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SozGg06/01/01 SozGg06/01/01 Modul 06/01 Modul 06/01 Teleologische Erklärungs- Teleologische Erklärungs- ansätze: Handeln ansätze: Handeln Sozialgeographie: Räumliche Strukturen der Gesellschaft © © Peter Weichhart Peter Weichhart 290118 VO 290118 VO WS 2013/14 3 Std., 4 ECTS-Punkte 3 Std., 4 ECTS-Punkte Dienstag, 17:00 –18:00 HS 4C und Mittwoch, 12:00 – 14:00; Dienstag, 17:00 –18:00 HS 4C und Mittwoch, 12:00 – 14:00; Hs. 5A, Hs. 5A, Kapitel 29.01; 29.02; 29.05; (B11-3.2) (B07-3.2) (L2-b2, Kapitel 29.01; 29.02; 29.05; (B11-3.2) (B07-3.2) (L2-b2, L2-b3, L2-b-zLV) L2-b3, L2-b-zLV)

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SozGg06/01/01SozGg06/01/01

Modul 06/01Modul 06/01Teleologische Erklärungs-Teleologische Erklärungs-

ansätze: Handelnansätze: Handeln

Sozialgeographie: Räumliche Strukturen der Gesellschaft

© © Peter WeichhartPeter Weichhart290118 VO290118 VO

WS 2013/14

3 Std., 4 ECTS-Punkte 3 Std., 4 ECTS-Punkte Dienstag, 17:00 –18:00 HS 4C und Mittwoch, 12:00 – 14:00; Hs. 5A, Dienstag, 17:00 –18:00 HS 4C und Mittwoch, 12:00 – 14:00; Hs. 5A,

Kapitel 29.01; 29.02; 29.05;  (B11-3.2) (B07-3.2) (L2-b2, L2-b3, L2-b-zLV)Kapitel 29.01; 29.02; 29.05;  (B11-3.2) (B07-3.2) (L2-b2, L2-b3, L2-b-zLV)

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Das Projekt einer handlungs-theoretischen Sozialgeographie

SozGg06/01/02

...ist eine Innovation der deutschsprachige Geographie.

Menschliches Tun wird nicht als außengesteuertes Reagieren verstanden, sondern als Agieren, das vom

Subjekt selbst in Gang gesetzt und gesteuert wird.

Als „Steuergröße“ menschlichen Tuns werden die Ziele (Intentionen) des Individuums angese-hen. Schlüsselkonzept: Intentionalität.

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Programmatische Impulse

SozGg06/01/03

E. WIRTH, 1981, Kritische Anmerkungen zu den wahrnehmungszentrierten Forschungsansätzen in der Geographie. Umweltpsychologisch fundierter „behavioural approach“ oder Sozialgeographie auf der Basis moderner Handlungstheorien? – In: Geo-graphische Zeitschrift, 69, S. 161-198.

P. SEDLACEK, 1982, B. WERLEN, 1983, P. WEICHHART, 1986.

B. WERLEN, 1987, Gesellschaft, Handlung, Raum.

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Grundelemente der Analyse

SozGg06/01/04

Als „Handlung“ kann jedes menschliche Tun be-zeichnet werden, das vom betreffenden Akteurmit einem subjektiven Sinn verbunden wird.

Akteure (Subjekte): Träger von Handlungen. Ak-teure entwerfen Intentionalität, antizipieren die Fol-gen ihres Tuns und stellen Reflexionen darüber an.

Ziele: Angestrebte materielle und immaterielle Folgen von Handlungen, die mit den Wertekon-figurationen und Sinnkontexten der Akteure inZusammenhang stehen.

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„Sinn“ und Ziele

SozGg06/01/05

„Sinn“ ist als selbstreferenzielles Phänomen zu verstehen, also als System, das durch Rückver-weis auf sich selbst gestaltet und verändert wird.

„Sinn“ kann im Handlungsvollzug auch neu ent-worfen, variiert oder konstituiert werden.

Sinn und Ziele stehen in Zusammenhang mit normativen Bedeutungszusammenhängen, die für das Subjekt als Werte, Bedürfnisse, Postulate, Affekte oder Emotionen verfügbar sind. Sie sindeiner subjektiven Argumentation zugänglich undbesitzen den Charakter einer bejahten Gewissheit.

