20
Ausgabe Mai 2/2016 Das Magazin von THEMA Burkina Faso AKTUELL Schmutzige Pfannen in Schweizer Läden

Solidarität 2/2016

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Magazin von Solidar Suisse

Citation preview

Page 1: Solidarität 2/2016

Ausgabe Mai 2/2016

Das Magazin von

THEMABurkina Faso

AKTUELLSchmutzige Pfannenin Schweizer Läden

Page 2: Solidarität 2/2016

Esther MaurerGeschäftsleiterin Solidar Suisse

2 EDITORIAL

MEDIENSCHAU

Liebe Leserin, lieber LeserHappy Birthday, Solidar Suisse! Mit 80 Jahren sind wir eines der ältesten Hilfswerke der Schweiz und stehen trotz Tradition und unveränderten Werten nach wie vor für Dynamik, Erneuerung und Innovation. Es gibt aber keine Geburtstags­party, kein Jubiläumsfest, Bankett oder Memoirenbuch. Denn uns ist nicht zum Feiern: In Bern und in den Medien wird wöchentlich die Wirkung der Entwicklungszusammen­arbeit grundsätzlich in Frage gestellt. Miss erfolge aus den Ländern des Südens werden geschildert und liefern jenen Ar­gumente, die seit jeher nach Gründen suchten, das eigene Portemonnaie nicht für andere zu öffnen. So wird das Terrain von gewissen politischen Kräften vor­bereitet, um vom Grundsatzentscheid abzuweichen, den das Parlament vor fünf Jahren gefällt hat: dass sich die Schweiz als reiches Industrieland verpflichtet, schritt weise 0,5 % des BIP an die Benach­teiligten in den ärmsten Ländern zu entrichten. Und es zeichnet sich ab, dass das Parlament bis zum Erscheinen dieser Nummer in verantwortungsloser Weise drastische Sparmassnahmen in der Entwicklungszusammenarbeit verabschieden wird.

Kein Zweifel: Es gibt sie, die weissen Elefanten und unverkenn­baren Misserfolge. In der Entwicklungsarbeit, und auch in den Industrieländern. Aber ich frage mich, wovon auszugehen ist: Wenn wir es bis heute in der Schweiz nicht schaffen, die Lehr­pläne zu standardisieren – weshalb glauben wir, dass dies in

Westafrika innerhalb von drei oder fünf Jahren gemacht werden kann? Wenn Schweizer Berggemeinden absolut über­dimensionierte Forststrassen bauen, nur weil sie mit Bundesgeldern gebaut wer­den können, weshalb wundern wir uns dann über einen vollständig fremdfinan­zierten Wasserturm, der in Subsahara­Afrika am falschen Ort steht?Auch in der 80­jährigen Geschichte von Solidar gab es Misserfolge. Aber wir und unsere Partnerorganisationen lernten und lernen aus Fehlern. Auch das ist Entwick­lung. Und das Gesamtresultat darf sich sehen lassen! Zum Beispiel in Burkina Faso.

Wir freuen uns nicht über unser Alter. Wir freuen uns über unsere gemeinsame Geschichte, unsere gemeinsamen Werte, unser gemeinsames Engagement. Wir freuen uns über Ihre Treue und Verbundenheit.

Esther Maurer

16.3.2016Über 22 Millionen Franken für Wiederaufbau in NepalEin Jahr nach dem verheerenden Erd­beben in Nepal ist der Wiederaufbau in vollem Gange. Die drei Schweizer Hilfs­werke Caritas, Helvetas und Solidar Suisse haben sich für zahlreiche Pro­jekte zusammengeschlossen und kön­nen gegenwärtig 22,3 Millionen Franken einsetzen. Das Geld wird hauptsächlich für den Bau von erdbebensicheren Wohn­ und Schulhäusern verwendet, wie aus einer Mitteilung von gestern hervorgeht.

27.1.2016Schmutzige Pfannen Endlose Überzeit, miserable Sozialleistun­gen, ungenügende Schutzkleidung: Unter solchen Bedingungen produzieren Arbei­ter in China Pfannen – auch für den Schweizer Markt. (…) Die Organisationen China Labor Watch und Solidar Suisse haben letztes Jahr während zweier Monate in chinesischen Fabriken die Arbeits­bedin gungen recherchiert. Darunter in fünf Fabriken in der Provinz Guangdong. Die Pfannen aus den kritisierten Fabri­ken (…) sind Produkte von Ikea, WMF und Greenpan. Alle Schweizer Händler versichern, die Kritik ernst zu nehmen.

17.2.2016Hilfswerk zeigt falschen BlatterDas Hilfswerk Solidar Suisse hat gestern vier Videos veröffentlicht, in denen Sepp Blatter (79) als Figur auftritt. Darin spricht sich der gesperrte Fifa­Präsident für Scheich Salman als seinen Nachfolger aus: «Er kann die Fifa­Kritiker für immer zum Schweigen bringen». (…) Der Walliser wird von Walter Andreas Müller parodiert. Die Veröffentlichung verbindet das Hilfs­werk mit dem Aufruf, einen Brief an den künftigen Fifa­Präsidenten zu unter­zeichnen, in dem dieser aufgefordert wird, sich um faire Arbeitsbedingungen für jene zu kümmern, die die WM­Stadien in Russland und Katar bauen.

Page 3: Solidarität 2/2016

Herausgeber: Solidar Suisse, Quellenstrasse 31, Postfach 2228, 8031 Zürich, Tel. 044 444 19 19, E­Mail: [email protected], www.solidar.ch, Postkonto 80­188­1 Mitglied des europäischen Netzwerks SolidarRedaktion: Katja Schurter (verantwortliche Redaktorin), Rosanna Clarelli, Eva Geel, Lionel Frei, Cyrill Rogger

Layout: Binkert Partner, www.binkertpartner.ch / Spinas Civil VoicesÜbersetzungen: Evelyne Carrel, Petra Varilek und Jean­François ZurbriggenKorrektorat: Jeannine Horni, Catherine VallatDruck und Versand: Unionsdruckerei/subito AG, Platz 8, 8201 SchaffhausenErscheint vierteljährlich, Auflage: 37 000

Der Abonnementspreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen (Einzelmitglieder mindestens Fr. 70.–, Organisationen mindestens Fr. 250.– pro Jahr). Gedruckt auf umwelt­freundlichem Recycling­Papier.Titelbild: Eine Burkinabè beim Besuch des Alphabetisierungs­kurses. Foto: Andreas Schwaiger. Rückseite: Senden Sie uns Ihre Erinnerungsfotos! Fotos: Solidar

IMPRESSUM

AKTUELL Exzessive Überstunden, Akkordlöhne, mangelnder Arbeitsschutz: Unsere Pfannen werden häufig unter unwürdigen Arbeitsbedingungen in chinesischen Fabriken hergestellt.

THEMAAnalphabetismus, Jugend arbeitslosigkeit, Klimawandel und eine aktive Zivilgesellschaft prägen die vielfältige Realität Burkina Fasos. 4

THEMA Burkina Faso 4 Burkina Faso: Entdecken Sie ein facettenreiches Land 6 Landwirtschaftliche Techniken helfen im Kampf gegen Erosion und die Auswirkungen des Klimawandels 8 AKTUELL Das Leiterlispiel zu 80 Jahren Solidar Suisse 10 Die Schweiz droht die Chance zu verpassen, faire Beschaffung gesetzlich zu verankern 13 Nepal: Ein Jahr nach dem Erdbeben hat der Wiederaufbau begonnen 15 Solidar­Report deckt auf: Schweizer Pfannen werden oft unter miserablen Bedingungen in chinesischen Fabriken produziert 17 EINBLICK Die 23­jährige Burkinabè Abzeta Koana hat eine Ausbildung als Spenglerin gemacht und will ihr eigenes Geschäft gründen 18 KOLUMNE 9 NOTIZEN 12 & 16 PINGPONG 14

17

Page 4: Solidarität 2/2016

4

Viele Kinder in Burkina Faso müssen arbeiten, um ihre Eltern zu unterstützen – zum Beispiel als Kuhhirten.

