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Ausgabe November 4/2014 Das Magazin von KOSOVO Filmfestival mit Anspruch THEMA Sri Lanka

Solidarität 4 14

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Ausgabe November 4/2014

Das Magazin von

KOSOVOFilmfestival mitAnspruch

THEMASri Lanka

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Esther MaurerGeschäftsleiterin Solidar Suisse

2 EDITORIAL

MEDIENSCHAU

Liebe Leserin, lieber Leser, Die Wurzeln von Solidar gründen in der humanitären Hilfe, die auch heute noch einer unserer drei Schwerpunkte ist. Es gäbe also viele gute Gründe, dieses Editorial zur Nothilfe zu schrei-ben, umso mehr als die vorliegende Solidarität unserer Arbeit in Sri Lanka seit dem Tsunami gewidmet ist. Ein gewichtiger Grund, das nicht zu tun, wird durch die Aktualität vorgegeben: Im November stimmen wir über die Ecopop-Initiative ab. Sie gaukelt uns vor, dass wir in der Schweiz einfach die Einwanderung weitestgehend stoppen müssen, um das ökologische Gleichgewicht wieder her-zustellen. Um nicht zu sehr in der Ecke der populistischen Rechten verortet zu werden, verbinden die InitiantInnen ihre Forderung mit einem verheerenden ent-wicklungspoli tischen Ansatz: Zehn Pro-zent der schweizerischen Entwicklungs-gelder sollen in die Familienplanung in den ärmsten Ländern Afrikas fliessen. Diese Forderung ist menschenverachtend und steht im Wider-spruch zu jeglicher nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit,

denn dadurch würden dringend notwendige Gelder jenen Pro-jekten im Bildungs- und Gesundheitsbereich entzogen, die be-wirken, dass Frauen selbst über ihr Leben bestimmen können: Nachweislich die wichtigste Voraussetzung für die Senkung der

Geburtenrate in Afrika ist die Stärkung der Stellung von Frauen. So nimmt denn auch weltweit die Geburtenrate mit je-dem zusätzlichen Schuljahr markant ab.

Und zum Schluss noch ein demokrati-scher Grundsatz: In unsere Verfassung gehört ausschliesslich, was für die Schweiz auf lange Zeit hinaus Bestand und Gültigkeit haben soll. Wie anmas-send und selbstherrlich muss man sein, wenn man – wie die Ecopop-Initiative – in die schweizerische Verfassung schrei-ben will, wie Familienplanung in Afrika auszusehen hat!

Stimmen auch Sie deshalb NEIN zur Ecopop-Initiative. Esther Maurer

5.9.2014 Petition gegen Benzol in China: eine Million Opfer?Weil hochgiftig und krebserregend, ist Benzol als Verdünner und Reinigungs-mittel in Europa und in den USA längst verboten. Nicht so in China: Dort wird es noch grossflächig in der Industrie ver-wendet – in Leimen, Farben und Lackie-rungen. Mit schlimmen Folgen für die Arbeiter. Täglich werden neue Fälle von Benzolvergiftung aufgedeckt. Schätzun-gen sprechen von einer Million mögli-cher Opfer. Die Non-Profit-Organisation «Labour Action China» hat nun eine Petition für ein Benzolverbot lanciert. Das Hilfswerk Solidar Suisse unterstützt den Appell.

27.6.2014Rating ernst nehmenDer Stadtrat Adliswil nimmt das Resultat des Gemeinderatings von Solidar Suisse ernst. Dies geht aus einer Antwort auf eine Interpellation von Simon Jacoby (SP) hervor. Solidar untersucht, ob die Gemeinden ihre globale Verantwortung wahrnehmen, indem sie sich für Entwick-lungsprojekte engagieren und sozial nachhaltig einkaufen. Adliswil erreichte 2013 nur 27,5 von 100 möglichen Punk-ten. Der Stadtrat hat erkannt, dass im Bereich der sozial nachhaltigen Beschaf-fung Verbesserungspotenzial besteht. (…) Es werde nun geprüft, inwiefern in einer Beschaffungsrichtlinie auch sozial nachhaltige Kriterien berücksichtigt wer-den können.

28.9.2014Syrische Flüchtlinge im LibanonSeit dem Ausbruch des Bürgerkriegs im März 2011 in Syrien sind über 2,4 Millio-nen Menschen geflüchtet. Im Nachbar-land Libanon haben bis heute mehr als eine Million von ihnen Zuflucht gefunden. Solidar Suisse versorgt sie dort mit Nah-rung und Hygieneartikeln. Solidar Suisse ist eines von mehreren Partnerhilfs-werken der Glückskette, die im Libanon tätig sind. Nebst der Versorgung von syri-schen Flüchtlingen berücksichtigt das Hilfswerk auch die arme Bevölkerung im Libanon. Da inzwischen knapp ein Viertel der libanesischen Bevölkerung aus syri-schen Flüchtlingen besteht, wirkt sich das auch auf die Lebensbe dingungen der Einheimischen aus.

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Herausgeber: Solidar Suisse, Quellenstrasse 31, Postfach 2228, 8031 Zürich, Tel. 044 444 19 19, E-Mail: [email protected], www.solidar.ch, Postkonto 80-188-1 Mitglied des europäischen Netzwerks SolidarRedaktion: Katja Schurter (verantwortliche Redaktorin), Rosanna Clarelli, Eva Geel, Alexandre Mariéthoz, Cyrill Rogger

Layout: Binkert Partner, www.binkertpartner.ch / Spinas Civil VoicesÜbersetzungen: Milena Hrdina, Interserv SA Lausanne, Jean-François ZurbriggenKorrektorat: Carol Le Courtois, Marianne RothDruck und Versand: Unionsdruckerei/subito AG, Platz 8, 8201 SchaffhausenErscheint vierteljährlich, Auflage: 37 000

Der Abonnementspreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen (Einzelmitglieder mindestens Fr. 70.–,Organisationen mindestens Fr. 250.– pro Jahr).Gedruckt auf umweltfreundlichem Recycling-Papier.

Titelbild: Nach dem Ende des Krieges in Sri Lanka bauen sich Zurückge kehrte wieder eine Existenz auf. Foto: Malith Jayakody. Rückseite: Mit dem Kauf einer Solidar-Geschenkkarte unterstützen Sie unsere weltweiten Entwicklungsprogramme.

STANDPUNKT Was sind die Kriterien für eine hilfreiche und respekt volle Unterstützung nach Mega- Katastrophen? 11

AKTUELLIn Moçambique ist Malaria für 40 Prozent der Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren verantwortlich. Kampagnen und Moskitonetze haben die Ansteckung reduziert. 15

KULTURELL Das DOKUFEST ist eine treibende Kraft im Bereich Kultur und Bildung des Kosovo.

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THEMASolidar Suisse in Sri Lanka seit dem Tsunami: von der Nothilfe über den Wiederaufbau bis zur Entwicklungszusammenarbeit. Was haben wir erreicht? 4

IMPRESSUM

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THEMA Sri Lanka 4 Solidar ist seit dem Tsunami 2004 in Sri Lanka tätig. Wo stehen wir heute? 6 Tiefe Löhne und enge Behausungen: schlechte Arbeitsbedingungen auf den Tee plantagen Sri Lankas 8 Von Katastrophen und Krieg Betroffene brauchen neben mate - rieller auch soziale Unterstützung 10 STANDPUNKT Toni Frisch: Wie kann humanitäre Hilfe nach Grosskatastrophen erfolgreich sein? 11 EINBLICK Subajini Rajendram engagiert sich für sri-lankische Arbeits migrantInnen 18 KULTURELL Das DOKUFEST in Prizren verbindet die Menschen im Kosovo über ethnische Grenzen hinweg 13 AKTUELL Viele Kinder in Moçambique sterben an Malaria: Präventionsmass- nahmen reduzieren die Ansteckung 15 Zwei Leiter von zweisprachigen Schulen in Burkina Faso haben die Schweiz besucht 17 KOLUMNE 8 PINGPONG 14 NOTIZEN 12+16

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4Nach Tsunami und Bürgerkrieg bauen sich die Menschen im Norden von Sri Lanka wieder eine Lebensgrund- lage auf.

