16
Solitär - Glasperlenspiele do-it-yourself: Selbermachen aus alten Sachen

Solitär - packpapierverlag-textarchiv.depackpapierverlag-textarchiv.de/mediapool/38/381970/data/Solit_r.pdfDorf, in der Via Colina d’oro gab es einen Kramladen mit Kaffeetrinken

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Solitär-

Glasperlenspiele

do-it-yourself:Selbermachen aus alten Sachen

Man nehme:1 altes kariertes Geschirrtuch oder abgetragenenkarierten Rock oder schottischen Kilt. Im übrigen, einkariertes Taschentuch geht auch, das wäre dieminimalistische Lösung,32 geliebte alte Glasmurmeln aus der vergessenenSpielzeugkiste, oder Knöpfe tuns auch, nur alt mußsowas sein, damit das Herz dran hängt,1 alten durch alle Umzüge deines bewegten Lebensaufbewahrten Wollfaden, den du immer wegwerfenwolltest aber nicht konntest, weil er vielleicht noch zuetwas taugt.

Man mache:Aus dem Wollfaden drehe man eine Kordel, bunteMischung verschiedener Fäden ist auch erlaubt.Dann nehme man eine Schere und schneide aus demTuch ein rundes oder auch viereckiges Stück heraus undsuche mit etwas Phantasie ein Gebilde von 33Kästchen zu erkennen, diein Kreuzform wie auffolgender Zeichnungangeordnet sein müssen.Mit Wachsmalkreide oderKuli kann man dieKästchen nachmalen.Dann werden dieGlasmurmeln oder Knöpfein das Tuch gelegt, selbigeshochgerafft und mit dem

Faden zugebunden. Diese Solitär-Anleitung wäre dannnoch mit Schleifchen daran zu applizieren.

Schließlich:Wer sich mit dieser do-it-yourself-Anleitung eineFlohmarktexistenz aufbauen möchte, der hat allesrichtig verstanden! Dieses Heftchen als Anleitung kannkopiert werden oder billiger 10er-weise beimPackpapierverlag (49008 Osnabrück Postfach 1811)bestellt werden.

SpielregelBeim Verteilen der Kugeln auf die 33 Spielfelder wirdeins freigelassen, zumeist ist es das mittlere. Aber essind auch andre Felder möglich.Mit Sprüngen eines Knopfes/Kugel über einen andernin ein dahinterliegendes leeres (!) Feld kann derübersprungene Knopf aus dem Spiel genommenwerden. Zu Beginn des Spiels kommt als Sprungzielnatürlich nur das leere Feld in der Mitte infrage.Außerdem sind nur gerade Sprünge über dieSeitenlinien der Felder möglich, nicht schräg bzwdiagonal. Das Spiel ist zuende, wenn nur ein Knopf/Kugel übrigbleibt, und zwar an derselben Stelle wie zuAnfang, in der Spielfeldmitte.Andere Möglichkeiten des Spiels und andere Regelnfolgen weiter hinten. Wie man dies Spiel auch zu zweitspielen kann, verrate ich nicht, dann wärs ja nichtmehr solitär.

GlasperlenspieleAuf Anregung meines alten Freundes Willy Ackermannbesuchte ich in den 1980er Jahren bei einer Reise in dieSchweiz auch das Dorf Montagnola, in dem HermannHesse gelebt hatte. In der Casa Rossa am Rand desDorfes wollte Willy, der damals zu Fuß von Hamburghergetippelt war, ihn besuchen - ich vermute, er kamgrade vom Vagabundenkongreß in Stuttgart, wo er mitGusto Gräser zusammengetroffen war. Hesse war gradim Garten und Willy stand am Gartentor, aber Hessesagte, er wolle nicht besucht werden, auch nicht voneinem Landstreicher aus Deutschland. Da-mals hingwahrscheinlich noch nicht das Schild „Bitte keineBesuche“ vor dem Tor (siehe Foto). Man beachte denJugendstilschwung der Schrift auf dem Verbots-schild -eine perfide Umkehrung der Lebensreformidee,besonders wie Gräser es praktizierte und propagiertemit seiner Flugschrift von 1912, „Ein Freund ist da -mach auf!“ Den Schriftstil pflegen heute übrigens nochdie Anthroposophen.Seitdem ist Willy Ackermann nicht gut auf Hesse zusprechen, ich als sein Freund natürlich auch nicht,trotzdem wollte ich mir den Ort des Geschehens malansehn - ein schöner Platz, an dem er viele schöneGedichte übers Alleinsein und einige Jahre nach WillysBesuch sein berühmtes Glasperlenspiel schrieb. Ich fandmich dann auch allein vor diesem großen Garten,keiner erwartete mich, Hesse war nicht mehr unter deneinsamen Lebenden. So ging ich ein bißchen durchsDorf, in der Via Colina d’oro gab es einen Kramladenmit Kaffeetrinken.