Page 5: Solidarität 2/2016

THEMA

BURKINA FASOBurkina Faso ist eines der ärmsten Länder der Welt. Mehr als die Hälfte der Menschen sind AnalphabetInnen, viele Kinder verlassen die Schule bereits nach wenigen Jahren. Kinderarbeit ist weit verbreitet – in den Goldminen, auf den Strassen Ouagadougous, auf den Feldern. Die Jugend arbeitslosigkeit ist hoch. Zudem bedroht der Klimawandel insbesondere jene 80 Prozent der Bevölkerung, die von der Landwirtschaft leben. Trotz dieser Schwierigkeiten haben die Burkinabè in den letzten eineinhalb Jahren unblutig ein autokratisches Regime gestürzt und demokratisch einen Präsidenten gewählt. Entdecken Sie das facetten reiche Land, in dem Solidar Suisse seit mehr als 40 Jahren aktiv ist. Foto: Jürg Gasser

5

Page 6: Solidarität 2/2016

6

Thomas Sankara, Präsident von 1983 bis 1987, gab dem damaligen Obervolta den Namen «Land der Aufrechten» (siehe Solidarität 3/15). Diesem stolzen Titel wurden die Burkinabè in den letzten eineinhalb Jahren mehr als gerecht: Im Oktober 2014 verjagten sie Präsident Blaise Compaoré, weil er sich nach 27 Jahren autokratischem Regime mit einer Verfassungsänderung im Amt halten wollte. Nach einem Putschversuch im letzten September versammelten sich

die Menschen sofort in der Hauptstadt und die «Ruecratie» – die Macht der Strasse – verbreitete sich in Windeseile im ganzen Land. Sogar die ärmsten KleinhändlerInnen, für deren entgangene Einkünfte niemand aufkommt, beteilig­ten sich am Generalstreik. Nach einer Woche Protest und Unsicherheit war der Spuk vorbei – das Land kehrte zu einer zivilen Regierung zurück und erkor im November 2015 in einer demokratischen Wahl Roch Marc Kaboré zum neuen

Präsidenten. All dies ist Ausdruck einer Kultur von zivilem Ungehorsam und ho­hem moralischen Anspruch an die Politik. «Die grosse Siegerin dieser Wahlen ist die Demokratie. Man muss die Reife der burkinischen Bevölkerung loben», resü­miert Solidar­Landeskoordinator Dieu­donné Zaongo. Solidar Suisse hat zur Beteiligung in den Gemeinden beigetra­gen, indem die Bevölkerung informiert und ermutigt wurde, sich ins Wahlregister einzutragen. Im Vergleich zu 2012 hat

Armut, hohe AnalphabetInnenrate und eine Zivil gesellschaft, die erfolgreich für ihre Rechte kämpft: Burkina Faso ist ein Land mit vielen Widersprüchen.Text: Katja Schurter, Foto: Ricus Jacometti

«RUECRATIE» IM LAND DER AUFRECHTEN

Ein Mädchen beim Schul unterricht in ihrer Muttersprache – in Burkina Faso keine Selbstverständlichkeit.

Burkina Faso

Page 7: Solidarität 2/2016

sich die Zahl der registrierten WählerInnen im Plateau Centrale um 27 Prozent erhöht.

Ein Schulunterricht, den die Kinder verstehenBurkina Faso ist eines der ärmsten Länder der Welt. Mehr als die Hälfte der Bevöl­kerung lebt von weniger als 1,25 Dollar

pro Tag und 65 Prozent sind Analphabe­tInnen. Das Problem: Die meisten Schul­kinder verstehen die offizielle Schul­sprache nicht. Denn obwohl in Burkina Faso 49 verschiedene Sprachen gespro­chen werden, findet der Schulunterricht meist auf Französisch statt – in der alten Kolonialsprache. Um dies zu ändern, hat Solidar Suisse 1994 die mehrsprachi­ ge Bildung initiiert, in der parallel in einer Landessprache und in Französisch unterrichtet wird. Eine Erfolgsgeschichte: Die Resultate der ersten Pilotprojekte waren so positiv, dass Solidar das Modell von der Primarschule auf Kindergarten und Sekundarschule ausweitete und im ganzen Land verbreitete. 2007 wurde die mehrsprachige Grundbildung im burkini­schen Bildungsgesetz verankert. Dieses Solidar­Bildungsprojekt gilt als einer der erfolgreichsten Reformansätze im afrika­nischen Kontext. Der Durchbruch steht nun kurz bevor. Zwar haben bis Ende 2015 erst 220 öffentliche Primarschulen,

das heisst zwei Prozent, die mehrspra­chige Bildung übernommen. Doch mit der Integration der mehrsprachigen Bildung in die LehrerInnenausbildung im Jahr 2014 und der Versiebenfachung des staatlichen Budgets für mehrsprachige Bildung in den letzten fünf Jahren kommt die flächendeckende Verbreitung Schritt für Schritt vorwärts. Gegenwärtig wird die Expertise von Solidar auf den Staat übertragen, damit dieser die Ausweitung selbständig vorantreiben kann, und wir ziehen uns sukzessive aus dem Bereich der formellen Bildung zurück. Unterstützung erhalten jedoch weiterhin jene zwei Drittel der Jugendlichen, die keine formelle Schulbildung genossen haben. Solidar bietet ihnen die Möglich­keit, ihre Grundbildung nachzuholen, eine Berufsausbildung zu absolvieren und in

Praktika erste Berufserfahrungen zu sammeln. Den ambitionier­testen TeilnehmerInnen stehen zudem Coachings offen, damit sie ihre Business­Ideen mit Mikro­krediten finanzieren und den Schritt in die Selbständigkeit wagen können (siehe Seite 18).

Damit wird auch ein Beitrag gegen die Jugendarbeitslosigkeit geleistet, die in ländlichen Gebieten Burkina Fasos krasse 75 Prozent beträgt.

Klimawandel trifft die ländliche BevölkerungSolidar unterstützt auch Erwachsene: Zum Beispiel mit Alphabetisierungs­ und Französischkursen, denn viele Menschen haben nie die Schule besucht. 80 Pro­zent der burkinischen Bevölkerung leben von der Landwirtschaft. Doch nur wer lesen, schreiben und Französisch spre­chen kann, hat die Chance, am öffentli­chen Leben teilzuhaben und die eigenen Produkte auf Märkten zu verkaufen, wo andere Sprachen als die eigene gespro­chen werden. Ein grosses Problem für die Bäuerinnen und Bauern sind auch die Auswirkungen des Klimawandels, die sich in Burkina Faso immer deutlicher zeigen, zum Bei­spiel in zunehmender Trockenheit und

«Wir haben ein starkes historisches Fundament, das Friedfertigkeit und Toleranz begünstigt.»

einer kürzeren Regenzeit. Die von Solidar vermittelten landwirtschaftlichen Techni­ken erlauben nun, das Wasser zurück­zuhalten oder Kompost herzustellen. So können die LandwirtInnen ihre Produk­tion erhöhen (siehe Seite 8).

