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Sophie Scholl – Die letzten Tage Marc Rothemund Deutschland 2005 filmheft

Sophie Scholl – Die Letzten Tage

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Sophie Scholl – Die letzten TageMarc RothemundDeutschland 2005

filmheft

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Medien prägen unsere Welt. Nicht selten schaffen sie ihr eigenes Universum –schnell und pulsierend, mit der suggestiven Kraft der Bilder. Überall live unddirekt dabei zu sein ist für die junge Generation zum kommunikativen Idealgeworden, das ein immer dichteres Geflecht neuer Techniken legitimiert undzusehends erfolgreich macht.Um in einer von den Medien bestimmten Gesellschaft bestehen zu können, müssen Kinder und Jugendliche möglichst früh lernen, mit Inhalt und Ästhetikder Medien umzugehen, sie zu verstehen, zu hinterfragen und kreativ umzuset-zen. Filmbildung muss daher umfassend in deutsche Lehrpläne eingebundenwerden. Dazu ist ein Umdenken erforderlich, den Film endlich auch im öffent-lichen Bewusstsein in vollem Umfang als Kulturgut anzuerkennen und nicht nurals Unterhaltungsmedium.Kommunikation und Information dürfen dabei nicht nur Mittel zum Zweck sein.Medienbildung bedeutet auch, von den positiven Möglichkeiten des aktiven und kreativen Umgangs mit Medien auszugehen. Medienkompetenz zu vermitteln bedeutet für die pädagogische Praxis, Kinder und Jugendliche bei der Mediennutzung zu unterstützen, ihnen bei der Verarbeitung von Medienein-flüssen und der Analyse von Medienaussagen zu helfen und sie vielleicht sogarzu eigener Medienaktivität und damit zur Mitgestaltung der Medienkultur zu befähigen.Die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb sieht die Medien nach wie vor als Gegenstand kritischer Analyse an, weil Medienkompetenz in einer vonMedien dominierten Welt unverzichtbar ist. Darüber hinaus werden wir denKinofilm und die interaktive Kommunikation viel stärker als bisher in das Konzeptder politischen Bildung einbeziehen und an der Schnittstelle Kino und Schulearbeiten: mit regelmäßig erscheinenden Filmheften wie dem vorliegenden, mitKinoseminaren, themenbezogenen Reihen, einer Beteiligung an bundesweitenSchulfilmwochen, Mediatoren/innenfortbildungen und verschiedenen anderenProjekten.

Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung

Filmbildung■ ■

ImpressumHerausgeberin: Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, Fachbereich Multimedia & ITAdenauerallee 86, 53113 Bonn, Tel. 01888 515-0, Fax 01888 515-113, [email protected], www.bpb.demit freundlicher Unterstützung von X VerleihAutor: Philipp BühlerArbeitsblätter: Petra Anders, Kirsten SchulzRedaktion: Katrin Willmann (verantwortlich), Claudia HennenRedaktionelle Mitarbeit: Holger Twele (auch Satz und Layout), Rüdiger Fleiter, Stefan StilettoUmschlag, Basislayout: Susann UngerDruck: DruckVerlag Kettler, BönenBildnachweis: X Verleih, Jürgen Olczyk© Neuauflage, Oktober 2005

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3Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE

4 Inhalt5 Figuren6 Problemstellung

10 Filmsprache12 Exemplarische

Sequenzanalyse14 Fragen15 Arbeitsblatt16 Sequenzprotokoll 20 Materialien22 Literaturhinweise

Inhalt

Deutschland 2004Regie: Marc RothemundDrehbuch: Fred BreinersdorferKamera: Martin LangerSchnitt: Hans FunckMusik: Reinhold Heil, Johnny KlimekDarsteller/innen: Julia Jentsch (Sophie Scholl), Fabian Hinrichs (Hans Scholl),Alexander Held (Robert Mohr), Johanna Gastdorf (Else Gebel), André Hennicke(Dr. Roland Freisler), Florian Stettner (Christoph Probst), Johannes Suhm(Alexander Schmorell), Maximilian Brückner (Willi Graf), Jörg Hube (RobertScholl), Petra Kelling (Magdalena Scholl) u. a.Produktion: Christoph Müller, Sven Burgemeister für Goldkind Film; Marc Rothemund, Fred Breinersdorfer für Broth FilmKinoverleih: X Verleih AGLänge: 116 MinutenFBW: besonders wertvoll FSK: ab 12 JahrenPreise: Internationale Filmfestspiele Berlin 2005, Silberner Bär für die besteRegieleistung, Silberner Bär für Julia Jentsch als beste Darstellerin

Sophie Scholl – Die letzten Tage

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Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE4

Februar 1943 in München: Die Wider-standsgruppe „Die Weiße Rose“ drucktin ihrem Versteck, einem Hinterhof-atelier, Flugblätter gegen das Terror-regime der Nationalsozialisten. HansScholl überrascht seine Freunde miteinem gefährlichen Plan: Am nächstenTag will er den Aufruf an der Münch-ner Ludwig-Maximilian-Universität verteilen. Als er und seine SchwesterSophie am Morgen die Aula der Uni-versität betreten, ist der Lichthof men-schenleer. Doch in wenigen Minuten,um elf Uhr, werden die Studierendenund Professoren aus den Vorlesungenströmen. In aller Eile legen Hans undSophie Scholl die Flugblätter aus.Beim Verlassen des Gebäudes treffendie Geschwister eine fatale Entschei-dung: Um nicht mit einem halbvollenKoffer heimzukehren, wollen sie auchnoch die letzten verbliebenen Blätterloswerden. Zurück auf der Empore,stößt Sophie übermütig einen ganzenStapel hinunter in den Lichthof. Diebeiden wissen nicht, dass sie längstbeobachtet werden. Der Gong, derdas Ende der Vorlesungen anzeigt,ertönt. Im Gewimmel der Studieren-den werden sie vom Hausmeisterfestgehalten.

Die zermürbenden Verhöre im Wittels-bacher Palais, der Münchner Zentraleder ■ Geheimen Staatspolizei (Gesta-po), dauern drei Tage. Der Inhalt derFlugblätter ist hochbrisant: Die Stu-dentenschaft wird darin aufgerufen,Hitlers Herrschaft nach der vernich-tenden militärischen Niederlage derdeutschen Truppen in ■ Stalingradendlich entgegenzutreten. Für solchen„Hochverrat“ in Kriegszeiten droht den

■ ■ Inhalt

Die Gespräche mit Mohr werden nicht nur zum nervenaufreibendenVersteckspiel, sondern auch zumphilosophischen Schlagabtausch. Mit beeindruckender Schärfe benenntSophie die Untaten des nationalso-zialistischen Deutschland: politischeUnterdrückung, Judenmord undEuthanasie. Ihr Gewissen und derGlaube an Gott ließen ihr keine andereWahl als den Widerstand, beteuertsie. Der kaltherzige Beamte ist plötz-lich verunsichert und baut der mutigenjungen Frau eine „goldene Brücke“:Sollte sie sich von ihrem Bruder ideo-logisch distanzieren, könnte sie demTod doch noch entkommen. DochSophie ist nun zu allem entschlossenund will ihre Überzeugungen bis zurletzten Konsequenz verteidigen. Wiees wirklich in ihr aussieht, weiß nurihre Zellengenossin Else Gebel.Nachts betet Sophie zu Gott undweint sich in den Schlaf.

Der eilends angesetzte Schauprozessvor Roland Freislers Volksgerichtshofist eine Farce. Der gefürchtete Richterlässt die Angeklagten kaum zu Wortkommen, eine Verteidigung bestehtnur zum Schein. Das Urteil steht ohne-hin fest: Sophie, Hans und Christophwerden zum Tode verurteilt und nocham gleichen Tag mit dem Fallbeil hin-gerichtet.

beiden die Todesstrafe. Der Verneh-mungsbeamte Robert Mohr, Krimi-nalobersekretär bei der Gestapo, istmit allen Wassern gewaschen. Erführt die Gespräche mit peinlicherAkribie, sieht aber von den bei derGestapo üblichen brutalen Methodenab. Eine ganze Weile kann ihm So-phie Paroli bieten. Geschickt weichtsie seinen Fragen aus und gibt nurzu, was nicht zu leugnen ist. DerVerhörspezialist lässt sich von derUnschuld der Geschwister überzeu-gen, denn die Ausreden beider sindgenau aufeinander abgestimmt. Als Sophie in ihre Zelle geführt wird,rechnet sie mit ihrer baldigenFreilassung.

Doch ihre Hoffnungen schwinden mit einem Schlag. In der gemein-samen Wohnung hat die Gestapoerdrückende Beweise gefunden.Auch ihr Mitstreiter Christoph Probstist nun schwer belastet. Als sieerfährt, dass Hans in seinem Verhöralles auf sich genommen hat, ändertSophie ihre Strategie. Sie legt einGeständnis ab, in dem sie sich undHans zu alleinigen Tätern erklärt. Vonnun an geht es nur noch darum, dieanderen Mitglieder der Weißen Rosenicht zu verraten. Dass sie damit ihrTodesurteil unterschreibt, ist Sophiebewusst.

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5Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE

Die Gestapowurde im April 1933 vom damaligenpreußischen Innenminister HermannGöring gegründet. Sie entwickelte sichin kurzer Zeit zu einer eigenständigen,aus den traditionellen Polizei- undVerwaltungsbehörden herausgelösten„Gesinnungspolizei“. Ihre Aufgabe wardie Bekämpfung von tatsächlichenoder vermeintlichen politischen Geg-nern des NS-Regimes. Vor allem fürKommunisten/innen und Sozialde-mokraten/innen wurde die Gestapo-Zentrale in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße bald zur Durchgangsstation indie Konzentrationslager. Die Effektivitätder zahlenmäßig kleinen Gestapoberuhte auf einem ausgedehntenÜberwachungssystem aus Spitzelnund auf freiwilligem Denunziantentum.

Die Schlacht um Stalingradbegann mit der deutschen Sommer-offensive von 1942. Bis Novemberhatte die 6. Armee unter GeneralFriedrich Paulus fast 90 Prozent derIndustriestadt (heute: Wolgograd)besetzt. Durch eine Großoffensive derRoten Armee wurde sie kurz daraufeingeschlossen und in erbittertemHäuserkampf besiegt. 150.000 deut-sche Soldaten fielen, 90.000 gerietenin Kriegsgefangenschaft. Für dieKriegsmoral der deutschen Bevölke-rung bedeutete die Niederlage einenersten Wendepunkt.

Die Hitler-Jugend (HJ)wurde 1926 auf dem 2. Reichspartei-tag der NSDAP gegründet und 1933nach der Machtübernahme von einerPartei- zu einer Staatsjugend umge-wandelt. Seit 1939 war die Mitglied-schaft endgültig Pflicht, danach warenetwa 8,7 Mio. Jugendliche in den ver-schiedenen Verbänden organisiert. Das Deutsche Jungvolk (DJ) erfasstedie zehn- bis 14-jährigen Jungen(„Pimpfe“), die eigentliche HJ die 14-bis 18-jährigen Jungen. In gleicherWeise waren die zur HJ gehörendenMädchenverbände in Jungmädelbund(JM) und Bund Deutscher Mädel(BDM) gegliedert. Nach dem Prinzip„Jugend wird von Jugend geführt“ war die uniformiert auftretende HJstreng militärisch organisiert. FeierlicheAufzüge, Ausflüge und „Geländespiele“machten sie für viele Jugendlicheattraktiv. Vermittelt wurde dabei dieNS-Ideologie mit ihrem Wertesystemvon Kameradschaft, Pflichterfüllungund Willensstärke. Später diente die HJ vor allem der Rekrutierung vonSoldaten.

■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■Figuren

politischen und religiösen Menschenerzogen. Früher war Robert SchollBürgermeister im Schwäbischen. Weiler Hitler „eine Gottesgeißel“ genannthat, war er gerade erst in Haft. VorGericht versuchen die beiden vergeb-lich, sich Gehör zu verschaffen.

Robert MohrDer Gestapobeamte war früher bei der Polizei. Dem Nationalsozialismusverdankt er seinen Aufstieg. SophiesStandfestigkeit beeindruckt auch ihn.Darum baut er ihr eine „goldeneBrücke“. – Robert Mohr verfasstenach dem Krieg für Robert Scholleinen Bericht über die Verhöre. AlsPolizist durfte er nicht mehr arbeiten.

Else GebelSophies Zellengenossin ist nebenMohr Sophies einzige Ansprechpart-nerin in den Tagen vor ihrer Hinrich-tung. Mit ihr redet Sophie auch überihre Träume und Ängste, hält sichjedoch mit politischen Äußerungenzurück. Die Kommunistin soll dafürSorge tragen, dass Sophie sich nichtumbringt.