Seit zehn Jahren ist Solidar in Sri Lanka aktiv. Auslöser unseres Engagements war der verheerende Tsunami, der weite Teile Süd-ostasiens zerstört hatte. Jetzt nehmen wir das traurige Jubiläum zum Anlass, darüber nachzudenken, wie wirkungsvolle Hilfe bei Mega-Katastrophen aussehen soll. Gleichzeitig werfen wir einen vertieften Blick auf unsere Arbeit in Sri Lanka: von der Nothilfe über den Wiederaufbau bis zur Entwicklungszusammenarbeit, von der Katastrophe über das Wiederaufflammen des Bürger-kriegs bis zur Unterstützung von zurückgekehrten Vertriebenen, Plantagenarbeiterinnen und potenziellen Migranten. Foto: Malith Jayakody

SRILANKA

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THEMA

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Anfang ein Chaos, das es schwer machte, das Ausmass des Schadens abzuschät-zen und zu entscheiden, wie die Betrof-fenen bestmöglich unterstützt werden konnten. Es brauchte einige Zeit, bis wir uns die notwendige Übersicht ver-schafft hatten, um in Absprache mit der Bevöl kerung geeignete Massnahmen zu ent wickeln. Die chaotische Situation er-schwerte zudem die Erfassung und Koordination mit anderen Hilfsor ganisa-tionen vor Ort. Zu diesem Zeitpunkt herrschte ein Waf-fenstillstand im Bür-gerkrieg zwischen der srilankischen Regierung und den Liberation Tigers of Tamil Elam (LTTE). Die Kata strophe liess den Konflikt für eine Weile in den Hintergrund treten – es gab sogar erste zaghafte Ver-handlungen über einen dauerhaften Frieden.

Die Nachricht vom Tsunami erreichte uns noch am 26. Dezember. Schnell wurde klar, dass das Ausmass der Zerstörung gigantisch war. Die Equipe der humanitä-ren Hilfe von Solidar Suisse – damals das Schweizerische Arbeiterhilfswerk SAH – traf sich umgehend am Hauptsitz in Zürich, um abzuklären, wie wir helfen könnten. Innert Tagen entschieden wir, mit unseren deutschen und norwegi-schen Partnern des Solidar-Netzwerks, die seit Jahren in Sri Lanka tätig waren, im Norden des Landes aktiv zu werden.

Das Chaos nach der KatastropheZunächst leistete Solidar Überlebenshil-fe für die vom Tsunami Betroffenen. An-schliessend verteilten wir dringend not-wen dige Haushaltsgüter, bauten Häuser und Gemeindeinfrastruktur wieder auf und stellten die Versorgung mit Wasser und sanitären Anlagen sicher. Aber wir waren nicht die Einzigen. Wie immer bei humanitären Operationen herrschte am

Die Fragen des WiederaufbausNach der Nothilfe, die das Überleben der betroffenen Menschen sicherte, folgte die Phase des Wiederaufbaus mit ihren spezifischen Fragestellungen: Soll die In-frastruktur so aufgebaut werden wie vor der Katastrophe? Oder soll die Chance genutzt werden, um sie zu verbessern? Wie steht es mit dem Landrecht? – Im Norden Sri Lankas gab es keine Katas-terpläne und die Palmen, welche die

Grundstücke markiert hatten, waren ver-schwunden. Wie können sich die Men-schen wieder ein Einkommen verschaf-fen? Wie soll mit der Traumatisierung durch die Katastrophe umgegangen werden (siehe Artikel S. 10)? In vielen

6DIE WELLE – DER KRIEG – DER FRIEDEN?

Sollte ein Hilfswerk bei Beginn eines Krieges das Land verlassen, damit es nicht zum Spielball wird?

Am 26. Dezember 2004 zerstörte ein gewaltiger Tsunami die Küsten in Südost-Asien. Wie reagierte Solidar und wo stehen wir zehn Jahre danach? Text: Zoltan Doka, Fotos: Jürgen Störk und Malith Jayakody

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THEMA 7

Gesprächen mit AkteurInnen und Begünstigten klärten wir diese Fragen Schritt für Schritt. Projekte wurden konzi-piert, und die notwendigen Mittel organi-siert. Sechs neue Dörfer für über 10 000 Menschen sollten in sicherem Abstand zur Küste wieder aufgebaut werden.

Wiederaufflammen des BürgerkriegsDoch bereits erschienen am Horizont erste Anzeichen einer erneuten Ver-schärfung des Konflikts. Leider hatten auf beiden Seiten die Hardliner die Ober-hand gewonnen. Waren es am Anfang nur einzelne Anschläge, die gegenseitig vergolten wurden, eskalierte die Situa-tion zunehmend. Jetzt waren nicht mehr nur Tsunami-Opfer in Not, sondern auch mehr und mehr vom Krieg betroffene Menschen. Die Sicherheitslage spitzte sich zu, was Fahrten ins Projektgebiet schwierig machte. Internationale NGOs standen im Norden Sri Lankas sowohl bei der Regierung als auch bei den LTTE, die das Gebiet damals kontrollierten, unter Generalverdacht. Wir fragten uns immer wieder, ob wir unter diesen Bedin-gungen weitermachen sollten. Sollte ein Hilfswerk bei einem sich anbahnenden Krieg das Land verlassen, damit es nicht zum Spielball der beteiligten Parteien wird? Oder sollte es bleiben, aus Solida-rität mit der Zivilbevölkerung? Solidar Suisse entschied sich zum Bleiben – bis zu jenem Tag, an dem alle NGOs und die

Uno den Norden Sri Lankas auf Geheiss der Regierung verlassen mussten. Wir zogen uns nach Colombo zurück und führten unsere Pro jekte ausserhalb des von den LTTE kontrollierten Gebiets wei-ter. Und wir mussten zuschauen, wie der Krieg im Norden Tod und Verwüstung über das Land brachte. Das Gefühl der Hilflosigkeit war bei den Hilfsorganisa-tionen allgegenwärtig.

Unterstützung der VertriebenenNach Kriegsende engagierte sich Solidar Suisse für die Kriegsflüchtlinge, die ent-weder in Camps festgehalten wurden oder im Land herumirrten. Wir bauten in den Lagern Kehricht-Entsorgungsanla-gen, um die Ausbreitung von Krankhei-ten zu verhindern. Doch alle unsere Pro-jekte und Investitionen von vor dem Krieg lagen in Schutt und Asche.Als die Flüchtlinge aus den Lagern wie-der in ihre Dörfer zurückkehren konnten, kauften wir Tausende von Fahrrädern, damit die Menschen wieder etwas Mo-bilität zurückgewinnen konnten. Schritt-weise entwickelten wir weitere Projekte, um neue Lebensgrundlagen für die Heim kehrenden zu schaffen. So konnten durch kleine Finanzbeiträge Werkstätten, Läden und Schneidereien wieder flott gemacht werden. Der Wille der Bevöl-kerung, sich wieder aufzurappeln, war immens. Doch die Arbeit war schwieriger geworden: Konnten wir uns vor dem Krieg relativ frei bewegen, stand der Nor-

den jetzt unter strikter Kontrolle der Ar-mee, ohne deren Bewilligung nichts ging.

Von der humanitären Hilfe zur EntwicklungszusammenarbeitUnd wo stehen wir heute? In Zusammen-arbeit mit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA haben wir Häuser gebaut, Gemeinschaften ökono-misch gestärkt und die Bevölkerung da-bei unterstützt, wieder eine Lebensper-spektive zu entwickeln. Dann ging die klassische humanitäre Hilfe allmählich in Entwicklungszusammenarbeit über. Nach zehn Jahren sind wir immer noch in Sri Lanka, sind mit den Menschen durch Hochs und Tiefs gegangen.Doch von wirklichem Frieden kann in Sri Lanka nach wie vor nicht gesprochen werden. Es wird zwar nicht mehr ge-schossen, aber die Regierung hat es bis heute nicht geschafft, ein entspanntes Zusammenleben zwischen Singhalesin-nen und Tamilen zu ermöglichen. So wird es noch lange dauern, bis die Wunden des Krieges verheilt sind. Zudem steigen durch soziale und ökonomische Aus-grenzung die Spannungen auch im Sü - den des Landes.