Goldwirtschaft fördert KinderarbeitKinder müssen häufig arbeiten. Vielen bleibt nur der Weg in die Minen, um ihre Familien zu unterstützen – bis zu 50 Prozent der MinenarbeiterInnen sind laut Unicef minderjährig. Das bedeutet: kein Schulbesuch, schlechte Gesundheit, tiefer Lohn, keine Zukunftsperspektiven. Auch die Schweiz profitiert von der Kin­derarbeit, denn hier werden 70 Prozent der weltweiten Goldproduktion veredelt. Der Goldabbau hat in Burkina Faso in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erlebt. Seit 2009 wird mehr Gold als Baumwolle exportiert, 2013 war es mit 80 Prozent das Hauptexportprodukt und machte 2014 bereits 20 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus.

Demokratisierung und Perspektiven für Jugendliche Angesichts von Kinderarbeit und Anal­phabetismus engagiert sich Solidar dafür, Perspektiven für Kinder und Jugendliche zu schaffen. Auch die Fortsetzung des Demokratisie­rungsprozesses im Land ist ein wichti­ges Anliegen, umso mehr nach den Attentaten von islamischen Extremisten in Ouagadougou am 16. Januar 2016: «Wir haben in Burkina Faso ein starkes historisches Fundament, das Friedfer­tig keit und Toleranz begünstigt», meint Dieudonné Zaongo. «Wenn wir die ver­schiedenen aktuellen Herausforderungen anpacken und die Frage der inneren Sicherheit nicht alles überlagern lassen, werden wir gestärkt aus dieser schweren Zeit hervorgehen.»

Katja Schurter ist verantwortliche Redaktorin der Solidarität.

7THEMA

Karte: Jon Harald Søby

Burkina Faso

Ouagadougou

Plateau Central

Page 8: Solidarität 2/2016

«Dieser Wind, dieser Staub! Früher kam der Wind erst im Februar, heute ist er schon im Januar da», erzählt Hamidou Ilboudo, mit seinen 60 Jahren fast ein Greis in einem Land mit einer Lebens­erwartung von 55 Jahren. Wissenschaft­liche Studien bestätigen die Wirkung des Klimawandels auf Burkina Faso: In den letzten 30 Jahren ist die jährliche Nieder­schlagsmenge um 200 Millimeter zurück­gegangen. Dies hat direkte Auswirkungen auf den Kleinbauern aus Boussé, einer Gemeinde im Plateau Centrale: «Als ich ein Kind war, dauerte die Regensaison von Mai bis November. Jetzt müssen wir manchmal bis zum August mit Aussäen warten», sagt Ilboudo.

Klimawandel und WüstenbildungNicht nur der Klimawandel bedroht die fragilen Böden Burkina Fasos: Die Wälder

werden abgeholzt, um Feuerholz zu gewinnen, immer mehr Vieh wird auf den Weiden gehalten. Das belastet die Böden. Ausserdem breitet sich die Sahara Jahr für Jahr weiter aus, macht Ackerland unfrucht­bar und stellt die Mehrheit der Bevölkerung, die von der Land­wirtschaft lebt, vor existenzielle Probleme. Laut dem Welternäh­rungsprogramm der Vereinten Nationen ist die Nahrungssicherheit in einem von fünf Haushalten nicht gewähr­leistet. Deshalb unterstützt Solidar Suisse die Bäuerinnen und Bauern dabei, tradi­tionelle und moderne Techniken – wie organischer Dünger, Zaï oder Steinwälle – zur Konservierung des Bodens zu verwenden. So können sie ihre Ernte steigern und gleichzeitig das Ökosystem bewahren.

Dünger wird in «Düngegruben» herge­stellt. Dafür werden Mulden gegraben und mit Zement ausgekleidet. Zuunterst

kommt feiner Sand, dann Asche sowie Pflanzen­ und tierische Abfälle. Alle zwei bis vier Wochen werden 500 Liter Wasser in die Grube geschüttet und ihr Inhalt regelmässig vermengt. Der so gewonnene Dünger ersetzt teuren und giftigen Kunstdünger.

Zaï ist eine traditionelle Technik, die nach schweren Dürren in den 1980er

«Wir haben Land zurück ge wonnen und auf den bestehenden Feldern den Ertrag erhöht.»

KAMPF GEGEN DIE TROCKENHEIT Rissige Erde, Wassermangel und Sand, der frucht bares Land zerstört, bedrohen die Existenz burkinischer BäuerInnen. Moderne landwirtschaft liche Techniken schaffen Abhilfe. Text: Lionel Frei, Fotos: Andreas Schwaiger, Solidar, CCAFS

Bäuerinnen und Bauern bauen einen Steinwall,

um ihr Feld vor Erosion zu schützen.

8

Page 9: Solidarität 2/2016

Jahren wieder entdeckt wurde. Mit mehr als 300 Stunden pro Hektar sehr arbeits­intensiv, verhindert Zaï die Erosion und das Versickern des Wassers, vor allem aber erlaubt es, unfruchtbar gewordene Böden zurückzugewinnen. Die Samen werden in Mulden gepflanzt, die in regel­mässigen Abständen etwa 30 Zentimeter tief ausgehoben werden. Die Mulden halten Regen und Dünger zurück und schützen die Kulturen. Die herausge­schaufelte Erde wird auf der abfallenden Seite des Lochs aufgeschüttet, um die Erosion zu vermindern.

Auch Steinwälle tragen zum Schutz vor Erosion bei und helfen, den Dünger auf den Feldern zu halten, der sonst mit dem Wasser abfliessen würde. Die Steine werden auf den Feldern aufgeschichtet, um das Versickern des Wassers zu ver­langsamen.

Neue Techniken für ein besseres Leben«Wir haben schon vorher Steinreihen gemacht, aber nicht so aufgeschichtet, wie wir es in den Kursen gelernt haben. Zaï kannten wir gar nicht, und unser Dünger war nicht fermentiert», erklärt Hamidou Ilboudo, der Mitglied der Bau­ernorganisation Tind Yalgré ist. Bei der Solidar­Partnerorganisation hat er eine Weiterbildung zu Techniken der Boden­erhaltung besucht und die für die Um­setzung nötigen Werkzeuge erhalten:

Hammer, Brecheisen, Schubkarren und Zement. Und Handschuhe. «Das Material hat uns sehr geholfen», erzählt der Bauer. «Beim Bauen der Steinmäuerchen ver­brannten wir uns stets die Hände. Sobald die Hitze kam, konnten wir die Steine gar nicht mehr transportieren. Mit den Hand­schuhen ist das jetzt kein Problem mehr.» Das neu erworbene Wissen trägt reiche Ernte: Heute kann sich die Familie von Ilboudo versorgen, mit Kindern und En­kel kindern 15 Menschen. Dank der neu­en Technik hat sie ein höheres Einkom­men und die Kinder können zur Schule gehen. «Wir bestellen Felder, die wir vor­her nicht bewirtschaften konnten, weil die Böden nichts mehr hergaben. Wir ha­ben das Land zurückgewonnen und auf den bestehenden Feldern den Ertrag er­höht.»

Lionel Frei ist in der Kommunikation von Solidar Suisse tätig.

Hamidou Ilboudo konnte dank neuer Techniken seinen Ertrag erhöhen.

Eine burkinische Bäuerin bestellt ihr Feld mit der Zaï-Methode.

THEMA 9

Mit Ihrem Beitrag von 90 Franken kann eine Bäuerin oder ein Bauer Techniken erlernen, die den Boden gegen Ero sion schützen und die Widerstands fähigkeit gegen den Kli­mawandel erhöhen. Mit 80 Franken kann eine Düngegrube für eine effek­tive umweltfreundliche Produktion an­gelegt werden.

