben sich die folgenden thermodynamischen Beziehungen.

Thermische Zustandsgleichung (perfektes Gas)

.konstRTRp =⋅⋅ρ= Gl. 19

R ist die (gas-)spezifische Gaskonstante, die sich durch Division der universellen Gaskonstante Runiversell durch die molare Masse M des betrachteten Gases ergibt, R= Runiversell / M.

Kalorische Zustandsgleichung (perfektes Gas)

.konstcTce vv =⋅= Gl. 20

Weitere häufig gebrauchte Beziehungen für perfekte Gase sind

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.konstcTch pp =⋅= Gl. 21

1Rc,

1Rc,

cc

,Rcc vpv

pvp −γ

=−γ⋅γ

==γ=−

Gl. 22

( ) ρ⋅−γ=

ργ=⋅⋅γ=

1pe,pTRc .

Gl. 23

Perfekte Gase stellen aus thermodynamischer Sicht die einfachsten kompressiblen Medien dar und ermöglichen dadurch analytische Betrachtungen „mit Bleistift und Papier“. Im Gegensatz dazu stellt die Thermodynamik komplexer Fluide (reale Gase, Flüssigkeiten, Mehrkomponenten- und Mehrphasensysteme, …) große Hürden dar, deren Überwindung Gegenstand aktueller Arbeiten ist. Zusammenfassung der Konstanten für Luft – modelliert als perfektes Gas

⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡⋅

==Kkg

J1.287.konstR

[ ]−==γ 4.1.konst

⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡⋅

==Kkg

J7.1004.konstcp

⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡⋅

==Kkg

J6.717.konstcv

Gl. 24

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2 Strömungsmechanische Grundgleichungen Wir betrachten einen ortsfesten und nicht deformierbaren „Drahtwürfel“ innerhalb einer Strömung. Der Würfel besitze die „Seitenflächen“ A1 bis A6 und das Volumen V. Jeder Seitenfläche wird ein nach Außen gerichteter Einheitsnormalenvektor n1 bis n6 zugeordnet. Zur einfachen Darstellung sei der Würfel derart orientiert, dass die Normalenvektoren bis auf das Vorzeichen mit den kartesischen Koordinatenachsen identisch sind.

2.1 Massenbilanz und Massenflüsse Wir fordern, dass Masse weder erzeugt noch vernichtet werden kann. Die zu einem Zeitpunkt t1 im Drahtwürfel enthaltene Masse kann nur dann zu- oder abnehmen, wenn Masse über die Seitenflächen des Würfels hinein- oder heraustransportiert wird – genauer: wenn der Netto-Massenstrom (einfließende Masse minus ausfließende Masse) von null verschieden ist, dann ändert sich die Masse im Drahtwürfel.

Wie üblich bezeichne ⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

⎛=

wvu

vv die Punktweise bekannte Geschwindigkeit der

Strömung in kartesischen Koordinaten. Dann ist der Massenfluss im& über eine Seitenfläche Ai mit zugehörigem Normalenvektor ni gegeben durch

x

y

z

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( ) dAnvm

iA

ii ∫ ⋅⋅ρ=vv

& Gl. 25

Überall dort, wo die projizierte Geschwindigkeit ( )nv

vv⋅ positiv ist, strömt Masse

mit der Dichte ρ aus dem Drahtwürfel mit der Geschwindigkeit ( )nvvv⋅ aus. Im

Falle einer negativen projizierten Geschwindigkeit strömt Masse ein. Für die Gesamtbilanz im „stationären und nicht deformierbaren Drahtwürfel“ ergibt sich damit

( )∑∫∫ ⋅⋅ρ−=ρ∂∂

i A

i

V i

dAnvdVt

vv. Gl. 26

Das Oberflächenintegral auf der rechten Seite ist der Massenfluss. Dieser lässt sich mit dem Satz von Gauß auf ein Volumenintegral zurückführen, es ist

( ) ( )∫∑∫ ⋅ρ=⋅⋅ρVi A

i dVvdivdAnv

i

vvv Gl. 27

und somit folgt die zu Gl. 26 äquivalente Form der Massenbilanz

( )∫∫ ⋅ρ−=ρ∂∂

VV

dVvdivdVt

v. Gl. 28

Da wir bei der Herleitung von einem stationären und nicht deformierbaren Würfel ausgegangen sind, dürfen wir die zeitliche Ableitung vor dem Integral direkt auf den Integranden übertragen. Zusätzlich fassen wir die Volumenintegrale auf beiden Seiten zu einem Integral zusammen und erhalten

( ) 0dVvdivt

V

=⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅ρ+∂ρ∂∫ v

. Gl. 29

Das Integral muss auch für jedes Teilvolumen von V den Wert null liefern, d.h. der Integrand muss Punktweise verschwinden. Dies liefert die differenzielle Form der Massenerhaltung

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( ) 0vdivt

=⋅ρ+∂ρ∂ v

.

Gl. 30

2.2 Impulsbilanz und Impulsflüsse Die Herleitung der Impulsbilanz erfolgt analog zur Massenbilanz. Als Bilanzgröße verwenden wir im Folgenden den Gesamtimpuls im „Drahtwürfel“. Dieser ist genau wie die Geschwindigkeit eine vektorielle Größe. In Analogie zum zuvor diskutierten Massenfluss benötigen wir einen korrespondierenden Impulsfluss über die Seitenflächen des Kontrollelements („Drahtwürfel“). Für die Seitenfläche Ai mit korrespondierendem Flächennormalenvektor ni erhält man den vektoriellen Impulsfluss

( ) dAvnvpulsflussIm

iA

iivvv⋅⋅⋅ρ= ∫ Gl. 31

Der Impulsfluss setzt sich offenbar zusammen aus der projizierten Geschwindigkeit ( )nv

vv⋅ normal zur Zellfläche, der lokalen Dichte ρ und der

lokalen vektoriellen Strömungsgeschwindigkeit vv . Eine zum Verständnis oft hilfreiche Interpretation lautet wie folgt. Bezeichnet man das Produkt vv⋅ρ als Impulsdichte, so erhält man eine unmittelbar mit den Massenflüssen vergleichbare Aussage: Überall dort, wo die projizierte Geschwindigkeit ( )nv

vv⋅ positiv ist, strömt ein Impuls mit der Impulsdichte vv⋅ρ

aus dem Drahtwürfel mit der Geschwindigkeit ( )nvvv⋅ aus. Im Falle einer

negativen projizierten Geschwindigkeit strömt ein Impuls ein. Im Unterschied zur Massenbilanz ist die Impulsbilanz nicht ausschließlich durch das Ein- und Ausströmen im Drahtwürfel bestimmt. Vielmehr gilt folgende Bedingung: Die zeitliche Änderung des Gesamtimpulses im Drahtwürfel ergibt sich als Summe aus dem Netto-Impulseintrag (durch Impulsflüsse über die Seitenflächen) plus den angreifenden Oberflächen- und Volumenkräften. Zu den Volumenkräften zählen die Schwerkraft und die Coriolis-Kraft, die Oberflächenkräfte lassen sich auf den thermodynamischen Druck (eine Normalkraft) sowie den durch Viskosität verursachten Schub- und Normalspannungen zurückführen. In Analogie zu Gl. 26 erhalten wir - zunächst

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ohne präzise Spezifikation der Volumen- und Oberflächenkräfte - die folgende integrale Impulsbilanz für das Fluid im Drahtmodell.

( ) ∑∑∫∫ +⋅⋅⋅ρ−=⋅ρ∂∂

ii A

i

V

KräftedAvnvdVvt

i

vvvv. Gl. 32

Die Kräfte bzw. deren Kraftdichten (Kraft pro Fläche) wollen wir nun beispielhaft für die Schwerkraft (eine Volumenkraft) sowie für Druckkräfte und viskose Spannungskräfte darstellen. Für eine beliebige Seitenfläche Ai mit korrespondierendem nach außen gerichtetem Einheitsnormalenvektor ni erhält man folgende Kräfte.

dAnpDruckkraft i

A

i

i

v∫ ⋅−= Gl. 33

Das negative Vorzeichen lässt sich leicht erklären: Druck wirkt per Definition normal auf die Fläche und zwar zur Fläche hingerichtet. Der Normalenvektor ni zeigt jedoch nach außen, was durch das negative Vorzeichen behoben wird.

dAnSpannungen

iA

ii ∫ ⋅τ=v

Gl. 34

Der Spannungstensor τ beinhaltet die Schub- und Normalspannungen. Durch Multiplikation mit dem Normalenvektor erhält man den Spannungsvektor für die betrachtete Seitenfläche.

∫ ⋅ρ=V

dVgtSchwerkrafv

Gl. 35

Insgesamt erhalten wir für die Impulsbilanz im Drahtwürfel die folgende Form.

( )( ) ∫∑∫∫ ⋅ρ+⋅τ−⋅+⋅⋅⋅ρ−=⋅ρ∂∂

Vi A

iii

V

dVgdAnnpvnvdVvt

i

vvvvvvv. Gl. 36

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Die Summe der Oberflächenintegrale auf der rechten Seite lassen sich mit dem Satz von Gauß auf Volumenintegrale zurückführen. Man erhält

( ) ( ) ( ) ∫∫∫ ⋅ρ+τ−+⊗⋅ρ−=⋅ρ∂∂

VVV

dVgdVdivpgradvvdivdVvt

vvvv. Gl. 37

In Analogie zur Massenbilanz darf die Zeitableitung beim stationären und nicht deformierbaren Drahtwürfel auf den Integranden übergeführt werden. Ebenso muss das Gesamtintegral für jedes Teilvolumen von V erfüllt sein. Dies liefert die Punktweise geltende (differentielle) Impulsbilanz

2.3 Energiebilanz und Energieflüsse Auch hier folgen wir dem Vorgehen aus Kapitel 2.1 und 2.2 – insbesondere liefern uns die in den Impulsflüssen hergeleiteten Kräfte unmittelbar die damit pro Zeiteinheit verrichtete Arbeit. Wir bezeichnen die spezifische Gesamtenergie E als Summe der spezifischen inneren Energie e und der spezifischen kinetischen Energie ²v2

1 v⋅

²v21eE v⋅+= .

Gl. 39

Der Energiefluss über die Seitenflächen des Drahtwürfels folgt unmittelbar als

( ) dAEnvssEnergieflu

iA

ii ⋅⋅⋅ρ= ∫ vv. Gl. 40

Die aus der Druckkraft und den viskosen Kräften resultierenden Leistungen ergeben sich durch Multiplikation der Integranden in den Gleichungen Gl. 33 bis Gl. 35 mit der Geschwindigkeit vv und lauten

( ) ( ) ( ) ( ) 0gdivpgradvvdiv

tv vvvvv

=⋅ρ−τ−+⊗⋅ρ+∂⋅ρ∂

.

Gl. 38

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dAvnpLeistung"p" i

A

i

i

vv⋅⋅−=− ∫ Gl. 41

dAvnLeistung"" i

A

i

i

vv⋅⋅τ=−τ ∫ Gl. 42

∫ ⋅⋅ρ=−V

i dVvgLeistung"g" vv Gl. 43

Zusätzlich zu den pro Zeiteinheit verrichteten Arbeiten wollen wir Wärmeleitung und Wärmezufuhr (z.B. durch Verbrennung bzw. exotherme Reaktionen) berücksichtigen. Üblicherweise wird Wärmeleitung durch einen Wärmeflussvektor Q

v modelliert, welcher proportional zum Temperaturgradient

( )Tgrad ist. Der Wärmefluss über die Seitenfläche Ai hat die Form

( ) dAnTgraddAnQWärmefluss

ii A

i

A

ii ∫∫ ⋅⋅λ−=⋅=vvv

. Gl. 44

Der Proportionalitätsfaktor λ ist der Wärmeleitkoeffizient. Die Modellierung äußerer Wärmequellen/-senken erfolgt durch Vorgabe der spezifischen Wärmequelldichte wq [m²/s³]. Die Quelle/Senke hat die integrale Form

dVw"eWärmequell"V

q∫ ⋅ρ= . Gl. 45

Insgesamt lautet die Energiebilanz in integraler Form

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( )( )

( ) .dVwvg

dAnQvnvnpEnvdVEt

V

q

i A

iiii

V i

∑∫∫⋅ρ+⋅⋅ρ+

+⋅+⋅⋅τ−⋅⋅+⋅⋅⋅ρ−=⋅ρ∂∂

vv

vvvvvvvv

Gl. 46

Mittels des Satzes von Gauß erhält man

( )( )∫∫ ⋅ρ−⋅⋅ρ−+⋅τ−⋅+⋅⋅ρ−=⋅ρ∂∂

V

q

V

dVwvgQvpvEvdivdVEt

vvvvvv. Gl. 47

Dies liefert die Punktweise geltende (differentielle) Energiebilanz

( ) ( ) .0wvgQvpvEvdiv

tE

q =⋅ρ−⋅⋅ρ−+⋅τ−⋅+⋅⋅ρ+∂⋅ρ∂ vvvvvv

Gl. 48

Insgesamt lauten die kompressiblen Navier-Stokes-Gleichungen in 3 Raumdimensionen differentiell zusammengefasst wie folgt.

( ) 0vdivt

=⋅ρ+∂ρ∂ v

.

( ) ( ) ( ) ( ) 0gdivpgradvvdiv

tv vvvvv

=⋅ρ−τ−+⊗⋅ρ+∂⋅ρ∂

.

( ) ( ) ( ) ( ) .0wvgQvdivpvdivEvdiv

tE

q =⋅ρ−⋅⋅ρ−+⋅τ−⋅+⋅⋅ρ+∂⋅ρ∂ vvvvvv

Gl. 49

Dieses System von 5 nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen stellt ein sehr präzises mathematisches Modell für einphasige und einkomponentige Strömungen dar. Vorsicht ist geboten bei Strömungen mit Knudsenzahlen ≥ 0.1 (z.B. hoch verdünnte Gase, Wiedereintritt) – in diesem Fall ist der kontinuumsmechanische Ansatz nicht gerechtfertigt.

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2.4 Kompressible Euler-Gleichungen Wir vereinfachen das System der Navier-Stokes-Gleichungen Gl. 49 durch folgende Annahmen.

1) Volumenkräfte sind vernachlässigbar 2) Reibung und Wärmeleitung sind vernachlässigbar (*) 3) Wärmequellen/-senken treten nicht auf

4) Das Strömungsmedium ist ein perfektes Gas

(*) Man kann über die kinetische Gastheorie zeigen, dass Reibung (bzw. die Viskosität η) und Wärmeleitung (bzw. der Wärmeleitkoeffizient λ) unmittelbar verknüpfte Prozesse (bzw. proportionale Größen) sind. Für Fluide, die durch die kinetische Gastheorie beschreibbar sind (z.B. „einfache“ Gase), müssen folglich entweder beide Effekte berücksichtigt werden oder beide vernachlässigt werden.

2.4.1 Kompressible Euler-Gleichungen „Grundform“ Mit den Annahmen 1) – 4) reduzieren die kompressiblen Navier-Stokes-Gleichungen zu den kompressiblen Euler-Gleichungen in Verbindung mit der thermodynamischen Schließungsbeziehung „perfektes Gas“. Der vollständige Gleichungssatz lautet

( ) 0vdivt

=⋅ρ+∂ρ∂ v

.

( ) ( ) ( ) 0pgradvvdiv

tv vvvv

=+⊗⋅ρ+∂⋅ρ∂

.

( ) ( ) ( ) .0pvdivEvdiv

tE

=⋅+⋅⋅ρ+∂⋅ρ∂ vv

²v21eE v⋅+=

( ) .konst,1pe =γ

ρ⋅−γ=

Gl. 50

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22

2.4.2 Kompressible Euler-Gleichungen „Divergenzform“ Durch zwei einfache algebraische Modifikationen lassen sich die Euler-Gleichungen in eine sowohl zum Verständnis als auch für die numerische Behandlung besonders vorteilhafte Form bringen.

1) Algebraische Umformung

Wegen ρ

+⋅+=ρ

+=p²v

21epEH v

kann die Energiebilanz auch als

Ruheenthalpiefluss formuliert werden.

2) Algebraische Umformung Der Druckgradient in den Impulsbilanzen kann als Divergenz formuliert werden, wenn man den Druck zuvor mit dem Einheitstensor I3 multipliziert. Es ist

( ) ( )pgrad

zpypxp

p000p000p

divp100010001

divpIdiv 3 =

⎟⎟⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜⎜⎜

∂∂∂∂∂∂

=⎪⎭

⎪⎬

⎪⎩

⎪⎨

⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

⎛=

⎪⎭

⎪⎬

⎪⎩

⎪⎨

⎧⋅

⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

⎛=⋅ .

Beide algebraischen Umformungen auf das System Gl. 50 angewandt liefert die Euler-Gleichungen in „Divergenzform“ (oft auch als Erhaltungsform bezeichnet).

( ) 0vdivt

=⋅ρ+∂ρ∂ v

.

( ) ( ) 0pIvvdiv

tv

3vvv

v

=⋅+⊗⋅ρ+∂⋅ρ∂

.

( ) ( ) .0Hvdiv

tE

=⋅⋅ρ+∂⋅ρ∂ v

( )e,pp ρ=

Gl. 51

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23

Offenbar ist es möglich, die zeitliche Änderung von Masse, Impuls und Energie als Divergenz von Größen darzustellen, welche selbst nur von der Masse, dem Impuls und der Energie abhängen. Wir werden dies im Verlaufe der späteren Kapitel wieder aufgreifen.

2.4.2 Kompressible Euler-Gleichungen „primitive Form“ Eine ebenfalls durch algebraische Umformung erhältliche Form der Euler-Gleichungen in sog. „primitiven“ oder „physikalischen“ Variablen lautet

( )vdivDtD v

⋅ρ−=ρ

.

( )pgrad1Dt

vD⋅

ρ−=

v

.

( ).vdiv²cDtDp v

⋅⋅ρ−=

ρ⋅γ=p²c .

Gl. 52

Bemerkung zur materiellen Ableitung:

( ) ( ) ( )•⋅+

∂•∂

=• gradv

tDtD v

.

Gl. 53

Die materielle Ableitung gibt die Änderung einer Größe entlang der Teilchenbahn an. Beispielsweise reduziert die Impulsbilanz zum 2. Newtonschen Gesetz

vmF &vv

⋅= , wobei die Kraft F hier durch den Druckgradienten gegeben ist. Anhand der Euler-Gleichungen in primitiven Variablen lassen sich weitere grundlegende physikalische Zusammenhänge erkennen. Der wichtigste Zusammenhang ergibt sich durch Einsetzen der ersten Gleichung des Systems Gl. 52 in die dritte Gleichung. Man erhält

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24

DtD²c

DtDp ρ

⋅= .

Gl. 54

Entlang einer Teilchenbahn ist das Verhältnis von Druckänderung zu Dichteänderung offenbar identisch mit dem Quadrat der Schallgeschwindigkeit c. Vergleicht man dies mit der Definition der Schallgeschwindigkeit in Gl. 15, so erhält man folgende fundamentale thermodynamische Aussage. Wegen

.konsts

p:²c=ρ∂

∂=

folgt, dass Strömungen, die durch die Euler-Gleichungen beschrieben werden, entlang jeder Teilchenbahn eine konstante Entropie s besitzen, die jedoch von Teilchenbahn zu Teilchenbahn unterschiedliche Werte aufweisen darf. Derartige Strömungen heißen isentrop – mathematisch formuliert man das über die materielle Ableitung wie folgt.

( ) 0sgradvts

DtDs

=⋅+∂∂

=v

.

Gl. 55

2.4.3 Zusammenfassung „kompressible Euler-Gleichungen“ Die kompressiblen Euler-Gleichungen beschreiben die Kinematik und die Thermodynamik kompressibler reibungsfreier (und wärmeleitungsfreier) Strömungen im Kontinuumsbereich vollständig. Falls die beschriebene Strömung stoßfrei ist (d.h. falls Differentialgleichungen erlaubt sind (!!!)), dann beschreiben die Euler-Gleichungen reversible (isentrope) thermodynamische Prozesse. Mit Bezug zur Gl. 9 erkennen wir, dass die einzige Form von verrichteter Arbeit durch Expansions-/Kompressionsarbeit gegeben ist. Dissipative Arbeit erfolgt ausschließlich über Stöße, welche jedoch nicht durch die differentiellen Formen der Euler-Gleichungen beschrieben werden können. Stoßlösungen lassen sich jedoch aus den integralen Bilanzgleichungen ableiten – dies ist ein wesentlicher Aspekt der folgenden Kapitel.

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25

3 Stromröhrentheorie 1-D stationär, variabler Querschnitt

Im Folgenden wiederholen und ergänzen wir die in Fluidmechanik I (Einführung in die Dynamik der Fluide, Prof. Dr.-Ing. N.A. Adams, TU München) bereits diskutierten Strömungseigenschaften wie sie näherungsweise in Düsen oder allgemein entlang Stromröhren mit variablem Querschnitt auftreten. Entscheidend für die spätere Bewertung der Ergebnisse und insbesondere für deren Anwendung auf praktische Fragestellungen ist es, alle einfließenden Annahmen (d.h. Vereinfachungen der Realität!) stets im „Hinterkopf“ zu behalten. Wir werden folgende Annahmen einsetzen.

1) Nur stationäre Strömungen 2) Keine Reibung, Wärmeleitung, Wärmequellen 3) Die Strömung verhält sich quasi eindimensional 4) Das Fluid ist einkomponentiges perfektes Gas

Das quasi eindimensionale Verhalten bedeutet, dass wir alle Strömungszustände im Querschnitt einer Düse oder im Querschnitt einer Stromröhre als Querschnittsgemittelte Größen auffassen werden. Anschaulich formuliert wollen wir die Strömung in der abgebildeten Düse so diskutieren, als wären die thermodynamischen Zustände und die kinematischen Größen in jedem Querschnitt A(x) konstant. Wir lassen nur zu, dass Variationen entlang der Laufkoordinate x erfolgen können. Bemerkung: Die Wahl der Koordinatenachse x als Laufkoordinate erfolgt aus Darstellungsgründen – prinzipiell muss die Laufkoordinate so gewählt werden, dass sie der Integralkurve der querschnittsgemittelten Geschwindigkeit folgt.

( )2xA

x

minxx =

minAA =

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26

3.1 Machzahl-Querschnittsgleichung Mit den zuvor formulierten Annahmen wollen wir erste Aussagen über das Strömungsverhalten in Düsengeometrien ableiten. Die relevanten Bilanzgleichungen für stationäre Strömungen und stationäre Düsengeometrien lauten Konstanz des Massenflusses

( ) ( ) ( ) .konstxAxux =⋅⋅ρ

Gl. 56

Zweites Newtonsches Gesetz (Impulssatz)

( ) ( )xp1

xxuxu

∂∂⋅

ρ−=

∂∂⋅

Gl. 57

Konstanz des Ruheenthalpieflusses

( ) ( ) ( ) ( ) .konstxAxuxHx =⋅⋅⋅ρ

Gl. 58

1) Resultat – Konstanz der Ruheenthalpie Durch Vergleich der Gleichungen Gl. 56 und Gl. 58 erhält man unmittelbar H(x)=konst. Zur Erinnerung:

22 v21pev

21hH vv

⋅+ρ

+=⋅+=

22

p v21

1²cv

21TcH vv

⋅+−γ

=⋅+⋅=

Für unser Vorhaben ist folgende Konsequenz besonders hilfreich

.konstu21

1²cH 2 =⋅+−γ

=

Gl. 59

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2) Resultat – Konstanz der Entropie (für stoßfreie Strömungen)

Wie bereits in Gl. 55 gezeigt sind differenzierbare (stoßfreie) Strömungen unter den hier vorliegenden Annahmen isentrop. Dies ermöglicht uns, Druckvariationen und Dichtevariationen ineinander umzurechnen. Wir werden folgende Zusammenhänge nutzen.

Für s=konst. gilt ρ⋅= d²cdp bzw. ρ⋅ρ⋅γ

= dpdp

Gl. 60

3) Herleitung der Machzahl-Querschnittsgleichung (für stoßfreie Strömungen) Durch Bildung des Differentials und Division durch den (konstanten) Massenfluss ergibt sich

( ) ( ) ( ) .konstxAxux =⋅⋅ρ

( ) 0Aud =⋅⋅ρ⇒

0A

dAudud

=++ρρ

⇒ .

Gl. 61

Nun im Impulssatz unter Verwendung der Isentropie den Druck eliminieren und anschließend Umschreiben

ρρ

⋅−=⋅ρ

−=⋅d²cdp1duu

udu

²c²ud⋅−=

ρρ

Definition der Machzahl cu:M =

udu²Md⋅−=

ρρ

⇒ .

Gl. 62

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Die relative Dichteänderung (Endergebnis aus Gl. 62) setzen wir in Massenbilanz (Endergebnis aus Gl. 61) ein und erhalten

.0A

dAudu

udu²M =++⋅−

( ) .0A

dAudu²M1 =+⋅−⇒

Gl. 63

Wir verwenden nun das 1) Resultat „Konstanz der Ruheenthalpie“ um die relative Geschwindigkeitsänderung in eine relative Machzahländerung zu überführen.

Wegen .konstu21

1²cH 2 =⋅+−γ

=

folgt .0duu21

1dcc

=⋅⋅+−γ⋅

.0udu

2²M

cdc

11

=⋅+⋅−γ

Gl. 64

Wir ersetzen nun relative Änderung der Schallgeschwindigkeit durch die relativen Änderungen der Machzahl M und der Strömungsgeschwindigkeit u.

Aus cMu ⋅=

folgt cdc

MdM

udu

+=

und somit MdM

udu

cdc

−= .

Gl. 65

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29

Das Endergebnis aus Gl. 65 setzen wir nun in das Endergebnis aus Gl. 64 ein und lösen die resultierende Gleichung nach der relativen Änderung der Strömungsgeschwindigkeit u auf. Es ergibt sich

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+

=²M

211

MdM

udu

Gl. 66

In Verbindung mit dem Endergebnis aus Gl. 63 sind wir am Ziel. Wir haben eine Differentialgleichung gefunden, die Machzahländerungen durch Querschnittsvariationen ausdrückt. Diese Gleichung bezeichnen wir als Machzahl-Querschnittsgleichung (oft auch als Lavaldüsengleichung bezeichnet).

( ) .0A

dA

²M2

11

MdM

²M1 =+⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+

⋅−

Gl. 67

Die von uns zur Analyse bevorzugte Form erhält man durch einfaches Umformen.

.A

dA1²M

²M2

11

MdM

⋅−

⋅−γ

+=

Gl. 68

Wir erkennen, dass Querschnittsvariationen in Abhängigkeit von der Machzahl M unterschiedliche Wirkungen auf die Machzahlvariation bewirken. Spannend ist insbesondere die Frage, wie sich die Machzahlvariation im Schalldurchgang (d.h. für M=1) verhält. Da der Vorfaktor in Gl. 68 für M=1 singulär wird (er wird unendlich) muss die Querschnittsvariation dA zwangsläufig verschwinden (d.h. dA=0). Wir erhalten ein erstes wesentliches Ergebnis:

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Unter den eingesetzten Annahmen kann die Machzahl M=1 in einer einfach konvergent-divergenten Düse ausschließlich in der Düsenkehle (am engsten Querschnitt) erreicht werden. Wir erhalten zwei weitere wichtige Ergebnisse: Im Unterschall (M<1) ist der Vorfaktor in Gl. 68 negativ. Daraus folgt, dass eine Querschnittserweiterung dA>0 (divergente Düsenkontur) zur Abnahme der Machzahl führt, dM<0. Ebenso führt eine Querschnittsverengung dA<0 (konvergente Düsenkontur) zur Zunahme der Machzahl, dM>0. Im Überschall (M>1) ist der Vorfaktor in Gl. 68 positiv. Daraus folgt, dass eine Querschnittserweiterung dA>0 (divergente Düsenkontur) zur Zunahme der Machzahl führt, dM>0. Ebenso führt eine Querschnittsverengung dA<0 (konvergente Düsenkontur) zur Abnahme der Machzahl, dM<0. Das Hauptergebnis lautet: Im Rahmen der verwendeten quasi eindimensionalen Theorie gibt es nur eine Möglichkeit um eine Unterschallströmung auf Überschall zu beschleunigen – dies ist eine konvergent-divergente Düse (Laval Düse, Venturi Düse) deren engster Querschnitt mit M=1 durchströmt wird. Lösung der Machzahl-Querschnittsgleichung: Die in Gl. 68 vorliegende differentielle Form der Machzahl-Querschnitts-gleichung ist zur unmittelbaren Anwendung nur bedingt geeignet. Wir benötigen ein sog. erstes Integral mit der Eigenschaft, dass das Differential dieses ersten Integrals genau Gl. 68 entspricht. Dies kann man auf verschiedene Weise erreichen, z.B. mit „Hardcore-Mathematik“ (viel Papier und Bleistift) oder mit „Blümchen-Mathematik“ (z.B. Maple oder Mathematica). Da das Ergebnis von der eingesetzten Lösungsmethode unabhängig ist begnügen wir uns mit der Angabe der Lösung. Es gilt: Erstes Integral (Lösung) der Machzahl-Querschnittsgleichung

.konst

²M2

11

MA

11

21 =

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+

−γ+γ

Gl. 69

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Anwendung der Machzahl-Querschnittsgleichung: 1) Gegeben seien ein Querschnitt A1 und eine dort vorliegende Machzahl M1. Weiter sei eine Machzahl M2 bekannt. Dann kann mit der Gl. 69 unmittelbar (explizit) der zur Machzahl M2 passende Querschnitt A2 berechnet werden. Man setzt einfach

11

21

21

11

11

21

22

22

M2

11

MA

M2

11

MA

−γ+γ

⋅−γ+γ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+

⋅=

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+

Gl. 70

und löst dies nach A2 auf. 2) Gegeben seien ein Querschnitt A1 und eine dort vorliegende Machzahl M1. Weiter sei ein Querschnitt A2 bekannt. Dann kann mit der Gl. 69 (implizit bzw. iterativ oder durch Tabellen) die zum Querschnitt A2 passende Machzahl M2 berechnet werden. 3) Für einen beliebig vorgegebenen Machzahlverlauf M(x) erhält man automatisch die im Rahmen dieser Theorie passende Düsenkontur (bzw. den Querschnittsverlauf A(x)). Wir werden die jeweiligen Anwendungen in den folgenden Kapiteln für Unterschallströmungen und Transschallströmungen ausführlich diskutieren.

3.2 Thermodynamische Zustandsänderungen in Abhängigkeit von der Machzahl

Wir haben zuvor die elementarste Beziehung zwischen Machzahl und Querschnitt bestimmt, nun werden wir die dazu gehörigen Variationen thermodynamischer Zustände (Druck, Dichte, Schallgeschwindigkeit, …) herleiten. Als Ausgangssituation stehen nach wie vor die zu Beginn des Kapitels gemachten Annahmen (Reibungsfreiheit, keine Wärmeleitung, etc.) fest. In Analogie zur Machzahl-Querschnittsgleichung beginnen wir mit der Konstanz der Ruheenthalpie H und leiten erste Aussagen daraus ab. Wegen Gl. 59 gilt

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=⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+⋅⋅

−γ⋅γ

=⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+⋅

−γ=⋅+

−γ= ²M

211T

1R²M

211

1²cu

21

1²cH 2

.konst²M2

11Tcp =⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+⋅⋅=

0pp Tc²M2

11Tc ⋅=⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+⋅⋅⇒

0T²M2

11T =⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+⋅⇒ =konst.

Gl. 71

Diese Beziehung folgt rein aus dem Energiesatz und ohne die Annahme der Isentropie! Wir dürfen diese Verbindung von Ruhetemperatur T0, Machzahl M und statischer Temperatur T folglich auch über Stöße anwenden (dazu später mehr). Folgende weitere Größen finden wir aus der abgeleiteten Beziehung –auch sie gelten über Stöße.