Beim Kaffeeschaute ich mir denKram an, unter an-derm eine zerschlis-sene Schachtel, auf derSolitär stand. Daspaßte ja zu meinerVerfassung, und ichkam bald dahinter,daß es ein Spiel war.Preis? 30 Franken, ohnein, zu teuer! Diealte Dame schautemich prüfend an, soein Hippie, der ichwar, konnte nicht viel Geld haben. Also probierte sie esmit einem Argument: das gehörte einmal Hesse per-sönlich! Ich machte wohl ein ungläubiges Gesicht, dennsie ergänzte, es sei ganz viel nach seinem Tod ver-ramscht worden, einiges sei bei ihr im Laden gelandet.Daß ich mit Hesse ein Problem hatte, konnte sie nichtwissen, und daß ich vieles an ihm ganz schön unge-reimt fand, auch nicht. Hesses Solitär ist eine weitereUngereimtheit, zu der ich mich schließlich hinreißenließ, zumal es mich anrührte. Ich glaub, ich brauchtebloß die Hälfte zahlen. Jahre später fand ich heraus, daß es zu Hesses Zeitviele dieser Solitärspiele gab, die schönsten hattenbunte Glasmurmeln, aber eigentlich war es eineSpielzeugsparte, die vom unschuldigen Murmelkickenund Geduldspiel über Flipper bis zum Roulette reichte.

Der innere Zusam-menhang zwischenGlücksspiel und Suchenach Glück und Un-glück, oder dem Blickin die Zukunft (Wahr-sagerei), war schonaus der Verwandt-schaft der Spieleersichtlich. Doch wiepaßte Hesses großerRoman dazu? Gelesen habe ichdas Werk. Und warkeineswegs begeistert,noch weniger als vom Steppenwolf. Nur die Thematiksprach mich an, nicht die Lösung, denn ich glaube,Hesse war ein Ekel. Abgesehen davon, daß er so tut alsstünde er über allem, hat er sich nämlich durchaus mitden aktuellen Fragen seiner Zeit, den Hungerjahrennach dem 1. Weltkrieg, der explosionsgefährlichenWeimarer Republik, der Nazidiktatur, der Technik vomAuto bis zum Flugzeug usw beschäftigt. Literarisch gaber den Technikfeind („Hochjagd auf die Automobile“,Steppenwolf) und Asketen, tatsächlich unternahm erFlugreisen und fuhr gern im Cabriolet, und so war ichauch mißtrauisch, als ich auf eine Stelle in einem seinerBriefe (20.3.1949 an Herbert Schulz) stieß, wo er dasBuch „Homo Ludens“ von Huizinga erwähnt, „...dasso um 1940 erschienen ist, als das Glasperlenspiel zwarnoch nicht erschienen, aber nahezu im Manuskript

fertig war.“ Warum be-tont er einen Zeitver-lauf, der angeblich aus-schließt, er könnte Hui-zinga eine Idee geklauthaben? Warumschreibt er nicht dasrichtige Erscheinungs-datum 1938? Das istzwar auch „um 1940“,aber macht eine Bedie-nung bei dem seiner-zeit sehr bekannten,von den Nazis verfolg-ten, KulturhistorikerHuizinga wahrscheinli-cher. Hesse fährt inseinem Brief gönne-risch fort, „Als ich esdamals las, dachte ich:das wäre vielleicht einMann, der das Glasper-lenspiel kapieren wür-de.“ Hesse kapiertnicht, daß man seinGetue durchschauenkann, und vielleicht hater auch nicht kapiert,daß für Huizinga dasSpiel keine elitäreAngelegenheit von