Roland FreislerDer „Blutrichter“ mit der schnarren-den Stimme ist seit August 1942Präsident des Volksgerichtshofs. Als verlängerter Arm des Terrors fühlter sich keinem Gesetz, sondern nurAdolf Hitler verpflichtet. – RolandFreisler, der in seiner zweieinhalbjähri-gen Amtszeit über 2000 Todesurteilefällte, kam am 3. Februar 1945 beieinem Bombenangriff auf Berlin umsLeben.

Jakob SchmiedOhne Denunzianten wie ihn würdedas NS-System nicht funktionieren.Der Hausmeister der Münchner Unizeigt die Geschwister Scholl gegen-über der Polizei an. – Jakob Schmiedwurde nach dem Krieg von denAmerikanern zu fünf Jahren Arbeits-lager verurteilt. In einem nicht bear-beiteten Gnadengesuch gab er an,nur seine Pflicht getan zu haben.

Sophie SchollDie 21-Jährige ist erst spät zur WeißenRose gestoßen. Als Schülerin war sieim „Bund Deutscher Mädel“ (BDM)aktiv und hat wie so viele Hoffnungenauf Hitler gesetzt. Nun aber geht dieStudentin für ihre Überzeugungen biszum Äußersten. Aus dem gefühlvollenMädchen mit vielen Träumen wird ei-ne echte Kämpferin, die keine/n ihrer Kameraden/innen verrät. – SophieScholl wurde am 22. Februar 1943 hingerichtet.

Hans SchollSophies drei Jahre älterer Bruder istGründungsmitglied der Weißen Roseund Mitverfasser ihrer Flugblätter.Auch er war früher in der ■ Hitler-Ju-gend. Als Soldat an der Ostfront hatder Medizinstudent die Gräuel desZweiten Weltkriegs hautnah miterlebtund weiß, dass der Krieg nicht zugewinnen ist. Mit seiner sachgerech-ten Kritik bringt er Freisler vor Gerichtgehörig in Rage. – Hans Scholl wurdeam 22. Februar 1943 hingerichtet.

Christoph ProbstDer 23-jährige Mediziner hat sich beiden Aktionen zuletzt zurückgehalten,um sich als Vater von drei Kindernnicht in Gefahr zu bringen. Ein von ihmverfasster Flugblattentwurf, den Hansbei seiner Verhaftung unvorsichtiger-weise dabei hat, überführt auch ihn.Mit Zustimmung der GeschwisterScholl bestreitet er bis zuletzt die akti-ve Mitarbeit. – Christoph Probst wurdeam 22. Februar 1943 hingerichtet.

Robert und Magdalena SchollDie Eltern haben Hans und Sophie zu

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Neben dem militärischen Widerstanddes 20. Juli 1944 hat keine andereWiderstandsgruppe in der Nachkriegs-zeit der Bundesrepublik Deutschlandso viel Beachtung und Bewunderunggefunden wie die Weiße Rose. Inner-halb dieser Gruppe entwickelte dasSchicksal von Sophie Scholl gerade für Jugendliche seit jeher besondereAnziehungskraft. Sie war keineswegsdas wichtigste Mitglied. Doch geradeihre Eigenständigkeit im Denken undHandeln, die sich schon in jungen Jahren belegen lässt, war Grund fürbesondere Anerkennung. Ihre imNachlass erhaltenen Tagebucheinträgeund Briefe, ihr Verhalten während derHaft sowie spätere Filme und Publi-kationen zeichneten nachfolgendenGenerationen das Bild einer außerge-wöhnlichen Persönlichkeit. Selbstver-ständlich war auch ihr Status als jüngstes Mitglied und einzige Frau imengeren Kreis der Gruppe von ent-scheidender Bedeutung. In SOPHIESCHOLL – DIE LETZTEN TAGE be-schränkt sich Regisseur Marc Rothe-mund ganz auf ihre Person und dieunmittelbar auf ihre Festnahme am 18. Februar 1943 folgende Inhaftie-rung. Anlass bot der seit der deut-schen Wiedervereinigung erleichterteZugang zu Dokumenten aus denBeständen des Ministeriums fürStaatssicherheit der früheren DDR und des Zentralen Parteiarchivs derSED. Insbesondere die langen Verhöredurch den Gestapobeamten RobertMohr konnten anhand der Verneh-mungsprotokolle eindrucksvoll rekon-struiert werden. Das gleiche gilt für den Prozess vor Roland Freislers sogenanntem ■ Volksgerichtshof.

Um Vor- und Nachteile von Rothe-munds Vorgehen abzuwägen, lohnt einVergleich mit einer früheren Verfilmung.Michael Verhoevens DIE WEISSEROSE (1982) bemüht sich um ein voll-ständigeres Bild der Gruppe. WichtigeNamen und Ereignisse, die Rothe-mund nur am Rande erwähnt, werdenhier stärker in den Vordergrund ge-rückt. Die inneren Diskussionen über

Inhalte und Ziele ihres Widerstands,aber auch das positive Lebensgefühlinnerhalb eines Freundeskreises wer-den annähernd faktengetreu wiederge-geben. SOPHIE SCHOLL – DIE LETZ-TEN TAGE, weit gehend ein Kammer-spiel, wirkt demgegenüber abstrakterund dennoch bewegend. Rothemundkann für sich beanspruchen, seinehistorische Hauptfigur (ergreifend dar-gestellt von Julia Jentsch) noch ein-fühlsamer zu beschreiben. Weiterhin ist es gerade auch für den Unterrichtinteressant, dass hier die Funktions-weise des Polizei- und Justizapparatsim NS-Staat auf detaillierte Weise ver-anschaulicht wird. Für den emotionalenGehalt sorgen die aus historischenQuellen (Verhör- oder Gerichtsproto-kolle, Zeitzeugenberichte) rekonstruier-ten Dialoge und Gesten. In prägnanteBilder gefasst, regen sie in ihrermenschlichen Wärme und moralischenWucht noch heute zur Identifikation an.

„Es gibt kein Zurück“ – Sophie im Verhör

Der Film beginnt mit einem Bild jugend-lichen Überschwangs. Über ein Radiogelehnt, lauschen Sophie und ihreFreundin Gisela in ausgelassenerStimmung verbotener Swing-Musik. Sozeigt sich hier bereits ein Hang zumLeichtsinn, der an jenem 18. Februarfatale Konsequenzen für die Wider-standsgruppe haben sollte. Bei ihrerFlugblattaktion an der Münchner Universchätzen sich Hans und Sophie inder ihnen tatsächlich verbleibendenZeit. So werden sie vom Hausmeister,dem Prototyp eines Denunzianten,bereits beobachtet und kurz darauffestgenommen. Sophies SchwesterInge schrieb später dazu: „Zwei Augenhatten sich vom Herzen ihres Besitzersgelöst und waren zu automatischenLinsen der Diktatur geworden.“ In denfolgenden Verhören mit Mohr mussSophie, getrennt von Hans und ganzauf sich allein gestellt, alle Kräfte undSinne zusammennehmen. In direkterKonfrontation mit einer Diktatur sindkeine Schwächen erlaubt. So streitet

sie zunächst jede Beteiligung an denFlugblattaktionen ab. Als sie Mohr mitunwiderleglichen Beweisen konfron-tiert, ändert sie scheinbar kühl ihreStrategie: Sie und ihr Bruder seien diealleinigen „Täter“. Von nun an ist sienur noch darum bemüht, die anderenMitglieder der Weißen Rose um kei-nen Preis ans Messer zu liefern. Dafür, aber auch für ihre Ideale, ist siebereit, in den Tod zu gehen. Ihre uner-schrockene Art beeindruckt Mohr der-art, dass er ihr eine „goldene Brücke“baut. Wohlgemerkt verlangt er nunnicht mehr den Verrat an den Freun-den. Als rein taktische Maßnahmeempfiehlt er Sophie, sich ideologischzu distanzieren, ihre Mitwirkung in derBewegung als „Fehler“ zu bekennenund so zumindest ihren Kopf zu ret-ten. Mohr weiß, dass er keine Haupt-täterin vor sich hat. Die Gründe,warum es für sie „kein Zurück“ gibt,entziehen sich jedoch der Vorstel-lungskraft des Beamten. Sie liegenausschließlich in ihrem Gewissen und dem Wissen um die moralischeNotwendigkeit des Widerstands. Wiekonsequent Sophie Gefühle und Ge-wissen zu trennen versteht, zeigenihre Gespräche mit der ZellengenossinElse Gebel (nach ihrem Bericht drehtePercy Adlon 1982 den Film FÜNFLETZTE TAGE, der in seinem drama-turgischen Aufbau dem Rothemundsähnelt). Hier wird eine andere Sophiesichtbar, der die Angst vor dem Todkeineswegs fremd ist. In vielem unter-scheidet sie sich nicht von anderenFrauen ihres Alters zu jener Zeit: Siesehnt sich nach der Geborgenheitihres Elternhauses, ihrem Verlobten

■ ■ Problemstellung

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7Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE

Fritz und nach dem Frieden. Ihr christ-licher Glaube ist ihr darin eine wichtigeStütze.

„Gott, Gewissen, Mitgefühl“ –Sophies Welt

Sophies Standfestigkeit ist nur zu er-klären durch einen Einblick in ihreGedankenwelt, wie sie der Film bietet.Von ihren Eltern wurden die Geschwis-ter Scholl nach den Idealen religiöserSittlichkeit und politischer Freiheit erzo-gen. Wie sehr sie diese Ideale durchden Nationalsozialismus verletzt sahen,zeigen die „Flugblätter der WeißenRose“, die von Hans maßgeblich mit-verfasst wurden. Zu ihrem älteren Bruder hat die 21-Jährige ein inniges Verhältnis. Mit ihmteilt sie die anfängliche Sympathie fürHitler. Wegen seiner Aktivitäten in der■ „Bündischen Jugend“ kamen Sophieund ihre Geschwister schon 1937 inSippenhaft, was sie in ihrer Hinwen-dung zu Humanität und Christentumbestärkt hat. Hans’ Erlebnisse als Sol-dat an der Ostfront im Sommer 1942haben sie wie alle anderen Mitgliederder Gruppe davon überzeugt, dass dermenschenverachtende Krieg beendetwerden muss. Im Film zitiert sie Hansmit dessen Losung „Ein harter Geist,ein weiches Herz“. Sophie hat diesenGedanken allerdings konsequenter zuEnde gedacht als alle anderen. ÜberFragen wie Sabotage und die Unaus-weichlichkeit einer Niederlage hatte siemit ihrem an der Ostfront stationiertenVerlobten Fritz Hartnagel oft heftigenStreit. Im Film erwähnt sie dies gegen-über Else Gebel nur am Rande und

erinnert sich vielmehr an die unbe-schwerten Momente jenes Sommers1942, bevor ihr Bruder und Fritz an die Ostfront verschickt wurden und ihr Vater wegen Verstoßes gegen das „Heimtücke“-Gesetz für mehrereMonate in Haft kam. In den Gesprä-chen mit Mohr, die zeitweilig dieBahnen eines gewöhnlichen Verhörsverlassen, gibt sie ihren Überzeugun-gen nachhaltig Ausdruck. Begriffe wie„Freiheit“ und „Ehre“, in Sophies Augenvon den Nationalsozialisten miss-braucht, werden von beiden völliggegensätzlich interpretiert. Sophiebesteht auf dem „freien Wort“, nachheutigem Verständnis ein Menschen-recht; Mohr hat eine rein nationalePerspektive: „Nie wieder Besatzung auf deutschem Boden“. SeinemBeharren auf dem „Gesetz“, das dieGesellschaft vor Chaos schütze,begegnet sie mit dem „menschlichenGewissen“, das im Gegensatz zumGesetz keinen Veränderungen unterlie-ge. Gegen Sophies Glauben verstoßeninsbesondere das Vorgehen gegen dieJuden und die Euthanasie, also dievom NS-Regime vorgenommene Ver-nichtung der als „minderwertig“ odergar „unwert“ angesehenen Menschen.Die Entscheidung über den Wert einesLebens liegt für sie nicht beim Men-schen, sondern ausschließlich bei Gott.Da all ihre Mitstreiter/innen diese An-sichten teilen, fühlt sie sich mit ihnendurch ein unsichtbares Band verbun-den. Es ist also nicht allein die Angstum Freunde und Bekannte, die ihr inihrer Situation Stärke gibt. Angesichtsder Schreckensherrschaft ist für sieWiderstand Pflicht – bis zuletzt.