21

0 ²M2

11cc ⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+⋅= (wegen TRc ⋅⋅γ= )

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+⋅== ²M

211hhH 0 (wegen Tch p ⋅= )

Gl. 72

Die weiteren Verbindungen von Ruhegröße, Machzahl und statischer Größe verwenden die Isentropie – sie gelten unter der Annahme, dass die Strömung stoßfrei ist. Aus Gl. 17 und dem Gasgesetz erhalten wir

.konstp=

ργ entlang s=konst.

zusammen mit TRp ⋅⋅ρ= finden wir

Gl. 73

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.konst.konst

RT

1==

ρ −γ

Mit vergleichbarer Vorgehensweise erreichen wir

.konstT

p1

=γ−γ

Daraus folgen die beiden Isentropenbeziehungen für Druck und Dichte

11

0 ²M2

11 −γ⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+⋅ρ=ρ

10 ²M

211pp −γ

γ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+⋅= .

Gl. 74

Bemerkung zu den Ruhegrößen: Die Herleitung ist anhand einer Stromröhre für eine stationäre, stoßfreie und reibungsfreie Strömung erfolgt. Damit gelten die abgeleiteten Zusammenhänge auch entlang jeder Stromlinie in stationären, stoß- und reibungsfreien mehrdimensionalen Strömungen.

Anstelle der Bezeichnung „Ruhegröße“ werden alternativ auch die Begriffe „Staugröße“ und „Totalgröße“ verwendet.

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3.2.1 Zusammenfassung der Ruhegrößenbeziehungen

11

0 ²M2

11−γ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+⋅ρ=ρ

10 ²M

211pp

−γγ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+⋅=

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+⋅= ²M

211TT0

21

0 ²M2

11cc ⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+⋅=

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+⋅== ²M

211hhH 0

Gl. 75

Man beachte, dass für die Druckbeziehung und für die Dichtebeziehung die Isentropie erforderlich ist. Alle übrigen Beziehungen folgen aus dem Energiesatz und gelten auch für anisentrope adiabate Strömungsprozesse (Stöße).

3.2.2 Zustandsgrößen bei M=1 (kritische Größen) Aus den Ruhegrößenbeziehungen erhält man durch Wahl von M=1 die kritischen Größen (kritisch M=1). Formelmäßig werden kritische Größen durch einen hochgestellten Stern gekennzeichnet. Üblicherweise gibt man das Verhältnis von Ruhegröße zur kritischen Größe an (bzw. dessen Kehrwert).

11

0

*

211

1

−γ⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −γ+

=ρρ

10

*

211

1pp

−γγ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −γ+

=

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −γ+

=

211

1TT

0

*

21

0

*

211

1cc

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −γ+

=

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −γ+

=

211

1ee

0

*

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −γ+

=

211

1hh

0

*

Gl. 76

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PER DEFINITION wird als kritische Machzahl (oder Lavalzahl) folgende Größe eingeführt:

21

2***

M2

11

211

MccM

cu:M

⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜

⋅−γ

+

−γ+

⋅=⋅==

Gl. 77

3.2.3 Kritische Verhältnisse für Luft (perfektes Gas) Für Luft mit konstantem Adiabatenexponenten 4.1=γ ergeben sich zahlenmäßig

634.00

*=

ρρ

528.0pp

0

*=

833.0TT

0

*= 913.0

cc

0

*=

833.0ee

0

*= 833.0

hh

0

*=

Gl. 78

Die kritische Machzahl (Lavalzahl) lautet für 4.1=γ

21

2

2*

M2.01M2.1M

4.1 ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⋅+⋅

==γ

mit 6Mlim4.1

*M =

=γ∞→

Gl. 79

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3.2.4 Diagramme statische Größen über die Machzahl

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3.3 Unterschallströmung Quasi 1-D Wir betrachten nun eine Düsendurchströmung im reinen Unterschall, d.h. die maximal auftretende Machzahl ist kleiner als 1. Gegeben sind

1) Der Ruhedruck p0 und die Ruhetemperatur T0 am Eintritt 2) Der statische Druck pe am Austrittsquerschnitt Ae

3) Der Austrittsquerschnitt Ae.

Die Frage lautet nun:

Wie groß muss der engste Querschnitt Amin mindestens sein, damit die maximal auftretende Machzahl kleiner als 1 ist? Welche Bedingung muss das Druckverhältnis pe/p0 dazu mindestens erfüllen?

Wir machen folgende Abschätzung:

Die maximale Machzahl Me im Austrittsquerschnitt Ae berechnen wir durch die Ruhegrößenbeziehung Gl. 76 für den Druck. Es folgt

12e

0

e

M2

11

1pp

−γγ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+

=

21

1

e

0e 1

pp

12M

⎪⎭

⎪⎬

⎪⎩

⎪⎨

⎥⎥⎥

⎢⎢⎢

⎡−⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅

−γ=⇒

γ−γ

.

Gl. 80

0p

0T

( )2xA

x

minxx =

minAA =

ep

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Die erste Bedingung für eine reine Unterschallströmung ist offensichtlich, dass die isentrop bestimmte Machzahl am Austritt kleiner als 1 ist. Dies ist der Fall, wenn das gegebene Druckverhältnis pe/p0 größer ist als das kritische Druckverhältnis p*/p0 = 0.528. Die ermittelte Machzahl Me und der bekannte Austrittsquerschnitt sind bereits zwei der erforderlichen Informationen zur Anwendung der Machzahl-Querschnittsgleichung Gl. 70. Wir wollen ein Amin finden für welches die Machzahl M im engsten Querschnitt gerade noch nicht 1 ist. Dies erreichen wir, indem wir in Gl. 70 für die Machzahl im engsten Querschnitt den Wert 1 einsetzen und das Gleichheitszeichen durch ein „kleiner“ Zeichen ersetzen. Wir erhalten

11

21

min

11

21

2e

ee

211

A

M2

11

MA

−γ+γ

⋅−γ+γ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −γ+

<

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+

Gl. 81

Da Me als Funktion des Druckverhältnisses bekannt ist und Ae gegeben ist kann Amin aus obiger Gleichung explizit berechnet werden.

Ein Zahlenbeispiel zur Verdeutlichung:

Es sein p0 = 1.0 bar und T0 = 293.15 K (atmosphärische Bedingungen). Der statische Gegendruck sei pe = 0.8 bar und der Austrittsquerschnitt sei Ae = 0.1 m². Wir erhalten für Luft die folgenden Werte:

Me ≈ 0.5737 und Amin > 0.0819 m²

Bei dem gegebenen Druckverhältnis muss der engste Querschnitt Amin mindestens ≈82% des Austrittsquerschnitts Ae betragen, sonst wird in der Düse die Machzahl M=1 erreicht (oder durchschritten).

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3.3.1 Zustandsverläufe im Unterschall Im reinen Unterschall sind alle Zustände (Geschwindigkeit, Machzahl, thermodynamische Größen) allein vom lokalen Querschnitt bzw. vom Querschnittsverhältnis abhängig. Insbesondere weisen Unterschallströmungen folgende Besonderheiten auf: 1) Bei gegebenem statischen Gegendruck pe prägt sich dieser Druck dem

gesamten System auf, d.h. es existiert eine stromauf wirksame Verbindung der Zustände.

2) Ist für einen Querschnitt A1 (beliebige Position) irgendein Zustand bekannt,

so tritt dieser Zustand an jeder Position in einer Düse auf, an der dieser Querschnitt vorliegt.

3) Eine von den Querschnittsverläufen bezüglich des engsten Querschnitts

symmetrische Düse, d.h. A(xmin – Δx) = A(xmin + Δx), ergibt symmetrische Zustandsverläufe.

4) Bei einem gegebenen Druckverhältnis pe/p0 ist die Austrittsmachzahl

bereits festgelegt. Damit ist die Machzahl in der gesamten Düse bei Vorgabe der Düsenkontur ermittelbar.

4) Im Scheitel der Düse hat wegen dA=0 (davor dA<0, danach dA>0) die

Machzahl ein Maximum, es ist dM=0. Auf den folgenden Seiten sind der Verlauf des dimensionslosen statischen Drucks p/p0 und der Machzahl M für eine reine Unterschallströmung dargestellt. Man beachte, dass die Düse zwar nicht symmetrisch zum engsten Querschnitt ist, aber der Eintritts- und der Austrittsquerschnitt identische Querschnittsflächen besitzen. Daraus folgt unmittelbar, dass die Zustände am Eintritt und am Austritt übereinstimmen müssen.

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40

0p

0T

( )2xA

x

minxx =

minAA =

ep

0pp

x

0

*

pp

0

e

pp

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41

0p

0T

( )2xA

x

minxx =

minAA =

ep

M

x

eM

1

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3.4 Transschallströmung Quasi 1-D Im Folgenden betrachten wir stationäre und reibungsfreie quasi 1-D Strömungen, bei welchen die Machzahl 1 erreicht und ggf. überschritten wird (transsonische Strömungen oder Transschallströmungen). Im vorausgegangenen Kapitel haben wir bei festgehaltenen (konstanten) Ruhegrößen p0, T0 den statischen Gegendruck pe so gewählt, dass die Strömung in der gesamten Düse subsonisch erfolgt. Wir werden nun „in Gedanken“ den Gegendruck langsam absenken und die resultierenden Strömungsphänomene analysieren.

3.4.1 Massenstrom und Massenstromdichte Wir fragen, wie sich der Massenstrom ρ·u·A bzw. die Massenstromdichte ρ·u in Abhängigkeit der Ruhegrößen p0 und T0 am Düseneintritt und des statischen Gegendrucks pe verhält. Man ersetzt die statischen Größen ρ und c, die in den Massenstrom eingehen, durch deren Ruhegrößen und Machzahlabhängigkeiten und erhält

AM

211

TRM

M2

11

AcMAu2

0

11

2

0 ⋅⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+

⋅⋅γ⋅⋅

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+

ρ=⋅⋅⋅ρ=⋅⋅ρ

−γ

Gl. 82

0p

0T

( )2xA

x

minxx =

minAA =

ep

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43

Mit 0

00 TR

p⋅

( )AM

211M

TRpAu 12

1

2

0

0 ⋅⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+⋅⋅

⋅⋅γ⋅γ

=⋅⋅ρ⇒−γ⋅+γ

Gl. 83

Man stellt fest, dass der Massenstrom direkt proportional zum Ruhedruck und invers proportional zur Wurzel aus der Ruhetemperatur ist. Neben dem Querschnitt geht weiterhin eine Machzahlabhängigkeit in den Massenstrom ein. An dieser Stelle ist ein kleiner Einschub angebracht. Wir haben im vorausgehenden Kapitel mit viel Mühe die Machzahl-Querschnittsgleichung Gl. 70 hergeleitet. Wenn Sie Gl. 83 einmal scharf anschauen, werden Sie sehen, dass dort die Machzahl-Querschnittsgleichung bereits vollständig enthalten ist, da

( )

=

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+

⋅⋅

⋅⋅γ⋅γ

=⋅⋅ρ=−γ⋅+γ

121

20

0

M2

11

AMTR

pAu.konst

( )

.

M2

11

AM.konst12

1

2 −γ⋅+γ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+

⋅⋅=

( )

.konst

M2

11

AM

121

2

=

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+

⋅⇒

−γ⋅+γ

Gl. 84

Die für uns primär interessante Größe stellt die Massenstromdichte ρ·u dar. Üblicherweise wir diese Größe mit der kritischen Massenstromdichte (d.h. für M=1) entdimensioniert. Es sind

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44

Kritische Massenstromdichte, d.h. ρ = ρ* und u* = c*

( ).

Tp~

211

TRpc

0

0121

0

0** −γ⋅+γ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −γ+⋅

⋅⋅γ⋅γ

=⋅ρ⇒

Relative Massenstromdichte

( )121

2**M

211

211

Mcu

−γ⋅+γ

⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜

⋅−γ

+

−γ+

⋅=⋅ρ⋅ρ

.

Gl. 85

Die relative Massenstromdichte besitzt einen interessanten Verlauf, wie durch folgende Abbildung gezeigt wird.

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Offenbar besitzt die relative Massenstromdichte ein globales Maximum für M=1. Daraus folgen die Konsequenzen 1) Wird in einer stationär und reibungsfrei durchströmten Düse die Machzahl

M=1 erreicht, dann muss dies im engsten Querschnitt erfolgen. 2) Wird in einer stationär und reibungsfrei durchströmten Düse die Machzahl

M=1 erreicht, dann kann der Massenstrom durch die Düse nur durch Erhöhung der Ruhegrößen (Düseneintritt) gesteigert werden, jedoch nicht durch Absenkung des Gegendrucks. Man bezeichnet diesen Fall als „kritische Durchströmung“ bzw. „gesperrte Düse“ oder auch „blockierte Düse“.

3.4.2 Ideal angepasste Düse Wir werden nun zu gegeben Ruhebedingungen notwendige Bedingungen ableiten, die es uns ermöglichen, eine Düse mit folgenden Eigenschaften zu konstruieren (im Rahmen der quasi 1-D Theorie!).

1) Die Düse ermöglicht die Beschleunigung vom Unterschall in den Überschall.

2) Die Strömung erfolgt stoßfrei (isentrop) bis einschließlich zum Düsenaustritt.

Eine Düse mit diesen Eigenschaften heißt ideal angepasste Düse. Aus den bis dato erfolgten Herleitungen wissen wir, dass es sich um eine konvergent-divergente Düse (Laval Düse) handeln muss. Der Öffnungswinkel und die Länge des divergenten Teils (Diffusor) spielen zwar in der Realität eine gewisse Rolle (Gewicht, Grenzschichtablösung, etc.) aber nicht im Rahmen unserer Theorie. Entscheidend im Sinne unserer Theorie ist einzig und allein das Verhältnis vom kritisch durchströmten Querschnitt A* zum Austrittsquerschnitt Ae. Aus der Machzahl-Querschnittsgleichung erhalten wir das Querschnittsverhältnis A*/Ae in Abhängigkeit von der Austrittsmachzahl Me. Die Austrittsmachzahl Me ergibt sich für eine ideal angepasste Düse (stoßfreie, d.h. isentrope Durchströmung) automatisch aus der Ruhedruckbeziehung bei bekanntem Druckverhältnis p0/pe. Wir finden

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46

11

21

2e

e11

21

e

*

M2

11

M2

11

AA

−γ+γ

−γ+γ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+

⋅⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −γ+

=

21

1

e

0e 1

pp

12M

⎪⎭

⎪⎬

⎪⎩

⎪⎨

⎥⎥⎥

⎢⎢⎢

⎡−⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅

−γ=

γ−γ

.

Gl. 86

Offenbar existiert zu jedem Druckverhältnis p0/pe genau ein Austrittsquerschnitt Ae der eine ideal angepasste Ausströmung ermöglicht. Hier zeigt sich eine typische Schwierigkeit bei der Auslegung von Schubdüsen für Raketenantriebe: In Abhängigkeit der Flughöhe variiert der statische Druck in der Atmosphäre, wodurch sich bei konstantem Druck nach der Brennkammer ein in Abhängigkeit von der Flughöhe variierendes Druckverhältnis ergibt. Will man stets den maximalen Schub erzeugen (denn das tut eine ideal angepasste Düse), dann muss man entweder die Düsengeometrie variabel gestalten (d.h. Ae wird angepasst) oder man muss den Ruhedruck nach der Brennkammer regeln (d.h. p0/pe wird angepasst). Beides ist technisch nicht ohne weiteres zu realisieren… Ein typischer Machzahlverlauf und ein typischer Druckverlauf in einer ideal angepassten Düse sind auf den folgenden Seiten dargestellt.

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0p

0T

( )2xA

x

*xx =

*AA =

ep

M

x

inM

1

eM

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0p

0T

( )2xA

x

*xx =

*AA =

ep

01pp

x

01

*

pp

01

1e

pp

isente pp =

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3.4.3 Transsonische Düsenströmung mit Verdichtungsstoß Wir fragen uns nun, welche Konsequenzen sich ergeben, wenn sich bei einer zunächst ideal angepassten Düse der statische Gegendruck ändert (z. B. weil sich die Flughöhe geändert hat). Es existieren folgende Bereiche:

1) pe ist so hoch, dass die Strömung eine reine Unterschallströmung ist, die vor dem engsten Querschnitt beschleunigt und nach dem engsten Querschnitt isentrop verzögert.

2) pe ist genau so gewählt, dass die Strömung zwar bis auf M=1 im

Düsenhals beschleunigt, aber unmittelbar danach wieder isentrop verzögert. Dies ist der Grenzfall zwischen der reinen Unterschallströmung und der transsonischen Durchströmung.

3) pe ist kleiner als der in 2) erforderliche Druck aber größer als der zur ideal

angepassten Durchströmung erforderliche Druck. In diesem Fall muss eine Anpassung durch Stöße erfolgen, wobei ein Druckbereich existiert, der mit eindimensionaler Theorie behandelbar ist und ein zweiter Druckbereich existiert, der nur durch mehrdimensionale Betrachtungen sinnvoll erklärbar ist. Da wir beides im Laufe der Vorlesung angehen werden nehme ich vorweg: Der erste Druckbereich führt auf senkrechte Stöße innerhalb der Düse, die mit 1-D Theorien beschreibbar sind. Der zweite Druckbereich führt auf schiefe Stöße, die 2-D Theorien erfordern.

4) pe entspricht dem Fall der ideal angepassten Düse, d.h. isentrope

Beschleunigung vom Unterschall in den Überschall und maximaler Austrittsschub.

5) pe ist kleiner als als im Fall 4), die erforderliche Druckanpassung erfolgt

durch 2-D Effekte außerhalb der Düse (Expansionsfächer).

Bevor wir uns in den theoretischen Grundlagen verlieren betrachten wir einige typische Zustandsverläufe für Druck und Machzahl aus den Fällen 2) und 4) sowie diejenigen Strömungen aus 3), die wir im Rahmen der 1-D Theorie ableiten können.

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01p

0T

( )2xA

x

*xx =

*AA =

1ep

01pp

x

01

*

pp

01

1e

pp

1ee pp <

isente pp =

sSmin,e pp =

Stoß

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01p

0T

( )2xA

x

*xx =

*AA =

1ep

M

x

inM

1

Stoß

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Allen Verläufen sind folgende Sachverhalte gemeinsam:

1) Der Unterschallteil bis zum engsten Querschnitt (mit M=1) ist stets identisch mit dem Verlauf, der sich bei isentroper Strömung im Falle der ideal angepassten Düse einstellt. Offenbar existiert keine Rückwärtswirkung (Stromaufwirkung) von Prozessen, die im Überschallteil passieren.

2) Der Massenstrom in der Düse ist für alle Fälle identisch und gleich dem

maximalen Massenstrom (kritischer Massenstrom) unter den gegebenen Ruhebedingungen.

3) Der Grenzfall, bei dem nur im engsten Querschnitt Schall erreicht wird und

sonst alles im Unterschall erfolgt, besitzt einen Knick in allen Zustandsverläufen im engsten Querschnitt. Dieser Fall ist ebenfalls eine über die gesamte Düse isentrope Strömung.

4) Alle Fälle, in denen ein Stoß auftritt, lassen sich in 3 Bereiche einteilen.

Isentrope Beschleunigung vom Düseneintritt bis zum Stoß (Teil 1), Stoß mit Entropiezunahme (Teil 2), isentrope Verzögerung und Kompression bis zum Düsenaustritt (Teil 3). Der Fall pe=pmin,sS ist die Grenze der 1-D Theorie – der Stoß steht in diesem Fall im Düsenaustritt. Wird der Gegendruck weiter abgesenkt, existiert kein senkrechter Stoß mehr, der auf diesen Gegendruck passt, d.h. hier helfen nur noch 2-D Effekte.

5) Je weiter stromab der Stoß steht, desto geringer wird der statische

Druck am Düsenaustritt und desto höher ist die Austrittsmachzahl (wobei Me stets kleiner als 1 ist).

6) Die Druckzunahme über den Stoß besitzt ein Maximum, da bei

höheren Vorstoßmachzahlen der Ruhedruckverlust steigt und schließlich gegenüber der Druckzunahme dominant wird.

7) Die Zustandsverläufe stromauf und stromab des Stoßes sind über die

Machzahl-Querschnittsgleichung bei vorgegebener Querschnitts-verteilung A(x) bereits eindeutig festgelegt.

8) Zu jedem Gegendruck existiert im Falle der transsonischen Strömung mit

Stoß genau ein Querschnitt AS in welchem sich der Stoß befinden muss, d.h. die Stoßstärke und Position sind eindeutig.

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3.4.4 Beziehungen stationärer senkrechter Stoß Bis dato haben wir uns nur solche Lösungen der differentiellen Grundgleichungen angesehen, die die erforderliche Differenzierbarkeit bieten. An dieser Stelle gehen wir zurück bis zur Flussdarstellung der Grundgleichungen und erhalten damit eine Gleichungsform, die keine Anforderungen an die Differenzierbarkeit der Lösung stellt. Wir betrachten eine stationäre 1-D Strömung mit konstantem Querschnitt und formulieren die Flüsse von Masse, Gesamtimpuls und Gesamtenergie für den angegebenen Bilanzraum. Diese Flüsse lauten unabhängig von Δx

uˆu0 ⋅ρ−⋅ρ=

( ) ( )puˆpu0 22 +⋅ρ−+⋅ρ=

HuˆHu0 ⋅⋅ρ−⋅⋅ρ= .

Gl. 87

Offenbar gibt es eine triviale Lösung wenn die Zustände am Eintritt in den Bilanzraum mit den Zuständen am Austritt aus dem Bilanzraum identisch sind. Es existiert eine zweite Lösung, die wir im Folgenden herleiten werden. Aus der Energiebilanz ergibt sich in Verbindung mit der Massenbilanz unmittelbar

Bilanzraum

M,c,h,e,T,p,u,ρM,c,h,e,T,p,u,ρ

Δx → 0

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.u21

ˆp

1u

21p

1

u21

1cu

21

1cHH0

22

22

22

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅+

ρ⋅

−γγ

−⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅+

ρ⋅

−γγ

=

=⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅+

−γ−⎟

⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅+

−γ=−=

Gl. 88

Andererseits gilt allgemein

.konst1

cu21

1cH

202

2=

−γ=⋅+

−γ=

Gl. 89

Wendet man die Impulsbilanz zusammen mit der Energiebilanz an, so findet man nach einigen Umformungen die Beziehung

( )2*20 c1

c2ˆ

pp=

+γ⋅=

ρ−ρ−

Gl. 90

Nach weiteren Umformungen (Ersetzung der Druckdifferenz über die Impulsbilanz, Anwendung der Massenbilanz) erhält man ein erstes, brauchbares Ergebnis. Es ist

( )( )2*

2*

2M

c

uˆ==

ρρ

Gl. 91

Über die Massenbilanz erhält man damit unmittelbar

( )2*M

1uu=

Gl. 92

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55

( )2*cuu =⋅⇒

Prandtlsche Stoßrelation 1MM ** =⋅⇒

Auf diese Weise kann man sich mit viel Mühe durch jede einzelne Zustandsgröße durchhangeln und den Zustand an der Austrittsebene des Bilanzraums in Abhängigkeit der bekannten Zustände in der Eintrittsebene darstellen. Im Sinne der klassischen Gasdynamik idealer oder perfekter Gase ist es hilfreich, alle Zustandsänderungen möglichst auf wenige Parameter in der Eintrittsebene zurückzuführen. Tatsächlich kann man - durch viel Algebra – alle Zustandsänderungen allein durch die Machzahl M in der Eintrittsebene des Bilanzraums darstellen. Man erhält (zusammengefasst)

( )( )2*

2

2M

1M111

Mˆ=

−⋅+γ−γ

+=

ρρ

( )( )2*2

2

M

1M

1M111

uu

=−⋅

+γ−γ

+=

( )1M1

21pp 2 −⋅

+γγ⋅

+=

Gl. 93

Alle weiteren Größen lassen sich daraus über thermodynamische Beziehungen berechnen. Man findet

( )( )

1

2

22

2

2

1M111

M1M1

21ˆp

pcc

TT

⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜

−⋅+γ−γ

+⋅⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛−⋅

+γγ⋅

+=ρρ⋅==

Gl. 94

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( )( )1M

121

1M111

M2

2

2

−⋅+γγ⋅

+

−⋅+γ−γ

+=

( )⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −⋅

+γ−⋅⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛−⋅

+γγ⋅

+=⎟⎟

⎜⎜

⎛⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ρρ

⋅=−

γγ

22

v M11

1211M

121ln

ˆppln

css

Von besonderer Bedeutung ist die Beziehung, die die Entropieänderung bezogen auf die spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen wiedergibt. Man kann folgende Abhängigkeit über die Machzahl M finden.

Falls M>1 0c

ssv

>−

⇒ (Stoßlösung, Entropiezunahme)

Falls M=1 0c

ssv

=−

⇒ (triviale Lösung, Isentropie)

Falls M<1 0c

ssv

<−

⇒ (thermodynamisch unmöglich!)

Gl. 95

Daraus folgt, dass die Stoßlösung nur dann existiert, wenn für die Machzahl am Eintritt in das Bilanzelement M > 1 gilt – Überschallströmung. Aus den bereits berechneten Zustandsänderungen kann man die Ruhegrößen vor und nach dem Bilanzelement (d.h. in der Eintrittsebene und in der Austrittsebene) berechnen. Man erhält

( ) 1

2

11

2

0

0

0

0

M11

1211M

121ˆ

pp −γ

γ−

−γ−

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −⋅

+γ−⋅⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛−⋅

+γγ⋅

+=ρρ

=

Gl. 96

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Die Ruhetemperatur T0 und alle nur von dieser Größe abhängigen Ruhegrößen bleiben auch im Falle der Stoßlösung konstant.

Das Ruhedruckverhältnis 0

0

0

0 ˆpp

ρρ

= ist in der folgenden Abbildung dargestellt.

Eine Vorstoßmachzahl von M=1.5 ergibt etwa 7% Ruhedruckverlust, bei M=2.5 sind es bereits 50%!

3.4.5 Zusammenfassung der Zustandsänderungen über einen stationären senkrechten Stoß

Wir bezeichnen künftig den Zustand vor dem Stoß als Vorstoßzustand und den Zustand nach dem Stoß als Nachstoßzustand, wobei Nachstoßzustände mit einem „Dach“ gekennzeichnet sind.

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58

Es ergeben sich folgende qualitativen Zustandsänderungen

pp > , ρ>ρ , TT > , hh > , ee > , cc >

uu < , MM <

00 pp < , 00ˆ ρ<ρ

00 TT = , HhhH 00 === , 00 cc =

1M1M *

* <= , ( )2*cuu =⋅

** pp < , **ˆ ρ<ρ

** TT = , ** hh = , ** ee = , ** cc =

Gl. 97

Allgemein gilt: die Vorstoßmachzahl charakterisiert die Stoßstärke! Es gelten die Tendenzen: 1) Je höher M, desto geringer 1M < .

2) Bei festgehaltenem Vorstoßzustand nehmen die Nachstoßzustände der statischen thermodynamischen Größen mit zunehmender Vorstoßmachzahl monoton zu.

3) Bei festgehaltenem Vorstoßzustand nehmen die

Nachstoßzustände 00 ˆ,p ρ der Ruhegrößen 00,p ρ mit zunehmender Vorstoßmachzahl monoton ab.

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Im Falle einer Düsenströmung ist der Vorstoßzustand der statischen Größen jedoch keine fixe Größe, da dieser ja unmittelbar an die Stoßposition (den Querschnitt As in welchem sich der Stoß befindet) gekoppelt ist. Die untere Kurve aus obigem Diagramm entspricht der isentropen Expansion im Überschallteil einer transsonisch durchströmten Düse. Die obere Kurve gibt an, welcher Nachstoßdruck sich für eine gegebene Vorstoßmachzahl einstellen würde. Aus obigem Diagramm wird deutlich, dass der statische Nachstoßdruck bis zu einer Vorstoßmachzahl von etwa M=1.5 zunimmt (charakteristisches Maximum, nur abhängig von der Gasart) und für höhere Vorstoßmachzahlen monoton abnimmt. Dies erklärt auch die bereits zuvor diskutierten Zustandsverläufe in transsonisch durchströmten Düsen mit einem stationären senkrechten Verdichtungsstoß.

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3.4.6 Bestimmung der Stoßposition in einer transsonisch durchströmten Düse

Wir werden nun führ eine gegebene Düsengeometrie A=A(x) sowie für bekannte Ruhegrößen am Düseneintritt und einen bekannten statischen Gegendruck pe am Düsenaustritt die Stoßposition bestimmen. Wir verwenden dazu die wohl wichtigste und mächtigste Gleichung der quasi 1-D stationären Gasdynamik, und zwar Gl. 82 (stationärer Massenstrom) bzw. die durch einfache Umformung erhaltene Form Gl. 84. Diese Gleichung werten wir für M=1 aus (d.h. A=A*) und erhalten

( )121

20

0

M2

11

AMTR

pAu.konst−γ⋅+γ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+

⋅⋅

⋅⋅γ⋅γ

=⋅⋅ρ=

( )121

*

0

0

211

ATR

p.konst−γ⋅+γ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −γ+

⋅⋅⋅γ

⋅γ=

( )121

0

0*

211R

TpA.konst

−γ⋅+γ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −γ+⋅⋅γ

γ⋅

⋅=⇒

Gl. 98

01p

0T

( )2xA

x

*xx =

*AA =

epStoß

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Diese Gleichung ermöglicht uns, Ruhedruckverluste (durch einen Stoß oder durch Reibung oder durch Drosselverluste) auf einen korrespondierenden kritischen Querschnitt umzurechnen. Das klingt abstrakt – aber ein Beispiel wird’s verdeutlichen. Angenommen, man hat eine konvergent-divergente Düse mit Stoß im divergenten Teil. Dann ist der Ruhedruck p0 vom Eintritt der Düse bis zum Stoß konstant, nimmt dann sprunghaft über den Stoß auf den Nachstoßwert ab und bleibt dann wieder konstant bis erneut etwas passiert. Angenommen, man flanscht an die erste Düse eine zweite konvergent-divergente Düse an, dann „sieht“ diese zweite Düse nur den über den Stoß reduzierten Ruhedruck. Daraus folgt, dass der kritische Querschnitt in der zweiten Düse ein anderer sein muss als der in der ersten Düse (siehe dazu auch das Kapitel „doppelt blockierte Systeme“). Wir wollen nun ausrechnen, wie sich der kritische Querschnitt in Abhängigkeit vom Ruhedruck verhält. Wegen

( )121

0

0*

211R

TpA.konst

−γ⋅+γ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ −γ+⋅⋅γ

γ⋅

⋅=

.konstT

pA

0

0*

=⋅

da über einen Stoß gilt T0=konst. (Energiesatz)

.konstpA 0

* =⋅⇒

Gl. 99

Dies ermöglicht uns, das Produkt zweier bekannter Größen (p0 und A*) mit dem Produkt zweier unbekannter Größen zu verbinden, es ist

.pApA 0*

0* ⋅=⋅

Gl. 100

Weiterhin kennen wir die Größen Ae und pe am Austritt der Düse, daraus erhalten wir

.pApA

pApAbekannt

0*

ee

0*

ee

⋅=

⋅= Gl. 101

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62

Das Verhältnis *e

AA

ist über die Machzahl-Querschnittsgleichung mit der

unbekannten Austrittsmachzahl Me verknüpft. Das Verhältnis 0

e

pp

ist über die

isentrope Ruhedruckbeziehung ebenfalls mit der unbekannten Austrittsmachzahl Me verknüpft. Es ist

( )

( ) 21

2e

121

e

12e

121

2e

e

0*

ee

0*

ee

M2

111

2M1

M2

11M2

111

2M1

pApA

pApAbekannt

−−γ⋅+γ

−γγ

−−γ⋅+γ

⎥⎦⎤

⎢⎣⎡ ⋅

−γ+⋅⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛+γ

⋅=

=⎥⎦⎤

⎢⎣⎡ ⋅

−γ+⋅⎥

⎤⎢⎣

⎡⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+⋅⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛+γ

⋅=

=⋅

⋅=

⋅=

Gl. 102

Daraus kann man die unbekannte Machzahl Me explizit berechnen und man erhält den übersichtlichen und Taschenrechnerfreundlichen Ausdruck

( )

1

pApA

121211

M

2

ee

0*1

1

e −γ

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⋅⋅

⋅⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛+γ

⋅−γ⋅−+−

=

−γ+γ

.