Ihre Spende wirkt

9THEMA 9THEMA 9

An der WM sollen Strassenhändle-rInnen ihre Waren rund um die Stadien nicht verkaufen dürfen.

Hans­Jürg FehrPräsident Solidar Suisse

Am Anfang war die «Proletarische Kinderhilfe», dann wurde daraus die «Arbeiter­Kinderhilfe» und ab 1936 das «Schweizerische Arbeiterhilfswerk SAH». In ihm wurden die Kinderhilfe, die Flüchtlingshilfe und die «Studien­und Fortbildungskommission» der SP und des Gewerkschaftsbundes zusam­mengefasst. Heute, 80 Jahre später, sind die inhaltlichen Spuren dieser Ur­sprünge weiterhin sichtbar: Die zehn in der Schweiz tätigen SAH­Regional­vereine engagieren sich in der Be­treuung, Schulung und gesellschaft­lichen Integration von Arbeitslosen und MigrantInnen. Solidar Suisse – die einstige Auslandsabteilung des SAH – ist jenseits der Landesgrenzen aktiv in der Entwicklungszusammen­arbeit und in der humanitären Hilfe nach Kata strophen. Wir engagieren uns zusammen mit lokalen Partner­organisationen gegen Armut, Aus­beutung und Ausgrenzung. Es kann leider nicht festgestellt werden, dass es heute weniger wichtig ist als da­mals, Solidarität zu praktizieren. Es gibt in der Schweiz sehr viele Menschen, die Gefahr laufen, vom Wohlstand ab­gekoppelt und von der Gesellschaft ausgegrenzt zu werden. Und es gibt ausserhalb der Schweiz unendlich viele Menschen, die von fast allem ausgeschlossen sind, was das Leben lebenswert macht. Weder die einen noch die anderen kommen aus ei­gener Kraft aus diesen Verhältnissen heraus. Sie haben eine klar bessere Chance, wenn sie eine Organisation wie das SAH oder Solidar Suisse an ihrer Seite wissen. Sie sind angewie­sen auf Solidarität, die wirkt.

KOLUMNE

Ein hoher Geburtstag

Page 10: Solidarität 2/2016

54 55 56 57 58 59 60 61

53 52 51 50 49 48 47 46 45

36 37 38 39 40 41 42 43 44

35 34 33 32 31 30 29 28 27

18 19 20 21 22 23 24 25 26

17 16 15 14 13 12 11 10 9

1 2 3 4 5 6 7 82

17

33

47

12

41

52

56

58

22

35

ERLEBEN SIE SPIELERISCH EINIGE STATIONEN80 JAHRE SOLIDAR SUISSE – JUBILÄUMSLEITERLISPIEL

UNSERER GESCHICHTE

Page 11: Solidarität 2/2016

54 55 56 57 58 59 60 61

53 52 51 50 49 48 47 46 45

36 37 38 39 40 41 42 43 44

35 34 33 32 31 30 29 28 27

18 19 20 21 22 23 24 25 26

17 16 15 14 13 12 11 10 9

1 2 3 4 5 6 7 8

28

10

AnleitungDie Person, die an der Reihe ist, würfelt. Entsprechend der gewürfelten

Augenzahl darf sie mit ihrer Spielfigur vorrücken. Landet eine Spielerin auf

einem Foto, folgt sie dem Pfeil aufwärts oder abwärts und stellt da ihre

Spielfigur hin. Wer als Erster mit seiner Spielfigur das Zielfeld erreicht,

hat gewonnen. Allerdings kann nur mit der passenden Augenzahl ins Ziel

gezogen werden, überzählige Punkte müssen rückwärts gegangen werden.

2 1936: Regina Kägi­Fuchsmann gründet das SAH mit,

um während des Spanischen Bürgerkriegs humanitäre Hilfe zu leisten,

vor allem für Kinder. Rücke vor auf Feld 21

10 1939: Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Die Unterstützung

des SAH für Flüchtlinge in der Schweiz und verschiedenen europäischen

Ländern ist ein Tropfen auf den heissen Stein. Zurück auf Feld 6

12 1949: Das SAH leistet als eines der ersten Schweizer Hilfswerke

internationale Entwicklungshilfe, unter anderem in Griechenland,

Palästina/Israel und Jugoslawien. Rücke vor auf Feld 23

17 1979: Sieg der sandinistischen Revolution in Nicaragua.

Das SAH unterstützt Alphabetisierungskampagnen. Rücke vor auf Feld 34

22 1984: Das SAH leistet Pionierarbeit im Aufbau von Einsatzprogrammen

für die gestiegene Zahl Erwerbsloser in der Schweiz. Rücke vor auf Feld 31

28 1986: Im Contra­Krieg gegen die sandinistische Revolution in

Nicaragua, der von der USA unterstützt wird, werden Zehntausende

unbeteiligte ZivilistInnen auf grausame Weise ermordet. Zurück auf Feld 11

33 2007: Die burkinische Regierung übernimmt das mehrsprachige

Bildungsmodell von Solidar Suisse. Rücke vor auf Feld 50

35 2010: Solidar erreicht gemeinsam mit südafrikanischen Gewerk­

schaften, dass auf den Stadionbaustellen für die WM 2010 die Löhne

erhöht werden. 13 715 Menschen unterzeichnen die Fifa­Petition gegen

Ausbeutung an der Fussball­WM. Rücke vor auf Feld 54

41 2011: Das erste Solidar­Gemeinderating überprüft, wie Schweizer

Gemeinden mit Engagement für faire Beschaffung und Entwicklungshilfe

ihre globale Verantwortung wahrnehmen. Rücke vor auf Feld 49

47 2013: Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Regierungs­

und Oppositionspartei beeinträchtigen die mozambikanische Bevölkerung

und die Solidar­Projektarbeit. Zurück auf Feld 42

52 2014: Im Kosovo wird die von Solidar initiierte Qualitätskontrolle

von Rohmilch gesetzlich festgeschrieben. Rücke vor auf Feld 55

56 2014: Fifa­Präsident Sepp Blatter bricht sein Versprechen,

unter der Mediation von Solidar mit der brasilianischen Zivilgesellschaft

deren Anliegen für eine faire WM zu besprechen. Zurück auf Feld 37

58 2015: Solidar trägt dazu bei, dass der pakistanische Premierminister

Sharif ein neues Gesetz unterstützt, das Kinderrechte stärkt und Gewalt

gegen Kinder verbietet. Geh direkt ins Ziel

Weitere Infos zur Solidar­Geschichte: www.solidar.ch/jubiläum

Bildnachweis: Solidar, Gipanic, Jürg Gasser, Brigit Ruprecht, Sabine Rock, Usman Ghani

Page 12: Solidarität 2/2016

12 NOTIZEN

Philippinen: Gelungener Wiederaufbau Am 8. November 2013 wurde ein gros­ser Teil der philippinischen Inseln vom stärksten je gemessenen Sturm heim­gesucht. Der Taifun Haiyan erreichte Windstärken von bis zu 275 Kilometer pro Stunde und zerstörte mehr als eine Million Häuser ganz oder teilweise. Nach der Verteilung von lebensnotwendigen Hilfsgütern an die betroffene Bevölke­rung begann Solidar im Mai 2014 in drei Gemeinden auf der stark beschädigten Insel Panay den Wiederaufbau. Zusam­men mit bedürftigen Familien wurden in den letzten zwei Jahren mehr als 2300 sturmresistente Häuser und 800 Toiletten neu oder wieder aufgebaut. Dabei wurde vor allem darauf geachtet, dass einhei­mische Materialien verwendet werden,