■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■

Der Volksgerichtshofwar ein rein politisches Gericht zurAusschaltung der NS-Gegner. Nebenvermeintlichem Hoch- und Landesver-rat war er auch für die Aburteilung von„Feindbegünstigung“, Spionage und so genannter Wehrkraftzersetzung zu-ständig. Das Gericht urteilte auf derGrundlage von NS-Sonderbestim-mungen, die das traditionelle Rechtverletzten: Das Kriegssonderstrafrecht(1938) stellte jegliche Kritik am NS-Regime unter Strafe, selbst kleinsteVergehen wurden mit der Todesstrafegeahndet. Die Urteile des Volksge-richtshofs konnten nicht angefochtenwerden, die Verteidiger mussten vomRichter genehmigt werden. RolandFreisler machte den Volksgerichtshofab 1942 endgültig zu einem reinenTerrorinstrument des NS-Regimes:Fast die Hälfte aller Urteile waren seit-dem Todesurteile, die oft schon kurznach der Urteilsverkündung vollstrecktwurden. Abgeurteilt wurden hier auchdie Mitglieder der Roten Kapelle, derWeißen Rose, des Kreisauer Kreisesund die Attentäter des 20. Juli 1944.

Die Bündische Jugendist ein Sammelbegriff für verschiedenepolitisch unabhängige Jugendbünde,die sich 1926 zum „Bund der Wander-vögel und Pfadfinder“ zusammen-schlossen. Allen gemeinsam war einnaturverbundener Romantizismus unddie Suche nach einem selbstbestimm-ten Leben. Auf langen Fahrten ins Grü-ne lasen die etwa 50.000 organisiertenMitglieder aus teilweise verbotenenBüchern und spielten auch amerikani-sche Country-Musik. 1933 wurdensämtliche „bündischen Umtriebe“ ver-boten. Innerhalb des „Jungvolks“ derHJ führten sie aber weiterhin einEigenleben.

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„Schlag auf Schlag“ – In denMühlen der NS-Justiz

Am selben Tag, als die GeschwisterScholl verhaftet wurden, hielt Propa-gandaminister Joseph Goebbels imBerliner Sportpalast seine berüchtigteRede vom ■ „totalen Krieg“. Im Filmist sie bei Sophies Einlieferung insGefängnis über einen Volksempfängerim Raum zu hören. Der Zusammen-hang wurde keineswegs zufällig ge-wählt. Das Flugblatt und die Redebezogen sich auf dasselbe Ereignis.Wenige Tage zuvor, am 3. Februar1943, hatte das Oberkommando derWehrmacht die endgültige Niederlageim Kampf um Stalingrad gemeldet.Während der Minister seine Anhängerzum letzten Aufbäumen einschwor,forderte das Flugblatt den „Tag derAbrechnung“. In dieser Phase desKrieges erfüllte ein solcher Aufruf zumWiderstand nicht nur den Tatbestandvon „Hochverrat“ und „Wehrkraftzer-setzung“. Er fiel bei der zuvor sieges-

gewissen Bevölkerung auf fruchtbarenBoden. Nur so ist die Aufgeregtheit zuerklären, mit der Polizei und Justiz aufdie Aktivitäten der Weißen Rose rea-gierten. Schon im Vorfeld der Verhaf-tung wurde der Urheberschaft der Flug-blätter und illegaler Graffiti wie „Niedermit Hitler!“ intensiv nachgegangen. Lei-ter der Untersuchungen war der ehe-malige Kriminalbeamte Robert Mohr,mit 26 Jahren Diensterfahrung einerder gewieftesten Köpfe der Gestapo.

Im Film ist Mohr ein kühler Beamterund Parteigänger des Nationalsozia-lismus. In den Verhören spielt er be-rechnend seine Autorität aus, Vorwür-fe wie ■ Judenvernichtung und ■ Eu-thanasie kontert er mit der bekanntenNS-Rhetorik. Gleichwohl bringt ihn So-phies klare Argumentation zeitweise indie Defensive. In der Diskussion überden Russlandfeldzug zeigt er schließlichsogar Gefühle: Auch sein Sohn stehtals Soldat an der ■ Ostfront. Dochdavon und auch vor seiner vergleichs-

weise gemäßigten Verhörpraxis sollteman sich nicht täuschen lassen.Mohrs Selbstzweifel können seiner„Weltanschauung“ nichts anhaben. Mit seiner akribischen Beweisführungist er genauso ein Vollstrecker desMachtapparats wie Roland Freisler. Im Fall des berüchtigten „Blutrichters“allerdings wäre jede Differenzierungunangebracht. Als Präsident des Volks-gerichtshofs seit August 1942 reprä-sentiert dieser die furchtbarste Seiteder NS-Herrschaft: die gnadenloseVernichtung des politischen Gegners.Das von Mohr und Sophie eindringlichdiskutierte Verhältnis von Gesetz undGewissen hat für ihn keine Bedeutung.In seinem Gewissen ausschließlichAdolf Hitler verpflichtet, tritt Freislerselbst das im NS-Staat geltendeRecht mit Füßen. Die Todesstrafesteht von vornherein fest, Entlastungs-zeugen gibt es ebensowenig wie eineordnungsgemäße Verteidigung. DieAngeklagten werden im Gerichtssaalgeradezu niedergebrüllt und mit infa-

■ ■ Problemstellung

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9Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE

men Verleumdungen überzogen („Voll-idioten, Dummköpfe, Schmarotzer“).Vor diesem eiskalten „Gesinnungs-täter“ hat auch der an den Aktionenkaum beteiligte und um Begnadigungbittende Christoph Probst keineChance.

„Ich würde alles genau so wieder machen“ – Das Erbe der Sophie Scholl

Wie „effektiv“ der Widerstand derWeißen Rose war, wie viele Menschener erreicht hat, wird sich letztlich niebelegen lassen. Für Christoph Probststeht im Film jedoch fest: „Es warnicht vergebens.“ Über den Hambur-ger Zweig gelangte das letzte Flugblattins Ausland, 1943 warf die englischeLuftwaffe hunderttausende vervielfäl-tigte Exemplare über Deutschland ab.Schriftsteller wie Thomas Mann undPolitiker wie Winston Churchill oderTheodor Heuss sahen die Studieren-den als Vertreter eines „besseren,anderen Deutschlands“, das sich eben doch nicht gänzlich dem Natio-nalsozialismus unterworfen hatte – soklein ihre Zahl auch war. Die wahreGeschichte zeigt ebenso wie der Film,dass sich Sophie und die anderen dieser symbolischen Bedeutung ihresHandelns bewusst waren. Deutlichwird dies in zahlreichen Originalzitaten,die der Drehbuchautor Fred Breiners-dorfer Briefen, Tagebüchern, Zeitzeu-genberichten und den Texten derFlugblätter entnahm und in die Dialogeeinarbeitete („So viele fallen im Kampffür dieses Regime, da müssen auchwelche dagegen fallen“, „Sollen wirdenn auf ewig das von aller Weltgehasste und ausgestoßene Volksein?“). Ihr unerschrockener Mut undauch diese Weitsicht machen SophieScholl zu einer der wohl faszinierends-ten Persönlichkeiten der deutschenGeschichte. Ihr Kampf für Frieden undFreiheit hat seitdem viele Menscheninspiriert.

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Der „totale Krieg“wurde am 18. Februar 1943 vonReichspropagandaminister JosephGoebbels öffentlich ausgerufen. Unterdem unmittelbaren Eindruck der Nie-derlage von Stalingrad forderte er in einer fanatischen, aber von denAnwesenden bejubelten Rede imBerliner Sportpalast zum Durchhaltenauf. Resultat war die totale Mobilisie-rung sämtlicher personeller und mate-rieller Ressourcen für den angestreb-ten „Endsieg“. Alle waffenfähigenMänner zwischen 16 und 65 (abHerbst 1944 der so genannte Volks-sturm) sowie Frauen zwischen 17 und45 Jahren wurden fortan zur Reichs-verteidigung herangezogen. Im Som-mer 1944 wurden alle kriegsunwichti-gen Betriebe geschlossen und großeTeile der Bevölkerung zur Arbeit in derRüstungsindustrie verpflichtet.

Euthanasiebezeichnet den Mord an Menschen,deren Leben nach der NS-Ideologieals „nicht lebenswert“ galt. Der Begriffbedeutet ursprünglich „schöner Tod“.Aus rassenhygienischen Erwägungen,die Teil der NS-Lehre waren, brachtedas Regime im Rahmen der „Aktion T 4“ 70.000 unheilbar Kranke und Be-hinderte um, zumeist durch Gas oderGift. Hierzu war die Mitarbeit von Ärz-ten und Pflegepersonal nötig. NachProtesten aus der Bevölkerung, unteranderem einer Predigt des Bischofsvon Münster 1941, schränkte das NS-Regime die „Euthanasie“ ein, da esden Rückhalt in der Bevölkerung nichtgefährden wollte. Weitere Mordaktio-nen liefen insgeheim weiter.

Die Ostfrontverlief auf einer Länge von 1.600Kilometern zunächst von der Ostseebis zum Schwarzen Meer. Nach demÜberfall auf die Sowjetunion 1941standen gewaltige Raumgewinne riesi-gen Verlusten gegenüber. Zeitweisereichte die Ostfront bis kurz vorMoskau. In den durch die Wehrmachteroberten Gebieten ermordeten deut-sche Einsatzgruppen Juden, Kommu-nisten sowie Sinti und Roma. Mit demVorrücken der Roten Armee wurde derFrontverlauf immer weiter zurückge-drängt. 1945 verlief die Ostfront ent-lang der Außenbezirke von Berlin.

Der Völkermord an den Judenbegann mit dem deutschen Überfallauf Polen im Herbst 1939. Hinter denLinien der Wehrmacht ermordeten ei-gens dafür zusammengestellte Son-dereinheiten – so genannte Einsatz-gruppen – polnische Zivilisten undJuden. Der Angriff auf die Sowjetunion1941 wurde von der Wehrmacht alsVernichtungsfeldzug gegen Juden undKommunisten konzipiert. Außerhalbvon Kampfhandlungen ermordeten dieEinsatzgruppen, teilweise unter Betei-ligung der Wehrmacht, systematischdie jüdische Bevölkerung. Hundert-tausende von Juden deportierte dasNS-Regime aus Westeuropa in Lagerin den besetzten Gebieten im Osten.Schließlich baute es eigene Vernich-tungslager (zum Beispiel in Auschwitz),in denen es Juden massenhaft vergas-te. Insgesamt kostete der antisemiti-sche Rassenwahn etwa sechs Millio-nen Juden das Leben.

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Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE10

Über weite Strecken ein Kammer-spiel, vereint SOPHIE SCHOLL – DIELETZTEN TAGE Elemente von Film-biografie, Kriminalthriller und Gerichts-film. Nach einem kurzen Blick in So-phies Privatleben steigert sich dieSpannung sehr schnell. Ein ersterHöhepunkt ist die Flugblattaktion ander Universität mit der anschließen-den Verhaftung. Danach beschränktsich die linear erzählte Handlung aus-schließlich auf Innenräume. Die Folgeist eine Atmosphäre der Beklem-mung, die Sophies emotionalenZustand reflektiert und bis zum dra-matischen Schluss anhält. Für dieAuthentizität als Geschichtsfilm bür-gen unterschiedlichste historischeQuellen wie Zeitzeugenberichte,Polizeiprotokolle und Gerichtsurteile.Auf geschickte, nur selten manipulie-rende Weise bilden sie die Grundlagefür die den Film bestimmenden Dia-loge. So wurden zum Beispiel aucheinzelne Textpassagen aus denFlugblättern der Weißen Rose denDarstellern/innen in den Mund gelegt.Diese tragen durch äußerst diszipli-nierte Schauspielleistungen wesent-lich zum Gelingen des Films bei. IhrSpiel ist deutlich zurückgenommen.Denn Täter wie Opfer agieren in einerZeit, in der offen gelegte Emotionenden Tod bedeuten können. Beson-ders gilt dies für die Hauptfigur So-phie Scholl. Wie sie unter ungeheu-rem psychischem Druck die Selbst-kontrolle bewahrt, ist eigentlichesThema des Films. Nur in wenigenSituationen gestattet sie sich denAusbruch von Gefühlen. Wenn sieallein ist, kanalisiert sie Angst undWut in Weinen und lautem Brüllen.