Gl. 103

Das weitere Vorgehen wird nun in Stichpunkten geschildert und in der Übung ausführlich besprochen. 1) Aus der Austrittsmachzahl Me und dem bekannten statischen Druck pe

berechnet man den Ruhedruck 0e0 pp = .

2) Aus dem Verhältnis der Ruhedrücke 0

0

pp

kann entweder graphisch oder

iterativ die Vorstoßmachzahl M berechnet werden.

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63

3) Aus der so gewonnenen Vorstoßmachzahl kann in Verbindung mit der kritischen Querschnitt A* und der Machzahl-Querschnittsgleichung der Querschnitt AS berechnet werden, in welchem der Stoß steht.

4) Aus dem Querschnitt AS kann in Verbindung mit der gegebenen

Geometriefunktion A=A(x) die Position xS des Stoßes ermittelt werden.

3.5 Doppelt blockierte Systeme Quasi 1-D Im Folgenden werden wir uns einen Aufbau ansehen, wie er zum einen in der experimentellen Gasdynamik als Blow-Down Windkanal realisiert wird. Zum anderen finden sich vergleichbare Systeme als Triebwerkskonzepte und als Systeme zur Herstellung Stoßinduzierter Nanopartikel wieder. Wir betrachten eine Kombination aus zwei konvergent-divergenten Düsen – siehe Abbildung.

01p

( )2xA

x

*1xx =

ep

*2xx =

*1AA =

*2AA =

01T

x

M

1

Stoß

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3.5.1 Bedingungen für stabile Doppelblockade Wir wollen uns auf die speziellen Fälle beschränken, an welchen beide Düsen kritisch durchströmt werden. Aus der zuvor hergeleiteten Beziehung aus Ruhedruck und kritischem Querschnitt ergibt sich unmittelbar

02*20

*201

*1 pApApA ⋅=⋅=⋅

⋅=⇒02

01*1

*2

pp

AA

Gl. 104

Folgende Fälle sind besonders relevant.

1) In der ersten Düse wird gerade Schall erreicht und die Strömung verzögert mit M<1 unmittelbar nach dem ersten engsten Querschnitt bis zum Beginn der zweiten Düse. In der zweiten Düse beschleunigt die Strömung erneut auf M=1 im engsten Querschnitt und verzögert erneut unmittelbar nach dem engsten Querschnitt. In diesem Fall existiert kein Stoß (der Ruhedruckverlust ist 0), d.h. die oben geschilderte Situation ist nur möglich, wenn beide Querschnitte identisch sind, *

2*1 AA = .

2) In der ersten Düse erfolgt im engsten Querschnitt ein Schalldurchgang mit

weiterer Beschleunigung auf M>1 bis zu einem noch innerhalb des divergenten Teils der ersten Düse stehenden senkrechten Verdichtungsstoßes, über welchen die Strömung auf M<1 verzögert. Bis zum Ende des divergenten Teils erfolgt eine weitere Verzögerung auf ein lokales Minimum in der Machzahl. Ab dem Beginn der zweiten Düse beschleunigt die Strömung erneut und erreicht M=1 im zweiten engsten Querschnitt. Dieser Fall erfordert *

2*1 AA < .

3) In der ersten Düse erfolgt im engsten Querschnitt ein Schalldurchgang mit

weiterer Beschleunigung auf M>1 bis zum Ende des divergenten Teils. Mit Beginn der zweiten Düse erfolgen eine Verzögerung und schließlich ein noch im konvergenten Teil der zweiten Düse stehender senkrechter Verdichtungsstoß. Falls der Querschnitt in dem der Stoß steht, mit dem Querschnitt aus Fall 2) identisch ist, wäre es theoretisch möglich, dass nach dem Stoß erneut auf M=1 im zweiten engsten Querschnitt beschleunigt wird – diese Stoßposition ist jedoch gegenüber Störungen instabil und tritt daher stationär nicht auf.

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65

3.5.2 Zustandsverläufe – stoßfreie Durchströmungspfade im Unterschall und im Überschall

01p

( )2xA

x

1A

ep

2A

01T

x

M

1

21 AA =

x

M

1

21 AA >

x

M

1

21 AA <

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3.5.3 Zustandsverläufe – Durchströmungspfad mit Stoß und doppelter Blockierung

01p

( )2xA

x

1A

ep

2A

01T

x

M

1

21 AA <

Stoß

x

M

1

21 AA <

Stabile Stoßposition in erster Düse

Instabile Stoßposition in zweiter Düse

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3.6 Reibung und Energiezufuhr - Tendenzaussagen Wir werden erneut die Konstanz des stationären Massenstroms in quasi 1-D Betrachtungen heranziehen – dieses Mal werden wir den Einfluss von Reibung, Drosselung und Energiezufuhr diskutieren. Die Grundgleichung hat die bekannte Form

( )121

20

0

M2

11

AMTR

pAu.konst−γ⋅+γ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+

⋅⋅

⋅⋅γ⋅γ

=⋅⋅ρ= .

Gl. 105

Wir betrachten nun Variationen des Ruhedrucks dp0 und der Ruhetemperatur dT0 als unabhängige Phänomene - letzteres ist strömungsmechanisch nicht möglich, da Änderungen der Ruhetemperatur Rückwirkungen auf den Ruhedruck haben. Wir halten A und die Gasart γ konstant und analysieren die Rückwirkung auf die Machzahl M.

( ) ( )121

22

2

02

02

121

21

1

01

01

M2

11

AMTR

p

M2

11

AMTR

p

−γ⋅+γ

−γ⋅+γ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+

⋅⋅

⋅⋅γ⋅γ

=

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+

⋅⋅

⋅⋅γ⋅γ

.

Gl. 106

Offenbar muss für p02 < p01 und T01=T02 die Machzahl im Unterschall zunehmen und im Überschall abnehmen um den Ruhedruckverlust zu kompensieren (siehe Fanno-Effekt in FM I). Eine qualitativ gleichwertige Aussage erhält man, wenn man eine Ruhetemperaturzunahme (durch Wärmezufuhr z.B. Reaktionswärme, latente Wärme durch Phasenwechsel, Verbrennung) bei konstantem bzw. abnehmendem Ruhedruck betrachtet. Sowohl für Ruhetemperaturzunahmen als auch für Ruhedruckabnahmen gilt die tendenzielle Aussage alle Wege führen zur Machzahl M=1. Man beachte, dass diese Aussagen nur dann überhaupt relevant sein können, wenn das Strömungsproblem die Ruhegrößenvariation stationär überhaupt zulässt! Beispielsweise ist es offenbar nicht möglich, einer stationären Strömung eine beliebige Wärmemenge zuzuführen. Insbesondere ist es unmöglich, bei konstantem Querschnitt A und M≈1 überhaupt Wärme zuzuführen ohne dabei Instationaritäten zu produzieren.

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4 Grundlagen hyperbolischer Systeme Die stationären reibungsfreien 2-D und 3-D Bilanzgleichungen der Strömungsmechanik (kompressible Euer Gleichungen) haben die Eigenschaft, in Abhängigkeit von der lokalen Machzahl den Differentialgleichungstyp von elliptisch (Unterschall) über parabolisch (Schall) zu hyperbolisch (Überschall) zu wechseln. Damit einher geht eine signifikante Änderung des Ausbreitungsverhaltens von Störungen. Während ein im stationären Unterschall umströmter Körper eine Stauwirkung entgegen der Anströmung bewirkt, ergibt sich im Überschall keine Vorwärtswirkung sondern nur eine innerhalb eines definierten Gebiets erfolgende Stromabwirkung. Ziel dieses Kapitels ist es, hyperbolische Gleichungen allgemein zu analysieren und diese Erkenntnisse anschließend auf die instationären Euler Gleichungen in einer Raumdimension und auf die stationären 2-D Euler Gleichungen im Überschall zu übertragen.

4.1 Grundtypen von partiellen Differentialgleichungen Wir werden anhand jeweils einer einfachen partiellen Differentialgleichung (PDGL) kurz deren wesentliche Eigenschaften und „Wirkungsweisen“ betrachten.

4.1.1 Parabolische Prozesse Der wohl bekannteste parabolische Prozess ist der Wärmeleitungsprozess. Die charakteristische PDGL hat die Form

.xTk

tT

2

2

∂∂⋅=

∂∂

Gl. 107

Um die Wirkungsweise eines parabolischen Prozesses zu verstehen betrachten wir ein einfaches Beispiel. Gegeben sei ein unendlich langer Metallstab, der zum Zeitpunkt t0 eine sinusförmige Temperaturverteilung T(x, t0) = sin(x)+10 aufweist. Wir lassen die PDGL (also den parabolischen Prozess) auf diese Anfangsverteilung los und schauen uns an, was der Prozess im Laufe der Zeit daraus macht.

( ) ( ) 5xsint,xT 0 +=

Gl. 108

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69

( ) ( )xsint,xTx 02

2−=

∂∂

( ).xsinktT

0t⋅−=

∂∂

Falls k eine positive Zahl ist (und nur das ist physikalisch sinnvoll!) produziert der parabolische Prozess im Laufe der Zeit ein Angleichen des Temperaturverlaufs über dem gesamten Stab. Parabolische Prozesse wirken daher Gradienten entgegen und haben die Tendenz, stationäre Gleichgewichtszustände anzustreben. Die Richtung der Wirkung eines parabolischen Prozesses ist rein durch Gradienten geprägt, ebenso die zeitliche Rate. Weitere Beispiele für parabolische Prozesse sind der Konzentrationsausgleich durch Diffusion und der Gradientenabbau durch viskose Dissipationsprozesse.

4.1.2 Elliptische Differentialgleichungen Elliptische Differentialgleichungen beschreiben überwiegend zeitunabhängige Gleichgewichtszustände, z.B. die Wärmeverteilung in einem Stab bei konstanten Randbedingungen oder Spannungszustände in Festkörpern. Sie ergeben sich häufig als „mathematische Nebenbedingung“ einer Optimalwertaufgabe (Variationsrechnung) und stellen einen „energieoptimalen“ Zustand dar (Minimalflächentheorie, …). Für die Strömungsmechanik sind elliptische Differentialgleichungen von großer Bedeutung, da sie stationäre reibungsfreie Strömungen im Unterschall charakterisieren. Ein wichtiger Aspekt von elliptischen Problemen ist die Globalität der Lösung: ändert man an einem Punkt der Lösung eine Nebenbedingung, so wirkt diese Änderung im gesamten Lösungsgebiet. Die Grundform einer elliptischen PDGL ist die Laplace Gleichung

( ) 0zT

yT

xT)T(graddivT 2

2

2

2

2

2=

∂∂

+∂∂

+∂∂

==Δ .

Gl. 109

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4.1.3 Hyperbolische Differentialgleichungen und Prozesse Hyperbolische Differentialgleichungen treten sowohl in Form von zeitabhängigen Prozessen auf als auch für stationäre Probleme. Zu den zeitabhängigen Prozessen zählt z.B. die Schallausbreitung (allgemein die Wellenausbreitung in kompressiblen Materialien, das Tscherenkow Licht, usw. ). Stationäre hyperbolische Probleme sind z.B. stationäre reibungsfreie Überschallströmungen. Hyperbolische Probleme lassen sich stets auf Transportprozesse zurückführen, wobei die Transportgeschwindigkeit stets endlich ist und Störungen sich stets gerichtet ausbreiten – im Gegensatz zu parabolischen Prozessen ist die Richtung nicht von Gradienten kontrolliert. Besondere Herausforderungen ergeben sich für nichtlineare hyperbolische Probleme, da dort Phänomene wie die Stoßbildung (Verlust der Differenzierbarkeit der Lösung) auftreten. Die Gasdynamik ist eine besonders anschauliche und praxisrelevante Disziplin, in der die Eigenschaften und das spezielle Verhalten von hyperbolischen Problemen im Vordergrund stehen. Der Grundtyp einer hyperbolischen PDGL ist die Wellengleichung

.xpc

tp

2

22

2

2

∂∂⋅=

∂∂

Gl. 110

4.2 Erhaltungsgleichungen und Transportprozesse In der Gasdynamik spielen Erhaltungsgleichungen und Transportprozesse eine entscheidende Rolle. Unter einer skalaren Erhaltungsgleichung für die reelle Größe φ(x,t) versteht man im mathematischen Sinn eine Gleichung der Form

( )( ) .0fdivt

=+∂∂ φφ

Gl. 111

Integriert man diese Gleichung über ein Kontrollvolumen ( siehe Drahtwürfel in der Herleitung der strömungsmechanischen Grundgleichungen), dann erhält man als integrale Gleichung

( )( ) .0dVfdivdVt

VV

=+∂∂ ∫∫ φφ

Gl. 112

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71

Wendet man den Satz von Gauß rückwärts an, so wird das Volumenintegral über die Divergenz des Feldes f(φ) in ein Oberflächenintegral über die Oberfläche S des Kontrollvolumens übergeführt. Das Produkt aus f(φ) und dem nach außen gerichteten Normalenvektor ist der Fluss über die Oberfläche – man erhält also eine Flussform der integralen Gleichung

( ) 0dSnfdVt

SV

=⋅+∂∂ ∫∫ v

φφ

( ) .dSnfdVt

SV∫∫ ⋅−=

∂∂

⇒v

φφ

Gl. 113

Eine mathematische Erhaltungsgleichung ist damit eine Gleichung, bei der sich eine Größe nur dann ändern kann, wenn ein Nettofluss in das Kontrollvolumen oder aus dem Kontrollvolumen heraus stattfindet. Liegen zwei Kontrollvolumen derart nebeneinander, dass sie eine gemeinsame Oberfläche besitzen, dann ist der Fluss über diese Oberfläche für beide Kontrollvolumen identisch, d.h. das, was aus dem einen Kontrollvolumen hinaus fließt, muss unverändert in das andere Kontrollvolumen hineinfließen – Erhaltung! Man beachte, dass mathematische Erhaltungsgleichungen etwas allgemeiner sind als physikalische Erhaltungsprozesse, da die Mathematik nicht fordert, dass die betrachtete Größe (hier φ) auch im physikalischen Sinn eine Erhaltungsgröße darstellt. Beispielsweise macht es physikalisch keinen Sinn, eine Erhaltungsgleichung für die Geschwindigkeit aufzustellen, da es keinen physikalischen Grund gibt, der die Erhaltung der Geschwindigkeit rechtfertigt. Wohl aber ist es physikalisch sinnvoll, die Erhaltung von Masse, Gesamtimpuls und Gesamtenergie zu fordern. Wir betrachten nun eine skalare Erhaltungsgleichung für eine dimensionslose Größe φ(x,t) in einer Raumdimension und der Zeit. Aus der Divergenz wird eindimensional eine Ableitung in der einzig verbleibenden Raumrichtung, es ergibt sich somit

( ) .0x

ft

=∂∂

+∂∂ φφ

Gl. 114

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72

Durch einfache Anwendung der Kettenregel der Differentialrechnung können wir diese Gleichung umschreiben und erhalten

( ) .0

xf

t=

∂∂⋅

∂∂

+∂∂ φ

φφφ

Gl. 115

Auch ohne Kenntnis über die Größe ( )φφ

∂∂f

können wir eine interessante

Aussage durch Dimensionsanalyse erhalten. Da φ nach Voraussetzung dimensionslos ist hat die zeitliche Ableitung die Dimension 1/s und die Ortsableitung die Einheit 1/m. Dies ist nur dann möglich, wenn die Größe ( )φφ

∂∂f

die Einheit m/s besitzt, d.h. ( )φφ

∂∂f ist eine Geschwindigkeit. Wir führen

für diese Geschwindigkeit ein eigenes Symbol ein

( ) ( ) .f:φφφλ

∂∂

=

Gl. 116

Wir wollen nun untersuchen, welche physikalische Bedeutung diese Geschwindigkeit besitzt und diese Erkenntnis zur Konstruktion einer Lösung der Gl. 114 weiter entwickeln. Hierzu betrachten wir das totale Differential der Größe φ(x,t), dieses lautet

.dtt

dxx

d ⋅∂∂

+⋅∂∂

=φφφ

Gl. 117

Wir benutzen nun die Differentialgleichung Gl. 115 zusammen mit der Geschwindigkeit Gl. 116 um die partielle zeitliche Ableitung im totalen Differential zu ersetzen. Es ergibt sich

( ) dtx

dxx

d ⋅⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

∂∂⋅−+⋅

∂∂

=φφλφφ

( )( ) ⋅⋅−∂∂

=⇒ dtdxx

d φλφφ

Gl. 118

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Offenbar verschwindet das totale Differential von φ genau dann, wenn

( ) 0dtdx =⋅− φλ

( ) ( ) .konstt,xdtdxfalls.h.d =⇒= φφλ

Gl. 119

Wir machen folgende Definition: Gegeben sei eine Größe φ(x,t), die eine Differentialgleichung der Form Gl. 115 erfüllt. Dann bezeichnet man eine Kurve x(t) entlang derer eine Größe φ(x,t) konstant ist, als charakteristische Kurve oder kurz als Charakteristik. Die zunächst abstrakte Mathematik wollen wir nun anhand von Beispielen „bildlich“ interpretieren und verständlich machen. Insbesondere sind folgende Fragen zu beantworten: Wo sind hier Transportprozesse und was hat das mit Gasdynamik zu tun?

4.2.1 Linearer Transport Wir starten wie zuvor mit einer skalaren, partiellen Differentialgleichung erster Ordnung in einer Ortsdimension und der Zeit. Die Größe φ(x, t) ist eine reelle und dimensionslose Größe und sowohl φ als auch der Fluss f(φ) seinen bis auf wenige isolierte Stellen beliebig oft differenzierbar. Im Gegensatz zum vorangegangenen Kapitel werden wir den Fluss f(φ) nun nicht mehr abstrakt betrachten sondern konkret vorgeben. Wir betrachten

( ) .0x

ft

=∂∂

+∂∂ φφ

( ) .konstkund0kmitk:f 111 =>⋅= φφ

Gl. 120

Daraus folgt, dass die Geschwindigkeit ( ) ( ) ( )1

1 kkf=

∂⋅∂

=∂∂

=φφ

φφφλ eine

positive Konstante ist. Die resultierenden charakteristischen Kurven besitzen eine besonders einfache Form, sie sind wegen

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( ) ( ) ( )0011 txttktxkdtdx

+−⋅=⇒=

Gl. 121

Geraden mit konstanter Steigung im t-x-Diagramm (siehe Abbildung). Daraus folgt, dass die Größe φ(x, t) konstant ist entlang dieser Geraden. Wir finden damit die allgemeine Lösung des mit Gl. 121 spezifizierten Problems, indem wir vom gegebenen Anfangszustand φ(x, t0) den Charakteristiken bis zum Zeitpunkt t1>t0 folgen und jeden Punkt von φ(x, t0) entlang dx/dt = k1 verschieben. Das klingt kompliziert, es ist aber total simpel! Angenommen, wir wollen wissen, wie φ(x, t) zum Zeitpunkt t1 = t0 + ∆t aussieht. Dann gehen wir wie folgt vor. Wir nehmen die Transportgeschwindigkeit λ(φ)=k1 und multiplizieren diese mit dem Zeitintervall ∆t. Wir erhalten damit die zurückgelegten Weg ∆x = k1 · ∆t. Ein beliebiger Punkt am Ort x0 zum Zeitpunkt t0 befindet sich zum Zeitpunkt t1 am Ort x1 = x0 + ∆x = x0 + k1 · ∆t. Der Zustand φ(x0, t0) wurde mit der konstanten Transportgeschwindigkeit k1 zum Ort x1 transportiert. Da die Größe φ(x, t0) transportiert wurde ohne dass sich die Form von φ ändert (alle Charakteristiken sind parallele Geraden), heißt der Prozess linearer Transport.

t

∆t

∆x

Lineare Charakteristiken

dt/dx = 1/k1

x

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Für linearer skalare Transportprozesse können wir eine für beliebig große Zeitintervalle ∆t gültige Lösung für jedes beliebige Anfangswertproblem φ(x, t0) angeben. Es ist

( ) ( )0t,xxt,x Δφφ −=

( ) tkdtx 1

tt

t

0

0

ΔφλΔΔ

⋅== ∫+

.

Gl. 122

φ(x, t0)

x x0

x0 + ∆x

x0 + 2∆x

φ(x, t0 + ∆t)

x x0

x0 + ∆x

x0 + 2∆x

x0 + 3∆x

∆x = k1 · ∆t

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4.2.2 Nichtlinearer Transport Auch hier betrachten wir eine skalare, partielle Differentialgleichung erster Ordnung in einer Ortsdimension und der Zeit. Die Größe φ(x, t) ist wie zuvor eine reelle dimensionslose Größe - sowohl φ als auch der Fluss f(φ) seinen zum Zeitpunkt t0 bis auf wenige isolierte Stellen beliebig oft differenzierbar. Der Fluss f(φ) ist nun abhängig von φ, es sei

( ) .0x

ft

=∂∂

+∂∂ φφ

( ) ( ) ( ) .kk

2fk2

:f 2

2

2

2

2⋅=

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅∂

=∂∂

=⇒⋅= φφ

φ

φφφλφφ

.konstk,0k 22 =>

Gl. 123

Die Charakteristiken sind jetzt i.A. weder Geraden noch sind sie parallel. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit λ(φ) ist abhängig von φ. Die Schwierigkeit besteht insbesondere darin, dass Charakteristiken sowohl divergieren können als auch konvergieren und sich überschneiden können. Während es im linearen Transport möglich war, beliebig lang entlang von Charakteristiken sowohl vorwärts in der Zeit zu laufen als auch rückwärts, ist dieser Prozess jetzt nur noch so lange möglich, bis sich Charakteristiken überschneiden. Nach der Überschneidung ist aufgrund des damit einhergehenden Informationsverlusts keine Rückwärtsintegration mehr möglich. Wir können relativ leicht angeben, wie sich die Charakteristiken lokal verhalten, indem wir die örtliche Ableitung der Ausbreitungsgeschwindigkeit betrachten. Unter der Annahme von k2 > 0 und φ ≥ 0 gilt

( ) 0x

kx

falls 2 >∂∂⋅=

∂∂ φφλ

divergieren Charakteristiken

( ) 0x

kx

falls 2 <∂∂⋅=

∂∂ φφλ

konvergieren Charakteristiken.

Gl. 124

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Man beachte, dass die Charakteristiken i.A keine Geraden sind – dies wurde nur aus Gründen der Darstellung so angenommen. Divergierende Charakteristiken führen bildlich gesprochen zu einer Streckung der Anfangswertverteilung und konvergierende Charakteristiken führen zu einer Stauchung. Sobald sich Charakteristiken überschneiden ist es nicht mehr möglich, klassische Lösungen für Differentialgleichungen zu betrachten. Dies ist das mathematische Analogon zur Lavaldüsenströmung mit senkrechtem Stoß: Auch dort durfte man die Differentialgleichung nur vor und hinter dem Stoß anwenden. Über den Stoß gelten jedoch Erhaltungseigenschaften, die wir aus den stationären Erhaltungsgleichungen unter Verwendung eines beliebig schrumpfenden Bilanzraums bestimmt haben. Genau dieses Vorgehen werden wir nun anwenden, um die allgemeine Form der Stoßbeziehungen (Rankine-Hugoniot Bedingung) auch für bewegte Stöße abzuleiten. Bevor wir dies tun betrachten wir einen nichtlinearen Transportprozess einfach mal als Zeichnung, da wird bereits die Problematik klar. Der Anfangshügel wird Punktweise mit der vom jeweiligen Wert von ϕ abhängenden Geschwindigkeit bewegt. Die lokale Geschwindigkeit ist in der Zeichnung durch die Pfeillänge angedeutet. Man erkennt, dass die Spitze des Berges schneller ist als das linke Tal und sich somit die linke Flanke strecken wird. Auf der rechten Seite ist das Tal ebenfalls langsamer als die Spitze, somit wird die rechte Flanke gestaucht – man sagt, sie „steilt sich auf“. In der mittleren Abbildung ist die Steilheit der Flanke bereits unendlich – das ist der Moment indem sich die Charakteristiken überschneiden. Würde man nun einfach so „weitertransportieren“ – was man nicht darf – ergäbe sich eine Situation wie im unteren Bild dargestellt. Offenbar hätte die Funktion ϕ an manchen Stellen 3 verschiedene Werte an einem einzigen Ort x und das ist per Definition für eine Funktion nicht erlaubt!

t Divergente Charakteristiken

x

Konvergente Charakteristiken

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φ(x, t0)

x x0

x0 + ∆x

x0 + 2∆x

φ(x, t0 + ∆t)

x x0

x0 + ∆x

x0 + 2∆x

x0 + 3∆x

∆x = λ(φ) · ∆t

φ(x, t0 + 1.5·∆t)

x x0

x0 + ∆x

x0 + 2∆x

x0 + 3∆x

∆x = λ(φ) · 1.5·∆t

?

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Wir betrachten nun zunächst den Spezialfall eines stationären Stoßes (der Stoß hat die Geschwindigkeit VS=0) und bilanzieren über den dargestellten (1-D) Bilanzraum. Für VS=0 erhalten wir als Summe der Flüsse aus bzw. in den Bilanzraum einfach

( ) ( ) 0ff RL =ϕ−ϕ (Erhaltung von ϕ ).

Gl. 125

Dies ist das Analogon zu Gl. 87, wobei es nun nicht um die Euler-Flüsse von Masse, Gesamtimpuls und Gesamtenergie geht, sondern um eine fiktive Größe ϕ und deren Fluss. Nichtsdestotrotz sind die nichttrivialen Lösungen auch hier die Sprunglösungen/Stoßlösungen des Problems. Zur Analyse eines bewegten Stoßes mit der Stoßgeschwindigkeit VS nutzen wir einen effektiven Trick: Wir bewegen einfach den Bilanzraum, in dem sich der Stoß zu anfangs befindet, ebenfalls mit der Geschwindigkeit VS – dann ist der Stoß relativ zum Bilanzraum stationär. Durch die Bewegung des Bilanzraums mit der Geschwindigkeit VS ≠ 0 erhalten wir zusätzlich zu den bereits betrachteten Flüssen weitere Flüsse, die sich rein aus der Bewegung des Bilanzraums ergeben. Man findet

Rankine- Hugoniot Bedingung

( ) ( ) ( )RLSRL Vff ϕ−ϕ⋅=ϕ−ϕ .

Gl. 126

Auf unser konkretes Problem übertragen ergibt sich die Stoßgeschwindigkeit fast von allein,

Bilanzraum bewegt sich mit der Geschwindigkeit VS

( )LL f, ϕϕ

Δx → 0

( )RR f, ϕϕ

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80

wegen ( ) 2

2k

2:f ⋅

ϕ=ϕ ergibt sich

( ) ( ) ( )RLS2

2R

2

2L

RL Vk2

k2

ff ϕ−ϕ⋅=⋅ϕ

−⋅ϕ

=ϕ−ϕ

( ).2

kV RL2

S ϕ+ϕ⋅=⇒

Gl. 127

In diesem speziellen Fall ist die Stoßgeschwindigkeit gerade die Hälfte der Summe aus der linken und der rechten Transportgeschwindigkeit – dies ist jedoch i. A. nicht der Fall! Eine wesentliche und allgemein gültige Aussage ist, dass die Geschwindigkeit des Stoßes höher ist als die Geschwindigkeit der Charakteristiken vor dem Stoß und geringer ist als die Charakteristiken hinter dem Stoß – sonst währe keine Überschneidung von Charakteristiken möglich siehe Abbildung auf der Folgeseite. Läuft ein 1-D Stoß in ein Gebiet mit konstanten Zuständen (wie hier), dann bleibt seine Geschwindigkeit konstant.

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φ(x, t0 + ∆t)

x

x0

x0 + ∆x

x0 + 2∆x

x0 + 3∆x

∆x = λ(φ) · ∆t

φ(x, t0)

x

x0

x0 + ∆x

x0 + 2∆x

t

x

x0

x0 + ∆x

x0 + 2∆x x0 + 3∆x

Charakteristiken und Stoßbildung

tb

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4.2.3 Lineare hyperbolische Systeme Wir betrachten nun eine vektorielle Erhaltungsgleichung (ein System von Gleichungen) für eine dimensionslose Größe ( )t,xϕv in einer Raumdimension und der Zeit. Da wir nur eine Ortsdimension betrachten ergibt sich (wie im skalaren Fall)

( ) .0x

ft

=∂ϕ∂

+∂ϕ∂ vvv

Gl. 128

Der Fluss ( )ϕv

vf ist ebenfalls eine vektorielle Größe. Wir wenden die Kettenregel

auf das partielle Differential des Flusses an und erhalten

.0x

ft

=∂ϕ∂

⋅ϕ∂∂

+∂ϕ∂ v

v

vv

( )ϕ=

⎟⎟⎟⎟⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜⎜⎜⎜⎜

ϕ∂∂

ϕ∂∂

ϕ∂∂

ϕ∂∂

=ϕ∂∂ A:

ff

ff

f

n

n

1

n

n

1

1

1

LLL

MOOOM

MOOOM

MOOOM

LLL

v

v

(Jakobimatrix von f)

Gl. 129

Die entscheidende Frage an dieser Stelle lautet: Gibt es ein Analogon zur Ausbreitungsgeschwindigkeit und zu den charakteristischen Kurven, welche wir im linearen oder im nichtlinearen skalaren Transport gefunden haben? Die Antwort lautet: Ja, falls sich das Gleichungssystem so schreiben lässt, dass aus den n gekoppelten Gleichungen n entkoppelte lineare oder nichtlineare skalare Transportgleichungen werden. Eine präzisere Darstellung benötigt etwas Algebra.

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Wir nehmen zunächst an, die Jakobimatrix von f sei unabhängig von ϕ (und unabhängig von x und t). Daraus folgt, dass die Einträge in der Jakobimatrix Konstanten sind. Es ist damit

.0x

At

=∂ϕ∂

⋅+∂ϕ∂ vv

.konstA:

ff

ff

f

n

n

1

n

n

1

1

1

==

⎟⎟⎟⎟⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜⎜⎜⎜⎜

ϕ∂∂

ϕ∂∂

ϕ∂∂

ϕ∂∂

=ϕ∂∂

LLL

MOOOM

MOOOM

MOOOM

LLL

v

v

Gl. 130

Wir wollen erreichen, dass anstelle des Gleichungssystems am Ende entkoppelte Gleichungen mit reellen Transportgeschwindigkeiten iλ erscheinen, d.h. wir fragen nach einer Variablentransformation, die die Größen ϕv in die transformierten Größen ψv überführt und dabei aus der Matrix A eine Diagonalmatrix ( )n1,...,diag λλ=Λ erzeugt. Definition (hyperbolisches System) Ein System von partiellen Differentialgleichungen erster Ordnung ist hyperbolisch, wenn die Jakobimatrix des Flusses diagonalisierbar ist und alle Eigenwerte reell sind. Das System heißt strikt hyperbolisch, wenn die Eigenwerte zusätzlich paarweise verschieden sind. Der strikt hyperbolische Fall ist am einfachsten, denn es gilt der Satz: Eine Matrix A, deren Eigenwerte paarweise verschieden und reell sind, besitzt eine Basis aus Eigenvektoren, die die Matrix A diagonalisieren. Formal lautet dies

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Für eine quadratische Matrix nnA ×ℜ∈

mit Rechtseigenvektoren iii rrA

vv⋅λ=⋅

und paarweise verschiedenen Eigenwerten ji λ≠λ

gibt es eine quadratische Matrix nnR ×ℜ∈

die aus den Rechtseigenvektoren gebildet wird ( )n1 r,...,rR

vv= ,

sodass die Matrix A in Diagonalgestalt übergeführt werden kann

( )n1

1 ,...,diagRAR λλ=Λ=⋅⋅−

bzw.