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„Quasi-Verhalten“

SozGg06/01/06

„Habitualisiertes“, gleichsam gewohnheitsgemäßablaufendes Tun, das nicht aktuell durch „innere“Argumentation vorbereitet und subjektiv begrün-det ist, wird als „Quasi-Verhalten“ bezeichnet.

Habitualisiertes Tun kann bei Bedarf vom Akteurnachträglich „begründet“, auf einen subjektivenSinn bezogen werden.

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Analytische Teileinheiten von Handlungen I

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1.) Handlungsentwurf• vorbereitende Reflexionen;

• Überlegung von Zweck-Mittel-Relationen;• Auswahl konkreter Handlungsschritte und spezifischer Mittel;

• Antizipieren der Konsequenzen der Handlung

• gedankliche Vorwegnahme der erwünschten Situation;• Rechtfertigung der intendierten Ziele vor dem Hintergrund der bestehenden Wertestrukturen;

2.) Situationsdefinition

• Abschätzung von Zwängen und Hinderungsfaktoren;

• Rechtfertigung der Verfahrensschritte

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SozGg06/01/08

Analytische Teileinheiten von Handlungen II

3.) Handlungsvollzug• Abfolge aufeinander bezogener Handlungsschritte, bei denen unterschiedliche Mittel oder Werkzeuge einge- setzt und unterschiedliche Zwänge oder Hindernisse der Zielerreichung erfahren werden;

• im Handlungsvollzug kann es dazu kommen, dass Sinn- bezüge oder Handlungsziele variiert, uminterpretiert oder gar neu entworfen werden.

4.) Handlungsfolgen

• intendierte • nicht intendierte Handlungsfolgen

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Handlungsfolgen

SozGg06/01/09

... sind alle tatsächlichen oder vermeintlichen Re-sultate und Konsequenzen der durchgeführten Ein-zelschritte des Handlungsvollzugs.

Es handelt sich um die Auswirkungen von Hand-lungen auf materielle und immaterielle Systemzu-stände der physischen und der sozialen Welt, aberauch um Rückwirkungen auf das handelnde Sub-jekt und seine Identität.

Für die Akteure sind die Handlungsfolgen primärin Hinblick auf die Zielerreichung relevant.

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Ziel- und Wertkonflikte

Ein handlungstheoretisches Modell der Mensch-Umwelt-Interaktion

SozGg06/01/10SozGg06/01/10Nach P. WEICHHART, 1986, S. 85, verändert.Nach P. WEICHHART, 1986, S. 85, verändert.

Physisch-materielle W

eltPhysisch-m

aterielle Welt

Sozialsystem

WERTE,BEDÜRFNISSE,

AFFEKTE

SINN,ZIELE

Handlungsentwurf

Handlungsvollzug,Handlungs-sequenzen

Handlungsfolgen

Lernen

Lebenssituation,Persönlichkeits-

entwicklung, Enkulturation, Sozialisation

?

„Res

s our

c en“

(+),

„C

o nst

r ain

ts“

(-)

Freiheitsgrade sub-jektiver Sinnzuwei-sung innerhalb desSozialsystems, derBezugsgruppe/Rol-

lenkonfiguration

Materielle Kultur,Technologie,

Repertoire mög-licher/zulässigerHandlungsakte

Herrschaftsstruk-turen, Mittelverfüg-barkeit, Organisa-tionsstrukturen ...

(+, -)

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Der „Umbau der Welt“ im Handeln

SozGg06/01/11SozGg06/01/11

Durch die Summe aller Handlungsfolgen werden materielle und immaterielle Zustände des sozialenSystems und der physisch-materiellen Welt beein-flusst, verändert oder neu produziert.

Die auf der Erdoberfläche vorfindbaren Artefakteund ihre spezifische räumliche Konfiguration sowieihre Veränderungsdynamik sind als „Produkte“menschlichen Handelns anzusehen und als inten-dierte oder nicht intendierte Folgen menschlichen Handelns zu erklären.

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Die Rationalität des Handelns I

SozGg06/01/12

„ATTRIBUTIZER“

Perfekte Rationalität„subjektive Rationalität“,„subjektive Kausalität“

Qua

lität

und

Qua

ntitä

t der

Info

rmat

ion

Zunahme der RationalitätVerzerrte,gefilterte,

unvoll-ständige

Information

PerfekteInformation

HOMOOECONOMICUS

„SATISFIZER“

In Anlehnung anA. PRED, 1967, S. 25

Prinzip der „marginalen Differenz“(D. HÖLLHUBER)

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Die Rationalität des Handelns II

SozGg06/01/13

Ziel- und WertkonflikteWERTE,

BEDÜRFNISSE,AFFEKTE

SINN,ZIELE

Handlungsentwurf

Handlungsvollzug,Handlungs-sequenzen

Handlungsfolgen

?