In den Verhören ist Sophies Körper-sprache bemerkenswert: Während ihrOberkörper regungslos bleibt, strei-chen ihre Hände unterhalb der Tisch-kante – unsichtbar – nervös über dieKnie. Sophies Glauben an die Freiheitund das Glück im Jenseits vermitteltdagegen das durchgängige Motiv vonFenstern und das durch sie einfallen-de Tageslicht, welches mit dem trü-ben elektrischen Licht in Zelle undVerhörzimmer kontrastiert. Ob in derZelle oder im Lichthof des Justizge-bäudes kurz vor der Hinrichtung:Stets geht ihr mal bitterer, mal hoff-nungsvoller Blick nach draußen. Ihreletzten Worte lauten: „Die Sonnescheint noch.“

Ausstattung

In einem Geschichtsfilm muss diebehandelte Zeit oft erst aufwändigrekonstruiert werden, da die einstigenSchauplätze nicht mehr existierenoder sich stark verändert haben.Gerade in Filmen über den National-sozialismus stellen Hakenkreuzflag-gen, Naziuniformen sowie Kostümeund Frisuren im Stil der 1940er-Jahreoft den eigentlichen Schauwert dar.Dagegen fällt die Ausstattung in

■ ■ Filmsprache

SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTENTAGE fast minimalistisch aus, bei den Kostümen überwiegen gedeckteFarben, auffällige Zeitbezüge wurdenvermieden. Die Ludwigstraße vor dererhalten gebliebenen MünchnerUniversität musste lediglich für einpaar Stunden abgesperrt werden. Der Schauprozess wurde in einemSaal des Rathauses gedreht, dieAtmosphäre, insbesondere Erschei-nung und Sprachduktus RolandFreislers, wurden jedoch mittels derFilmaufnahmen vom Prozess gegendie Männer des 20. Juli detailgetreurekonstruiert. Die übrigen Innenräu-me, insbesondere Verhörzimmer undZellen, wurden zwar eigens auf demGelände der Bavaria-Filmstudios auf-gebaut. Doch die kahlen Wände undspärlichen Einrichtungen lenken zukeiner Zeit von den Darstellern/innenab. Sie erzeugen einen gewollt trost-losen Eindruck.

Kamera und Schnitt

Die Verhöre von Sophie, Herzstückdes Films, werden in der geläufigen ■ Schuss-Gegenschuss-Technikabgebildet. Hier hat die von MartinLanger geführte Kamera nur wenig

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11Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE

Spielraum. Sie bleibt meist auf mitt-lerer Distanz, ■ Großaufnahmen vonGesichtern sind den Szenen vonProzess und Hinrichtung vorbehalten.Nicht die Kamera, sondern das Spielder Darsteller/innen soll die Identifika-tion mit ihnen ermöglichen. ■ Auf-und Untersichten kommen nur be-grenzt zum Einsatz. So etwa bei derersten Vernehmung der Geschwisterdurch Mohr, der aus Sicht der sitzen-den Sophie bedrohlich wirkt. In denVerhören allerdings begegnen sichMohr und Sophie auf Augenhöhe.Eine Ausnahme vom ruhigen Schnitt-rhythmus des Films bildet die span-nungsgeladene Flugblattaktion, diezur Verhaftung von Hans und Sophieführt. Hier wird auch die äußerstbewegliche ■ Steadycam verwendet.Sie vermag dem Weg der Geschwis-ter über Treppen und Emporen zu fol-gen und fängt die hastige Aktion ausunterschiedlichsten Perspektivendynamisch ein. Die Scholls werdendabei in schnellen Schnittwechselnsowohl von hinten als auch von vorngezeigt. Außerdem findet ein ständi-ger Wechsel von Auf- und Untersich-ten statt. Ersteres vermittelt jeweilsein bedrohliches Gefühl des Beob-achtetwerdens. Letzteres zeigt dieGeschwister als Handelnde. ZurVerdeutlichung des Fenstermotivs,das für Sophies nie ausgesprocheneHoffnung steht, kommt gelegentlichdie ■ subjektive Kamera zum Einsatz.In der Prozesssequenz ist bemer-kenswert, dass hier wie schon in denVerhören auf Auf- und Untersichtenverzichtet wird, Freisler also nichtübermäßig dämonisiert wird.

Kameraperspektiven Die übliche Kameraperspektive ist dieNormalsicht. Sie fängt das Gesche-hen in Augenhöhe der Handlungsfi-guren ein und versucht, unsere ‘nor-male’ perspektivische Wahrnehmungabzubilden. Aus der Untersicht/Froschperspektive aufgenommeneObjekte und Personen können mächtigund bedrohlich wirken, während dieAufsicht/Obersicht/Vogelperspek-tive Personen als klein, hilflos oder ein-sam inszenieren kann. Die Schräg-sicht/gekippte Kamera evoziert einenirrealen Eindruck und wird häufig inHorrorfilmen eingesetzt.

Schuss-Gegenschuss-Technikbezeichnet eine Sequenz von Einstel-lungen, in denen die Darsteller/inneninsbesondere während eines Dialogsabwechselnd gezeigt werden. Dabeibewegt sich die Kamera auf nur einerBlickachse.

Subjektive Kameraauch: Point of view shot. Die Kameranimmt die Position einer Figur ein. DasBild zeigt also, was die Person selbstsieht. Die Wirkung ist besonders sug-gestiv.

Steadycamam Körper des Kameramanns/derKamerafrau befestigtes Tragstativ mitFederungssystem, das auch beischnellen Bewegungen eine ruhigeBildführung ermöglicht.

MusikDas Filmerlebnis wird zu einem gehöri-gen Teil von der Filmmusik beeinflusst.Sie kann Stimmungen begleiten (Illus-tration), in eine bestimmte Richtunglenken (Polarisierung) oder im krassenGegensatz zu den Bildern stehen(Kontrapunkt). Eine extreme Form derIllustration ist die Pointierung (auch:Mickeymousing), die nur kurze Mo-mente der Handlung mit passendenmusikalischen Signalen unterlegt. BeiSzenenwechseln, Ellipsen, Parallel-montagen oder Montagesequenzenfungiert die Musik als akustischeKlammer, in dem sie die Übergängeals zusammengehörig definiert.

Realmusikim Rahmen der Handlung eingespielteMusik, also z. B. Musik aus dem Radiooder bei einer Tanzveranstaltung. Weildie Figuren sie selbst wahrnehmen,wirkt sie authentischer als die Film-komposition.

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Musik und Ton

Der Film beginnt mit Swingmusik(„Sugar“ von Billie Holliday ) aus demRadio, deren Melodie und Text dieAkteurinnen nachzusingen versu-chen. Durch die ■ Realmusik wirdeine glaubwürdige und zugleich per-sönliche Atmosphäre geschaffen, inwelcher Sophie Scholl als vergnügtejunge Frau erscheint. Danach wirdMusik nur sehr sparsam, aber dra-maturgisch höchst effektiv eingesetzt.Ein dramatischer Streichersatz be-gleitet in der Anfangssequenz denDruck eines Flugblattes. Die anschlie-ßende Flugblattaktion und später dieFahrt zum Prozess sind mit DrumBeats unterlegt. Hierbei handelt essich um einen bewussten Anachro-nismus, der auch einem jüngerenPublikum mit anderen Hörgewohn-heiten die Dynamik der Situation ver-mitteln soll und eine stärkere Identi-fikation mit dem Geschehen in derGegenwart ermöglicht – schließlichhat die Bedeutung des Widerstandsbis heute nicht an Aktualität einge-büßt. Spannung wird auch auf derTonebene erzeugt: Die Schritte derGeschwister hallen durch den leerenLichthof, aus einem Saal sind ge-dämpft Passagen aus einer staats-theoretischen Vorlesung, vermutlichvon Prof. Kurt Huber, zu hören.Später werden besonders emotio-nale, auch religiöse Momente wieSophies Gebete, von einfachenKlaviermelodien und Chormusikuntermalt.

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In der fünften Sequenz vollzieht sich in quälender Länge ein wichtiger Stim-mungsumschwung. Hier zerschlägtsich Sophies Hoffnung auf baldigeFreilassung, die ihr der Ermittler Mohrin der vorigen Sequenz in Aussichtgestellt hat. Angekündigt durch dasden Film beherrschende Fenstermotivund einen markanten Positionswechselder Kamera, wendet sich SophiesSchicksal nach und nach ins Unver-meidliche. Sie muss dem Tod ins Au-ge blicken und ihre Strategie ändern.Schauplatz der Sequenz ist zunächstder Gefängnistrakt des WittelsbacherPalais’, dann das graue Verhörzimmer,das die Zuschauenden schon kennen.Sie schließt mit einem bewegenden Aktder Selbsterkenntnis und Sophies Ge-ständnis nach zermürbendem Verhör.

Sophie wird in ihre Zelle aufgenommen.Die Registrierung erledigt die Mitgefan-gene Else Gebel. Noch immer hofft

Sophie, wie auch der uninformierteTeil des Publikums, auf einen gutenAusgang der Geschichte. Die Auf-merksamkeit gilt vor allem Else, dieviele Fragen stellt und auch ein Spitzel sein könnte. Kurz darauf wirdSophie erneut nach oben gebracht.Der Beamte Locher soll ihr einenEntlassungsschein ausstellen. Sie ist nur noch Sekunden von ihrerFreilassung entfernt. Sie blicktlächelnd auf ein Fenster, hinter demsie die Freiheit wähnt. In Wahrheitbefindet sich hinter den Gittern nurnoch eine weitere Mauer – eine Me-tapher für den weiteren Verlauf derHandlung. In diesem Moment klingeltdas Telefon.

Sophie wird erneut in Mohrs Verhör-zimmer gebracht. Es ist abgedunkelt,das Zeitgefühl geht immer mehr verlo-ren. Das Verhör wird wie schon zuvorin Schuss-Gegenschuss-Technik

abgebildet. Die Bildausschnitte zeigennur die jeweilige Person von Tisch-höhe aufwärts, meist mit dem Hinter-kopf des Gesprächspartners im Vor-dergrund – so wird eine beengendeAtmosphäre aufgebaut. Mohr stelltFragen zu den politischen Ansichtenvon Sophies Vater, ihrer Zeit beimBDM und ihrem Verlobten Fritz. Dannkonfrontiert er sie mit Beweisstücken,die dem Publikum aus einer vorigenSequenz bereits bekannt sind: Pistole,Munition und Briefmarken stammenaus Hans’ Schublade. Wegen derBriefmarken gerät Mohr in Rage. Erverliest Auszüge aus einem Flugblatt.Es wurde auf der Schreibmaschineder Scholls geschrieben. Bei dieserErklärung springt Mohr wütend auf,während die Kamera einen Positions-wechsel um 90 Grad unternimmt. Sie zeigt nun beide von der Seite, die Zuschauenden sind also auchbildlich mit einer neuen Situation kon-

■ ■ Exemplarische Sequenzanalyse

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13Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE

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BeleuchtungIn Anlehnung an die Schwarzweißfoto-grafie unterscheidet man grundsätzlichdrei Beleuchtungsstile: der Normalstilimitiert die natürlichen Sehgewohnhei-ten und sorgt für eine ausgewogeneHell-Dunkel-Verteilung. Der Low-Key-Stil betont die Schattenführung undwirkt spannungssteigernd (Kriminal-,Actionfilme). Der High-Key-Stil be-leuchtet die Szenerie gleichmäßig bisübermäßig und kann eine optimistischeGrundstimmung verstärken (Komö-dien).

Einstellungsgrößen In der Filmsprache haben sich folgendeacht Einstellungsgrößen durchgesetzt:Detailaufnahme (Detail-Shot/Extreme-Close-Up) – umfasst nur bestimmteKörperteile einer Person, wie etwa dieAugen oder Hände, Großaufnahme(Close-Up) – umfasst den Kopf kom-plett oder leicht angeschnitten, Nah-einstellung (Medium-Close-Shot/Medium-Close-Up) – erfasst bis zueinem Drittel des Körpers („Passfoto“),Amerikanische Einstellung (Medium-Shot/Knee-Shot) – häufig in Westernverwendet, erfasst eine Person ab Coltbzw. Hüfte an aufwärts, Halbnah (Mid-/Medium-Shot) – erfasst etwa zweiDrittel des Körpers, Halbtotale (Me-dium-Long-Shot/Full-Shot) – Personwird in ihrer Umgebung gezeigt, Totale(Long-Shot) – erfasst die maximaleBildfläche mit all ihren agierendenPersonen, wird häufig als einführendeEinstellung verwendet, Panorama/Weit (Extreme-Long-Shot) – Land-schaftsaufnahme. Groß- und Nahauf-nahme betonen vor allem die Mimik,während Halbnah und Halbtotale dieGestik und Proxemik (Körpersprache)der Schauspieler hervorheben und indie unmittelbare Umgebung einbezie-hen.

Off-/On-Ton Ist die Quelle des Tons im Bild zusehen, spricht man von On-Ton, ist sienicht im Bild zu sehen, handelt es sichum Off-Ton. Beim Off-Ton ist zu unter-scheiden, ob die Geräusche, Sprache,Musik zur logischen Umgebung in derSzene gehören (Türschließen, Dialog,Radiomusik) oder ob sie davon unab-hängig außerhalb der Szene eingesetztwerden (Erzähler-Kommentar, Film-musik).

frontiert: Ein weiteres Leugnen machtkeinen Sinn mehr.

Als Mohr den Raum kurz verlässt, wirddie Zimmerperspektive Schnitt fürSchnitt ausgeweitet. Man sieht nun die Protokolldame, den Beisitzer, imHintergrund Vorhänge. Zuvor nur ver-dächtigt, war Sophie von dieser Um-gebung optisch getrennt. Als überführ-te Täterin ist sie ihr als Teil des Ganzenschutzlos ausgeliefert. Mohr kehrtzurück und zeigt ihr ein zerrissenes,mühsam zusammengeklebtes Flug-blatt (Großaufnahme). Er benenntChristoph Probst als Urheber. Auf die-sen neuen Beweis folgt wiederum einPositionswechsel. Außerdem wirdMohr nun gelegentlich aus leichterUntersicht gefilmt, was seine gestärktePosition zum Ausdruck bringt. Unterder Beweislast gesteht Sophie. Nochimmer nimmt sie ihren Bruder undChristoph in Schutz.