Bleibt die Frage, ob wir etwas bewirkt haben. Die Antwort ist ja. Denn trotz aller Rückschläge hat Solidar einen Beitrag geleistet, damit Tausende von Menschen ihre Lebensgrundlagen wieder herstellen konnten. www.solidar.ch/tsunami

Solidar unterstützte die betroffene Be-völkerung in Sri Lanka beim Wieder - aufbau nach dem Tsunami (links) und bei der Schaffung einer Existenzgrundlage nach dem Ende des Bürgerkriegs (rechts).

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die nach wie vor tief verwurzelte koloniale Tradition und die kastenorientierte Über-lieferung der indischen TamilInnen, die in fast allen Teeplantagen die ArbeiterInnen stellen. Sie wurden von den englischen Kolonialherren aus Indien nach Sri Lanka gebracht, weil die Einheimischen nicht auf den Plantagen arbeiten wollten. Die indischen TamilInnen haben eine eigene

Sprache und Kultur; sie bilden heute eine Minderheit von gut vier Prozent im Hoch-land rund um Kandy.

Beengte WohnverhältnisseYoganathan Pushparani musste die Schule in der neunten Klasse abbrechen: «Meine Mutter ging als Hausangestellte in den Nahen Osten und ich musste auf

«Meine Tochter soll in der Schule erfolg-reich sein und einen guten Beruf lernen», sagt die junge Teepflückerin Yoganathan Pushparani mit fester Stimme. «Ich will nicht, dass sie auch als Teepflückerin arbeiten muss!» Die knapp Dreissigjähri-ge arbeitet auf der Plantage Alma Estate in den Bergen Sri Lankas. Es ist kühl, der Monsun bringt Nebel, Regen und Tempe-raturen um 18 Grad, während das Ther-mometer in Colombo rund 30 Grad zeigt. Die Teeplantage zieht sich die steilen Hänge entlang soweit das Auge reicht. Das helle Grün der Teebüsche leuchtet trotz Nebel und kontrastiert mit dem röt-lichen Boden. Eine paradiesische Land-schaft mit zwitschernden Vögeln und einem Bächlein – aus dem man aller-dings besser nicht trinkt, denn es ist mit Bakterien und Pestiziden belastet.

Unregelmässiger ArbeitsanfallDer Arbeitstag der Pflückerinnen ist zu Ende. Acht Stunden lang haben sie fri-sche Blätter geerntet und in die Körbe

auf ihrem Rücken geworfen, immer die zwei obersten und eine Knospe. Heute war die Vorgabe 20 Kilo, wer besonders geschickt ist, bringt es vielleicht auf 25 Kilo, was den Lohn etwas aufbessert. Wenn es lange nicht geregnet hat, liegt das Tagessoll bei 15 oder 16 Kilo, und es wird nur an zwei Wochen im Monat gear-beitet. In der Hochsaison ernten die Pflü-ckerinnen – fast ausschliess-lich Frauen, weil Männer angeblich weniger sorgfältig arbeiten, worunter Qualität und Erntemenge leiden – hin-gegen bis zum Sonnenunter-gang. Ohne einen freien Tag.

Starre HierarchienMüde bringen die Pflückerinnen ihre ge-leerten Teekörbe vom Feld zurück. Be-reitwillig geben sie Auskunft – so wie sie meist ohne Widerspruch tun, was ihre Vorgesetzten von ihnen verlangen. Die Hierarchie ist klar: Manager, Vorarbeiter, und zuletzt die Pflückerinnen. So will es

«Ich will nicht, dass meine Tochter auch als Teepflücke-rin arbeiten muss!»

Solidar will die Bedingungen der Arbeiter-Innen auf den Teeplantagen im sri-lankischen Bergland verbessern.Text: Christof Hotz, Fotos: Hamish John Appleby

ZU BITTERER TEE

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die Geschwister aufpassen.» Das bedau-ert sie bis heute, denn es ist sehr schwie-rig, von der Plantage wegzukommen und in einem anderen Beruf Fuss zu fassen. Seit sechs Jahren lebt und arbeitet sie mit ihrem Mann und den drei Kindern hier. Die junge Frau hofft, mit ihrer Fami-lie bald ein eigenes Häuschen mit Gemüse garten bauen zu können. Zurzeit bewohnt sie zusammen mit den Schwie-gereltern zwei enge Zimmer in einer lang-gezogenen Baracke, in der bis zu zehn Familien hausen. Sauberes Wasser holen

sie am Brunnen, die Gemeinschafts-latrinen sind ein paar Meter entfernt.

Bescheidener LohnDie Pflückerin verdient monatlich – bei Vollbeschäftigung und sofern sie die Vor-gaben erfüllt – durchschnittlich 20 000 Rupien (etwa 144 Franken). Das liegt unter dem sri-lankischen Durchschnitts-lohn von 30 000 Rupien (216 Franken). Dafür sind Wohnung und Wasser kosten-los. Wenn also die Teebüsche zu wenig hergeben für eine tägliche Ernte, ist der Lohn tiefer. Bei Krankheit haben die ArbeiterInnen zwar Zugang zu medizini-scher Grundversorgung, doch bezahlt wird nur, wer arbeitet. Darum geht Yoganathan Pushparani auch mit Fieber oder Husten aufs Feld.Solidar Suisse will die Arbeits- und Le-bensbedingungen der Teepflückerinnen und ihrer Familien verbessern – auch im Hinblick auf die Bildungschancen ihrer Kinder. Die lokale Partnerorganisation ISD (siehe Kasten) führt Workshops zu Hygiene, Arbeitssicherheit und Gender durch und bietet auch konkrete Hilfe an. Die Menschen auf den Plantagen – und vor allem die Frauen – sollen gestärkt werden. Yoganathan Pushparani beendet unser Gespräch, das nach einem an-strengenden Arbeitstag stattgefunden hat, mit den Worten: «Jetzt muss ich aber zu meiner Familie. Die Kinder warten auf das Abendessen!»

An der WM sollen Strassenhändle-rInnen ihre Waren rund um die Stadien nicht verkaufen dürfen.

Hans-Jürg FehrPräsident Solidar Suisse

Libyen steckt im Chaos, Syrien im Bür-gerkrieg, der Irak ebenso und selbst Europa ist nicht gefeit vor bewaffneten Konflikten (Ukraine). Angesichts von so viel Schrecken und Zerstörung, von so viel Brutalität und tausendfachem Sterben wünschen sich Viele die Zeiten von Ruhe und Ordnung zurück in den Staaten, die jetzt zerfallen. Dieser Wunsch ist verständlich und führt doch in die Irre. Die Konflikte sind nicht aus-gebrochen, weil es an Stabilität fehlte, sondern weil es Stabilität gab. Die Her-ren Ghadafi, Saddam Hussein, Assad, Mubarak verkörperten zwar nach aus-sen Ruhe und Ordnung, aber es war die Ruhe des Friedhofs und die Ord-nung des Terrors. Die Menschen star-ben nicht im Kampf, sondern im Folter-keller und im Giftgas. Es ist das Wesen der Diktatur, dass sie gesellschaftliche Konflikte nicht zulässt, sondern ge-waltsam unterdrückt. Damit sind sie aber nicht gelöst, sie laden sich im Ge-genteil mit Spannung auf. Solche Stabilität ist Scheinstabilität auf Zeit. Einer gestürzten Gewaltherrschaft folgt nie sofort der innere Friede, dafür sind zu viele Rechnungen offen geblie-ben. Der Übergang zur Demokratie braucht viel Zeit und ist mit viel Blutver-giessen und Unordnung verbunden. Aber er öffnet wenigstens eine Per-spektive hin zu innerem Frieden, zivili-sierter Konfliktaustragung und echter Stabilität. Darum ist es wichtig, dass die Schweiz solche Prozesse unter-stützt und demokratisch orientierten Kräften in den Umbruchstaaten bei-steht. Darum gehört «Partizipation und Demokratie» zu den strategischen Schwerpunkten von Solidar Suisse.

