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Skript zur Vorlesung : Theoretische Physik V Statistische Physik Vorlesung WS 15/16 Prof. Dr. Jens Timmer 4. Mai 2016 1

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Skript zur Vorlesung :

Theoretische Physik V Statistische Physik

Vorlesung WS 15/16

Prof. Dr. Jens Timmer

4. Mai 2016

1

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Inhaltsverzeichnis1 Einleitung 5

I Thermodynamik 9

2 Thermodynamische Systeme 9

3 Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik 103.1 Thermodynamische Zustandsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 103.2 Mathematisches Vorspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143.3 Innere Energie und Temperatur, 0. Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . 173.4 Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183.5 Wärme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223.6 Der 1. Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

4 Der 2. Hauptsatz der Thermodynamik 294.1 Reversible und irreversible Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304.2 Carnot’scher Kreisprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334.3 Thermodynamische Definition der Entropie . . . . . . . . . . . . . . . 364.4 Der 2. Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394.5 Fundamentalrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434.6 Euler-Gleichung und Gibbs-Duhem-Relation . . . . . . . . . . . . . . 46

5 Der 3. Hauptsatz der Thermodynamik 49

6 Thermodynamische Potentiale 526.1 Prinzip der maximalen Entropie – Prinzip der minimalen Energie . . 536.2 Freie Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566.3 Legendre-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586.4 Enthalpie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616.5 Freie Enthalpie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646.6 Großkanonisches Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666.7 Maxwell-Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

7 Zusammenfassung Thermodynamik 71

II Statistische Mechanik 72

2

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8 Ein bißchen Statistik 728.1 Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 728.2 Beispiele für Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

9 Entropie revisited 919.1 Vorspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 929.2 Formalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 959.3 Entropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 999.4 Zustandssumme und Entropie des idealen Gases . . . . . . . . . . . . 1009.5 Shannon-Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1099.6 Prinzip der maximalen Entropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1159.7 3. Hauptsatz revisited . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1189.8 Entropische Kräfte revisited . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

10 Gesamtheiten 12210.1 Ergodenhypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12310.2 Mikrokanonische Gesamtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13010.3 Kanonische Gesamtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13110.4 Großkanonische Gesamtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13710.5 Äquivalenz der Gesamtheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

11 Anwendungen 14611.1 Maxwell’sche Geschwindigkeitsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . 14611.2 Barometrische Höhenformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14711.3 Gleichverteilungs- und Virialsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14711.4 Thermodynamische Freiheitsgrade in Quantensystemen . . . . . . . . 15011.5 Zwei-Niveau Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15311.6 Negative Temperaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15511.7 Relativistisches ideales Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

12 Quantengase 16212.1 Symmetrie der Vielteilchenwellenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . 16212.2 Besetzungszahl-Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16612.3 Ideales Fermi-Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16812.4 Ideales Bose-Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17012.5 Das Planck’sche Strahlungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17212.6 Phononen und spezifische Wärme von Festkörpern . . . . . . . . . . . 179

3

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13 Näherungsverfahren 18313.1 Virialentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18413.2 Molekularfeldnäherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18813.3 Renormierungsgruppentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

14 Phasenübergänge 20014.1 Klassifikation von Phasenübergängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20014.2 Skalierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20114.3 Landau-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

15 Was wir leider nicht geschafft haben 205

16 Danksagung 206

4

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1 EinleitungTechnicalities:

• Welche Semester ?

• Skript, Übungsanmeldung und Kommunikation über homepage

• Skript ist dünn, ersetzt nicht das Studium von Lehrbüchern !

Hierarchie

– Vorlesung: Konzepte– Bücher: Konzepte und Details– Übungen rechnen: Verständnis

• Was schon in der Experimental-Physik gehört ?

• Inhaltsverzeichnis

• Wenn etwas unklar: Fragen !

• Münsteraufgaben, Münsterführung

Literatur:

• W. Greiner, L. Neise, H. Stöcker. Thermodynamik und Statistische Mechanik

Englische Version liegt kostenfrei auf dem Netz

• T. Fließbach. Statistische Physik

• J. Honerkamp. Statistical Physics

• W. Nolting. Theoretische Physik 6. Statistische Physik

• F. Schwabl. Statistische Mechanik

• ...

Unterschiede der Bücher:

• Verhältnis Text zu Gleichungen

• Systematik der Trennung zwischen Thermodynamik und Statistischer Physik

Diese Vorlesung: Fast komplette Trennung

5

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Was bisher geschah:

• Klassische Mechanik

Newton: F = ma, z.B. F = −Gm1m2

r3~r

Lagrange:d

dt

∂qL(q, q)− ∂

∂qL(q, q) = 0

Hamilton: q =∂

∂pH(q, p), p = − ∂

∂qH(q, p)

• Elektrodynamik

Maxwell’sche Gleichungen

∇E =1

ε0ρ, ∇B = 0, ∇× E = − ∂

∂tB, ∇×B = µ0j + ε0µ0

∂tE

Ergeben z.B.:

1

c2

∂2

∂t2E =

∂2

∂x2E

• Quantenmechanik

Schrödinger-Gleichung

i~∂

∂tψ =

(− ~2

2m

∂2

∂x2+ V

Das sind alles deterministische Bewegungsgleichungen. Machen die Physik quanti-tative und prädiktiv.

And now for something completely different ...

• In der Statistischen Physik werden keine Bewegungsgleichungen, z.B. für dieWärme, abgeleitet

• Stattdessen: Verständnis des kollektiven Verhaltens vieler Teilchen

Beispiele:

• Neue Begriffe wie Temperatur

6

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• Wirkungsgrad von Wärmemaschinen

• Eis, Wasser, Gas: Phasenübergänge

• Fermionische und bosonische Systeme

• ...

Statistische Physik besteht aus

• Thermodynamik, allerdings nicht sehr dynamisch

• Statistische Mechanik

• Nicht-Gleichgewichtssysteme

• Stochastische Prozesse

Thermodynamik und Statistische Mechanik

• Gleichgewichtszustände

• Anzahl Teilchen makroskopischer Systeme ist in der Größenordnung 1023

• Orte und Impulse definieren Mikrozustand

• Mikroskopische Dynamik ist chaotisch, i.e. nicht periodisch.

Frage: Chaos klar ?

• Detailierte Lösung der Bewegungsgleichungen hoffungslos ...

• ... und auch sinnlos, Anspielung auf Human Brain Project

• Beobachtung: Makrozustand beschreibbar durch wenige Zustandsvariablen wieVolumen, Druck, Temperatur, Energie

Thermodynamik:

• Theorie von Makrosystemen

• Beschreibt Abhängigkeiten der Zustandsvariablen

• Beschreibt mögliche Zustandsänderungen

7

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• Partiell prädiktiv, partiell beschreibend

Statistische Mechanik:

• Stellt Zusammenhang zwischen Mikro- und Makrozuständen her

• Leitet makroskopische Eigenschaften aus mikroskopischen Eigenschaf-ten/Wechselwirkungen ab, Anspielung auf emergentes Verhalten

• Prädiktiv, obwohl statistisch

Bonbon: Es wird sich zeigen, dass es eine konsistente konsequent klassische Statisti-sche Mechanik nicht geben kann

Stichworte

• Gibbs’sches Paradoxon

• Spezifische Wärme großer Moleküle

• Normierung der Zustandssumme

• Planck’sches Strahlungsgesetz

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Teil I

Thermodynamik2 Thermodynamische SystemeThermodynamisches System:Eine Menge von Materie - Gase, Fluide, Festkörper - deren physikalischen Ei-genschaften eindeutig und vollständig durch Angabe bestimmter makroskopischerVariablen beschrieben werden kann.

Ein thermodynamisches System heißt

• abgeschlossen oder isoliert, wenn es nichts mit Umwelt austauscht.

Gesamtenergie, Teilchenzahl und Volumen sind erhalten und damit zur Be-schreibung des Systems geeignet.

Beispiel: Perfekte Thermoskanne

• geschlossen, wenn es keine Materie mit Umwelt austauscht.

Energieaustausch ist erlaubt. Temperatur wird wichtige Grösse

Beispiel: Milchtüte

• offen, sonst. Austausch von Energie und Teilchen erlaubt.

Chemisches Potential wird wichtige Größe

• homogen, wenn es in allen Bereichen gleich ist

• inhomogen, wenn es verschiedene Phasen aufweist

Beispiel: flüssige und gasförmige Phase

• Workhorse der Thermodynamik: Das ideale Gas

Zustandsgrößen sind makroskopische Variablen, die den Zustand des Systems cha-rakterisieren.Beispiele: Volumen, Energie, Entropie, Temperatur, Druck

• Sie sind wegunabhängig, hängen nicht davon ab, wie das System in seinenZustand gekommen ist

9

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• extensiv: proportional zur Systemgröße, erklren

Beispiele: Volumen, Energie

• intensiv: unabhängig von Systemgröße

Beispiele: Temperatur, Druck

Thermodynamische Zustandsgleichungen

• stellen Beziehungen zwischen Zustandsgrößen dar

• werden in der Thermodynamik meist empirisch bestimmt

• haben eingeschränkten Gültigkeitsbereich

• Systematische Ableitung in der Statistischen Mechanik

Thermodynamischer Limes:

N →∞, V →∞, N

V= ρ = const.

Thermodynamisches Gleichgewicht:

• Die (makroskopischen) Zustandsgrößen ändern sich nicht.

• Die Mikrozustände natürlich dauernd.

3 Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik

3.1 Thermodynamische Zustandsgleichungen

Thermische Zustandsgleichung setzt p, V , T und N in Beziehung

• Beispiel: Ideales Gas

– Boyle (1664) und Mariotte (1676): pV = const. für T = const.

– Gay-Lussac: (1802): VT

= const. für p = const.

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Zusammen, siehe Übung:

pV

T= const. ∝ N, da extensiv

ergibt Gasgleichung:

pV = NkT oder p = ρkT

mit Boltzmann-Konstante

k = 1.38 · 10−23 J

K

Gilt für geringe Drücke, geringe Dichte, hohe Temperaturen und im thermody-namischen Limes

• Beispiel: Reales Gas

Ideales Gas vernachlässigt:

– Eigenvolumen b der Teilchen

V → V −Nb

Kleiner Effekt

– Attraktive Wechselwirkung der Teilchen bewirkt Druckminderung pinnenProportional zur quadrierten Dichte :

(NV

)2

pideal = preal + pinnen, p→ p+

(N

V

)2

a

Relevanter Effekt

– Ergibt van der Waals Gleichung (1873), siehe Übung(p+

(N

V

)2

a

)(V −Nb) = NkT

Systematische Herleitung in Kap. 13.1.1

11

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Kalorische Zustandsgleichung: Eine Energiegleichung

Betrachte Ideales Gas in abgeschlossenem System:

• Im thermischen Gleichgewicht ändern sich die Geschwindigkeiten der Teilchenständig

• Aber im Mittel werden immer gleich viele Teilchen in einem Geschwindigkeits-intervall dv3 vorliegen

• Geschwindigkeits-Verteilung f(~v) ändert sich nicht

Es gilt∫∞−∞ f(~v)dv3 = 1 und

dN = Nf(~v)dv3

• Druck entsteht durch Impulsübertrag bei Reflexion an Wänden

Sei x−Achse senkrecht zu Wand-Flächenelement O, Impulsübertrag: 2mvx

• Frage: Wieviele Teilchen mit Geschwindigkeit ~v treffen in dt auf O ?

Anzahl der Teilchen in Parallelepiped

dN = NdV

Vf(~v)dv3

mit dV/V Bruchteil des Volumens des Epipeds vom Gesamtvolumen mit dV =Ovxdt

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• Damit Kraftstoß dFO auf Fläche O

dFOdt = 2mvxdN = 2Nmv2xf(~v)dv3Odt

V

”Kürze” dt und sammele alle Teilchen mit positiver Geschwindigkeit vx auf:

p =1

O

∫dF0 =

N

V

∫ ∞0

dvx

∫ ∞−∞

dvy

∫ ∞−∞

dvzf(~v)2mv2x

Beachte: f(~v) kann nicht von Richtung von ~v abhängen, nur von |~v|Folge: ∫ ∞

0

dvx =1

2

∫ ∞−∞

dvx

• Damit

pV = mN

∫ ∞−∞

d3vf(~v)v2x

Integral: Mittlere quadradratische Geschwindigkeit senkrecht zur Fläche

• Wegen Isotropie ∫ ∞−∞

d3vf(~v)v2x = 〈v2

x〉 = 〈v2y〉 = 〈v2

z〉

Wegen~v2 = v2

x + v2y + v2

z

gilt

〈v2x〉 =

1

3〈~v2〉

und

pV = mN1

3〈~v2〉 =

2

3N〈εkin〉, 〈εkin〉 : mittlere kinetische Energie eines Teilchens

• Mit pV = NkT und E = N〈εkin〉 erhalten wir

E =3

2NkT

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• Beachte: f(~v) muss nicht bekannt sein

• Schönere Herleitung in Kap. 9.4

3.2 Mathematisches Vorspiel

• Erinnere Taylorentwicklung

f(x) = f(x0) + f ′(x0)(x− x0) + ...

Taylor-Entwicklung 1. Ordnung

– gültig für kleine ∆x = x− x0

– ∆f = f(x+ dx)− f(x) ≈ f ′(x)∆x

– beste lineare Näherung

– Infinitesimal: df = f ′(x)dx

• Mehr-dimensionaler Fall

∆f(x, y) = f(x+ dx, y + dy)− f(x, y)

df(x, y) =∂f

∂x

∣∣∣∣y

dx+∂f

∂y

∣∣∣∣x

dy

Beschreibt Tangentialebene

• Definition: Das totale (oder vollständige oder exakte) Differential einer diffe-renzierbaren Funktion ist

df =N∑i=1

∂f

∂xidxi

• Erinnere 1. Semester

Kurvenintegration

f = f(x, y) = f(~x), ~x =

(xy

)df =

∂f

∂xdx+

∂f

∂ydy

= ~∇f · d~x

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mit

~∇ =

(∂∂x∂∂y

)und d~x =

(dxdy

)• Für vollständiges Differential

df = ~F (~x)d~x

gelte

~F (~x) = ~∇f(~x)

Dann ist f Stammfunktion von ~F

• Wegintegral über ~F hängt nur von Anfangs- und Endpunkt ab, aber nicht vomIntegrationsweg.

• Beispiel: Arbeit W an Teilchen entlang einer Kurve C von ~x1 nach ~x2 in kon-servativem Kraftfeld ~F (~x) mit Potential V (~x)

W =

∫C

~F (~x) · d~x = −∫C

~∇V (~x) · d~x = −V (~x2) + V (~x1)

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• Test auf Exaktheit:

Sei f(x, y) zweimal differenzierbare Funktion mit

df(x, y) =∂f

∂xdx+

∂f

∂ydy =

(FxFy

)·(dxdy

)= ~F · d~x

Es gilt der Satz von Schwarz

∂2f

∂x∂y=

∂2f

∂y∂x

oder∂Fy∂x

=∂Fx∂y

Damit: Drehe es herum. Gehe von beliebigem Differential und damit ~F (~x) ausund teste, ob es exakt ist.

• Beispiele:

– In 1-D ist jedes Differential trivial exakt

– Betrachte

~F · d~x = ydx+ xdy

Dann gilt

∂Fx∂y− ∂Fy

∂x= 1− 1 = 0

und das Differential ist exakt

– Betrachte~F · d~x = yx dx+ x2 dy

Es folgt

∂Fx∂y− ∂Fy

∂x= x− 2x = −x 6= 0

und das Differential ist nicht exakt.

• Nicht-exakte Differentiale:

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– Wegintegral hängt vom Weg ab

– werden mit δf bezeichnet

• In drei Dimensionen

df =

FxFyFz

· dx

dydz

= ~Fd~x

rot~F = 0 =⇒ df ist vollständiges Differential

• Integrierender Faktor

– Trick, aus einem nicht-exakten Differential ein exaktes zu machen

– Betrachte zweites Beispiel und ergänze 1x

1

x

(yx dx+ x2 dy

)– Es folgt

∂Fx∂y− ∂Fy

∂x= 1− 1 = 0

ein exaktes Differential.

– 1xist der integrierende Faktor für nicht exaktes Differential yx dx+ x2 dy

– Siehe Übung

3.3 Innere Energie und Temperatur, 0. Hauptsatz

Ein isoliertes Systems erhält die Gesamtenergie.Diese innere Energie U ist

• die Summe aller Energien

• eine Zustandsgröße

• extensiv

• im allgemeinen in Bezug auf ihre Änderung interessant

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Beispiel: Ideales Gas

U =3

2NkT, mit Boltzmann-Konstante k = 1.38 · 10−23 J

K

• Der 0. Hauptsatz: Es gibt eine intensive Zustandsvariable Temperatur T , sodass sich Systeme genau dann miteinander im thermischen Gleichgewicht be-finden, wenn sie den selben Wert von T aufweisen.

• Bei einem isolierten System ist die innere Energie identisch mit der aus Me-chanik und Elektrodynamik bekannten Gesamtenergie.

• Für nicht-isolierte Systeme kommt noch Arbeit und/oder Wärmeaustausch hinzu.

3.4 Arbeit

• Die innere Energie U ist im isolierten System erhalten.

• U ändert sich aber bei Interaktion mit Umgebung.

Betrachte Kolben, der mit Kraft ~Fa auf System drückt

Im Gleichgewicht: ~Fa = −~FiVerschiebe Kolben um d~s

δW = ~Fad~s = −~Fid~s

Vorzeichenkonvention:

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– System leistet Arbeit, Energie wird abgeführt: δW < 0

– Am System wird Arbeit geleistet, Energie wird zugeführt: δW > 0

Da ~Fa‖d~s und dV = Ads, folgt

~Fid~s =FiAAds = pdV

und somit:

δW = −pdV, beachte: dV < 0

Beachte: Die Arbeit ist keine Zustandsgröße

Beispiel: Kompression eines Gases

V1 → V2, V2 < V1

∆W = −∫ V2

V1

p(V )dV

Proof by examples:

• Isotherme Kompression

N = const., T = const.

Mit

pV = NkT

p(V ) =NkT

V

∆W = −∫ V2

V1

NkT

VdV

= NkT log

(V1

V2

)

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V1V2

• Isobare Kompression

N = const., p = p0 = const.

∆W = −∫ V2

V1

p0dV = −p0(V2 − V1)

V1V2

• Ergo: ∆W hängt vom Vorgehen ab.

20

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Es gilt:

• Die Größe X ist genau dann eine Zustandsgröße, wenn sie ein vollständigesDifferential dX besitzt.

1. weekWeitere Beispiele für Arbeit

• Änderung der elektrischen Ladung q im elektrischen Potential φ

δW = φdq

Widerstand des Systems gegen Zuführung weiterer Ladung analog zu Druckals Widerstand gegen Kompression

• Änderung der Teilchenzahl N , mit chemischem Potential µ

δW = µdN

Widerstand gegen Zuführung von weiteren Teilchen

• δW ist immer ein Produkt aus einer intensiven und einer extensiven Zustands-größe, Energie-konjugierte Variable

• Alle Arten von Arbeit können (im Prinzip) ineinander überführt werden

Integrierender Faktor revisited:

• δW kein exaktes Differential

δW = −pdV

• 1/p ist integrierender Faktor

dV = −1

pδW

Einschub: Der Mpemba-Effekt

• Unter bestimmten Bedingungen gefriert heisses Wasser schneller als kaltes

• War schon Aristoteles bekannt

21

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• Reanimiert 1963 durch tansanischen Schüler Erasto Mpemba bei der Herstel-lung von Speiseeis

• Bis heute nicht vollständig verstanden

• Wichtigster Effekt: Heisses Wasser verdunstet teilweise, dann muss wenigerWasser gefrieren. In der Diskussion: Konvektion, gelöste Gase

• Wirkung bei Mpemba

– Er hat weniger Speiseeis hergestellt als prinzipiell möglich

– Er musste den Kühlschrank häufiger enteisen

3.5 Wärme

Antoine Laurent de Lavoisier (1787) Kalorische Theorie: Wärme als Substanz

• Ein weiteres Element, nicht zu erzeugen, nicht zu vernichten

• Unsichtbar

• Gewichtslos

• Selbstabstoßend, darum gleichen sich Tempraturunterschiede aus

• Lockerung der Moleküle durch Ansammlung der kalorischen Substanz führtzum Schmelzen/Verdampfen

• Widerlegung der Theorie: Sir Benjamin Thompson, Graf Rumford (1789) Ge-genbeispiel: Reibung (beim Bohren von Kanonen)

Mayer (1845):Wärme ist eine Form der Energie(änderung), keine Zustandsgröße.

Definition:δQ ist die Wärmemenge, die eine Temperaturänderung einer Substanz von dT bewirkt

δQ = C(T ) dT

mit C, der totalen Wärmekapazität der erwärmten Substanz

22

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• C ist extensive Größe, da δQ extensiv und dT intensiv

• Zur Charakterisierung einer Substanz besser intensive Größe:

c =C

Nspezifische Wärme(kapazität)

odercM =

NA

NC molare spezifische Wärme(kapazität)

mit NA ≈ 6 · 1023 die Anzahl der Teilchen pro Mol (12 g C12)

CV und Cp

• Wärmekapazität hängt von Prozessführung ab, p = konstant (Cp) oder V =konstant (CV )

• Allgemeinen gilt Cp > CV , da bei p = const. auch Volumenausdehnungsarbeitgeleistet werden muss

• Betrachte ideales Gas bei V = const. und Temperaturänderung dT

dU = δQ = dQ = CV dT

Dann gilt

CV =

(∂U

∂T

)V

Ideales Gas:

U =3

2NkT

CV =

(∂U

∂T

)V

=3

2Nk

cV =CVN

=3

2k

23

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3.6 Der 1. Hauptsatz

Ein System, das mit Umgebung Arbeit δW und Wärme δQ austauscht, verändertseine innere Energie U nach

dU = δW + δQ

Vorzeichenkonvention:

• δQ > 0 : dem System zugeführte Wärme

• δQ < 0 : vom System abgegebene Wärme

• δW > 0 : dem System zugeführte Arbeit

• δW < 0 : vom System abgegebene Arbeit

Beachte:

• Energieerhaltung

• Innere Energie U ist eine Zustandsgröße

• dU damit ein vollständiges Differential

• δW und δQ im allgemeinen pfadabhängig, keine vollständigen Differentiale

• Erinnere kalorische Theorie: U ist global erhalten, aber keine Substanz, sonderneine Eigenschaft der Materie

• Interpretation: Es gibt kein Perpetuum mobile (sich ständig Bewegendes)1. Art, d.h. keine Maschine, die nichts anderes macht als Arbeit zu leisten

• Seit 1775: Französische Akademie der Wissenschaften nimmt keine Vorschlägemehr an

Anwendung:Betrachte Zustandsgleichung des idealen Gases

pV = NkT

• Im folgenden N konstant.

• 3 Variablen: p, V und T

Hält man jeweils eine konstant, ergeben sich drei mögliche Prozesse.

24

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• 4. Prozess: Adiabatischer Prozess mit δQ=0

Ausgangspunkt: 1. Hauptsatz mit U(V, T )

dU =

(∂U

∂V

)T

dV +

(∂U

∂T

)V

dT

Betrachte ideales Gas

U =3

2NkT

CV =3

2Nk

pV = NkT

• V = V0 = konstant. Isochore Zustandsänderung

Experiment: Erhitzen von Gas in geschlossenem Gefäß von T1 nach T2

(V0, p1, T1)∆Q→ (V0, p2, T2)

In Abhängigkeit von Änderung von T

dU = δQ− p dV︸︷︷︸=0

= δQ = dQ = CV dT

∆U = U2 − U1 =

∫ T2

T1

CV dT = CV (T2 − T1) = ∆Q

In Abhängigkeit von Änderung von p

Mit Ti = piV0Nk

folgt:

∆U =CV V0

Nk(p2 − p1)

Merke :∆U = ∆Q = CV (T2 − T1) (1)

• p = p0 = konstant. Isobare Zustandsänderung

(V1, p0, T1)∆Q,∆W→ (V2, p0, T2)

25

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Experiment: Gefäß mit flexibler masseloser Abdeckung unter Luftdruck

dU = δQ+ δW

∆W = −∫ V2

V1

p0 dV = −p0(V2 − V1)

– Beachte: δQ = CV dT nicht anwendbar, da p = const.

– Für ideales Gas: U = 32NkT , unabhängig vom Volumen

– Damit gilt allgemein

dU =

(∂U

∂T

)V

dT = CV dT

Gilt auch für adiabatische Proszesse.

– Damit

∆U =

∫ T2

T1

CV dT = CV (T2 − T1) =CV p0

Nk(V2 − V1)

Damit Wärmeänderung:

∆Q = ∆U −∆W = p0

(CVNk

+ 1

)(V2 − V1)

MitV =

NkT

p0

folgt∆Q = (CV +Nk)(T2 − T1)

Merke:

– ∆Q ist wegen Ausdehnungarbeit im isobaren Fall größer als in isochoren,Gl. (1).

– Für ideales Gas gilt, Beweis folgt:

Cp = CV +Nk =5

2Nk

26

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• T = T0 = konstant. Isotherme Zustandsänderung

(V1, p1, T0)∆Q,∆W→ (V2, p2, T0)

Experiment: Expansion in Gefäß im Wärmebad

U =3

2NkT0 → dU = 0

∆W = −∫ V2

V1

p(V )dV = −NkT0

∫ V2

V1

dV

V= −NkT0 log

(V2

V1

)= NkT0 log

(p2

p1

)∆Q = −∆W = NkT0 log

(V2

V1

)• δQ=0. Adiabatischer Prozess, kein Wärmeaustausch

Experiment: Isoliertes Gefäß

(V1, p1, T1)∆W→ (V2, p2, T2)

Mit

dU = δW + δQ︸︷︷︸=0

= δW = dW

dU = CV dT

dW = −pdV = −NkTV

dV

folgt:

CVTdT = −Nk

VdV

CV

∫ T2

T1

dT

T= −Nk

∫ V2

V1

dV

V

CV log

(T2

T1

)= −Nk log

(V2

V1

)T2

T1

=

(V2

V1

)− NkCV

=

(V1

V2

)2/3

Entsprechend, mit Hilfe der Gasgleichung: Die Adiabaten-Gleichungen:

27

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(T2

T1

)5/2

=p2

p1

,p1

p2

=

(V2

V1

)5/3

pV -Adiabaten (Isentropen) verlaufen steiler als Isothermen: pV 5/3 = const.

Lessons learned

• Für ideales Gas gilt:

pV = NkT, U =3

2NkT, CV =

3

2Nk

• Wärme ist kein Stoff

• Wärme und Arbeit sind keine exakten Differentiale

• Innere Energie ist exaktes Differential

• Adiabaten verlaufen steiler als Isothermen

Die d-Zoologie1: ∂, d, δ, ∆

• ∂: partielle Ableitung

d

dxf(y(x)) =

∂f

∂y

∂y

∂x

• d: exaktes Differentialdf(x, y) =

∂f

∂xdx+

∂f

∂ydy

mit∂f

∂x∂y=

∂f

∂y∂x

• δ: nicht exaktes Differential

δf(x, y) = g(x, y)dx+ h(x, y)dy

1Auch als Deologie bezeichnet

28

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mit∂g

∂y6= ∂h

∂x

• ∆: Endliche Änderung

∆W =

∫ V2

V1

dV....