Schafft die Fifa den Turnaround?Am 26. Februar wurde Gianni Infantino zum neuen Fifa­Präsidenten gewählt. Er hat es in der Hand, die Fifa in eine neue Ära ohne Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Ausbeutung zu führen. Solidar Suisse hat zu diesem Anlass einen Brief an den neuen Präsidenten verfasst und die Online­UnterstützerIn­nen zur Unterschrift aufgerufen. Rund 5000 sind dem Aufruf gefolgt. Bereits im Sommer 2015 hatte Solidar einen Nachhaltigkeitskodex für die Fifa ausgearbeitet. Darin forderten wir eine Verschärfung der Anforderungen für Be­werbungen, die Definition sozialer Krite­rien für die WM­Vergabe, die Anpassung der Verträge mit den Austragungs staaten sowie die Einführung von Kontroll­ und Sanktionsmechanismen. Nun wurde der Nachhaltigkeitskodex zusammen mit dem Brief an den neuen Fifa­Präsidenten ge­schickt und wir versuchen, mit Gianni Infantino in einen Dialog über die dringend notwendigen Veränderungen zu treten. www.solidar.ch/fairewm

Genf: Tanztheater zum Jubiläum der FGCZu ihrem 50­Jahr­Jubiläum hat die Fédération Genevoise de Coopération (FGC) im Januar 2016 das Tanztheater «In der Haut der Welt» aufgeführt, das die Ungerechtigkeit zwischen Nord und Süd thematisiert und nach dem Enga­gement von Jugendlichen fragt. Das Stück wurde mit grossem Erfolg vor diversen Genfer Schulklassen gezeigt.

Weckruf gegen Hunger und ArmutDie jahrelange erfolgreiche Aufbauarbeit der Schweiz im Kampf gegen Hunger und Armut ist in Gefahr: Der Bundesrat setzt bei der bilateralen Entwicklungs­zusammenarbeit kräftig den Rotstift an. Dabei hat er mehrmals versprochen, 0,7 Prozent des Nationaleinkommens für Entwicklung einzusetzen. Es ist unerträglich, wenn die reiche Schweiz bei der langfristigen Armuts­bekämpfung spart, obwohl Tag für Tag Menschen wegen fehlender Perspek­tiven in die Flucht getrieben werden. Statt am falschen Ort zu sparen, muss die Schweiz mithelfen, die Uno­Ziele für

welche die Umwelt nicht belasten und schnell nachwachsen. Bambus hat sich als ideales Baumaterial erwiesen. Dank grosszügiger Spenden und der Unter­stützung der Glückskette kann Solidar das Bauprojekt wie geplant diesen Mai abschliessen. www.solidar.ch/philippinen

nachhaltige Entwicklung zu erreichen, zu denen sich der Bundesrat im Herbst 2015 bekannt hat. Deswegen haben Schweizer NGOs einen Appell für eine weltoffene Schweiz und den Ausbau der Entwicklungszusammen­arbeit an das Parlament lanciert. Fordern auch Sie, dass die Politik Wort hält, und unterschreiben Sie den Weckruf: www.solidar.ch/weckruf

Um die Sensibilisierung an den Schulen weiterzuführen, hat Solidar Suisse Genève, Tochter von Solidar Suisse und Partnerorganisation der FGC, in drei Berufsschulklassen in und um Genf Workshops abgehalten. Nach einer Dis ­kussion der Prinzipien der Menschen­rechte wurde ein Film über das Solidar­Jugendprojekt «Lanzarte» in Bolivien gezeigt. Die Jugendlichen nahmen aktiv an der Diskussion teil und zeigten sich

sehr interessiert an Fragen der Arbeits­rechte und der sozialen Verantwortung von Unternehmen.

Page 13: Solidarität 2/2016

Die Schweiz ist drauf und dran, die gesetzliche Verankerung nachhaltiger Beschaffung auf Jahre hinaus zu verhindern. Text: Katja Schurter, Foto: C. Foulger

Bund, Gemeinden und Kantone kaufen jährlich für 40 Milliarden Franken Waren und Dienstleistungen ein. Als Grosskon­sumentin hat die öffentliche Hand eine besondere Verantwortung, ihre Beschaf­fung nachhaltig zu gestalten und dafür zu sorgen, dass bei der Herstellung der ein­gekauften Produkte keine ArbeiterInnen ausgebeutet werden. Denn bei vielen international produzierten Gütern sind Kinderarbeit, miserable Löhne und über­lange Arbeitszeiten an der Tagesordnung.

Widerspruch zu den Nachhaltig keitszielen«Der Bund (…) nimmt bei seinem Kon­sumverhalten eine Vorbildfunktion ein, indem er im Rahmen seiner Beschaf­fungstätigkeit Produkte nachfragt und Bauwerke realisiert, die wirtschaftlich, umweltschonend und gesundheitsver­träglich sind und die möglichst sozial verantwortungsvoll produziert werden.» So steht es in der «Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016–2019» des Bundes. Doch die Realität sieht anders aus. In der laufenden Revision des Gesetzes

über öffentliche Beschaffung wurde die Chance verpasst, wirksame Nachhaltig­keits prinzipien zu verankern. Trotz Hand­lungs bedarf bleibt alles beim Alten. Dies birgt nicht nur ein erhebliches Reputa­tionsrisiko, sondern widerspricht auch den Nachhaltigkeitszielen der Schweiz.

Keine RechtssicherheitSo bleibt es den einzelnen Gemeinden und Kantonen überlassen, ob sie aktiv werden und soziale und ökologische Kri­terien einfordern. Doch ohne gesetzliche Grundlage bewegen sie sich auf dünnem Eis, wenn sie sozial nachhaltig einkaufen wollen. Denn ein Unternehmen, das den Zuschlag nicht erhalten hat, weil es die

Nachhaltigkeitskriterien nicht erfüllt, könn te vor Gericht gehen und das Auswahlverfahren in Frage stellen. Umso unverständlicher ist es, dass in der laufenden Gesetzesrevision keine

13

verbindlichen Nachhaltigkeitskriterien ver­ankert werden sollen: Dies wäre nicht nur ein konkreter Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung, sondern garantierte gleich­zeitig Rechtssicherheit und einen faire­ren Wettbewerb.

Faire Beschaffung ist möglichSolidar Suisse setzt sich seit Jahren dafür ein, dass die öffentliche Hand nicht um des tiefen Preises willen unwürdige Arbeitsbedingungen in Kauf nimmt. So führen wir dieses Jahr zum dritten Mal das Solidar­Gemeinderating durch, das untersucht, ob Gemeinden ihre globale Verantwortung wahrnehmen – durch nachhaltige Beschaffung und Solidarität mit Entwicklungsländern. Bereits in der Zweitauflage 2013 hatten sich viele Gemeinden verbessert. Die Resultate des dritten Ratings sind diesen Herbst zu erwarten. Es zeichnet sich bereits ab, dass wiederum einige Gemeinden ihren Einkauf nachhaltiger gestalten und trotz fehlender Gesetzesgrundlage verbindli­che Beschaffungsrichtlinien eingeführt haben.

Noch ist es nicht zu spätUnsere gemeinsam mit anderen NGOs verfasste Vernehmlassungsantwort zur Gesetzesrevision wurde von mehr als 2100 UnterstützerInnen mit unterzeich­net. Sie macht konkrete Vorschläge für die Verankerung sozialer und ökologi­scher Nachhaltigkeit: menschenwürdige

Arbeitsbedingungen, ein existenz­sichernder Lohn, Transparenz über die Einhaltung der sozialen Mindest­anforderungen und Stichprobenkont­rollen.

Das Parlament berät den Entwurf des Gesetzes voraussichtlich diesen Herbst. Noch ist es also nicht zu spät, Druck zu machen, damit Nachhaltigkeit im Gesetz verankert wird. Wir bleiben dran.