KOLUMNE

Stabilität und Chaos

Die Solidar-Partnerorganisation Insti-tute of Social Development (ISD) en-gagiert sich seit vielen Jahren für die marginalisierten Menschen, die auf Teeplantagen leben und arbeiten. Es informiert sie über ihre Rechte und unterstützt ihre Organisierung, damit sie sich für bessere Lebens- und Ar-beitsbedingungen einsetzen können. Ausserdem wird die Zertifizierung der Plantagen mit dem UTZ-Label geför-dert, das die Einhaltung der Kern-arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation IAO garantiert. www.solidar.ch/teeplantagen

den Teeplantagen

Solidar auf

Teepflückerin Yoganathan Pushparanimöchte aus der Baracke, die sie mit zehn Familien teilen muss, ausziehen.

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Die Opfer des Tsunami und die vom Bür-gerkrieg Vertriebenen, die Solidar in Sri Lanka unterstützt, sind von ihren Erleb-nissen oft schwer traumatisiert. Weil sie arm sind und keine Einkom-mensmöglichkeiten haben, fühlen sich die Menschen ihren Problemen häufig hilflos ausgeliefert. Alltägliche Schwierig-keiten wie Arbeitslosigkeit und die Finanzierung des Schulbesuchs der Kin-der belasten sie ebenso wie die Trauer über den Verlust von Angehörigen. Die psychischen Probleme der Einzelnen be-lasten deren Familie und das soziale Um-feld – unter anderem in Form von Gewalt und Alkoholismus – und führen zu De pressionen und sozialem Rückzug.

Neuer Mut dank TrauerarbeitDies zeigt das Beispiel von Subajini Thas. Vor dem Krieg lebte sie im Norden Sri Lankas, zusammen mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern, die alle die Schu-

le besuchten. Im Krieg verlor sie ihren Mann und wurde selbst verwundet, eben-so ihre kleine Tochter. Nach dem Krieg war sie mit ihrer Situation überfordert: Subajini Thas trauerte um ihren Mann, sein Einkommen fehlte und sie konnte sich den Schulbesuch ihrer Kinder bald nicht mehr leisten. Als Sozial arbeiterin Rasaradnam Nesamalar die Familie besuchte, fand sie Subajini Thas in apathischem Zustand, mit ungekämmtem Haar und schmutzigen Kleidern vor. Sie war traurig und wütend und nachdem sie ihre Geschichte erzählt hatte, meinte sie: «Mein Leben hat keinen Sinn mehr.» Das Gespräch schien sie jedoch ein wenig zu beruhigen. Beim zweiten Besuch der So-zialarbeiterin erzählte Subajini Thas vom Tod ihres Mannes. Es verfolgte sie, dass sie ihm nicht die letzte Ehre hatte erwei-sen können. Sie fühlte sich schuldig und

hilflos: «Es tut so weh, ihn ohne Beerdi-gung alleine zu lassen», erzählte sie. Rasaradnam Nesamalar unterstützte sie dabei, über ihre Gefühle zu sprechen und diese in Zeichnungen und in einem Brief an ihren verstorbenen Mann auszudrü-cken. Nach mehreren Gesprächen fasste Su-bajini Thas wieder Mut und wollte das Problem ihrer Arbeitslosigkeit angehen. Gemeinsam mit der Sozialarbeiterin ging sie ihre Möglichkeiten durch und be-schloss, sich einer Gruppe von Frauen anzuschliessen, die Fischern beim Aus-bessern ihrer Netze halfen. So gelang es ihr, wieder finanziell für ihre Familie auf-zukommen. Die Sozialarbeiterin wies sie ausserdem auf die Möglichkeit hin, sich für Unterstützung beim Kauf von Schul-material an Solidar zu wenden. Schliess-lich konnte Subajini Thas ihre Kinder wieder zur Schule schicken.

Soziale Unterstützung lässt humanitäre Hilfe greifenNeben der individuellen Beratung führen die SozialarbeiterInnen auch Gruppen-sitzungen durch. In jedem Dorf, in dem Solidar Suisse mit humanitären Hilfs-projekten tätig ist, haben sich ausserdem Selbsthilfegruppen gebildet. Für allein-erziehende Frauen, deren Ehemänner im Krieg ums Leben kamen, sind die Grup-pen ein wichtiger Ort, um sich auszutau-schen und gegenseitig zu unterstützen.

Dazu gehören auch ganz praktische Tipps für die Bewältigung des Alltags, zum Beispiel wie sie ihren Garten effizi-enter bewirtschaften, Geflügel züchten, Matten weben oder Kokospalmen pflan-zen können. Das dadurch erwirtschaftete Einkommen kann ein erster Schritt sein, um sich und der Familie wieder eine Existenzgrundlage zu verschaffen. www.solidar.ch/vertriebene

THEMA10

«Es tut so weh, ihn ohne Beerdigung alleine zu lassen.»

Um wieder Fuss fassen zu können, brauchen von Katastrophen und Krieg Betroffene neben materieller auch soziale Unterstützung. Text: Aline Dessarzin und Katja Schurter, Foto: Solidar

NEUER LEBENSWILLE

In betreuten Selbsthilfe gruppen tauschen sich traumatisierte Frauen aus und unterstützen sich gegenseitig.

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RESPEKT UND NACHHALTIGKEITWie können humanitäre Operationen nach Grosskatastrophen erfolgreich durchgeführt werden? Ein paar Kriterien.Text: Toni Frisch, ehemaliger Leiter der Humanitären Hilfe und Stellvertretender Direktor der DEZA

Nach Katastrophen, die viele Opfer for-dern, wie ein Erdbeben oder Tsunami, ist der Druck seitens Medien, Politik und Geldgebenden gross. Alle möchten über rasche, spektakuläre Nothilfeopera-tionen berichten. Diesem Druck müssen humanitäre Organisationen widerste-hen, mit klaren Argumenten nach einer raschen, nüchternen Lagebeurteilung, auf die unverzüglich gezielte Massnah-men folgen.

Einbezug der BetroffenenIm Zentrum von Bedürfnisanalyse und Planung muss der enge partnerschaft-liche Einbezug der betroffenen Bevölke-

rung und der lokalen Behörden stehen. Diese Massnahmen sind wiederum in die nationale und internationale Koordination einzubetten.Es wäre undenkbar, dass bei einer Kata-strophe in der Schweiz ausländische Hilfswerke Massnahmen einleiten wür-den, ohne unser Einverständnis und Mit-tun. Dasselbe muss auch für uns Schwei-zer HelferInnen im Ausland gelten.

Das Respektieren der humanitären Grundsätze von Neutralität und Unpartei-lichkeit, verantwortungsvolles Geberver-halten und die Anwendung der bekann-ten Qualitätsstandards setze ich als selbstverständlich voraus. Ich weiss aber gleichzeitig, dass zu viele unqualifizierte HelferInnen, die sich humanitär nennen, dies leider nicht tun.

Langfristig wirksame HilfeBereits in den Stunden oder Tagen nach einer Grosskatastrophe müssen die helfenden Organisationen – ob Uno, Rotkreuz-, Regierungs- oder Nichtregie-rungsorganisationen – Überlegungen

über die mittelfristigen Be-dürfnisse, die Probleme in der Überlebensphase und einen raschen Wiederauf-bau anstellen. Ich möchte sogar noch wei-tergehen. Bereits unmittel-

bar nach der Nothilfe, müssen sie das Thema Kata s t rophenprävention aufneh-men. Die Bereitschaft der Bevölkerung, solche Fragen zu diskutieren, ist niemals höher. Fehler, die bei einem Erdbeben zum Einsturz von Häusern führten, dür-fen nicht wiederholt werden. Es muss «besser wieder aufgebaut» – und letzt-lich sogar jetzt schon der Ausstieg be-dacht werden.

Je länger die unmittelbare Nothilfe zu-rückliegt, desto mehr müssen die Grund-sätze der längerfristigen Entwicklungs-zusammenarbeit Anwendung finden. Zu jedem Zeitpunkt gilt jedoch, dass wir un-sere PartnerInnen respektieren und ih-nen auf Augenhöhe begegnen. Denn es geht um die Unterstützung ihrer Fami-lien, um den Aufbau ihres Landes und um ihre Zukunft.