4 Der 2. Hauptsatz der ThermodynamikExtremalprinzipien in der Physik:

• Klassische Mechanik: Minimierung der Wirkung, Hamilton’sches Prinzip,Euler-Lagrange Gleichungen

• Optik: Fermat’sches Prinzip: Kürzeste optische Weglänge

• Dissipatives mechanisches System: Minimierung der Energie

• Was ist Extremalprinzip für Ausdehnung eines Gases ?

Beachte: Für ideales Gas ändert sich hierbei die innere Energie nicht

• Allgemein: Gibt es ein Extremalprinzip, das für die Einstellung eines Gleich-gewichtes ”verantwortlich” ist ?

29

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4.1 Reversible und irreversible Prozesse

• Beobachtung: Im isoliertem System laufen Zustandsänderungen ”von selbst””spontan” ab, bis Gleichgewichtszustand erreicht ist. Diese Art von Änderungensind irreversibel, d.h. kehren sich von selbst nicht um.

Beispiele:

– Aus der Thermodynamik:

∗ Ausdehnung eines Gases von kleinem in grosses Volumen

∗ Temperaturausgleich

– Aus der Mechanik: Pendel mit Reibung

Spontane Umkehrung ist nie beobachtet wurden. Ist aber energetisch (1. Haupt-satz) möglich

• Eigenschaften von irreversiblen thermodynamischen Prozessen:

– Irreversible Prozesse laufen über Nichtgleichgewichtszustände ab

– Zustandsgrößen haben während des Prozesses keine definierten Werte

– Es gibt räumliche Inhomogenitäten

– Turbulenz kann entstehen, die am Ende Wärme produziert.

– Klar machen an Ausdehnung von kleinem in grosses Volumen

• Reversible Prozesse laufen über Gleichgewichtszustände

– Idealisierung: Ist System im Gleichgewicht, passiert nix

– Zustandsgrößen haben zu jedem Zeitpunkt definierte Werte.

30

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– Totale Änderung der Zustandsgrößen kann über Integration bestimmtwerden.

• Realistische Näherung: Quasi-reversible Prozesse

– Infinitesimale, langsame quasi-statische Änderung der Zustandsgrößen

– ”Langsam”: Änderung langsamer als Relaxationszeit des Systems

Beispiel: Isotherme Expansion

Irreversible Prozessführung

• Abrupte Wegnahme des Gewichtes, zur Seite stellen

• Gas dehnt sich (turbulend) auf Volumen V2 aus (minimalstes Restgewicht)

T = const. M

M

31

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• Es wird keine Arbeit geleistet, δW = 0.

• Prozess irreversibel, da zur Seite gelegtes Gewicht nicht nach oben hüpfen kann

Reversible Prozessführung

• Verkleinere Masse schrittweise um dM und hebe Massestücke an entsprechen-der Höhe auf

• Mache dies so langsam, dass System stets im (Quasi-)Gleichgewicht bleibt

• System leistet Arbeit

∆W = −∫ V2

V1

pdV = −NkT∫ V2

V1

dV

V= −NkT log

(V2

V1

)• Prozess reversibel, da man Massenstücke dM sukzessive wieder auflegen kann.

Der 1. Hauptsatz gilt unabhängig von Prozessführung

• DamitdU = δWrev + δQrev = δWirr + δQirr

• Unter Berücksichtigung des Vorzeichens, Kompression, Expansion

δWirr ≥ δWrev = −pdVδQirr ≤ δQrev = siehe Kap. 4.3

32

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• Beachte: δW = −pdV gilt nur bei reversibler Prozessführung

• Bei reversibler Prozessführung wird am wenigsten Arbeit benötigt, bzw. ammeisten verrichtet

• Bei irreversibler Prozessführung wird Teil der Arbeit in (Ab-)wärme verwandelt

• Wieder einmal:

δW und δQ hängen von der Prozessführung ab.

Sie können daher keine Zustandsgrößen sein

Der 1. Hauptsatz reicht zur Beschreibung irreversibler Prozesse nicht aus, daer sie nicht verbietet:Es braucht weitere Zustandsgröße

4.2 Carnot’scher Kreisprozess

Betrachte Kreisprozess

• Arbeitsmedium wird nach Reihe von Zustandsänderungen wieder in Ausgangs-zustand gebracht

• Es gilt ∮dU = 0

Carnot’scher Kreisprozess (1824)

• Beispiel für Wärmekraftmaschine

• Arbeitsmedium: Ideales Gas

• Besteht aus zwei isothermen und zwei adiabatischen Prozessen

33

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A

B

CD

adiabatisch

isotherm

Die vier Prozesse:

• A→ B: Isotherme Expansion, T = Th

dUAB = ∆UAB = 0

∆QAB = −∆WAB =

∫ VB

VA

pdV = NkTh log

(VBVA

)> 0

System verrichtet Arbeit, ∆QAB wird aus dem Wärmebad aufgenommen.

• B → C: Adiabatische Expansion, ∆QBC = 0

TlTh

=

(VBVC

)2/3

System verrichtet Arbeit und kühlt ab. Geleistete Arbeit wird der innerenEnergie entnommen

∆UBC = ∆WBC =

∫ Tl

Th

CV dT = CV (Tl − Th) < 0

• C → D: Isotherme Kompression , T = Tl, ∆UCD = 0

∆QCD = −∆WCD = NkTl log

(VDVC

)< 0

Arbeit wird zugeführt, Wärme ans Wärmebad abgegeben

34

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• D → A: Adiabatische Kompression, ∆QDA = 0

ThTl

=

(VDVA

)2/3

∆UDA = ∆WDA = CV (Th − Tl) > 0

Dem System wird Arbeit zugeführt

Energiebilanz:

∆Utotal =4∑i=1

∆Ui,i+1modulo 4 = CV (Tl − Th) + CV (Th − Tl) = 0

Glück gehabt ! :-)

Wärme und Arbeit:

∆QAB = NkTh log

(VBVA

)> 0 (2)

∆QCD = NkTl log

(VDVC

)< 0 (3)

• Mit (ThTl

)3/2

=VBVC

=VAVD

folgt

∆Qtotal = Nk log

(VBVA

)(Th − Tl) > 0 (4)

• Wärme wird zugeführt

• Und damit wegen ∆U = 0

∆Wtotal = −∆Qtotal < 0

Arbeit wird verrichtet.

• Eine Maschine, die Wärme in Arbeit umwandelt !

35

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Aber wie gut ?

• Wirkungsgrad η: Der in Arbeit umgewandelte Teil der aufgenommenen Wärme

η =|∆Wtotal|∆QAB

=∆QAB + ∆QCD

∆QAB

= 1 +∆QCD

∆QAB

= 1− TlTh

< 1 (5)

Wärme kann nie vollständig in Arbeit umgewandelt werden.

• Übung: Man kann zeigen: Im beliebigen Kreisprozess bildet Gl. (5) obereSchranke für η

• Beispiel Wärmekraftwerk:

Th = 800K, Tl = 300K

ηideal = 1− 300K

800K=

5

8≈ 60%

ηreal = ≈ 45%

2. week

4.3 Thermodynamische Definition der Entropie

Nach Vorwissen über Entropie fragen

• Gl. (4): Wie zu erwarten: Q im Carnot-Prozess keine Zustandsgröße

• Aus Gl. (2, 3) folgt aber

∆QAB

Th+

∆QCD

Tl= 0

• Zerlege den Prozess in infinitesimal kleine Teilstücke, so folgt:∮δQrev

T= 0

1Tist der integrierende Faktor, der aus dem nicht-exakten Differential δQrev ein

exaktes und damit eine Zustandsgröße macht !

36

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• Man kann zeigen:

– δQT

ist für jeden reversiblen Kreisprozess ein exaktes Differential, Übung ?– Ebenso für jeden reversiblen thermodynamischen Prozess

• Ergo: Es muss eine Zustandsvariable geben, die durch

dS =δQrev

T, SB − SA =

∫ ZustandB

ZustandA

δQrev

T

definiert ist

• Die Größe S heißt Entropie, Clausius (1865)

– Kunstwort aus εν = in und τρoπη = Verwandlung: Entropie– ”Da die Entropie ebenso wichtig ist, soll sie auch so ähnlich heissen wie

die Energie”– ”Wandlungspotential”, misst ”Energieentwertung”– Damit wird auch ”Isentrope” bei adiabatischer Zustandsänderung klar

• Carnot-Maschine im S-T Diagramm

T

S

• Für reversible Prozesse gilt

dS =δQrev

T

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• S ist extensiv

• Bei irreversibler Prozessführung gilt, beachte Vorzeichen

δQirr ≤ δQrev = TdS

• In Kapitel 9 ”Entropie revisited” werden wir einen komplett anderen - mi-kroskopischen, statistischen - Zugang zur Entropie kennenlernen und mit demhiesigen - makroskopisch, thermodynamischen - zusammenführen

Entropie des idealen Gases in Abhängigkeit von T und V

• Sei N = const.

• 1. HauptsatzdU = TdS − pdV

mit Zustandsgleichungen

U =3

2NkT, pV = NkT

• Damit 1. Hauptsatz aufgelöst nach dS

dS =3

2Nk

dT

T+Nk

dV

V

Startend von Zustand (T0, V0) mit Entropie S0, integriere auf

S(T, V )− S0(T0, V0) =3

2Nk log

T

T0

+Nk logV

V0

= Nk log

[(T

T0

)3/2(V

V0

)](6)

Ergebnis: Entropie nimmt mit T und V zu

• Beachte: Nicht die komplette N -Abhängigkeit, weil Term µdN in 1. Hauptsatzfehlte

• Betrachte (irreversible) freie Ausdehnung eines idealen Gases von kleinem ingrosses Volumen in geschlossenem System

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– Thermisch isoliert: ∆Q = 0

– Volumenerhöhung: ∆V > 0

– Es wird keine Arbeit verrichtet: ∆W = 0

– 1. Hauptsatz: ∆U = 0. Ideales Gas: U = U(T ), damit ∆T = 0

– Aber Entropieänderung

∆S = S(T, V1, N)− S(T, V0, N) = Nk logV1

V0

> 0

– Erster Hinweis: Entropie auch jenseits von δQrevT

wichtig

• In Abhängigkeit von (T, p)

S(T, p)− S0(T0, p0) = Nk log

[(T

T0

)5/2(p0

p

)]

• Da Entropie extensiv muss gelten

S(T, p) = Nk

(s0(T0, p0) + log

[(T

T0

)5/2(p0

p

)])(7)

Details in der Statistischen Physik

4.4 Der 2. Hauptsatz

• Clausius (1850)

• Betrachte abgeschlossenes System, es gilt

δQirr ≤ δQrev = TdS

• Im Gleichgewicht:

δQirr = δQrev = 0 =⇒ dS = 0

Ergo: Die Entropie ist in einem abgeschlossenen System im Gleichgewicht ex-tremal.

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Minimum oder Maximum ?

• Betrachte ein zusammengesetztes, insgesamt isoliertes System

t < 0: Subsysteme seien isoliert

t ≥ 0: Subsysteme gehen ins thermische Gleichgewicht

• DaUA + UB = const. =⇒ dUA = −dUB

Mit

dUA = δQ+ δW = dQ = TAdSA

dUB = TBdSB

• Entropie ist extensiv:

dS = dSA + dSB =dUATA

+dUBTB

dS = dUB

(1

TB− 1

TA

)Die Entropie ist nicht erhalten !

– Für TB > TA: Wärme fließt von B nach A → dUB < 0 → dS > 0

– Für TB < TA: Wärme fließt von A nach B → dUB > 0 → dS > 0

– Ist TA 6= TB läuft spontaner Prozess ab und es gilt dS > 0

40

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– Ist TA = TB: Thermisches Gleichgewicht und dS = 0

2. Hauptsatz:In einem abgeschlossenen System im thermischen Gleichgewicht gilt:

dS = 0, S = maximal

Für spontane Prozesse gilt:dS > 0

Entropie definiert über ein Extremalprinzip den Gleichgewichtszustand.

Alternative Formulierungen

• Clausius: ”Es gibt keinen thermodynamischen Prozess, der ausschließlich Wär-me von einem kälterem in ein wärmeres Reservoir überführt. Es existiert keineideale Kältemaschine”

Beweis:

– Da Gesamtsystem keine Arbeit leistet noch Wärme austauscht, kann esals abgeschlossen betrachtet werden.

– Sei T1 < T2

41

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–dS1 = −δQ

T1

, dS2 =δQ

T2

Damit

δQT1 − T2

T1T2

< 0dS = dS1 + dS2 = −δQT1

+δQ

T2

= δQT1 − T2

T1T2

< 0

Widerspruch

– Beachte: Wärme vom wärmeren zum kälteren Reservoir fliessen lassengeht :-)

• Kelvin: ”Es gibt keinen periodischen2 thermodynamischen Prozess, der aus-schließlich Wärme in Arbeit verwandelt. Es existiert keine ideale Wärmekraft-maschine”

oder

Planck: ”Es gibt kein Perpetuummobile 2. Art: Periodisch arbeitende Maschine,die Wärme zu 100 % in Arbeit umwandelt und speichert”

Beweis

Wärme Maschine Speicher

– Nach einem Arbeitszyklus

∆UM = ∆Q︸︷︷︸>0

+ ∆W︸︷︷︸<0

= 0

∆Utotal = ∆Q+ ∆W = 0

1. Hauptsatz ist erfüllt2periodisch ist wichtig, einzelne Prozesse können das. Erinnere isotherme Expansion

42

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– Betrachte 2. HauptsatzNach einem Arbeitszyklus:

∆Stotal = ∆SB + ∆SM + ∆SS ≥ 0

∆SB = −∆Q

T< 0

∆SM = 0

∆SS = 0

=⇒ ∆Stotal < 0

Widerspruch zum 2. Hauptsatz

• Mit Entropie lautet der 1. Hauptsatz für reversible Zustandsänderungen:

dU = δQrev + δWrev = TdS − pdV + µdN + . . .

Analogie:

Entropie für Austausch vonWärme entspricht Volumen bei Kompressionsarbeitgegen Druck

• Erinnere ”Energiewertigkeit”

Für T2 > T1 gilt

dS1 =δQ

T1

>δQ

T2

= dS2

Wärme bei höherer Temperatur ist ”mehr wert” als bei niedriger.

4.5 Fundamentalrelationen

• Betrachte Kombination von 1. Hauptsatz mit Entropie-Definition für reversibleProzesse

dU = δQrev + δWrev = TdS − pdV + µdN

Innere Energie U in Abhängigkeit der extensiven Zustandsgrößen S, V,N .

• S, V,N werden als die natürlichen Variablen der inneren Energie bezeichnet

43

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• Mit

dU =

(∂U

∂S

)V,N

dS +

(∂U

∂V

)S,N

dV +

(∂U

∂N

)V,S

dN

ergeben sich die intensiven Zustandsgrößen

T (S, V,N) =

(∂U

∂S

)V,N

, p(S, V,N) = −(∂U

∂V

)S,N

, µ(S, V,N) =

(∂U

∂N

)V,S

(8)

• Die Kenntins von U(S, V,N) bestimmt das thermodynamische System kom-plett

Daher wird

dU = TdS − pdV + µdN (9)

auch als Fundamentalrelation oder Gibbs’sche Fundamentalform bezeichnet.

Entropie-Darstellung

• Umstellen der Fundamentalrelation nach dS liefert Fundamentalrelation in derEntropie-Darstellung

dS(U, V,N) =1

TdU +

p

TdV − µ

TdN (10)

dS =

(∂S

∂U

)V,N︸ ︷︷ ︸

1/T

dU +

(∂S

∂V

)S,N︸ ︷︷ ︸

p/T

dV +

(∂S

∂N

)V,S︸ ︷︷ ︸

−µ/T

dN

mit

T = T (U, V,N), p = p(U, V,N), µ = µ(U, V,N)

• U, V,N sind die natürlichen Variablen der Entropie

Zustandsgleichungen revisited

44

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• Zustandsgleichungen: Relationen, die im Gleichgewicht zwischen den thermo-dynamischen Variablen einens Systems bestehen

• Bestimmungsgleichungen der intensiven Zustandsvariablen Gl. (8) liefern Zu-standsgleichungen

• Beispiel: Ideales Gas:

– Rechnung analog zu Gl. (6-7) liefert für Entropie in den natürlichen Va-riablen U, V,N :

S(U, V,N) = Nk

(s0(U0, V0, N0) + log

[(U

U0

)3/2(V

V0

)(N0

N

)5/2])

– Damit1

T=

(∂S

∂U

)V,N

=3

2Nk

1

U=⇒ U =

3

2NkT

p

T=

(∂S

∂V

)U,N

=Nk

V=⇒ pV = NkT

Variablentransformation

• Gleichungen (9) und (10) gehen direkt auseinander hervor

• Beachte: T , p, und µ hängen nicht von den selben Variablen ab

• Beispiel Temperatur

T (S, V,N) =: f(S, V,N) Energie-DarstellungT (U, V,N) =: g(U, V,N) Entropie-Darstellung

• Sei N = const.

• Umrechnung T (S, V ) in T (U, V ) per Variablentransformation

• Start: T (S, V )

dT (S, V ) =

(∂T

∂S

)V

dS +

(∂T

∂V

)S

dV

45

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Für S → U , betrachte S(U, V )

dS(U, V ) =

(∂S

∂U

)V

dU +

(∂S

∂V

)U

dV

• Eingesetzt:

dT (U, V ) =

(∂T

∂S

)V

[(∂S

∂U

)V

dU +

(∂S

∂V

)U

dV

]+

(∂T

∂V

)S

dV

=

(∂T

∂S

)V

(∂S

∂U

)V

dU +

[(∂T

∂S

)V

(∂S

∂V

)U

+

(∂T

∂V

)S

]dV

• Ergo: f(S, V,N) 6= g(U, V,N)

4.6 Euler-Gleichung und Gibbs-Duhem-Relation

• Extensive Variablen sind homogene Funktionen 1. Grades

Beispiel: Innere Energie

U(λS, λV, λN) = λ1U(S, V,N) (11)

• Intensive Variablen sind homogene Funktionen 0. Grades, z.B. Temperatur

T (λS, λV, λN) = λ0T (S, V,N)

Homogenität hat weitreichende Folgen

• Differentiation von Gl. (11) nach λ ergibt:

d

dλU(λS, λV λN) =

∂U

∂(λS)

∂(λS)

∂λ︸ ︷︷ ︸=S

+∂U

∂(λV )

∂(λV )

∂λ︸ ︷︷ ︸=V

+∂U

∂(λN)

∂(λN)

∂λ︸ ︷︷ ︸=N

= U(S, V,N)

• Gilt ∀ λ, setze λ = 1. Ergibt Euler-Gleichung

U = TS − pV + µN (12)

46

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• Bedeutung: Fundamentalrelation kann trivial integriert werden, obwohl T , pund µ Funktionen von S, V und N sind.

• Betrachte totales Differential der Euler-Gleichung:

dU = TdS − pdV + µdN + SdT − V dp+Ndµ

Vergleich mit 1. Hauptsatz:

dU = TdS − pdV + µdN

Es gilt die Gibbs-Duhem-Relation:

SdT − V dp+Ndµ = 0 (13)

• Bedeutung: Die zu den extensiven Variablen Energie-konjugierten intensivenVariablen können nicht unabhängig sein.

• Anschauung:

Aus den drei extensiven Zustandsgrößen S, V , und N lassen sich nur zweiintensive S/N und V/N ableiten.

Chemisches Potential des idealen Gases

• Gibbs-Duhem-Relation:

SdT − V dp+Ndµ = 0

oder

dµ(p, T ) = −S(p, T )

NdT +

V (p, T )

Ndp

Mit Gl. (7) und Gasgleichung folgt

dµ(p, T ) = −k

(s0(T0, p0) + log

[(T

T0

)5/2(p

p0

)])dT + kT

dp

p

47

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• µ ist Zustandsgröße, Übung ?, hat exaktes Differential, darf über beliebigenWeg integriert werden

• Wähle (i) isobar von T0 nach T (ii) isotherm von p0 nach p

p

T

µ(p, T ) = µo(p0, T0)−∫ T

T0

(s0k +

5

2k log

(T

T0

))dT + kT

∫ p

p0

dp

p

Mit ∫dx log x = x log x− x

folgt

µ(p, T ) = µo(p0, T0)− s0k(T − T0)− 5

2kT log

(T

T0

)+

5

2k(T − T0) + kT log

p

p0

= µo(p0, T0)− kT log

((T

T0

)5/2p0

p

)+ k(T − T0)

(5

2− s0

)

Chemisches Potential hängt im wesentlichen von kT ab, d.h. der mittlerenkinetischen Energie der Teilchen ab

48

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• Um neues Teilchen im Gleichgewicht bei Temperatur T und Druck p einemidealen Gas hinzuzufügen, muss unabhängig der Anzahl bereits vorhandenerTeilchen, die Energie µ(p, T ) aufgebracht werden.

Übung: Massenwirkungsgesetz

Lessons learned

• Reversible und irreversible Prozesse

• Carnot’scher Kreisprozess

• Entropie als exaktes Differential und Zustandsgröße

• 2. Hauptsatz: dS ≥ 0, im Gleichgewicht: S = maximal

• Fundamentalrelationen

• Zustandsgleichungen

• Euler-Gleichung und Gibbs-Durham Relation

5 Der 3. Hauptsatz der ThermodynamikAuch als Nernst’sches Theorem (1918) bezeichnet.

• Vor der Hand Existenz eines absoluten Nullpunktes der Temperatur nicht klar.

• Früher Verdacht: Erinnere Gay-Lussac: (1802)

V

T= const. für p = const.

Ergibt affine Beziehung, Celsius, Fahrenheit

V = a(T − b)

49

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b

T

V

• Er kann keine negativen Volumina geben: b = Tmin = 0 Kelvin

3. Hauptsatz

• Für T → 0 gilt (für isotherme Prozesse):

∆S → 0

• Später vor Planck verschärft:

T → 0 =⇒ S → 0

Ausnahmen in der Statistischen Mechanik

Zwei Implikationen:

• Unerreichbarkeit des absoluten Nullpunktes

– Es ist unmöglich den absoluten Nullpunkt der Temperatur in endlich vie-len Schritten zu erreichen

– Beispiel: Abfolge von isothermer Kompression und adiabatischer Expan-sion zwischen zwei Volumina V1 und V2

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S

T

– Allgemeinheit des Argumentes:Egal was man macht, z.B. adiabatische Entmagnetisierung, alle Kurvengehen nach (S(T = 0), T = 0) = (0, 0)

• Auch schön: Carnot Maschine mit Tl = 0

– Erinnere:Entropie-Beiträge von

∗ isothermer Expansion bei Th: ∆SAB = ∆QABTh

∗ und isothermer Kompression bei Tl: ∆SCD = ∆QCDTl

∗ Entropie in einem Zyklus: ∆Stotal = 0

– Nun aber ∆SCD = 0

– Damit ∆SAB = 0

– Maschine setzt keine Wärme um =⇒ ∆W = ∆Q = 0

• Spezifische Wärme

– Erinnere δQ = CdT und dS = δQT, ideales Gas: C = 3

2Nk

S(T ) = S(T = 0) +

∫ T

0

dT ′C

T ′

3. Haupsatz: S(T=0)=0

– Aber Integral divergiert !

51

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– Ergo C ist C(T ) mit

C(T )→ 0 für T → 0

Gilt nicht für das ideale Gas.

– Gilt nicht für jedes klassische thermodynamische System, siehe Kap. 11.3Gleichverteilungssatz

– Kann erst in der Quantenmechanik verstanden werden, Kap. 11.4

– Visionäres Ergebnis vor Einführung der Quantenmechanik

Lessons learned

• In der Regel: limT→0 S(T ) = 0

• Unerreichbarkeit des absoluten Nullpunktes

• Wärmekapazität: limT→0C(T ) = 0 in Widerspruch zu klassischer Physik

3. week

6 Thermodynamische PotentialeInnere Energie U wird als thermodynamisches Potential bezeichnet, da

• sie eine Energie ist

• ihre Abteilung durch Vergleich der Fundamentalrelation mit den exakten Dif-ferentialen ”Kräfte” liefern á la F = −∂V

∂x

• Beispiel: U in Abhängigkeit von S:

dU(S) =∂U

∂SdS = TdS

Erster Teil Mathematik, zweiter Teil Physik

52

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• Für alle Variablen:

T =

(∂U

∂S

)V,N

, T treibende Kraft für Wärmeaustausch

−p =

(∂U

∂V

)S,N

, p treibende Kraft für Volumenaustausch

µ =

(∂U

∂N

)V,S

, µ treibende Kraft für Teilchenaustausch

• Analogie zur Mechanik – Änderung von Orten und Impulsen – begrenzt, daThermodynamik quasi-statisch.

• Allgemein: Alle Größen, die eine Fundamentalrelation besitzen, werden als ther-modynamisches Potential bezeichnet, auch die Entropie S = S(U, V,N).

6.1 Prinzip der maximalen Entropie – Prinzip der minimalenEnergie

Klassische Mechanik: Nicht abgeschlossene Systeme streben nach einem Minimumder Energie

• Regentropfen: Potentielle Energie → kinetische Energie → Aufprall → Dissi-pation der Energie in Wärme

• Pendel: Durch Reibung irgendwann in Ruhelage. Wieder Arbeit in Wärmeverwandelt.

• Energie des Teilsystems wird minimiert. Entropie des Gesamtsystems wird ma-ximiert. Gesamtenergie ist erhalten.

Formalisierung:

• Betrachte insgesamt abgeschlossenes System mit zwei (nicht abgeschlossenen)Teilsystemen A (das Pendel) und B (die umgebene Luft), das Bad.

Utotal = UA + UB, Stotal = SA + SB

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• Teilsystem A leiste Arbeit δWA < 0 an B, tausche aber keine Wärme mit Baus:

δQA = TdSA = 0, dSA = 0

Pendel kühlt nicht ab.

dUA = δWA < 0

• Teilsystem B, das Bad, nimmt

– einen Teil α von dUA als Wärme auf

δQB = −αdUA

– den Rest als ArbeitδWB = −(1− α)dUA

Beim Pendel: α = 1

– Damit

dUB = δQB + δWB = −dUA = −δWA > 0

δQB = −αδWA = TdSB > 0

dStotal = dSA + dSB > 0

• Gesamtentropie nimmt zu durch Umwandlung von Arbeit von A in Wärme inB.

• Prozess läuft, so lange A Arbeit leisten kann.

• Am Ende hat

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– A bei konstanter Entropie Zustand minimaler Energie erreicht

– Gesamtsystem Zustand maximaler Entropie erreicht.

T

Sthermisches Gleichgewicht

T

UA

thermisches Gleichgewicht

• Wichtig: Ein Teil der Arbeit von A muss in Wärme für B verwandelt werden,sonst ist Prozess reversibel und läuft nicht von selbst ab.

Bis hier: Gesamtsystem abgeschlossen

• Ist das Gesamtsystem nicht abgeschlossen, definiere andere thermodynamischePotentiale, für die andere Extremalbedingungen gelten.

• Abhängig von den experimentell zu kontrollierenden Größen

• Entropie in U(S, V,N) schwer experimentell zu kontrollieren

• Relevante Fälle:

– System im Wärmebad: T = const.

– Offenes Reagenzglas: p = const.

• Im folgenden: Die möglichen Kombinationen extern konstant gehaltenen Grö-ßen

• Idee: Konstant gehaltene Größen vereinfachen die thermodynamischen Pote-tiale

55

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6.2 Freie Energie

Betrachte geschlossenes System S im Wärmebad B, ersters durch (T, V,N) = const.charakterisiert.