( ) .R,...,diagRRRA 1n1

1 −− ⋅λλ⋅=⋅Λ⋅=

Gl. 131

Wir nehmen nun an, die Jakobimatrix der Flussfunktion f ist diagonalisierbar und besitzt paarweise verschiedene Eigenwerte. Dann lässt sich das System von Gleichungen wie folgt umformulieren.

.0x

At

=∂ϕ∂

⋅+∂ϕ∂ vv

.0x

RRt

1 =∂ϕ∂

⋅⋅Λ⋅+∂ϕ∂

⇒ −vv

.0x

Rt

R 11 =∂ϕ∂

⋅⋅Λ+∂ϕ∂

⇒ −−vv

( ) 0x

,...,diagtxt n1 =

∂ψ∂

⋅λλ+∂ψ∂

=∂ψ∂

⋅Λ+∂ψ∂

⇒vvvv

wobei ϕ⋅=ψ − vv 1R:

Gl. 132

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Wir haben nun das Ausgangssystem derart transformiert, dass das resultierende System in den „neuen Variablen“ zu skalaren Transportgleichungen entkoppelt. Man bezeichnet diese Transformation als Basiswechsel auf charakteristische Normalform und die resultierenden Variablen heißen charakteristische Variablen. Wir fassen das erzielte Ergebnis zusammen:

1) Wir haben den Vektor ϕv der physikalische Größen n1,...,ϕϕ in einen neuen Vektor ψv der physikalischen Größen n1,...,ψψ transformiert.

2) Durch diese Transformation haben wir das System in skalare

Transportgleichungen übergeführt, deren Ausbreitungsgeschwindig-keiten die Eigenwerte der Matrix A sind.

3) Jede einzelne Teilgleichung können wir völlig analog behandeln wie wir

dies im linearen Transport getan haben, es folgt

( ) ( )0ii t,xxt,x Δ−ψ=ψ

( ) tdtx i

tt

t

i

0

0

Δ⋅λ=ϕλ=Δ ∫Δ+

.

Gl. 133

4) Die charakteristischen Kurven lauten

( ) ( ) ( )0i0iiii txtttx

dtdx

+−⋅λ=⇒λ=

Gl. 134

5) Falls uns die Lösung eines Problems in den Variablen n1,...,ϕϕ

interessiert, erhalten wir dieses einfach durch Rücktransformation der Variablen. Es ist

( ) ( )( ) i0i

n

1ii rttxt,x

vv ⋅−⋅λ−ψ=ϕ ∑=

Gl. 135

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4.2.4 Nichtlineare hyperbolische Systeme Nichtlineare hyperbolische Systeme unterscheiden sich von linearen hyperbolischen Systemen dadurch, dass die Jakobimatrix A vom Vektor φ selbst abhängt, formal ergibt sich

( ) .0x

ft

=∂ϕ∂

+∂ϕ∂ vvv

( ) .0x

At

=∂φ∂

⋅φ+∂φ∂

⇒vv

Gl. 136

Damit hängen auch die Eigenvektoren ( )φvvir und die Eigenwerte ( )φλ v

i vom Vektor φ ab.

4.2.5 Einfache Wellentypen

Wir wissen, dass zu jedem Eigenwert eine charakteristische Kurve gehört und ein Transportprozess für die charakteristische Variable. Eine Kombination aus Rechtseigenvektor, Eigenwert und Variablenvektor bezeichnet man als charakteristisches Feld. Man unterscheidet echt nichtlineare Felder, linear degenerierte Felder und lineare Felder. In linearen Feldern hängt die Transportgeschwindigkeit (d.h. der Eigenwert ( )φλ v

i ) nicht vom Vektor φ ab. In linear degenerierten Feldern und in echt nichtlinearen Feldern ist dies schon der Fall. Formal unterscheidet man wie folgt.

0i vv =ϕ∂λ∂

(lineares Feld)

0i vv ≠ϕ∂λ∂

aber 0rii =⋅ϕ∂λ∂ vv (linear degeneriertes Feld)

0i vv ≠ϕ∂λ∂

und 0rii ≠⋅ϕ∂λ∂ vv (echt nichtlineares Feld)

Gl. 137

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Die jeweiligen Eigenschaften der Typen von charakteristischen Feldern werden wir erst mit der Anwendung auf gasdynamische Fragestellungen weiter diskutieren und es vorerst bei den angegebenen Definitionen belassen.

5 1-D instationäre Wellendynamik Wir beginnen unsere Analyse mit den 1-D zeitabhängigen Euler-Gleichungen in primitiven Variablen (siehe Gl. 52 und Gl. 55). In einer Raumdimension lauten diese Gleichungen ausführlich geschrieben

0xu

xu

t=

∂∂⋅ρ+

∂ρ∂

⋅+∂ρ∂

0xp1

xuu

tu

=∂∂⋅

ρ+

∂∂⋅+

∂∂

0xsu

ts

=∂∂⋅+

∂∂

.

Gl. 138

Aufgrund der Isentropie (letzte Gleichung) können wir die partielle Ableitung im Druck durch eine partielle Ableitung der Dichte ersetzen

0xu

xu

t=

∂∂⋅ρ+

∂ρ∂

⋅+∂ρ∂

0x

cxuu

tu 2

=∂ρ∂

⋅ρ

+∂∂⋅+

∂∂

0xsu

ts

=∂∂⋅+

∂∂

.

Gl. 139

Die quasi-lineare Form des obigen Gleichungssystems erhält man, indem man die Faktoren vor den partiellen Ableitungen als Matrix zusammenfasst, es ergibt sich

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( )

⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

⎛=

⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

⎛ρ

∂∂

⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜

ρ

ρ

+⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

⎛ρ

∂∂

∂ϕ∂

ϕ∂ϕ∂

000

su

xu00

0uc0u

su

t

xA

2

t

32143421321v

vv

.

Gl. 140

Die Eigenwerte von A ergeben sich zu

cu1 −=λ , cu2 +=λ , u3 =λ .

Gl. 141

Die Matrix der Rechtseigenvektoren und deren Inverse lauten

⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜

ρ−=

0

c1

r1v

, ⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜

ρ=

0

c1

r2v

, ⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

⎛=

100

r3v

⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜

⎛ρρ

−=

100

0cc

011R ,

⎟⎟⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜⎜⎜

⋅ρ⋅ρ

=−

100

0c22

1

0c22

1

R 1

Gl. 142

Durch Multiplikation der Variation δ des Zustandsvektors ϕv mit der Inversen der Rechtseigenvektoren erhalten wir die Variation δ der charakteristischen Variablen 321 ,, ψψψ . Man beachte, dass das Variationssymbol δ als Platzhalter für partielle Ableitungen steht, d.h. wir können sowohl zeitliche Änderungen (partielle Ableitung nach t) als auch räumliche Änderungen (partielle Ableitung nach x) durch das Variationssymbol ausdrücken ohne uns auf die Art der Ableitung a priori festlegen zu müssen.

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⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

δψδψδψ

=

⎟⎟⎟⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜⎜⎜⎜

δ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ δ⋅

ρ+δρ⋅

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ δ⋅

ρ−δρ⋅

=⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

δδδρ

⎟⎟⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜⎜⎜

⋅ρ⋅ρ

=⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

δδδρ

⋅−

3

2

11 :

s

uc2

1

uc2

1

su

100

0c22

1

0c22

1

suR

Gl. 143

Schließlich finden wir die charakteristische Normalform der 1-D instationären Euler-Gleichungen

( ) 0xu

cxcu

tu

ct

xt1

11

=⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

∂∂⋅

ρ−

∂ρ∂

⋅−+⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

∂∂⋅

ρ−

∂ρ∂

∂ψ∂

λ

∂ψ∂

4434421321

4434421

( ) 0xu

cxcu

tu

ct

xt2

22

=⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

∂∂⋅

ρ+

∂ρ∂

⋅++⎟⎠⎞

⎜⎝⎛

∂∂⋅

ρ+

∂ρ∂

∂ψ∂

λ

∂ψ∂

4434421321

4434421

{( ){ 0

xsu

ts

xt3

33

=⎟⎠⎞

⎜⎝⎛∂∂

⋅+⎟⎠⎞

⎜⎝⎛∂∂

∂ψ∂

λ

∂ψ∂

321

.

Zusammengefasst erhält man mit

( )321 ,,diag λλλ=Λ

die Vektorgleichung 0xt

vvv=

∂ψ∂

⋅Λ+∂ψ∂

.

Gl. 144

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Die charakteristischen Kurven und die Kompatibilitätsbedingungen entlang der charakteristischen Kurven sind nun einfach abzulesen, es ist

0uc1 =δ⋅ρ

−δρ=δψ entlang cudtdx

1 −=λ=

0uc2 =δ⋅ρ

+δρ=δψ entlang cudtdx

2 +=λ=

0s3 =δ=δψ entlang udtdx

3 =λ= .

Gl. 145

Bemerkung: Durch die Isentropie ist es möglich, anstelle von Dichtevariationen einfach Druckvariationen anzugeben, da δp=c²·δρ gilt. In diesem Fall lauten die Kompatibilitätsbedingungen

0ucp:1 =δ⋅⋅ρ−δ=δψ entlang cudtdx

−=

0ucp:2 =δ⋅⋅ρ+δ=δψ entlang cudtdx

+=

0s:3 =δ=δψ entlang udtdx

= .

wobei das Produkt c⋅ρ die akustische Impedanz

des Materials (in diesem Fall des Gases) ist.

Gl. 146

Bemerkung: Man sollte sich bewusst machen, dass die in den Gleichungen Gl. 145 bzw. Gl. 146 angegebenen Bedingungen die gesamte Physik der 1-D instationären Euler-Gleichungen enthalten! Wir haben folglich durch Umformungen erreicht, dass aus einem System von partiellen Differentialgleichungen variationelle Bedingungsgleichungen entlang spezieller Kurven im x-t Diagramm wurden.

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5.1 Lineare Wellen in der Zeit Wir wollen nun -ausgehend von der charakteristischen Normalform der 1-D instationären Euler-Gleichungen- einfache Lösungen ableiten und diese physikalisch interpretieren. In diesem Abschnitt werden wir uns auf kleine Störungen beschränken und diese mit einer linearen Theorie beschreiben. Später werden wir die Beschränkung auf kleine Störungen aufheben und die nichtlineare Theorie nutzen.

5.1.1 Linearisierte Euler-Gleichungen Nach den geleisteten Vorarbeiten ist es sehr einfach, eine lineare Theorie aus den 1-D instationären Euler-Gleichungen abzuleiten. Wir definieren einen sog. Entwicklungspunkt, der als Referenzzustand für die Linearisierung fungiert. Physikalisch gesprochen betrachten wir Strömungszustände, die nahe bei einem konstanten Referenzströmungszustand liegen. Betrachtet man das System Gl. 146 so stellt man fest, dass folgende absolute Größen enthalten sind.

Dichte ρ , Schallgeschwindigkeit c , Strömungsgeschwindigkeit u

Referenzgrößen ρ~ , c~ , u~

Gl. 147

Wir finden damit die linearen charakteristischen Kurven und die linearen Kompatibilitätsbedingungen der 1-D instationären Euler-Gleichungen

0uc~~p =δ⋅⋅ρ−δ entlang konstc~u~dtdx

=−=

0uc~~p =δ⋅⋅ρ+δ entlang konstc~u~dtdx

=+=

0s =δ entlang konstu~dtdx

== .

wobei c~,u~,~ρ konstante Referenzzustände sind.

Gl. 148

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Da die Kompatibilitätsbedingungen aufgrund der Linearisierung nicht mehr von einer lokalen Dichte und einer lokalen Schallgeschwindigkeit abhängen, sondern von vorgegebenen und konstanten Referenzwerten, können wir anstelle der unanschaulichen „Variationen charakteristischer Größen“ auch direkt charakteristische Größen einführen, indem wir die Kompatibilitätsbedingungen integrieren. Exemplarisch erfolgt dies so:

( ) ( ) .konstuc~~puc~~puc~~p 1122

2

1

=⋅⋅ρ−−⋅⋅ρ−=δ⋅⋅ρ−δ∫

.konstuc~~p:1 =⋅⋅ρ−=ψ⇒ entlang konstc~u~dtdx

=−= .

Gl. 149

Insgesamt lassen sich die charakteristischen Variablen der linearen 1-D instationären Wellendynamik wie folgt formulieren.

.konstuc~~p:1 =⋅⋅ρ−=ψ entlang konstc~u~dtdx

=−=

.konstuc~~p:2 =⋅⋅ρ+=ψ entlang konstc~u~dtdx

=+=

.konsts:3 ==ψ entlang konstu~dtdx

== .

wobei c~,u~,~ρ konstante Referenzzustände sind.

Gl. 150

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Wir leiten erste physikalische Erkenntnisse aus den 1-D instationären linearen Euler-Gleichungen Gl. 148 ab.

1) Die 1-D instationären linearen Euler-Gleichungen beschreiben drei lineare Transportprozesse. Jedem dieser Prozesse ist ein charakteristisches Feld zugeordnet, welches aus der Transportgeschwindigkeit (dem Eigenwert), dem Rechtseigenvektor und der entsprechenden Kompatibilitätsbedingung besteht.

2) Zwei der drei Prozesse transportieren ihre Informationen relativ zur

Strömung mit Schallgeschwindigkeit, d.h. c~u~ ±=λ . Der dritte Transportprozess besagt, dass die Entropie eine Teilcheneigenschaft ist und somit mit der Teilchengeschwindigkeit u transportiert wird.

3) Eine Unterschallströmung mit u>0 aber M=u/c<1 ermöglicht einen

Informationsaustausch sowohl stromab ( c~u~ +=λ ) als auch stromauf ( c~u~ −=λ ). Eine Überschallströmung besitzt keinen Informationsaustausch entgegen der Strömungsrichtung – Überschallströmungen sind deshalb „blind“.

4) Aus den Kompatibilitätsbedingungen entlang der charakteristischen

Kurven ist ersichtlich, dass Druckvariationen und Geschwindigkeitsvariationen stets gekoppelt sind – es gibt keine Variation der einen Größe ohne dass eine Variation in der anderen Größe stattfinden würde.

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5.1.2 Elementare lineare Wellentypen Wir betrachten nun eine 1-D instationäre Rohrströmung mit speziellen Anfangsbedingungen, die so gewählt sind, dass jeweils nur in einem charakteristischen Feld eine Änderung des Strömungszustands vorhanden ist. Entropiewelle (3. charakteristisches Feld) Wir geben folgende Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt t0 über die gesamte Rohrlänge (die zunächst unendlich lang sei) vor. Für x<x0 gelte: p(x<x0) = pL = p∞ u(x<x0) = uL = u∞ s(x<x0) = sL = sR + δs Für x>x0 gelte: p(x>x0) = pR = p∞ u(x>x0) = uR = u∞ s(x>x0) = sR Wir betrachten folglich eine Rohrströmung mit konstanter Geschwindigkeit und konstantem Druck, welche zum Zeitpunkt t0 an der Position x0 eine Variation in der Entropie s besitzt.

x0xx =

x0xx =

)t,x(s 0

Ls

Rssδ

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Da sowohl der Druck als auch die Geschwindigkeit über die gesamte Rohrlänge als konstant angenommen wurden ( δu=0 und δp=0), sind zum Zeitpunkt t0 keine Variationen im ersten und im zweiten charakteristischen Feld (siehe Gl. 148 ) vorhanden. Dies bedeutet, dass die beiden Transportprozesse der ersten und des zweiten charakteristischen Feldes jeweils einen über die gesamte Rohrlänge konstanten Zustand transportieren und somit irrelevant sind. Der einzig relevante Transportprozess unter diesen Anfangsbedingungen ist der Entropietransport. Da letzterer mit der konstanten Geschwindigkeit u∞ erfolgt, erhält man die Lösung des gegebenen Anfangswertproblems zum Zeitpunkt t1 einfach dadurch, dass man den Anfangszustand um den Weg (t1 - t0)·u∞ verschiebt. Der Sprung δs befindet sich folglich zum Zeitpunkt t1 am Ort x0 + (t1 - t0)·u∞. Man nennt eine Lösung, bei der nur ein einziges charakteristisches Feld relevant ist, und in den Anfangsbedingungen nur an einer einzigen Stelle Zustandsvariationen auftreten, eine elementare Welle. Da es sich hier um eine Zustandsvariation in der Entropie handelt, wird die Welle als Entropiewelle bezeichnet. Kompressionswelle (2. charakteristisches Feld) Wir geben folgende Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt t0 über die gesamte Rohrlänge (die zunächst unendlich lang sei) vor. Für x<x0 gelte: p(x<x0) = pL = p∞ + δp (wobei δp>0) u(x<x0) = uL = u∞ + δu = u∞ + δp/ c~~ ⋅ρ s(x<x0) = sL = s∞ Für x>x0 gelte: p(x>x0) = pR = p∞ u(x>x0) = uR = u∞ s(x>x0) = sR = s∞ Wir betrachten folglich eine Rohrströmung mit konstanter Entropie, welche zum Zeitpunkt t0 an der Position x0 eine Variation im Druck und in der Geschwindigkeit besitzt. Hier ist entscheidend, dass die Störung in der Geschwindigkeit und die Störung im Druck die angegebene Koppelungsbedingung erfüllt, es ist

0uc~~p =δ⋅⋅ρ−δ bei x=x0

Gl. 151

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Die Anfangsbedingungen sind hier genau so gewählt, dass

0uc~~p1 =⋅⋅−= δρδδψ über die gesamte Länge des Rohres und insbesondere auch an der Stelle x=x0 gilt. Ebenso ist 0s3 =δ=δψ über der gesamten Rohrlänge. Die Variation der charakteristischen Größe uc~~p2 δρδδψ ⋅⋅+= ist bis auf die Stelle x=x0 ebenfalls überall identisch null. An der Stelle x=x0 springt die charakteristischen Größe 2ψ von ihrem linksseitigen Wert mit ( ) LL02 uc~~pxx ⋅⋅ρ+=<ψ auf den rechtsseitigen Wert

( ) ( ) p2uc~~puuc~~ppuc~~pxx LLLLRR02 δ⋅−⋅⋅ρ+=δ−⋅⋅ρ+δ−=⋅⋅ρ+=>ψ . Dies ist graphisch in der nächsten Abbildung dargestellt.

x0xx =

)t,x(p 0

Lp

Rppδ

x0xx =

)t,x(u 0

Lu

Ruuδ

c~~pu⋅ρδ

x0xx =

)t,x(s 0

Ls Rs

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Wir wissen, dass zu jeder charakteristischen Variable ein Transportprozess existiert, der die Anfangsverteilung der charakteristischen Variablen mit der entsprechenden Transportgeschwindigkeit verschiebt. Hier ist nur im zweiten charakteristischen Feld eine Variation (eine Änderung des Werts der Variable) vorhanden, in allen anderen Feldern herrscht ein zum Zeitpunkt t=t0 konstanter Zustand. Man beachte, dass entlang der jeweiligen charakteristischen Kurve die dazu gehörige charakteristische Variable konstant sein muss. Daraus folgt aber keinesfalls, dass die Anfangswertverteilung der charakteristischen Variable entlang der x-Achse ebenfalls konstant sein muss. Warum? Ganz einfach: die x-Achse ist keine charakteristische Kurve!

x0xx =

)t,x( 02ψ

x0xx =

L,2ψ

x0xx =

)t,x( 01ψ

)t,x( 03ψ

ref,3ψ

ref,1ψ

R,2ψp2 δ⋅

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Die Transportgeschwindigkeit im zweiten charakteristischen Feld ist (im Sinne der hier eingesetzten linearen Theorie) konstant und besitzt den Wert

konstc~u~dtdx

=+= .

Gl. 152

Wir können somit die Lösung des Anfangswertproblems sowohl graphisch als auch algebraisch für jeden Zeitpunkt t>t0 unmittelbar angeben, allerdings benötigen wir die Referenzgrößen c~,u~ für die wir jetzt einige Fälle diskutieren. 1) „Ruhe“, d.h. 0u~ = , 0cc~ = In diesem Fall bewegt sich die Unstetigkeit im zweiten charakteristischen Feld mit der konstanten Geschwindigkeit c0 (der Ruheschallgeschwindigkeit) nach rechts ohne dabei die Form zu ändern (lineares Verhalten). Der Zustand, den die bewegte Unstetigkeit hinterlässt (d.h. links von der Unstetigkeit) hat folgende Eigenschaften. Der Druck nimmt um δp zu und die Geschwindigkeit nimmt ebenfalls zu (so genannte Nachlaufgeschwindigkeit). Die Zunahme der Geschwindigkeit ist über den Drucksprung und die akustische Impedanz bereits eindeutig festgelegt, es gilt δu=δp/(ρ·c). Aufgrund der Druckzunahme heißt eine solche Zustandsänderung lineare Kompressionswelle im zweiten charakteristischen Feld. Folgende Abbildung zeigt die Position der Kompressionswelle über der Zeit.

0tt =0xx =

x

t

0cc~u~dtdx

=+=

Druck p nimmt zu Geschwindigkeit u nimmt zu

Zustand vor Kompressionswelle

Zustand nach Kompressionswelle

Kompressions- welle K

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2) „Unterschallströmung“, d.h. 0u~c~ >> Grundsätzlich ergibt sich keine qualitative Änderung gegenüber 1) „Ruhe“, außer dass die Steigung der Kompressionswelle im x-t Diagramm flacher wird – die Welle ist in Ihrer Absolutgeschwindigkeit betrachtet schneller. Relativ zur Strömung bewegt sich die Welle nach wie vor mit Schallgeschwindigkeit. 3) „Überschallströmung“, d.h. 0c~u~ >>

siehe 2) 4) „Unterschallströmung von rechts nach links“, d.h. 0u~c~ >> , 0u~ <

siehe 2), wobei die Steigung der Kompressionswelle im x-t Diagramm steiler wird als bei 1) 5) „Überschallströmung von rechts nach links“, d.h. u~c~ < , 0u~ < Dieser Fall ist tückisch, da hier die Welle in einem x-t Diagramm nach links läuft. Trotzdem ist der Zustand vor der Welle der rechte Zustand und der nach der Welle der linke. Man darf diesen Fall nicht mit einer einfachen Welle im ersten charakteristischen Feld verwechseln! Kompressionswelle (1. charakteristisches Feld) Wir geben folgende Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt t0 über die gesamte Rohrlänge (die zunächst unendlich lang sei) vor. Für x<x0 gelte: p(x<x0) = pL = p∞ u(x<x0) = uL = u∞ s(x<x0) = sL = s∞ Für x>x0 gelte: p(x>x0) = pR = p∞ + δp (wobei δp>0) u(x>x0) = uR = u∞ + δu = u∞ - δp/ c~~ ⋅ρ s(x>x0) = sR = s∞ Die Anfangswerte sind nun so gewählt, dass nur das erste charakteristische Feld eine isolierte Störung an der Stelle x=x0 aufweist. Die Koppelung zwischen Druckvariation und Geschwindigkeitsvariation ist bis auf das Vorzeichen identisch zur Kompressionswelle im zweiten charakteristischen Feld, es ist

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100

0uc~~p =δ⋅⋅ρ+δ bei x=x0

Gl. 153

In vollständiger Analogie zum zweiten charakteristischen Feld ergibt sich hier ein Sprung in 1ψ , dessen Betrag ebenfalls 2·δp ist. Graphisch erhält man folgende Anfangswertverteilung. Die Transportgeschwindigkeit im ersten charakteristischen Feld ist (im Sinne der hier eingesetzten linearen Theorie) konstant und besitzt den Wert

x0xx =

)t,x( 02ψ

p2 δ⋅

x0xx =

x0xx =

)t,x( 01ψ

)t,x( 03ψ

ref,3ψ

L,1ψ

R,1ψ

ref,2ψ

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101

konstc~u~dtdx

=−= .

Gl. 154

Wir diskutieren hier nur den Fall 0u~ = („Ruhe“) da alle anderen Fälle ähnlich wie im zuvor diskutieren zweiten charakteristischen Feld zu behandeln sind. Die Unstetigkeit im ersten charakteristischen Feld bewegt sich mit der konstanten Geschwindigkeit -c0 (der Ruheschallgeschwindigkeit) nach links ohne dabei die Form zu ändern (lineares Verhalten). Der Zustand, den die bewegte Unstetigkeit hinterlässt (d.h. rechts von der Unstetigkeit) hat folgende Eigenschaften. Der Druck nimmt um δp zu und die Geschwindigkeit nimmt ab (bzw. nimmt in Richtung –x zu). Die Abnahme der Geschwindigkeit ist über den Drucksprung und die akustische Impedanz eindeutig festgelegt, es gilt δu=-δp/(ρ·c). Aufgrund der Druckzunahme heißt eine solche Zustandsänderung lineare Kompressionswelle im ersten charakteristischen Feld. Folgende Abbildung zeigt die Position einer Kompressionswelle im ersten charakteristischen Feld über der Zeit.

0tt =0xx =

x

t

0cc~u~dtdx

−=−=

Druck p nimmt zu Geschwindigkeit u nimmt ab

Zustand vor Kompressionswelle

Zustand nach Kompressionswelle

Kompressions- welle K

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Zusammenfassung: Lineare Kompressionswellen in der Zeit Lineare Kompressionswellen sind Wellen im ersten oder zweiten charakteristischen Feld, die folgende Eigenschaften aufweisen. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Kompressionswelle relativ zur Strömung ist die Schallgeschwindigkeit. Die Welle komprimiert das Fluid und produziert eine Geschwindigkeitsänderung, deren Betrag gleich der Druckänderung bezogen auf die akustische Impedanz ist. Kompressionswellen im zweiten charakteristischen Feld führen immer zu einer positiven Geschwindigkeitsänderung, d.h. läuft eine Kompressionswelle im zweiten charakteristischen Feld in ein ruhendes Medium, dann wird das Medium über die Welle verdichtet und es stellt sich eine positive Geschwindigkeit ein (das Fluid im Nachlauf der Welle bewegt sich in Richtung der Welle – hier in positiver x Richtung). Kompressionswellen im ersten charakteristischen Feld führen immer zu einer negativen Geschwindigkeitsänderung, d.h. läuft eine Kompressionswelle im ersten charakteristischen Feld in ein ruhendes Medium, dann wird das Medium über die Welle verdichtet und es stellt sich eine negative Geschwindigkeit ein (das Fluid im Nachlauf der Welle bewegt sich in Richtung der Welle – hier in negativer x Richtung). Im Sinne der linearen reibungsfreien und eindimensionalen Theorie ändert sich weder die Amplitude noch die Laufgeschwindigkeit einer linearen Kompression, sofern diese in ein Medium mit konstanten Bedingungen läuft.

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Expansionswelle (2. charakteristisches Feld) Wir geben folgende Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt t0 über die gesamte Rohrlänge (die zunächst unendlich lang sei) vor. Für x<x0 gelte: p(x<x0) = pL = p∞ - δp (wobei δp>0) u(x<x0) = uL = u∞ - δu = u∞ - δp/ c~~ ⋅ρ s(x<x0) = sL = s∞ Für x>x0 gelte: p(x>x0) = pR = p∞ u(x>x0) = uR = u∞ s(x>x0) = sR = s∞ Offenbar liegt jetzt eine Anfangssituation vor, die der bereits diskutierten Anfangssituation „Kompressionswelle (2. charakteristisches Feld)“ äußerst ähnlich ist. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass die Anfangswerte auf der linken Seite nun nicht um δp und δu erhöht sind, sondern verringert. Wieder ist entscheidend, dass die Störung in der Geschwindigkeit und die Störung im Druck die angegebene Koppelungsbedingung erfüllt, es ist

0uc~~p =δ⋅⋅ρ−δ bei x=x0

Gl. 155

Die Anfangsbedingungen sind hier genau so gewählt, dass

0uc~~p1 =⋅⋅−= δρδδψ über die gesamte Länge des Rohres gilt, d.h. ( ).t,xkonst 01 =ψ Ebenso ist 0s3 =δ=δψ über der gesamten Rohrlänge

(s=konst). Die Variation der charakteristischen Größe uc~~p2 δρδδψ ⋅⋅+= ist bis auf die Stelle x=x0 ebenfalls überall identisch null. An der Stelle x=x0 hat die Variation der charakteristischen Größe uc~~p2 δρδδψ ⋅⋅+= den Wert 2·δp, d.h. die charakteristische Variable erhöht sich sprunghaft von links nach rechts um den Wert 2·δp.

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Wir können das resultierende zeitliche Verhalten unmittelbar angeben, indem wir die Anfangsverteilung der zweiten charakteristischen Variable entlang den charakteristischen Kurven mit der Steigung

konstc~u~dtdx

=+= .

Gl. 156

transportieren. Für 0u~ = und 0cc~ = (d.h. Ruhe) läuft die Expansion mit Schallgeschwindigkeit nach rechts und bewirkt die Änderung der rechtsseitigen Zustände auf die linksseitigen Zustände.

x0xx =

)t,x(p 0

Lp Rppδ

x0xx =

)t,x(u 0

LuRuuδ

c~~pu⋅ρδ

x0xx =

)t,x(s 0

Ls Rs

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x0xx =

)t,x( 02ψ

x0xx =

L,2ψ

x0xx =

)t,x( 01ψ

)t,x( 03ψ

ref,3ψ

ref,1ψ

R,2ψ

p2 δ⋅

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Expansionswelle (1. charakteristisches Feld) Wir geben folgende Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt t0 über die gesamte Rohrlänge (die zunächst unendlich lang sei) vor. Für x<x0 gelte: p(x<x0) = pL = p∞ u(x<x0) = uL = u∞ s(x<x0) = sL = s∞ Für x>x0 gelte: p(x>x0) = pR = p∞ - δp (wobei δp>0) u(x>x0) = uR = u∞ + δu = u∞ + δp/ c~~ ⋅ρ s(x>x0) = sR = s∞

x0xx =

)t,x(p 0

Lp Rppδ

x0xx =

)t,x(u 0

LuRuuδ

c~~pu⋅ρδ

x0xx =

)t,x(s 0

Ls Rs

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Wieder ist entscheidend, dass die Störung in der Geschwindigkeit und die Störung im Druck die angegebene Koppelungsbedingung erfüllt, es ist

0uc~~p =δ⋅⋅ρ+δ bei x=x0

Gl. 157

Die Anfangsbedingungen sind so gewählt, dass die erste charakteristische Variable zum Zeitpunkt t=t0 einen Sprung an der Stelle x=x0 hat und von ihrem linksseitigen Wert auf den um 2·δp geringeren rechtsseitigen Wert springt. Die zweite charakteristische Variable und die dritte charakteristische Variable sind überall konstant. Zusammenfassung lineare Expansionswellen Lineare Expansionswellen sind Wellen im ersten oder zweiten charakteristischen Feld, die folgende Eigenschaften aufweisen. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Expansionswelle relativ zur Strömung ist die Schallgeschwindigkeit. Die Welle verdünnt das Fluid und produziert eine Geschwindigkeitsänderung, deren Betrag gleich der Druckänderung bezogen auf die akustische Impedanz ist. Expansionswellen im zweiten charakteristischen Feld führen immer zu einer negativen Geschwindigkeitsänderung, d.h. läuft eine Expansionswelle im zweiten charakteristischen Feld in ein ruhendes Medium, dann wird das Medium über die Welle verdünnt und es stellt sich eine negative Geschwindigkeit ein (das Fluid im Nachlauf der Welle bewegt sich entgegen der Richtung der Welle – hier in negativer x Richtung). Expansionswellen im ersten charakteristischen Feld führen immer zu einer positiven Geschwindigkeitsänderung, d.h. läuft eine Expansionswelle im ersten charakteristischen Feld in ein ruhendes Medium, dann wird das Medium über die Welle verdünnt und es stellt sich eine positive Geschwindigkeit ein (das Fluid im Nachlauf der Welle bewegt sich entgegen der Richtung der Welle – hier in positiver x Richtung). Im Sinne der linearen reibungsfreien und eindimensionalen Theorie ändert sich weder die Amplitude noch die Laufgeschwindigkeit einer linearen Expansion, sofern diese in ein Medium mit konstanten Bedingungen läuft.