Massive LangzeitauswirkungenDie Auswirkungen einer Grosskatastro-phe auf ein Land, seine betroffene Bevöl-kerung und die Regierung – die Schäden und das Leid – werden von Aussenste-henden meist massiv unterschätzt. Nie-mand denkt daran, dass der Wiederauf-bau zehn oder zwanzig Jahre beansprucht. Allzu leichtfertig – und oftmals ohne sich um objektive Information zu bemühen – werden die von einer Katastrophe Heim-gesuchten und die helfenden Organisa-tionen kritisiert. Hier muss vermehrt erklärt und begründet werden, was wa-rum getan wird. Denn letztlich geht es auch um die Bereitstellung der erforderli-chen finanziellen Mittel. Die humanitären Organisationen müssen zeigen, dass die Steuergelder und Spenden gezielt und wirkungsvoll eingesetzt werden und in die richtigen Hände kommen.

STANDPUNKT 11

Die Schäden und das Leid nach einer Katastrophe werden massiv unterschätzt.

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einen zweitätigen Workshop zu Sozial-dialog und Organisierung für chinesische AktivistInnen und NGO-VertreterInnen durchgeführt. Ziel war, ein gegenseitiges Verständnis zu entwickeln und von - ei nander zu lernen. Nun soll ein Train-the-Trainer-Programm konzipiert werden, um chinesische ArbeiterInnen zu befähigen, ihre Anliegen besser zu vertreten. In der Schweiz stellt Solidar den Unia-Sektionen eine Präsentation zur Verfügung, damit sie ihre Mitglieder über die Missstände bei den Arbeitsbedingungen ihrer chine-sischen KollegInnen informieren können.www.solidar.ch/china

12 NOTIZEN

Sogenannter Kunstkäse – billige Käse-imitate aus Ungarn, Bulgarien oder Rumä-nien, die nur zum Teil oder gar nicht aus Milch hergestellt werden – verdrängt den traditionellen kosovarischen Käse vom einheimischen Markt. Molkereien und MilchbäuerInnen im Kosovo haben sich mit einer Kampagne erfolgreich gegen die Falschdeklaration gewehrt: Seit Septem-ber 2014 dürfen die oft mit billigem Palm-öl gepanschten Käseimitate nicht mehr als Käse verkauft werden.

Kosovo: Erfolgreicher Kampf gegen KunstkäseFalsch deklarierte Importprodukte machen der Milchwirtschaft im Kosovo zu schaffen.

WM 2014 – ein soziales DesasterDrei Monate nach Abpfiff der WM in Bra-silien ist die Bilanz ernüchternd, wie eine Studie von Solidar Suisse zeigt: 13,3 Mil-liarden kostete die teuerste WM aller Zei-ten, ihr wirtschaftlicher Impuls beträgt gerade mal 0,7 Prozent des BIP – ein volkswirtschaftliches Nullsummenspiel. Der Steuerausfall für den brasilianischen Staat wegen der Steuerprivilegien für die Fifa beläuft sich auf 462 Millionen Dollar. Die Hoffnung, mit der WM langfristig Ar-

beitsplätze zu schaffen, hat sich zerschla-gen, einzig im Bau- und Tourismussektor führte sie kurzfristig zu Arbeitsstellen. Ver-besserungen der Infrastruktur wurden nur teilweise realisiert, mehr als ein Drittel der geplanten Projekte im öffentlichen Ver-kehr gestrichen. Dafür hinterlässt die WM dem Land vier millionenteure Stadien, die künftig nicht mehr genutzt werden können.Ausserdem wurden 250 000 Menschen aus ihren Häusern vertrieben und von den 350 000 brasilianischen Strassenhändle-rInnen haben viele wegen der Verkaufs-verbote um die Stadien ihren Lebensun-terhalt verloren.Doch die Fifa braucht das nicht zu küm-mern: Sie erwartet einen Rekordgewinn von drei Milliarden Dollar – wesentlich mehr als in Südafrika, wo sie 2,2 Milliarden Profit machte. www.solidar.ch/brasilien

Organisation von ArbeiterInnen in ChinaOb Lehrer, Pilotinnen, Taxifahrer oder Ar-beiterinnen – immer wieder legen Werk-tätige in China die Arbeit nieder, um höhe-re Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu erwirken. Häufig führt dies zu Entlas-sungen. Wenn die InitiantInnen von Streiks entlassen werden, wird der Widerstand im Keim erstickt, und auch das Verbot freier Gewerkschaften verhindert eine konti-nuierliche Vertretung der Arbeiterinteres-sen in Fabriken. Zusammen mit Vertrete-rInnen der Gewerkschaft Unia hat Solidar Suisse deshalb im Juli 2014 in Hongkong

El Salvador: Koppelung von Entwicklungshilfe an Monsanto-Saatgut Im Mai dieses Jahres wollte die US-Regie-rung eine vereinbarte Hilfszahlung für El Salvador von 227 Millionen US-Dollar an eine Bedingung knüpfen: Die Regie-rung sollte das Saatgut für ihr Unterstüt-zungsprogramm für KleinbäuerInnen nicht mehr lokalen ProduzentInnen abkaufen, sondern dem US-Konzern Monsanto. 2011 hatte die Regierung El Salvadors das Ausschreibungsverfahren geändert, um die nationale Agrarproduktion und die Ernährungssouveränität des Landes zu fördern. Dadurch wurden hunderttausende von KleinbäuerInnen mit einheimischem Saatgut unterstützt und zugleich die natio-nale Saatgutproduktion wieder aufgebaut. Doch dies ist angeblich nicht konform mit dem Freihandelsvertrag CAFTA zwischen Kanada, Nordamerika und den zentral-amerikanischen Ländern. Im Juni 2014 kam es zu landesweiten Protestaktionen, an denen sich auch Solidar-Partnerorgani-sationen beteiligten. Denn Solidar unter-stützt im Projekt Agricultura kleinbäuerli-che Organisationen dabei, Saatgutbanken mit tradi tionellen Sorten von Mais, Bohnen und Gemüse aufzubauen. Das Saatgut ist billiger, besser an die natürlichen Bedin-gungen angepasst, und die BäuerInnen können es selbst vermehren. Auch in den USA selbst gab es öffentli-chen Druck. Vorerst mit Erfolg: Die USA haben ihre Bedingung für diese Zahlung zurückgenommen. www.solidar.ch/elsalvador_projekte

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KULTURELL 13

Kosovo ist nicht gerade ein Zentrum der Filmwelt – und dennoch findet dort seit 13 Jahren das DOKUFEST statt, das sich zu einem Geheimtipp in der Doku-mentar- und Kurzfilmszene entwickelt hat. In der pittoresken, osmanisch ge-prägten Stadt Prizren beheimatet, zeich-net es sich unter anderem durch seine Entstehungsgeschichte aus: Beim ersten DOKUFEST im Jahr 2002, also knapp drei Jahre nach dem Ende des Kosovo-Krieges, gab es in Prizren kein einziges funktionierendes Kino. Also mussten sich die InitiantInnen mit improvisierten «Kinosälen» behelfen: Sie projizierten Fil-me auf die Mauern einer byzantinischen Festung und richteten in den Kavernen eines türkischen Hammams oder auf einem Podest mitten auf dem Fluss Bis-trica Kinos ein. Das verleiht dem Festival ein ganz besonderes Flair.

Beitrag zur AussöhnungNicht nur dank dieser malerischen Spiel-orte hat sich das DOKUFEST über die letzten 13 Jahre vom Insidertipp zum bestbesuchten kulturellen Ereignis im Kosovo gemausert. Während einer Wo-che im Monat August pilgern rund 10 000 Menschen nach Prizren, gut 40 Prozent davon reisen aus dem Ausland an, viele aus der Region. Auch was die Filmauswahl betrifft, überzeugt das Fes-tival. Neben internationalen Produk-tionen bilden Filme aus dem Balkan ei-nen festen Bestandteil. Mit Kategorien wie der «Human Rights Film Factory» hat das Festival den Anspruch, die Diskussi-on rund um die Menschenrechte anzure-

gen und einen Beitrag zur Normalisie-rung der Beziehungen auf dem Balkan zu leisten. So werden die Filme von Dis-kussionsforen und Workshops begleitet. In einem der ersten Durchführungsjahre gewann denn auch ein serbischer Film den ersten Preis der Jury. «Stories we tell» ist ein weiteres Begleit-projekt des Festivals. Hier können koso-varische Jugendliche mit unterschied-lichem ethnischen Hintergrund durch visuelles Geschichtenerzählen auf ihre Lebenssituation aufmerksam machen.