System

dU

BadT, V,N

T

• Wärmebad bei z.B. 273 K durch Wasser/Eis-Gemisch

• Energieaustausch zwischen System S und Bad B.

Erster Hauptsatz: dUS + dUB = 0 (14)Zweiter Hauptsatz: dS = dSS + dSB ≥ 0 (15)

Fundamentalrelation: dSB =1

TdUB +

p

TdVB︸︷︷︸=0

−µTdNB︸︷︷︸

=0

=1

TdUB (16)

Aus Gl. (16) und Gl. (14) folgt:

dSB = − 1

TdUS

Eingesetzt in Gl. (15) folgt:

dSS −1

TdUS ≥ 0 → dUS − TdSS ≤ 0

oderd(US − TSS) ≤ 0

• Bedeutung: Im Gleichgewicht wird die Größe US − TSS minimiert.

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• Um dies als Extremalprinzip eines thermodynamishen Potentials auszudrücken,definiere (Helmholtz’sche) freie Energie:

F = U − TS

Es giltdF = dU − TdS ≤ 0

Im Gleichgewicht wird:

• innere Energie minimiert

• Entropie maximiert

Die beiden Ziele sind in der Regel gegenläufig

• → Balance zwischen energetischem Anteil U und entropischem Anteil −TS, sodass Summe minimal wird

• bei niedrigen Temperaturen dominiert energetischer Anteil

• bei hohen Temperaturen dominert entropischer Anteil

• Isotherme Prozesse, die innere Energie vergrößern, also unter Energieaufwandablaufen, sind spontan möglich, wenn Entropiegewinn TdS größer als Energie-aufwand dU .

• Energie kommt aus Wärmebad.

Merke: Freie Energie für isotherme geschlossene Systeme hat analoge Bedeutungwie Entropie für abgeschlossene Systeme

Warum ”freie” Energie ?

• System mit Wärmebad, T = const.

• ErinnereTdS = δQrev ≥ δQirr

Vom Systems S aus gesehen:

dUS − TdSS = δW revS ≤ δW irr

S

57

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oderdFS = d(US − TSS) = δW rev

S ≤ δW irrS

”Freie” Energie weil die Änderung der freien Energie bei konstanter Temperaturder maximal möglich zu verrichtenden Arbeit entspricht.

Fundamentalrelation der freien Energie

• Aus

dF = d(U − TS) = dU − TdS − SdTdU = TdS − pdV + µdN = dU(S, V,N)

ergibt sich Fundamentalrelation:

dF = −SdT − pdV + µdN = dF (T, V,N)

• Aus den partiellen Ableitungen:

dF =

(∂F

∂T

)V,N︸ ︷︷ ︸

=−S(T,V,N)

dT +

(∂F

∂V

)T,N︸ ︷︷ ︸

=−p(T,V,N)

dV +

(∂F

∂N

)T,V︸ ︷︷ ︸

=µ(T,V,N)

dN

ergeben sich die Zustandsgleichungen für S, V und µ.

6.3 Legendre-Transformation

• Der Übergang von der inneren auf die freie Energie geschieht durch eineLegendre-Transfomation.

• Erinnere Übergang von Lagrange-Funktion L(q, q) auf Hamilton-FunktionH(q, p) in der Klassischen Mechanik.

• Legendre-Transformation ist eine Berührungstranformation

• Allgemein wichtig für Variablen-Transformationen.

• Legendre-Transformation überführt f(x) in Funktion g(u) = L(f(x))

Herleitung der Legendre-Transformation:Formal:

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• Gegeben eine Funktion f(x) mit

df =df

dxdx =: u(x)dx, u = f ′(x)

• Gesuchte Funktion g(u) soll

x(u) = −dgdu, dg = −x du, Vorzeichen je nachdem

erfüllen

• Bilde totales Differential von ux

d(ux) = xdu+ udx = −dg + df

Umstellendg = d(f − ux)

• Integration:g(u) = f(x(u))− ux(u)

• Zur konkreten Berechnung muss u = f ′(x) invertiert werden:

g(u) = f(f′−1(u))− uf ′−1(u)

• Rücktransformation:

f(x) = g(u(x)) + u(x)x

Graphische Interpretation

x

f(x)T(x)

x0g(x0)

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T (x) = f(x0) + f ′(x0)(x− x0), u = f ′(x0)

g(u) = T (0) = f(x0)− f ′(x0)x0 = f(x0)− ux0

• Lass x0 laufen. Tangente T (x) mit Steigung u = f ′(x0), die f(x) in x = x0

tangiert, schneidet in g(u) die y-Achse.

• Legendre-Transformierte g(u) ordnet der Steigung u einer jeden Tangente dereny-Achsenabschnitt zu.

• Beschreibung derselben Kurve, nur über anderen Parameter, u statt x.

Kurzfassung Legendre-Transformation

• Definition:

g(u) = f(x)− ux, u =df

dx

• Wegendg(u) = df(x)− u dx︸︷︷︸

=df(x)

−x du = −x du

hängt g von u, aber nicht von x ab.

Beispiel:

• Betrachtef(x) = x2, x ∈ R+

0 f ′(x) = 2x = u

• Legendre-Transformation:

g(u) = f(x(u))− ux(u) = x2(u)− ux(u)

x = f ′−1(u) : x =u

2

g(u) = f(u/2)− u u2

=

(1

4− 1

2

)u2 = −u

2

4

dg =∂g

∂udu = −u

2du = −xdu

60

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• Rücktransformation:

f(x) = g(u(x)) + u(x)x = −u2(x)

4+ u(x)x

u(x) = 2x

f(x) = −x2 + 2x2 = x2

Legendre-Transformation von der inneren Energie U(S, V,N) auf die freie EnergieF (T, V,N), V und N unterdrückt

dU(S) =∂U

∂SdS = T dS

T= ∂U∂S→ dF (T ) =

∂F

∂TdT = −S dT

Beachte:

• S und T Energie-konjugiert

• Erinnere: Lagrange nach Hamilton: q und p Wirkungs-konjugiert

p :=∂L(q, q)

∂q, H(q, p) = q(q, p)p− L(q, q(q, p))

Physikalisch:

• Praktisch einfacher Temperatur als Entropie zu kontrollieren.

• Das heisst geschlossenes statt abgeschlossenes System

• Für diesen Fall ist freie Energie F (T, V,N) das natürliche thermodynamischePotential

6.4 Enthalpie

Wird statt des Volumens der Druck kontrolliert, ergibt sich die Enthalpie H(S, p,N)als natürliches Potential.

• Wichtig für chemische Prozesse, die bei konstantem Atmosphärendruck, offenesReagenzglas, durchführt werden.

• Ausgehend von der inneren Energie U(S, V,N) muss die V -Abhängigkeit durchdie p-Abhängigkeit ersetzt werden

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• Von dV zu dp

dU(V ) =∂U

∂VdV = −p dV

−p= ∂U∂V→ dH(p) =

∂H

∂pdp = V dp

• Legendre-Transformation

H = U + pV

dU = TdS − pdV + µdN = dU(S, V,N)

dH = dU + pdV + V dp

ErgibtdH = TdS + V dp+ µN = dH(S, p,N)

• Zustandsgleichungen aus

dH =

(∂H

∂S

)P,N︸ ︷︷ ︸

=T (S,p,N)

dS +

(∂H

∂p

)S,N︸ ︷︷ ︸

=V (S,p,N)

dp+

(∂H

∂N

)S,P︸ ︷︷ ︸

=µ(S,p,N)

dN

• Innere und freie Energie praktisch zur Beschreibung isochorer Prozesse wegendV = 0, Enthalpie praktisch wegen dp = 0 für isobare Prozesse.

• System kann gegen konstanten äußern Druck Volumenarbeit leisten

δW revvol = −pdV

1. Hauptsatz (nur Volumenarbeit)

dU = δQ− pdV

Bei konstantem Druck:

dH|p = d(U + pV ) = dU + pdV + V dp = dU + pdV

Damit

dH|p = δQ

analog zudU |V = δQ

62

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• Betrachte isobaren und adiabatischen Prozess, der aber sonstige Arten vonArbeit mit der Umgebung austauschen kann. Es gilt:

dH|p,adia = δW revsonst ≤ δW irr

sonst

– Enthalpieänderung ist bei isobarer, adiabatischer Zustandsänderung diemaximal vom System leistbare Arbeit

– In einem sich selbst überlassenen isobaren und adiabatischen System lau-fen nur irreversible Prozesse ab. Es gilt

dH ≤ 0

Im Gleichgewicht gilt

dH = 0, H = minimal

Enthalpie des idealen Gases:

U =3

2NkT

pV = NkT

H = U + pV =3

2NkT +NkT =

5

2NkT

Spezifische Wärme:

• Mit dH|p = δQ

Cp =δQ

dT

∣∣∣∣p

=

(∂H

∂T

)p

Cp =5

2Nk

• Erinnere: CV = 32Nk. Cp > CV wegen Volumenarbeit

Praktische Bedeutung der Enthalpie:

• Bei isobaren Prozessen gilt: ∆H = ∆Q

• Enthalpieänderung entspricht dem Wärmeumsatz

63

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• Wichtig bei chemischen Reaktionen

∆H = HProdukte−HEdukte

< 0 → Reaktion läuft spontan ab, exotherm> 0 → Reaktion läuft nicht spontan ab, endotherm

• Aber: Wichtig bei chemischen Reaktionen: Aktivierungsenergie

H

Reaktion

∆H

Aktivierungsenergie

• Thermodynamik sagt Enthalpieänderung voraus, aber nicht die Aktivierungs-energie.

• Aktivierungsenergie keine Folge von Gleichgewichtstheorie, da dynamischerProzess

• Enthalpien von vielen Stoffen bekannt

• Da H extensiv und damit additiv, kann Enthalpieänderung leicht vorhergesagtwerden.

Daher hat Enthalpie große Bedeutung in der Chemie.

6.5 Freie Enthalpie

• Die freie Enthalpie G(T, p,N) ergibt sich für Abhängigkeit der experimentellzu kontrollierenden Grössen Temperatur T und Druck p.

64

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• Legendre-Transformation:

G(T, p,N) = U − TS + pV = H − TS = F + pV (17)

• Differentiell:dG = dU − TdS − SdT + V dp+ pdV

• Ergibt Fundamentalrelation:

dG = −SdT + V dp+ µdN

• Zustandsgleichungen folgen aus

−S =

(∂G

∂T

)p,N

, V =

(∂G

∂p

)T,N

, µ =

(∂G

∂N

)T,p

Extremalbedingung der freien Enthalpie

• 1. HauptsatzdU = δQ+ δW = TdS − pdV

2. Haupsatz

dS ≥ δQ

T

DamitdU − δW

T=δQ

T≤ dS

oderdU + pdV − TdS ≤ 0

für dT = dp = 0 ist dies grade das Differential der freien Enthalpie

dG = d(U − TS + pV ) = dU − TdS − S dT︸︷︷︸=0

+pdV + V dp︸︷︷︸=0

• Es giltdG ≤ 0, Im Gleichgewicht: G = minimal

65

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• WegenG = F + pV

entspricht die freie Enthalpie G der freien Energie F mit zusätzlicher Volumen-arbeit bei p = const.Änderung der freien Enthalpie ist maximal leistbare Arbeit bei isothermer undisobarer reversibler Prozessführung

Erinnere Euler-Gleichung:

U = TS − pV + µN

Mit Gl. (17) folgt:

G(T, p,N) = U − TS + pV = µ(T, p)N

Bedeutung: Freie Enthalpie pro Teilchen entspricht chemischem Potential.

Daher freie Enthalpie wichtig bei

• Phasenübergängen, Kap. 14

• Langsamen chemischen Reaktionen, z.B. in Batterien, die stets im thermischenGleichgewicht mit der Umgebung sind, T = const.

4. week

6.6 Großkanonisches Potential

Die letzte Übung ...

• Bisher stets N = const.

• Jetzt offenes System mit Teilchenaustausch dN 6= 0

• Gesucht: Thermodynamisches Potential mit dµ statt dN

Beachte:

• Die Transformation aller Variablen

Ψ = U − TS + pV − µN

macht keinen Sinn, da wegen Euler-Gleichung (12) gilt

U = TS − pV + µN

66

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• Folge:Ψ ≡ 0

Was ist gute Transformation ?

• Chemisches Potential durch ”Teilchenbad” fixieren.

• Analogie: Austausch von Wärme mit Wärmebad führt zu konstanter Tempera-tur, Austausch von Teilchen mit Teilchenbad führt zu konstantem chemischenPotential

• Teilchenaustausch in der Regel mit Wärmeaustausch verbunden

• Daher liegt Transformation der inneren Energie U(S,V,N) auf (T, V, µ) nahe

• Das sich ergebene Potential heißt großkanonisches Potential Φ

• Legendre-Transformation:

Φ = U − TS − µN

Fundamentalrelation:

dΦ = −SdT − pdV −Ndµ

• Praktisch für isothermische Systeme mit festem chemischen Potential

• Auf Grund der Euler-Gleichung

U = TS − pV + µN

giltΦ = −p(T, µ)V

• In Analogie zu vorigen Potentialen gilt für bei konstanter Temperatur undchemischem Potential:

dΦ ≤ 0

Im GleichgewichtdΦ = 0, Φ = Φminimal

67

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6.7 Maxwell-Relationen

• Auf Grund der Differenzierbarkeit der thermodynamischen Potentiale gilt derSatz von Schwarz, d.h. die 2. Ableitungen vertauschen

• Daraus folgen Beziehungen zwischen thermodynamischen Größen.

• Betrachte die Fundamentalform der inneren Energie:

dU = TdS − pdV + µdN

=

(∂U

∂S

)V,N

dS +

(∂U

∂V

)S,N

dV +

(∂U

∂N

)S,V

dN

Alles hinreichend differenzierbar: Satz von Schwarz:

∂V

((∂U

∂S

)V,N

)S,N

=∂

∂S

((∂U

∂V

)S,N

)V,N

ergibt sich mit

T =

(∂U

∂S

)V,N

p = −(∂U

∂V

)S,N

die Maxwell-Relation (∂T

∂V

)S,N

= −(∂p

∂S

)V,N

• Analog: (∂T

∂N

)S,V

=

(∂µ

∂S

)V,N

, −(∂p

∂N

)S,V

=

(∂µ

∂V

)S,N

Entsprechend für die anderen thermodynamischen Potentiale:

• Freie Energie: dF = −SdT − pdV + µdN(∂S

∂V

)T,N

=

(∂p

∂T

)V,N

• Enthalpie: dH = TdS + V dp+ µdN(∂T

∂p

)S,N

=

(∂V

∂S

)p,N

68

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• Freie Enthalpie: dG = −SdT + V dp+ µdN

−(∂S

∂p

)T,N

=

(∂V

∂T

)p,N

• Großkanonisches Potential: −SdT − pdV −Ndµ(∂S

∂V

)T,µ

=

(∂p

∂T

)V,µ

• Allgemein: Nützlich zur Berechung unbekannter Größen aus bekannten, re-sp. nicht messbarer aus messbaren

TV

S p

F

H

GU

• Ecken: die Variablen

• Kanten: die Potentiale der Variablen an den jeweiligen Ecken

• Ableitung eines Potentials nach einer Variablen ist gegenübergelegene Variable

• Pfeile bestimmen Vorzeichen

• Beispiel ∂F∂V

= −p

• Maxwell-Relationen: Ableitung von Variablen längs einer Kante, z.B. ∂V∂S

, beikonstant gehaltener Variablen in der diagonalen Ecken, hier p, ist gleich derAbleitung auf der Kante der gegenüberliegenden Seite, hier ∂T

∂p

∣∣∣S

69

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Lessons learned

• Extremalbedingungen :

– Mechanik: Hamilton’sches Prinzip der minimalen/stationären WirkungS =

∫ t2t1L(x, x)dt → Euler-Lagrange Gleichung

– Optik: Fermat’schen Prinzip des kürzesten optischen Weges

– Thermodynamik: Für abgeschlossenes System gilt: dS ≥ 0. Entropie wirdmaximiert, Energie von Teilsystemen wir minimiert

• Gegeben die unabhängigen Variablen, folgen verschiedene thermodynamischePotentiale mit ihren Extremalbedingungen

• Hin- und herschalten mit Legendre-Transformation

• Idee: Wähle Variablen, die sich konstant halten lassen, macht das Leben ein-facher.

• Maxwell-Relationen koppeln über Satz von Schwarz partielle Ableitungen dernicht-natürlichen Variablen

Kurz-Klausur

70

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7 Zusammenfassung Thermodynamik• Gleichgewichtszustände definiert über Zustandsgrößen

– Diese sind exakte Differentiale

• Zustandsgleichungen, Beispiel ideales Gas:

kalorisch : U =3

2NkT

thermisch : pV = NkT

• 1. Hauptsatz: Energieerhaltung

– Wärme ist keine Substanz, sondern Form von Energie(austausch)

– Arbeit und Wärme sind keine exakten Differentiale

• 2. Hauptsatz: Entropie kann nur erzeugt werden

– Reversible und irreversible Prozesse

– Carnot’scher Kreisprozess, Grenze der Umwandlung von Wärme in Arbeit

– Geht über alle bisherige Physik hinaus.

– Effekt kollektiven Verhaltens vieler Teilchen

• 3. HauptsatzlimT→0

S(T ) = 0

– Unerreichbarkeit des absoluten Temperaturnullpunktes

– Wärmekapazität muss in Widerspruch zur klassischen Theorie tempera-turabhängig sein.

• Thermodynamische Potentiale

– Sag mir Deine konstant gehaltenen Größen, und ich sage Dir Dein be-quemstes thermodynamisches Potential

– Legendre-Transformation

– Erfüllen Extremaleigenschaften.

71

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Teil II

Statistische MechanikAufgabe: Ableitung der makroskopischen Eigenschaften aus den Mikroskopischen

Starte mit N -Teilchen Hamiltonian

H(q1, . . . , qN , p1, . . . pN) =N∑i=1

p2i

2m+ V (q1, . . . , qN , p1, . . . pN)

Berechne makroskopische Zustandsgrößen wie Entropie, Temperatur etc.

Inhaltsverzeichnis

Seien Sie verwirrt !

• CV = 32Nk für ideales Gas passt nicht zur Einsicht, dass CV temperaturabhän-

gig sein muss

• ”Entropische Kräfte” bei der freien Energie können nicht verständlich sein

• And, ... there is more to come !

8 Ein bißchen Statistik

8.1 Verteilungen

8.1.1 Zufallsvariablen

Zufallsvariable X:

• Etwas, das eine Wahrscheinlichkeitsdichte oder auch Verteilung pX(x) hat

• Wahrscheinlichkeit, eine Realisierung x in (x, x+dx) zu beobachten, ist pX(x)dx

• pX(x) ≥ 0,∫pX(x) dx = 1

72

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Beispiele: ~p im idealen Gas, Maxwell-Verteilung f(|~p|)

f(|~p|)

|~p|

• Es gibt auch diskrete Verteilungen p(xi), denke an Würfel

p(xi) =1

6

6∑i=1

δ(x− i)

73

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1/6

p

1 2 3 4 5 6

• Andersrum, vom endlichen kommend, für diskrete Verteilungen:

Bei N Versuchen mit Ni Ereignissen xi ist

HN(xi) =Ni

N

die relative Häufigkeit.

Es giltlimN→∞

HN(xi) = p(xi)

• Physikalisch entsteht Zufall durch

– Quantenmechanik

– Chaos, bei Würfel realisiert, hier molekulares Chaos

– viele Einflüsse á la Brownian Motion

Im folgenden, wenn Bezug klar: pX(x) = p(x), X = x

Rechnen mit Wahrscheinlichkeiten:

• Betrachte Würfel, gegeben zwei mögliche Ereignisse A und B

• Schließen sich A und B wechselseitig aus, addieren sich die Wahrscheinlichkei-ten

p(′′1′′ oder ′′2′′) =1

6+

1

6=

1

3

74

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• Sind A und B unabhängig, multiplizieren sich die Wahrscheinlichkeiten

p(erst ′′1′′ dann ′′2′′) =1

6· 1

6=

1

36

8.1.2 Momente und Kumulanten

Momente

• Erwartungswert 〈f(x)〉

〈f(x)〉 :=

∫f(x) p(x) dx

Erwartungswert ist eine Zahl

• Momente µk

µk = 〈xk〉 =

∫xk p(x) dx

• 1. Moment: Mittelwert

µ1 = x = µ = 〈x〉 =

∫x p(x) dx

• 2. Momentµ2 = 〈x2〉 =

∫x2 p(x) dx

– Varianz: σ2 = 〈(x− x)2〉 = µ2 − µ21

– Standardabweichung: σ

– Addiert man unabhängige Zufallsvariablen, so sind Varianzen, nicht Stan-dardabweichungen additiv.

• 3. Moment

µ3 =< x3 >=

∫x3p(x) dx

Schiefe: κ = 〈(x− µ)3〉, Maß für Asymmetrie.

75

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• 4. MomentKurtosis (Bauchigkeit): γ = 〈(x− µ)4〉/σ4 − 3

“3” erklärt sich weiter unten

Kumulanten

• Charakteristische Funktion oder Erzeugende Funktion

G(k) =< eikx >=

∫dx eikxp(x)

Fouriertransformierte der Dichte p(x)

• Existieren die Momente, i.e. < xn ><∞, Taylor-Entwicklung

G(k) =∞∑n=0

(i k)n

n!< xn >

Ist G(k) bekannt, berechnen sich Momente durch:

dnG(k)

dkn

∣∣∣∣k=0

= in < xn >

• Entwickelt man log(G(k)) nach k, folgt:

log(G(k)) =∞∑n=1

(ik)n

n!κn, G(k) = exp

(ikκ1 −

1

2k2κ2 −

i

6k3κ3 + . . .

)(18)

und man erhält die Kumulanten κn aus:

dn logG(k)

dkn

∣∣∣∣k=0

= inκn

Die ersten 3 lauten

κ1 = µ1

κ2 = µ2 − µ21 = σ2

κ3 = µ3 − 3µ2µ1 + 2µ31

Wichtige Eigenschaften:

76

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– Kumulanten sind additiv, daher natürliche GrößenSei

y =N∑i=1

xi

dann folgt

κn(y) =N∑i=1

κn(xi)

Varianzen sind additiv, nicht Standardabweichungen

– Man kann zeigen:

∗ Entweder: Alle Kumulaten außer den ersten beiden verschwinden∗ Oder: Es existieren ∞ viele

8.2 Beispiele für Verteilungen

• Gaußverteilung oder Normalverteilung:

p(x) =1√2πσ

e−(x−µ)2

2σ2

– Bezeichnung: N(µ, σ2)

Standard-Gaußverteilung µ = 0, σ2 = 1: N(0, 1)

In ±1σ liegt 68 % der MasseIn ±1.96σ liegt 95 % der Masse

– Momente von N(0, 1) :

〈xk〉 =

0 für k ungerade

1× 3× · · · × (k − 1) für k gerade

Damit klar, warum bei Kurtosis ”-3”

– Charakteristische Funktion

G(k) = eiµk−12σ2k2

Nur die ersten zwei Kumulanten sind ungleich null.Macht klar, warum Gaußverteilung so besonders

77

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Zentraler Grenzwertsatz:

Existeren die ersten beiden Momente, so strebt für N → ∞ die (normierte)Summe von unabhängigen, identisch verteilten (independent, identically distri-buted: iid) Zufallsvariablen gegen eine Gaußverteilung.

– Betrachte N identische Zufallsvariablen xi mit

∗ O.B.d.A.: κ1(xi) =< xi >= 0

∗ κ2(xi) = µ2 − µ21 = σ2

∗ κn(xi) <∞ ∀n– Bilde:

y =1√N

N∑i=1

xi

Normierung damit σ2y = σ2

xi

– Für y gilt:

p(y) =

∫dx1 . . . dxN p(x1) . . . p(xN) δ

(y −

(x1 + . . .+ xN√

N

))Mit, erinnere QM

δ(z) =

∫dk

2πe−ikz

folgt

p(y) =

∫dk

2πe−iky

∫dx1 . . . dxN p(x1) . . . p(xN) exp

(ik(x1 + . . .+ xN)√

N

)– Mit ∫

dx1 p(x1) eikx1√N = G

(k√N

)faktorisiert Integral:

p(y) =

∫dk

2πe−ikyGN

(k√N

)

78

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– Mit Gl. (18)

G(k) = exp

ik κ1︸︷︷︸=µ=0

−1

2k2 κ2︸︷︷︸

=σ2

− i6k3κ3 + . . .

(19)

undGN

(k√N

)= exp

(−1

2

k2

NNσ2 − i

6

k3

N3/2Nκ3 + . . .

)(20)

folgt

p(y) =

∫dk

2πe−iky exp

−1

2k2σ2 − i

6

k3

√Nκ3 + . . .︸ ︷︷ ︸

→0 für N→∞

Somit folgt für N →∞

p(y) =1√2πσ

e−y2

2σ2

Wenn 〈xi〉 = µ 6= 0 entsprechend

p(y) =1√2πσ

e−(y−µ)2

2σ2

– Die höheren Kumulanten n > 2 verschwinden mit N .

– Verteilung geht gegen Gauß-VerteilungDarum sind die beiden Größen µ und σ so wichtig.

– Gilt auch wenn xi nicht identisch

– Konvergenzrate, i.e. wie schnell geht es zur Gaußverteilung, hängt i.w. vonder Schiefe ab.

– Bedeutung von Zentralem Grenzwertsatz nicht zu unterschätzen.5. week

Gesetz der großen Zahl

– Mitteln:

79

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y =1

N

N∑i=1

xi

Analog zu Gl. (19, 20) mit µ und N statt√N , folgt:

κn(y) =1

Nn−1κn(xi)

Speziell

κ2(y) =σ2x

N

– Ergo:

< y >=< x >, σy =1√Nσx

respektive:σy

< y >=

1√N

σx< x >

Die Schwankung und die relative Schwankung um den Mittelwert ver-schwindet für N →∞ mit 1/

√N

– Oder: Für N → ∞ geht das arithmetische Mittel von identischen, unab-hängigen Zufallsvariablen (auf Gauß’sche Weise) mit Wahrscheinlichkeit1 gegen ihrem Mittelwert.

– Sollte in der Regel für N = 1023 gelten und rechtfertigt die Verwendungdeterministischer Zustandsgrößen

• Gleichverteilung U(a, b) :

p(x) =

1/(b− a) für a ≤ x ≤ b

0 sonst

• Exponential-Verteilung

p(x) =1

τe−x/τ

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Es gilt:

µ = τ

σ2 = τ 2

Erwartungswert und Varianz sind keine unabhängigen Parameter.

Ergibt sich bei “konstanter Ausfallrate”

• χ2r Verteilung mit r Freiheitsgraden:

Summe von r quadrierten Gaußverteilungen

”χ2r =

∑ri=1(N(0, 1))2”

y ∼ χ2r, xi ∼ N(0, 1) = pG(xi)

p(y) =

∫dx1 . . . dxr δ(y − (x2

1 + . . .+ x2r))

r∏i=1

pG(xi)

=

∫dx1

1√2πe−x

21/2dx2

1√2πe−x

22/2 . . . dxr

1√2πe−x

2r/2 δ(y − (x2

1 + . . .+ x2r))

=yr/2−1e−y/2

2r/2 Γ(r/2), Γ(z) =

∫ ∞0

tz−1e−t dt

Es gilt:

〈χ2r〉 = r

V ar(χ2r) = 2r ,

d.h. Erwartungswert und Varianz sind keine unabhängigen Parameter.