CHANCE NICHT VERPASSEN!

Chinesische ArbeiterInnen: Die öffentliche Hand steht in der Verantwortung, dass bei der Produktion ihrer eingekauften Güter die Arbeitsrechte nicht verletzt werden.

Trotz Handlungsbedarf bleibt alles beim Alten.

AKTUELL

Page 14: Solidarität 2/2016

14 PINGPONG

241

3

7

7

1 7

3 6 2

63

8 1 2 6

7

8 5 3

2

1

SOLIDAR-SUDOKU

8

19 5

Lösungswort

Spielregeln

Füllen Sie die leeren Felder mit den Zahlen von 1 bis 9. Dabei darf jede Zahl in jeder Zeile, jeder Spalte und in jedem der neun 3x3­Blöcke nur einmal vorkommen.Das Lösungswort ergibt sich aus den schraffierten Feldern waagrecht fortlaufend, nach folgendem Schlüssel:

1= A, 2 = T, 3 = M, 4 = O, 5 = D, 6 = E, 7 = R, 8 = K, 9 = I

Schicken Sie das Lösungswort an Solidar Suisse – mit einer Post­karte oder per E­Mail an: [email protected], Betreff «Rätsel».

1. Preis eine Tasche2. Preis ein handgewebtes Tuch3. Preis ein Topfhandschuh

Die Preise stammen aus dem Frauenbildungszentrum Père Celestino in Burkina Faso, das von Solidar unterstützt wird.

Einsendeschluss ist der 13. Juni 2016. Die Namen der GewinnerInnen werden in der Solidarität 3/2016 veröffentlicht. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Von der Teilnahme ausgeschlossen sind Mitarbeitende von Solidar Suisse.

Das Lösungswort des Rätsels in Solidarität 1/2016 lautete «Stopp Gewalt». Paul Bind aus Hochfelden hat eine Küchenschürze, Hanni und Peter Hon­egger­Neukom aus Rüti ein T­Shirt und Antoinette Charrière aus Mézières eine Tasche mit Kampagnenslogans aus Bolivien gewonnen. Wir danken den Mitspielenden für die Teilnahme.

Generalversammlung Solidar Suisse 2016Am Dienstag, 31. Mai, um 16 Uhr im Volkshaus, Blauer Saal, Stauffacherstr. 60, 8004 Zürich

Programm16 Uhr: Statutarische Geschäfte Eingeladen sind die Mitglieder von Solidar Suisse. Bitte melden Sie sich mit dem beiliegenden Service­Talon, per E­Mail ([email protected]) oder Telefon (044 444 19 19) bis zum 26. Mai an.

18 Uhr: Öffentliche Veranstaltung Faire Arbeit und soziale WirtschaftImmer häufiger werden Produkte in der Schweiz verkauft, die im Ausland unter prekären Bedingungen gefertigt wurden. Am Beispiel einer erfolgreichen Kampagne von Solidar Suisse zeigen wir auf, wie die Situation der ArbeiterInnen verbessert werden kann. Florian Wettstein, Ethik­Professor an der Universität St. Gallen, und Tobias Gerfin, CEO bei Kuhn Rikon und Ver­treter aus der Schweizer Wirtschaft, stellen sich den Solidar­Fragen und nehmen Stellung zu den Möglichkeiten und Grenzen von sozialem Wirtschaften.Anschliessend Apéro

Weitere Informationen unter: www.solidar.ch/agenda

Einladung

Page 15: Solidarität 2/2016

Ende April 2015 bebte in Nepal die Erde. Die Katastrophe riss 9000 Menschen in den Tod und machte ganze Dörfer dem Erdboden gleich. Der Distrikt Sindhupal­chok war gerade mal 45 Kilometer vom Epizentrum entfernt, die Zerstörungen sind dort besonders gross. 90 Prozent der Häuser wurden in Schutt und Asche gelegt, Ackerland ging verloren, Nutz­tiere kamen ums Leben, die Aussaat fiel aus. Zudem wurden die Bergungsarbei­ten durch die vielen starken Nachbeben erschwert.

Nach vier Tagen bereits im EinsatzSolidar Suisse reagierte schnell und ent­sandte vier Tage nach dem Erdbeben einen erfahrenen Nothilfe­Delegierten. Um den Menschen möglichst wirkungs­voll zu helfen, entschieden wir uns zu einer Zusammenarbeit mit Helvetas und konnten so deren langjährige Nepal­ erfahrung mit unserem Fachwissen in der humanitären Nothilfe und dem Wieder­aufbau verbinden. Dank des gemeinsa­

men Nothilfeprojekts erhielten zwischen Mai und Juli 6500 Familien Zeltblachen, Werkzeuge und die wichtigsten Hygiene­artikel. 20 Tonnen Reissamen wurden verteilt, damit die Bäuerinnen und Bauern, deren Nahrungsspeicher und Saatgut zerstört worden waren, ihre Felder wieder bestellen konnten. Im August 2015 wurde die von der Glückskette mitfinanzierte Not­hilfe erfolgreich abgeschlossen. Dank der schnellen und unbüro­kratischen Hilfe wuchs das Ver­trauen der Bevölkerung und der GemeindevertreterInnen in die Arbeit von Solidar Suisse – ein wesentlicher Erfolgs­faktor für den anschlies senden Wieder­aufbau. Hier ging es zunächst darum, die Betroffenen nach ihren Prioritäten zu befragen. Als grösste Bedürfnisse wur­den Wohnhäuser, eine funktionierende Wasser versorgung und der Ersatz der verlorenen Güter genannt – denn in Sind­hupalchok hat niemand eine Hausrats­versicherung.

AKTUELL 15

Erdbebensicherer WiederaufbauDoch der Wiederaufbau verzögerte sich: Politische Unruhen in Nepal behinderten die Bildung der nationalen Wiederauf­baubehörde, und eine Grenzblockade durch Indien führte zu Benzinmangel und damit zu erheblichen Transportschwierig­keiten. Aber nun hat die Wiederaufbau­behörde ihre Arbeit aufgenommen, und die Blockade ist beigelegt: Mitte Februar konnte das Fundament des ersten Hau­ses gelegt werden. In den nächsten zwei Jahren sollen über 1000 bedürftige Familien, die ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben, ein neues Dach über dem Kopf erhalten. Das Hausdesign hat Solidar Suisse nach Vorgabe der Regie­rung entwickelt, dabei wurde auf die Verwendung von lokalen Materialien wie Stein und Holz geachtet. Mit dem Wieder­aufbau wird auch die Qualität der Häuser verbessert, etwa durch «erdbebentole­rante» Verstrebungen im Steinmauer­werk und stabile Türrahmen. Ausserdem erhalten mit der Renovation von Trink­wassersystemen 3000 Haushalte Zugang zu sauberem Trinkwasser, und 2500 arme Familien können dank finanzieller Bei­träge Saatgut, Nutztiere oder Werkzeuge wieder anschaffen.

Die Wiederaufbauarbeit von Solidar ba­siert auf langjährigen Erfahrungen, zum Beispiel nach dem Tsunami in Südasien oder nach dem Wirbelsturm auf den Philippinen (siehe Seite 12). «Besonders wichtig ist dabei der Einbezug der Betrof­fenen», weiss Christian Gemperli, Pro­grammleiter Humanitäre Hilfe bei Solidar. «Denn nur so können sie ihre neuen Häu­ser unterhalten und sind für zukünftige Katastrophen besser gewappnet.»

«Besonders wichtig ist der Einbezug der Betroffenen.»