Wachstum trotz HindernissenDen OrganisatorInnen des DOKUFESTS ist es immer wieder gelungen, für den Kosovo typische Probleme zu überwin-den. Zu den Herausforderungen der Nachkriegsgesellschaft gehören neben der Zerstörung der Infrastruktur tägliche Stromunterbrüche, der Mangel an techni-schem Know-how, fehlendes Vertrauen in die lokalen Institutionen und die Ab-senz einer lokalen (Film)industrie. Trotz dieser Schwierigkeiten konnte das DO-KUFEST stetig wachsen und sich weiter-entwickeln. Heute werden jedes Jahr etwa 2400 Filme eingereicht, wovon 230 gezeigt werden. Während das Festi-val in seinen ersten Jahren von Freiwilli-gen geplant und ausgeführt wurde, ist heute ein kleines Kernteam das ganze Jahr über mit der Planung beschäftigt. So ist das DOKUFEST im Kosovo zu einer treibenden Kraft im Bereich Kultur und Bildung geworden und trägt zu einer nachhaltigen Kulturpolitik bei. www.dokufest.com

Das DOKUFEST in Prizren zieht inter nationales Publikum an und trägt zur Aus söhnung im Kosovo bei. Text: Barbara Burri, Fotos: DOKUFEST

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FESTIVAL MITFLAIR

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14 PINGPONG

Lösungswort

SOLIDAR-SUDOKU SpielregelnFüllen Sie die leeren Felder mit den Zahlen von 1 bis 9. Dabei darf jede Zahl in jeder Zeile, jeder Spalte und in jedem der neun 3x3-Blöcke nur einmal vorkommen.Das Lösungswort ergibt sich aus den schraffierten Feldern waag-recht fortlaufend, nach folgendem Schlüssel: 1=K, 2=E, 3=H, 4=S, 5=P, 6=A, 7=T, 8=O, 9=R

Schicken Sie das Lösungswort an Solidar Suisse – mit einer Post-karte, beiliegendem Antwort-Talon oder per E-Mail an: [email protected], Betreff «Rätsel». 1. Preis ein Abfallkorb2. Preis eine Dokumentenmappe3. Preis ein FrüchtekorbDie Preise stammen von einer Gruppe von Palmyra-ProduzentIn-nen im Norden Sri Lankas, in der sich zurückgekehrte Kriegsver-triebene mit der Unterstützung von Solidar zusammengeschlos-sen haben, um sich wieder eine Existenz aufzubauen.

Einsendeschluss ist der 15. Dezember 2014. Die Namen der Gewinne-rInnen werden in der Solidarität 1/2015 veröffentlicht. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Von der Teilnahme ausgeschlossen sind Mitarbeitende von Solidar Suisse.

Das Lösungswort des Rätsels in Solidarität 3/2014 lautete «Faire Arbeit». Monika Hladik aus Niederrohrdorf hat eine Tasche, Bernhard Sauer aus Saint Prex sechs Glasuntersetzer und Markus von Holzen aus Matten einen Brief-öffner gewonnen. Wir danken dem Frauenbildungszentrum Père Celestino in Burkina Faso für die gestifteten Preise und den Mitspielenden für die Teil-nahme.

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DIE ERNTE IHRES LEBENS …

… mit einem gültigen Testament bestimmen Sie, was daraus wird!

Mit Ihrer Trauerspende oder einem Vermächtnis engagieren Sie sich für benachteiligte Menschen und eröffnen ihnen echte Chancen.

Mehr Infos und Unterlagen unter solidar.ch/testament oder direkt bei Christof Hotz 044 444 19 45 [email protected]

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AKTUELL 15

«Ein Moskitonetz konnte ich mir nicht leisten, wie die meisten armen Leute hier.»

Auf der Fahrt durch das ländliche Sus-sundenga in Zentralmoçambique sehen wir immer wieder Frauen und Männer, die apathisch vor sich hinstarrende Kinder auf dem Rücken tragen, die eigentlich zu gross dafür sind.Beim nächsten Wanderer halten wir an. Seveni Dito ist mit seinem zwölfjährigen Sohn Inacio auf dem Weg zum Gesund-heitszentrum des etwa zehn Kilometer entfernten Muninga. «Er hat wohl Mala-ria», erklärt Seveni Dito den Zustand sei-nes Sohnes. Unser Angebot einer Mit-fahrgelegenheit nimmt er gerne an. Der

Malariatest ist positiv, und Inacio erhält ein Anti-Malariamittel. 80 Prozent der PatientInnen kommen wegen Malaria ins Muninga-Gesundheitszentrum. Es ist Ende März, Regenzeit in Moçambique, und die Zahl der Malariafälle erreicht ih-ren Höhepunkt.

Lebensbedrohliche InfektionMoçambique ist eines der am stärksten von Malaria betroffenen Länder südlich der Sahara, die Krankheit ist für 40 Pro-zent der Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren verantwortlich. Mangelnde sanitäre Einrichtungen und verschmutz-tes Trinkwasser tragen weiter zur Kinder-sterblichkeit bei.Solidar Suisse engagiert sich mit Präven-tionsmassnahmen gegen Malaria. Kampa- gnen, die übers Radio oder Antimala ria- komitees verbreitet werden, informieren die Bevölkerung wie sie eine Ansteckung

vermeiden kann: sei es mit der Herstel-lung von Moskitoschutzmitteln aus loka-len Pflanzen, Aufräum aktionen, um die Brutplätze der Mücken zu zerstören, oder dem Bau einfacher Latrinen. Ausserdem wurden an die 10 000 Moskitonetze ver-teilt, speziell an schwangere Frauen und Mütter mit Neugeborenen. Die 24-jährige Dorca Chizemo erhielt eines der Netze. «Ich wurde einmal an- gesteckt und leide seither immer wieder unter Fieberschüben; meinen zwei Kin-dern kann ich dieses Schicksal dank den

Moskitonetzen ersparen», sagt sie. «Ein Moskitonetz konnte ich mir nicht leisten, wie die meisten armen Leute hier.»All diese Massnahmen haben dazu bei-getragen, dass zwischen 2010 und 2012 die Neuinfektionen mit Malaria in der Projektregion um 22 Prozent zurückgin-gen. Doch Handlungsbedarf gibt es wei-terhin, wie Dorca Chizemo meint: «Das Netz hilft gegen die Ansteckung mit Ma-laria. Doch muss ich es mit meinem Ehe-mann und meinen Kindern teilen. Ein Moskitonetz für die ganze Familie ist nicht genug.»

Viele Menschen in Moçambique sterben an Malaria. Mit Präventionsmassnahmen sollen Ansteckungen verhindert werden.Text: Francisco Palma Saidane, Fotos: Andreas Schwaiger

MALARIA TÖTET

Seveni Dito trägt seinen an Malaria erkrankten Sohn ins Gesundheits-zentrum (links). Ein Moskitonetz schützt Dorca Chizemo und ihre Kinder vor Ansteckung (rechts).

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Mit Ihrem Beitrag von 50 Franken er-möglichen sie die Verteilung von fünf Moskitonetzen, die 15 Personen – fünf Mütter und zehn Kinder – vor ei-ner Malariainfektion schützen.