FOLIE χ2r Verteilungen

χ2 Verteilungen sind additiv:

”χ2r1

+ χ2r2

= χ2r1+r2

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Aus dem zentralen Grenzwertsatz folgt:

limr→∞

χ2r = N(r, 2r)

Beachte :

– χ22 = 1

2e−x/2 ist Exponential-Verteilung mit τ = 2.

• t-Verteilung

t(r, x) =N(0, 1)√χ2r/r

=1√r

1

B(1/2, r/2)

(1 +

x2

r

)− 12

(r+1)

, B(a, b) =Γ(a)Γ(b)

Γ(a+ b)

r: Anzahl der Freiheitsgrade

Wichtig beim t-Test: Test auf Gleichheit von Mittelwerten zweier Gaußvertei-lungen.

limr→∞

t(r, x) = N(0, 1), gute Näherung ab N = 30

• F-Verteilung

F (r1, r2, x) =χ2r1/r1

χ2r2/r2

= ...

r1, r2: Jeweilige Anzahl der Freiheitsgrade

Wichtig beim F-Test: Test auf Gleichheit von Varianzen zweier Gaußverteilun-gen.

• Cauchy(Lorenz)-Verteilung:

pCauchy(x, a, γ) =1

π

γ

(x− a)2 + γ2

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p

xa

– Momente existieren nicht!– Charakterisische Funktion:

G(k) = eika−|k|γ

Es existiert keine Taylor-Entwicklung um k = 0

a ist Lokalisationsparameter, aber kein Mittelwert.– Cauchy-Verteilung spielt bei den Zuwächsen der Aktienkurse eine Rolle.

Eventuell Ausflug: Black-Scholes– Zentraler Grenzwertsatz gilt nicht für Cauchy-Verteilung.

Aber auch für Verteilungen mit nicht-existenten Momenten gibt es Grenz-wertsätze. Stichwort “Stabile Verteilungen”

– Bezug zur t-Verteilung:

t(1, x) = pCauchy(x, 0, 1)

Mit t-Verteilung kann man also zwischen Cauchy (keine Momente existie-ren) und Gauß (alle Momente existieren) hin- und herfahren.

– Cauchy-Verteilung in der Physik bekannt als Breit-Wigner-Verteilung.

• Multivariate Gaußverteilung

p(~x) =1

(2π)d/2√|C|

exp

(−1

2(~x− ~µ)TC−1(~x− ~µ)

), d = dim(~x)

83

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mit Kovarianzmatrix C

C = 〈(~x− ~µ)(~x− ~µ)T 〉 =

Cov(X1, X1) · · · Cov(X1, Xn)... . . . ...

Cov(Xn, X1) · · · Cov(Xn, Xn)

Kovarianz, Korrelation allgemein:

Zwei Ererignisse x und y sind statistisch unabhängig, wenn die gemeinsameDichte p(x, y) in die Marginalverteilungen faktorisiert

p(x, y) = p(x) p(y)

Folge: Erwartungswerte faktorisieren

〈xy〉 = 〈x〉〈y〉

Maß für statistische (Un)abhängigkeit

– Kovarianzcov(x, y) = 〈xy〉 − 〈x〉〈y〉

– Normiert auf [−1, 1]: Korrelation

corr(x, y) =cov(x, y)

σxσy

– 1 D Normalverteilung:68 % der Masse in [−σ, σ]99 % der Masse in [−3σ, 3σ]

– 10 D Normalverteilung, C = 1:99 % der Masse außerhalb der [−3σ, 3σ]-Kugel.

– Intuition:

∗ Integration über die Winkel ausführen∗ Verbleibt, d = dim (~x)

Masse innerhalb von Radius r ∼∫ r

0

rd−1 e−r2/2 dr

84

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– Es gibt praktisch nur die längsten Abstände, der Raum ist leer, ”curse ofdimensionality”.

FOLIE χ2r Verteilungen nochmal

• Binomial Verteilung

B(n, p, k) =

(nk

)pk(1− p)n−k, k = 0, 1, . . . n

Zwei mögliche Ereignisse: x1, x2; p = prob(x1)

Bei n-maliger Durchführung des Experimentes ist B(n, p, k) die Wahrschein-lichkeit, x1 k-mal zu realisieren.

Anwendung: Random Walk

– Die Mutter aller stochastischen Prozesse

– Brown’sche Molekularbewegung

– Diffusion

– Wärmetransport

– Volltrunkenheit

Betrachte eindimensionalen Random Walk

– N Schritte entlang x-Achse

– m in +x-Richtung, N −m in -x-Richtung

– p+x = p−x = 12

Gesucht: Wahrscheinlichkeit p(m,N) von N Schrittenm in positive x-Richtungzu machen.

– Es gibt N ! Möglichkeiten N Schritte anzuordnen

– Schritte +x und −x sind jeweils identisch

– Teile durch m! und (N −m)!

– Jeder mögliche Pfad hat Wahrscheinlichkeit 12

N

85

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– Ergibt Binomial Verteilung für m Schritte nach rechts

p(m,N) =

(1

2

)NN !

m!(N −m)!

Für große N , m, N −m gilt Stirling’sche Näherung, siehe Übung

log n! = n log n− n

Damit

log p(m,N) = N log1

2+ logN !− logm!− log(n−m)!

= N log1

2+N logN −N −m logm+m− (N −m) log(N −m) + (N −m)

= N log1

2+N logN −m logm− (N −m) log(N −m)

Entwickle um wahrscheinlichsten Punkt m = m∗, N unterdrückt

log p(m) = log p(m∗)+d log p(m)

dm

∣∣∣∣m∗

(m−m∗)+ 1

2

d2 log p(m)

dm2

∣∣∣∣m∗

(m−m∗)2+. . .

Bestimmung von m∗:

d log p(m)

dm= −

(logm+

m

m

)+ log(N −m)− N −m

N −m(−1)

= log(N −m)− logm

= logN −mm

!= 0

DamitN −mm

= 1 =⇒ m∗ =N

2, macht Sinn

2. Ableitung an m∗

d2 log p(m)

dm2

∣∣∣∣m∗

=m∗

N −m∗−m∗ − (N −m∗)

m∗2=

−N(N −m∗)m∗

=−N

(N −N/2)N/2= − 4

N

86

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Ergibt, übereinstimmend mit dem zentralen Grenzwertsatz, eine Gauß-Verteilung

p(m,N) = p(m∗) e−2(m−m∗)2

N

Vergleich mit Standard-Gauß-Verteilung gibt Varianz

〈(m−m∗)2〉 =N

4

– Verteilung für Ort xMit

x = m− (N −m) = 2m−N und m∗ =N

2

gilt

x∗ = 〈x〉 = 0, macht Sinn

Mitm−m∗ =

x+N

2− N

2=x

2

folgt für die Varianz σ2x von x mit

N

4= 〈(m−m∗)2〉 =

⟨(x2

)2⟩

σ2x = N

und damit mit der richtigen Normierung

p(x) = p(m∗)e− x2

2σ2x =1√

2πNe−

x2

2N

– Alternative Formulierung:

x(t) = x(t− 1) + ε(t), ε(t) ∼ N(0, σ2)

Verteilung von ε(t) per Zentralem Grenzwertsatz aus mehreren Schrittenvon oben

87

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Um einen Zeitschritt verschoben

x(t− 1) = x(t− 2) + ε(t− 1)

Damitx(t) = x(t− 2) + ε(t) + ε(t− 1)

Weiter in einander eingesetzt bis t = 0, O.B.d.A.: x(0) = 0

x(t) =t∑i=1

ε(i)

Varianzen sind additivx(t) ∼ N(0, tσ2)

– Der Random Walk zeigt Skaleninvarianz

∗ Definition:Eine Funktion f(x) ist skaleninvariant, wenn sie sich bei Reskalierungmit x→ ax bis auf einen Faktor nicht ändert

f(ax) = c(a)f(x)

∗ Wichtige Eigenschaften wie Nullstellen und Extrema bleiben erhalten∗ Random Walk ist skaleninvariant, da· < x >= 0

· Var(x)=Nreskaliere mit c(a) =

√a

∗ RandomWalk sieht bei unterschiedlicher Auflösung immer strukturellgleich aus

∗ Skaleninvarianz wird bei Phasenübergängen, Kap. 14, wichtig

88

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– Diffusion

∗ Passiver Transportprozess∗ Typisches Beispiel für Random Walk∗ Fluss J(x, t) gegeben durch

J(x, t) = −D∂p(x, t)∂x

mit D die Diffusionskonstante∗ Mit Kontinuitätsgleichung

∂p

∂t= −∂J

∂x

ergibt sich die Diffusionsgleichung

∂p

∂t= D

∂2p

∂x2

Übung: Zeige, dass der Random Walk eine Lösung der Diffusionsglei-chung ist

• Poisson-Verteilung

P (k, λ) =e−λλk

k!

– Wichtig für Punktprozesse mit konstanter Rate, denke an feuernde Neu-ronen oder Photonen-Zählprozesse

t

x(t)

t

89

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– k: Anzahl der Ereignisse in einem Zeitintervall– Anzahl Ereignisse pro Einheitsintervall: g– Wahrscheinlichkeit für ein Ereignis im Intervall [t, t+ ∆t] = g∆t = λ

– Für Poisson-Verteilung gilt

µ = σ2 = λ

– Ferner ist sie die Grenzverteilung der Binomialverteilung, siehe Übung:

limn→∞

B(n, k, p) = P (k, λ) wobei limn→∞

np = λ

”Seltene Ereignisse”

Kumulative Verteilungen

• Definition:cum(x) =

∫ x

−∞dx′p(x′)

• xα mitcum(xα) = α

nennt man das (100α) % Quantil.

• Definition des Medians:

cum(xMedian) = 0.5

Der mittlere Wert der Verteilung

Schätzer für Median aus N Werten:

90

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– Sortiere N Werte

– Wenn N ungrade:Median = x(N+1)/2

Wenn N grade:

Median =1

2(xN/2 + xN/2+1)

Der Median ist der Maximum-Likelihood Schätzer für θ in der Laplace-Verteilung

p(x) =1

2e−|x−θ|

Beweis auf homeage

• Für den Lokationsparameter a der Cauchy-Verteilung auch nicht so schlecht,konsistent, aber nicht optimal

Lessons learned

• Zufallsvariablen sind etwas, das eine Verteilung hat

• Zentraler Grenzwertsatz zeichnet Gaußverteilung aus

• Gesetz der großen Zahl: Für N →∞ werden Verteilungen scharf

• Random Walk als Mutter aller stochastischen Prozesse

9 Entropie revisited• Makroskopisches System ist durch Zustandsgrößen, dem Makrozustand, fest-

gelegt

• Mikrozustände sind aber unbestimmt.

• Mikroskopische Interpretation der Entropie

• Entropie: Maß für die Unkenntnis des Mikrozustandes

91

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9.1 Vorspiel

• Betrachte geteiltes Volumen eines abgeschlossenen Systems, alle Teilchen aufeiner Seite.

• Öffne Trennungswand

• Erfahrungstatsache: Die Teilchen verteilen sich gleichmässig links und rechts

• Ausgangszustand wird nie wieder hergestellt

Klassischer Mikrozustand: x1, . . . , xN , p1, . . . , pNBetrachte System mit drei wechselwirkungsfreien Teilchen auf der linken Seite, diemit gleicher Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Öffnens der Trennungswand in x-Richtung starten

92

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• Ausgangszustand wird periodisch wieder hergestellt

• Lasse Teilchen für Zeit T laufen, ändere Impulse zur Zeit T von pT in −pT

• Zum Zeitpunkt 2T sind Teilchen wieder am Ausgangsort

• Zwei Probleme:

– Unschärfe-Relation verbietet exakte Präparation des Ausgangszustandes

– Kleinste Imperfektion der Wände zerstört ”Kohärenz”

• Nichttriviale Ausnahmen hierfür: Spin-Echo Experimente und Tropfen in dieMitte eines Wasserglases

Betrachte 1023 wechselwirkende Teilchen unter den selben Bedingungen

• Chaotische Wechselwirkungen bewirken, dass die Teilchen ihre Anfangsbedin-gungen ”vergessen”

• Das System ist mischend

• Mischungseigenschaft macht die Mikrozustände auf sehr kurzer Zeitskala un-abhängig.

• Oder: Trotz deterministischer Dynamik ergeben sich zeitlich statistisch unab-hängige Mikrozustände

• Intuition: Alle durch den Makrozustand erlaubten Mikrozustände werden gleichwahrscheinlich

• Anzahl dieser Mikrozustände: Ω

• Für ein Teilchen: Ω(V ) ∝ V

93

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• Für N Teilchen: Ω(V ) ∝ V N

• Für N Teilchen, alle links: Ω(V/2) ∝ (V/2)N

• Für 1023 ist(

12

)1023 ≈ 10−1022

• Impulsumkehr-Argument von oben entspricht exakt einem Mikrozustand, ab-solut unwahrscheinlich

6. weekMathematisierung

• Definition des Makrozustandes: Anzahl der Teilchen, die im Mittel links sind

• Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen Ti links ist: pi,l = 12

• Wahrscheinlichkeit für k bestimmte Teilchen links:

pk,l =

(1

2

)k• Entsprechend für N − k Teilchen rechts

pN−k,r =

(1

2

)N−k• Gesamtwahrscheinlichkeit:

pk,l pN−k,r =

(1

2

)k (1

2

)N−k=

(1

2

)NGilt ∀ k: Alle Mikrozustände sind gleich wahrscheinlich

Kombinatorik:

• Anzahl der Möglichkeiten, k Teilchen aus N auszuwählen:

N !

k!(N − k)!=

(Nk

)• Wahrscheinlichkeit, dass k beliebige Teilchen links sind:

pk,l =

(Nk

)(1

2

)k94

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• Mittelwert < k > dieser Verteilung

< k >=N∑k=0

kpk,l =N

2

Standardabweichung

σk,l =√< (k− < k >)2 > =

√N/2

Siehe Übung

• Erinnere Gesetz der großen Zahl

Betrachte relative Breite der Verteilung

σk,l〈k〉

=

√2√N

Für N = 1023 ergibt sich sehr scharfe Verteilung

Bedeutung:

• Der Makrozustand mit den meisten ihn realisierenden Mikrozuständen ist derWahrscheinlichste

• Jedes System strebt einem Zustand maximaler mikroskopischer Unordnung an

• ”Maximale Unordnung”, weil ”Teilchen sind irgendwo” unordentlicher ist als”alle Teilchen links”

• Kann man wieder ”als ob” denken á la Hamilton’sches Prinzip der minimalenWirkung

• Extremalprinzip, riecht schon nach Entropie

9.2 Formalisierung

Mikrozustand r: Vollständige Beschreibung des mikroskopischen Systems

Beispiele:

95

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• N Würfel sind durch ihre Augenzahlen ai beschrieben

r = (a1, . . . , nN)

• N Spins mit si = ±12durch

r = (s1, . . . , sN)

• Klassisches System mit N Freiheitsgraden im 2N -dimensionalen Phasenraum

r = (q1, . . . , qN , p1, . . . pN)

Grundpostulat der statistischen Mechanik:In einem abgeschlossenen Systems sind alle zugänglichen Mikrozustände gleich wahr-scheinlich

Kann nicht allgemein bewiesen werden, ist aber plausibel

• N Würfel:

Jedes der 6N möglichen Ergebnisse ist gleich wahrscheinlich

• Quantenmechanik:

Alle Zustände mit E =∑

iEi sind gleich wahrscheinlich

• Klassisches System:

N Teilchen mit Trajektorie (q1(t), . . . , qN(t), p1(t), . . . , pN(t)):

Alle Punkte der Trajektorie gleich wahrscheinlich

Wichtiger Begriff: Die ZustandssummeDefinition:Die Zustandssumme Ω ist die Anzahl aller zugänglichen Mikrozustände

• Betrachte abgeschlossenes System mit Energie E = const.

• Realistischer Weise (und rechentechnisch einfacher) bis auf Ungenauigkeit ∆Ebestimmt

96

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• Damit Mikrokanonische Zustandssumme:

Ω(E) = Anzahl aller zugänglichen Mikrozustände r mit E ≤ Er ≤ E + ∆E

Im Gleichgewicht gilt dann für Wahrscheinlichkeit pr eines Mikrozustandes r

pr =

1Ω(E)

E ≤ Er ≤ E + ∆E

0 sonst

Problem:

• Betrachte Harmonischen Oszillator

H(p, q) =p2

2m+k

2q2 = E

• (Überabzählbar) unendlich viele Phasenraumpunkte

• Frage: Ist die Frage nach der Anzahl von Mikrozuständen überhaupt sinnvoll?Hier dürfen Sie wieder verwirrt sein

• System bewegt sich im allgemeinen auf 6N − 1 dimensionaler Energiehyperflä-che mit Flächeninhalt:

σ(E) =

∫d~qd~p δ(E −H(~q, ~p))

97

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Wir nehmen an:

Ω(E) =σ(E)

σ0

σ0 eine Proportionalitätskonstante, siehe unten

• Zur Berechung von σ(E) betrachte gesamtes Phasenraumvolumen, das vonE = H(~q, ~p) eingeschlossen wird:

ω(E) =

∫H(~q,~p)≤E

d~qd~p =

∫d~qd~pΘ(E −H(~q, ~p))

Für kleine dE gilt

dω = ω(E + dE)− ω(E) = ω(E) +dω

dEdE − ω(E) =

dEdE

und Satz von Cavalieridω = σ(E)dE

da Volumen = Fläche × Höhe

• Damit

σ(E) =dω

dE

Beispiel: Kugelvolumen ω(R) und ihrer Oberfläche σ(R)

ω(R) =4π

3R3, σ(R) =

dR= 4πR2

SomitΩ(E) =

1

σ0

dE=

1

σ0

d

dE

∫d~qd~pΘ(E −H(~q, (~p))

• Merke: Zustandssumme kann aus (mikroskopischem) Hamiltonian berechnetwerden

98

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9.3 Entropie

• Thermodynamik: In einem abgeschlossenen System ist die Entropie im Gleich-gewicht maximal

• Statistische Physik: Alle Mikrozustände sind gleich wahrscheinlich. Folge: Ma-krozustand mit den meisten Mikrozuständen ist der Wahrscheinlichste unddamit der Gleichzugewichtszustand.

Bringe makroskopische Entropie und mikroskopische Zustandssumme zusammen

• Betrachte abgeschlossenes System, das in zwei Teilsysteme unterteilt ist

• Statistische Sichweise:

Wegen Unabhängigkeit der Teilsysteme gilt mit E = E1 + E2, V = V1 + V2,N = N1 +N2:

Ω(E, V,N) = Ω1(E1, V1, N1)Ω2(E2, V2, N2)

mit dem totalen Differential:

dΩ = Ω2dΩ1 + Ω1dΩ2

Division durch ΩdΩ

Ω= d log Ω = d log Ω1 + d log Ω2 (21)

Beachte: log Ω ist extensiv

Im Gleichgewicht gilt:

d log Ω = 0, log Ω = log Ωmax (22)

• Thermodynamische Sichtweise

Entropien sind additiv

S = S(E, V,N) = S1(E1, V1, N1)+S2(E2, V2, N2) → dS = dS1 +dS2 (23)

Gleichgewichtsbedingung

dS = 0, S = Smax (24)

99

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• Vergleich von Gl. (21) mit Gl. (23) und Gl. (22) mit Gl. (24) legt nahe, Boltz-mann (1877)

S(E, V,N) = k log Ω(E, V,N)

mit k der Boltzmann-Konstanten

Führt zwei konzeptionell unterschiedliche Definitionen der Entropie zusammen

• Thermodynamische Definition, notwendig um makroskopische Irreversibilitätzu erklären:

∆S =

∫ B

A

δQ

T

• Statistische Definition: Maß für mikroskopische Unordnung

S = k log Ω

9.4 Zustandssumme und Entropie des idealen Gases

Vorspiel

• Volumen einer N -dimensionalen Kugel:

VN(R) =

∫dx1 . . . dxN Θ

(R2 −

N∑i=1

x2i

)

mit yi = xi/R

VN(R) = RN

∫dy1 . . . dyN Θ

(1−

N∑i=1

y2i

)= RNCN

CN : Volumen der Einheitskugel

• Erinnere: ∫ ∞−∞

dx e−x2

=√π

und damit

100

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I =

∫ ∞−∞

dx1 . . . dxN exp

− (x21 + . . .+ x2

N)︸ ︷︷ ︸=R2

= πN/2

MitdVN(R)

dR= NRN−1CN

Transformation auf Polarkoordinaten

dV = dx1 . . . dxN = NRN−1CNdR

Winkelanteile automatisch verarbeitet

I = NCN

∫ ∞0

RN−1e−R2

dR

• Mit Variablensubstitution

z = R2,dz

dR= 2R,

RN−1

2R=

1

2RN−2 =

1

2zN2−1

folgt

I = NCN2

∫ ∞0

dz zN2−1e−z︸ ︷︷ ︸

=Γ(N2

)

= πN/2

und

CN =πN/2

N/2 Γ(N2

)

V N(R) = CNRN =

πN/2

N/2 Γ(N2

)RN

• Check: N = 3: Γ(32) = 1

2

√π, C3 = 4π

3und V = 4π

3R3

Betrachte ideales Gas: N Teilchen der Masse m in Volumen V

101

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• Hamiltonian:

H(qi, pi) =N∑i=1

~p2i

2m

• Phasenraumvolumen:

ω(E, V,N) =

∫dq1 . . . dqN

∫dp1 . . . dpN Θ(E −H(qi, pi))

= V N

∫∑i

p2i

2m≤E

dp1 . . . dpN

Impulsintegral entspricht wegen

N∑i=1

p2i ≤ 2mE

dem Volumen einer 3N-dimensionalen Kugel mit Radius√

2mE

Damit:

ω(E, V,N) = V N π3N/2

3N/2 Γ(3N2

)(2mE)3N/2

• MitΩ =

1

σ0

∂ω

∂Eund S = k log Ω

folgt

S = k log

V N 1

σ0

π3N/2

Γ(3N2

)(2m)3N/2E

3N2−1︸ ︷︷ ︸

≈E3N2

= k log

((V

σ

)N(2πmE)

3N2

Γ(3N2

)

)

mit σ = σ1/N0

• Mit

log Γ(n) = log((n− 1)!)n1≈ (n− 1) log(n− 1) ≈ n log n− n

log1

Γ(3N2

)= −3N

2

(log

3N

2− 1

)102

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folgt

S = Nk

(log

(V

σ(2πmE)

32

)+

3

2− log

((3N

2

) 32

))und schließlich:

S(E, V,N) = Nk

[3

2+ log

(V

σ

(4πmE

3N

) 32

)](25)

• Erinnere:

dU = dE = TdS − pdV N − Abhängigkeit unterdrückt

dS =1

TdE +

p

TdV Physik

dS =

(∂S

∂E

)V︸ ︷︷ ︸

1/T

dE +

(∂S

∂V

)S︸ ︷︷ ︸

p/T

dV Mathematik

• Thermische und kalorische Zustandsgleichungen des ideales Gases:

1

T=

(∂S

∂E

)V,N

=3

2Nk

1

E→ E =

3

2NkT

p

T=

(∂S

∂V

)E,N

=Nk

V→ pV = NkT

Beachte und merke: Ableitung der makroskopischen Gleichungen aus mikro-skopischen Eigenschaften

Zusammenfassung:

• Betrachte abgeschlossenes System: (E, V,N)

• Zustandssumme Ω(E): Anzahl der zugänglichen Mikrozustände

• Wahrscheinlichkeit für Mikrozustand r: pr = 1Ω(E)

, Grundpostulat

• Berechnung der Anzahl der Mikrozustände:

σ(E) =

∫d~qd~p δ(E −H(~q, ~p))

103

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• Problem: Überabzählbar unendliche viele Mikrozustände

• Annahme:

Ω(E) =σ(E)

σ0

σ0: Proportionalitätskonstante

• Eingeschlossenes Phasenraumvolumen

ω(E) =

∫H(~q,~p)≤E

d~qd~p =

∫d~qd~pΘ(E −H(~q, ~p))

• Satz von Cavalieriσ(E) =

dE

SomitΩ(E) =

1

σ0

dE=

1

σ0

d

dE

∫d~qd~pΘ(E −H(~q, (~p))

• Ideales Gas:

– Hamiltonian:

H(qi, pi) =N∑i=1

~p2i

2m

– Integration über q trivial: V N

– Integration über p: 3N -dimensionale Kugel

9.4.1 Gibbs’sches Paradoxon (1887)

Umformulierung von Gl. (25)

S(E, V,N) = Nk

[3

2+ log

(1

σ

V

NN

(4πm

3

(E

N

)) 32

)]Gl. (25) kann nicht richtig sein.

• Die Entropie ist (muss) extensiv (sein)

104

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• Mit E/N der Energie pro Teilchen, V/N dem Volumen pro Teilchen ist Entropiein Gl. (25) nicht extensiv.

Gibbs’sches Paradoxon

• Betrachte abgeschlossenes System mit zwei Teilsystemen

• Druck und Temperatur identisch

• Unterschiedliche Teilchen

• EntropieSvortotal = SA(T, VA, NA) + SB(T, VB, NB)

• Entferne Trennwand

Snachtotal = SA(T, VA + VB, NA) + SB(T, VA + VB, NB)

• Mit

S = Nk

(3

2+ log

V

σ(2πmkT )2/3

)=

3

2Nk +Nk log V + const.

ist Mischungsentropie

∆Smisch = Snachtotal − Svortotal = k(NA +NB) log(VA + VB)− kNA log VA − kNB log VB

= kNA log

(VA + VBVA

)+ kNB log

(VA + VBVB

)> 0 (26)

Verwende nun identische Teilchen

Snachtotal = S(T, VA + VB, NA +NB)

Führt wiederum auf Gl. (26), Zunahme der Entropie

• Das kann aber nicht sein ! Zustände physikalisch nicht unterscheidbar: ∆S = 0

Was ist falsch ?

• Klassisch sind Teilchen unterscheidbar, individuell, ”anmalbar” und damitdurchnumerierbar.

Quantenmechanische freie identische Teilchen sind ununterscheidbar

105

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• Lösung

Es gibt N ! Möglichkeiten N identische Teilchen anzuordnen =⇒ Teile Zu-standssumme durch N !

Ω(E, V,N) =1

N !