Auf wiederholte Bitte wird sie vonLocher auf die Toilette begleitet. Dortblickt sie bedrückt in den Spiegel. Die Zuschauenden sehen nun zweiSophies. Sie versinnbildlichen diekommende Trennung von Leib undSeele durch den Tod. Mit ihrem letztenSpiegelbild nimmt Sophie Abschiedvon sich selbst. Sie weint (leise Kla-viermusik). Locher ruft sie heraus. Siewischt sich die Tränen ab, die nie-mand sehen soll. Im Verhörzimmer öffnet Mohr das Fenster. Es ist wie-der Tag. Sophie unterschreibt ihr Ge-ständnis.

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Zum Inhalt:

Welche Charaktereigenschaften zeich-nen Sophie aus? Worin unterscheidetsie sich von anderen Frauen ihresAlters? In welchen Wesenszügen können Sie sich wiedererkennen?

Was führt zu ihrer Verhaftung?Glauben Sie, dass Sophie und Hansleichtsinnig gehandelt haben? Wie verhalten sich die anderen Studieren-den, als sie auf die Flugblätter undanschließend auf die Verhaftung auf-merksam werden? Was halten Sievom Hausmeister?

Was macht Sophie in den aufreiben-den Verhören so stark? Woran glaubtsie? In welchen Szenen bringt sie ihreÜberzeugungen am deutlichsten zumAusdruck?

Wie definieren Sophie und Mohr dieBegriffe „Freiheit“ und „Ehre“? Worinbesteht für Sophie der Unterschiedzwischen „Gesetz“ und „Gewissen“?Welche dieser Begriffe haben für Sieheute noch Bedeutung?

Beschreiben Sie die Beziehung vonSophie und Hans. Welche Rolle spieltFreundschaft in der Weißen Rose?Wie stehen Sie zu der Entscheidungdes Regisseurs, Sophie so deutlich in den Mittelpunkt zu stellen?

Wie verhält sich Sophie in den Ver-hören? Beachten Sie dabei ihreAusdrucksweise und ihre Körper-sprache. In welchen Szenen sieht siesich gezwungen, ihre Strategie zuändern? Was bezweckt sie damitjeweils?

Wie wird der Kriminalbeamte Mohrcharakterisiert? Inwiefern ist er eineStütze des Systems? Woran erkenntman seine Selbstzweifel? Haben die-se Konsequenzen für ihn bzw. fürSophie?

Warum baut Mohr Sophie eine „golde-ne Brücke“? Worin bestehen seineForderungen? Warum lehnt Sophiesein Angebot ab, obwohl sie damit ihrLeben opfert?

Was wissen Sie über Gewaltenteilungin einem Rechtsstaat? Findet sichdiese in der Szene vor dem „Volks-gerichtshof“ wieder? Inwiefern wider-spricht der Prozessverlauf modernenVorstellungen von Justiz und Gerech-tigkeit?

Glauben Sie, dass Sophie für ihrenMut einen zu hohen Preis bezahlt hat?Begründen Sie Ihre Meinung. Warumsagt Christoph am Schluss, dass dergemeinsame Widerstand nicht verge-bens war?

Wie definieren Sie die Begriffe „Zivil-courage“ und „Widerstand“? Disku-tieren Sie diese anhand von SophiesHaltung und Werdegang. Inwiefernunterscheidet sich der Widerstand der Weißen Rose von dem in einermodernen Demokratie? Worin könn-ten Gemeinsamkeiten liegen?

Zur Filmsprache:

Beschreiben Sie die erste Szene desFilms. Wie werden die Aktivitäten derGruppe dargestellt? Sind diese Sze-nen für das Verständnis des Filmsausreichend? Warum konzentriert sich der Regisseur auf die „letztenTage“? Wie stehen Sie zu diesem Entschluss?

Welche Atmosphäre herrscht in demFilm? Durch welche filmischen Mittelwird sie hervorgerufen? Beachten Siedabei Filmarchitektur, Kamera undBeleuchtung.

Worin unterscheidet sich die Flug-blattaktion an der Universität von denspäteren Szenen? Beachten Sie hier-bei insbesondere Kameraperspektive,Schnitt und Musik.

Wie wurden die Verhöre inszeniert?Wie interpretieren Sie die Körperspra-che der beiden Beteiligten? WelcheInformationen erhalten die Zuschau-enden hier über andere Personen undvergangene Ereignisse? Mit welchenfilmsprachlichen Mitteln wird deutlichgemacht, dass sich Sophies Situationdramatisch verschlechtert?

Zum Material:

Wer waren die Mitglieder der WeißenRose? Wie haben sie sich kennenge-lernt und was hat sie dazu bewogen,sich in einer Widerstandsgruppe zuorganisieren? Was waren ihre gemein-samen Interessen?

Diskutieren Sie die Flugblätter derWeißen Rose. Wie werden ihreAdressaten angesprochen? Beschrei-ben Sie die politischen Ziele derGruppe. Was halten Sie vom sprach-lichen Stil der Aufrufe?

Welche Aussagen aus den Flug-blättern wurden in die Dialoge auf-genommen? Finden Sie diesesVorgehen legitim? Begründen Sie Ihre Meinung.

Wie wurden die Flugblätter hergestelltund verteilt? Wie gingen die National-sozialisten dagegen vor und warum?Wie würde die Judikative eines demo-kratischen Staates heute darauf rea-gieren? Kennen Sie Staaten, in denenein solcher Protest mit gleicherSchärfe bekämpft wird?

Wodurch wurden die Aktionen desWiderstands auch materiell erschwert?Denken Sie dabei auch an heutigeKommunikationstechniken wie Handy,Kopierer und Internet.

Wie haben prominente Zeitzeugen wieThomas Mann den Widerstand derWeißen Rose beurteilt? Welche Be-deutung hatte er für die Entwicklungim Nachkriegsdeutschland?

■ ■ Fragen

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Aufgabe 1:

Beschreiben Sie, welche grundsätzlichen Charaktereigenschaften undVerhaltensweisen in den Äußerungen gefordert werden:

Stellen Sie aktuelle Beispielsituationen vor, in denen sich Menschen an den skizzierten Verhaltensweisen orientieren sollten.

Aufgabe 2:

Untersuchen Sie, inwiefern der Gestapobeamte Robert Mohr manipulative Mittel bei seinem Verhör von Sophie Scholl anwendet. Nennen Sie exemplari-sche Äußerungen und prüfen Sie, wie Sophie Scholl darauf reagiert.

Manipulationsstrategien:1. Unbewiesene Behauptungen 2. Allgemeinplätze, Floskeln 3. Imponiertechnik 4. Persönlich werden5. Überrumpelungstaktik

Aufgabe 3:

Sophie Scholl führt in ihrem Verhör eine Grundsatzdiskussion mit Mohr: „Gesetz oder Gewissen – Worauf sollte man sich berufen?“ Sammeln Sie die jeweiligen Argumente der beiden Figuren und ergänzen Sie diese durchBeispiele. Schreiben Sie zusammenfassend einen Essay, in dem Sie sich mit der Ausgangsfrage auseinander setzen.

Aufgabe 4:

Sophie Scholl beginnt vor ihrer Hinrichtung einen Brief an ihren Verlobten Fritz,der sich als Soldat an der Ostfront befindet. Sie kommt nicht über die Anrede„Geliebter Fritz ...“ hinaus. Schreiben Sie diesen Brief weiter. Versuchen Siedarin, Sophies Erlebnisse der letzten Tage sowie ihre Gründe für den Widerstandzu beschreiben. Verdeutlichen Sie auch Sophies Gefühle zum Zeitpunkt desSchreibens.

15Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE

■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■Arbeitsblatt

Hans Scholl: „Ein harter Geist, ein weiches Herz“

Else: „Irgendetwas muss man tun“

Robert Scholl: „Ich möchte, dassihr gerade und frei durch’s Lebengeht. Auch wenn’s schwer ist.“

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rend einer Verhörpause die Ausweg-losigkeit ihrer Lage bewusst wird. Ein kinotauglicher Film kann auf dieDarstellung solcher Szenen nicht ver-zichten, da diese dem Publikum dieProtagonisten/innen näher bringen.

Die Verhöre und die „goldeneBrücke“

Drehbuchautor Fred Breinersdorfer hat die Vernehmung der Widerstands-kämpferin durch den Gestapo-Beam-ten Robert Mohr als Streit um Weltan-schauungen angelegt. Das überlieferteVerhörprotokoll, das keine wortwörtli-che Transkription, sondern eine Zu-sammenfassung der Befragung dar-stellt, diente lediglich als roter Faden.Die entsprechenden Szenen im Dreh-buch sind Fiktion, sollten jedoch derPersönlichkeit der Figuren gerechtwerden. So zitiert Breinersdorfer inden Verhörszenen aus Flugblättern der „Weißen Rose“ oder aus SophiesBriefen und Tagebüchern – nichtzuletzt auch, um die bürokratischeSchriftsprache in einen lebendigenund authentischen Dialog zu verwan-deln.

In einer Schlüsselszene des Films versucht Robert Mohr, Sophie vor der Todesstrafe zu bewahren:

Ein historischer Spielfilm und sein Drehbuch

Im Vorspann von „Sophie Scholl – Dieletzten Tage“ wird der Hinweis „DieserFilm hält sich an historische Fakten“eingeblendet. Damit erheben dieFilmemacher/innen einen Anspruchauf Glaubwürdigkeit. Eine Haltung, dieFragen aufwirft, denn es handelt sichum einen Spielfilm mit eigenen drama-turgischen Regeln, in dem Ereignisseinszeniert werden.

Inszenierung von Geschichte

Die Stärke des historischen Spielfilmsliegt nicht in der wissenschaftlichenAnalyse vergangener Ereignisse, son-dern vielmehr in der Visualisierung undEmotionalisierung. Der Film kann seinPublikum in die Vergangenheit entfüh-ren, geschichtliches Interesse weckenoder Kenntnisse vertiefen. Er kannaber auch je nach Vorwissen dasGeschichtsbild der Zuschauendenbeeinflussen.

Zugeständnisse an die Bedingungeneiner Filmproduktion sind unumgäng-lich. „Sophie Scholl – Die letzten Tage“erzählt verdichtet in knapp zwei Stun-den die Ereignisse von fünf Tagennach. Zudem konzentriert sich derFilm auf Sophie und ihre Perspektive.Dies erleichtert die Identifizierung mitSophie und macht die Frage, was dieGestapo und Mohr bereits wissen, alsBedrohung für das Publikum erfahrbar.Andere, tatsächlich einflussreicherePersonen, wie zum Beispiel ihr BruderHans, spielen nur eine marginale Rolle.

Trotz umfangreicher Materiallage zumThema ist Geschichte darüber hinausnie lückenlos dokumentiert. FiktiveElemente werden hinzugefügt, umEreignisse zu interpretieren, auszu-schmücken und aus historischenPersönlichkeiten lebendige Charakterezu entwickeln, die die Handlung vor-antreiben. So sehen wir die Sophie imFilm in erdachten Situationen, etwavor dem Toilettenspiegel, als ihr wäh-

IFilmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE

■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■Arbeitsblatt 2

Mohr: Ist es denn nicht sogewesen, dass Sie sich aufihren Bruder verlassen haben,dass es richtig war, was ergetan hat, und Sie einfach nurmitgemacht haben? Sollen wirdas nicht noch ins Protokoll aufnehmen? Sonst kann keinermehr etwas für Sie tun.

Sophie: Nein, Herr Mohr, weil es nicht stimmt.

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Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGEII

■ ■ Arbeitsblatt 2

Aufgabe 1: Historische Quellen

Sophie Scholl und die Weiße Rosesind immer wieder Themen histori-scher Forschungen. Recherchieren Sie Fotos und Zitate von SophieScholl (zum Beispiel im Online-Dossierwww.bpb.de/sophiescholl der Bun-deszentrale für politische Bildung).Schreiben Sie anhand ihrer Recher-cheergebnisse ein kurzes Portrait über Sophie Scholl.

Aufgabe 2: Fiktionalisierung

Filme mit historischem Hintergrundzeigen immer nur einen Ausschnittund verdichten Handlungen.Entwickeln Sie, basierend auf demPortrait aus Aufgabe 1, eine Szene für einen Spielfilm über Sophie Scholl,die ihre überlieferten Charaktereigen-schaften filmisch darstellt. BedenkenSie bei Ihrer Inszenierung die Unter-haltungsabsicht von Spielfilmen unddiskutieren Sie notwendige Abwei-chungen von historischen Quellen.Setzen Sie diese Szene anschließendin einem Rollenspiel um.