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5.1.3 Lineares „Stoßrohr“ Wir wenden nun die zuvor gesammelten Erkenntnisse zur Untersuchung technisch relevanter Fragestellungen an. Die Fragestellung wird jedoch so weit vereinfacht, dass die lineare Theorie eingesetzt werden kann. Wir betrachten ein adiabat isoliertes und beidseitig verschlossenes Rohr der Länge L, in dessen Mitte (bei x=x0) eine impermeable Membran sitzt. Auf der linken und der rechten Seite befindet sich ein perfektes Gas in Ruhe (u=0 m/s), dessen thermodynamische Zustände folgende Bedingungen erfüllen. 1) Die spezifische Entropie s ist auf beiden Seiten (d.h. links und rechts von

der Membran) konstant und identisch 2) Die Dichte und die Schallgeschwindigkeit auf beiden Seiten kann durch

konstante Referenzwerte approximiert werden 3) Der Druck auf der linken Seite ist „um einen kleinen Wert“ höher als der

Druck auf der rechten Seite, d.h. pL = pR + δp. Die Fragestellung lautet nun: Was passiert, wenn die Membran augenblicklich entfernt wird? Bevor wir die Frage mit den bereits beschriebenen Techniken analysieren gehen wir „intuitiv“ vor und betrachten die Situation physikalisch. Wir stellen fest, dass in dem Moment, in dem die Membran instantan entfernt wird, ein mechanisches Nichtgleichgewicht (eine Druckdifferenz bzw. ein „Drucksprung“) vorliegt, welches durch Ausgleichsprozesse in einen stabilen Gleichgewichtszustand übergeführt werden wird. Ausgleichsprozesse benötigen Zeit – genau wie der Transport von Informationen. Intuitiv nehmen wir an, dass der „höhere“ Druck auf der linken Seite reduziert wird und der niedrige Druck auf der rechten Seite erhöht wird. Recht viel mehr gibt reine Intuition aber nicht her – dazu bedarf es dem Verständnis von linearer Wellendynamik.

x0xx =

Impermeable Membran, die zum Zeitpunkt t=t0

entfernt wird

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Wir zeichnen uns die Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt t=t0 (der Moment in dem die Membran entfernt wird) sowohl für die physikalischen Variablen Druck und Geschwindigkeit als auch für die charakteristischen Variablen zunächst einfach nur auf.

x0xx =

)t,x(p 0

Lp Rppδ

x0xx =

)t,x(u 0

s/m0uL = s/m0uR =

x0xx =

)t,x( 01ψ

LL uc~~p ⋅⋅− ρ

s/m0

x0xx =

)t,x( 02ψ

RR uc~~p ⋅⋅− ρ

LL uc~~p ⋅⋅+ ρ

RR uc~~p ⋅⋅+ ρ

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Anhand der Graphen für die charakteristischen Variablen uc~~p1 ⋅⋅−= ρψ und uc~~p2 ⋅⋅+= ρψ erkennt man, dass sich in beiden charakteristischen Feldern

ein isolierter Sprung zum Zeitpunkt t0 am Ort x0 befindet. Nun wissen wir, dass zu jedem charakteristischen Feld ein Transportprozess gehört, der die Anfangsverteilung der charakteristischen Variablen mit einer (da lineare Theorie) konstanten Transportgeschwindigkeit transportiert. Damit haben wir das Problem so gut wie gelöst! In dem Moment, in dem die Membran entfernt wird, resultiert der Sprung im Druck in der Ausbildung von 2 Wellen, eine im 1. und eine im 2. charakteristischen Feld. Die Welle im ersten charakteristischen Feld läuft mit der Geschwindigkeit c~0cux −=−=& nach links, die Welle im 2. charakteristischen Feld bewegt sich mit der Geschwindigkeit

c~0cux +=+=& nach rechts. Vergleicht man die hier auftretenden Wellen mit den linearen Kompressions- bzw. Expansionswellen, so stellt man fest, dass die links laufende Welle im ersten charakteristischen Feld eine Expansion ist und die rechts laufende Welle im 2. charakteristischen Feld eine Kompression ist. Im x-t Diagramm ergibt sich folgende Wellenstruktur. Aus den Transportgeschwindigkeiten (oft auch als Laufgeschwindigkeiten bezeichnet) der beiden Wellen können wir abschätzen, wann diese das jeweilige Rohr Ende erreichen. Die Gesamtlänge des Rohrs war L, die Membran saß mittig, d.h. bei x=x0=L/2. Die maximale Zeit, bis zu welcher sich obiges Bild im

Rohr ergibt, ist somit c~

2/Ltmax = . Wir werden uns zunächst nur die

0tt =0xx =

x

t

c~x −=&

Zustand vor Expansionswelle

Zustand nach beiden Wellen

Kompressions- welle K

c~x +=&Expansions- welle E

Zustand vor Kompressionswelle

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Strömungszustände betrachten, die sich für t<tmax ergeben. Konkret betrachten wir den Zeitpunkt t=tmax/2. Beide Wellen haben nun je ein Viertel der Rohrlänge „hinter sich gebracht“, woraus wir folgende Schlussfolgerungen ableiten können. Im Rohr existieren zum Zeitpunkt t=tmax/2 drei verschiedene Bereiche. Der Bereich vom linken Ende des Rohres bis zur Länge L/4 ist vollkommen unbeeinflusst, da die links laufende Welle diesen Bereich noch nicht erreicht hat. Folglich sind die thermodynamischen und strömungsmechanischen Zustände in diesem Bereich genau diejenigen Zustände, die bereits zum Zeitpunkt t0 dort vorgelegen haben. Mit identischer Argumentation ergibt sich für den Bereich von ¾ L bis zum rechten Ende des Rohres, dass die Zustände dort die rechten Anfangszustände vom Zeitpunkt t0 sind. Offenbar ist nur der Bereich von ½ L bis ¾ L beeinflusst worden. Für diesen Bereich wollen wir nun den dort vorliegenden Druck p und die Geschwindigkeit u bestimmen. Wir erreichen dies, indem wir die Werte der charakteristischen Variablen analysieren. Es ist

RRR1 puc~~puc~~p4Lx =⋅⋅−=⋅⋅−=⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ > ρρψ

LLL2 puc~~puc~~p4L3x =⋅⋅+=⋅⋅+=⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

< ρρψ

Gl. 158

Somit sind Druck und Dichte in dem von den beiden Wellen eingeschlossenen Bereich durch einfache algebraische Umformungen berechenbar.

Wegen uc~~p1 ⋅⋅−= ρψ und uc~~p2 ⋅⋅+= ρψ

ergibt sich unmittelbar

2p 21 ψψ += und

c~~2u 12

⋅ρ⋅ψ−ψ

= .

Gl. 159

Für die von uns gewählten Anfangsbedingungen ergeben sich im Bereich von ½ L bis ¾ L folgende Zustände

2

pp2

p RL21 +=

+=

ψψ und

c~~2p

c~~2pp

c~~2u RL12

⋅ρ⋅δ

=⋅ρ⋅

−=

⋅ρ⋅ψ−ψ

= .

Gl. 160

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0tt =0xx =

x

t

c~x −=&

Zustand nach beiden Wellen

Kompressions- welle K

c~x +=&Expansions- welle E

2/tt max=

x

x

( )2/tt,xp max=

( )2/tt,xu max=

Zustand vor Expansionswelle

Zustand vor Kompressionswelle

Lp

Rp

2/pp2/ppp RL δ+=δ−=

0uL = 0uR =

c~~2pu⋅ρ⋅

δ=

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5.1.4 1-D Strömungen durch Kolbenbewegungen Allen bis dato diskutierten Situation ist gemeinsam, es sich um reine Anfangswertprobleme gehandelt hat. An dieser Stelle sollen nun Randbedingungen mit berücksichtigt werden. Wir betrachten ein „unendlich“ langes Rohr, in welchem sich zum Zeitpunkt t=t0 ein zunächst ruhender (adiabat isolierter) Kolben befindet. Die rechte Seite des Rohres (rechts vom Kolben) sei gefüllt mit einem perfekten Gas, das sich in Ruhe befindet und über die gesamt Rohrlänge konstante thermodynamische Zustände besitzt. Der Einfachheit nehmen wir an, dass sich der Kolben für t>t0 mit der konstanten Geschwindigkeit VKolben bewegt (er wird zum Zeitpunkt t0 instantan auf VKolben beschleunigt). Wir fragen uns nun, wie sich die plötzliche Kolbenbewegung auf das Gas im Rohr auswirkt. Der Anfangszustand (Kolben ruht) ist gegeben durch

( ) .konstt,xp 0 = , ( ) .konsts/m0t,xu 0 == ,

( ) .konstt,xs 0 = , ( ) ρ==ρ ~.konstt,x 0 ,

( ) c~.konstt,xc 0 == .

Gl. 161

Daraus lassen sich die charakteristischen Variablen zum Anfangszustand unmittelbar bestimmen, diese lauten zum Zeitpunkt t=t0 ( )01 t,xpuc~~p =⋅⋅ρ−=ψ , ( )02 t,xpuc~~p =⋅⋅ρ+=ψ ,

( )03 t,xs=ψ .

Gl. 162

x

Kolben, dessen Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t=t0 instantan von 0 m/s auf VKolben geändert wird

KolbenKolben Vx =&

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114

Wir nehmen nun an, der Kolben werde instantan auf die Geschwindigkeit

.konst0Vx Kolben =<=&

Gl. 163

beschleunigt und die Kolbengeschwindigkeit im weiteren Verlauf konstant beibehalten. Unter der Annahme der Linearität lassen sich die Kolbenbahn und einige repräsentative charakteristische Kurven des ersten und des zweiten charakteristischen Felds wie folgt graphisch darstellen. Die entscheidenden Überlegungen lauten nun: 1) Alle links laufenden Charakteristiken (also die im ersten

charakteristischen Feld) besitzen einen konstanten Wert. 2) Alle rechts laufenden Charakteristiken, die rechts von dem Punkt x0

beginnen, besitzen einen konstanten Wert, der durch den Druck p(x, t0) und durch die Geschwindigkeit u(x, t0)=0 m/s definiert ist.

3) Alle rechts laufenden Charakteristiken, die links vom Punkt x0 beginnen, besitzen einen konstanten Wert, der durch den zunächst unbekannten Druck p(x=xKolben, t) unmittelbar am Kolben und durch die Geschwindigkeit u(x, t0)=VKolben < 0 m/s definiert ist.

0tt =0xx =

x

t0V

dtdx

Kolben <=

c~dtdx

=

c~dtdx

−=

E

Punkt P

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Zur Bestimmung des Drucks p(x=xKolben, t) am Kolben gehen wir wie folgt vor. Wir wählen einen Punkt P am Kolben (bzw. entlang der Kolbenbahn) und betrachten den Wert der charakteristischen Variablen der dort ankommenden links laufenden Charakteristik und den Wert der charakteristischen Variablen der dort beginnenden rechts laufenden Charakteristik. Im Sinne der linearen Theorie gilt allgemein

2

p 21 ψ+ψ= und

c~~2u 12

⋅ρ⋅ψ−ψ

= .

Gl. 164

Für das betrachtete Problem ist die Geschwindigkeit u am Punkt P bekannt – es ist die Geschwindigkeit VKolben des Kolbens selbst (Fluid haftet am Kolben, sonst müsste sich ein Vakuum einstellen). Den Wert der ersten charakteristischen Variablen im Punkt P kennen wir ebenfalls, er lautet

( )01 t,xp=ψ . Aus der Beziehung für die Geschwindigkeit u erhalten wir im Punkt P somit unmittelbar den Wert der zweiten charakteristischen Variablen und den Druck p(x=xKolben, t)=pKolben

( )

c~~2t,xp

V 02Kolben ⋅ρ⋅

−ψ= .

( ) .c~~2Vt,xp Kolben02 ⋅ρ⋅⋅+=ψ⇒

( ) ( )

2c~~2Vt,xpt,xp

2p Kolben0021

Kolben⋅ρ⋅⋅++

=ψ+ψ

=⇒

( ) .c~~Vt,xpp Kolben0Kolben ⋅ρ⋅+=⇒

Gl. 165

Da wir vorausgesetzt haben, dass sich der Kolben mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, ist es für das Ergebnis völlig unerheblich, an welcher Stelle entlang der Kolbenbahn der Punkt P gewählt wird. Folglich muss die Änderung des Drucks unmittelbar am Kolben genau zu dem Zeitpunkt erfolgen, an dem der Kolben instantan bewegt wird. Dies bedeutet weiter, dass die zweite charakteristische Variable einen isolierten Sprung besitzen muss, welcher durch die instantane Bewegung des Kolbens verursacht wird – die Bewegung des Kolbens löst eine einfache Welle im zweiten charakteristischen Feld aus! Die Art der Welle ist offenbar nur abhängig vom Vorzeichen der Kolbengeschwindigkeit. Hier ergibt sich wegen VKolben < 0 m/s eine lineare Expansionswelle, wohingegen sich für VKolben > 0 m/s eine lineare

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Kompressionswelle ausbildet. Da die zweite charakteristische Variable mit der Geschwindigkeit c~x +=& nach rechts transportiert wird, breitet sich die jeweilige Welle ebenfalls mit der Geschwindigkeit c~x +=& nach rechts aus und bewirkt eine Änderung des Drucks und der Geschwindigkeit.

5.1.5 Randbedingungen am offenen und am verschlossenen Rohr Eine bis dato nicht diskutierte Fragestellung ergibt sich, wenn man nicht von einem „unendlich langen“ Rohr ausgeht, sondern Rohre endlicher Länge betrachtet. Folgende Typen von „Rohrenden“ werden wir diskutieren. 1) Offenes Rohr

Diese Situation entspricht einem Rohr, das mit einem „Ausströmvolumen“ verbunden ist. Hauptbeispiel: Das Rohr endet mit einer Verbindung zur Umgebung. Solange die Strömung im Austrittsquerschnitt des Rohres eine Unterschallströmung ist, wird der Strömung der Umgebungsdruck pe=konst. aufgeprägt. Man beachte, dass der Druck bei instationären (wellendynamischen) Strömungen zeitlich i. A. nicht konstant ist. Dennoch ist es näherungsweise korrekt, den „quasi“ konstanten Umgebungsdruck auch am offenen Ende des Rohres als Randbedingung vorzuschreiben. Wir erhalten somit eine Bedingung für die charakteristischen Variablen an genau der Position, an der sich das offene Rohrende befindet.

.konst2

p 21e =

ψ+ψ= (konstanter Druck am offenen Rohrende)

02

p 21e =

δψ+δψ=δ⇒

21 δψ=δψ−⇒ . (resultierende Bedingung)

Gl. 166

Angenommen, das offene Ende des Rohres befindet sich am rechten Rand (also bei x=xmax). Dann wissen wir, dass alle Informationen, die von links (von x<xmax) zum Rohrende transportiert werden, in der zweiten charakteristischen Variablen gebündelt sind. Da bei einem konstant angenommenen Druck die Summe der charakteristischen Variablen ebenfalls konstant ist, folgt somit, dass eine zeitliche Zu- oder Abnahme der zweiten charakteristischen Variablen (d.h. eine Kompression oder eine Expansion im zweiten charakteristischen Feld) offenbar dazu führt, dass

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sich auch die erste charakteristische Variable am Rohrende dynamisch verändern muss. Konkret ergibt sich folgender Sachverhalt.

Wegen 21 δψ=δψ− folgt

Falls 02 >δψ (Kompression 2. charakteristisches Feld)

01 <δψ⇒ (Expansion 1. charakteristisches Feld).

Falls 02 <δψ (Expansion 2. charakteristisches Feld)

01 >δψ⇒ (Kompression 1. charakteristisches Feld).

Gl. 167

Eine aus dem Rohr laufende Kompressionswelle löst bei konstant gehaltenem Gegendruck folglich eine in das Rohr zurücklaufende Expansionswelle aus. Eine analoge Aussage erhält man für eine heraus laufende Expansion, diese bewirkt eine zurücklaufende Kompression. Man beachte, dass der Druck aufgrund der Annahme konstant bleibt, dies gilt jedoch nicht für die Strömungsgeschwindigkeit! Man findet

Wegen 21 δψ=δψ− folgt für die Geschwindigkeit am Ende

c~~2u 12

⋅ρ⋅ψ−ψ

= c~~c~~c~~2

u 1212

⋅ρδψ

−=⋅ρ

δψ=

⋅ρ⋅δψ−δψ

=δ⇒ .

Gl. 168

Trifft eine Kompression auf das rechte Ende des Rohres, dann bewirkt der konstant gehaltene Umgebungsdruck offenbar eine Zunahme der Geschwindigkeit. Diese Geschwindigkeitszunahme entspricht der entgegen der Laufrichtung erfolgenden Geschwindigkeitszunahme der in das Rohr laufenden Expansion. Eine heraus laufende Expansion bewirkt hingegen eine Geschwindigkeitsabnahme durch die über die zurücklaufende Kompression erwirkte Nachlaufgeschwindigkeit.

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2) Verschlossenes Rohr (unendlich steife Wand)

Die korrekte Vorgabe der Randbedingungen an einem verschlossenen Rohrende ist sehr viel einfacher als das zuvor betrachtete Problem. Der Grund hierfür liegt in der Tatsache, dass wir die Randbedingung nicht wie zuvor „näherungsweise“ angeben, sondern exakt. Nun, was gilt an einer stationären Wand? Die Geschwindigkeit normal zur Wand ist stets 0. Wir erhalten somit die exakte Randbedingung für das Problem durch

0c~~2

u 12W =

⋅ρ⋅ψ−ψ

= 0c~~2

u 12 =⋅ρ⋅δψ−δψ

=δ⇒ .

12 δψ=δψ⇒ .

Gl. 169

Eine aus dem Rohr laufende Kompressionswelle löst in dem Moment, in dem sie auf das verschlossene Rohrende trifft, eine in das Rohr zurücklaufende Kompressionswelle aus. Eine analoge Aussage erhält man für eine heraus laufende Expansion, diese bewirkt eine zurücklaufende Expansion. Die dabei einhergehende Druckänderung ergibt sich wie folgt.

Wegen 21 δψ=δψ folgt für die Druckänderung am Ende

2p 12 ψ+ψ= .

2p 12

12 δψ=δψ=δψ+δψ

=δ⇒

Gl. 170

Trifft eine Kompression auf das rechte Ende des Rohres, dann bewirkt die Randbedingung offenbar eine instantane Abnahme der Nachlaufgeschwindigkeit auf den Wert 0 m/s. Die dabei erzeugte und nach links in das Rohr laufende Kompression führt zur Erhöhung des Drucks. Eine auf die Wand treffende Expansion bewirkt hingegen eine in das Rohr zurück laufende Expansion, wobei die Geschwindigkeit unmittelbar an der Wand (also dem verschlossenen Rohrende) stets 0 m/s beträgt.

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5.2 Nichtlineare Wellen in der Zeit Wir werden nun den im Kapitel „Lineare Wellen in der Zeit“ eingeschlagenen Weg erweitern – und zwar, indem wir die Nichtlinearität der Grundgleichungen mitberücksichtigen. Die charakteristischen Kurven und die Kompatibilitätsbedingungen entlang der charakteristischen Kurven sind unverändert, es ist

0uc1 =δ⋅ρ

−δρ=δψ bzw. 0ucp =δ⋅⋅ρ−δ

entlang cudtdx

1 −=λ= ,

0uc2 =δ⋅ρ

+δρ=δψ bzw. 0ucp =δ⋅⋅ρ+δ

entlang cudtdx

2 +=λ= ,

und 0s3 =δ=δψ entlang udtdx

3 =λ= .

Gl. 171

In der linearen Betrachtung wurden die Kompatibilitätsbedingungen und die Ausbreitungsgeschwindigkeiten um festgehaltene Referenzwerte linearisiert, wodurch sich lineare Transportprozesse ergaben. Insbesondere ist es im linearen Fall möglich, zu einer gegebenen Druckvariation und bei gegebener (und festgehaltener) akustischer Impedanz ρ·c die korrespondierende Geschwindigkeitsvariation zu ermitteln. Dies ist im nichtlinearen Fall nicht ohne weiteres möglich, da bei einer Variation im Druck auch die akustische Impedanz variiert! Wir benötigen ein erstes Integral der Kompatibilitätsbedingungen. Tatsächlich existierten für einige einfachen Zustandsgesetzte (z. B. für das perfekte Gas) solche erste Integrale. Für viele technisch relevante Fluide ist dies nicht der Fall, das kann uns aber im Moment egal sein. Man kann zeigen (siehe Übung), dass für ein perfektes Gas die folgende Äquivalenz gilt.

0ucp =δ⋅⋅ρ−δ 0uc1

2=−⋅

−δδ

γ,

Gl. 172

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120

0ucp =⋅⋅+ δρδ 0uc1

2=+⋅

−δδ

γ.

Aus den Äquivalenzen ist das jeweilige erste Integral unmittelbar ablesbar, es ist

.konst1c2u =−⋅

−γ

entlang cudtdx

1 −=λ= ,

.konst1c2u =−⋅

entlang cudtdx

2 +=λ= .

Gl. 173

Für .konst4.1 ==γ lassen sich die nichtlinearen 1-D instationären Euler-Gleichungen in folgender Form als nichtlineare Transportprozesse schreiben.

( ) ( ) ( ) 0c5ux

cuc5ut

=⋅−∂∂

⋅−+⋅−∂∂

( ) ( ) ( ) 0c5ux

cuc5ut

=⋅+∂∂

⋅++⋅+∂∂

( ) ( ) ( ) 0sx

ust

=∂∂

⋅+∂∂

.

Gl. 174

Hinweis: der Faktor 5 vor der Schallgeschwindigkeit ergibt sich aus ( )1/2 −γ für

.konst4.1 ==γ

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5.2.1 Einfache Wellen für nichtlineare Euler-Gleichungen

1) Einfache Entropiewellen

Die einfachen Wellen im 3. charakteristischen Feld (d.h. in der Entropie) verhalten sich im nichtlinearen Fall nahezu identisch wie im linearen Fall. Der Grund dafür ist der dort auftretende Wellentyp – es handelt sich um ein linear degeneriertes charakteristisches Feld. Wir werden dies mathematisch nicht weiter vertiefen, sondern anstelle dessen Beispiele in den Übungen bearbeiten, die den abstrakten Begriff „Entropiewelle“ anschaulich werden lassen. Eine sich zum Zeitpunkt t=t0 am Ort x=x0 befindende einfache Entropiewelle hat folgende Eigenschaften:

- die Welle bewegt sich mit der Strömungsgeschwindigkeit u und die Geschwindigkeiten vor und nach der Welle sind identisch

- der Druck vor und nach der Welle ist identisch - die Entropie hat einen einfachen Sprung, ebenso die Dichte und die

Temperatur sowie alle daraus unmittelbar ableitbaren Größen (Machzahl, Schallgeschwindigkeit, etc.)

2) Einfache nichtlineare Expansionswellen und Kompressionswellen

Die beiden ersten charakteristischen Felder sind echt nichtlineare Felder, diese produzieren entweder Expansionswellen oder Kompressionswellen – wobei letztere nur solange möglich sind, bis sich Charakteristiken derselben Familie (desselben Feldes) überschneiden. In dem Moment, indem sich Charakteristiken überschneiden, gehen Kompressionswellen in Stoßwellen über (siehe Punkt 3). Wir betrachten an dieser Stelle ausschließlich nichtlineare einfache Expansionswellen und verschieben die Diskussion von Kompressionswellen auf später.

Wir geben folgende Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt t0 über die gesamte Rohrlänge (die zunächst unendlich lang sei) vor.

Für x<x0 gelte: c(x<x0) = cL

u(x<x0) = uL s(x<x0) = sL = s∞

Für x>x0 gelte: c(x>x0) = cR = cL + δc (wobei δc<0) u(x>x0) = uR = uL + δu = uL - 2/(γ-1)·δc s(x>x0) = sR = s∞

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Offenbar handelt es sich (wie bis jetzt immer) um spezielle präparierte Anfangsbedingungen mit folgenden Eigenschaften. 1) Die Entropie ist über die gesamte Rohrlänge konstant 2) Die zweite charakteristische Variable u + 2/(γ-1)·c ist über die gesamte

Rohrlänge konstant und hat den Wert uL + 2/(γ-1)·cL

3) Die erste charakteristische Variable u - 2/(γ-1)·c hat zum Zeitpunkt t0 einen Sprung am Ort x0 an welchem der Wert der charakteristischen Variable vom linksseitigen Wert uL-2/(γ-1)·cL auf den rechtsseitigen Wert uL - 2/(γ-1)·cL - 4/(γ-1)·δc springt.

Es handelt sich folglich um Anfangsbedingungen, die eine einfache Störung (einen isolierten Sprung) im ersten charakteristischen Feld aufweisen und in den anderen charakteristischen Feldern konstante störungsfreie Zustände besitzen. Die daraus resultierende nichtlineare Welle im ersten charakteristischen Feld ist jedoch im Vergleich zu einer linearen Welle wesentlich komplizierter. Betrachten wir die charakteristischen Kurven im ersten charakteristischen Feld, so stellen wir fest, dass die Charakteristiken links vom Punkt x0 eine andere Steigung aufweisen als die Charakteristiken, die rechts von x0 beginnen. Formelmäßig ergeben sich die Zusammenhänge

( ) LL0 cuxxdtdx

−=< ,

( ) cc1c2ucuxx

dtdx

LLRR0 δγδ

−−−⋅

−=−=> .

( ) c11cuxx

dtdx

LL0 δγγ

⋅−+

−−=>⇒

Nach Vorgabe war 0c <δ und somit folgt

( ) ( ) ( )000 xxdtdxc

11xx

dtdxxx

dtdx

<>⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅

−+

−<=> δγγ

.

Gl. 175

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Die resultierende einfache Welle ist somit alles andere als „einfach“. Im Gegensatz zu den bisher diskutierten Wellen besteht die nichtlineare Expansionswelle aus unendlich vielen Charakteristiken, die alle im Punkt x0 beginnen. Die Steigung der Charakteristiken links von x0 ändert sich kontinuierlich über den Fächer auf die Steigung der Charakteristiken rechts von x0. Aus der Unstetigkeit der Anfangszustände (der Schallgeschwindigkeit und der Strömungsgeschwindigkeit) wird somit ein kontinuierlicher Zustandsverlauf für t>t0. Nach Voraussetzung war die zweite charakteristische Variable über die gesamte Rohrlänge konstant. Die erste charakteristische Variable ist konstant entlang der zu ihr gehörigen charakteristischen Kurven. Wir erhalten somit

.konstc1

2u =⋅−

(2. charakteristisches Feld)

.

.konstc1

2u =⋅−

−γ

entlang ( )αcotcudtdx

=−=

Gl. 176

Mit diesen Bedingungen könnten wir die thermodynamischen Zustände innerhalb des Expansionsfächers für jeden Winkel α ermitteln. Der Trick besteht darin, die Winkelbedingung mit der Konstanz im 2.

0tt =0xx = x

t

cudtdx

−=

Zustand vor Expansion

Zustand nach Expansion

Expansionsfächer

LL cudtdx

−=RR cu

dtdx

−=

Lαα Rα

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charakteristischen Feld zu verbinden - und das geht für eine Expansion im ersten charakteristischen Feld so:

( ) ( ) c11cotc

12ccotc

12ccuc

12u ⋅

−γ+γ

+α=⋅−γ

++α=⋅−γ

++−=⋅−γ

+

( ) ( ) ( ) RRLL c11cotc

11cot.konstc

11cot ⋅

−γ+γ

+α=⋅−γ+γ

+α==⋅−γ+γ

+α⇒

Gl. 177

Aus der letzten Gleichung ist im Übrigen auch ersichtlich, dass die charakteristischen Kurven im Expansionsfächer in diesem Fall Geraden sein müssen: Der Wert der Schallgeschwindigkeit hängt nur vom Winkel α ab und aufgrund der Konstanz der 2. charakteristischen Variablen ist somit auch die Geschwindigkeit bei festem α konstant. Damit ist folglich auch die Steigung der charakteristischen Kurven konstant und einzig abhängig vom Winkel α. Legt man den Ursprung des Expansionsfächers in den Ursprung eines t-x-Diagramms, so erhält man den Zusammenhang:

( ) ⎟⎠⎞

⎜⎝⎛==−=α

tx

dtdxcucot (Ähnlichkeitsvariable)

Gl. 178

Wir finden damit zum Beispiel für den Zeitpunkt t=t1>t0 folgende Beziehungen.

.konstc11

tx1

=⋅−γ+γ

+

Gl. 179

Anschaulich gesprochen bedeutet dies, dass die Änderung der Schallgeschwindigkeit über den Expansionsfächer linear vom Zustand links (d.h. in diesem Fall vor dem Fächer) auf den Zustand rechts (d.h. in diesem Fall nach dem Fächer) erfolgt. Aufgrund der Konstanz der zweiten charakteristischen Variable muss die Änderung der Strömungs-geschwindigkeit ebenfalls linear erfolgen. Die Gradienten der Schall-geschwindigkeit und der Strömungsgeschwindigkeit ermittelt man zu

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Für t=t1 ist .konstt1

11

dxdc

1=⋅

+−

−=γγ

und .konstt1

12

dxdu

1=⋅

++=γ

Gl. 180

Für ein perfektes Gas können wir weiterhin die Zustandsverteilungen von Temperatur, Druck und Dichte entlang x zur Zeit t1 ermitteln.

Wegen RTc γ= folgt 21

21

1T~T

R2

t1

11

dxdT

−⋅⋅

⋅⋅+−

−=γγ

γ

und aus .konstp=γρ

(d.h. Isentropie) folgt mit ρ

γ pc ⋅=

23

~dxd γ

ρρ−

− und γγ⋅−

− 23

p~dxdp

Gl. 181

Wir nehmen nun an, dass der Fächer in ein zunächst ruhendes Medium läuft, d.h. uL=0. Man findet folgende Beziehungen, die man auf keinen Fall mit den Isentropenbeziehungen für stationäre Strömungen verwechseln darf! Da das Medium links vom Fächer nach Voraussetzung ruht, ist die Schallgeschwindigkeit cL gleich der Ruheschallgeschwindigkeit c0L. Die im folgenden ermittelte Formel für die Ruheschallgeschwindigkeit unterscheidet sich jedoch signifikant von der aus dem stationären Energiesatz ableitbaren Formel.

.konst1

2Mcc1

2cMc1

2u =⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛−γ

+⋅=⋅−γ

+⋅=⋅−γ

+

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛−γ

+⋅=⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛−γ

+⋅⇒1

20c1

2Mc L (da uL=0 folgt ML=0)

Gl. 182

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Insgesamt findet man folgende Beziehungen über instationäre Expansionsfächer im ersten charakteristischen Feld, die in ein ruhendes Medium laufen.

M2

11ccL ⋅

−+=γ

, 2

L M2

11TT

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−+=γ

,

1

2

L M2

11pp −

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−+=

γγ

γ ,

12

L M2

11−

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−+=

γγρρ

.