Ihre Spende wirkt

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verstärken, dass sie zukünftigen Stürmen standhalten. Die Betroffenen organisieren den Wiederaufbau eigenständig und wer-den dabei mit Material und technischem Fachwissen unterstützt. www.solidar.ch/philippinen

Bolivien erlaubt Kinderarbeit Am 6. August 2014 ist in Bolivien ein Gesetz in Kraft getreten, das Kinderar-beit ab einem Alter von zehn Jahren offi-ziell erlaubt, sofern die Kinder auf eigene Rechnung arbeiten, also zum Beispiel Schuhe putzen. Angestelltenverhältnisse sind ab 14 Jahren zugelassen, doch die Arbeit darf sich nicht auf den Schulbe-such auswirken. Das Gesetz verstösst

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Dürre in ZentralamerikaEine seit Mai 2014 herschende Dürre hat in einigen Landesteilen von Nicaragua und El Salvador die erste Mais-Aussaat fast vollständig vernichtet. Es wird mit über 65 Prozent Ernteausfällen gerechnet, die Ernährungssicherung hunderttausender kleiner ProduzentInnen ist bedroht. Auch Solidar-Partnerorganisationen sind betroffen. Weil eine zweite Aussaat nötig wurde, stand in den landwirtschaftlichen Genossenschaften im Norden Nicaraguas nicht ausreichend Saatgut für die reguläre Aussaat zur Verfügung. Solidar hat zusätz-liche finanzielle Mittel bereitgestellt, damit die Genossenschaften ihre Mitglieder schnell mit Saatgut und günstigen Kredi-ten versorgen können. Positiv ist, dass die von Solidar geförderten einheimischen Mais- und Bohnensorten und ökologi-schen Anbausysteme sich als resistenter gegen die Trockenheit erweisen als die herkömmliche Produktion. www.solidar.ch/nicaragua_projekte

DenknetzDer kritische Think Tank Denknetz feiert am 29. November 2014 sein zehnjähriges Jubiläum mit einem grossen Fest im Zür-cher Volkshaus. Es beginnt um 16 Uhr mit einem Workshop zur Arbeitsweise des Denknetzes, um 17 Uhr folgt die Vernissa-ge der Jubiläumsschrift «Die überflüssige Schweiz». Um 19 Uhr spricht der Politik-wissenschaftlicher und Soziologe Colin Crouch über (Post-)Demokratie und neuen Nationalismus in Europa, um 21 Uhr ist die Spoken-Word-Formation «Bern ist überall» zu sehen. Abgeschlossen wird das Fest mit einem Konzert von Les Reines Pro-chaines, von denen das Jubiläumsmotto stammt: «Alleine Denken ist kriminell». www.solidar.ch/agenda

25 Jahre FEDEVACOAm 12. und 13. September 2014 hat die Fédération vaudoise de coopération FEDEVACO in Morges ihr 25-Jahre-Jubi-läum gefeiert. Mehr als 3000 Personen nahmen am Fest teil. Solidar war mit einem Stand präsent und informierte über die weltweite Projektarbeit und die Kampag-nen in der Schweiz. Ein Kurzfilm informier-te über die Situation von Strassenhändle-rInnen in Nicaragua (www.solidar.ch/nicaragua_arbeitsrechte). Die FEDE-VACO vereint 41 im Kanton Waadt in der

Entwicklungszusammenarbeit tätige Hilfs-werke – unter ihnen Solidar Suisse – und ermöglicht eine koordinierte Finanzierung. Sie arbeitet gegenwärtig mit 39 Gemein-den und fünf Departements des Kantons zusammen.

Philippinen: von der Nothilfe zum WiederaufbauSolidar Suisse leistete unmittelbar nach dem verheerenden Wirbelsturm Haiyan im November 2013 Nothilfe auf der philippi-nischen Insel Panay. Über 2500 Familien erhielten Reparatursets mit Wellblech, Nä-geln, Dichtungsmasse, Seilen und Werk-zeugen sowie eine technische Anleitung, um sich eine Notunterkunft zu bauen. Im Juni hat Solidar die Nothilfephase abge-schlossen und wird in den nächsten zwei Jahren den Wiederaufbau in drei Gemein-den der Insel vorantreiben. Insgesamt wer-den 3100 Familien dabei unterstützt, ihre Häuser solide aufzubauen oder so zu

gegen die Uno-Kinderrechtskonvention, deshalb hat die Internationale Arbeitsor-ganisation eine Überprüfung des Geset-zes angekündigt. Es ist vor allem die Gewerkschaft der Kinder und Jugendli-chen, die sich für das Recht auf Arbeit für Kinder einsetzt. Wird mit dem Gesetz also eine soziale Realität berücksichtigt – in Bolivien arbeiten armutsbedingt über 800 000 von 4,1 Millionen Kindern unter 18 – oder leistet es der Ausbeutung von Kindern erst recht Vorschub? «Der Ver-such, eine soziale Realität zu regulieren statt ihre Ursachen zu bekämpfen, könn-te die bolivianischen Kinder dazu ver-dammen, im Armutszyklus zu verharren», meint Martín Pérez, Solidar-Koordinator in Bolivien.

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AKTUELL 17

«Es ist, wie wenn bei euch auf Arabisch unterrichtet würde.»

Seit neun Jahren organisiert die pädago-gische Hochschule des Kantons Waadt einen interkulturellen Austausch zwi-schen der Schweiz und Burkina Faso. Grund für den Austausch ist das zwei-sprachige Schulsystem, das Solidar in Burkina Faso initiiert hat. Nachdem

Schweizer LehrerInnen in Ausbildung Burkina Faso besucht hatten, kamen die burkinischen Schulleiter Meschach Say-oré und Arzouma Zare in die Schweiz, um das waadtländische Schulsystem kennen zu lernen.

Den Abfall trennen«Der Schweizer klebt an seiner Uhr und kommt stets zur vorgesehenen Zeit», fasst Meschach Say-oré seinen ersten Eindruck zusammen. «Mir ist auch aufgefallen, dass der Abfall getrennt wird.» Ausserdem beeindruckte ihn die Ausrüs-tung der waadtländischen Schulklassen: «Die SchülerInnen haben Computer zur Verfügung. In Burkina Faso kenne ich keine Schule, die Informatikmaterial be-sitzt.» Ausserdem waren sie erstaunt über die starke Beteiligung der Schüle-

rInnen. «Sie sind sehr aufgeweckt», meint Arzouma Zare. «Die Kinder wagen es mitzumachen und Fragen zu stellen.»

Fremdsprache FranzösischDies ist auch in zweisprachigen Klassen in Burkina Faso der Fall: «Die Beteiligung der SchülerInnen ist möglich, weil sie zu Beginn hauptsächlich in ihrer Mutter-sprache unterrichtet werden», meint Meschach Sayoré. «In einer zweisprachi-gen Schule verringert sich das Gefälle zwischen SchülerInnen und LehrerInnen, und die Kinder machen mehr mit. Was wir in der Schweiz beobachten, wird uns helfen, die aktive Teilnahme zu fördern.» Und er fügt hinzu: «Für uns Burkinabè ist Französisch eine Fremdsprache. Es ist, wie wenn bei euch auf Arabisch un-terrichtet würde.» In Burkina Faso gibt es 60 lokale Sprachen. «Sie sind komplett anders als Französisch», erklärt Arzouma Zare, der fasziniert zur Kenntnis nimmt, dass neben den vier offiziellen Landes-sprachen allein in der Deutschschweiz 20 verschiedene Dialekte existieren.

Mangel an LehrerInnenEine Ausgabe der Zeitung «Le Matin» liegt auf dem Tisch des Cafés, in dem wir uns getroffen haben. Auf der ersten Sei-te steht, dass der Vorsteher des Walliser Bildungsdepartements Oskar Freysinger 90 Stellen abbauen will. Als ich wissen möchte, was die beiden davon halten, meint Zare: «Solche Abbaupläne erstau-

nen mich. Bei uns gibt es einen grossen Mangel an LehrerInnen.» Und Meschach Sayoré setzt hinzu: «Und das in einem Land, das dank seiner Banken und Waf-fenexporte so viel verdient.» Philoso-phisch schliesst Arzouma Zare: «Weltweit ist das Schulkind eine Investition in die Zukunft. Wir alle möchten unseren Kin-dern eine bessere Zukunft bieten.»

Zwei Leiter von zweisprachigen Schulen in Burkina Faso haben sich das Schulsystem in der Schweiz angesehen.Text: Alexandre Mariéthoz, Foto: Jacques Pilloud

VERRINGERTESGEFÄLLE

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Solidar Suisse hat in Burkina Faso ein Modell der zweisprachigen Bildung initiiert. Der Unterricht findet sowohl in der lokalen Sprache als auch in Fran-zösisch statt. Mit dem Resultat, dass mehr Kinder die Primarschule erfolg-reich abschliessen. www.solidar.ch/burkinafaso

Bildung

Zweisprachige

Meschach Sayoré (links) und Arzouma Zare (rechts) waren bei ihrem Besuch in der Schweiz beeindruckt von der Beteiligung der SchülerInnen.