σ(E, V,N)

σ0

Ergibt für das ideale Gas:

S(E, V,N) = Nk

[3

2+ log

(V

σ

(4πmE

3N

) 32

)]− k logN !︸ ︷︷ ︸

N logN−N

(27)

und damit

S(E, V,N) = Nk

[5

2+ log

(V

(4πmE

3N

) 32

)]• Damit ∆Smisch > 0 für unterschiedliche Gase, ∆Smisch = 0 für identische Gase

Merke: Gibbs’scher Korrekturfaktor 1N !

von 1878

• korrigiert Widersprüche einer konsequent klassischen Statistischen Physik

• berücksichtigt die Ununterscheidbarkeit (freier) identischer quantenmechani-scher Teilchen

9.4.2 Quantenmechanische Berechnung

• Ideales Gas: Keine Wechselwirkung: Schrödinger Gleichung

Hψ(x1, . . . , xn) = Eψ(x1, . . . , xn)

vereinfacht sich zu

H =N∑i=1

hi(x)

Aus Lösung von 1-Teilchen Schrödinger-Gleichung

hi(xi)φi(xi) = εiφi(xi)

106

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ergibt sich N -Teilchen Wellenfunktion durch Produktansatz:

ψ(x1, . . . , xn) =N∏i=1

φi(xi)

• Dieser löst die N-Teilchen Schrödinger-Gleichung

Hψ =

(∑k

hk

)∏i

φi =

(∑k

εk

)∏i

φi = E∏i

φi = Eψ

mit Gesamtenergie E =∑

i εi

• Beispiel N = 2

(h1 + h2)φ1φ2 = h1φ1︸︷︷︸=ε1φ1

φ2 + φ1 h2φ2︸︷︷︸=ε2φ2

= (ε1 + ε2)φ1φ2 = Eφ1φ2

Ideales Gas:

• Volumen sei dreidimensionaler Kasten mit Kantenlänge L

• Ein-Teilchen Wellenfunktion

ψnx,ny ,nz = A sin kxx sin kyy sin kzz = A sinnxπx

Lsin

nyπy

Lsin

nzπz

Lnx, ny, nz = 1, 2, . . .

• Impulseigenwerte pro Richtung

pi =h

2Lni

• Ein-Teilchen Energie:

εnx,ny ,nz =(~k)2

2m=

~2

2m(k2x + k2

y + k2z) =

h2

8mL2(n2

x + n2y + n2

z)

• Gesamtenergie:

E =h2

8mL2

3N∑i=1

n2i

Das ist für N 1 wieder eine Kugel, jetzt mit Radius:

R =√

8mE/h2

107

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• Beachte: Da wir Zustände abzählen, haben wir nicht das (klassische3) Problemmit σ0

• In analoger Rechnung zu oben ergibt sich:

S(E, V,N) = Nk

[5

2+ log

(V

Nh3

(4πmE

3N

) 32

)](28)

• Proportionalitätskontante σ ersetzt sich durch Phasenraumzelle h3, physika-lisch am Ende Folge der Unschärferelation

Gibbs-Korrektur immer noch per Hand, wird erst in Kap. 12 Quantengasegelöst

7. WeekZustandssumme revisited, klassischer Limes

• Erinnereσ(E) =

∫d~qd~p δ(E −H(~q, ~p))

• Damit ZustandssummeΩ(E) =

σ(E)

σ0

Eine Zustandssumme sollte als Anzahl dimensionslos sein.

• Das kriegen wir jetzt geschenkt

Ω(E) =σ(E)

N !h3N

Das bleibt auch im klassischen Limes so

– N ! aus Ununterscheidbarkeit der Teilchen, solange sie ununterscheidbarsind

– h3N aus Phasenraumzelle

• Für sonstige quantenmechanische Effekte gibt es einen klassischen Limes, siehez.B. Kap. 11.4

3Wortspielverdacht !

108

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• Betrachte thermische de Broglie-Wellenlänge:

λ =h√

2πmkT

Bedeutung: Mittlere Ortsunschärfe, die zur mittleren Energie εkin = 32kT , also

zum mittleren Impuls ¯|~ |p =√

2mεkin gehört

Damit wird Gl. (28) mit Volumen pro Teilchen v = VN

zu

S(E, V,N) = Nk

[5

2+ log

( vλ3

)]• Gültigkeitsbereich der klassischen Näherung

v

λ3 1 Mittleres Volumen pro Teilchen Unschärfevolumen

– geringe Dichten

– hohe Temperaturen

– große Massen

Beispiele:

– Gasförmiges Neon bei 100 K: v/λ3 ∼ 106

– Elektronen im metallischen Leiter bei 300 K: v/λ3 ∼ 10−3

9.5 Shannon-Information

• Shannon (1948) untersuchte die Information, die man in einem verrauschten”Kanal” übermitteln kann. Er führte das ”Bit” ein

• Wieviele Bits sind nötig, um eine bestimmte Information zu übertragen ?

• Zentrale Größe, die Shannon’sche-Information oder Entropie:

I = −N∑i=1

pi log pi

109

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Motivation:

• Betrachte Schachbrett, 64 Felder

• Frage: Wo ist die Figur ? pi = 164

• Effizienteste Strategie:

– Halbiere Schachfeld in rechts/links

– Frage: Ist Figur links ? pi = 132

– Je nach Antwort, halbiere rechte oder linke Hälfte

– Frage: Ist Figur oben ? pi = 116

– Und so weiter ...

– Nach 6. Frage: pi = 1

Aus anfänglicher Wahrscheinlichkeit – und damit Unsicherheit – pi wird nachn Fragen Sicherheit, p = 1

Die am Anfang fehlende oder am Ende gewonnene Information ist

2npi = 1

• Definiere InformationIi := n = − log2 pi

Die mittlere Information ist

I =∑i

piIi = −∑i

pi log2 pi

Beispiele:

• Würfel

pi =1

6

damit

110

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I = −6∑i=1

1

6log

1

6= log 6

Betrachte getürkten Würfel, der immer eine 6 liefert

I = 0 wegen 0 log 0 = 1 log 1 = 0

Bedeutung: Shannon-Information = Maß für Unwissenheit vor der Messungbzw. Neuigkeitswert (Unwissenheitsreduktion) nach der Messung4

• Für mikrokanonisches System gilt für Wahrscheinlichkeit der Mikrozustände r

pr =1

Ω

damit Information

I = −∑i

1

Ωlog

1

Ω= log Ω

Zusammenhang Information I und Entropie S

• Betrachte N Teilchen, die mit Wahrscheinlichkeit pi = ni/N inM unterschied-lichen energetischen Zuständen sind

M∑i=1

ni = N

• Ziel: Drücke S = k log Ω direkt durch die pi aus

• Gegeben die Besetzungszahlen ni, ist die mikrokanonische Zustandssumme

Ω(n1, n2, . . . nM) =N !∏i ni!

4Ich hoffe, dass diese Vorlesung nicht zu nieder-entropisch ist :-)

111

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• Mit log n! = n log n− n folgt:

S

k= N logN −N −

∑i

ni log ni +∑i

ni︸ ︷︷ ︸=N

= N logN −N∑i

pi logNpi

= N logN −N logN∑i

pi︸ ︷︷ ︸=i

−N∑i

pi log pi = −N∑i

pi log pi

Damit ist die EntropieS = −kN

∑i

pi log pi (29)

Statistische Mechanik als Anwendung der Informationstheorie

Eigenschaften:

• Es gilt I ≥ 0.

• Extremfall:I = 0, wenn pi = δi i0

Kenntnis über Mikrozustand (und Markrozustand) nimmt bei Messung nichtzu, wenn sich Mikrozusatnd mit Sicherheit in einem bestimmten, bekanntenZustand befindet.

• Die Funktion f(x) = −x log x ist konvex

f

(∑i

µixi

)≥∑i

µif(xi) für 0 ≤ µi ≤ 1,∑i

µi = 1

Ferner:f(0) = f(1) = 0

Sehr seltene und sehr häufige Ereignisse tragen wenig zur mittleren Informationbei

– Sehr seltene, weil sie selten sind

112

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– Sehr häufige, weil Informationsgehalt gering

• Münzwurf

1

I

p

• Quantenmechanik:

– pi Wahrscheinlichkeit für gemischten Zustand– Dichtematrix

ρ =∑i

pi|i〉〈i|

– Information:I = −Sp ρ log ρ

• Information einer kontinuierlichen Wahrscheinlichkeitsverteilung p(x) ist un-endlich.

Sei pi = p(xi)∆x

I = −∑i

pi log pi = −∑i

p(xi)∆x log (pi(xi)∆x)

= −∑i

p(xi)∆x log p(xi)−∑i

p(xi)∆x log ∆x

∆x → dx→ 0

I = −∫p(x) log p(x)dx− log dx

∫p(x)dx︸ ︷︷ ︸

=1

→∞

113

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Macht Sinn, da jede Realisierung einer kontinuierlichen Wahrscheinlichkeits-verteilung unendlich unwahrscheinlich ist5

Gilt in der klassischen Mechanik. Erst natürliche Beschränkung auf ∆x ≈ h3N

durch die Quantenmechanik liefert vernünftige Definition

• Für kontinuierliche Verteilungen, betrachte differentielle Entropie

h = −∫p(x) log p(x)

Hat aber keine so schönen Eigenschaften:

– nicht skalierungsinvariant, macht zwar für gegebene skalierbare VerteilungSinn, aber Vergleich verschiedener Verteilung schwierig

– Kann negativ werden

Landauer-Prinzip (1961)

• Thermodynamische Entropie hatte was mit Wärme zu tun.

• Findet sich das in der statistischen Informations-Definition wieder ?

• Ja ! Landauer-Prinzip

Das Löschen eines Bits an Information führt zur Abgabe von Wärme

Q = kT log 2

Experimentelle Bestätigung: 2012, der Drops ist nicht gelutscht

• Gibt theoretische Untergrenze für Verlustleistung von Computern

• Gilt nicht für Quantencomputer ...5Siehe Douglas Adams ”Per Anhalter durch die Galaxis”: Der unendliche Unwahrscheinlichkeits-

drive.

114

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9.6 Prinzip der maximalen Entropie

Jaynes (1957)

• Generell gilt für eine Wahrscheinlichkeitsverteilung nur:

N∑i=1

pi = 1

• Möchte man zusätzliche Informationen über die Wahrscheinlichkeitsverteilungeinbeziehen, sollten auch wirklich nur diese Informationen einbezogen werden.

• Anders formuliert: Jenseits der zusätzlichen Informationen sollte die Verteilungmaximal überraschend, i.e. maximal-entropisch sein

• Führt auf ”Optimierung unter Nebenbedingungen” und damit Lagrange-Multiplikatoren

Beispiel 1:

• Betrachte Würfel. Wir wissen nur∑6

i=1 pi = 1

• Führt auf∂

∂pj

(−∑i

pi log pi − λ∑i

pi

)= 0

Ergebnis:− log pi − 1− λ = 0 → pi = e−1−λ

• λ ergibt sich aus Normierung∑6

i=1 pi = 1

pi =1

6

Beispiel 2:

• Betrachte M -seitigen Würfel

• Betrachte die Ereignisse, bei denen nach N Würfen die Summe der Augenzah-len ai grade einer vorgegebenen Zahl A entspricht

A =M∑i=1

niai = N∑i

piai

115

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Anders gelesen: Für die mittlere Augenzahl 〈a〉 gilt:

〈a〉 =A

N

• Dies gibt weitere Nebenbedingung

M∑i=1

piai = 〈a〉

Lagrange-Multiplikatoren Ansatz:

∂pj

(−∑i

pi log pi − λ1

∑i

pi − λ2

∑i

piai

)= 0

• Ergibt− log pi − 1− λ1 − λ2ai = 0

oderpi = e−1−λ1−λ2ai , pi ∝ e−λ2ai

eine Exponential-Verteilung

pi =e−λ2ai

Z

mit NormierungZ =

∑i

e−λ2ai

Bezug zur Statistischen Physik

• Sei nun

ai → εi Energieniveaus

A→ E =∑

i niεi = N〈ε〉 = const. Gesamtenergie

N =∑

i ni = const. Teilchenanzahl

116

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• Zentrales Ergebnis der Statistischen Mechanik: Besetzungswahrscheinlichkeitenpi der Energieniveaus εi

pi =e−λ2εi

Z, Z =

∑i

e−λ2εi

• Bestimmung von λ2

Mit Gl. (29)

S = −kN∑i

pi log pi = −kN∑i

e−λ2εi

Z(−λ2εi − logZ)

= kλ2E + kN∑i

e−λ2εi

Z︸ ︷︷ ︸=1

logZ = kλ2E + kN logZ

Mit (∂S

∂E

)V,N

=1

T= kλ2

erhalten wirλ2 = β =

1

kTund somit die Boltzmann-Verteilung für die Wahrscheinlichkeit der Besetzungder Energieniveaus:

pi =e−

εikT

Z=e−βεi

Z, Z =

∑i

e−βεi (30)

Merke:

• Im mikrokanonischen System (E, V,N) sind alle Mikrozustände r mit EnergieE gleich wahrscheinlich

pr =1

Ω= const.

• Die Energie εi der einzelnen Teilchen i ist aber unterschiedlich. Die Besetzungs-wahrscheinlichkeit pi = ni/N der Energieniveaus ist durch den Boltzmann-Faktor

pi ∝ e−εikT

gegeben

117

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Prinzip der maximalen Entropie hat in vielen Bereichen der Datenanalyse undModellbildung Anwendung, wenn es um ”vorurteilsfreie” maximal-entropischeAnsätze geht

Prinzip der maximalen Entropie für kontinuierliche Verteilungen, Variationsrechnung

• Bei gegebener Varianz maximiert Gaußverteilung die differentielle Entropie füralle p(x) mit Träger (−∞,∞). Sie ist die ”zufälligste” aller Verteilungen.

• Für kompakten Träger ist es die Gleichverteilung

9.7 3. Hauptsatz revisited

Frage: Wie verhalten sich Systeme bei kleinen Werten der inneren Energie ?

• Quantenmechanische Systeme haben üblicherweise genau einen Zustand mitniedrigst möglicher Energie E0, den Grundzustand.

• Im Grenzfall gilt somit

Ω(E) = 1 für E → E0

und damitS(E) = k log Ω(E) = 0 für E → E0 (31)

• Erinnere Zustandssumme des idealen Gases

Ω(E) ∝(E

N

)3N/2

Dieses gilt verallgemeinert für viele Systeme, mit f den Freiheitsgraden desSystems, γ den inneren Freiheitsgraden der Teilchen, z.B. Rotations- oder Vi-brationsfreiheitsgrade von Molekülen, siehe Kap. 11.3

Ω(E) ∝(E

f

)γf

118

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• Für Anregung von Freiheitsgraden steht die Energie E − E0 zur VerfügungErgibt für die Zustandssumme:

Ω(E) ∝ (E − E0)γf

Es folgt:

1

T:=

∂S(E)

∂E= k

∂ log Ω(E)

∂E= kγf

∂ log(E − E0)

∂E∝ γf

E − E0

E→E0→ ∞

Daher bedeutet E → E0 soviel wie T → 0

• Physikalische Bedeutung der Temperatur:

T ∝ E − E0

γf(32)

Temperatur: Verfügbare Energie pro Freiheitsgrad

• Aus Gln. (31, 32) folgt der 3. Hauptsatz:

limT→0

S(T ) = 0

Aber beachte: Frustrierte Zustände

• Betrachte System aus drei Spins mit jeweils paar-weiser negativer KopplungHamiltonian:

H = s1s2 + s2s3 + s3s1

1 23

• Alle sechs Zustände sind gleich wahrscheinlich

limT→0

S(T ) = k log 6

119

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9.8 Entropische Kräfte revisited

Erinnere: Freie Energie F = U − TS, isothermisches System im Wärmebad

• Minimierung der Energie gegen Maximierung der Entropie, widerstrebendeKräfte

• Betrachte Aggregationsmodell von zwei ununterscheidbaren Teilchen in Volu-men mit N Gitterzellen

• Vergleiche freie Energie für Dimer mit der für zwei Monomere

• Dimer sei mit Bindungsenergie UD = −ε energetisch begünstigt

• Pure Energieminimierung würde Dimer bevorzugen.

• Aber: Monomerzustand hat mehr mögliche Positionen =⇒ entropisch bevor-zugt

• Energie zur ”Überstimmung” von Bindungsenergie ε kommt aus Wärmebad

Betrachte Dimer

• Es gibt N − 1 Positionen für den Dimer, Bindungsenergie UD = −ε

120

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• Damit freie Energie:

FD = UD − TSD = −ε− kT log(N − 1)

Betrachte Monomer

• Mikrozustände:

ΩM = Ωtotal − ΩD =N !

2! (N − 2)!− (N − 1) =

N(N − 1)

2− (N − 1)

• MitN(N − 1)

2− (N − 1) =

(N

2− 1

)(N − 1)

freie Energie:

FM = UM︸︷︷︸=0

−TSM = −kT log

[(N

2− 1

)(N − 1)

]

• Bei niedriger Temperatur dominiert Dimer, bei hoher Monomer, bei T0 gleich

121

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wahrscheinlich, FD = FM

−ε− kT0 log(N − 1) = −kT0 log

[(N

2− 1

)(N − 1)

]ε = kT0 log

(N

2− 1

)T0 =

ε

k log((N/2)− 1)

Lessons learned

• Statistische Entropie drückt Unwissenheit über Mikrozustand aus

• Verbindung von statistischer und thermodynamischer Entropie

• Entropie des ideales Gases in drei Schritten

• N ! aus Mischungsentropie, h3N aus Quantenmechanik

• Unzulänglichkeit der rein klassischen Statistischen Physik

• Verbindung zur Informationstheorie

• Prinzip der maximalen Entropie

• Verständnis des 3. Hauptsatzes

• Freie Energie und entropische Kräfte

Diskussion Entropie und Zeitpfeil 8. Week

10 GesamtheitenAuch als Ensemble bezeichnet.

Ausgangspunkt:

• Grundpostulat der Statistischen Mechanik: Im abgeschlossenen System sindalle Mikrozustände mit der Energie E gleich wahrscheinlich.

122

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=⇒ Zustandssumme ergab sich durch einfaches Abzählen der Mikrozustände

• Im nicht abgeschlossenen Systemen treten Mikrozustände mit unterschiedlicherEnergie auf. Mikrozustände sind nicht gleich wahrscheinlich.

=⇒ Zustandssumme muss dies durch eine Gewichtsfunktion ρ(q, p) berücksich-tigen.

10.1 Ergodenhypothese

• Will man den Erwartungswert 〈f〉 einer Größe f eines (thermodynamischen)Systems bestimmen, so ist der natürliche Ansatz das Zeit-Mittel :

〈f〉Z = limt→∞

1

t

∫ t

0

dt′f(q(t′), p(t′)) (33)

Auf Grund der Komplexität der Dynamik nicht realistisch auszurechnen

• Die Dynamik des Systems induziert eine Dichte ρ(q, p) im Phasenraum

Damit sollte sich der Erwartungswert 〈f〉 auch durch das Schar-Mittel oderEnsemble-Mittel mit Phasenraumdichte ρ(q, p) bestimmen lassen:

〈f〉S =

∫dqdp

h3Nρ(q, p)f(q, p) (34)

• Intuition:

Schar-Mittel mittelt über viele ”Kopien” des makroskopischen Systems, die je-weils in einem bestimmten Mikrozustand gemäß der Zeitentwicklung sind.

• Ergodenhypothese besagt

〈f〉S = 〈f〉Z

Anschauung:

• Einmaliges Würfeln mit N Würfeln sollte statistisch das selbe ergeben wieN -maliges würfeln mit einem Würfel.

Konkret:Der klassische Fall

123

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• Im Gleichgewicht ist Phasenraumdichte ρ(q, p) zeitunabhängig

• Nichtgleichgewichtsprozesse: Explizit zeitabhängige Phasenraumdichteρ(q, p, t)

• Phasenraumdichte einer einzelnen Trajektorie (Q(t), P (t)) mit Anfangsbedin-gung (Q0, P0)

ρ(q, p, t) = δ(q −Q(t, Q0, P0))δ(p− P (t, Q0, P0)) (35)

Mittelt man über verschiedene Anfangsbedingungen (Q0, P0) mit Dichteρ0(Q0, P0), folgt

ρ(q, p, t) =

∫dQ0dP0 ρ0(Q0, P0) δ(q −Q(t, Q0, P0)) δ(p− P (t, Q0, P0)) (36)

Idee der Dichte der Anfangsbedingungen: Alle Teilchen rechts. Gibt zeitabhän-gige Phasenraumdichte bei zeit-unabhängiger Hamilton-Funktion

• Zeitliche Entwicklung einer Funktion f(q(t), p(t), t) auf dem Phasenraum:

df

dt=∂f

∂t+∑i

∂f

∂qiqi︸︷︷︸

= ∂H∂pi

+∂f

∂pipi︸︷︷︸

=− ∂H∂qi

=∂f

∂t+∑i

(∂f

∂qi

∂H

∂pi− ∂f

∂pi

∂H

∂qi

)

• Somit:df

dt=∂f

∂t+ f,H (37)

mit der Poisson-Klammer

f,H =∑i

(∂f

∂qi

∂H

∂pi− ∂f

∂pi

∂H

∂qi

)= −H, f

• Für zeitunabhängige Größen folgt:df

dt= 0,

∂f

∂t= 0

und somit verschwindet die Poisson-Klammer:

f,H = 0

f ist eine Konstante der Bewegung

124

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• Beispiel:

f = H, H,H = 0 und∂H

∂t,

dH

dt= 0→ H = E

• Betrachte nun Bewegungsgleichung für zeitabhängige Phasenraumdichte,Gl. (36)

(Physiker-laxe) Zeitableitung der δ-Funktion

∂tδ(~q − ~Q(t)) = −

∑i

∂Qi

δ(~q − ~Q(t)) Qi(t)

Für ~P (t) entsprechend

• Damit, Gl. (36):

∂ρ

∂t= −

∑i

∫dQ0dP0 ρ0(Q0, P0)

(Qi(t)

∂Qi

+ Pi(t)∂

∂Pi

)δ(~q − ~Q(t, Q0, P0))δ(~p− ~P (t, Q0, P0))

= −∑i

(∂ρ

∂Qi

Qi(t) +∂ρ

∂PiPi(t)

)=∑i

(− ∂ρ

∂Qi

∂H

∂Pi+

∂ρ

∂Pi

∂H

∂Qi

)= −ρ,H

Liouville-Gleichung: Bewegungsgleichung für Phasenraumdichte ρ(q, p, t)

∂tρ = H, ρ (38)

Mit Gl. (37) folgt das Liouville-Theorem

dt=∂ρ

∂t+ ρ,H = 0

Phasenraumdichte ist unter Dynamik erhalten

Der quantenmechanische Fall

• Was sind quantenmechanische Analoga zu Erwartungswert 〈f〉 und Wahr-scheinlichkeitsdichte ρ(q, p, t) in Gl. (34) und Liouville-Gleichung Gl. (38) ?

125

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• Quantenmechanisches System sei durch Wellenfunktion (reiner Zustand) |ψ〉beschrieben

• Zentrale Größe: Dichtematrix

Dichteoperatorρ = |ψ〉〈ψ|

Stelle ψ in Basis |n〉 dar

Ket-Vektor: |ψ〉 =∑n

cn|n〉, Bra-Vektor: 〈ψ| =∑n

c∗n〈n|

Damit Dichteoperator als Dichtematrix

ρ =∑n,m

cnc∗m|n〉〈m|

mit Matrixelementen

ρnm = 〈n|ρ|m〉 = cnc∗m

• Erwartungswert eines Operators f

〈f〉 = 〈ψ|f |ψ〉 =∑nm

cnc∗mfmn

Ergibt

〈f〉 = Sp(fρ)

• Aus klassischem Phasenraumintegral, Gl. (34), über Wahrscheinlichkeitsdich-te ρ(q, p) und Funktion f(q, p) wird Spurbildung über Dichtematrix ρnm undOperator fmn

• Zeitentwicklung

∂tρ =

∂t(|ψ〉〈ψ|) =

(∂

∂t|ψ〉)〈ψ|+ |ψ〉

(∂

∂t〈ψ|)

126

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Mit Schrödingergleichung

∂t|ψ〉 = − i

~H|ψ〉, ∂

dt〈ψ| = i

~〈ψ|H

folgt∂

∂tρ = − i

~H|ψ〉〈ψ|+ i

~|ψ〉〈ψ|H = − i

~Hρ+

i

~ρH

und mit Kommutator

[A,B] = AB −BA

die von-Neumann-Gleichung

∂tρ = − i

~[H, ρ]

analog zur Liouville Gleichung

• Zusammenhang: Ersetze (klassische) Poisson-Klammer durch (quantenmecha-nischen) Kommutator

H, ρ → − i~

[H, ρ]

• Da bisher reiner Zustand, entspricht bisheriges klassischer Beschreibung eineseinzelnen Teilchens, siehe Gl. (35)Beschreibung durch Wellenfunktion und Dichtematrix äquivalent

• Betrachte nun analog zu Gl. (36) ein Gemisch von ZuständenLässt sich nicht mit Wellenfunktion beschreiben, wohl aber mit Dichtematrix

• Betrachte Zustände φk, die mit Wahrscheinlichkeit pk auftretenDichteoperator dieses gemischten Zustands:

ρ =∑k

pk|φk〉〈φk|

Beachte den Unterschied zur Wellenfunktion definiert als

|ψ〉 =∑k

√pk |φk〉

welche wieder einen reinen Zustand beschreibt

127

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• Beispiel

Betrachte Zwei-Niveau-System mit |φ1〉 und |φ2〉Befindet sich System in einem der Zustände, gilt für Wellenfunktion und Dich-tematrix

|ψ〉 = |φ1〉 → ρ = |φ1〉〈|φ1| =(

1 00 0

)oder |ψ〉 = |φ2〉 → ρ = |φ2〉〈|φ2| =

(0 00 1

)Kohärente Superposition der Zustände

|ψ〉 =1√2

(|φ1〉+ |φ2〉)→ ρ =

(1/2 1/21/2 1/2

)entspricht einem reinen Zustand.

Gemisch der Zustände mit p1 = p2 = 0.5 ergibt

ρ =

(1/2 00 1/2

)Beachte: Da Diagonalelemente gleich, sind Besetzungswahrscheinlichkeit beiderZustände gleich

Off-Diagonalelemente des reinen Zustands beschreiben die Kohärenz zwischen|φ1〉 und |φ1〉, die im Gemisch nicht existiert.

Last not least: Es gibt keine Wellenfunktion, die Dichtematrix des gemischtenZustands ergeben würde

Für beide Fälle gilt: Grundlage für Simulation der Systeme

Zurück zur Ergodenhypothese:

• Boltzmann: Ergodenhypothese: Jede Trajektorie geht durch jeden erlaubtenPunkt des Phasenraums

Idee: System ist mischend

• Zu streng, Trajektorien können sich nicht schneiden

128

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• Quasi-Ergodenhypothese: Jede Trajektorie, abgesehen von einer Menge vomMaß Null, kommt jedem erlaubten Punkt des Phasenraumes beliebig nahe

• Folge: Schar-Mittel gleich Zeit-Mittel

Die zwei typischen Ausnahmen

• Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen

q

W

(asymmetrisches) double well potential

• Algebraisch langsame Dynamik

– Typische Dynamik des Mischens:

∼ e−λt

Exponentiell: Immer schnell

– Langsam: Algebraisches Mischen:

∼ t−α

Beispiel: Glas, komplizierte Energie-Landschaft

129

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Zurück zur Statistischen Mechanik

• Zeitmittel viel zu kompliziert zum expiliziten Ausrechnen

• ρ in Schar-Mittel auch zu kompliziert zum explizierten Ausrechnen

• Aber, Ergodenhypothese sagt, dass es die Dichte ρ gibt

• Es wird sich zeigen, das die Zustandssumme die zentrale Größe ist

Das Programm im folgenden

• Betrachte drei verschiedene physikalische Situationen

• Leite Zustandssumme her

• Einmal physikalisch

• Einmal unter Anwendung der Methode der Maximalen Entropie

10.2 Mikrokanonische Gesamtheit

• Betrachte abgeschlossenes System

• Volumen und Teilchenzahl sind fest, Energie auf kleines Intervall [E,E + ∆]beschränkt

Physikalische Herleitung

130

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• Grundpostulat: Alle Mikrozustände mit gleicher Energie sind gleich wahr-scheinlich

• Zustandssumme:

Ω(E, V,N) = Anzahl aller zugänglichen Mikrozustände r mit E ≤ Er ≤ E+∆

• Boltzmann-Faktor e−βεi gibt Wahrscheinlichkeit für Vorliegen eines Teilchensmit Energie εi, siehe Gl. (30)

• Entropie:S(E, V,N) = k log Ω(E, V,N)

• Alles weitere folgt wie oben

Prinzip der maximalen Entropie:

• Einzige Nebenbedingung an pi:∑

i pi = 1

∂pj

(−∑i

pi log pi − λ∑i

pi

)= 0

ergibt

− log pi − 1− λ = 0 → pi = e−1−λ =1

Ω

10.3 Kanonische Gesamtheit

• Mikrokanonische Gesamtheit über vorgegebene Energie definiert

• Jedes beliebige Sytem kann unter Aufnahme einer hinreichend großen Umge-bung in ein mikrokanonisches verwandelt werden

• Aber: Rechnungen in der mikrokanonischen Gesamtheit sind oft schwierig

• In Praxis oft Temperatur vorgegeben → Energieaustausch mit Umgebung

• Betrachte unendlich großes Wärmebad B, in das System S eingebettet ist.Erlaubt Energieaustausch

• Erinnere freie Energie F mit natürlichen Variablen (T, V,N)

Berechnung der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Mikrozustände

131

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• Im Gesamtsystem giltES + EB = E = const.