Akteure verfügen über ein sehr großes und überaus flexibles Re-pertoire argumentativer Bewusst-seinsakte, durch die nahezu be-liebige Zusammenhänge oder Kausalbeziehungen zwischen Sinnstrukturen und Handlungsfol-gen hergestellt werden können.

Durch solche „alltagsweltlicheLogiken“ lassen sich auch inter-und intrasubjektive Ziel- und Wert-konflikte „lösen“.

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Ein Beispiel für alltagsweltliche „Logiken“: die

Geschichte mit dem Hammer

SozGg06/01/13bMünchen und Zürich, 1983

„Ein Mann will ein Bild aufhän-gen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbarhat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihnauszuborgen.“

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Ein Beispiel für alltagsweltliche „Logiken“: die Geschichte mit dem Hammer II

SozGg06/01/13c

„Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er michnur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war dieEile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was?Ich habe ihm nichts getan; der bildet sich da etwas ein.“

„Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbees ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mit-menschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wiedieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sichnoch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Ham-mer hat. Jetzt reicht`s mir wirklich.“

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Ein Beispiel für alltagsweltliche „Logiken“: die Geschichte mit dem Hammer III

SozGg06/01/13d

„Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, dochnoch bevor er ,Guten Tag‘ sagen kann, schreit ihn unserMann an: „Behalten Sie sich Ihren Hammer, Sie Rüpel!“

Weitere Beispiele:

• „boshafte“ Ampeln; • die Schlange, in der man steht, ist immer die langsamste;• …

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„Objektiv erfolgreiches“ Handeln

SozGg06/01/14

Die Folgen des Handelns stimmen auch aus derSicht externer Beobachter mit den ursprünglichintendierten Zielen überein, es liegen keine nicht-intendierten Folgen vor, die von externen Beob-achtern als negativ, kontraproduktiv oder destruk-tiv eingeschätzt werden.

Möglicher Effekt: Entstehung neuer Ziele

Positive Rückwirkungen auf den Akteur

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„Subjektiv erfolgreiches“ Handeln

SozGg06/01/15

Die Handlungsfolgen stimmen nicht (ausreichend)mit den intendierten Zielen und Absichten überein:

• Wiederholung der Handlung mit verstärkter An- strengung und dem Einsatz adäquaterer Mittel;

• Einsatz argumentativer und interpretativer Be- wusstseinsprozesse, mit deren Hilfe für den Ak- teur ein Abbau von Spannungen und Dissonan- zen möglich wird („innere Konfliktbewältigung“).

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Kognitive Strategien der Bewältigung von Diskrepanzen zwischen Handlungszielen

und Handlungsfolgen

SozGg06/01/16

• „Schuldzuweisung“ an Rahmenbedingungen oder Interaktionspartner;• Uminterpretation der Folgen: negative Aspekte werden ignoriert oder verdrängt, positive überbe- tont;• Nachträgliche Uminterpretation der Ziele und Sinn- strukturen;

• Leugnung von Kausalzusammenhängen zwischen dem eigenen Handeln und seinen Folgen.

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Kognitive Strategien zur Rechtfertigung von Handlungszielen

SozGg06/01/17

Grundmuster:Argumentative Verknüpfung eigener Handlungs-ziele mit besonders hochrangigen gesamtgesell-schaftlichen oder gruppenspezifischen Wertenauf der Grundlage subjektiver Rationalität.

Damit können auch egoistische oder ethisch un-haltbare Einzelziele „gerechtfertigt“ werden.

„Lösung“ von inner- und intersubjektiven Ziel-konflikten durch Verdrängungs- und Harmoni-sierungsoperationen.

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Anforderungen an die Forschungspraxis

SozGg06/01/18

• Befassung mit Werten und Sinnkontexten, Ge- nese von Werten;

• Rekonstruktion subjektiver Rationalität, Be- fassung mit Attributionstheorie und der Logik lebensweltlicher Entscheidungsprozesse (vergl. z. B. W. HERKNER, Hrsg., 1980 und D. DÖR- NER, 1989);

• Thematisierung von Alltagskultur und Alltagswelt;

• Typologie von Handlungen.