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Subajini Rajendram engagiert sich dafür, dass sri-lankische ArbeitsmigrantInnen wissen, was sie erwartet. Text: Mario Pilz, Foto: Solidar

ment Society (WRDS) zurück. Solidar hat die WRDS geschult, damit sie ihre Mit-glieder rund um das Thema Migration unterstützen kann. «Kamalthasan Tharshini ist wieder zu Hause», erzählt Subajini Rajendram zu-frieden. Die 23-Jährige wollte in Dubai als Hausangestellte arbeiten gehen, weil ihr Ehemann keine feste Stelle hatte und ihre Familie ein zusätzliches Einkommen benötigte. Ein dubioser Agent versprach, ihr in Dubai eine Stelle zu vermitteln und nahm sie mit nach Colombo. Als Kamalthasan Tharshini misstrauisch wur-de und wieder nach Hause wollte, hielt er sie fünf Tage gegen ihren Willen fest. Sie durfte keinen Kontakt mit ihrer Familie aufnehmen und der Agent drohte, sie müsse 140 000 Rupies (ca. 1000 Fran-ken) bezahlen, wenn sie sich weigere, nach Dubai zu reisen. Als die Frauen von

«Die Vertriebenen, die nach dem Ende des Bürgerkriegs in ihre Dörfer zurück-gekehrt sind, kämpfen immer noch da-rum, ihre Grundbedürfnisse zu befriedi-gen. Nicht selten verschulden sie sich dabei.» So erklärt Subajini Rajendram die Tatsache, dass immer mehr Menschen im Norden Sri Lankas ihr Glück in der Mig-ration suchen. Die 35-jährige Soziologin mit Diplom in Friedensförderung leitet das Solidar-Projekt für potenzielle Mig-rantInnen in der Provinz Mullaitivu. «Sie sollen Risiken und Möglichkeiten ken-nen, wenn sie sich für oder gegen die Migration entscheiden», umreisst sie das Ziel ihrer Arbeit.

Zur Migration gezwungenSubajini Rajendram kommt soeben von einem Treffen mit der lokalen Frauen-organisation Woman’s Rural Develop-

ANGELOGEN, AUSGEBEUTET, AUSGEGRENZT

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Subajini Rajendram informiert die Bevölkerung im Norden Sri Lankas über gängige Rekrutierungs methoden und Migrationsgefahren.

EINBLICK 19

Damit Migrationswillige im Norden Sri Lankas über gängige Rekrutie-rungspraktiken und Risiken Bescheid wissen, arbeitet Solidar Suisse mit zivil-gesellschaftlichen Organisationen zu-sammen. Diese werden geschult, da-mit sie an Zusammenkünften ihre Mitglieder zum Thema Migration infor-mieren und bei Problemen unterstüt-zen können. Ausserdem werden Be-hördenmitglieder weitergebildet und die Koordination mit Basisorganisatio-nen wird gefördert. www.solidar.ch/srilanka_migration

potenzieller MigrantInnen

Unterstützung

der WRDS davon hörten, halfen sie der Familie der Festgehaltenen, eine Anzei-ge zu machen. Die Polizei reagierte und befreite die junge Frau.

Gewalt gegen Migrantinnen und soziale AusgrenzungSolche Fälle sind keine Seltenheit. «Kamalthasan Tharshini hatte Glück, dass sie noch in Sri Lanka Verdacht schöpfte», meint Subajini Rajendram. «Viele migrationswillige Frauen merken erst nach ihrer Ankunft, dass die Ver-sprechen der Agenten nicht mit der Rea-lität übereinstimmen. Stattdessen wird ihnen der Lohn nicht ausbezahlt, sie sind mit überlangen Arbeitszeiten sowie phy-sischer und sexueller Gewalt konfron-tiert. Manche finden auch eine völlig an-dere Arbeit vor als vereinbart und der Pass wird ihnen weggenommen, damit

sie nicht nach Hause können.» Denn die Arbeitgebenden wollen das Geld, das sie in die Rekrutierung ihrer Arbeitskraft in-vestiert haben – die vermittelten Migran-tInnen erhalten vor ihrer Abreise 150 000 bis 200 000 Rupies (1100 bis 1450 Franken) – nicht in den Sand gesetzt ha-ben. Der Wunsch, diese Missstände, von denen viele auch Männer betreffen, aus der Welt zu schaffen, moti-viert Subajini Rajendram für ihre Arbeit.Ein weiteres Problem ist, dass viele MigrantInnen nicht im Voraus planen, wie sich die zurückgebliebene Familie organisieren soll. So kann es vor-kommen, dass während der Abwesen-heit von Müttern deren Kinder vernach-lässigt oder gar misshandelt werden. «Generell ist die Migration von Frauen weniger akzeptiert als die von Männern. Aus der Not heraus migrieren Frauen manchmal gegen den Willen der Familie, was die Planung erschwert», erzählt sie. Dass Frauen ihre Migrationsziele selte-ner erreichen als Männer, liegt auch dar-an, dass die Männer weniger sorgfältig mit den Rücküberweisungen ihrer Ehe-frauen umgehen als umgekehrt. Solidar unterstützt die Migrationsfamilien auch bei dieser Planung.

Betrügerische VermittlungsagenturenZiel vieler sri-lankischer MigrantInnen ist der Nahe Osten. Frauen arbeiten meist als Hausangestellte, Männer als unquali-fizierte Arbeiter, zum Beispiel auf dem Bau. Vor allem junge Männer migrieren auch illegal per Boot nach Australien, um dort Asyl zu suchen. «Auch bei ihnen zer-schlägt sich oft die Hoffnung, die ökono-mische Situation ihrer Familie zu verbes-sern. Stattdessen kommen sie bei der Überfahrt um oder werden zurückge-schafft», erzählt Subajini Rajendram.

Das sri-lankische Amt für Arbeit im Aus-land ist für die Regulierung und den Schutz von MigrantInnen zuständig. Es stellt zwar Standardverträge für Migrati-onswillige zur Verfügung und verhandelt mit den Regierungen der Empfangslän-der. Doch im Norden Sri Lankas sind die offiziellen Dienstleistungen begrenzt und MigrantInnen, die bei Problemen im Ziel-

land an die Botschaft gelangen, werden oft einfach wieder an ihre Arbeitsstelle zurückgeschickt, ohne dass sie Unter-stützung erhalten. Das gravierendste Problem ist für Subajini Rajendram die weitverbreitete Vermittlung durch betrü-gerische Agenturen. «Sie nützen die Not-situation und das Unwissen der Migran-tInnen schamlos aus, um sich an ihnen zu bereichern.»

«Manche finden eine völlig andere Arbeit vor als verein-bart.»

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… eine Nähmaschine, damit eine Familie in Sri Lanka eine Dorfschneiderei einrichten kann.

… eine Radiosendung, damit die Zuckerrohrarbeiter in Bolivien ihre Rechte kennen und einen fairen Lohn aushandeln können.

… eine Handvoll Saatgut, damit eine Kleinbauernfamilie in El Salvador ihr Feld bestellen kann, ohne teures Saatgut und Pestizide kaufen zu müssen.

Verschenken Sie diese Karte zu Weihnachten, damit eine junge Frau in Burkina Faso sich zur Coiffeuse ausbilden lassen und ihren Lebensunterhalt verdienen kann.

ODER SCHENKEN SIE…

• Bestellen Sie die beliebten Solidar-Geschenkkarten im Wert von je 50 Franken mit beiliegendem Antwort-Talon oder online:

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• Sie erhalten umgehend die bestellte Anzahl Karten und einen Einzahlungsschein.

• Darauf können Sie Ihren Namen und denjenigen der beschenkten Person in die Karte eintragen.

Wir garantieren Ihnen die Lieferung vor Weihnachten für alle Bestellungen, die bis zum 22. Dezember 2014 bei uns eintreffen. Bei Fragen kontaktieren Sie uns bitte unter 044 444 19 19 oder [email protected]

So einfach funktioniert es:

Mit jeder Karte unterstützen Sie die weltweiten Entwicklungsprogramme von Solidar Suisse zugunsten benachteiligter Menschen.

SCHENKEN SIE EINE SCHERE

«Meine Eltern sind gestorben, als ich sieben war. So kam ich in die Grossfamilie meines Onkels. Dort war das Geld allerdings sehr knapp. Dank dem Berufsbildungs-programm von Solidar Suisse konnte ich Coiffeuse lernen und habe jetzt sogar einen eigenen kleinen Salon.»

Fatimata Traoré aus Bobo-Dioulasso