EIN JAHR NACH DEM BEBEN

Nepalesen stehen in der vom Erdbeben stark betroffenen Region Sindhupalchok für lebenswichtige Güter an.

Nach der schweren Katastrophe ist in Nepal die Nothilfe abgeschlossen und hat der Wiederaufbau begonnen. Text: Katja Schurter, Foto: Andrea Barrueto

Page 16: Solidarität 2/2016

16 NOTIZEN

Konzernverantwortungs-initiative kommt zustandeIn knapp einem Jahr sind über 140 000 Unterschriften für die Konzernverantwor­tungsinitiative gesammelt worden. Das war nur möglich dank des Engagements unzähliger engagierter Menschen und einer breiten Koalition, die heute aus fast 80 Organisationen besteht, unter anderen Solidar Suisse.

Pakistan: krank machende Kinderarbeit An einer nationalen Konferenz zu Kinder­rechten in Islamabad im November 2015 berichtete Kiran Sarwar, eine von 25 Millionen pakistanischen Kinderarbeite­rInnen, über die ungesunden Arbeitsbe­dingungen, denen sie als Backsteinbren­nerin aus gesetzt ist. Fazit der Konferenz: Die vor 25 Jahren von Pakistan ratifizierte Kinderrechtskonvention wird nach wie vor nicht umgesetzt. Kiran Sarwar berichtete ebenfalls, dass das Trinkwasser in Ahmed Town, einem Stadteil von Lahore, ver­schmutzt ist und krank macht, weil viele Fabriken ihre Abwässer ungeklärt ablei­ten. Im Januar schickte Solidar zusammen mit lokalen Partnerorganisationen einen Brief an den zuständigen Minister, der von arbeitenden Kindern mit unterschrie­ben wurde. Damit wollten sie ihn an sein an der Konferenz abgegebenes Verspre­chen erinnern, sich persönlich um die Einrichtung eines Trinkwassersystems zu kümmern. www.solidar.ch/kinderarbeit

Bolivien: Ausgezeichnete Radio reportageEine Reportage über Morde an Frauen in Bolivien wurde Anfang Januar mit dem renommierten Radiopreis «Premio Rey de España» ausgezeichnet. «Eine Schweigeminute für Maria, die von ihrem eigenen Ehemann umgebracht wurde»: Die Reportage beginnt mit den Namen von ermordeten Frauen. In Boli­vien wurden im Jahr 2014 insgesamt 157 Frauen getötet, 93 von ihrem Part­

Ende des Engagements in Sri LankaSolidar Suisse zieht sich per Ende Juni 2016 aus Sri Lanka zurück. Dann wer­den alle seit dem Ende des Bürgerkriegs laufenden Wiederaufbauprojekte abge­schlossen sein.Solidar ist in Sri Lanka nach dem Tsunami von 2004 mit humanitärer Hilfe aktiv ge­worden, unterstützte aber von Anfang an vor allem die Betroffenen des Bürger­krieges. Nach dem Ende des Krieges im Jahr 2009 leistete Solidar Rückkehrhilfe für die intern Vertriebenen im Norden des Landes. Mit der Verbesserung der

Nach der Einreichung der Initiative im Herbst werden sich Bundesrat und Par­lament damit beschäftigen, dann findet die Volksabstimmung statt. Wird die Ini­tiative angenommen, müssen sich Schweizer Konzerne endlich auch bei ihrer Auslandtätigkeit darum kümmern, dass keine Menschenrechte verletzt werden und die Umwelt intakt bleibt.Bis dahin braucht es noch viel Überzeu­gungsarbeit. Dafür bereitet der Verein Konzernverantwortungsinitiative Argumen­te auf, stellt Informationsmaterial bereit, organisiert Veranstaltungen und sucht weitere UnterstützerInnen. Wir halten Sie in unserem Newsletter auf dem Laufen­den (abonnieren unter www.solidar.ch). Wenn Sie sich in Ihrer Region engagieren möchten, melden Sie sich bei: [email protected]

humanitären Situation hat Solidar das Engagement von der reinen Nothilfe auf den Wiederaufbau verlagert. Viele Men­schen in prekärer sozialer und wirtschaft­licher Lage wurden in den letzten Jahren dabei unterstützt, ihre Lebensgrundlagen wiederherzustellen. Durch den Auf­ und Ausbau ihrer Geschäftsmodelle konnten sie ihr Familieneinkommen nachhaltig sichern. Die lokalen Behörden wurden in die Vorbereitung des Solidar­Ausstiegs eingebunden und betreuen die auslau­fenden Projekte fortan mit ihren Mitteln. www.solidar.ch/srilanka

ner oder Ehemann. Und mehr als die Hälfte aller bolivianischen Frauen haben mindestens einmal im Leben Gewalt erfahren. In zahlreichen Interviews kom­men Männer zu Wort, die selber Täter waren und auf ihre gewaltvolle Vergan­genheit zurückblicken.Die Reportage zeigt auch auf, was Solidar zur Verbesserung der Situation der Frauen in Bolivien bewirkt hat: Die Beratungs­zentren und Netzwerke konnten bisher in annähernd 50 000 Fällen Unterstützung

leisten und haben zum sich abzeichnenden Kulturwandel beigetragen. www.solidar.ch/padem

Page 17: Solidarität 2/2016

17AKTUELL

Etwa 40 Prozent der Schweizer Pfannen stammen aus China. Dort werden sie unter prekären Arbeitsbedingungen her­gestellt. Dies belegt ein investigativer Report von Solidar Suisse: Viermal mehr Überstunden als das chinesische Gesetz erlaubt und Löhne, die kaum zum Leben reichen, sind an der Tagesordnung. Schutzbekleidung fehlt oft und führt zu hohen Gesundheitsrisiken. Die Arbeite­rInnen sind in Schlafsälen mit bis zu zwölf Personen untergebracht, die raren sani­tären Anlagen sind meist verdreckt. Lohn reicht nur mit ÜberstundenDie Arbeitsbelastung ist ein grosses Pro­blem: Die ArbeiterInnen schuften bis zu

150 Stunden pro Monat, was bis zu zwölfstündige Arbeitstage bedeutet. Die Überstunden werden sogenannt «frei­willig» geleistet. Doch von Freiwilligkeit keine Spur: Nur mit den Überstunden reicht der Lohn zum Leben. In den Fabri­ken ist es zudem üblich, die Angestellten im Akkord – nach der Zahl der produzier­ten Pfannen – statt mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn zu ent­löhnen. So ist der Lohn abhängig von der Auftragslage, das unternehmerische Risiko wird auf die FabrikarbeiterInnen abgewälzt. Solidar fordert, dass Verkäufer und Her­stellerinnen die Einhaltung von Arbeitsrech­ten und internationalen Sozialstandards

garantieren. Dazu braucht es Transparenz über die gesamte Lieferkette und wirksame Kontrollmechanismen, damit Missstände nicht vertuscht werden können, wie es bei Fabrikbesuchen häufig der Fall ist. Zu­dem muss die Arbeiterschaft einbezogen werden: über unabhängige Beschwerde­mechanismen und Kollektivverhandlungen für bessere Arbeitsbedingungen.