Aufgabe 3: Medial vermittelteGeschichtsbilder

Durch ihre Anschaulichkeit und dra-maturgische Verdichtung beeinflussenFilme das Geschichtsbild der Zu-schauenden. Schreiben Sie ein Portraitüber Sophie Scholl, das ausschließlichauf Ihrer Fiktionalisierung aus Aufgabe2 beruht. Vergleichen Sie diesesPortrait mit dem aus Aufgabe 1.

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Diese Szene verdeutlicht Sophiesmoralische Stärke und zeigt, dassdadurch offenbar selbst ein treuerParteisoldat wie Mohr beeindrucktoder gar verunsichert wurde. Nichtzuletzt wird Robert Mohr damit in einmenschlicheres Licht gerückt.

In den Original-Verhörprotokollen hin-gegen bleibt das Angebot einer „gol-denen Brücke“ vage:

„Schlussfrage: Während der Gesamt-vernehmung, die sich über zwei volleTage erstreckte, haben wir zwischen-durch, wenn auch nur streiflichtartig,verschiedene politische und weltan-schauliche Fragen besprochen. SindSie nach diesen Aussprachen nunnicht doch zur Auffassung gekommen,dass man Ihre Handlungsweise unddas Vorgehen gemeinsam mit IhremBruder und anderen Personen geradein der jetzigen Phase des Krieges alsVerbrechen gegenüber der Gemein-schaft insbesondere aber unserer imOsten schwer und hart kämpfendenTruppen anzusehen ist, das die schärf-ste Verurteilung finden muss?Antwort: Von meinem Standpunkt ausmuss ich diese Frage verneinen. Ichbin nach wie vor der Meinung, dasBeste getan zu haben, was ich geradefür mein Volk tun konnte. Ich bereuedeshalb meine Handlungsweise nichtund will die Folgen, die mir aus meinerHandlungsweise erwachsen, auf michnehmen.“

Das Drehbuch interpretiert diese Aus-sage als Hinweis auf einen Rettungs-versuch und unterstellt, Mohr habe diepolitische Diskussion zwischen ihmund Sophie im Protokoll unterschla-gen. Der einzige Hinweis auf die „gol-dene Brücke“ stammt von RobertMohr selbst. In einem Bericht, den er 1951 auf Bitten von Sophies Vaterschrieb, berichtet er von einem derartigen Rettungsversuch undSophies Weigerung, sich von ihrenIdealen und Taten zu distanzieren.

Page 18: Sophie Scholl – Die Letzten Tage

Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE16

S 1 Vorspann und Einblendung: „DieserFilm hält sich an historische Fakten.“ –Sophie und ihre Freundin Gisela hörenim Radio Swing-Musik. Die Stimmungist ausgelassen. – Sophie sucht dasgeheime Versteck der Weißen Roseauf. Die Gruppe druckt gerade einFlugblatt (Musik). Hans teilt den ande-ren einen Plan mit: Er will am nächstenTag an der Universität Flugblätter ver-teilen. Willi Graf bezeichnet das Vor-haben als „Wahnsinn“.0:00-0:06

S 2 Hans und Sophie in der gemeinsamenWohnung. Sie schreibt einen Brief anihre Freundin Lisa, er bereitet die nächs-te Verschickung von Flugblättern vor. –Am Morgen machen sich die Ge-schwister mit einem Koffer voller Flug-blätter auf den Weg zur Universität

(Musik). – In der leeren Aula legen siehastig Flugblätter aus (Musik, Montage-sequenz). Danach kehren sie noch ein-mal zurück, um auch noch die letztenFlugblätter loszuwerden. Sophieschubst einen Stapel von der Emporein den Lichthof. Eine Glocke ertönt. DieGeschwister mischen sich unter dieStudierenden, die aus den Sälen strö-men. Sie werden vom Hausmeister, der sie beobachtet hat, festgehalten.0:06-0:14

S 3 Erste Vernehmung beim Rektor. Hansund Sophie leugnen die Tat. Hans ver-sucht einen Flugblattentwurf zu ver-nichten, wird dabei aber vom Haus-meister ertappt. Der GestapobeamteRobert Mohr kommt hinzu und setztdie Vernehmung fort. Die beiden findenweitere Ausreden.0:14-0:17

S 4 Sophie und Hans werden abgeführt. In der Aula begegnen sie Gisela. Siewirkt erschüttert. – Sophies Verhör wirdin der Gestapozentrale, dem Wittels-bacher Palais, fortgeführt. Mohr drohtihr mit Zuchthaus oder Tod. Er stelltDetailfragen, vor allem zu dem leerenKoffer. Sophie erklärt sich und ihrenBruder für „unpolitisch“. Mohr befragtsie nach ihrer Meinung zum Eklat imDeutschen Museum vor einer Woche,bei dem Studierende gegen die Rededes Gauleiters protestierten. Sie weichtaus. Mohr teilt Sophie mit, dass sichihre Aussagen mit denen von Hansdecken und stellt ihr die baldigeFreilassung in Aussicht.0:17-0:29

S 5 Einlieferung ins Gefängnis (im Volksem-pfänger eine Rede von Propaganda-

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Protokoll

Sequenzprotokoll

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17Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE

minister Goebbels). Aufnahme durchElse, eine mitgefangene Kommunistin,die dafür Sorge tragen soll, dassSophie sich nichts antut. – Sophie wirdabgeholt. Der Beamte Locher soll ihreinen Entlassungsschein ausstellen. Imletzten Moment ein Anruf. – Sie wirderneut Mohr vorgeführt. Im bekanntengrauen Verhörzimmer befragt er sie zuden politischen Ansichten ihres Vaters,ihrer Mitwirkung im BDM und ihremVerlobten Fritz Hartnagel. Sie wird mitBeweisstücken konfrontiert. Mohr zeigtihr ein Flugblatt, das auf der Schreib-maschine der Scholls geschriebenwurde. Durch das bei Hans gefundeneFlublatt sei nun auch Christoph Probstschwer belastet. Hans habe alles aufsich genommen. Sophie gesteht ihreBeteiligung. – Locher führt sie zur Toi-lette. Sie blickt in den Spiegel undweint (Musik). – Sie unterschreibt einGeständnis.0:29-0:51

S 6 Sophie wird erkennungsdienstlich er-fasst. – In der Zelle macht ihr ElseHoffnung: Vielleicht komme sie nur inein Umerziehungslager, der Krieg seivielleicht bald vorbei. Sophie gestehtihre Angst vor der Sippenhaft undweint (Musik).0:51-0:53

S 7 Fortsetzung des Verhörs. Mohr verlangtInformationen über Mittäter und Geld-geber. Sophie bezeichnet sich undHans als alleinige Täter/innen und er-klärt, sie und ihr Bruder hätten lediglichden Anschein einer „breiten Basis“ er-wecken wollen. Mohr stellt Strafmilde-rung in Aussicht, wenn sie Namennenne. Sophie lehnt diesen „Hochver-rat“ entschieden ab.0:53-1:00

S 8 In der Zelle. Else erzählt von Mohr, derüber Sophie gesagt haben soll: „SolcheLeute braucht Deutschland eigentlich.“In ihren Betten liegend führen Sophieund Else private Gespräche. Sie

Präsident des Volksgerichtshofs istRoland Freisler, das Publikum bildenuniformierte Nazis. Christoph verteidigtsich mit einer psychotischen Depres-sion. Lachen im Saal. Hans hält nachseiner Befragung ein Plädoyer gegenden Krieg. Hitler könne den Krieg nichtgewinnen, sondern nur verlängern.Freisler ist empört, im Publikum istUnruhe vernehmbar. Sophie hält eben-falls eine Ansprache und wird vonFreisler wütend unterbrochen. VaterRobert Scholl drängt in den Saal undfordert vergeblich eine Anhörung. In sei-nem letzten Plädoyer bittet Hans da-rum, Christoph zu verschonen. Sophiedroht: „Bald werden Sie hier stehen, wowir jetzt stehen.“ Ohne weitere Bera-tung verkündet Freisler gegen alle dreidas Todesurteil.1:24-1:39

S 12 Abtransport durch den Lichthof. Sophiewird in eine Zelle gebracht, wo sie Ab-schiedsbriefe schreiben kann. Sie brülltund weint. Besuch der Eltern. Der Vaterbekundet seinen Stolz. Sophie tröstetihre Mutter: „Wir sehen uns in der Ewig-keit wieder.“ Beim Herausgehen begeg-net sie noch einmal Mohr. Sie betet mitdem Gefängnisgeistlichen und erhält vonihm den Segen. Die Aufseherin gewährtden drei Verurteilten eine letzte gemein-same Zigarette. Sophie wird von ihrenHenkern zum Schafott geführt (Musik).Sie legt den Kopf unter die Guillotine.Schwarzblende. Schritte. Im Off Hans’Stimme: „Es lebe die Freiheit.“1:40-1:53

S 13 Abspann. Vor schwarzem Hintergrundwerden die Todes- und Haftstrafen dereinzelnen Mitglieder der Weißen Roseaufgelistet. – Die Kamera blickt in denHimmel, wo zwei Flugzeuge vorbeizie-hen. Eine Sprecherstimme erzählt vonhunderttausenden Flugblättern der Wei-ßen Rose, die von englischen Jagdflie-gern über Deutschland abgeworfenwurden. – Der weitere Abspann zeigthistorische Fotoporträts der Mitglieder.1:53-1:56

schwärmt von einem unbeschwertenSommer mit Fritz, mit dem sie aberauch oft politischen Streit habe (Musik).– Nachts hört sie Folterschreie ausangrenzenden Räumen. Sie betet zuGott („Unruhig ist unser Herz, bis esRuhe findet in dir“, Musik).1:00-1:04

S 9Im Verhörzimmer. In einem philosophi-schen Gespräch äußern Sophie undMohr ihre unterschiedlichen Ansichtenüber Gesetz und Gewissen. Für Sophiesteht das Gewissen über dem Gesetz.Für Mohr ist dies eine privilegierte Sichtder Dinge. Diskussion über die Begriffe„Freiheit“ und „Ehre“. Mohr sieht beidesim Nationalsozialismus verwirklicht. So-phie konfrontiert ihn mit ihrem Wissenüber den Mord an den Juden und Eu-thanasie. In Mohrs Gesicht spiegeln sicherstmals Zweifel. Er baut ihr eine „gol-dene Brücke“: Wenn sie ihren „Fehler“eingestehe, dürfe sie auf Strafmilderunghoffen. Sophie lehnt ab. Sie wolle dieKonsequenzen ihres Handelns tragen.1:04-1:14

S 10 In der Zelle berichtet Sophie Else vonMohrs Angebot und ihrer Ablehnung:„Es gibt kein Zurück.“ Eine Sirene kün-digt einen Fliegeralarm an. Während Else in ihr Bett flieht, sieht Sophiesehnsüchtig aus dem Fenster. – Amnächsten Tag berichtet ihr Else von derVerhaftung Christoph Probsts. Sophieist entsetzt. Sie wird ihrem Anklägervorgeführt, auf dem Weg dorthin be-gegnet sie Christoph. – In der Zellebetet sie erneut („Wende dich nicht von mir, lieber Gott!“, Musik). Sie wirdihrem Pflichtverteidiger Klein vorgestellt,der aus seiner Ablehnung keinen Hehlmacht. Allein mit Else, zitiert Sophieihren Bruder Hans: „Ein harter Geist,ein weiches Herz.“ Sie nimmt Abschiedvon Else.1:14-1:24

S 11 In einem Polizeiwagen wird Sophie inden Justizpalast gebracht (Musik).

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Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE18

Materialien

Der Widerstand der Weißen Rose

Im Sommer 1942 erschienen dieersten „Flugblätter der Weißen Rose“.Der studentische Widerstandskreisgründete auf jahrelangen Freund-schaften und Bekanntschaften ausSchul- und Studienzeit. Den Kern der Gruppe bildeten zunächst HansScholl, Alexander Schmorell, Willi Grafund Christoph Probst. Allen gemein-sam war die Begeisterung für Lite-ratur, Musik und Sport. Die Motive für den Widerstand waren zunächstunterschiedlich. Scholl war als An-hänger der Bündischen Jugend in dieHitler-Jugend eingetreten, von derenautoritären Strukturen er sich jedochbald abgestoßen fühlte. Schmorell war durch sein Literaturstudium vonRussland begeistert. Probst und Grafwurden noch stärker als alle anderenvom christlichen Gedanken geleitet.Letzterer kam aus der katholischenJugendbewegung und war von An-fang an stark gegen den Nationalso-zialismus eingestellt. Sophie Scholl stieß erst im Herbst 1942 hinzu, alssie durch Zufall auf die geheimenAktivitäten ihres Bruders aufmerksamwurde. Der Austausch mit einem weitgrößeren Bekanntenkreis vertiefte den intellektuellen Zusammenhalt nach und nach.