Bad groß gegen System:ESE

= 1− EBE 1

Da ES, EB 6= const., kann System S Mikrozustände i mit unterschiedlicherEnergie Ei annehmen.

• Für feste Energie Ei des Systems S sind alle zugänglichen Mikrozustände gleichwahrscheinlich. Mikrokanonische Situation

• Abhängig von Ei in S hat Wärmebad mit EB = E − Ei mehr oder wenigerzugängliche Zustände gegeben durch dessen mikrokanonische ZustandssummeΩB(E − ES)

• Damit Wahrscheinlichkeit pi für Mikrozustand mit Ei im System S:

pi ∝ ΩB(E − Ei)

Da ES E ≈ EB und log ΩB extensiv, Taylorentwicklung von log ΩB

log ΩB(E − Ei) ≈ log ΩB(E)− ∂ log ΩB

∂E︸ ︷︷ ︸=β

Ei + const.

mitβ =

1

kT=

1

k

∂S

∂E=

log Ω(E)

∂E≈ log ΩB(E)

∂E

• Damitpi ∝ ΩB(E − ES) ≈ ΩB(E) e−βEi

Ergibt

pi =1

Ze−βEi Boltzmann-Faktor

Z =∑i

e−βEi Kanonische Zustandssumme

132

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• Merke: Ableitung der mikrokanonischen Zustandssumme des Wärmebadesbringt dessen Temperatur β = 1

kTins Spiel.

• Beachte

– Kanonische Gesamtheit: Boltzmann-Faktor e−βEi gibt Wahrscheinlichkeitfür Mikrozustand mit Energie Ei

– Mikrokanonisches Gesamtheit: Alle Mikrozustände gleich wahrscheinlich.Boltzmann-Faktor e−βεi gibt Wahrscheinlichkeit für Vorliegen eines Teil-chens mit Energie εi, siehe Gl. (30)

• Thermodynamische Größen f ergeben sich in kanonischer Gesamtheit als Mit-telwerte:

〈f〉 =∑i

e−βEi

Zf(Ei)

Ganz im Sinne des Schar-Mittels

Ableitung über das Prinzip der maximalen Entropie

• Volumen und Teilchenzahl sind fest

• Temperatur ist vorgegeben, Temperatur bestimmt Erwartungswert der Energie〈E〉

• Nebenbedingungen pi:∑

i pi = 1, E:∑

i piEi = 〈E〉

∂pj

(−∑i

pi log pi − λ∑i

pi − β∑i

piEi

)= 0

ergibt

− log pi − 1− λ− βEi = 0 → pi =1

Ze−βEi ,

So einfach kann das gehen :-) Klausur

133

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Die kanonische Zustandssumme

Z =∑i

e−βEi

mathematisch nur ein Normierungsfaktor, ist zentral für die Statistische Mechanik

Beispiele:

• Innere Energie

– U ist Mittelwert der Mikrozustandsenergien des Systems

U = 〈E〉 =∑i

piEi =1

Z

∑i

e−βEiEi

– Mit∂Z

∂β= −

∑i

e−βEiEi

und∂ logZ

∂β= − 1

Z

∑i

e−βEiEi

ist

U = − 1

Z

∂Z

∂β= −∂ logZ

∂β= kT 2 ∂ logZ

∂T

• EntropieErinnere Gl. (29), allerdings ohne FaktorN , da hierN -Teilchen Mikrozustände,nicht Einteilchenzustände

S = −k∑i

pi log pi

= − kZ

∑i

e−βEi loge−βEi

Z

= kβ1

Z

∑i

Eie−βEi

︸ ︷︷ ︸=〈E〉=U

+k

Z(logZ)

∑i

e−βEi︸ ︷︷ ︸=Z

=U

T+ k logZ = kT

∂ logZ

∂T+ k logZ

134

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• Freie Energie

F = U − TS = U − T(U

T+ k logZ

)ergibt

F = −kT logZ

Bringt (mikroskopische) Zustandssumme mit (makroskopischem) thermodynami-schem Potential zusammen

Analogie:

– Freie Energie F (T, V,N) ist thermodynamisches Potential zur kanonischenZustandssumme Z(T, V,N)

– Entropie S(E, V,N) ist thermodynamisches Potential zur mikrokanoni-schen Zustandssumme Ω(E, V,N)

Kanonische Zustandssumme: Die wichtigste Größe in der Statistischen Mechanik

Merke: Alles folgt aus einer Normierungsgröße !

Zusammenhang kanonische und mikrokanonische Zustandssumme:

• Kanonische Zustandssumme

Z =∑i

e−βEi

Index i läuft über alle Mikrozustände mit Energie Ei, inklusive Mehrfachzäh-lungen

• Fasse Mikrozustände gleicher Energie zusammen, so folgt

Z =∑k

Ω(Ek) e−βEk (39)

mit Ω(Ek) der Anzahl der Mikrozustände mit Energie Ek, Index k läuft überEnergiewerte. Keine Mehrfachzählungen mehr.

135

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• Ω(Ek) ist mikrokanonische Zustandssumme

• Merke: Kanonische Zustandssumme ist thermische Mittlung über die mikroka-nonische Zustandssumme

• Gl. (39) mit Argumenten, V,N unterdrückt

Z(T ) =∑k

Ω(Ek) e−βEk

stellt eine diskretisierte Laplace-Transformation oder Z-Transformation dar:

Laplace-Transformation:

f(s) =

∫ ∞0

dx f(x)e−sx

Wird oft zum Lösen von Differentialgleichungen verwendet

Ideales Gas

• Kontinuumslimit

i → (q1, . . . , qN , p1, . . . , pN)∑i

→ 1

h3N

∫dqdp

Z =1

h3N

∫dqdp e−βH(q,p)

• N -Teilchen Zustandssumme aus 1-Teilchen Zustandssumme

Z(β, V,N) =1

N !Z(β, V, 1)N

• 1-Teilchen Zustandssumme

Z(β, V, 1) = V1

h3

∫dp e−βp

2/(2m) = V

(2πm

βh2

) 32

=V

λ3

Erinnere: λ: Thermische de Broglie Wellenlänge

136

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• N -Teilchen Zustandssumme

Z(β, V,N) =1

N !

V N

λ3N

Erinnere, wie schmerzhaft die Rechnung in der mikrokanonischen Gesamtheitwar, Kap. 9.4

• Freie Energie

F = −kT logZ = −NkT

(1 + log

(V

N

(2πmkT

h2

)3/2))

damit folgt:

p = −(∂F

∂V

)T,N

=NkT

V

S = −(∂F

∂T

)V,N

= Nk

(5

2+ log

(V

N

(2πmkT

h3

)3/2))

Identische Ergebnisse wie in der mikrokanonischen Gesamtheit9. Week

10.4 Großkanonische Gesamtheit

Betrachte offenes System, bei dem sowohl Energie als auch Teilchen ausgetauschtwerden können.

Physikalische Ableitung der Zustandssumme

• In Analogie zur Ableitung der kanonischen Gesamtheit, S: System, B: Bad

ES + EB = E, NS +NB = N

Wahrscheinlichkeit pi,Ni für Mikrozustand mit Energie Ei und Teilchenzahl Ni

pi,Ni ∝ ΩB(E − Ei, N −Ni)

137

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• Wieder Taylor-Entwicklung:

log ΩB(E − Ei, N −Ni) = log ΩB(E,N) +∂ log Ω

∂E(E − Ei) +

∂ log Ω

∂N(N −Ni) + . . .

= −∂ log Ω

∂EEi −

∂ log Ω

∂NNi + . . .

• Mit

∂ log ΩB

∂E=

1

k

∂S

∂E=

1

kT= β

∂ log ΩB

∂N=

1

k

∂S

∂N=−µkT

= −βµ

Damit folgt:

pi,Ni =1

Ye−β(Ei−µNi) Wahrscheinlichkeitsverteilung

Y (β, V, µ) =∑i

e−β(Ei−µNi) Großkanonische Zustandssumme

Ableitung mit der Maximum-Entropie Methode:

• Die Erwartungswerte von Energie E und Teilchenzahl N ist vorgegeben

• Nebenbedingungen pi:∑

i pi = 1, E:∑

i piEi = 〈E〉, N :∑

i piNi = 〈N〉

∂pj

(−∑i

pi log pi + λ∑i

pi − β∑i

piEi + βµ∑i

piNi

)= 0

ergibt:

− log pi − 1 + λ− βEi + βµNi = 0 → pi =1

Ye−β(Ei−µNi)

Mit Fugazität z = eβµ

• Großkanonische Zustandssumme:

Y (T, V, µ) =∑i

e−β(Ei−µNi) =∞∑

NS=0

eβµNS∑i

e−βEi

138

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Erinnere kanonische Zustandssumme:

Z(T, V,NS) =∑i

e−βEi

ergibt:

Y (T, V, µ) =∞∑

NS=0

zNSZ(T, V,NS) (40)

• Großkanonische Zustandssumme: Mittelung über kanonische Zustandssummenmit unterschiedlichen Teilchenanzahlen

Analog zu: Kanonische Zustandssumme: Thermische Mittlung über mikroka-nonische Zustandssumme

Aus großkanonischer Zustandssumme folgen thermodynamische Größen:

• Innere Energie

∂ log Y

∂β=

1

Y

∑i

e−β(Ei−µN)(−Ei + µNi)

= −〈Ei〉+ µ〈Ni〉 = −U + µN

Damit

U = −∂ log Y

∂β+ µN

• Teilchenzahl

∂ log Y

∂µ=

1

Y

∑i

e−β(Ei−µN)βNi = β〈Ni〉 = βN

N =1

β

∂ log Y

∂µ= z

∂ log Y

∂z

139

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• Entropie

S = −k∑i

pi log pi = −k∑i

pi(−β(Ei − µNi)− log Y )

= kβ∑i

piEi︸ ︷︷ ︸〈Ei〉=U

−kβµ∑i

piNi︸ ︷︷ ︸〈Ni〉=N

+k log Y∑i

pi︸ ︷︷ ︸=1

DamitS =

1

T(U − µN) + k log Y

Beziehung zum Großkanonisches Potential, Kap. 6.6

• Erinnere Legendre-Transformation

Φ = U − TS − µN

Φ = U − T(

1

T(U − µN) + k log Y

)− µN

Φ = −kT log Y

• Euler-Gleichung

Φ = U − TS − µN = −pV =⇒ Y = exp

(pV

kT

)(41)

Gibbs-Duhem Relation

dµ = vdp− sdT, mit v =V

Nund s =

S

N(42)

Betrachte nicht-wechselwirkende ununterscheidbare Teilchen

• Kanonische Zustandssumme

Z(T, V,N) =1

N !ZN(T, V, 1)

Großkanonische Zustandssumme

Y (T, V, µ) =∑ 1

N !(zZ(T, V, 1))N = exp (zZ(T, V, 1))

140

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• Großkanische Zustandssumme folgt direkt aus kanonischer Ein-Teilchen Zu-standssumme

• Beispiel ideales Gas:

Z(T, V, 1) =V

λ3

Φ(T, V, µ) = −kT log Y = −kTeβµV(

2πmkT

h2

) 32

10.5 Äquivalenz der Gesamtheiten

Im thermodynamischen Limes wird alles gleich

Gesamtschau ideales Gas, N = const.

• Mirkokanonische Gesamtheit

S = k log Ω = kN

(5

2+ log

((V

N

)(4πmE

Nh2

)3/2))

E = const.

((N

V

2/3)(

Nh2

2m

))e

23Nk

S

T =∂E

∂S=

2

3NkE =⇒ E =

3

2NkT

p = −∂E∂V

=2

3

E

V=⇒ pV = NkT

• Kanonische Gesamtheit

Z(T, V,N) =1

N !

(V

λ3

)N, λ =

h√2πmkT

E = − ∂

∂βlogZ = kT 2 ∂

∂TlogZ =

3

2NkT

p

kT=

∂VlogZ =

N

V=⇒ pV = NkT

141

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• Großkanonische Gesamtheit

Y (T, V, z) =∑N

zNZ(T, V,N) = ezVλ3

N = z∂

∂zlog Y =

zV

λ3= log Y

E = − ∂

∂βlog Y + µN =

3

2kT

zV

λ3=

3

2NkT

pV

kT= log Y =

zV

λ3= N =⇒ pV = NkT

• Dass die Zustandsgleichungen jeweils identisch sind überrascht nicht, da dieentsprechenden thermodynamischen Potentiale durch invertierbare und damitinformationserhaltende Legendre-Transformationen auseinander hervorgehen.

Fluktuationen

• Erinnere:

– Kanonische Zustandssumme: Thermische Mittelung über mikrokanonischeZustandssummen

– Großkanonische Zustandssumme: Mittelung über kanonische Zustands-summen mit unterschiedlichen Teichenanzahlen

• Definiere Zustandsdichte:

g(E) =∂Ω(E)

∂E

Damit Wahrscheinlichkeit pK , im kanonischen Ensemble ein System bei vorge-gebener Temperatur T = 1

kβzu finden:

pK(E) =1

Zg(E)e−βE

mitZ =

∫ ∞0

dE g(E)e−βE

Beachte:

– Zustandsdichte g(E) wächst im Allgemeinen stark mit E

142

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– Boltzmann-Faktor e−βE fällt exponentiell mit E

– Folge: pK(E) hat Maximum

• Maximumsbedingung

∂pK(E)

∂E=

1

Z

(∂g

∂E− gβ

)e−βE

!= 0

oder1

g

∂g

∂E

∣∣∣∣E=E∗

=1

kT

Es gilt Ω(E) = g(E)∆E, damit

∂ log Ω

∂E

∣∣∣∣E=E∗

=1

kToder

∂S

∂E

∣∣∣∣E=E∗

=1

T

Das macht Sinn, da es ja grade die Vorschrift war, in der mikrokanonischenGesamtheit die Temperatur aus der Entropie zu berechnen

• Wahrscheinlichste Energie entspricht Mittelwert im kanonischen Ensemble

E∗ =1

Z

∫ ∞0

dEg(E)e−βEE = − 1

Z

∂Z

∂β= − ∂

∂βlogZ = U

143

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Differenziere die Gleichung nach β

∂U

∂β= − 1

Z

∫ ∞0

dE g(E)E2e−βE +1

Z2

(∫ ∞0

dE g(E)e−βEE

)2

= −(〈E2〉 − 〈E〉2)

Erinnere Varianzσ2 = 〈x2〉 − 〈x〉2

• Damitσ2E = −∂U

∂β= kT 2∂U

∂T= kT 2CV (43)

Fluktuationen hängen von Wärmekapazität ab.

• Relative SchwankungenσE〈E〉

=

√kT 2CVU

Wärmekapazität und innere Energie sind extensiv, i.e. ∝ N

σE〈E〉

= O(

1√N

)Erinnere Gesetz der großen Zahl

• Damit

limN→∞

pK(E) = pMK(E) = δ(E − 〈E〉)

• Analoge Rechnung gilt für Beziehung kanonischer und großkanonischer Ge-samtheit.

144

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Lessons learned

• Ergodenhypothese als Grundlage der Theorie der Gesamtheiten

• Normierungsgröße Zustandssumme von zentraler Bedeutung

• Mikrokanonische Gesamtheit ⇐⇒ Abgeschlossenes System

• Kanonische Gesamtheit ⇐⇒ Isothermes System

• Großkanonische Gesamtheit ⇐⇒ Ausstausch von Wärme und Teilchen

• Verteilungen folgen (auch) aus Maximum-Entropie Prinzip

• Im thermodynamischen Limes werden die Gesamtheiten identisch

145

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11 Anwendungen

11.1 Maxwell’sche Geschwindigkeitsverteilung

• Hatten wir bisher für ideales Gas

• Gegeben Gas mit Hamilton-Funktion

H(q, p) =N∑i=1

~pi2m

+ V (~q1, . . . , ~qN)

Wie ist Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen im Impuls-Intervall p < |~pi| < p + dpzu finden ?

• Kanonische Wahrscheinlichkeitsdichte

ρ(q, p) =1

Ze−βH(q,p)

• Integriere über alle Ortskoordinaten und N − 1 Impulskoordinaten, ergibtMarginal-Verteilung für Impuls eines einzelnen Teilchen:

p(~p) =1

(2πmkT )3/2e−

~p2

2mkT

Für Wahrscheinlichkeit, dass Impulsbetrag in [p, p + dp] liegt, integriere überKugelschale

p(p) =4πp2

(2πmkT )3/2e−

p2

2mkT

• Beachte: Gilt klassisch nicht nur für ideale Gase, sondern auch für beliebigeinterne und äußere Potentiale. i.e V (q1, . . . , qN) im allgemeinen

• Quantenmechanisch: Abhängigkeit der Impulsverteilung vom Potential

146

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11.2 Barometrische Höhenformel

• Betrachte Gas im Schwerefeld der Erde:

H(q, p) =N∑i=1

p2i

2m−mgqi +

1

2

∑i 6=j

Wij(qi − qj)

• Integriert man in

ρ(q, p) =1

Ze−βH(q,p)

über alle Impuls- und N − 1 Ortskoordinaten, so folgt barometrische Höhen-formel:

p(~q) = const em~g~q/kT

• Beachte: Für Anwendung Temperaturabhängigkeit zu berücksichtigen

Temperatur nimmt in guter Näherung linear mit der Höhe ab

∆h = const(

1 +1

273(T1 − T2)

)(log p1 − log p2), pi : Drücke

11.3 Gleichverteilungs- und Virialsatz

• Sei x = (q1 . . . , q3N , p1, . . . , p3N) der klassische Mikrozustand, H(x) dieHamilton-Funktion und f(x) eine beliebige Observable.

• Dann gilt ⟨f(x)

∂H(x)

∂xi

⟩= kT

⟨∂f(x)

∂xi

⟩• Beweis für die kanonische Gesamtheit:

Das Integral einer Ableitung verschwindet, wenn der Integrand für große Ar-gumente verschwindet

0 =1

N !h3NZ

∫d6Nx

∂xif(x)e−

H(x)kT =

⟨∂f(x)

∂xi

⟩− 1

kT

⟨f(x)

∂H(x)

∂xi

147

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• Betrachte f(x) = xj, so folgt der Gleichverteilungssatz⟨xj∂H(x)

∂xi

⟩= δijkT

• Betrachte H(x) = Hkin(p1, . . . , p3N) + V (q1, . . . , q3N)

Hkin =3N∑i=1

p2i

2m

Mit xj = pj gilt⟨pi∂H(x)

∂pi

⟩=

⟨p2i

m

⟩= kT,

⟨p2i

2m

⟩=

1

2kT

Jeder Impulsfreiheitsgrad liefert einen Beitrag von 12kT zur kinetischen Energie

Insgesamt:

3N∑i=1

⟨pi∂H(x)

∂pi

⟩= 2 〈Ekin〉 = 3NkT

〈Ekin〉 =3

2NkT

• Hängt das Potential quadratisch von q ab

V (q1, . . . , q3N) =3N∑i=1

αiq2i =

3N∑i=1

Vi(qi)

folgt mit xj = qj ⟨qi∂H(x)

∂qi

⟩= 2 〈Vi〉 = kT

Somit analog zu oben

〈V 〉 =3

2NkT

• Merke: Jeder quadratische Term in der Hamilton-Funktion trägt 12kT zur Ener-

gie bei

148

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Allgemeine homogene Potentiale

• Ist das Potential homogen vom Grade n

V (λq) = λnV (q), V (qi) = αqni

so folgt: ⟨qi∂V (q)

∂qi

⟩= nα 〈qni 〉 = kT, 〈V 〉 =

kT

n

und damit der Virialsatz

2〈Ekin〉 = n〈V 〉 = 3NkT

Virialsatz, weil lateinisch vis: Kraft und ∂V (q)∂qi

= −Fi

Klassisches ideales Gas:

E =3

2NkT

Allgemein:

E =1

2fNkT

und somit auch:

CV =∂E

∂T=

1

2fNk

f : Thermodynamische Freiheitsgrade

• Festkörper, in dem Atome durch lineare elastische Kräfte gebunden ist: f = 6

H =~p2

2m+k

2~q2

• Zweiatomigen Gas: f = 7, 3 für Schwerpunkt, 2 für Rotation, 2 für Vibration

H =1

2m

(p2x + p2

y + p2z

)+

1

2I

(p2φ

sin2 θ+ p2

θ

)+

(p2ξ

2mr

+mrω

2ξ2

2

)

149

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• Freiheitsgrade pro Teilchen in der Klassischen Mechanik: 6

• Freiheitsgrade in der Statistischen Physik: Angeregte Freiheitsgrade, im Un-terschied zur Klassischen Mechanik. Ortsfreiheitsgrade im idealen Gas nichtanregbar

Problem:

• Jeder thermodynamische Freiheitsgrade trägt gleich bei, unabhängig von z.B.Massen und Steifheit elastischer Bindungen

• Betrachte Gas aus viel-atomigen Molekulen

• Sehr viele ”Verformungs”-Freiheitsgrade → CV sehr groß

• Experimentell nicht bestätigt

• Ad hoc Lösung: ”Friere” sehr starre Freiheitsgrade bei niedrigen Temperaturen”ein”

• Erst die Quantenmechanik kann dieses Dilemma lösen

11.4 Thermodynamische Freiheitsgrade in Quantensystemen

Betrachte eindimensionalen quantenmechanischen Oszillator

• Zustandssumme

Z =∞∑n=0

e−βEn , En =

(n+

1

2

)~ω

Damit

Z = e−β~ω2

∞∑n=0

(e−β~ω

)n=

e−β~ω2

1− e−β~ω

und

E = − ∂

∂βlogZ =

~ω2

+~ω

eβ~ω − 1

150

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• Damit folgt für:

T → 0 E → 12~ω CV → 0 : Einfrieren von Freiheitsgraden

T →∞ E → kT CV → k : klassisches Ergebnis, f = 2

Zustandssumme molekularer idealer Gase

• Zusätzlich zur Molekülbewegung auch innere Freiheitsgrade anregbar

– Anregung der Elektronen

– Schwingungen

– Rotationen

• Wenn Freiheitsgrade separieren, ist Gesamt-Hamiltonian additiv

H = Htrans +Hel +Hvib +Hrot

– Translation und innere Anregung separieren exakt durch Abkopplung derSchwerpunktsbewegung

– Born-Opppenheimer-Näherung zur Abkopplung von Atomkern und Elek-tronen gut auf Grund des großen Massenunterschiedes

– Schwingungen und Rotationen separieren für kleine Schwingungsauslen-kungen, sonst beeinflussen sie das Trägheitsmoment der Rotation

• Gilt Separation, so ergibt sich Zustandssumme als Produkt der einzelnen Zu-standssummen

Z(T, V, 1) = ZtransZelZvibZrot

– Ztrans = V/λ3, die Zustandssumme des idealen Gases

151

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– Zel = e−βε0 . Nur Grundzustand besetzt, da 300K ∼ 25 meV, Anregungs-energien liegen im Bereich von eV

– Zvib: Betrachte zweiatomiges Molekül mit kleinen Schwingungsauslenkun-gen in harmonischer Näherung: En = (n+ 1

2)~ω.

Zvib =∞∑n=0

e−β(n+1/2)~ω =e−β~ω/2

1− e−β~ω

– Zrot hängt von Geometrie des Moleküls ab, im allgemeinen drei Trägheits-achsenBetrachte zweiatomiges Molekül

∗ Trägheitsdmoment I∗ Energieeigenwerte

Erot =~2

2IJ(J + 1), J = 0, 1, . . . , (2J + 1)− fache Entartung

∗ Zustandssumme

Zrot =∞∑J=0

(2J + 1) exp

(−β ~

2

2IJ(J + 1)

)• Gesamtzustandssumme

Z(T, V,N) =1

N !Z(T, V, 1)N

Übung: Berechne Wärmekapazität der Rotatoinsanregungen

152

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CV (T ) mit Sprüngen, erst Rotationen, dann Schwingungen10. week

11.5 Zwei-Niveau Systeme

Betrachte Zweiniveau-System in der mikrokanonischen Gesamtheit

• Z.B. realisiert durch Spins in Kristall

• Beachte: Hier Zustände unterscheidbar

• Sei ε0 = 0 und ε1 = ε

• Gesamtenergie E = n0ε0 + n1ε1 = n1ε1

• Erinnere Boltzmann-Verteilung

pi =e−βεi

Z, Z =

1∑i=0

e−βεi = 1 + e−βε

Besetzungswahrscheinlichkeit p1 für angeregte Zustände:

p1 =n1

N=

e−βε

1 + e−βε=

1

1 + eβε

153

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• Damit Gesamtenergie

E = Nεp1 = Nε1

1 + eβε

• T = 0: Alle Spins in ε0T →∞: 50% in ε0, 50% in ε1, Gleichbesetzung

• Betrachte Wärmekapazität

C =∂E

∂T=∂E

∂β

∂β

∂T= − 1

kT 2

∂E

∂β=Nε2

kT 2

eβε

(1 + eβε)2

154

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• kT ε: Kein Spin kann angeregt werden: C = 0

kT ε: Gleichbesetzung: Kein Spin kann angeregt werden: C = 0

• Physkalisch: Grundlage von Paramagnetismus, Übung

Berechnung in der kanonischen Gesamtheit

• Zustandsumme

Z =∑

s1,s2,...,sN=0,1

exp

(−β

N∑i=1

εsi

)=

N∏i=1

1∑si=0

e−βεsi =(1 + e−βε

)NDamit Energie

U = 〈E〉 = −∂ logZ

∂β= Nε

e−βε

1 + e−βε= Nε

1

1 + eβε

• Identisches Ergebnis

11.6 Negative Temperaturen

Betrachte wiederum Zwei-Zustandssystem, ε0 = 0, ε1 = ε

• Betrachte ununterscheidbare Teilchen

155

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• Erinnere1

T=∂S

∂U

• Energie des Systems, n Anzahl in ε1:

U = nε, n =U

ε

• Anzahl der Mirkozustände

Ω =N !

n!(N − n)!