Erste VerbesserungsmassnahmenEnde Januar hat Solidar eine Kampagne für eine faire Pfannenproduktion in China lanciert. Sie wurde innerhalb von zwei Wo­chen von über 5000 Personen unterstützt und löste ein breites Medienecho und Be­wegung in der Branche aus. Der Grossteil der involvierten Unternehmen nahm die Vorwürfe ernst und leitete eine interne Prüfung ein. Migros, Coop, Kuhn Rikon und nach anfänglichem Zögern auch Manor zeigten sich kooperativ. Wir werden den Prozess kritisch weiter begleiten. Die Reaktionen der grossen internatio­nalen Firmen hingegen fielen durchzogen aus. Während die Grossproduzenten WMF und Greenpan die Glaubwürdigkeit des Reports in Frage stellten, suchte Ikea den Dialog mit Solidar und will den Vorwürfen ebenfalls nachgehen. Alle betroffenen Fabriken unterliegen freiwilligen Selbstkontrollen durch die Abnehmer. Doch einmal mehr zeigt sich: Solange Arbeits­ und Menschenrechte im freien Ermessen der Unternehmen liegen, bleibt ihre Umsetzung willkürlich. Die Unternehmen sollten deshalb die Einhaltung dieser Rechte zwingend in sämtliche Geschäftsabläufe einbauen müssen – wie es auch die von Solidar mitgetragene Konzernverantwortungs­initiative fordert (siehe Seite 16).

Simone Wasmann ist verantwortlich für Kampagnen zum Thema faire Arbeit in Asien.

ARBEITERINNEN NICHT IN DIE PFANNE HAUENWir brutzeln unser Biogemüse häufig in Pfannen, die in China produziert wurden. Unter miserablen Arbeitsbedingungen.Text: Simone Wasmann, Foto: China Labor Watch

Eine chinesische Arbeiterin beschichtet ohne Handschuhe eine Pfanne, die möglicherweise über einen Schweizer Ladentisch gehen wird.

Page 18: Solidarität 2/2016

DIE SPENGLERIN VON SAABATrotz ihres zarten Alters weiss Abzeta Koana, was sie will: ein eigenes Spenglergeschäft gründen. Den Beruf hat sie gewählt, «um unabhängig zu sein und nicht dasselbe zu tun wie alle Mädchen».Text: Lionel Frei, Foto: Jürg Gasser

18

Page 19: Solidarität 2/2016

Der entschlossene Blick von Abzeta Koana spricht Bände. Ohne grosses Aufheben geht die 23­jährige Burknabè ihren Weg, auch wenn der alles andere als gewöhn­lich ist. Sie wurde in Loumbila geboren, einen Katzensprung von der burkinischen Hauptstadt Ouagadougou entfernt. Ihr Vater stirbt, als sie zehn Jahre alt ist, und sie muss die Schule verlassen, weil ihre Mutter das Schulgeld nicht mehr bezahlen kann. Doch sobald sie eine Gelegenheit hat, holt sie den Schulabschluss nach, später, in einem Bildungszentrum von Solidar Suisse. Dort absolviert sie auch eine Berufsausbildung als Spenglerin. «Es machte mir keine Angst, einen Männer­

beruf zu ergreifen», sagt Abzeta Koana. «Alle Mädchen arbeiten dasselbe, darauf habe ich keine Lust.» Sie beginnt also eine zweijährige Berufsausbildung. Im ersten, theoretischen Jahr hat sie das Bedürfnis nach praktischer Erfahrung und findet auf eigene Faust einen Praktikumsplatz in einer Werkstatt in ihrem Dorf. Sie bewährt sich, einer ihrer Lehrer stellt sie in seinem eigenen Geschäft an, und sie geht ihm auf der Baustelle zur Hand. Abzeta Koana nennt ihn noch heute respektvoll «Mon­sieur». Dank diesem ersten Job kommt sie auf verschiedenen Baustellen herum. Die Arbeit ist schwer: Gräben ausheben,

Leitungen verlegen, Rohre montieren. Männerarbeit, sagen viele. Doch Abzeta beeindruckt ihre Arbeitgeber mit ihrer Motivation und der Qualität ihrer Arbeit. Und sie weiss jetzt schon, dass sie eines Tages ihr eigenes Geschäft eröffnen will.

Diplomierte SpenglerinIm Juli 2014 erhält Abzeta ihr Diplom. «Monsieur», seine Brüder und Kollegen kommen zur Diplomfeier. Ihre Mutter weint vor Stolz: «Dieser Moment wird mir immer in Erinnerung bleiben.» Ihre Tochter gehört zu den besten fünf des Jahrgangs. Doch der Weg in die Unabhängigkeit ist noch nicht abgeschlossen. Abzeta Koana absolviert ein weiteres Praktikum in einer Spenglerei in Dassasgho, einem Quartier von Ouagadougou. Die Bedingungen sind prekär, sie hat weder Vertrag noch fixen Lohn. Wenn es gut läuft, erhält sie vom Patron «Seifengeld» – so wird ein Lohn genannt, der gerade dazu reicht, Seife zu kaufen, um sich zu waschen. Doch sie lernt auch neue Techniken: wie man Was­serversorgungssysteme anschliesst oder Solarstrom­Panels installiert. Sie schätzt ihren Chef, der sein Lehrpersonal mit Respekt behandelt. Die Arbeitstage der Ehefrau und Mutter sind lang: Abzeta steht um fünf Uhr auf, um ihre zwei Söhne

Abzeta Koana im Werkhof ihres Lehrmeisters. Bald will sie als Selbständige Rohre verlegen.

EINBLICK 19

zu versorgen. Bevor sie zur Arbeit geht, bringt sie den älteren zur Schule, den jün­geren lässt sie in der Obhut ihrer Mutter. Abends kocht sie für die Familie.

Bald Chefin eines eigenen BetriebsAbzeta Koana lässt sich nicht unterkrie­gen. Und ihr Traum vom eigenen Ge­schäft rückt näher. Sie wurde für ein Pro­gramm von Solidar Suisse ausgewählt, das Coaching für 40 junge Unternehme­rInnen bietet (siehe Kasten). Zurzeit ent­wickelt Abzeta Koana ihre Geschäftsidee. Sie hat die Erfordernisse des Sektors analysiert und will zwei Aktivitäten zusam­

menbringen: «Werk­statt und Eisenwaren­handlung sind kom­plementäre Bereiche, die es mir erlauben,

meine Ressourcen optimal einzusetzen. Ich möchte mein Geschäft in Saaba eröff­nen, einem Quartier von Ouagadougou, in dem viel gebaut wird und es eine Nachfrage nach Spenglerarbeiten gibt.» Sie weiss auch schon, was sie dafür braucht: ein Schweissgerät, eine Bohr­maschine, Schaufeln und Schubkarren, und zumindest ein Motorrad für den Transport. Die Qualitätsanforderungen an die Chefin eines Unternehmens sind ihr ebenso bewusst: «Ich muss mutig, kämp­ferisch, respektvoll, neugierig, optimistisch und moralisch stark sein.» Adjektive, die zweifellos auf Abzeta zutreffen.

«Es machte mir keine Angst, einen Männerberuf zu ergreifen.»

Um Berufsperspektiven zu schaffen, bietet Solidar Suisse ausgewählten Jugendlichen nach einer Berufsaus­bildung ein Coaching zu Unterneh­mensführung, damit sie ihr eigenes Geschäft gründen können. Zudem wer­den ihnen Kontakte zu Mikrofinanz­instituten vermittelt, die sie mit Kredi­ten unterstützen. www.solidar.ch/unternehmerinnen

Coaching für junge

UnternehmerInnen

Page 20: Solidarität 2/2016

Schlummern in Ihrem persönlichen Archiv Fotos, welche die Geschichte von Solidar Suisse und des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks erzählen? Wir freuen uns über Ihre Bilder und veröffentlichen sie zum 80­jährigen Jubiläum auf unserer Website! www.solidar.ch/jubiläum

Senden Sie Ihre Fotos auf Papier oder digital an:

Solidar Suisse, Quellenstrasse 31, 8031 Zürich oder [email protected]

SCHICKEN SIE UNS IHRE ERINNERUNGS­FOTOS!