Die frühen Flugblätter wurden per Post verschickt. Sie richteten sich an Angehörige einer intellektuellenOberschicht, von denen man sich eine rasche Verbreitung versprach. Die Adressen wurden willkürlich ausTelefonbüchern herausgesucht. In den Flugblättern fanden sich derAufruf zum passiven Widerstand und philosophisch abstrakte Anklagengegen den NS-Staat. Im Juli 1942musste der Widerstand eine Zwangs-pause einlegen: Die Wehrmachtsan-gehörigen Scholl, Schmorell und Graf wurden an die Ostfront abberu-fen. Die dortigen Erlebnisse, unter an-

derem im Warschauer Ghetto, beein-flussten die weitere Arbeit nachhaltig.Im folgenden fünften Flugblatt wich derapokalyptische Ton der früheren Schrif-ten einem prägnanteren Sprachstil.Erstmals benannte die Gruppe politi-sche Ziele wie Menschenrechte, Demo-kratie oder Föderalismus. Die WeißeRose verstärkte den Kontakt zu Wider-standszirkeln in anderen Städten undfand im schon vorher verehrten Münch-ner Philosophieprofessor Kurt Hubereinen wichtigen Mitstreiter. Nach derVerkündung der Niederlage in Stalin-grad am 3. Februar 1943 nahm manauch ein größeres Risiko auf sich. ImSchutz der Dunkelheit wurden Haus-wände des Universitätsviertels mit Frei-heitsparolen bemalt.

Die Münchner Aktionen riefen nach denspäteren Worten des GestapoermittlersRobert Mohr „Beunruhigung bis inhöchste Parteikreise“ hervor. Es wirdvermutet, dass Scholl mit der äußerstriskanten Verteilung von Flugblättern ander Münchner Uni eine letzte publikums-wirksame Aktion vor seiner Verhaftungbeabsichtigte. Dabei wurden er undseine Schwester Sophie verhaftet. Siewurden gemeinsam mit ChristophProbst in einem ungewöhnlich kurzenProzess vom Volksgerichtshof am 22.Februar 1943 zum Tode verurteilt undnoch am gleichen Tag hingerichtet.Nach einem zweiten Prozeß am 19.April wurden auch Willi Graf, AlexanderSchmorell und Prof. Kurt Huber hinge-richtet. Das Vorgehen gegen einen„Hamburger Zweig der Weißen Rose“führte zu weiteren Todesurteilen.

Michael Verhoeven stellte im Abspannseines Films „Die Weiße Rose“ (1982)fest, dass die Todesurteile gegen dieMitglieder der Gruppe noch immerrechtlichen Bestand hätten. Heute istbekannt, dass die „Rose“-Urteile in ei-nigen Ländern der damaligen Besat-zungszonen – in Bayern zum Beispielam 28. Mai 1946 – bereits in den Jah-ren 1946 und 1947 aufgehoben wur-den. Die durch Verhoeven ausgelösteDebatte führte zu einer Erklärung aller

Fraktionen des Deutschen Bundestagsam 25. Januar 1985, in der festgehaltenwurde, dass „die als ‚Volksgerichtshof‘bezeichnete Institution kein Gericht imrechtsstaatlichen Sinne, sondern einTerrorinstrument zur Durchsetzung dernationalsozialistischen Willkürherrschaftgewesen war“. Nach der deutschenWende hob der Deutsche Bundestagschließlich am 28. Mai 1998 alle in derNS-Zeit ergangenen Unrechtsurteile auf.

Die Achtzigerjahre markierten zugleicheinen wichtigen Wendepunkt in der Be-wertung der Weißen Rose. Die Bundes-republik der Nachkriegszeit hatte sichtrotz einer Würdigung immer mehr aufden militärischen Widerstand des 20.Juli 1944 konzentriert. In der DDR wur-de die Gruppe in die Rolle „antifaschisti-scher Widerstandskämpfer“ gedrängt,religiöse und humanistische Motivedabei unterschlagen. Die Protestgene-ration von 1968 hingegen sah die Wei-ße Rose in einer Tradition, „die eineunpolitische, christliche, idealistische,bürgerliche und sehr deutsche Welt ge-wesen ist“ (Christian Petry, 1968). Mitdem Forschungsschub der Achtziger-jahre wurden die Motive der Gruppe inihrer Gesamtheit betrachtet. Allerdingsnahmen hier auch eine Glorifizierungund die Blickverengung auf die Ge-schwister Scholl, insbesondere Sophie,ihren Anfang.

Die letzten Flugblätter der Weißen Roseunterscheiden sich im Stil wesentlichvon den vorherigen. Diese waren, nebenpraktischen Aufrufen zur Sabotage, mitreligiösen Bildern durchsetzt. Im Zusam-menhang mit Hitler und dem National-sozialismus fielen abschreckende Vo-kabeln wie „die Macht des Bösen“ und„der stinkende Rachen der Hölle“. In langen Sätzen abgefasste staatstheo-retische Erörterungen wurden mit Zita-ten von Goethe, Aristoteles und Laotseangereichert. Das fünfte und das sech-ste Flugblatt hingegen zeichnen sichdurch eine direkte Anrede, kürzereSätze, präzise Informationen zum Kriegs-verlauf und die konkrete Einforderungpolitischer Rechte aus.

Materialien■ ■

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19Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE

Fünftes Flugblatt der WeißenRose; nach Entwürfen von HansScholl und Alexander Schmorellmit Korrekturen von Kurt Huber,Januar 1943 (Auszug):

Aufruf an alle Deutsche!

Der Krieg geht seinem sicheren Endeentgegen. Wie im Jahre 1918 ver-sucht die deutsche Regierung, alleAufmerksamkeit auf die wachsendeU-Boot-Gefahr zu lenken, während im Osten die Armeen unaufhörlichzurückströmen, im Westen dieInvasion erwartet wird. Die RüstungAmerikas hat ihren Höhepunkt nochnicht erreicht, aber heute schon über-trifft sie alles in der Geschichte seitherDagewesene. Mit mathematischerSicherheit führt Hitler das deutscheVolk in den Abgrund. Hitler kann denKrieg nicht gewinnen, nur noch ver-längern! Seine und seiner HelferSchuld hat jedes Maß unendlich über-schritten. Die gerechte Strafe rücktnäher und näher!

Was aber tut das deutsche Volk? Es sieht nicht und es hört nicht.Blindlings folgt es seinen Verführern

Sechstes Flugblatt der WeißenRose, nach einem Entwurf von Kurt Huber mit Korrekturen vonHans Scholl und AlexanderSchmorell, Februar 1943 (Auszug):

Kommilitonen! Kommilitoninnen!

Erschüttert steht unser Volk vor demUntergang unserer Männer in Stalin-grad. Dreihundertdreißigtausend deut-sche Männer hat die geniale Strategiedes Weltkriegsgefreiten sinn- und ver-antwortungslos in Tod und Verderbengehetzt. Führer, wir danken dir! Es gärt im deutschen Volk: Wollen wirweiter einem Dilettanten das Schicksalunserer Armee anvertrauen? Wollen wir den niederen Machtinstinkten einerParteiclique den Rest der deutschenJugend opfern? Nimmermehr! Der Tagder Abrechnung ist gekommen, derAbrechnung der deutschen Jugend mit der verabscheuungswürdigstenTyrannis, die unser Volk je erduldet hat.Im Namen der deutschen Jugend for-dern wir vom Staat Adolf Hitlers diepersönliche Freiheit, das kostbarsteGut des Deutschen zurück, um das er uns in der erbärmlichsten Weisebetrogen. [...]

ins Verderben. Sieg um jeden Preis!,haben sie auf ihre Fahnen geschrie-ben. Ich kämpfe bis zum letztenMann, sagt Hitler – indes ist der Krieg bereits verloren.

Deutsche! Wollt Ihr und Eure Kinderdasselbe Schicksal erleiden, das denJuden widerfahren ist? Wollt Ihr mitdem gleichen Maß gemessen werdenwie Eure Verführer? Sollen wir aufewig das von aller Welt gehasste undausgestoßene Volk sein? Nein! Darumtrennt Euch von dem nationalsozialis-tischen Untermenschentum! Beweistdurch die Tat, dass Ihr anders denkt!Ein neuer Befreiungskrieg bricht an.Der bessere Teil des Volkes kämpftauf unserer Seite. Zerreißt den Mantelder Gleichgültigkeit, den Ihr um EuerHerz gelegt! Entscheidet Euch, ehees zu spät ist! [...]

Freiheit der Rede, Freiheit desBekenntnisses, Schutz des einzelnenBürgers vor der Willkür verbrecheri-scher Gewaltstaaten, das sind dieGrundlagen des neuen Europa.Unterstützt die Widerstandsbewe-gung, verbreitet die Flugblätter!

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Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE20

Bericht der Gefängniswärter:

Sie haben sich so fabelhaft tapferbenommen. Das ganze Gefängniswar davon beeindruckt. Deshalbhaben wir das Risiko auf uns genom-men – wäre es rausgekommen, hättees schwere Folgen für uns gehabt –,die drei noch eine Zigarette miteinan-der rauchen zu lassen. Es waren nurein paar Minuten, aber ich glaube, eshat viel für sie bedeutet. „Ich wusstenicht, dass Sterben so leicht seinkann“, sagte Christoph Probst. Unddann: „In wenigen Minuten sehen wiruns in der Ewigkeit wieder.“Dann wurden sie abgeführt, zuerstdas Mädchen. Sie ging, ohne mit derWimper zu zucken. Wir konnten allenicht begreifen, dass so etwas mög-lich war. Der Scharfrichter sagte, sohabe er noch niemanden sterbensehen.

Quelle: Scholl, Inge: Die Weiße Rose,Frankfurt am Main 1993, S. 83

Brief Sophie Scholls an ihrenVerlobten Fritz Hartnagel, 5. September 1939

Lieber Fritz,Danke für Deinen schönen Brief.Hoffentlich muss ich auf den nächs-ten nicht wieder so lange warten. Es ist etwas vom gemeinsten, wennman dauernd im Ungewissen übereinen Menschen ist, und sei es nursein Aufenthalt. Hast du meinen letz-ten Brief aus Ulm gekriegt? [...]Nun werdet ihr ja genug zu tunhaben. Ich kann es nicht begreifen,dass nun dauernd Menschen inLebensgefahr gebracht werden vonanderen Menschen. Ich kann es niebegreifen und ich finde es entsetzlich.Sag nicht, es ist für’s Vaterland.Wenn es Dir nur immer gut geht. Gelt,Du hast keinen gefährlichen Posten?[...]Wo seid ihr eigentlich genau, darfstDu das nicht schreiben, und was hastDu alles zu tun? Hoffentlich kannstDu mir bald schreiben.Alles Gute, Sophie

Quelle: Jens, Inge (Hrsg.), S. 130f

Sophie Scholls letzter Brief, an ihre Freundin Lisa Remppis,17. Februar 1943

Liebe Lisa!Ich lasse mir gerade das Forellen-quintett vom Grammophon vorspie-len. Am liebsten möchte ich da selbsteine Forelle sein, wenn ich mir dasAndantino anhöre. Man kann ja nichtanders als sich freuen und lachen, sowenig man unbewegten oder trauri-gen Herzens die Frühlingswolken amHimmel und die vom Wind bewegtenknospenden Zweige in der glänzen-den jungen Sonne sich wiegen sehenkann. O, ich freue mich wieder sosehr auf den Frühling. Man spürt undriecht in diesem Ding von Schubertförmlich die Lüfte und Düfte und ver-nimmt den ganzen Jubel der Vögelund der ganzen Kreatur. Die Wieder-holung des Themas durch das Klavier– wie kaltes klares perlendes Wasser,oh, es kann einen entzücken.Lass doch bald von Dir hören.Herzlichst!Deine Sophie!

Quelle: Jens, Inge (Hrsg.), S. 238

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21Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE

Marc Rothemund (Regie)

Marc Rothemund, 1968 geboren,sammelte nach seinem Abitur 1988erste Erfahrungen als Aufnahmeleiterund Regieassistent. Er arbeitete unter anderem zusammen mitHelmut Dietl (ROSSINI, 1996), BerndEichinger (Das MÄDCHEN ROSEMA-RIE, 1996), Gérard Corbiau (FARI-NELLI, 1995) und seinem Vater SigiRothemund. Mit dem renommiertenDrehbuchautor Fred Breinersdorferrealisierte er ab 1997 eine Reiheerfolgreicher Fernsehfilme wie DIEHOFFNUNG STIRBT ZULETZT(2002). Einem größeren Publikumwurde er durch sein KinofilmdebütDAS MERKWÜRDIGE VERHALTENGESCHLECHTSREIFER GROSS-STÄDTER ZUR PAARUNGSZEITbekannt. Für die Komödie erhielt er1998 den Bayerischen Filmpreis alsbester Nachwuchsregisseur. Seinenzweiten Kinofilm, die leichte Teen-agerkomödie HARTE JUNGS (2000),sahen 1,7 Millionen Zuschauende.SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTENTAGE (2004) ist sein erster Versuch,einen historischen Stoff umzusetzen.