Gl. 183

Wir vergleichen als Einschub die maximal erreichbare Geschwindigkeit beim stationären Ausströmen aus einem Behälter mit der maximal erreichbaren Geschwindigkeit durch eine instationäre Expansion. Es gilt

Stationäre Expansion ins Vakuum (Ruheenthalpie konstant)

12cukonst

1c

2uh 0statmax,

22

0 −γ⋅=⇒=

−γ+=

Instationäre Expansion ins Vakuum (char. Variable konstant)

12cukonst

1c2u 0instatmax,2 −γ

⋅=⇒=−γ⋅

+=ψ

4.1für51

2uu

statmax,

instatmax, =γ=−γ

=⇒

Gl. 184

Bemerkung: (Expansion im zweiten charakteristischen Feld)

Im Falle einer nichtlinearen Expansion im zweiten charakteristischen Feld erfolgt das grundsätzliche Vorgehen analog zum diskutierten Fall. Man beachte, dass dann die erste charakteristische Variable konstant ist über dem Fächer, während die zweite zunächst (d.h. zum Zeitpunkt t=t0) einen Sprung aufweist, welche für alle Zeiten größer als t0 in eine kontinuierliche Funktion übergeht. Diese kontinuierliche Funktion nimmt im Falle einer Expansion im zweiten charakteristischen Feld monoton von links (d.h. dem Zustand nach bzw. „hinter“ der Expansionswelle) nach rechts (d.h.

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zum ungestörten Zustand vor der Expansion) zu. Da die Geschwindigkeit über eine Expansion stets so geändert wird, dass relativ zum ungestörten Zustand vor der Expansion eine Zunahme der Geschwindigkeit von der Laufrichtung der Welle weg erzeugt wird, ergibt sich in diesem Fall eine Abnahme der Geschwindigkeit.

3) Instationäre Stoßwellen

Neben den bereits diskutierten Entropiewellen (siehe 1) und den Expansionswellen (siehe 2) bilden instationäre Stoßwellen den dritten Typ von einfachen Wellen der 1D Eulergleichungen. Stoßwellen sind das nichtlineare Analogon zu den linearen Kompressionswellen. Der wesentliche Unterschied zwischen einer linearen Kompression und einem Stoß besteht -genau wie im Falle der nichtlinearen Expansion- im Verhalten der Charakteristiken. Durch die Linearisierung (sprich durch die Vereinfachung!) ergab sich im linearen Fall, dass die Charakteristiken vor und nach der Kompression parallel sind. Im nichtlinearen Fall ist es jedoch so, dass die Charakteristiken vor einem Stoß im x-t Diagramm steiler sind als hinter dem Stoß. Dies bedeutet, dass sich die Charakteristiken im Stoß schneiden müssen (siehe dazu das Kapitel nichtlinearer Transport). Sobald sich Charakteristiken verschneiden, dürfen jedoch die differentiellen Gleichungen nicht mehr herangezogen werden. Anstelle der differentiellen Gleichungen benötigen wir instationäre Stoßbeziehungen. Wir beginnen dazu mit einem Wechsel des Bezugssystems, indem wir einen in ein ruhendes Medium laufenden Stoß in einen stationären Stoß transformieren. Dies erreicht man, indem man das Gesamtsystem mit der negativen Stoßgeschwindigkeit überlagert (Galileo-Transformation, statische Größen bleiben invariant). Der Prozess ist für einen nach links laufenden Stoß nachfolgend bildlich dargestellt.

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Was gewinnt man durch diese Transformation? Nun, zunächst findet man eine wesentliche physikalische Aussage: Da ein stationärer senkrechter Stoß eines perfektes Gases stets von 1M > (Vorstoßmachzahl) auf eine Machzahl 1M < (Nachstoßmachzahl) verzögert, folgt aus obiger Betrachtung, dass ein in ein ruhendes Medium laufender Stoß schneller laufen muss als die Schallgeschwindigkeit des Mediums, in welches er läuft. In Analogie zur Vorstoßmachzahl im Falle des stationären Stoßes wird daher die Stoßmachzahl 1MS > als Verhältnis der Stoßgeschwindigkeit VS und der Schallgeschwindigkeit c des Mediums, in welches der Stoß läuft, angegeben. Weiterhin ermöglicht die

Stoß bewegt sich mit der Geschwindigkeit +VS nach links, d.h. +VS<0, in ein ruhendes Medium, u=0

0u = 0u <0<SV

Überlagere das Gesamtsystem mit der Geschwindigkeit -VS

Das zuvor ruhende Medium bewegt sich nun mit der Geschwindigkeit -VS, der Stoß ruht, die Geschwindigkeit nach dem Stoß wird um -VS geändert

Stoß ist stationär, d.h. V=0

0>−= SVu 0Vu S >−0=V

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Transformation, instationäre Stoßbeziehungen einfach aus den bereits bekannten stationären Stoßbeziehungen abzuleiten. Man erhält die instationären Stoßbeziehungen wie folgt.

( )1M111

Mˆ2S

2S

−⋅+γ−γ

+=

ρρ

( )1M1

21pp 2

S −⋅+γγ⋅

+=

( )2S

2S

S

S

M

1M111

VuVu

−⋅+γ−γ

+=

−−

( )⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛−⋅

+γ−⋅⎥

⎤⎢⎣

⎡−⋅

+γγ⋅

+== 2S

2S2

2

M11

1211M

121

cc

TT

( )⎪⎭

⎪⎬⎫

⎪⎩

⎪⎨⎧

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛−⋅

+γ−⋅⎥

⎤⎢⎣

⎡−⋅

+γγ⋅

+=−

γ

2S

2S

v M11

1211M

121ln

css

Gl. 185

Diese Beziehungen lassen sich für 1MS >> (sehr starke Stöße) und für

11MS <<− (sehr schwache Stöße) entwickeln.

Für 1MS >> (sehr starker Stoß) gilt näherungsweise

11ˆ

−γ+γ

≈ρρ

, 2SM

12

pp

⋅+γγ⋅

≈ , 11

VuVu

S

S

+γ−γ

=−−

Gl. 186

Offenbar ist das Dichteverhältnis durch einen Stoß nicht beliebig steigerbar.

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Für 11MS <<− (sehr schwache Stoß) gilt näherungsweise

( )

( )( )3S2

v1M

11

316

css

−⋅+γ

−γ⋅γ⋅≈

Für MS=1.01 und γ=1.4 ergibt sich als Beispiel

( ) %05.01052.0101.12714

css 33

v≈⋅≈−⋅≈

− −

Zur Verdeutlichung des Zahlenwerts kann man folgende Überlegung anstellen. Anstelle einer stoßinduzierten Entropiezunahme berechnet man eine äquivalente Entropiezunahme durch äußere Wärmezufuhr bei konstantem Volumen. Geht man von einem ruhenden perfekten Gas aus, so entspricht der obige Fall einer Erwärmung von 293.15 K auf 293.3 K, d.h. effektiv beträgt die Erwärmung 0.15 K. Aus diesem Grunde sind schwache Stöße in sehr guter Nährung isentrop.

Gl. 187

5.2.2 Nichtlineares Stoßrohr Wir kommen nun zur Hauptanwendung der instationären nichtlinearen Theorie – dem Stoßrohr (Ludwieg Rohr). Das Stoßrohr stellt eine experimentelle Alternative zum Windkanal dar, wobei jedoch ausschließlich Kurzzeitmessungen mit Messzeiten oft deutlich unter einer Sekunde durchgeführt werden können. Es existieren verschiedene technische Realisierungen von Stoßrohren mit z.T. aufwändiger Technik. Da Grundprinzip ist jedoch stets durch folgende Beobachtung gegeben. Wir haben in den vorangegangenen Kapiteln gesehen, dass instationäre Expansionswellen ebenso wie instationäre Stöße (im linearen Fall lineare Kompressionen) offenbar definierte Zustände hinter sich zurücklassen. Konkret ergab sich z.B. im letzten Abschnitt, dass ein in ein ruhendes Medium laufender Stoß eine Nachlaufgeschwindigkeit erzeugt. Diesen Aspekt nutzt man um z.B. Hyperschallströmungen mit sehr hohen Temperaturen zu realisieren (Wiedereintrittsprobleme). Der Grundaufbau (einfachste Methode!) eines Stoßrohrs besteht aus einem Rohr, welches durch eine Membran in zwei Bereiche getrennt wird. Beide Bereiche sind mit Gas(en) befüllt (oft sind unterschiedliche Gase vorteilhaft). Die Drücke, die Temperaturen und die Gaseigenschaften sind dabei die Parameter des Versuchs.

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Der Bereich L stellt den Hochdruckbereich dar, der Bereich R wird künftig als Niederdruckbereich bezeichnet. Zur einfachen Darstellung nehmen wir zunächst an, die Temperaturen in beiden Bereichen seien identisch. Damit ergibt sich eine Ausgangssituation, wie sie bereits als „lineares Stoßrohr“ besprochen wurde, allerdings werden wir nun große Druckdifferenzen und entsprechend stark nichtlineare Effekte zulassen. Wir nehmen an, pL/pR =10 und fragen uns, was passiert wenn die Membran instantan entfernt wird? Aus der linearen Theorie wissen wir, dass sich eine Expansion in den Hochdruckbereich und eine Kompression in den Niederdruckbereich ausbreiten wird. An dieser Tatsache ändert sich auch im Falle großer Druckverhältnisse (d.h. nichtlineares Verhalten) nichts – allerdings ist die Expansion jetzt ein Fächer und die Kompression ist ein instationärer Stoß. Da die Entropie über einen Stoß zunimmt, entsteht selbst wenn die Entropien anfangs identisch waren, eine Entropiewelle, die sich mit der sich einstellenden Strömungsgeschwindigkeit bewegt (siehe nichtlineare Wellen im 3. charakteristischen Feld). Zusammengefasst ergeben sich folgende Effekte:

1) Nichtlineare Expansion im ersten charakteristischen Feld Eigenschaften: Konstanz der zweiten charakteristischen Variablen über dem Fächer, Konstanz der Entropie (die Expansion ist isentrop), Abnahme von Druck, Dichte und Temperatur über den Fächer, Zunahme der Geschwindigkeit über den Fächer

2) Stoß im zweiten charakteristischen Feld Eigenschaften: Instationäre Stoßbeziehungen, Zunahme der Entropie über den Stoß, Zunahme von Druck, Dichte und Temperatur über den Stoß, Nachlaufgeschwindigkeit hinter dem Stoß

3) Einfacher Sprung im dritten charakteristischen Feld (Entropiewelle) Eigenschaften: Über die Entropiewelle ändert sich jedoch weder der Druck noch die Strömungsgeschwindigkeit, die Entropie hat einen Sprung,

Gas 1 (pL, TL, γL) Gas 2 (pR, TR, γR)

Bereich „L“ mit Länge LL

Bereich „R“ mit Länge LR

Membran

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Dichte, Temperatur und Gasart ändern sich -je nach Ausgangssituation- ebenfalls sprunghaft.

Daraus lässt sich eine erste schematische Darstellung im x-t Diagramm erstellen, diese Darstellung ist qualitativ zu verstehen. Da der Expansionsfächer in ein ruhendes Medium läuft ist die Steigung der ersten Charakteristik durch dx/dt = cL festgelegt. Ebenso muss die Steigung des Stoßes flacher sein als dx/dt = cR, da der Stoß schneller ist als Schall (die Stoßmachzahl ist größer als 1!). Die Steigung der Entropiewelle ist hier qualitativ angedeutet – richtig ist jedoch, dass sich die Welle nach rechts bewegt, da sich im Bereich zwischen Exansionsfächer und Stoß eine nach rechts gerichtete Strömung ausbildet. Die gestrichelt dargestellten Linien sind die Reflexionen des Fächers und des Stoßes an den geschlossenen und ruhenden Rohrenden.

Wand Gas 1 (pL, TL, γL) Gas 2 (pR, TR, γR)

Bereich „L“ mit Länge LL

Bereich „R“ mit Länge LR

Membran entfernt

t

x

Wand

Expansion Stoß

Entropiewelle

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Zur weiteren Analyse definieren wir 4 Bereiche wie folgt. Bereich 1 – Zustand VOR der Expansion Hier liegen die ungestörten Anfangszustände aus dem Bereich „L“ vor, da die Expansion diesen Bereich noch nicht erreicht hat. Bereich 2 – Zustand NACH der Expansion Zwischen der letzten Charakteristik des Expansionsfächers und der Entropiewelle liegen homogene thermodynamische und strömungsmechanische Bedingungen, die sowohl durch den Bereich 1 als auch durch den Bereich 3 festgelegt werden. Bereich 3 – Zustand NACH dem Stoß Auch in diesem Bereich liegen homogene Zustände vor, die sowohl vom Bereich 2 als auch vom Bereich 4 abhängen. Bereich 4 – Zustand VOR dem Stoß Hier liegen die ungestörten Anfangszustände aus dem Bereich „R“ vor, da der Stoß diesen Bereich noch nicht erreicht hat. Da sich über die Entropiewelle weder der Druck noch die Geschwindigkeit ändern kann, müssen die Drücke und die Geschwindigkeiten in den Bereichen 2 und 3 identisch sein. Dies ist die Ausgangsbasis für die nachfolgenden Berechnungen.

x

t

Bereich 1

Bereich 2 Bereich 3

Bereich 4

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Problemstellung 1) Gegeben seien die Zustände „R“ im Bereich 4 (d.h. p4, ρ4, T4, γ4). Wie müssen (dürfen) die Bedingungen „L“ (Bereich 1) gewählt werden, um zusammen mit den bekannten Zuständen „R“ eine Stoßmachzahl von MS=1.5 zu erzeugen? Wir verbinden zunächst die Bereiche 4 und 3 indem wir die instationären Stoßbeziehungen auf die angestrebte Stoßmachzahl MS=1.5 und die als bekannt vorausgesetzten Zustände „R“ (bzw. 4) anwenden. Die Gasart sei über den Stoß unverändert, d.h. γ4=γ3.

( )1M111

M2S

4

4

2S

4

3

−⋅+γ−γ

+=

ρρ

( )1M1

21pp 2

S4

4

4

3 −⋅+γγ⋅

+=

( )2S

2S

4

4

S4

S3

M

1M111

VuVu

−⋅+γ−γ

+=

−−

( )⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛−⋅

+γ−⋅⎥

⎤⎢⎣

⎡−⋅

+γγ⋅

+== 2S4

2S

4

424

23

4

3

M11

1211M

121

cc

TT

( )⎪⎭

⎪⎬⎫

⎪⎩

⎪⎨⎧

⎥⎥⎦

⎢⎢⎣

⎡⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛−⋅

+γ−⋅⎥

⎤⎢⎣

⎡−⋅

+γγ⋅

+=−

γ4

2S4

2S

4

4

v

43

M11

1211M

121ln

css

Gl. 188

Weiterhin verbinden wir die Bereiche 3 und 2. Es folgt

32 uu = und 32 pp =

Alle anderen Größen ändern sich i.A. sprunghaft vom Zustand 3 zum Zustand 2 – Aussagen sind hier erst später möglich. Falls die Gasarten in „L“ und „R“ verschieden sind, springt γ an der Mediengrenze (Mediengrenze und Entropiewelle sind positionsgleich).

Gl. 189

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135

Die Verlinkung der Bereiche 2 und 1 erhalten wir durch die bereits diskutierten Beziehungen Gl. 180 bis Gl. 183. Da die Gasart nach Voraussetzung über die Expansion unverändert bleibt, ergibt sich

21

2

1 M2

11cc

⋅−γ

+= , 2

21

2

1 M2

11TT

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+= ,

1

2

21

2

1 1

1

M2

11pp −γ

γ⋅

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+= ,

12

21

2

1 1M2

11−γ

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛ ⋅

−γ+=

ρρ

.

Gl. 190

Hier zeigt sich ein wichtiger Freiheitsgrad des Stoßrohrproblems wie folgt. Durch die Vorgaben sind zwar Druck und Geschwindigkeit im Bereich 2 eindeutig festgelegt, nicht jedoch die Machzahl M2, da diese erst durch eine weitere Angabe (c2 oder ρ2 oder T2) ermittelt werden kann. Da die Zustände in 1 alle unmittelbar von der Machzahl M2 abhängen ist es nahe liegend, die Schallgeschwindigkeit c2 vorzugeben. Somit ist M2 festgelegt und alle noch unbekannten Größen im Bereich 1 sind eindeutig bestimmbar. Problemstellung 2) Gegeben seien das Druckverhältnis p4/p1, das Verhältnis der Schallgeschwindigkeiten c4/c1 und die Gasarten in den Bereichen 1 und 4. Welche Stoßmachzahl MS lässt sich damit erzeugen? Die Lösung dieses Problems lässt sich mathematisch relativ analog zur Problemstellung 1 ableiten. Wir beschränken uns auf die Diskussion des Endergebnisses, welches lautet

( )1M

121

M1M

cc

111

pp

2S

4

4

12

S

2S

1

4

1

1

1

4

1

1

−⋅+γγ⋅

+

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛ −⋅⋅

+γ−γ

=

−γγ⋅

.

Gl. 191

Man kann zeigen, dass für p1 >> p4 (z. B. p1/p4 = 104) folgende asymptotische Werte erreicht werden.

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136

Für p1 >> p4 sowie c1=c4 und γ1=γ4 erhält man

⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

⎛+⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛−γ+γ

+−γ+γ

⋅= 411

11

21M

2

max,S

und für γ=1.4 liefert das MS,max≈6.16.

Die daraus resultierende Machzahl im Bereich 3

(also nach dem Stoß) ist für γ=1.4 gegeben durch

M3,max ≈ 1.89.

Gl. 192

Andererseits gibt es keinen Grund, die Gasarten festzuhalten – ebenso sind die Schallgeschwindigkeiten Parameter mit hoher Stellfähigkeit. Wählt man z.B. im Hochdruckteil (Bereich 1) Wasserstoff mit c1=1316 m/s und γ1=1.4 und Argon im Niederdruckteil (Bereich 4) mit c4=323 m/s und γ4=1.67 führt dies zu maximalen Stoßmachzahlen mit MS,max ≈ 27. Anmerkung: Soll das Stoßrohr als „Windkanal“ genutzt werden, dann ist die Machzahl M3 die eigentlich entscheidende Größe. Geht man von Luft als eingesetztes Fluid auf beiden Seiten aus, so ergab sich die maximale Machzahl M3,max ≈ 1.89, was führ viele Anwendungen bei weitem nicht ausreichend ist. Die Lösung hierzu besteht darin, an den Niederdruckteil eine divergente Düse und einen Tank mit sehr kleinem Innendruck anzuflanschen um so problemlos die bereits vorhandene Überschallströmung auf Machzahlen > 5 weiter zu beschleunigen. Alternativ wird das Flugkolben-Stoßrohr oder das Hochenthalpie-Stoßrohr eingesetzt. Abschließend zu diesem Kapitel betrachten wir typische Zustandsverläufe, wie sie beispielsweise auftreten können. Die waagrechten Linien zeigen jeweils den linken und den rechten Anfangszustand an (Membran bei x=0 noch verschlossen), die dicken Linien geben den Zustandsverlauf jeweils zum Zeitpunkt t>t0 an und die gestrichelten senkrechten Linien geben die Position des Expansionsfächers (Linien 1,2 von links), der Kontakt- bzw. Entropiewelle (Linie 3 von links) und des Stoßes (Linie 4 von links) an. Offenbar wird ein Versuch mit pL>pR, TL=TR, cL=cR, uL=uR=0, sL<sR und ρL>ρR betrachtet, die Gasart ist auf beiden Seiten identisch.

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137

p(x,t)

c(x,t)

u(x,t)

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ρ(x,t)

T(x,t)

s(x,t)

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5.2.3 Reflexion eines Stoßes am verschlossenen Rohrende In der linearen Theorie wurde diskutiert, wie eine auf eine impermeable Wand (ein geschlossenes Rohrende) laufende lineare Welle an der Wand reflektiert wird. Das Ergebnis war, dass eine nach rechts laufende lineare Expansion (bzw. Kompression) beim Auftreffen auf eine Wand instantan als links laufende Expansion (bzw. Kompression) reflektiert wird. Die Amplitude der Expansion (bzw. Kompression) wird im linearen Fall unverändert beibehalten. In der nichtlinearen Theorie zeigt sich, dass ein rechts laufender Stoß an einer Wand als links laufender Stoß reflektiert wird, wobei die Stoßmachzahl des nach links reflektierten Stoßes geringer ist als die des rechts laufenden Stoßes. Weshalb muss dies zwangsläufig der Fall sein? Wir diskutieren ein Beispiel mit folgender Ausgangssituation. In ein zunächst ruhendes Medium bewege sich von links nach rechts ein Stoß mit der Stoßmachzahl MS,1>1. Über den Stoß (hier links vom Stoß) stellt sich eine positive Nachlaufgeschwindigkeit 0u > ein und die Schallgeschwindigkeit nimmt über den Stoß ebenfalls zu, d.h. cc > . Nun trifft der Stoß auf eine feste stationäre Wand, an der grundsätzlich gilt u=0 m/s. Die Nachlaufströmung muss folglich an der Wand instantan auf u=uWand=0 m/s verzögert werden – und genau das schafft ein reflektierter rechts laufender Stoß, der eine Nachlaufgeschwindigkeit u produziert, welche die über den rechts laufenden Stoß erzeugte Nachlaufgeschwindigkeit 0u > genau kompensiert, d.h.

uu −= . Das negative Vorzeichen ergibt sich, da der reflektierte Stoß nach links läuft und somit eine Nachlaufgeschwindigkeit entgegen der Richtung der x-Achse ausgelöst wird. Die Nachstoßmachzahl des reflektierten Stoßes bezeichnen wir mit MS,2. Man kann zeigen, dass die Druckzunahme über den reflektierten Stoß die folgende Bedingung erfüllt.

( ) ( )

( ) ( )( )1M

121

1pp1

1pp13

pp 2

2,S −⋅+γγ⋅

+=+γ+⋅−γ

−γ−⋅−γ⋅=

und da ( )1M1

21pp 2

1,S −⋅+γγ⋅

+= findet man nach

längerer Rechnung MS,2 < MS,1.

Gl. 193

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140

Aus obiger Beziehung wird deutlich, dass die Reflexion eines schwachen Stoßes

mit 1pp>≈ zur Verdoppelung des Drucks an der Wand führt (im Einklang mit der

linearen Theorie), wohingegen die Reflexion eines starken Stoßes mit 1pp>> zu

einem durch die Gasart begrenzten Maximalverhältnis mit 1

13pp

−γ−γ⋅

= führt.

In Analogie zur Stoßreflexion lässt sich die Reflexion eines Expansionsfächers an einer Wand analysieren. In diesem Fall erhält man durch Betrachtung der charakteristischen Variablen die folgende Aussage. Trifft ein instationärer Expansionsfächer auf eine stationäre Wand, dann wird die Expansion so reflektiert, dass die Strömungsgeschwindigkeit an der Wand stets null ist. Ein Beispiel zeigt, wie sich die Schallgeschwindigkeit durch die Reflexion einer Expansion an einer Wand ändert. Betracht wird eine in ein zunächst ruhendes Medium nach rechts laufende Expansion. Hinter der Expansion (also links davon) ist die Schallgeschwindigkeit c2 kleiner als die Schallgeschwindigkeit c1 vor der Expansion. Trifft nun der Fächer auf die Wand, dann wird er als links laufender Fächer reflektiert. Nach der Reflexion ist die Schallgeschwindigkeit c3 hinter dem Fächer (also z.B. an der Wand) kleiner als c2. Der Zusammenhang ist hier einfacher als im Falle der Stoßreflexion, man findet

Für c2 = c1 – Δc und Δc>0 ergibt sich:

c3 = 2·c2 – c1 = c1 - 2· Δc.

Gl. 194

Die Reflexion einer nichtlinearen Expansion an einer Wand führt demnach zu einer Verdoppelung der Abnahme der Schallgeschwindigkeit.

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141

6 2-D stationäre Wellen im Überschall Wir betrachten die stationären kompressiblen 2-D Euler-Gleichungen in primitiven Variablen für die x-y Ebene. Die letzte Gleichung sagt unmittelbar aus, dass die Entropie entlang jeder Stromlinie konstant ist (d.h. die Strömung ist isentrop).

0yv

yv

xu

xu =

∂∂⋅+

∂∂⋅+

∂∂⋅+

∂∂⋅ ρρρρ

.

xp1

yuv

xuu

∂∂⋅−=

∂∂⋅+

∂∂⋅

ρ.

yp1

yvv

xvu

∂∂⋅−=

∂∂⋅+

∂∂⋅

ρ.

0ysv

xsu =

∂∂⋅+

∂∂⋅ .

Gl. 195

Unabhängig von der bereits festgestellten Isentropie dürfen wir Variationen des Drucks stets als Variationen von Entropie und Dichte darstellen (hier geht nur Thermodynamik ein – sonst nichts!). Man erhält die erforderliche Abhängigkeit, indem man das totale Differential des Drucks als Funktion von Dichte und Entropie bildet.

dsspdcds

spdpdp 2

s⋅

∂∂

+⋅=⋅∂∂

+⋅∂∂

=ρρ

ρρρ

Gl. 196

Die partielle Ableitung des Drucks nach der Dichte (bei konst Entropie) ist die Gleichgewichtsschallgeschwindigkeit des Mediums. Die Ableitung des Drucks nach der Entropie lassen wir zunächst einfach so stehen. Wir haben durch diese Darstellung nun die Möglichkeit, in den zuvor formulierten Euler-Gleichungen die Ableitungen des Drucks durch Ableitungen von Dichte und Entropie darzustellen, wodurch wir den Druck als Variable defacto eliminiert haben. Somit gehen die Euler-Gleichungen in die folgende äquivalente Form über.

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142

0yv

yv

xu

xu =

∂∂⋅+

∂∂⋅+

∂∂⋅+

∂∂⋅ ρρρρ

.

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

∂∂⋅

∂∂

+∂ρ∂

⋅⋅ρ

−=∂∂⋅+

∂∂⋅

ρ xs

sp

xc1

yuv

xuu 2 .

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

∂∂⋅

∂∂

+∂ρ∂

⋅⋅ρ

−=∂∂⋅+

∂∂⋅

ρ ys

sp

yc1

yvv

xvu 2 .

0ysv

xsu =

∂∂⋅+

∂∂⋅ .

Gl. 197

Durch Koeffizientenvergleich lässt sich obiges System in die folgende Matrixschreibweise überführen.

0

svu

y

v000sp1v0c

00v000v

svu

x

u0000u00

sp10uc

00u

yB

2

xA

2v

321444 3444 21321444 3444 21

=

⎟⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜⎜

∂∂

⎟⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜⎜

∂∂⋅

+

⎟⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜⎜

∂∂

⎟⎟⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜⎜⎜

∂∂⋅

∂∂

∂∂ φφ

ρ

ρρ

ρρ

ρρ

ρ

0y

Bx

Av

=∂∂⋅+

∂∂⋅⇒

φφ.

Gl. 198

Nun setzt man am besten ein Programm zur symbolischen Algebra ein und führt folgende Schritte aus.

Matrix A invertieren ergibt A-1

A-1 von links auf Matrix B multiplizieren ergibt die Matrix C. Nun geht das Differentialgleichungssystem über in das System

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143

BA:C 1 ⋅= − und somit 0y

Cx

v=

∂∂⋅+

∂∂ φφ

.

Gl. 199

Für dieses System lässt man sich (ebenfalls vom Algebra Programm) die Eigenwerte und Eigenvektoren der Matrix C berechen. Die Eigenwerte lauten

22

22

1 cu1Mcvu

−−⋅+⋅

=λ , 22

22

2 cu1Mcvu

−−⋅−⋅

uv

3 =λ , uv

4 =λ .

Gl. 200

Offenbar sind die beiden ersten Eigenwerte dann und nur dann reelle Zahlen, wenn die Machzahl mindestens gleich 1 ist - anderenfalls ergeben sich aufgrund der Wurzel imaginäre Zahlen. Die Linkseigenvektoren zur Matrix C lauten

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

∂∂

−−

−=

sp

1M

u

1M

vcL22

2

1 ρ

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

∂∂

−−−=

sp

1M

u

1M

vcL22

2

2 ρ

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛= 0vucL

2

3 ρ

( )1000L3 =

Gl. 201

Unter der Voraussetzung, dass M>1 ist, sind die Linkseigenvektoren linear unabhängig und ihre Einträge sind reelle Größen. Die stationären kompressiblen 2-D Euler-Gleichungen stellen somit ein hyperbolisches System dar, wenn M>1 gilt. Falls M<1 ist, ist das System elliptisch, für M=1 ist es parabolisch.

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144

Wir nehmen nun an, es sei M>1 (Überschall). Ferner führen wir geometrisch anschauliche Größen ein. Der Winkel θ ist der Winkel zwischen der lokalen Strömungsrichtung und der positiven x-Achse. Änderungen in θ sind somit Änderungen der lokalen Strömungsrichtung. Der Winkel α wird sich später als der Mach’sche Winkel herausstellen.

( )uv:tan =θ und ( )

1M

1

1Mc

c:tan22 −

=−⋅

=α .

Gl. 202

Durch algebraische Umformungen findet man für M>1 den besonders wichtigen und später auch sehr anschaulichen Zusammenhang

( ) ( )M1sin

1M

1:tan2

=α⇒−

=α .

Gl. 203

Ebenfalls durch elementare (aber aufwändige und fehleranfällige) Umformungen erreicht man eine Darstellung der Eigenwerte der Matrix C für M>1 allein durch die zuvor eingeführten Winkel θ und α, es zeigt sich

( )αθλ += tan1 , ( )αθλ −= tan2

( )θλλ tan43 == .

Gl. 204

x

y

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛vu

θ

cM ⋅

c1Mc 2 −⋅

α−

α+

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145

Im Gegensatz zur instationären Wellendynamik sind die Eigenwerte nun keine Geschwindigkeiten sondern (dimensionslose) Steigungen in der x-y Ebene. Die korrespondierenden charakteristischen Kurven haben damit die Form

( ) ix'ydxdy

λ== wobei i=1,..,4 .

Gl. 205

Physikalisch betrachtet sind die charakteristischen Kurven zu den Eigenwerten 3 und 4 schlicht und einfach die Stromlinien der Strömung. Die Kurven zu den Eigenwerten 1 und 2 sind etwas komplizierter zu verstehen. Wählt man eine beliebige Stromlinie aus (grüne Linie), so erhält man für jeden Punkt (x,y) entlang der Stromlinie neben der Stromlinientangente (blau) zwei weitere Steigungsbedingungen relativ zur Strömungsrichtung (rot). Die charakteristischen Kurven zu den Eigenwerten 1 und 2 sind die Integralkurven dieser lokalen Steigungen. x

y

( )θ= tandxdy

( )α−θ= tandxdy

( )α+θ= tandxdy

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146

In Analogie zur instationären Wellendynamik wollen wir auch hier analysieren, welche Größen entlang der charakteristischen Kurven „transportiert werden“. Man beachte, dass es sich hierbei nicht um zeitliche Transportprozesse handelt sondern um räumliche „Transportprozesse“. Wir haben die Variable „t“ aus der instationären Wellendynamik durch die Variable „y“ ersetzt. Dem Menschen fällt eine derartige Substitution schwer – der Mathematik ist das jedoch völlig egal. Wir werden nun einfach alles tun, was uns im Falle der instationären Wellendynamik geholfen hat und erst im Anschluss daran werden wir die Erkenntnisse physikalisch bewerten (so ist der Aha-Effekt auch am besten!). Ausgehend von den Eigenwerten haben wir die charakteristischen Kurven berechnet – nun berechnen wir die charakteristischen Variablen. Dies erfolgt nach „Schema F“, sprich man multipliziert den Vektor der primitiven Variablen (ρ, u, v, s) mit den Linkseigenvektoren der Matrix C und erhält so die charakteristischen Variablen. Charakteristische Variablen stationärer Überschall δφδψ ⋅= ii L:

sspv

1M

uu1M

vcL:22

2

11 δδδδρρ

δφδψ ⋅∂∂

+⋅−

−⋅−

+⋅=⋅=

sspv

1M

uu1M

vcL:22

2

22 δδδδρρ

δφδψ ⋅∂∂

+⋅−

+⋅−

−⋅=⋅=

vvuucL:2

33 δδδρρ

δφδψ ⋅+⋅+⋅=⋅=

sL: 44 δδφδψ =⋅=

Gl. 206

Wie in der instationären Wellendynamik betrachten wir auch hier Variationen von charakteristischen Variablen und nicht die charakteristischen Variablen selbst. Die beiden ersten Variablen sind offenbar recht unanschaulich – das bekommen wir aber noch hin. Die 4. charakteristische Variable ist unmittelbar ersichtlich, es handelt sich um die Entropie. Da die 4. charakteristische Variable entlang einer Stromlinie transportiert wird, ergibt sich die (immer wiederkehrende)

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147

Aussage: Entlang einer Stromlinie ist die Entropie konstant. Wie immer gilt diese Aussage nur dann, wenn die Strömung stoßfrei ist. Auch die 3. charakteristische Variable beinhaltet eine uns bereits bekannte Aussage. Wir wissen, dass die Ruheenthalpie h0 entlang einer Stromlinie konstant ist. Wenn wir dies mathematisch darstellen erhalten wir folgenden Zusammenhang.