Oberlehrern und Akademikern war, sonderngewissermaßen der Anfang von Kultur, wo jedermitspielen kann. Die traurige Geschichte von Gusto Gräser, der vonallen verlassen 1958 in München starb, und den Hessezwar als Großen Meister für seine Werke ausbeutete(Demian, Steppenwolf, Morgenlandfahrt, Glasperlen-spiel), aber in Wirklichkeit verraten hat (zuletzt 1919bei Gräsers Ausweisung aus der Schweiz hat er ihmHilfe verweigert), ist schon lange bekannt, oder könntebekannt sein. Warum verleugnete Hesse, der sovielvon Magistern und Gurus schrieb, seinen Lehrer undMeister? Es ist kein antiautoritärer Zug an ihm, sondernBorniertheit, er war nur auf sein Künstlerimagebedacht. Immerhin ließ er Gräsers Kritik an sich imSteppenwolf als eine Art Selbstkritik zu: „Gottbefohlen, der Teufel wird dich holen, verhauen undversohlen für dein Schreiben und Kohlen, hast ja alleszusammengestohlen.“ Schließlich ist Hesses Behauptung, er habe zuersterwogen ein Quartettspiel statt der Glasperlen imRoman einzusetzen unglaubwürdig - da Hesse einMeister im Legen falscher Fährten ist, sollten wireinfach überlegen, was denn nach gründlicherschriftstellerischer Vorbereitung in Sachen Spielkulturund Wissenschaft naheliegt, und dann, wenn manseine sonstige Lektüre kennt, zB seine Vorliebe fürLeibniz, so folgt daraus, daß der Spielgegenstandziemlich abstrakt sein muß, mathematisch nüchtern,um daraus Formeln und Muster zu bilden.

Solitär in 32 Zügen

Solitär mit der MätresseLudwigs des 14.

Neben dem einfachen Solitärspiel mit 33 Feldern gibtes viele Varianten, die bekannteste und vermutlichälteste ist das französische Solitär, das sich nur wenigvon unserm obigen Spielplan unterscheidet, nur vierKästchen muß man in die Winkel reinzeichnen. Aberzu spielen ist es ganz anders, denn mit geradenSprüngen ist das Spiel nicht lösbar. Man nimmt an, daßursprünglich beim Solitär auch schräge Züge erlaubtwaren, denn nur so ist es möglich, am Ende nur einenStein übrigzubehalten, andernfalls bleiben zwei übrig.Außerdem darf am Anfang nicht das Mittelfeld,sondern eins darüber (oder das zweite darüber, oderdas 1. oben links) frei bleiben (diese drei möglichenStartfelder gelten auch bei um90° gedrehter Ansicht). Anne-Julie de Rohan-Chabot (1648-1709), genanntPrinzessin von Soubise oderMadame de Frontenay istmöglicherweise die Erfinderindes Solitär-Spiels, auf jeden Fallweiß man niemanden, der vorihr Solitär gespielt hat. Dennder älteste Beleg für dieses Spielist ein Porträt von ihr aus dem Jahr 1687, gezeichnetvon Claude-Auguste Berey. Das einfache Solitär ist einNachfolger dieses Spiels. Man fragt sich natürlich, obsie an dem großartigen Hof des französischen Königs,

Bild der Prinzessin v.Soubise

und dann noch als Mätresse mit Mutterpflichten – derspätere Kardinal von Rohan war ihr und Ludwigs Sohn– wie sie da noch Zeit gehabt hat für das Spiel derEinsamen, es vielleicht sogar zu erfinden?

7 verschiedene Spielpläne

Quadratauf derSpitze:

großesSolitär:

Quadrat 6 x 6:Dreieck:Quadrat 5 x 5:

großesDreieck:

ungleichesKreuz:

Figuren legen mit Solitär

Ziel ist es, soviele Knöpfe wegzunehmen, bis eine derfolgenden Figuren entsteht. Es lassen sich aber nochandere austüfteln.

Kreuz:

Pyramide:

Tannenbaum:

Schiff:

kleines Karo:

großes Karo:

Stern:

großes Kreuz

Solitär mit Löchern für PhilosophenWer es noch nicht wußte: Solitär ist ein Leckerbissen fürMathematiker, besonders für den Mathematiker undPhilosophen Gottfried Wilhelm Leibniz. Seine Idee wares, statt Glasperlen oder Knöpfen die Löcher springenzu lassen ... ? Das geht! Probiers mal aus, einfachrückwärts spielen, wenn nur noch eine Murmel in derMittel liegt.Und zum Aufwärmen ein Leibniz-Zitat: „Menschensind niemals erfindungsreicher als in der Erfindung vonSpielen.“

Daß Leibnizselbst zumLeckerbissenfür dasKrümel-Monsterwurde,ist eineandereGeschichte ...