Der Schriftsteller Thomas Mannüber die Weiße Rose

Ja, sie war kummervoll, diese Anfäl-ligkeit der deutschen Jugend – gera-de der Jugend – für die nationalsozia-listische Lügenrevolution. Jetzt sindihre Augen geöffnet, und sie legendas junge Haupt auf den Block fürihre Erkenntnis und für DeutschlandsEhre, legen ihn dorthin, nachdem sievor Gericht dem Nazi-Präsidenten insGesicht gesagt: „Bald werden Sie hierstehen, wo ich jetzt stehe“, nachdemsie im Angesicht des Todes bezeugt:„Ein neuer Glaube dämmert an Frei-heit und Ehre.“ Brave, herrliche jungeLeute! Ihr sollt nicht umsonst gestor-ben, sollt nicht vergessen sein. DieNazis haben schmutzigen Rowdies,gemeinen Killern in DeutschlandDenkmäler gesetzt. Die deutscheRevolution, die wirkliche, wird sieniederreißen und an ihrer Stelle eureNamen verewigen, die ihr, als nochNacht über Deutschland und Europalag, wusstet und verkündetet: „Esdämmert ein neuer Glaube an Freiheitund Ehre.“

Quelle: „Deutsche Hörer!“Rundfunkansprache vom 27. Juni 1943

Bundespräsident Theodor Heussüber die Weiße Rose

Als wir vor zehn Jahren, zuerst alshalbes Gerücht, dann mit der zu-verlässigen Bestätigung von demkühnen Versuch erfuhren, womit die Geschwister Scholl und ihr Freun-deskreis das Gewissen der studieren-den Jugend zu erreichen suchten, dawussten wir und sprachen es auchaus: Dieser Aufschrei der deutschenSeele wird durch die Geschichtewiderhallen, der Tod kann ihn nicht,konnte ihn nicht in die Stummheitzwingen. Die Sätze, die auf Papier-fetzen durch die Münchner Hoch-schule flatterten, waren ein Fanal undsind es geblieben. So wurde das tap-fere Sterben der jungen Menschen,die gegen die Phrase und die Lügedie Reinheit der Gesinnung und denMut zur Wahrheit setzten, im Aus-löschen ihres Lebens zu einem Sieg.So muss ihre Erscheinung inmittender deutschen Tragik begriffen wer-den – nicht als ein gegenüber derGewalt missglückter Versuch zurWende, sondern als das Abschirmeneines Lichts in der dunkelstenStunde. Und darum gehören ihremGedächtnis Dank und Ehrfurcht.

Quelle: Grußwort desBundespräsidenten zurGedächtnisfeier am 22. Februar 1953

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Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE22

Bald, Detlef: Die Weiße Rose. Von derFront in den Widerstand, Berlin 2003

Benz, Wolfgang/Pehle, Walter H.(Hrsg.): Lexikon des deutschenWiderstandes, Frankfurt am Main1994

Breinersdorfer, Fred (Hrsg.): SophieScholl – Die letzten Tage.Frankfurt/Main 2005

Bundeszentrale für politische Bildung:Deutscher Widerstand 1933-1945.Informationen zur politischen Bildung,Heft 243, Bonn 2004

Bundeszentrale für politische Bildung:Widerstand und Zivilcourage. DasParlament, Themenausgabe Nr.27/04, Bonn 2004

Jahnke, Karl Heinz: Weiße Rose contra Hakenkreuz. Studenten imWiderstand 1942/43, Rostock 2003

Jens, Inge (Hrsg.): Hans Scholl und Sophie Scholl, Briefe undAufzeichnungen, Frankfurt 2003

Kandorfer, Pierre: Lehrbuch derFilmgestaltung. Theoretisch-techni-sche Grundlagen der Filmkunde, Gau-Heppenheim 20036

Knoop-Graf, Anneliese/Jens, Inge (Hrsg.): Willi Graf: Briefe undAufzeichnungen, Frankfurt 1994

Moll, Christiane: Die Weiße Rose, in: Peter Steinbach/Johannes Tuchel(Hrsg.), Widerstand gegen den Natio-nalsozialismus in der Erinnerung derDeutschen, Paderborn 2000

Literaturhinweise Links

Monaco, James: Film verstehen.Kunst, Technik, Sprache, Geschichteund Theorie des Films und derMedien, Reinbek 2000

Scholl, Inge: Die Weiße Rose,Frankfurt 1993

Schüler, Barbara: „Im Geiste der Ge-mordeten...“ Die „Weiße Rose“ undihre Wirkung in der Nachkriegszeit,Paderborn 2000

Siefken, Hinrich: Die Weiße Rose.Student Resistance to NationalSocialism 1942/1943.Forschungsergebnisse und Erfah-rungsberichte, Nottingham 1994

Steffahn, Harald: Die Weiße Rose,Reinbek bei Hamburg 1992

Steinbach, Peter/Tuchel, Johannes:Widerstand gegen die nationalsoziali-stische Diktatur 1933-1945. Bonn2004 (Schriftenreihe Bd. 438 derBundeszentrale für politische Bildung)

Tuchel, Johannes: Neues von der„Weißen Rose“? Kritische Überlegun-gen zu „Detlef Bald: Die Weiße Rose.Von der Front in den Widerstand“,POLHIST; 15, Berlin 2003

Van Roon, Ger: Widerstand im DrittenReich, München 1998

Vinke, Hermann: Das kurze Leben derSophie Scholl, Ravensburg 1997

www.sophiescholl-derfilm.deWebsite zum Film

www.bpb.de/sophieschollUmfangreiches Online-Dossier zurGeschichte der „Weißen Rose“, speziell zu Sophie Scholl, mit Auszü-gen aus bisher unveröffentlichtenVernehmungs- und Gerichtsproto-kollen sowie Fotos und audiovisuellenDokumenten.

www.bpb.de/publikationen/T51O7L,2,0,Jugend_und_Studentenopposition.html#art2Website der Bundeszentrale für politi-sche Bildung mit einem Ausschnitt aus dem Heft „Deutscher Widerstand1933-1945“ mit Flugblättern derWeißen Rose.

www.dhm.de/lemo/html/nazi/widerstand/weisseroseEine Seite des Deutschen HistorischenMuseums in Berlin mit Textauszügenaus allen sechs Flugblättern.

www.weisserose.infoNeue Website des Weiße Rose Institute.V., gegründet von Angehörigen der Mitglieder der Weißen Rose. DerVerein errichtet ein interdisziplinäresForschungs-, Bildungs- und Doku-mentationszentrum in München.

www.weisse-rose-stiftung.deWebsite der Stiftung „Weiße Rose“, die Projekte für Schüler/innen anbietet.

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Philipp Bühler

geb. 1971 in München, Studium der Politikwissenschaft,Geschichte und Anglistik inStuttgart und Berlin. ZahlreicheFilmkritiken für regionale undüberregionale Tageszeitungen(Berliner Zeitung, die tageszei-tung), Online-Magazine (fluter.de, kinofenster.de) und Filmpublikationen. Lebt in Berlin.

Publikationsverzeichnis Herbst 2005

Autor

Filmpädagogisches, themenorientiertes Begleit-material zu ausgewähltennationalen und internationa-len Kinofilmen. Auf 16 bis24 Seiten Inhalt, Figuren,Thema und Ästhetik desFilms; außerdem Fragen,Materialien, ein detailliertesSequenzprotokoll undLiteraturhinweise. Aktuellesowie bereits vergriffeneHefte sind auch onlineabrufbar unterwww.bpb.de/filmhefte

100 Schritte Bestell-Nr. 8191Aimée und Jaguar Bestell-Nr. 8218Ali Bestell-Nr. 8235Alles auf Zucker! Bestell-Nr. 8181American History X Bestell-Nr. 8223Atash Bestell-Nr. 8172Das Baumhaus Bestell-Nr. 8221Beautiful People Bestell-Nr. 8203Black Box BRD Bestell-Nr. 8237Blue Eyed Bestell-Nr. 8240Bowling for Columbine Bestell-Nr. 8233Buud Yam Bestell-Nr. 8173Comedian Harmonists Bestell-Nr. 8205Die Distel Bestell-Nr. 8219Do the Right Thing Bestell-Nr. 8208Drei Tage Bestell-Nr. 8209East is East Bestell-Nr. 8199Ein kurzer Film über die Liebe Bestell-Nr. 8214Elling Bestell-Nr. 8196Erin Brockovich Bestell-Nr. 8193Das Experiment Bestell-Nr. 8216Falling Down – Ein ganz normaler Tag Bestell-Nr. 8204Die fetten Jahre sind vorbei Bestell-Nr. 8184Fremder Freund Bestell-Nr. 8195Gegen die Wand Bestell-Nr. 8187Geheime Wahl Bestell-Nr. 8192Good Bye, Lenin! Bestell-Nr. 8234Hass Bestell-Nr. 8206Hejar Bestell-Nr. 8227Im Gully Bestell-Nr. 8212Im toten Winkel – Hitlers Sekretärin Bestell-Nr. 8239In This World Bestell-Nr. 8229Die Jury Bestell-Nr. 8200Kick it like Beckham Bestell-Nr. 8190Kinder des Himmels Bestell-Nr. 8232Klassenleben Bestell-Nr. 8180Kombat Sechzehn Bestell-Nr. 8171Korczak Bestell-Nr. 8213Kroko Bestell-Nr. 8189Kurische Nehrung Bestell-Nr. 8211Das Leben ist schön Bestell-Nr. 8225Leni ... muss fort Bestell-Nr. 8222Lichter Bestell-Nr. 8231Lumumba Bestell-Nr. 8176Luther Bestell-Nr. 8197Montag Bestell-Nr. 8220Mossane Bestell-Nr. 8178Muxmäuschenstill Bestell-Nr. 8188Das Netz Bestell-Nr. 8186Der neunte Tag Bestell-Nr. 8183Oi! Warning Bestell-Nr. 8215Paradise Now Bestell-Nr. 8170Propaganda Bestell-Nr. 8236Rosenstraße Bestell-Nr. 8230Sankofa Bestell-Nr. 8175Schildkröten können fliegen Bestell-Nr. 8169Das schreckliche Mädchen Bestell-Nr. 8194Der Schuh Bestell-Nr. 8210Sommersturm Bestell-Nr. 8185Sophie Scholl – Die letzten Tage Bestell-Nr. 8179Die Sprungdeckeluhr Bestell-Nr. 8207Status Yo! Bestell-Nr. 8182Swetlana Bestell-Nr. 8224Der Taschendieb Bestell-Nr. 8217Touki Bouki Bestell-Nr. 8174Der Untertan Bestell-Nr. 8198Wie Feuer und Flamme Bestell-Nr. 8238Das Wunder von Bern Bestell-Nr. 8228Willkommen im Tollhaus Bestell-Nr. 8202Yaaba Bestell-Nr. 8177Zug des Lebens Bestell-Nr. 8201

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Politisches Wissen im Internet www.bpb.de

Das Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung

Thema Widerstand und Zivilcourage?

Eine Fülle weiterer Informationen und Materialien bietetwww.bpb.de, die Website der Bundeszentrale für politischeBildung. Sie hält ein Online-Dossier zu Sophie Scholl(www.bpb.de/sophiescholl) mit zahlreichen Erläuterungen,Dokumenten und Fotos zur Geschichte der Weißen Rosebereit. Online können auch die Publikationen „Widerstandgegen die nationalsozialistische Diktatur 1933-1945“ und„Geschichte des Dritten Reichs“ aus der Schriftenreihe sowiedas Heft „Deutscher Widerstand 1933-45“ der Informationenzur politischen Bildung bestellt oder heruntergeladen werden.Anlässlich des 60. Jahrestages des Attentats auf Hitler hatzudem die politische Wochenzeitung Das Parlament im Juni2004 eine Themenausgabe zu „Widerstand und Zivilcourage“herausgegeben, die ebenfalls über die Website www.bpb.debezogen werden kann. Die Dokumentationen „Widerstand inDeutschland“ und „Der 20. Juli vor dem Volksgerichtshof“ ausdem AV-Medienkatalog sowie das Kurz-Video „Weiße Rose“aus der Reihe Apropos werden von zahlreichen Landesme-dienzentren und -bildstellen verliehen. Im Rahmen der Initiativezur Förderung politischer Beteiligung „Projekt P – misch dichein“ informiert auch die Internetseite www.projekt-p.de überdas gegenwärtige politische Engagement Jugendlicher inDeutschland und macht auf die Relevanz politischerJugendbeteiligung aufmerksam.