Betrachte Entropie, verwende Stirling’sche Formel:

S

k= log Ω = −n log

n

N− (N − n) log

N − nN

1

T= k

∂ log Ω

∂U= k

∂ log Ω

∂n

∂n

∂U

• Da ∂n∂U

= 1/ε, folgt

1

T=

k

ε

(− log

n

N− 1 + log

N − nN

+ 1

)= −k

εlog

n/N

1− n/N= −k

εlog

U/(Nε)

1− U/(Nε)

=k

εlog

AGAa

mit AG Anteil der Teilchen im Grundzustand, Aa Anteil der Teilchen im ange-regten Zustand.

156

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• Betrachte positive Temperaturen

– Bei kleiner Energie sind die meisten Teilchen im Grundzustand

AGAa

> 1, logAGAa

> 0

Temperatur ist positiv

– Bei Anwesenheit eines Bades wird das System Energie aufnehmen, umEntropie zu vergrößern.

– Merke: Systeme mit positiver Temperatur absorbieren Energie um Entro-pie zu erhöhen

• Betrachte T =∞

– Es giltAGAa

= 1, logAGAa

= 0

– Entropie kann durch Energieaufnahme nicht zunehmen

• Betrachte negative Temperaturen

157

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– Es giltAGAa

< 1, logAGAa

< 0

Temperatur ist negativ– Aufnahme von Energie würde Entropie verringern– 2. Hauptsatz: Entropie-Maximierung– Systeme mit negativer Temperatur geben Energie ab, um Entropie zu

erhöhen– Systeme mit negativer Temperatur sind ”heißer” als Systeme mit positiver

Temperatur– ”Heissheit”: Bestreben Energie abzugeben.

• Ist das alles physikalisch ?

– Negative Temperaturen gibt es nur in Energie-sättigenden Systemen.– Die meisten natürlichen Systeme sind nicht Energie-sättigend.– Energie-Aufnahme führt in der Regel zu höherer Entropie

Realisierungen negativer Temperaturen:

• Geht nicht durch normales Wärmebad

• Braucht Nichtgleichgewichtsprozess, um sogenannte Inversion herzustellen

• (i) Richte Spins durch Magnetfeld aus, drehe dann Magnetfeld umWährend Relaxationszeit negative Temperatur

• (ii) ”Pumpen” im Laser

11.7 Relativistisches ideales Gas

Betrachte relativistes ideales Gas

• Hamiltonian

H =N∑i=1

(√(mc2)2 + (c~pi)2 −mc2

)=

N∑i=1

mc2

(1 +

(~pimc

)2)1/2

− 1

Ruhemasse abgezogen, so dass nur kinetische Energie bleibt

158

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• Zustandssumme faktorisiert

Z(T, V,N) =1

N !(Z(T, V, 1)N

Ein-Teilchen Zustandssumme

Z(T, V, 1) =1

h3

∫d3q

∫d3p exp (−βH)

• Koordinatenintegral liefert Volumen

Für Impulsintegral: Polarkoordinaten, Winkelanteile ausintegriert

Z(T, V, 1) =4πV

h3exp(βmc2)

∫ ∞0

dp p2 exp

(−βmc2

(1 +

( p

mc

)2)1/2

)

Variablensubstitution, häufig nützlich bei relativistischen Problemen

p

mc= sinhx, dp = mc coshxdx,

(1 +

( p

mc

)2)1/2

= coshx

Ferner

u = βmc2 Verhältnis Ruheenergie zu thermischer Energieu → ∞ nicht-relativistischer Fallu → 0 ultra-relativistischer Fall

DamitZ(T, V, 1) =

4πV

h3(mc)3eu

∫ ∞0

dx coshx sinh2 xe−u coshx

• Mitcoshx sinhx =

1

2sinh(2x)

wird Integral zu

1

2

∫ ∞0

dx sinh(2x) sinhxe−u coshx

Schlage nach:

159

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∫ ∞0

dx sinh(γx) sinhxe−u coshx =γ

uKγ(u)

mit Kγ(u) Zylinderfunktion oder modifizierte Besselfunktion

• DamitZ(T, V, 1) =

4πV

h3(mc)3eu

K2(u)

u

• Reihenentwicklung von K2(u) bekannt, kompliziert, nicht einsichtsreich

• Grenzverhalten von K2(u)

– u→∞: Thermische Energie klein gegen Ruheenergie

K2(u) ≈√π/(2u)e−u

Damit

Z(T, V, 1) ≈ 4πV

h3(mc)3

(1

βmc2

)3/2√π/2 = V

(2πmkT

h2

)3/2

das bekannte nicht-relativistische Ergebnis– u→ 0: Ultra-relativistischer Fall, siehe Übung

K2(u) ≈ 2

u2, ferner eu ≈ 1

Zustandssumme des ultra-relativistischen idealen Gases:

Z(T, V, 1) ≈ 8πV

h3(mc)3

(1

βmc2

)3

= 8πV

(kT

hc

)3

Z(T, V,N) =1

N !

(8πV

(kT

hc

)3)N

• Mit Hilfe der Stirling’schen Formel, ergibt sich die freie Energie für ultra-relativistisches Gas

F (T, V,N) = −kT logZ(T, V,N) = −NkT

(1 + log

(8πV

N

(kT

hc

)3))

160

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• Zustandsgleichungen

p = − ∂F

∂V

∣∣∣∣T,N

=NkT

V=⇒ pV = NkT

Gasgleichung gilt auch im relativistischen Fall !

S = − ∂F

∂T

∣∣∣∣V,N

= Nk

(4 + log

(8πV

N

(kT

hc

)3))

• Innere Energie

U = F + TS = 3NkT

Erinnere: Nicht-relativistisch: U = 32NkT

• Damit Wärmekapazität

CV =∂U

∂T= 3Nk

statt nicht-relativistisch: CV = 32Nk

161

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Lessons learned

• Gleichverteilungssatz: Jeder quadratisch in der Hamilton-Funktion auftretendeTerm trägt mit 1

2kT zur mittleren Energie bei

• Fundamentale Limitation einer rein klassischen Statistischen Physik

• Einfrieren von Freiheitsgraden in der Quantenmechanik

• Negative Temperaturen in Energie-sättigenden Systemen

• Relavistische Thermodynamik: Ideales Gas: U = 3NkT , CV = 3Nk

12 Quantengase

12.1 Symmetrie der Vielteilchenwellenfunktionen

Maxwell-Boltzmann-Statistik

• Betrachte N nicht wechselwirkende Teilchen mit Hamiltonian

H =∑i

hi(xi, pi)

Eigenwertgleichung für Einteilchen Hamiltonian hi

hi|ki〉 = εki |ki〉

mit Eigenzuständen |ki〉, ki Quantenzahl

• Kanonische Zustandssumme

Z(T, V,N) = Sp e−βH =∑r

e−βEr =∑ki

exp(−β∑

εki

)• Betrachte zunächst unterscheidbare Teilchen

Dann Gesamtwellenfunktion Produkt der Ein-Teilchenzustände:

162

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|k1, k2, . . . , kN〉 = |k1〉|k2〉 . . . |kN〉Eigenwertgleichung für System:

H|k1, . . . , kN〉 =∑i

hi|k1〉 . . . |kN〉 =∑i

|k1〉 . . . hi|ki〉 . . . |kN〉

=∑i

εki |k1, . . . , kN〉

Zustandssumme:

ZU(T, V,N) = Sp e−βH =∑k1

. . .∑kN

〈k1| . . . 〈kN |e−βH |k1〉 . . . |kN〉

=

(∑k1

〈k1|e−βh1|k1〉

)· · ·

(∑kN

〈kN |e−βhN |kN〉

)= Z(T, V, 1)N

Erinnere Gibbs’schen Korrekturfaktor: Korrektur für Ununterscheidbarkeit derTeilchen, Maxwell-Boltzmann Statistik.

ZMB(T, V,N) =1

N !Z(T, V, 1)N

In Quantenmechanik wird Ununterscheidbarkeit fundamental

• Betrachte zwei Teilchen mit Gesamtwellenfunktion Ψ(r1, r2) und Permutions-operator P :

PΨ(r1, r2) = Ψ(r2, r1)

Nochmalige Anwendung:

PΨ(r2, r1) = Ψ(r1, r2)

damit∀Ψ : P 2Ψ(r1, r2) = Ψ(r1, r2)) =⇒ P 21

Folglich hat P Eigenwerte λ = ±1. Zudem ist [P , H] = 0

163

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• Gemeinsame Eigenzustände zu H und P definieren offensichtlich zwei Artenvon Teilchen

• Spin-Statistik Theorem, Pauli, 1940

– Bosonen, Spin ganz-zahlig, S = 0, 1, . . ., besitzen eine symmetrische Viel-teilchenwellenfunktion: ΨS = PΨS

Besetzungszahlen können alle Werte 0, 1, . . .∞ annehmen

– Fermionen, Spin halb-zahlig, S = 12, 3

2, . . ., besitzen eine anti-symmetrische

Vielteilchenwellenfunktion: ΨA = −PΨA

Zusammenfassend:PΨ(r1, r2) = (−1)2SΨ(r2, r1) (44)

Folge: Reiner Produktansatz

Ψ(r1, r2) = φa(r1)φb(r2)

geht für ununterscheidbare Teilchen nicht durch.

• (Anti)symmetrisierung:

ΨS(r1, r2) =1√2

(φa(r1)φb(r2) + φa(r2)φb(r1))

ΨA(r1, r2) =1√2

(φa(r1)φb(r2)− φa(r2)φb(r1))

Folge: Pauli-Prinzip: Für identische Einteilchen-Wellenfunktionen verschwindetdie antisymmetrische Gesamtwellenfunktion

φa = φb =⇒ ΨA = 0

Gl. (44) hat Auswirkung auf Zustandssumme.

• Beispiel zwei Teilchen in zwei Zuständen, ε0 = 0, ε1 = ε.

Fermionen S = 12mit Spin up, Bosonen S = 0

– Fermionen: ZF = e−βε

– Bosonen: ZB = 1 + e−βε + e−2βε

164

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– Maxwell-Boltzmann: ZMB = 12!

(1 + e−βε)2 = 1+2e−βε+e−2βε

2

2! im Nenner: Gibbs’scher KorrekturfaktorAber er berücksichtigt die Ununterscheidbarkeit der Teilchen nicht richtig

Betrachte N Teilchen

• Permutationsoperator:

PijΨ(r1, . . . , ri, . . . , rj, . . . , rN) = Ψ(r1, . . . , rj, . . . , ri, . . . , rN)

Damit

ΨS(r1, . . . , rN) = A∑P

PΨ(r1, . . . , rN)

ΨA(r1, . . . , rN) =1√N !

∑P

(−1)P PΨ(r1, . . . , rN)

mit(−1)P =

+1 für gerade Anzahl von Vertauschungen−1 für ungerade Anzahl von Vertauschungen

Normierungsfaktor A abhängig davon, wie viele der Quantenzahlen gleich sind

• Geht man vom Produktansatz von Einteilchen-Wellenfunktionen aus, folgt fürden antisymmetrischen Fall:

ΨA(r1, . . . , rN) =1√N !

∑P

(−1)P P φa(r1) . . . , φl(rN)

Dieses läßt sich als Determinante schreiben:

ΨA(r1, . . . , rN) =1√N !

det

φa(r1) . . . φa(rN)φb(r1) . . . φb(rN)

......

φl(r1) . . . φl(rN)

die Slater-Determinante

Diese verschwindet in Übereinstimmung mit dem Pauli-Prinzip, wenn zwei Zei-len gleich sind.

165

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12.2 Besetzungszahl-Darstellung

• Für ununterscheidbare Teilchen ist Mikrozustand durch Besetzungszahlen nkder Einteilchenzustände |k〉 eindeutig gegeben.

Es gilt:

E =∞∑k=1

nkεk, N =∞∑k=1

nk (45)

• Aus dem Zusammenhang zwischen mikrokanonischer und kanonischer Gesamt-heit folgt:

Z =∑n1

′∑n2

′. . .Ω(n1, n2, . . .) exp(−β1(n1ε1 + n2ε2 + . . .)

=∑nk

′Ω(nk) exp

(−β∑k

nkεk

)

Strich an Summe bedeutet, dass nur über Besetzungszahlen summiert wird, diedie Nebenbedingung N =

∑∞k=1 nk aus Gl. (45) erfüllen.

• Eindeutigkeit des Mikrozustands heißt Ω(nk) = 1

• Im Gegensatz zu klassischer Maxwell-Boltzmann Statistik. Unterscheidbarkeitführt zu

Ω(nk) =N !

n1!n2! . . .

Mit Gibbs’scher Korrektur und unter Anwendung des Polynomialtheorems folgt

ZMB =1

N !

∑nk

′ N !

n1!n2! . . .exp

(−β∑k

nkεk

)

=1

N !

(∞∑k=1

e−βεk

)N

=1

N !Z(T, V, 1)N

Teilchen sind unabhängig

166

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• Obwohl Teilchen im (hier betrachteten Falle) quantenmechanischen Falle nichtim eigentlichen Sinne miteinander wechselwirken, sind sie nicht unabhängig,da die allgemeine Nebenbedingung N =

∑∞k=1 nk und für Fermionen noch

nk = 0, 1 berücksichigt werden muss.

• Da in Quantenmechanik der Mikrozustand durch die Besetzungszahlen nkfestgelegt ist, gilt

Ω(nk) = 1

und damit

ZQM =∑nk

′exp

(−β∑k

nkεk

)

• Wegen Nebenbedingung N =∑∞

k=1 nk ist kanonische Zustandssumme schwerzu berechnen.Das ist der Preis, den man für die Besetzungszahl-Darstellung zahlen muss.

• Erinnere: Mikrokanonische Zustandssumme war wegen Nebenbedingung δ(E−E0) oder E0 < E < E+δ schwer zu berechnen. Darum damals lieber kanonischeZustandssumme.Entsprechend hier: Übergang zur großkanonischen Zustandssumme

Y (T, V, µ) =∑nk

exp

(−β∑k

nk(εk − µ)

)

und Wahl des chemischen Potentials so, dass N =∑

k nk

• Beachte−β∑k

nk(εk − µ) = −β(E − µN)

• Summe im Exponenten: Zustandssumme faktorisiert

Y =∑n1

∑n2

· · ·

(∏k

e−βnk(εk−µ)

)

=

(∑n1

e−βn1(ε1−µ)

)(∑n2

e−βn2(ε2−µ)

)· · ·

=∏k

(∑nk

e−βnk(εk−µ)

)=∏k

f(εk)

167

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• Um die Summation in der Funktion f(εr) ausführen zu können, muß man wissenwelche Besetzungszahlen quantenmechanisch erlaubt sind

– Fermi-Dirac Statistik für Fermionen, fF (εi)

– Bose-Einstein Statistik für Bosonen, fB(εi)

• Erinnere Kap. 10.4 Großkanonische Gesamtheiit: Mittlere Besetzungzahl fürgegebenes Energieniveau εi:

〈ni〉 =1

Y

∑ni e

−β(εk−µ)nk = − 1

β

∂εilog Y = − 1

β

∂εilog f(εi)

12.3 Ideales Fermi-Gas

• Für Fermionen gilt ni = 0, 1

Zustandssumme

Y =1∑

n1=0

1∑n2=0

. . . e−β(ε1−µ)n1e−β(ε2−µ)n2 . . . =∏i

1∑ni=0

e−β(εi−µ)ni

und

fF (εi) =1∑

ni=0

e−β(εi−µ)ni = 1 + e−β(εi−µ)

DamitY = (T, V, µ) =

∏i

(1 + e−β(εi−µ)

)• Mittlere Besetzungzahl 〈nj〉, Fermi-Dirac-Verteilung

〈nj〉 = − 1

β

∂εjlog Y =

1

eβ(εj−µ) + 1

• Im Grenzfall T → 0, β →∞ ergibt sich eine Stufenfunktion:

〈n〉 = limβ→∞

1

eβ(ε−µ) + 1=

1 ε− µ < 00 ε− µ > 0

= Θ(µ− ε)11. week

168

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• Um die Teilchenzahl richtig zu machen, wähle das chemische Potential so, dassgilt

N(T, V, µ) =

∫ ∞0

dε g(ε)1

eβ(ε−µ) + 1

mit g(ε) der Zustandsdichte

Physikalische Interpretation:

• Pauli-Prinzip: Keine zwei Fermionen im selben Zustand.

• Für T = 0: Zustände werden energetisch von unten aufgefüllt, bis zurFermikante: εF = µ, µ ≥ εi. Es kostet Energie, neue Teilchen ins System zubringen

• Für Elektronen: Jedes Energieniveau mit zwei Elektronen, Spin −1/2 und Spin+1/2, besetzt. g(ε) = 2

• Fermi-Kante ist im Limes β →∞, T → 0, scharf.

• Bei endlichen Temperaturen T > 0: ”Aufweichung der Fermi-Kante”. Elektro-nen im Bereich kT unterhalb der Fermikante können angeregt werden. (sieheZeichnung)

• Merke: Obwohl keine klassische Wechselwirkung, gibt es auf Grund des Pauli-Prinzips eine effektive Abstossung

169

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12.4 Ideales Bose-Gas

• Für Bosonen gilt ni = 0, 1, 2, . . .

• Zustandssumme

Y =∞∑

n1=0

∞∑n2=0

. . . e−β(ε1−µ)n1e−β(ε2−µ)n2 . . . =∏i

∞∑ni=0

e−β(εi−µ)ni

Mit geometrischer Reihe

fB(εi) =∞∑ni=0

e−β(εi−µ)ni =1

1− e−β(εi−µ)

DamitY = (T, V, µ) =

∏i

1

1− e−β(εi−µ)

• Mittlere Besetzungszahl 〈nj〉, Bose-Einstein Verteilung

〈nj〉 = − 1

β

∂εjlog Y =

1

eβ(εi−µ) − 1

Zeigt für β(εj − µ)→ 0 eine Divergenz

• Die −1 im Unterschied zur +1 bei Fermi-Dirac hat Folgen:

Aus

0 ≤ 〈ni〉 ≤ N

folgt

eβ(εi−µ) > 1

und damit: εi > µ.

Mit ε0 = 0 gilt µ ≤ 0. Teilchen wollen ins System. µ = 0, wenn keine Teilchen-zahlerhaltung gilt

• Merke: Obwohl keine klassische Wechselwirkung, gibt es eine effektive Anzie-hung

170

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Vergleich der Verteilungen

〈n〉 =1

eβ(ε−µ) + aa =

1 Fermi-Dirac Verteilung−1 Bose-Einstein Verteilung0 Maxwell-Boltzmann Verteilung

Fermi-Dirac und Bose-Einstein gut durch Maxwell-Boltzmann genähert für

• niedrige Dichten

• hohe Temperaturen

Bose-Einstein Kondensation:

• Vorhersage: Bose & Einstein 1924

Experimentelle Bestätigung (für 10 Sekunden :-): 1995 durch Cornell, Ketterle& Wiemann, 2001 Nobelpreis

• Für T → 0 gehen alle Bosonen in den Grundzustand, T = 200nK

• Kondensation im Impuls-, resp. Energieraum, nicht im Ortsraum

• Makroskopisch bevölkerter Quantenzustand mit p = E = 0

171

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• Phasenübergang, siehe Kap. 14 Phasenübergänge

• Das Kondensat trägt nicht zur Wärmekapazität und zum Druck bei

• Im Kondensat gilt: p = p(T )

Komprimiert man Kondensat, erhöht sich nicht der Druck, sondern es gehenmehr Teilchen ins Kondensat

12.5 Das Planck’sche Strahlungsgesetz

Betrachte Schwarzen Strahler, Kirchhoff 1860:

• Erhitze evakuierten Hohlraum

• Messe spektrale Energie-Verteilung durch kleines Loch

172

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• ”Schwarzer Strahler”

Elektromagnetisches Feld:

• System mit unendlich vielen Freiheitsgraden

• Klassisch: Wellenfelder, lassen sich in ebene Wellen e−i(ωt−kx) zerlegen

• Quantenmechanik: Photonen, Impuls: p = ~k, Energie E = ~ω, keine Ruhe-masse =⇒ v = c

• Kein Erhaltungssatz für Photonen =⇒ µ = 0

• Photonen: p 6= 0 =⇒ keine Bose-Einstein Kondensation

Klassische Behandlung:

• Wellengleichung

∆E =1

c2

∂2

∂t2E

Betrachte Kubus, Kantenlänge L: Lösung wegen Randbedingung E = 0

E = E0 sinn1πx

Lsin

n2πy

Lsin

n3πz

Lsinωt

In Wellengleichung eingesetzt

n21 + n2

2 + n23 =

L2

π2ω2

173

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• Kugelnäherung: Anzahl N der Moden

N =π

3

(n2

1 + n22 + n2

3

)3/2 ∝ ω3

Die 3 in den Exponenten kommt von der Raumdimension D

Kumulative Größe

• Modendichte g(ω) durch Ableiten

g(ω) =dN

dω∝ ω2

• Allgemein gilt unter den gegebenen Bedingungen

g(ω) =dN

dω∝ ωD−1

• Energiedichte g(E), Gleichverteilungssatz Kap. 11.3

g(E) =dE

dω∝ kT ω2

Multiplikation mit kT und Ableiten kommutiert

• Geometrie der Abstrahlung und Vorfaktoren richtig machen

Ergibt Strahlungsdichte u(T, ω)

u(T, ω) =kT

π2c3ω2 Rayleigh-Jeans Gesetz

• Divergiert mit ω: Ultraviolettkatastrophe

174

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• Integrierte Strahlungsdichte

u(T ) =

∫ ∞0

dω u(T, ω) =∞

• Physikalischer Grund: Gleichverteilungssatz für unendlich viele Freiheitsgrade

∞ · kT =∞

Planck’sche Strahlungsgesetz, 14.12.1900, Geburtsstunde der Quantenmechanik

u(T, ω) =~π2c3

ω3

e~ωkT − 1

175

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Entstehungsgeschichte

• Schwarzkörperstrahlung war sehr gut vermessen

• Ultraviolettkatastrophe war bekannt

• Planck: Anfangs, 1899, ”geratene” Interpolation, keine Ahnnug, wie er das ohneComputer gemacht hat

– ”Ich dachte mir nicht viel dabei”

– ”Akt der Verzweiflung”

– Tiefe Bedeutung wurde ihm erst 1900 klar

• Planck betrachtete unterscheidbare Oszillatoren mit Maxwell-Boltzmann Sta-tistik, einen für jede Frequenz ω und visionär/gezwungen E = ~ω. Führt aufdas selbe Ergebnis wie quantenmechanische Ableitung

Quantenmechanische Ableitung:

• Zahl der Photonen dN im Energieintervall dε

dN(ε) = 〈nε〉 g(ε) dε

mit Zustandsdichte g(ε)

176

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• Zustandsdichte, analog zu oben, mit ε = ~ω

g(ε) =8πV

h3c3ε2

Bose-Einstein Verteilung

〈nε〉 =1

eβε − 1

DamitdN(ε) =

8πV

h3c3

ε2

eβε − 1dε

• Mit ε = ~ω und n = N/V

Photonendichte

dn(ω)

dω=

1

π2c3

ω2

eβ~ω − 1

EnergiedichtedE(ω)

dω= ~ω

dn(ω)

• Geometrie der Abstrahlung gibt Faktor c4

• Damit final Strahlungsdichte:

u(T, ω) =~π2c3

ω3

e~ωkT − 1

Planck’sche Strahlungsformel

Vergleich mit Klassik:

• Modendichte identisch: ∝ ω2:

• Wahrscheinlichkeit, Mode zu bevölkern

– Klassisch: Gleich für alle Moden

177

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– Quantenmechanisch:1

e~ωkT − 1

• Energie pro Mode:

– Klassisch: kT– Quantenmechanisch: ~ω

Zwei Lesarten :

• QM: Ununterscheidbare Teilchen mit Bose-Einstein Statistik

• Planck: Unterscheidbare Oszillatoren mit Maxwell-Boltzmann Statisitk mit dis-kreten Anregungsstufen

Für das Maximum der Verteilung gilt:

~ωmax = 2.82 kT Wien’sches Verschiebungsgesetz

Für die integrierte Strahlungsdichte gilt:

u(T ) =π2k4

60~c2T 4 Stefan-Boltzmann Gesetz

Grenzfälle

• ~ω kT

u(T, ω) =~ω3

π2c3e−

~ωkT Wien’sches Gesetz

178

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• ~ω kT

u(T, ω) =~π2c3

ω3

e~ωkT − 1

≈ ~π2c3

ω3

1 + ~ωkT− 1

u(T, ω) =ω2

π2c3kT Rayleigh-Jeans

~ ist verschwunden

~→ 0 macht den Übergang Quantenmechanik → Klassik

Merke:

• Rayleigh-Jeans ergibt unendlichen Wert für Gesamtenergie des Strahlungsfel-des

• Wie bei spezifischer Wärme, Kap. 11.4: Anregbarkeit von Zuständen ist in derKlassischen Physik falsch

• Nächster Beweis: Es gibt keine konsistente klassische Statistische Physik

Anwendungen:

• Bestimmung der Temperatur der Sonnenoberfläche: 5800 K. Maximum imsichtbaren Licht

• Schlechter Wirkungsgrad von Glühlampen. T muss kleiner sein als Schmelz-temperatur von Wolfram: 3683 K. Maximum im Infraroten

Kann man alles auch mit: ”Sage mir Deine Zustandssumme und ich sage Dir, wasDu tust” machen

12.6 Phononen und spezifische Wärme von Festkörpern

Phononen: Quasi-Teilchen: Anregung eines elastischen FeldesQuantenmechanik: Zweite Quantisierung

• Speziell Festkörperphysik: Anregung von Gitterschwingungen

• In linearer Näherung: Harmonische Schwingungen der Atome um Gleichge-wichtslage

179

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• Normalkoordinaten: Ergibt 3N unabhängige Normalschwingungen

• 3N harmonische Oszillatoren mit Schwingungsfrequenzen ωi

• Phononen sind Bosonen

• Im Quantenfall kanonische Zustandssumme, erinnere Kap. 11.4

Eindimensionaler quantenmechanischer Oszillator

Zustandssumme

Z =∞∑n=0

e−βEn , En =

(n+

1

2

)~ω

Z = e−β~ω2

∞∑n=0

(e−β~ω

)n=

e−β~ω2

1− e−β~ω

• Betrachte Logarithmus

logZ = −3N∑i=1

(β~ωi

2+ log

(1− e−β~ωi

))

Führe Verteilungsfunktion g(ω) für die Frequenzen ein, kontinuierliche Nähe-rung

logZ = −∫ ∞

0

dω g(ω)

(β~ω

2+ log

(1− e−β~ω

))• Ergibt für Energie

E = −∂ logZ

∂β=

∫ ∞0

dω g(ω)

(~ω2

+~ω

eβ~ω − 1

)und für spezifische Wärme

Cv =∂E

∂T= kβ2

∫ ∞0

dω g(ω)(~ω)2eβ~ω

(eβ~ω − 1)2

Ansätze fur g(ω):

• Einstein’scher Ansatz

180

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• Debye’scher Ansatz

Einstein’scher Ansatz

• Es gibt nur eine mittlere Frequenz ωE

• Zustandsdichteg(ω) = 3Nδ(ω − ωE)

DannE = 3N

(~ωE

2+

~ωEeβ~ωE − 1

)

Cv = 3Nk(β~ωE)2 eβ~ωE

eβ~ωE − 1

• SomitT →∞ : CV → 3Nk Gesetz von Dulong-PetitT → 0 : CV → e−

~ωEkT Empirisch : CV ∝ T 3

• Annahme einer Schwingungsfrequenz nicht hinreichend

Debye’scher Ansatz

• Kleinste mögliche Wellenlänge durch Gitterkonstante gegeben =⇒ es gibt ma-ximale Frequenz