Computerspiel?Computer können auch Solitär spielen, viel schnellerals Menschen. Macht bloß keinen Spaß. Aber Compu-ter kennen auch keinen Spaß. Computer sind Spielver-derber, sie werden künstlich gebremst, damit der Nerdsich für schnell hält. Für den ästhetischen Genuß der imSpiel entstehenden Figuren ist schon gar keine Zeit, fürdie Meditation über Glasperlenspiele ... aber bitte, werdie schönen Glasmurmeln, alten Knöpfe und derglei-chen verachtet, der lasse sich über den Monitor jagen!

SolitärvögelAls warnenden Hinweis schließlich oder auch alsromantische Remineszens möchte ich das Schicksal deseinsamsten der Einsamen erwähnen: an Einsamkeitgestorben und ausgestorben. Wieder mal war es diemenschliche Gier und Achtungslosigkeit vor denMitgeschöpfen, wodurch vor 250 Jahren einefriedliebende und aus lauter Zutraulichkeit flugunfähigeVogelart ausgerottet wurde, der sogenannte Rodrigues-Solitär. Er war fast einen Meter groß, kam nur auf derInsel Rodrigues vor und lebte von der Schale vonPflanzensamen der Sapoten, die er durch Ausscheidungverbreitete. Das Bild des schönen Vogels auf derRückseite dieses Heftes stammt aus dem Buch desSolitär-Vogelfressers Francois Leguat „Voyage etavantures“ (London 1708). Nach dem Solitärvogeldrohen auch Sapotenbäume auszusterben, da niemandihre Samen verbreitet. Dem Solitärspieler wird das zudenken geben.

(Herrmann Cropp, 2013)

Weitere Bücher bei Packpapier:Handbuch für Selbstversorger, ... alles zum Aussteigen, 208 S 8,-Vegetarisch Kochen, 208 Seiten 8,-Haltbarmach Almanach, 160 Seiten illustriert 8,-Das Gartenbuch für Selbstversorger, 224 S. 10,-Ursprünglich Weben, 160 S. 12,-Klaus Bischoff: Tanz aus der Wohnhaft, Leben in Bauwägen 11,50Jens Uwe Ries: Auf der Suche nach einem neuen Zeitalter 12.50Jens Uwe Ries: Anthroposophiekritik 2,50Lars Goral: Die Schuhfibel (Schuhe im Selbstbau) 10,-Hans Hasch: über Topfpflanzen und Anbau 3,-Die Kräuterfibel, alles über Gebrauch und Wirkung 12,-Leary: Neurologik (sein Grundlagenwerk zur Bewußtseinsevolution) 2,50Freistaat Christiania (ein soziales Experiment in Kopenhagen) 3,-Ulrike Meinhof: Letzte Texte 3,50Bakunin: Gott und der Staat 4,-Lafargue: Das Recht auf Faulheit 3,00Peter Brückner: Die Mescalero-Affäre 5.00Peter Brückner: Provokation 4,50Gugenberger, Schweidlenka: Bioregionalismus 12,-Gugenberger, Schweidlenka: Mutter Erde und Politik 19,80Hamburger Farm Musikanten: Nie wieder Fleisch! 3,-Das Vegane Kochbuch, 144 Seiten 4,-Sherbourne House - Brotbackbuch 3,-Dirk Schulte: Der Fliegenpilz und sein Gebrauch 1,-Anthroposophie, Alternative Fassade - autoritäre Wirklichkeit 2,50Rolf Cantzen: Libertäre Utopien 1,-Rolf Schwendter: zur Theorie der Subkultur 1,-Rolf Schwendter: Modelle zur Radikaldemokratie 2,50Wiechula: Lebende Holzhäuser, Architektur mit der Natur 3,-Götz Papke: Dauerhafte Arbeit, eine neue Konzeption von Arbeit 8,-H. Cropp: Streifzüge durchs Bewußtsein der Jahrtausendwende 10,-H. Cropp: Das Projekt Grüne Haare 10,-

Bestellung zzgl 1,45 für Porto an:PPPPPackpapier Vackpapier Vackpapier Vackpapier Vackpapier Verlag, Perlag, Perlag, Perlag, Perlag, Postf 1811, 49008 Osnabrückostf 1811, 49008 Osnabrückostf 1811, 49008 Osnabrückostf 1811, 49008 Osnabrückostf 1811, 49008 Osnabrück

www.packpapierverlag.de / [email protected]