0vvuupsTh0 =δ⋅+δ⋅+ρδ

+δ⋅=δ entlang uv

dxdy

= .

Da 0s =δ entlang uv

dxdy

= folgt

0vvuucvvuuph2

0 =δ⋅+δ⋅+δρ⋅ρ

=δ⋅+δ⋅+ρδ

Gl. 207

Offenbar ist die 3. charakteristische Variable die Ruheenthalpie h0. Die erste und die zweite charakteristische Variable sind jedoch nur durch einige Vereinfachungen in eine brauchbare Form zu bringen. Die erforderlichen Vereinfachungen (d.h. Annahmen) lauten: ● Wir nehmen an, die Strömung sei homentrop, d.h. die Entropie s ist nicht nur entlang jeder Stromlinie konstant, sondern besitzt für jede Stromlinie denselben Wert. Diese Eigenschaft heißt Homentropie und bedeutet mathematisch

( ) 0sgradv

= . ● Wir nehmen an, die Strömung sei isoenergetisch, d.h. die Ruheenthalpie h0 ist nicht nur entlang jeder Stromlinie konstant, sondern besitzt für jede Stromlinie denselben Wert. Diese Eigenschaft heißt Isoenergie und bedeutet mathematisch ( ) 0hgrad 0

v= .

Als Konsequenz dieser Annahmen folgt, dass die 3. und die 4. charakteristische Variable redundant sind (sie beinhalten ja nichts weiter als eine schwächere Aussage als es die Annahme selbst verlangt). Die erste und die zweite charakteristische Variable (bzw. deren Variationen entlang der charakteristischen Kurven lassen sich unter diesen Annahmen jedoch deutlich vereinfachen. Man findet

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148

Für grad(s)=0 (Homentropie) und grad(h0)=0 (Iso-Energie)

v1M

uu1M

vvvuuL:2211 δδδδδφδψ ⋅−

−⋅−

+⋅−⋅−=⋅=

v1M

uu1M

vvvuuL:2222 δδδδδφδψ ⋅−

+⋅−

−⋅−⋅−=⋅=

Gl. 208

Unter Verwendung des Betrags der Geschwindigkeit w=M·c (Achtung: in 2-D wird der Buchstabe w oft für den Betrag der Geschwindigkeit verwendet – hier besteht Verwechslungsgefahr gegenüber 3-D Strömungen)) und des zuvor eingeführten Winkels θ gehen diese Beziehungen über in

1MwwL:

211−

δθ+

δ−=δφ⋅=δψ

1MwwL:

222−

δθ−

δ−=δφ⋅=δψ .

Gl. 209

Da charakteristische Variablen entlang der korrespondierenden charakteristischen Kurven konstant sind, ergibt sich das folgende charakteristische System für 2-D ebene stationäre Überschallströmungen.

0:1 =δψ entlang ( )α+θ= tandxdy

01Mw

w2

=−

δθ−

δ⇒ entlang ( )α+θ= tan

dxdy

.

0:2 =δψ entlang ( )α−θ= tandxdy

01Mw

w2

=−

δθ+

δ⇒ entlang ( )α−θ= tan

dxdy

.

Gl. 210

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149

6.1 Lineare Wellen im Ort Ausgehend vom allgemeinen charakteristischen System für stationäre homentrope und isoenergetische 2-D ebene Überschallströmungen werden wir durch Wahl geeigneter Referenzzustände (Entwicklungspunkte) linearisierte Gleichungen ableiten. Wir gehen aus von einer ungestörten Parallelströmung in Richtung der positiven x-Achse, d.h. es ist

u∞ > 0, v∞ = 0, w∞ = u∞, θ∞ = 0°, M∞ = u∞/c∞ und α∞ = arcsin(1/ M∞). Für kleine Störungen (schwache Abweichungen gegenüber dem Referenzzustand) erhalten wir das linearisierte charakteristische System durch Einbeziehung der (konstanten) Referenzzustände.

0:1 =δψ entlang ( )∞α= tandxdy

01Mw

w2

=−

δθ−

δ⇒

∞∞ entlang ( )∞α= tan

dxdy

.

0:2 =δψ entlang ( )∞α−= tandxdy

01Mw

w2

=−

δθ+

δ⇒

∞∞ entlang ( )∞α−= tan

dxdy

.

Gl. 211

x

y

( )∞α+= tandxdy( )∞α−= tan

dxdy

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Folgende weitere Vereinfachungen erleichtern das Leben enorm.

( ) ( ) ( )( )2

122

21

2221

22

vu

vvuuvvuu2vu21vuw

+

δ⋅+δ⋅=δ⋅+δ⋅⋅⋅+⋅=

⎪⎭

⎪⎬⎫

⎪⎩

⎪⎨⎧

+δ=δ−

Für kleine Störungen um die Referenzzustände erhält man

( )u

vu

vvuuw21

22δ=

+

δ⋅+δ⋅≈δ

∞∞

∞∞ .

Gl. 212

Ebenso finden wir eine einfache Beziehung zwischen Geschwindigkeitsänderung (durch Umlenkung δθ) und resultierender Druckänderung.

wwp δ⋅⋅ρ−=δ (Impulsbilanz entlang Stromlinie)

Für kleine Störungen um die Referenzzustände erhält man

uup δ⋅⋅ρ−≈δ ∞∞

∞∞∞

∞ δ⋅−=

⋅ρ⋅

−=⇒

uu2

uppc 2

21p .

Gl. 213

Bevor es zur Anwendung geht, noch ein geometrischer Hinweis. Für kleine Winkel θ ist tan(θ) ≈ θ (Bogenmaß).

6.1.1 Lineare Kompression und lineare Expansion Wir betrachten nun lineare Expansions- und Kompressionswellen in stationären 2-D ebenen Überschallströmungen um Profile (schlanke Profile mit scharfer Vorder- und Hinterkante) sowie in Kanälen mit kleinen Konturänderungen. Als erste Beispiele betrachten wir den konvexen und den konkaven Knick in einer zunächst zur x-Achse parallelen Wand. Aus Darstellungsgründen werden die durch die Knicke verursachten Umlenkwinkel stark überhöht dargestellt.

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Die lineare Theorie ist nur für kleine Winkel akzeptabel, typisch sind max +/- 10°, dies entspricht im Bogenmaß +/- π/18. Die Anströmmachzahl sei M∞ = 2 und der statische Druck sowie die statische Temperatur seinen bekannt. Die Strömung erfolgt stets wandparallel und ist anfänglich parallel zur x-Achse. Aus der Anströmmachzahl lässt sich der Mach’sche Winkel der Anströmung berechnen, dieser beschreibt in jedem Punkt die Steigungen der charakteristischen Kurven des ersten und zweiten charakteristischen Felds.

Mach’scher Winkel α∞ der Anströmung

( )∞

∞ =αM1sin .

Gl. 214

Man findet wegen M∞ = 2 den Mach’schen Winkel α∞ = 30°. Die Charakteristiken besitzen somit die konstanten Steigungen von +30° (erstes charakteristisches Feld) und -30° (zweites charakteristisches Feld). Die folgenden Abbildungen zeigen je eine überströmte Wand mit zwei Knicken. Im ersten Fall ist der erste Knick konvex (Umlenkung nach oben) und der zweite Knick konkav (Umlenkung nach unten. Im zweiten Fall wurde die Reihenfolge genau vertauscht.

+ θ

- θ

M∞ = 2 p∞ T∞

M∞ = 2 p∞ T∞

x

x

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Die strömungsmechanische Wirkung der Umlenkungen können wir in diesen beiden Fällen allein anhand des zweiten charakteristischen Felds (rote Charakteristiken) ermitteln. Der Grund dafür lautet wie folgt. Alle charakteristischen Kurven des zweiten charakteristischen Felds „beginnen“ links vor und über der Wand, und zwar unendlich weit von dieser entfernt. Da die zum zweiten charakteristischen Feld gehörende charakteristische Variable entlang der korrespondierenden charakteristischen Kurven konstant ist, und der Wert der zweiten charakteristischen Variablen im ungestörten Fernfeld links oberhalb der Wand (und „unendlich weit entfernt“) ebenfalls konstant ist, folgt, dass die zweite charakteristische Variable im gesamten Strömungsfeld konstant ist. Wir beginnen mit den Kompatibilitätsbedingungen der zweiten charakteristischen Variablen und setzen die Vereinfachungen für kleine Störungen ein (siehe Gl. 188 bis 190).

0:2 =δψ entlang ( )∞α−= tandxdy

01Mw

w2

=−

δθ+

δ⇒

∞∞ entlang ( )∞α−= tan

dxdy

01Mu

u2

=−

+⇒∞∞

δθδ

01Mu

uu2

=−

−+

−⇒

∞ θθ

1Muuu

2 −−=

−⇒

∞∞

∞ θ (relative Übergeschwindigkeit)

1M2c

2p−

⋅+=⇒∞

θ (Druckbeiwert)

Gl. 215

Offenbar hängen Druckbeiwert und Übergeschwindigkeit in diesem Fall nur ab vom Umlenkwinkel θ und nicht von irgendeiner „Vorgeschichte“. Dies bedeutet, dass an jeder Stelle im Strömungsfeld, bei der die lokale Strömungsrichtung parallel zur x-Achse ist, der ungestörte Anströmzustand herrschen muss. Weiterhin gilt, dass sich der Strömungszustand nur dann

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ändert, wenn sich der Umlenkwinkel ändert. Konkret findet man folgende Abhängigkeiten: Falls θ zunimmt (z.B. konvexer Knick, d.h. Umlenkung „nach oben“) nimmt die Übergeschwindigkeit ab und der Druckbeiwert (und damit der statische Druck) nimmt zu. Dies ist eine lineare Kompression. Falls θ abnimmt (z.B. konkaver Knick, d.h. Umlenkung „nach unten“) nimmt die Übergeschwindigkeit zu und der Druckbeiwert (und damit der statische Druck) nimmt ab. Dies ist eine lineare Expansion. Folgende Fragen bleiben zu klären:

1) Wie verhält sich die erste charakteristische Variable in den bisher diskutierten Fällen?

2) Was „passiert“ im Fernfeld oberhalb (bzw. rechts) von den Knicken?

3) Wie wäre das Problem zu bearbeiten, wenn die Wand nicht

überströmt würde, sondern die Strömung unter der Wand erfolgt? 4) Wie bearbeitet man Fälle, in denen nicht (nur) isolierte Knicke

vorliegen, sondern kontinuierliche Konturänderungen erfolgen? Antworten: Zu 1) Die erste charakteristische Variable ist entlang der charakteristischen

Kurven mit dy/dx=tan(α∞) zwar konstant, aber abhängig vom so genannten Fußpunkt der Charakteristik. Da wir jedoch aus der zweiten charakteristischen Variablen sowohl den Druck als auch die Geschwindigkeit ermitteln können, ist der Wert der ersten charakteristischen Variablen ebenfalls eindeutig festgelegt. Formelmäßig findet man

0:1 =δψ entlang ( )∞+= αtandxdy

∞∞

∞∞

−⋅=

−−

−=

−−=

uuu2

1Muuu

1Mww

221θδθδδψ .

Gl. 216

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Zu 2) Das Fernfeldverhalten ergibt sich im Rahmen der linearen Theorie unmittelbar. Alle Störungen werden entlang der charakteristischen Kurven des ersten charakteristischen Felds mit dy/dx=tan(α∞) ohne Abklingen unendlich weit ins Fernfeld getragen. Damit folgt, dass im Rahmen der linearen Theorie eine Kompression oder Expansion, die z.B. an einer Wand oder an einer Profiloberseite erzeugt wird, beliebig weit vom Objekt entlang des Mach’schen Winkels dy/dx=tan(α∞) unverändert wahrgenommen wird.

Zu 3) Für den Fall, dass die Wand nicht überströmt, sondern unterströmt wird,

vertauschen die charakteristischen Felder ihre Rollen. Konkret ist in diesem Fall die erste charakteristische Variable im gesamten Feld konstant, da diese durch den jeweiligen Wert im „unendlichen“ eindeutig definiert werden. Die Berechnung von Übergeschwindigkeit und Druckbeiwert erfolgt somit anhand der ersten charakteristischen Variablen und ergibt

0:1 =δψ entlang ( )∞+= αtandxdy

01Mw

w2

=−

−⇒∞∞

δθδ entlang ( )∞+= αtan

dxdy

01Mu

u2

=−

−⇒∞∞

δθδ

01Mu

uu2

=−

−−

−⇒

∞ θθ

1Muuu

2 −+=

−⇒

∞∞

∞ θ (relative Übergeschwindigkeit)

1M2c

2p−

⋅−=⇒∞

θ (Druckbeiwert)

Gl. 217

Anschaulich gesprochen darf sich im Falle einer unterströmten Wand strömungsmechanisch keine Änderung des qualitativen Verhalten

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155

ergeben, da man die Ergebnisse der überströmten Wand durch Spiegelung an der x-Achse unmittelbar auf die unterströmte Wand übertragen kann. Man beachte, dass die Umkehr aller Vorzeichen nur daher rührt, dass der Umlenkwinkel θ immer entgegen dem Uhrzeigersinn definiert ist.

Zu 4) Im Falle kontinuierlicher Umlenkungen (etwa bei Profilen oder in Düsen)

lässt sich obige Methode problemlos anwenden, indem man für kleine Winkel θ tan(θ) ≈ θ (Bogenmaß) setzt. Was bringt das? Ganz einfach: Ist die Kontur gegeben als Funktion y=h(x), wobei h(x) die Höhe der Kontur darstellt, so ergibt sich offenbar y’=h’(x)= tan(θ) ≈ θ. Anstelle des Umlenkwinkels wendet man zur Berechnung der Übergeschwindigkeit und des Druckbeiwerts einfach die Ableitung der Konturfunktion an. Dies kann man natürlich auch dann einsetzen, wenn die Umlenkungen durch Knicke erfolgen – in diesem Fall bildet man die Ableitung der Konturfunktion rechts und links von den Knicken, der Knick selbst ist ja nicht differenzierbar…

+ θ

M∞ = 2 p∞ T∞

x

+ θ x

Die gleichfarbigen Segmente entsprechen Bereiche, in welchen die Zustände konstante Werte besitzen – die erste schwarze Charakteristik ist eine Kompression, die zweite ist eine Expansion.

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6.1.2 Auftrieb und Wellenwiderstand Wir wollen die lineare Theorie nun zur Berechnung von Auftrieb und Widerstand bei sehr schlanken Profilen mit scharfer Vorder- und Hinterkante und reiner Überschallströmung berechnen. Wir werden hierzu 3 Teilaspekte diskutieren: A) Anstellung (ebene Platte, Anstellwinkel ε) B) Wölbung (gewölbte Platte, Wölbung f) C) Dicke (Parabelzweieck, Dicke τ). Zu A) Anstellung (ebene Platte, Anstellwinkel ε) Dargestellt ist eine „unendlich dünne“ Platte, welche um den Winkel ε (Bogenmaß!) gegenüber der Überschallanströmung angestellt ist. Da die Ausbreitungsrichtungen von Informationen (d.h. der Transport der charakteristischen Variablen) in stationären Überschallströmungen die Bedingungen dy/dx= +- tan(α∞) erfüllen, gibt es keine Stromaufwirkung. Vor der Platte sind alle Zustände durch die ungestörten Anströmzustände gegeben. Erst in dem Moment, in dem die Strömung die Vorderkante erreicht, ändern sich die Zustände – und zwar instantan und sprunghaft (im Rahmen der linearen Theorie zumindest). Die Strömung auf der Oberseite der Platte (also die Überströmung) wird um den Winkel ε nach unten umgelenkt (konkaver Knick Expansion). Die Strömung auf der Unterseite der Platte (also die Unterströmung) wird ebenfalls um den Winkel ε nach unten umgelenkt (konvexer Knick Kompression).

ε

M∞ > 1

ε

M∞ > 1 Expansion

ExpansionKompression

Kompression

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Die Umlenkung auf der Oberseite erfolgt durch eine Expansion im ersten charakteristischen Feld (erste blaue Charakteristik). Die Umlenkung auf der Unterseite erfolgt durch die Kompression im zweiten charakteristischen Feld (erste rote Charakteristik). Danach, d.h. stromab der Vorderkante, ändert sich die Strömungsrichtung und somit der Umlenkwinkel zunächst nicht konstante Zustände auf und unter der Platte! Erst an der Hinterkante muss eine Rückdrehung der Strömung hin zur Anströmrichtung erfolgen. Dies geschieht durch eine Kompression auf der Profiloberseite und durch eine Expansion auf der Profilunterseite.

ε

M∞ > 1

x

x

cp

(u-u∞)/ u∞

blau = Oberseite rot = Unterseite

blau = Oberseite rot = Unterseite

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Frage: Warum muss die Strömung an der Hinterkante denn ausgerechnet genau so umlenken, dass die Strömungsrichtung dem Anströmzustand entspricht? Ganz einfach: Unmittelbar stromab der Platte muss der statische Druck entlang einer Stromlinie, welche oberhalb der Platte verläuft, identisch sein mit dem statischen Druck einer Stromlinie, die unterhalb der Platte verläuft. Da der statische Druck (bzw. der Druckbeiwert) nur vom Umlenkwinkel abhängt, ist die einzige Möglichkeit zum Druckausgleich dadurch gegeben, dass die Strömung auf θ=0 gedreht wird. Offenbar erzeugt die umströmte angestellte Platte sowohl Auftrieb als auch Widerstand. Den Auftrieb kann man sich intuitiv vorstellen, aber woher kommt der Widerstand? Dazu ist es am günstigsten, sich die Übergeschwindigkeit und den Druckbeiwert graphisch zu verdeutlichen. Offenbar führen die Kompressions- und Expansionswellen zu einer asymmetrischen Druckverteilung, die erst stromab der Platte wieder verschwindet. Der dabei einhergehende Widerstand heißt Wellenwiderstand und existiert nur in Überschallströmungen (oder in den Überschallbereichen von Transschallströmungen). Einige Zahlen zum Beispiel: Sei der Anstellwinkel gegeben durch ε=5° (im Bogenmaß ε=π/36) und die Anströmmachzahl sei M∞=1.414. Zustände auf der Oberseite der Platte bekommen im Folgenden den Index „o“, analog erhalten die Zustände auf der Unterseite den Index „u“.

Übergeschwindigkeit und Druckbeiwert auf der Oberseite

%7.8361414.11Mu

uu22

o +≈π

=ε=−

ε=

θ−=

∞∞

%5.1718

21414.1

21M

2c22o,p −≈

π−=ε⋅−=

ε⋅−=

θ⋅+=

Übergeschwindigkeit und Druckbeiwert auf der Unterseite

%7.8361414.11Mu

uu22

u −≈π

−=ε−=−

ε−=

θ+=

∞∞

%5.1718

21414.1

21M

2c22u,p +≈

π+=ε⋅+=

ε⋅+=

θ⋅−=

Gl. 218

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159

Aus den Druckbeiwerten für Ober- und Unterseite erhält man den Normalkraftbeiwert cn (senkrecht zur Platte)

( )dxccL1:c

L

0

o,pu,pn ∫ −=

Gl. 219

und den Tangentialkraftbeiwert ct (tangential zur Platte)

( ) ( )( )dxcxhcxhL1:c

L

0

o,puu,pot ∫ ⋅′+⋅′=

Dabei ist ho(x) die Konturfunktion der Oberseite und hu(x) die Konturfunktion der Unterseite. Bei einer unendlich dünnen Platte sind diese identisch (im Gegensatz zu Profilen) und besitzen den Wert

( ) ( ) ( ) ε≈ε==′=′ tandxdyxhxh uo .

Gl. 220

Aus dem Normalkraftbeiwert und dem Tangentialkraftbeiwert ergeben sich die Beiwerte für Auftrieb cl und Widerstand cd wie folgt.

( ) ( ) ε⋅−≈ε⋅−ε⋅= tntnl ccsinccoscc

( ) ( ) tntnd cccoscsincc +ε⋅≈ε⋅+ε⋅=

Gl. 221

Für die angestellte Platte findet man mit Gl. 218 ff folgendes Ergebnis:

Auftrieb Platte: 1M

4c2l−

ε⋅≈

Widerstand Platte: 1M

4c2

2

d−

ε⋅≈

.

Gl. 222

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Zu B) Wölbung (gewölbte Platte, Wölbung f) Wir betrachten eine unendlich dünne gewölbte Platte mit der Konturfunktion

y(x)=h(x)= -4·x2·f/L2 + f.

Damit ergibt sich für die Steigung der Konturfunktion

y’(x)=h’(x)= -8·x·f/L2. Wir setzen f=τ/2 und L=1, damit ergibt sich h’(x)= -4·x·τ ≈ θ. Offenbar variiert der Umlenkwinkel linear von θ ≈ 2·τ bei x= -L/2 und θ ≈ -2·τ bei x= +L/2. Man findet für Ober- und Unterseite folgende Ergebnisse.

( )

1M

x4

1Muuxu

22 −

⋅τ⋅=

θ−=

∞∞∞

∞ (Oberseite)

1M

x8

1M2c

22p−

⋅τ⋅−=

θ⋅+=

∞∞

(Oberseite)

( )1M

x4

1Muuxu

22 −

⋅τ⋅−=

θ+=

∞∞∞

∞ (Unterseite)

1M

x8

1M2c

22p−

⋅τ⋅+=

θ⋅−=

∞∞

(Unterseite)

Gl. 223

f

M∞ > 1

X=0 X=+ L/2 X=- L/2

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Auch in diesem Fall sind die Konturfunktionen für die Oberseite und die Unterseite identisch, hu(x)=ho(x)=h(x). Wir ermitteln wie im Falle der angestellten Platte Auftrieb und Widerstand und erhalten

Auftrieb „Wölbung“: 0cl ≈

Widerstand „Wölbung“: 1M

f3/64c2

2

d−

⋅≈

.

Gl. 224

x

x

cp

(u-u∞)/ u∞

blau = Oberseite rot = Unterseite

blau = Oberseiterot = Unterseite

M∞ > 1 f

X=0 X=+ L/2X=- L/2

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Zu C) Dicke (Parabelzweieck, Dicke τ) Wir betrachten ein sowohl bezüglich der x-Achse als auch bezüglich der y-Achse symmetrisches Profil der Dicke τ << 1 mit der Konturfunktion

h(x)=“Oberseite“=ho(x)= -4·x2·hmax/L2 +hmax h(x)=“Unterseite“=hu(x)= +4·x2·hmax/L2 -hmax.

Damit ergibt sich für die Steigungen der Konturfunktion

ho’(x)= -8·x· hmax /L2 hu’(x)= +8·x· hmax /L2

Wir setzen hmax =τ/2 und L=1. Da τ << 1 gilt h’(x) = -/+ 4·x·τ ≈ θ. Offenbar variiert der Umlenkwinkel auf der Oberseite linear von θ ≈ 2·τ bei x= -L/2 und θ ≈ -2·τ bei x= +L/2. Auf der Unterseite ändert sich an diesem Verhalten bis auf das Vorzeichen nichts. Man findet für Ober- und Unterseite folgende Ergebnisse.

( )

1M

x4

1Muuxu

22 −

⋅τ⋅=

θ−=

∞∞∞

∞ (Oberseite)

1M

x8

1M2c

22p−

⋅τ⋅−=

θ⋅+=

∞∞

(Oberseite)

Gl. 225

M∞ > 1

X=0 X=+ L/2 X=- L/2

hmax

τ = 2·hmax/L

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163

( )

1M

x4

1Muuxu

22 −

⋅τ⋅+=

θ+=

∞∞∞

∞ (Unterseite)

1M

x8

1M2c

22p−

⋅τ⋅−=

θ⋅−=

∞∞

(Unterseite)

x

x

cp

(u-u∞)/ u∞

blau = Oberseite rot = Unterseite

blau = Oberseiterot = Unterseite

M∞ > 1 hmax

X=0 X=+ L/2X=- L/2

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164

Der Auftriebsbeiwert cl des nicht angestellten Profils ist aufgrund der Symmetrie bzgl. der y-Achse offenbar cl = 0. Der Widerstandsbeiwert cd lässt sich unmittelbar aus der Ableitung der Konturfunktion und dem bereits ermittelten Druckbeiwert cp bestimmen. Es ist

Auftrieb „Dicke“: 0cl ≈

Widerstand „Dicke“: dx)x(hcL2c '

o

2/L

2/L

o,pd ⋅⋅⋅≈ ∫+

1M316dx)x(h

1ML

4c2

22/L

2/L

2'o2d

τ⋅=⋅

−⋅≈⇒

+

−∞∫ .

Gl. 226

Zusammenfassung „Auftrieb und Widerstand“ und Vergleich zwischen linearem Überschall und tiefem Unterschall (2D eben, stationär, reibungsfrei, adiabat, homentrop, perfektes Gas)

Parabelzweieck Dickeneffekt

τ > 0

Angestellte Platte

Anstellung ε > 0

Gewölbte Platte

Wölbung f > 0

cl M<<1 cd

0 0

2M1

2

∞−

⋅ επ

0

2M1

f4

∞−

⋅π

0

cl M>>1 cd

0

1M316

2

2

−⋅

τ

1M

42 −∞

ε

1M

42

2

−∞

ε

0

1M

f364

2

2

−⋅

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Man beachte, dass stationäre 2D ebene Unterschallströmungen aufgrund des D’Alembertschen Paradoxons keinen Widerstand produzieren können, Auftrieb hingegen ist auch unter diesen Voraussetzungen möglich. Im linearen Überschall hingegen liefert jede der betrachteten Konfigurationen Widerstand – aber nur der Anstellungseffekt liefert Auftrieb! 1) Frage: Wie kann man Probleme behandeln, bei denen zwei oder drei der zuvor isoliert betrachteten Effekte (Dicke, Anstellung, Wölbung) gleichzeitig auftreten? Antwort: Furchtbar simpel. Entweder man bestimmt die resultierende Konturfunktion, die sich nach Überlagerung der Effekte ergibt, direkt. Alternativ kann man den Auftrieb und den Widerstand jedes Einzeleffekts nach obigem Schema ermitteln und die Ergebnisse einfach aufaddieren! Warum darf man die Ergebnisse einfach aufaddieren? Ganz einfach, weil wir durch die Linearisierung der Grundgleichungen grundsätzlich nur lineares Verhalten betrachten. Ein fundamentaler Aspekt der Linearität ist, dass Lösungen überlagert werden dürfen und diese Überlagerung automatisch die Lösung des kombinierten Problems darstellt!

6.1.3 Zusammenhang zwischen mehrdimensionalen instationären Wellen und mehrdimensionalen stationären Wellen

Welche Verbindung besteht zwischen den instationären Wellen aus dem zuvor diskutierten Kapitel und den stationären Wellen, die wir in diesem Kapitel untersuchen? Nun, das ist erst dann offensichtlich, wenn man die instationäre Wellendynamik mehrdimensional (also mindestens 2D) diskutiert. Aufgrund der Komplexität, die die Mehrdimensionalität mit sich bringt, werden wir dies nur qualitativ (und ohne die erforderliche Mathematik zu weit zu treiben) diskutieren. Was wissen wir aus der 1D instationären Wellendynamik? Wir wissen, dass sich eine schwache Störung in einem charakteristischen Feld mit Schallgeschwindigkeit relativ zur Strömungsgeschwindigkeit ausbreitet. In zwei Raumdimensionen erfolgt diese Ausbreitung nicht nur in „eine“ Richtung, sondern kreisförmig. Ähnlich wie ein Stein, der in ein ruhendes Gewässer geworfen wird und kreisförmige „Wellen“ auf der Wasseroberfläche hinterlässt, produziert eine schwache Störung (z.B. eine Explosion eines Party-Knallkörpers, ein platzender Luftballon, etc.) in einem ruhenden Gas eine kreisförmige Wellenfront (2D Betrachtung) bzw. eine kugelförmige Wellenfront (3D

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Betrachtung). Den Übergang von der instationären Wellendynamik (d.h. in 2D von der Ausbreitung von kreisförmigen Wellenfronten) zur stationären Wellendynamik im Überschall erhält man besonders anschaulich durch folgendes Gedankenexperiment.

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Gedankenexperiment Man stellt sich eine punktförmige Schallquelle vor, die sich in einem ruhenden Medium mit homogenen Referenzzuständen mit einer konstanten Geschwindigkeit und konstanter Richtung bewegt. Die Schallquelle soll nach gewissen Zeitabständen jeweils eine Schallwelle aussenden, die sich dann kreisförmig (2D) bzw. kugelförmig (3D) im Medium ausbreitet. In obiger Abbildung entspricht die Länge des blauen Pfeils der Geschwindigkeit der Schallquelle, bzw. dem Weg, den die Schallquelle nach einer gewissen Zeit zurückgelegt hat. In der ersten Abbildung ist die Geschwindigkeit deutlich kleiner als die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Schallwelle (Radius des größten roten Kreises), d.h. die Schallquelle bewegt sich mit M<<1. In der zweiten Abbildung bewegt sich die Schallquelle genau mit Schallgeschwindigkeit, d.h. mit M=1. In der dritten Abbildung bewegt sich die Schallquelle deutlich schneller als die ausgesendeten Schallwellen, d.h. M>>1. Im Falle von M>1 überlagern sich die ausgesendeten Schallwellen in einem kegelförmigen Gebilde, dem Machschen Kegel. Der halbe Öffnungswinkel α des Machschen Kegels ist der Machsche Winkel. Zur Erinnerung hierzu wird eine Abbildung, die bereits zur Herleitung der charakteristischen Kurven und der charakteristischen Variablen herangezogen wurde, an dieser Stelle wiederholt. Aus dieser Abbildung wird die ebenfalls bereits intensiv benutzte Beziehung zwischen Machzahl und Machschem Winkel ersichtlich, es war sin(α)=1/M.

cM ⋅

c1Mc 2 −⋅

α−

α+

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6.2 Nichtlineare Wellen im Ort An dieser Stelle werden wir nichtlineare Effekte in stationären reibungsfreien Überschallströmungen betrachten. Da im nichtlinearen Fall sowohl divergente Charakteristiken als auch sich schneidende Charakteristiken auftreten können, müssen wir beide Fälle getrennt analysieren. Bevor wir dies angehen, leiten wir uns eine interessante Eigenschaft stationärer reibungsfreier Strömungen her. Wir beginnen und schreiben die linke Seite der Impulsbilanz (in primitiver Form) der 2-D stationären Euler Gleichungen einfach wie folgt um.