Unterschied zur Schwarzkörper-Strahlung

181

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• Es gibt 3N Moden, 3 Polarisationsrichtungen, c mittlere Schallgeschwindigkeit

g(ω) = 34πV

(2πc)3ω2 Θ(ωD − ω)

ω2 analog zur Zustandsdichte bei Rayleigh-Jeans, Planck Gesetz

• Abschneidefrequenz ωD aus

3N =

∫ ∞0

dω g(ω) =4πV

(2πc)3ω3D

Damit

g(ω) =9N

ω3D

ω2 Θ(ωD − ω)

• Es folgt mit E0 Nullpunktsenergie

E = E0 +9N

ω3D

∫ ωD

0

dω~ω3

eβ~ω − 1wieder ambivalente Deutung wie bei Planck

x = β~ω

= E0 +9N(kT )4

(~ωD)3

∫ ~ωDkT

0

dxx3

ex − 1= E0 + 3NkT D

(~ωDkT

)mit

D(x) =3

x3

∫ x

0

dx′x′3

ex′ − 1

• Grenzfall kT ~ωD, d.h. x 1:

D(x) =π4

5

1

x3

E = E0 +3

5π4N

(kT )4

(~ωD)3

CV =12

5π4N

(kT )3

(~ωD)3

Empirischer Verlauf wird richtig wiedergegeben

182

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• Grenzfall kT ~ωD, d.h. x 1:

D(x) =3

x3

∫ x

0

dx′x′3

1 + x′ − 1=

3

x3

∫ x

0

dx′x′2 = 1

E = E0 + 3NkT

CV = 3Nk

Lessons learned

• Quantenmechanische Vielteilchen-Wellenfunktion müssen symmetrisch oderantisymmetrisch sein

• Dadurch Abweichungen von klassischer Maxwell-Boltzmann Statistik mitGibbs-Korrektur

• Fermionen: Fermi-Dirac Verteilung: Effektive Abstossung

• Bosonen: Bose-Einstein Verteilung: Effektive Anziehung

• Klassische Ableitung der Schwarz-Körper Strahlung zeigt Versagen einer reinklassischen Statistischen Physik

• Spezifische Wärme von Festkörpern: Eine Teilchenart, verschiedene Zustands-dichten =⇒ verschiedene Zustandssummen =⇒ verschiedene Physik

13 NäherungsverfahrenBisher: Nur freie Teilchen betrachet. Schalte jetzt Wechselwirkungen ein.

Zoo der Näherungsverfahren:

• Störungsrechnung: H = H0 + λW , Entwicklung nach λ

• Quasiklassische Entwicklung: Entwicklungsparameter ~, WKB-Näherung

• Hoch-Temperatur Entwicklung: T0/T , siehe letztes Kapitel T0 = ~ω/k

• Tief-Temperatur Entwicklung: T/T0, dito

183

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• Entwicklung um kritischen Punkt: T−TcTc

, Kap. 14

• ε-Entwicklung: ε = D − 3, D Raumdimensionen

• Virialentwicklung: n = N/V , Kap. 13.1

• Molekularfeldnäherung, kein Entwicklungsparameter, Selbstkonsistenz-Methode, Kap. 13.2

• Renormierungsgruppen-Theorie, Kap. 13.3

13.1 Virialentwicklung

Entwicklung nach Potenzen der Teilchenzahldichte n = N/V

• Erinnere ideales Gas, mit z = eβµ

Z(1) =V

λ3, Z(N) =

Z(1)N

N !, Y (µ) =

∞∑N=0

zNZ(N) = ezV/λ3

, log Y = N =pV

kT

Erinnere allgemein:

Z(1) =V

λ3log Y =

pV

kT, N = z

∂zlog Y

Z(2) beschreibt Zweiteilchen-Wechselwirkung

Z(3) beschreibt Dreiteilchen-Wechselwirkung, die sich nicht auf Zweiteilchen-wechselwirkungen zurückführen lassen

• Kanonische Zustandssumme mit 2-Teilchen Wechselwirkung

H =∑i

p2i

2m+∑i 6=j

w(|qi − qj|)

Z(2) =1

2!h6

∫d3q1d

3q2d3p1d

3p2 exp

(−β(p2

1

2m+

p22

2m+ w(|q1 − q2|)

))=

V

2λ6

∫d3q e−βw(q)

184

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• Idee: Bei geringer Dichte geht es gegen das ideale Gas, entwickle nach Teilchen-zahldichte n = N/V

pV

kT= log Y = N(1 + nB1(T, V ) + n2B2(T, V ) . . .)

• Taylor-Entwicklungen

Y = 1 + zZ(1) + z2Z(2) + . . .

pV

kT= log Y = zZ(1) + z2

(Z(2)− 1

2Z(1)2

)+ . . . (46)

N = z∂

∂zlog Y = zZ(1) + 2z2

(Z(2)− 1

2Z(1)2

)+ . . . (47)

Eliminiere z aus Gln. (46, 47), ergibt:

pV

kT= N −

(N

Z(1)

)21

V

(Z(2)− 1

2Z(1)2

)+ . . .

• Mit1

2Z(1)2 =

1

2

V 2

λ6=

1

2

V

λ6

∫d3q

folgtpV

kT= N − N2

2V

∫d3q(e−βw(q) − 1

)+ . . .

oder

pV

kT= N(1 + nB1(T, V ) + . . .), B1(T, V ) = −1

2

∫d3q(e−βw(q) − 1

)B1(T, V ): 1. VirialkoeffizientHöhere durch höhere Ordnungen Taylorenticklung in Gln. (46, 47)

• BeachteZ(1) =

V

λ3gilt klassisch wie quantenmechanisch

Abgeleitete Gleichung für B1 gilt nur klassisch

• Höhere Ordnungen der Entwicklung führen auf dieMayer’sche Cluster-Entwicklung

185

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13.1.1 Van der Waals Gas

Zustandsgleichung für ein reales Gas.Annahmen:

• Bei kleinen Abständen stoßen sich Teilchen ab. Näherung: Harte Kugeln:

w(r) =∞ für r < r0

• Bei größeren Abständen durch Polarisation Anziehung. Van der Waals Kraft:

w(r) = −w0

(r0

r

)6

für r ≥ r0

mit w0 kT

B1(T ) = −2π

∫ ∞0

dr r2(e−βw(r) − 1)

= 2π

∫ r0

0

dr r2 − 2π

∫ ∞r0

dr r2(e−βw(r) − 1

)≈ 2π

∫ r0

0

dr r2 + 2πβw0

∫ ∞r0

dr r2(r0

r

)6

=2π

3r3

0

(1− w0

kT

)= b− a

KT

186

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• Qualitativ ist Virialkoeffizient unabhängig von Details der Wechselwirkungdurch 2 Parameter, a und b charakterisiert:

– a: Anziehende Wechselwirkung, mit kT gewichtet, mindert Druck

– b: Ausgeschlossenes Volumen, b ∝ r30

Eingesetzt :pV

NkT= 1 +

N

Vb− N

V

a

kT

Umsortiert, ein alter Bekannter:(p+ a

(N

V

)2)

(V −Nb) = NkT

• Konsistent mit physikalischer Anschauung:

– b reduziert Volumen im Vergleich zum idealen Gas mit punktförmigenTeilchen

– a: Anziehung der Teilchen entspricht Erniedrigung des Druckes, (N/V )2

macht Sinn

Merke: Virial-Entwicklung in erster Näherung ergibt van der Waals’sche Gas-gleichung

• Alternative zu harten Kugeln:

Lennard-Jones Potential

w(r) ∝(r0

r

)12

−(r0

r

)6

187

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• Keine harte Kugeln:B1(T ) verschwindet für T →∞. System verhält sich wie ideales Gas

12. week

13.2 Molekularfeldnäherung

Mean-Field Approximation

Drei Themen in diesem Kapitel

• Molekularfeldnäherung

• Ising-Modell, 1925

• Phasenübergang

Betrachte Ising-Modell in einer Dimension

• Ein-dimensionaler Ring von N Spins σi mit Nächste-Nachbarn-Wechselwirkungin äußerem Magnetfeld

H(σ1, σ2, . . . , σN) = −I∑n.n.

σiσk − µBN∑i=1

σi, σN+1 = σ1, σi ∈ −1, 1

µ: magnetisches Moment der SpinsI: Spin-Spin AustauschwechselwirkungB: Externes magnetisches Feld

188

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• Lässt sich in 1D (Ising) und 2D (Onsager, 1944) analytisch lösen:Transfermatrix-Methode

• 1D: kein Phasenübergang

≥ 2D: Phasenübergang: Für T < TC spontane Magnetisierung

• In 3D bis heute nur simulativ lösbar

• Ursprünglich: Modell für Ferro-Magnetismus, aber auch gut für

– Ordnungs-Unordnungs-Übergang in binären Legierungen– Spingläser, amorphe Strukturen mit S(T = 0) 6= 0, siehe Kap. 9.7– Gehirnmodelle, Neuronen statt Spins

Idee der Molekularfeldnäherung:

• Spins wechselwirkungen nicht direkt mit ihren nächsten Nachbarn

• Sondern mit einem mittlerem Feld, das sich aus der mittleren Stellung der qNachbar-Spins ergibt

• Das heißt−I∑n.n.

σiσk → −Iq〈σ〉∑i

σi,

In Worten: Ersetze σk durch seinen thermodynamischen Mittelwert σk → 〈σ〉

Im Detail :

• Betrachte Identität

σiσk = σi〈σk〉+ 〈σi〉σk − 〈σi〉〈σk〉+ (σi − 〈σi〉)(σk − 〈σk〉)

Mittelwerte 〈σi〉 und 〈σk〉 hängen wegen Translationsinvarianz nicht von i, resp.k ab

• Damit Wechselwirkungsterm

HI(σ1, . . . , σN) = −I∑n.n.

σi〈σ〉+ 〈σ〉σk − 〈σ〉2 + (σi − 〈σ〉)(σk − 〈σ〉)

Jeder Zentralspin σi mit Nachbar σk ist auch Nachbarspin zu Zentralspin σk:Die ersten beiden Summen sind identisch.

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• Es gibt qN/2 verschiedene Paare. Somit gehören zu jedem Spin σi q/2 verschie-dene Paare

Damit

HI(σ1, . . . , σN) = −Iq〈σ〉∑i

σi + Iq

2N〈σ〉2 − I

∑n.n.

(σi − 〈σ〉)(σk − 〈σ〉)

Immer noch exakt

– 1. Term hat die Form, die wir suchen– 2. Term ist konstant– 3. Term: Die Fluktuationen der Spins um mittleren Wert

• Mean-field Näherung: Vernachlässige den 3. Term

HmfI (σ1, . . . , σN) = −Iq〈σ〉

∑i

σi + Iq

2N〈σ〉2

Bilde Erwartungswert

U = 〈HmfI 〉 = −IqN〈σ〉2 + I

q

2N〈σ〉2 = −I q

2N〈σ〉2

Für 〈σ〉 = 1 folgt U = −I q2N , macht Sinn, da jedes verschiedene Paar −I

beiträgt

• HmfI enthält Erwartungswert 〈σ〉, der am Ende berechnet werden will.

Führt auf ein Selbstkonsistenz-Problem zur Bestimmung von 〈σ〉Entspricht Hartree-Fock Näherung in der Quantenmechanik

• Nehme äußeres Magnetfeld wieder mit und formuliere durch die Spins verur-sachtes mittleres Magnetfeld als

Bmf =qI〈σ〉µ

Ergibt:Hmf (σi, . . . , σN) = −I q

2N〈σ〉2 − µ(Bmf +B)

∑i

σi

Beachte: Summe von Ein-Teilchen Hamilton-Funktionen, aberSelbstkonsistenz-Problem für 〈σ〉

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Berechnung des magnetischen Dipolmomentes

• Dipolmoment D:

D = µ

⟨N∑i

σi

⟩= Nµ〈σ〉 (48)

Ableitung auf der freien Energie F

D = − ∂

∂BF (N,B, T, 〈σ〉)|N,T,〈σ〉 (49)

Beide Gleichnungen zusammen geben implizite Gleichung für 〈σ〉

• Zustandssumme

Z(N, T,B, 〈σ〉) =∑σ1=±1

. . .∑σn=±1

exp

(−1

2βqNI〈σ〉2

)exp

(βµ(Bmf +B)

N∑i=1

σi

)

= exp

(−1

2βqNI〈σ〉2

)(∑σ=±1

exp(βµ(Bmf +B)σ

))N

= exp

(−1

2βqNI〈σ〉2

)(2 cosh

(βµ(Bmf +B)

))NFreie Energie:

F (N,B, T, 〈σ〉) = −kT logZ =1

2qNI〈σ〉2 −NkT log

(2 cosh

(βµ(Bmf +B)

))• Bestimmungsgleichung für 〈σ〉 nach Gln. (48, 49)

〈σ〉 = tanh

(βµ

(qI

µ〈σ〉+B

))Substituiere

x = βqI〈σ〉+ βµB

Ergibt1

βqI(x− βµB) = tanh x

Bestimmung von x und damit 〈σ〉 aus Schnittpunkt einer Grade ax + b mittanhx

191

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• Betrachte B = 0, setze

Tc =qI

k,

T

Tc=

1

βqI

Ergibt:

T

Tcx = tanhx

– T > Tc: Nur triviale Lösung bei x = 〈σ〉 = 0

– T < Tc: Neben x = 0 auch nicht-triviale Lösungen ±x0 = ±βqI〈σ〉 6= 0

– Spontane Magnetisierung, ein Phasenübergang !

• Analytische Lösung: Dies stimmt nicht :-)

– Liegt an Vernachlässigung der Fluktuationen, die in einer Dimension be-sonders schlimm ist, da wenig Nachbarn.

– ab D = 2: qualitativ richtig

– ab D = 4: quantitativ richtig

192

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• Entwicklung um Tc

Entwickle tanhx für kleine x, Abbruch nach 3. Ordnung

T

Tcx = x− 1

3x3 + . . .

x0 =

(3

(1− T

Tc

))1/2

, 〈σ〉 =T

Tcx0

• 〈σ〉 heißt Ordnungsparameter des Phasenübergangs, siehe Kap. 14.1

Exponent 1/2 ist der kritische Exponent β, siehe Kap. 14.2

• Am kritischen Punkt gilt für B 6= 0

D3 =3

kTB

Magnetisierung reagiert nicht-linear auf angelegtes Magnetfeld

Molekularfeldnäherung abstrakt oder hand-waving :-)

• Betrachte:

– Wechselwirkungspotential: W (x− x′)– Mikroskopische Ein-Teilchendichte: ρ(x) =

∑Ni=1 δ(x− xi)

– Makroskopische Ein-Teilchendichte: n1(x) = 〈ρ(x)〉

• Bei Berechungen tauchen Terme folgender Form auf⟨exp

(−β∫d3x′ W (x− x′)ρ(x′)

)⟩In der Molekularfeldnäherung wird das genähert durch

exp

(−β∫d3x′ W (x− x′)〈ρ(x′)〉

)= exp

(−β∫d3x′ W (x− x′)n1(x′)

)Statt Erwartungswert der Exponentialfunktion nun Exponentialfunktion desErwartungswertes

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Gute Näherung wenn∫d3x′W (x− x′)ρ(x′) =

∑i

W (x− xi) =

∫d3x′W (x− x′)n1(x′)

Gültigkeitsbereich der Molekularfeldnäherung:

• Mittelung über hinreichend viele Wechselwirkungspartner, mittlerer Teilchen-abstand klein gegen mittlere Reichweite der Wechselwirkung

– hohe Dichten

– langreichweitige Wechselwirkungen

• kleine Korrelationen

Allgemein

• Es gibt keinen Entwicklungsparameter

• Komplimentär zur Virialentwicklung

13.3 Renormierungsgruppentheorie

Mächtiges Werkzeug, Wilson 1971, Nobelpreis 1987

• Statistische Physik: speziell zur Bestimmung kritischer Exponenten, Kap. 14.2

• Quantenfeldtheorie

Betrachte ein-dimensionales Ising-Modell mit Nächste-Nachbar Wechselwirkung

• HamiltonianH = −I

∑i

σiσi+1

• Zustandssumme:

Z =∑σi

exp[K(σ1σ2 + σ2σ3 + σ3σ4 + . . .)] (50)

mitK =

I

kT, σi = ±1

194

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Grundidee:

• Drücke die Spinkette von N Spins durch eine mit N/2 Spins aus. Dazu mussdie Kopplung renormiert werden.

• Iteriere dies: Sukzessive teilweises Ausführung der Zustandssumme, quanten-mechisch: Partielle Spurbildung

• Mathematisch: Eine Gruppe

Im Detail

• Fasse alle geraden Terme für i zusammen und führe die Summation über σimit i gerade aus

Z =∑σi

eK(σ1σ2+σ2σ3) · eK(σ3σ4+σ4σ5) · . . .

=∑

σi,i=ungrade

[eK(σ1+σ3) + e−K(σ1+σ3)

]·[eK(σ3+σ5) + e−K(σ3+σ5)

]· . . .

• Zentral: Suche neue Kopplung K ′ und Funktion f(K), so dass

eK(σ1+σ3) + e−K(σ1+σ3) = f(K) eK′σ1σ3

”Renormieren”

• Zur Bestimmung von K ′ und f(K), betrachte mögliche Kombinationen von σ1

und σ3

(σ1, σ3) = (1, 1) e2K + e−2K = 2 cosh(2K) = f(K)eK′

(σ1, σ3) = (−1,−1) e2K + e−2K = 2 cosh(2K) = f(K)eK′

(σ1, σ3) = (1,−1) 2 = f(K)e−K′

(σ1, σ3) = (−1, 1) 2 = f(K)e−K′

Multipiziere obere und untere Gleichungen

4 cosh(2K) = f 2(K)

f(K) = 2√

cosh(2K)

195

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Teile obere durch untere Gleichungen

cosh(2K) = e2K′

K ′ =1

2log(cosh(2K))

• Als Iteration geschrieben, ergibt die Renormierungsgruppengleichung

K(i) =1

2log(cosh(2K(i−1)))

oder auchtanhK(i) = (tanhK(i−1))2

13. weekhalbeWoche

Fixpunkt K∗ gegeben durch

K∗ =1

2log(cosh(2K∗))

odertanhK∗ = (tanhK∗)2

Zwei Lösungen

tanhK = 0 =⇒ K∗1 = 0 entspricht T =∞ oder I = 0

tanhK = 1 =⇒ K∗2 =∞ entspricht T = 0

Zentrale Frage:

Für welche Anfangsbedingungen wird welcher Fixpunkt durch Iteration er-reicht?

• Mathematische Lösung:

Untersuche Stabilität des Fixpunktes∣∣∣∣ ddKK(i)

∣∣∣∣K∗

∣∣∣∣ =

< 1 stabil> 1 instabil

Interpretation: Stabil: Auslenkung aus Fixpunkt wird weggedämpft

• Hier:

196

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– K∗1 ist stabil

– K∗2 ist instabil

– Nur, wenn man auf K∗2 , i.e. I 6= 0, T = 0 startet, bleibt man da

– Für alle anderen K(0) läuft es auf wechselwirkungsfreies Sytem zu =⇒ Esgibt keinen Phasenübergang bei endlicher Temperatur

Graphische Lösung

Ising-Modell in 2 Dimensionen

•• Kompliziertere Geometrie

197

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Ein-Teilchen Beitrag zur Zustandssumme:∑σ

eK(σ1+σ2+σ3+σ4)σ = f(K)eK′(σ1σ2+...+σ3σ4)+L′(σ1σ3+σ2σ4)+M ′(σ1σ2σ3σ4)

• Man kann zeigen: M ′ L′ ≤ K ′. Vernachlässige M ′

• Renormierungsgruppengleichungen

K(i) = 2K(i−1)2 + L(i−1)

L(i) = K(i−1)2

Induzieren Renormierungsgruppenfluss

• Fixpunkte (K∗, L∗):

K∗1 = L∗1 = 0, K∗2 = L∗2 =∞ K∗c =1

3, L∗c =

1

9

198

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• Fixpunkt 1: Anziehender Hochtemperaturfixpunkt

Fixpunkt 2: Anziehender Tieftemperaturfixpunkt

Fixpunkt 3: Sattelpunkt: Hier scheiden sich die Geister

• PRE-FOLIEN

Lessons learned

• Virial-Entwicklung entwickelt nach Teilchenzahldichte

• 1. Ordnung ergibt van der Waals’sche Gasgleichung

• Molekularfeldnäherung ist Selbstkonsistenzbedingung, keine Entwicklung nacheinem Parameter. Benötigt hohe Dichten relativ zur Reichweite der Wechsel-wirkung

• Virial-Entwicklung und Molekularfeldnäherung haben komplementäre Gültig-keitsbereiche

• Renormierungsgruppen-Theorie: Ändere Skala, renormiere Wechselwirkung.Form bleibt identisch. Iteriere, untersuche Fixpunkte & deren Einzugsbereich

199

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14 Phasenübergänge

14.1 Klassifikation von Phasenübergängen

Ordnungsparameter ψ

• Makroskopische Größe mit

ψ = 0 für T > Tcψ > 0 für T < Tc

• Flüssigkeit/Gas: Dichtedifferenz ∆ρ = ρ− ρGas

• 2D Ising-Modell: Magnetisierung m

• Bose-Einstein Kondensation: Anzahl N0 Teilchen im Grundzustand

Thermodynamische Potentiale sind am Phasenübergang stetig, aber nicht analytisch

• Phasenübergang 1. Ordnung

– Diskontinuierlicher Phasenübergang

– Thermodynamische Potentiale stetig, aber nicht differenzierbar

– Es gibt latente Wärme

– Ordnungsparameter zeigt eine Sprung

– Beispiel: Flüssigkeit/Gas

• Phasenübergang höherer Ordnung

– Kontinuierlicher Phasenübergang

– Thermodynamische Potentiale mindestens einmal differenzierbar

– Erst höhere Ableitungen existieren nicht, erinnere Bose-Einstein Konden-sation

200

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∗∗ Cv(T ) = ∂U

∂Tist stetig

∗ ∂∂TCv(T ) ist nicht stetig

– keine latente Wärme

– Ordnungsparameter ist stetigBeispiele:

∗ Ising-Modell in 2 D∗ Bose-Einstein Kondensation

14.2 Skalierungen

Betrachte kontinuierliche Phasenübergänge, Beispiel Ising-Modell in 2D

• Charakteristische Größen zeigen am Phasenübergang Potenzverhalten mitkritischen Exponenten: (

T − TcTc

)a= ta

• Ordnungsparameter, hier Magnetisierung m.

Für T < Tc:

m|B=0 ∝ |t|β Mean-Field Näherung: β =

1

2, exakt: β =

1

8

201

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• Suszeptibilität, analog zu Gl. (43)

χ =∂m

∂B

∣∣∣∣B=0

=1

kT(〈m2〉 − 〈m〉2) ∝ Var (m)

und damit Fluktuationen des Ordnungsparameters :

χ ∝ |t|−γ Mean-Field: γ = 1, exakt: γ =7

4

• Korrelationsfunktion G(|~ri − ~rj|) = G(r), hier:

G(r) = 〈σiσj〉 − 〈σi〉〈σj〉

Nicht am kritischen Punkt:

G(r) ∝ e−r/ξ, ξ : Korrelationslänge

Am kritischen Punkt divergiert ξ:

ξ|B=0 ∝ |t|−ν Mean-Field: ν =

1

2, exakt: ν = 1

und es gilt

G(r) ∝ 1

rD−2+η

• Für Genießer:

Deswegen funktioniert Renormierungsgruppentheorie

• Kritische Exponenten hängen nur ab von

– Dimension des Ordnungsparameters

– Symmetrien des Hamiltonians

– Dimension D des Raumes

Ironie der Geschichte: Erinnere ursprüngliches Ziel der Statistischen Physik :-)

• Systeme mit gleichen kritischen Exponenten sind in der selbenUniversalitätsklasse

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• Kritische Exponenten sind nicht unabhängig

2 = α + 2β + γ

γ = ν(2− η)

νD = 2− α

14.3 Landau-Theorie

Basiert auf

• Ordnungsparameter ψ

• Symmetrien des Systems

• keiner mikroskopischen Information

In der Nähe des kritischen Punktes

• ψ ist klein, da stetig und jenseits 0

• Entwickele in ψ unter Berücksichtigung der Symmetrie

Beispiel Ising Modell

• Ordnungsparameter: Magnetisierung ψ = m

• Entwickele freie Energie F (T,m) bis 4. Ordnung

• Z2-Symmetrie: m↔ −m

F (T,m) = F0(T ) + a(T )m2 +1

2b(T )m4, ψ4 Theorie (51)

• Phasenübergang, wenn a(T ) Vorzeichen wechselt

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• a(T ) > 0: Einziges Minimum bei m = 0: paramagnetisch

• a(T ) < 0: Zwei Minima bei ±m 6= 0: ferromagnetisch

• a(Tc) = 0 unda(T ) ≈ a′(Tc)(T − Tc)

• b(T ) > 0

Um TC : b(T ) ≈ b(Tc) = b

• Beachte Analogie zu Mean-field Näherung

T

Tcx = tanhx für kleine x

Bestimmung der Magnetisierung:

• Differenziere Gl. (51) und setze Ableitung gleich 0:

0!= 2a(T )m+ 2bm3

a(T ) = −2bm2

Damit

m(T ) =

0 a(T ) > 0

±(|a(T )|b

)1/2

a(T ) < 0

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• Da a(T ) ∝ T−TcTC

= t

m(T ) ∝ ±|t|β, β =1

2

wie in der Mean-Field Approximation, gilt allgemein

• Ohne jede mikroskopische Information !

Spontane Symmetriebrechung :

• Symmetrie im Grundzustand ist kleiner als Symmetrie des Hamiltonian

• Tiefer Zusammenhang zwischen Statistischer Physik und Quantenfeldtheorie

• Von hier ist es nicht mehr weit zum Higgs-Boson

Lessons learned

• Phasenübergänge unterscheiden sich nach Analytizität

• Charakteristische Größen zeigen am kritischen Punkt Skalierungsverhalten

• Landau’s ψ4 Theorie: Skalierung nur auf Grund von Symmetrien, keine mikro-skopischen Details

14. weekhalbeWoche15 Was wir leider nicht geschafft haben

• Bose-Einstein Kondensation im Detail rechnen

• Ambivalente Deutung der Planck’schen Strahlungsformel diskutieren

• Maxwell-Konstruktion beim van der Waals Gas

• Magnetismus

– Diamagnetismus überhaupt– Paramagnetismus in Vorlesung statt nur in Übung– Transfermatrix-Methode für das Ising Modell

• Suszeptibilitäten als 2. Ableitungen

• ...

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16 DanksagungDieses Skript beruht in wesentlichen Teilen auf dem Buch ”Thermodynamik undStatistische Physik” von W. Greiner, L. Neise und H. Stöcker. Viele Anregungenentstammen dem Vorlesungsskript zur gleichnamigen Vorlesung von G. Stock undden Büchern ”Stastistische Mechanik” von H. Römer und T. Filk und dem Buch”Statistical Physics” meines akademischen Lehrers J. Honerkamp. Last, not leastdanke ich D. Bachmann für das gründliche Korrektur lesen des Skriptes.

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