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

−∂∂

⋅−⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛+

∂∂

=∂∂⋅+

∂∂⋅

yu

xvv

2v

2u

xyuv

xuu

22.

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

−∂∂

⋅+⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛+

∂∂

=∂∂⋅+

∂∂⋅

yu

xvu

2v

2u

yyvv

xvu

22.

Gl. 227

Mit den Hauptsätzen der Thermodynamik formulieren wir auch die rechte Seite der Impulsbilanz (in primitiver Form) der 2-D stationären Euler Gleichungen um.

xsT

xh

xp1

∂∂

+∂∂

−=∂∂⋅−

ρ.

ysT

yh

yp1

∂∂

+∂∂

−=∂∂⋅−

ρ.

Gl. 228

Fasst man nun beide Umformungen zusammen, findet man in zwei Raumdimensionen

xsT

xh

yu

xvv

2v

2u

x

22

∂∂

+∂∂

−=⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

−∂∂

⋅−⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛+

∂∂

.

ysT

yh

yu

xvu

2v

2u

y

22

∂∂

+∂∂

−=⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

−∂∂

⋅+⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛+

∂∂

.

Gl. 229

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169

Nimmt man an, dass die Strömung isoenergetisch ist, dann erhält man daraus

Isoenergie bedeutet: .02v

2ugrad)h(grad)h(grad

22

0v

=⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛++=

Daraus folgt:

xsT

yu

xvv

∂∂

=⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

−∂∂

⋅− . und ysT

yu

xvu

∂∂

=⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

−∂∂

⋅+ .

Gl. 230

Zur Erinnerung: Die Ruheenthalpie h0 ist in einer stationären reibungsfreien und adiabaten Strömung immer konstant entlang jeder Stromlinie, aber dies beinhaltet nicht, dass die Ruheenthalpie für alle Stromlinien identisch sein muss. Ist dies jedoch gegeben, dann ist die Ruheenthalpie im gesamten Stromfeld konstant und die Strömung ist somit isoenergetisch. Nimmt man weiter an, dass die Strömung homentrop ist, folgt abschließend Homentropie bedeutet: .0)s(grad

v=

Daraus folgt:

0yu

xvv =⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

−∂∂

⋅− . und 0yu

xvu =⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

−∂∂

⋅+ .

Gl. 231

Zur Erinnerung: Die Entropie s ist in einer stationären reibungsfreien und adiabaten Strömung bis auf Stöße konstant entlang jeder Stromlinie. Ist die Entropie im gesamten Stromfeld konstant, dann spricht man von einer homentropen Strömung. Offenbar gilt für stationäre adiabate stoß- und reibungsfreie 2-D Strömungen, die homentrop und isoenergetisch sind, dass

0yu

xv

=⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛∂∂

−∂∂

.

Gl. 232

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Dies ist die mathematische Beschreibung der (2-D ebenen) Rotation bzw. Drehung des Geschwindigkeitsfelds. Wir halten fest (Satz von Crocco): Jede stationäre, 2-D ebene, adiabate, homentrope, isoenergetische Strömung ist drehungsfrei. Der korrespondierende Sachverhalt in 3-D ist weniger zwingend. Dort ergibt sich mathematisch, dass für jede stationäre isoenergetische adiabate und reibungsfreie Strömung die Beziehung gilt

( ) ( )sgradTvrotv ⋅−=×vv

.

Gl. 233

Man beachte, dass in 3-D im Allgemeinen aus der Homentropie noch nicht die Drehungsfreiheit folgt, da es durchaus möglich ist, dass der Rotationsvektor und der Strömungsvektor parallel sind (somit ist das Kreuzprodukt null). Der 2-D Fall ist demnach ein Spezialfall. Es sei angemerkt, dass eine 3-D achsensymmetrische Strömung ein weiterer Spezialfall ist, für welchen aus der Homentropie die Drehungsfreiheit folgt.

6.2.1 Expansion und Epizykloide Wir beginnen mit homentropen isoenergetischen Strömungen, deren Charakteristikengleichungen im Überschall bereits abgeleitet wurden. Solche Strömungen enthalten demnach keinen Stoß (oder aber der Stoß ist so schwach, dass die Entropiezunahme sehr klein ist und zumindest im relevanten Strömungsbereich keine relevante Entropievariation über die Stromlinien vorliegt). In diesem Fall ergaben sich die Beziehungen

01Mw

w2

=−

δθ−

δ⇒ entlang ( )α+θ= tan

dxdy

.

01Mw

w2

=−

δθ+

δ⇒ entlang ( )α−θ= tan

dxdy

.

Gl. 234

Bezeichnet man mit θ* denjenigen Strömungswinkel, den die Strömung bei M=1 eingenommen hat, so lassen sich aus den differentiellen Bedingungen

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171

algebraische Beziehungen zwischen Machzahl und Strömungswinkel herleiten. Man findet die sog. Prandtl-Meyer Expansion durch Integration zu

( ) ( )⎪⎭

⎪⎬⎫

⎪⎩

⎪⎨⎧

⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ −−⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛−⋅

+γ−γ

⋅−γ+γ

−=θ−θ 1Marctan1M11arctan

11* 22

entlang ( )α+θ= tandxdy

,

und

( ) ( )⎪⎭

⎪⎬⎫

⎪⎩

⎪⎨⎧

⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ −−⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛−⋅

+γ−γ

⋅−γ+γ

+=θ−θ 1Marctan1M11arctan

11* 22

entlang ( )α−θ= tandxdy

.

Gl. 235

Diese Gleichungen stellen ein mächtiges Werkzeug zur Analyse stationärer 2-D ebener Überschallströmungen dar. Besonders einfach in der Handhabung ist die Darstellung der Prandtl-Meyer Expansion durch die kritische Machzahl M* anstelle von M, man findet die Epizykloiden

Mit ( ) ( )( )2*

2**

1M

11

1M:Mf−

−γ+γ

−= und ( ) ( )

( )2*

2**

2M

11

1M11:Mf

−−γ+γ

−⋅

−γ+γ

=

folgen

( ) ( )⎭⎬⎫

⎩⎨⎧

⎟⎠⎞⎜

⎝⎛−⎟

⎠⎞⎜

⎝⎛⋅

−γ+γ

−=θ−θ *2

*1 MfarctanMfarctan

11*

entlang ( )α+θ= tandxdy

, und

( ) ( )⎭⎬⎫

⎩⎨⎧

⎟⎠⎞⎜

⎝⎛−⎟

⎠⎞⎜

⎝⎛⋅

−γ+γ

+=θ−θ *2

*1 MfarctanMfarctan

11*

entlang ( )α−θ= tandxdy

.

Gl. 236

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Graphische Darstellung der Prandtl-Meyer Expansion über der kritischen Machzahl M* Epizykloidendiagramm

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Die blau gefärbten Epizykloiden entsprechen einer Strömungsumlenkung „nach unten“ und die roten Epizykloiden geben die Änderung der kritischen Machzahl bei einer Strömungsumlenkung „nach oben“ an. Die Handhabung des Diagramms erfolgt nach folgendem „Kochrezept“.

Anwendung der Epizykloide für zentrierte Expansionen (d.h. „Eckenexpansionen“) in stationären Überschallströmungen:

Betrachtet wird eine zunächst zur x-Achse parallele Überschallströmung mit M=2. An einem „Knick“ wird die Strömung um 10° nach unten umgelenkt. Aus der linearen Theorie ist bekannt, dass diese Umlenkung im Überschall durch eine Expansion erfolgt. Zur Analyse dieses Strömungsproblems geht man wie folgt vor. 1) Berechnung der kritischen Machzahl M* aus der gegebenen

Anströmmachzahl M∞=2 ergibt (hier) M*=1.63 2) Ermittlung des Startpunkts im Epizykloidendiagramm für θ=0° und

M*=1.63 3) Folge der nach unten laufenden blauen Epizykloide vom Startpunkt bis

zum Winkel θ= -10° (Endpunkt) 4) Bestimme die am Endpunkt vorliegende kritische Machzahl (hier ungefähr

1.77) aus dem Diagramm 5) Berechne die Machzahl am Ende der Expansion aus der mit dem

Diagramm ermittelten kritischen Machzahl (ergibt hier M=2.34) 6) Aus der so ermittelten Machzahl am Ende der Expansion lassen sich

mittels der stationären Beziehungen zwischen Ruhezustand, Machzahl und statischer Größe alle thermodynamischen Größen berechnen

7) Aus der Machzahl vor der Expansion und der Machzahl nach der

Expansion kann jeweils der korrespondierende Machsche Winkel ermittelt werden, dies erfolgt durch sin(α)=1/M.

M∞ = 2 p∞ ,T∞

θ=0° θ= -10°

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Im zuvor betrachteten Fall ergibt sich der Machsche Winkel α1=30° vor der Expansion und der Machsche Winkel α2=25.3° nach der Expansion. Man beachte unbedingt, dass im Sinne der nichtlinearen Theorie der Machsche Winkel immer relativ zur lokalen Strömungsrichtung angetragen werden muß! Insgesamt zeigt sich, dass die zentrierte Expansion folgende Form besitzt: Eine wesentliche Beobachtung ist die folgende: Offenbar hängt der Zustand nach einer Expansion nur vom Umlenkwinkel und vom Zustand vor der Expansion ab. Was bedeutet das konkret? Nun, wird die Expansion nicht durch einen Knick sondern durch eine kontinuierliche Umlenkung herbeigeführt, dann ändert das am Ergebnis nichts. Allerdings erfolgt eine derartige Expansion nicht in Form eines Fächers, sondern durch unendlich viele Charakteristiken, die relativ zur lokalen Strömungsrichtung (=Wandtangente) immer flacher werden, bis der Mach’schen Winkel des Endzustands erreicht ist.

M∞ = 2 p∞ ,T∞

θ=0° θ= -10°

α1=30°

α2=25.3

M∞ = 2 p∞ ,T∞

θ=0°

θ= -10°

α1=30°

α2=25.3

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6.2.2 Schiefer Stoß und Stoßpolare Wir haben im Kapitel zur quasi 1-D Lavaldüsenströmung mit Verdichtungsstoß stets die Annahme gemacht, dass ein Stoß (sofern er auftritt) stets senkrecht zur Strömungsrichtung erfolgt. In der Tat ist im Rahmen der 1-D Theorie auch nicht mehr möglich. An dieser Stelle untersuchen wir nun den Fall, dass die Stoßfront und die Strömungsrichtung nicht senkrecht zueinander sind – man spricht dann von einem schiefen Stoß. Beachten Sie, dass damit nicht gemeint ist, dass der Stoß „gebogen“ ist, auch diesen Fall werden wir noch diskutieren. Der Trick zur Ermittlung der Beziehungen über einen schiefen Stoß besteht in folgender Überlegung. Bei einem senkrechten Stoß gelten auch in 2 Raumdimensionen exakt dieselben Beziehungen wie im Rahmen der 1-D Theorie, da die Geschwindigkeit nur eine Komponente besitzt (die Normalkomponente zum Stoß), der Stoß relativ zu dieser senkrecht ist und folglich auch der Bilanzraum keine Unterschiede zur 1-D Theorie aufweist. Wir überlagern nun dieser Ausgangssituation eine zweite Geschwindigkeitskomponente, die tangential zur Stoßfront ist. Dies führt auf eine Gesamtgeschwindigkeit (Vektoraddition von Normal- und Tangentialkomponente), die zur Stoßfront den Winkel σ bildet – der Winkel σ wird dabei als Stoßwinkel bezeichnet.

Bilanzraum

Stoßfront

Normalge-schwindigkeit

Überlagerung mit Tangentialgeschwindigkeit

ergibt:

Bilanzraum

Stoßfront

Gesamt-geschwin-digkeit

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Offenbar ist obige Darstellung durch Drehung des Gesamtsystems um den Stoßwinkel stets in folgende Darstellung überführbar. Da die Tangentialgeschwindigkeit über den Stoß unverändert bleibt, resultiert ein schiefer Stoß immer in einer Strömungsumlenkung und zwar zur Front hin – man vergleiche dies mit der linearen Theorie. Der Umlenkwinkel relativ zur Strömungsrichtung vor dem Stoß wird mit θ gekennzeichnet. Sei w die Gesamtgeschwindigkeit, d.h. w=M·c und sei un=w·sin(σ) gleich die Normalgeschwindigkeit, dann ist die Normalmachzahl Mn definiert durch

( ) ( )σ⋅=σ⋅

== sinMcsinw

cu:M n

n .

Gl. 237

Mit dieser Definition lassen sich die Nachstoßzustände unmittelbar aus den Beziehungen für den senkrechten Stoß ermitteln – man ersetzt einfach überall die Vorstoßmachzahl M durch die Normalmachzahl Mn und fertig. Beachten muss man lediglich, dass sich die Geschwindigkeitsänderung nur auf die Normalkomponente bezieht. Will man die Gesamtgeschwindigkeit hinter dem Stoß ermitteln, muss man beide Geschwindigkeitskomponenten quadrieren, addieren und davon die Wurzel ziehen (Vektorlänge).

Stoßfront

Gesamt-geschwindigkeit

σ

θ

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( )1M111

Mˆ2n

2n

−⋅+γ−γ

+=

ρρ

( )2n

2n

n

n

M

1M111

uu

−⋅+γ−γ

+=

( )1M1

21pp 2

n −⋅+γγ⋅

+=

ρρ⋅==

ˆpp

cc

TT

2

2

Gl. 238

Damit lässt sich die verallgemeinerte Prandtlsche Stoßrelation für den schiefen Verdichtungsstoß ermitteln, diese lautet mit Einführung der Tangentialmachzahl

( )2*t

*n

*n M

111MM ⋅

+γ−γ

−=⋅ (Prandtlsche Stoßbeziehung)

Gl. 239

Man beachte, dass die Prandtlsche Stoßbeziehung immer auf kritischen Machzahlen basiert, d.h. die lokale Schallgeschwindigkeit wird ersetzt durch die kritische Schallgeschwindigkeit. Da die kritische Schallgeschwindigkeit typischerweise eine problemspezifische aber für das jeweilige Problem konstante Größe ist, handelt es sich bei den kritischen Machzahlen um nichts anderes als um entdimensionierte Geschwindigkeiten. Erwartungsgemäß gehen die Beziehungen für den schiefen Stoß in die Beziehungen in die Beziehungen für den senkrechten Stoß über, sobald der Stoßwinkel σ=90° ist. Weiterhin folgt, dass ein schiefer Stoß die Normalmachzahl Mn stets vom Überschall in den Unterschall komprimiert (aber eben nicht unbedingt die Gesamtmachzahl M). Die Verbindung von Umlenkwinkel θ, Stoßwinkel σ sowie der kritischen Machzahl M* vor dem Stoß und der kritischen Machzahl nach dem Stoß wird durch folgende Skizzen erläutert. Der blaue Pfeil gibt die Strömungsrichtung und die kritische Machzahl *M vor dem Stoß wieder. Wir wissen, dass sich diese (mit der

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kritischen Schallgeschwindigkeit entdimensionierte) Anströmgeschwindigkeit in einen Tangentialteil (der parallel zum Stoß ist) und einen Normalanteil, d.h. senkrecht zum Stoß, zerlegen lässt. Da beide Komponenten *

nM und *tM nach

Konstruktion senkrecht aufeinander stehen erhält man die Menge aller möglichen Kombinationen durch einen Thaleskreis über *M . In den folgenden Abbildungen sind die Tangentialkomponenten vor dem Stoß als rote Pfeile und die Normalkomponenten vor dem Stoß als hellgrüne Pfeile dargestellt. Ihr Additionspunkt muss auf dem Thaleskreis liegen (z.B. Punkt P). Am Kopf und am Fuß des blauen Pfeils ziehen wir Halbkreise mit dem Radius 1 (entsprechend M*=1). Die Schnittmengen der beiden Kreise mit dem Thaleskreis werden als Bereich 1 und Bereich 2 gekennzeichnet. Offenbar darf der Punkt P niemals im Bereich 2 liegen, denn das würde bedeuten, dass die Normalkomponente der Anströmung eine Machzahl kleiner als 1 besitzen würde und somit kein stationärer Stoß möglich wäre.

*nM

*nM

*M

*tM

σ

θ

*M

Bereich 1 Bereich 2

*nM

*nM

*M

*tM σ

θ

*M

Bereich 1

Bereich 2

Punkt P

Punkt P

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Weiterhin gilt folgende Feststellung: Liegt der Punkt P außerhalb des Bereichs 1, dann kann der Nachstoßzustand niemals im Unterschall liegen. Der Nachstoßzustand (schwarzer Pfeil) ergibt sich per Vektoraddition aus der unveränderten Tangentialgeschwindigkeit und der über den Stoß reduzierten Normalgeschwindigkeit. Wie bereits zuvor erwähnt sind die mit der (konstanten) kritischen Schallgeschwindigkeit gebildeten kritischen Machzahlen nichts anderes als mit einer konstanten Zahl entdimensionierte Geschwindigkeiten, daher darf die Vektoraddition auch auf diesen erfolgen. Obige Skizzen sind so gewählt, dass der Nachstoßzustand im ersten Bild ein Überschallzustand ist während im zweiten Bild ein Unterschallzustand vorliegt. Die gesamte Komplexität des schiefen Stoßes lässt sich aus obigen Bildern nur erahnen. Richtig klar werden die vielen inneren Zusammenhänge zwischen Stoßwinkel, Umlenkwinkel und Vorstoßmachzahl erst durch die sog. Busemannsche Stoßpolare, die wir im Folgenden analysieren werden. Wir betrachten eine Überschallanströmung, die ohne Einschränkung parallel zur x-Achse erfolgen soll, d.h. die y-Komponente v der Geschwindigkeit ist 0. Ausgehend davon, lässt sich die Prandtlsche Stoßbeziehung für den schiefen Stoß umformen und man erhält (nach längerer Rechnung)

( )2*t

*n

*n M

111MM ⋅

+γ−γ

−=⋅ (Prandtlsche Stoßbeziehung)

Für u>c und v=0 (Geschwindigkeit parallel zur x-Achse):

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅−⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛⋅

+γ+⋅⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛=⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛ −⋅⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛ −⋅ **

2

*

2

*

2

**** cu

cu

cu

121

cv

cu

cu1

cu

cu

(Busemannsche Stoßpolare)

( ) ⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅−⋅

+γ+⋅⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛=⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛ −⋅⎟

⎠⎞

⎜⎝⎛ −⋅ *

*2*2

*

2

**

**

cuMM

121

cv

cuM1

cuM

Gl. 240

In der Busemannschen Stoßpolare ist die kritische Machzahl der Anströmung ein Parameter und nach dessen Festlegung ergibt sich als Lösungsmenge eine Kurve, die die Nachstoßgeschwindigkeiten in Abhängigkeit der Gasart und des festgelegten Parameters M* darstellt. Die Kurve ist eine ebene Kurve 3. Ordnung, die aufgrund ihrer Form als carthesisches Blatt bezeichnet wird. Die allgemeine Form des carthesischen Blatts ist auf der Folgeseite dargestellt. Die

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Busemannsche Stoßpolare produziert eine umorientierte Version, bei der der Scheitelpunkt S ebenfalls auf der x-Achse liegt. Da die beiden ins Unendliche laufenden Äste keine strömungsmechanische Relevanz besitzen, wird die Busemannsche Polare ohne diese Äste dargestellt. Eine solche Darstellung für γ=1.4 und verschiedene Anströmmachzahlen M* besitzt das folgende Aussehen, wobei auf der x-Achse die Geschwindigkeiten u/c* und *c/u aufgetragen sind und auf der y-Achse die Geschwindigkeit

*c/v dargestellt wird.

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Jede der abgebildeten Kurven entspricht einer Anströmmachzahl M*, wobei die „Kurve“ mit der Anströmmachzahl M*=1 zu einem Punkt auf der Abszisse degeneriert ist. Je größer die Anströmmachzahl, desto weiter rechts beginnt die jeweilige Polare. Was zeigen uns diese Polaren in obigem Diagramm nun? Ganz einfach: Jede Polare ist die Menge aller möglichen Nachstoßzustände bei festgehaltener Anströmmachzahl M*. Offenbar besitzt jede Polare zwei Schnittpunkte mit der x-Achse: Einen im Überschall mit M*>1 und einen im Unterschall mit M*<1. Wählt man den Schnittpunkt im Überschall als Anströmzustand, dann ist der zweite Schnittpunkt im Unterschall nichts anderes als die resultierende kritische Machzahl nach einem senkrechten Stoß, da die y-Komponente hier identisch null ist. Jeder andere Punkt auf der Polaren besitzt eine von null verschiedene y-Komponente und muss demnach einem schiefen Stoß (der eine Umlenkung der Strömung bewirkt) zuzuordnen sein. Da wir von einer Anströmung parallel zur x-Achse ausgegangen sind, lässt sich der durch einen schiefen Stoß erzwungene Umlenkwinkel θ sehr einfach aus obigen Polarendiagramm ermitteln: Man verbindet einfach den Nachstoßzustand (Punkt auf der Polaren durch eine Gerade mit dem Koordinatenursprung und misst den resultierenden Winkel zwischen x-Achse und der Verbindungslinie. Als Beispiel „starten“ wir in obiger Abbildung mit der Anströmmachzahl M*=1.6 (in Punkt P1). Die zu diesem Zustand gehörende Polare ist dunkelblau hervorgehoben. Wir wählen nun den Nachstoßzustand P2 auf dieser Polaren und finden den dazu gehörigen Umlenkwinkel θ ≈ 10°. Der Abstand vom Koordinatenursprung zum Punkt P2 ist die kritische Machzahl nach dem Stoß und das Ursprunglot auf die Verbindungslinie zwischen P1 und P2 gibt den Stoßwinkel relativ zur Anströmung an. Offenbar bietet das Stoßpolarendiagramm vielfältige Möglichkeit zur praktischen Lösung von Stoßproblemen. Außerdem zeigt das Stoßpolarendiagramm einige nicht unmittelbar aus den Gleichungen

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ersichtliche Besonderheiten schiefer Stöße. Ich habe einige dieser Aspekte in einer weiteren Abbildung dargestellt. In der oberen Hälfte der Polare werden resultierende Nachstoßzustände bei festgehaltenem Umlenkwinkel dargestellt. Die rote Linie bildet dabei zusammen mit der x-Achse den Umlenkwinkel θ. Analysiert werden nun drei verschiedene Anströmmachzahlen M*=1.3, M*=1.4, M*=1.5, deren zugehörige Polaren sind wieder dunkelblau hervorgehoben. Der jeweilige Schnittpunkt der Polaren mit der roten Linie stellt den resultierenden Nachstoßzustand dar. Offenbar nimmt der Nachstoßzustand mit kleinerer Vorstoßmachzahl überproportional ab (Entfernung vom Ursprung zum jeweiligen schwarzen Punkt). Bei der Vorstoßmachzahl M*=1.3 ergibt sich bei genauer Betrachtung kein wirklicher Schnittpunkt mehr zwischen Polare und Umlenkgerade, vielmehr handelt es sich um eine Tangente. Der Zugehörige Nachstoßzustand ist in diesem Fall bereits knapp im Unterschall. Weiterhin erkennen wir, dass der jeweils in pink eingetragene Stoßwinkel bei kleiner werdender Vorstoßmachzahl immer größer wird. Dies wundert uns nicht, da auch der Machsche Winkel bei kleiner werdender Vorstoßmachzahl zunimmt. Interessant ist auch folgende Beobachtung: Die Polare zur Vorstoßmachzahl M*=1.2 liegt vollständig unterhalb der Umlenkgeraden – sie besitzt weder einen Schnittpunkt noch

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eine Tangente! Was bedeutet dies nun? Da auf der Polaren alle möglichen Nachstoßzustände liegen, die bei gegebener Vorstoßmachzahl und einem anliegenden Stoß erreicht werden können, gibt’s nur eine Schlussfolgerung: Bei einer Vorstoßmachzahl von M*=1.2 gibt es keinen anliegenden Stoß, der die geforderte Umlenkung bewirken kann. Hier hat sich die Natur etwas anderes einfallen lassen – die sog. abgelöste Kopfwelle mit anschließendem Unterschallgebiet. Auf der unteren Hälfte der oben dargestellten Stoßpolare ist eine weitere interessante Eigenschaft schiefer Stöße aufgezeigt. Ausgehend von einer Anströmmachzahl M*=1.8 und einem großen Umlenkwinkel (hier gelblich dargestellt) zeigt sich, dass die Polaren i.d.R. zwei Schnittpunkte mit der Umlenkgeraden aufweisen. Anders ausgedrückt gilt: Für jede Anströmmachzahl M*>1 gibt es einen Bereich von Umlenkwinkeln, in welchem die Polare zwei Schnittpunkte mit der Umlenkgerade besitzt. Einer der Schnittpunkte stellt einen Überschallnachstoßzustand dar, während der zweite einen Unterschallnachstoßzustand darstellt. Welcher Zustand wird angenommen? Bei anliegenden schiefen Stößen wurde experimentell bisher nur der Überschallnachstoßzustand nachgewiesen. Bei abgelösten Kopfwellen tritt jedoch auch der Unterschallnachstoßzustand auf.

6.2.3 Eine kombinierte Anwendung von Stoßpolare und Epizykloide Betrachtet wird eine Überschallströmung mit der Anströmmachzahl M*=2.0, die über zwei aufeinander folgende Rampen mit den Winkeln θ1=15° und θ2=18° (relativ zur vorherigen Umlenkung!) nach oben umgelenkt wird. An einer weiteren Rampe erfolgt die Rückdrehung parallel zur Anströmrichtung, d.h. um –( θ1 + θ2) = - 33°. Dies werden wir nun Stück für Stück analysieren. Als erstes beschaffen wir uns zwei wichtige Formeln, und zwar die Umrechnung von M in M* und umgekehrt. Diese wurde bereits bei der Einführung der kritischen Machzahl vorgestellt und hier nur wiederholt. Es ist

θ1

θ2

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( )1M

111

MM2

*

−⋅+γ−γ

+= ,

( ) ⎟⎠⎞⎜

⎝⎛ −⋅

−γ−

=1M

211

MM2*

*.

Gl. 241

Bei einer Anströmmachzahl M*=2 findet man demnach M≈3.16. Daraus lässt sich der Machsche Winkel der Anströmung ermitteln (nur der Interesse wegen…). Es ist sin(α)=1/M und damit α=arcsin(1/M)=18.5°. Das ist schon recht flach, wenn man bedenkt, dass der erste Umlenkwinkel bereits 15° aufweist. Ok, mit der kritischen Machzahl der Anströmung gehen wir ins Stoßpolarendiagramm, in welches wir die Umlenkung von 15° ebenfalls eintragen. Wir laufen auf der zur M*=2 gehörenden Polaren bis zum Schnittpunkt mit der Umlenkgeraden und haben somit den Nachstoßzustand gefunden. Jetzt kann man entweder mit einem Zirkel den Nachstoßzustand auf die x-Achse projizieren oder aber man misst mit einem Lineal die Länge von 0 bis 1 auf der x-Achse und bildet über die Länge vom Ursprung bis zum Nachstoßzustand einen Dreisatz (der Zirkel geht schneller!). In diesem Beispiel finden wir als kritische Nachstoßmachzahl etwa 1.79. Wir verbinden den Vorstoß- und den Nachstoßzustand und fällen von der Verbindungslinie das Lot auf den Koordinatenursprung – das liefert uns den ersten Stoßwinkel, der hier ca. 30° relativ zur Strömungsrichtung unmittelbar vor dem Stoß beträgt. Damit haben wir den ersten Teil der Aufgabe und können uns dem weiteren Verlauf widmen. Wir stellen fest, dass relativ zur bereits um 15° umgelenkten Strömung eine zweite Umlenkung um 18° erfolgen muss. Der Zustand vor dieser Umlenkung ist bekannt, wir haben ihn zuvor ja ermittelt. Wir wiederholen also die Schritte mit diesen neuen Eingangsdaten und dem neuen Umlenkwinkel. Zur Vereinfachung

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wähle ich die Polare mit M*=1.8 (obwohl der ermittelte Wert eigentlich 1.79 wäre…). Es ergibt sich folgendes Bild. Der Stoßwinkel des zweiten Stoßes beträgt relativ zur vor dem Stoß vorliegenden Strömungsrichtung 42° und als kritische Machzahl nach dem Stoß findet man M*=1.49. Die dazu gehörige Machzahl M ermittelt man über die gegebenen Beziehungen zwischen Machzahl und kritischer Machzahl, man findet nach dem zweiten Stoß M=1.71. Dazu kann nun wieder der lokale Machsche Winkel bestimmt werden, es ist α=arcsin(1/1.71)=35.8° (relativ zur lokal vorliegenden Strömungsrichtung!). Wir befinden uns nun an der Schulter des Keilkörpers, dort muss eine Expansion um den Winkel -33° die Strömung in Richtung der ursprünglichen Anströmung zurückdrehen. Bekanntlich erfolgt dies im Falle einer Umlenkung durch eine Ecke über eine zentrierte Expansion, wobei die erste Charakteristik des Fächers die Steigung des Machschen Winkels vor der Expansion besitzt und die letzte Charakteristik die Steigung des Machschen Winkels nach der Expansion aufweist. Die Steigung vor der Expansion haben wir bereits bestimmt. Mit Hilfe des Epizykloidendiagramms ermitteln wir nun die kritische Machzahl nach der Expansion. Wir beginnen im Epizykoidendiagramm an derjenigen absteigenden (hier blauen) Charakteristik, die den Werten θ=+33° und M*=1.49 entspricht. Aus Darstellungsgründen wähle ich M*=1.5, da meine Zeichengenauigkeit hier ohnehin sehr eingeschränkt ist. Von diesem Startwert ausgehend folgen wir der Epizykloiden bis zum Umlenkwinkel θ=0° und lesen die dort vorliegende kritische Machzahl ab, es ist (siehe Epizykloide auf der nächsten Seite) M*=1.97. Der daraus resultierende Machsche Winkel ist α=19.3° (passend zu M=3.03).

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Expansion über Epizykloide ermitteln indem man vom Zustand vor der Expansion entlang der korrespondierenden Kurve (eine Charakteristik) die erforderliche Umlenkung erzeugt.

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Trägt man die zuvor ermittelten Stoßwinkel und die Machschen Winkel des Expansionsfächers in die Skizze ein, so ergibt sich offenbar folgendes Problem. Die beiden Stöße treffen an einen Punkt oberhalb des Profils aufeinander (bzw. sie würden sich schneiden). An dieser Stelle werden beide Stöße durch einen „vereinigten“ Stoß fortgesetzt, der dieselbe Umlenkung liefert wie beide Einzelstöße zusammen. Wir können damit auch diesen Stoß ermitteln, indem wir von der Vorstoßmachzahl M*=2.0 beginnend einen Stoß ermitteln, der um 33° umlenkt. Über die Stoßpolare findet man die kritische Nachstoßmachzahl M*=1.16 und einen Stoßwinkel von ca. 58° relativ zur Anströmung. Qualitativ erhalten wir folgendes Bild. Tatsächlich ergibt sich eine weitere Überschneidung – und zwar zwischen dem kombinierten Stoß und dem Expansionsfächer… aber das wollen wir jetzt mal gut sein lassen.

hier kommt evtl. noch was in 2011 dazu

θ1

θ2

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6.2.4 Kontaktwellen

6.2.5 Reguläre Reflexion und Machreflexion

6.2.6 Mehrstoßprobleme Herzkurve

7 Transschall

7.1 Profilumströmungen

7.1.1 Pfeilflügel

7.2 2-D Lavaldüsenströmung

7.3 Über- und Unterexpandierte Düse

8 Visualisierung kompressibler Strömungen

Windkanal

8.1 Schlierentechnik

8.2 Mach-Zehnder-Interferometrie