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1 Krise der Lohnarbeit und die veränderten Anforderungen an Soziale Arbeit mit Langzeitarbeitslosen Masterthesis im berufsbegleitenden Studiengang Sozialmanagement Hochschule Niederrhein Fachbereich 06 Sozialwesen Vorgelegt von: Judith Knabe am: 27.07.2007 Erstkorrektor: Prof. Dr. Wilfried Gebhardt Zweitkorrektor: Prof. Dr. Gunzelin Schmid Noerr

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Krise der Lohnarbeit und die veränderten Anforderungen an Soziale Arbeit mit

Langzeitarbeitslosen

Masterthesis im berufsbegleitenden Studiengang Sozialmanagement

Hochschule Niederrhein Fachbereich 06 Sozialwesen

Vorgelegt von: Judith Knabe

am: 27.07.2007

Erstkorrektor:

Prof. Dr. Wilfried Gebhardt

Zweitkorrektor: Prof. Dr. Gunzelin Schmid Noerr

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1. Einleitung ________________________________________________________________________________________

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Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ....................................................................................................... 3 2. Auswirkungen der Krise der Lohnarbeit auf Langzeitarbeitlose ................ 5

2.1 Die Krise der Lohnarbeit und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen .......... 6 2.1.1 Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt.................................................. 6 2.1.2 Gesellschaftliche Auswirkungen ........................................................ 15

2.2 Individuelle Auswirkungen von Arbeitslosigkeit ...................................... 17 2.2.1 Materielle Auswirkungen................................................................... 17 2.2.2 Psychosoziale Auswirkungen ............................................................. 18

2.3 Bedarfe der Langzeitarbeitslosen an Sozialer Arbeit................................. 22 2.4 Zusammenfassung.................................................................................... 25

3. Soziale Arbeit mit Langzeitarbeitslosen...................................................... 27 3.1 Soziale Arbeit im Umbruch...................................................................... 27 3.2 Soziale Arbeit mit Langzeitarbeitslosen im Umbruch............................... 29

3.2.1 Historische Entwicklungen ................................................................ 30 3.2.2 Aktuelle Entwicklungen - Sozialgesetzbuch III und Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ...................................................... 33 3.2.3 Die gegenwärtigen Instrumente der Sozialen Arbeit mit Langzeitarbeitslosen........................................................................... 37 3.2.4 Diskurs des aktivierenden Sozialstaates............................................. 45

3.3 Zusammenfassung.................................................................................... 50 4. Auswirkungen der Krise der Lohnarbeit auf die Akteure der Sozialen Arbeit ............................................................................................................... 52

4.1 Auswirkungen auf die Professionalität der Sozialen Arbeit....................... 52 4.2 Auswirkungen auf das Verhältnis von Sozialer Arbeit und Betroffenen.... 60 4.3 Auswirkungen auf die Trägerorganisationen Sozialer Arbeit .................... 67 4.4 Auswirkungen auf die Beschäftigten im Sozialsektor ............................... 72 4.5 Zusammenfassung.................................................................................... 77

5. Alternative Handlungsszenarien für Soziale Arbeit mit Langzeitarbeitslosen ........................................................................................ 79

5.1 Gegenwärtige politische Debatte um einen „3. Arbeitsmarkt“ .................. 79 5.2 Die Theorie der Lokalen Ökonomie als Gegenkonzept – ein Versuch der Einordnung alternativer Handlungsszenarien............................................ 84 5.3 Ausgewählte Projektbeispiele................................................................... 87

5.3.1 Soziale Unternehmen......................................................................... 88 5.3.2 Lokale Bürgerarbeit .......................................................................... 92 5.3.3 Genossenschaften .............................................................................. 96

5.4 Wirtschaftsförderung im Rahmen der Lokalen Ökonomie – Finanzierung und Ausstattung ........................................................................................ 98 5.5 Veränderung der Rolle von Sozialer Arbeit in diesem Kontext ............... 104 5.6 Zusammenfassung.................................................................................. 110

6. Fazit............................................................................................................ 113 Literaturverzeichnis ..................................................................................... 117

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1. Einleitung ________________________________________________________________________________________

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1. Einleitung Seit den späten 1980er Jahren wird in Teilen der kritischen Öffentlichkeit von einer Krise der Lohnarbeit gesprochen. Alle Bestandsaufnahmen und Interpretationen gehen davon aus, dass mittel- und langfristig für mehr oder weniger große Teile der Bevölkerung die klassische Lohnarbeit, weder ihre Reproduktion und noch weniger ihre Teilhabe an der Konsumgesellschaft sichern kann. Die im letzten Jahrhundert noch kontrovers diskutierten Einschätzungen scheinen sich im 21. Jahrhundert zu bewahrheiten, was sich in der sukzessiv steigenden Langzeitarbeitslosigkeit und im drastisch anwachsenden Niedriglohnsektor ausdrückt. Diese Situation strahlt in sehr viele gesellschaftliche Bereiche aus und macht eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und individuellen Folgen notwendig. In meiner beruflichen Tätigkeit als Sozialarbeiterin in der Beschäftigungsförde-rung konnte ich beobachten, dass auch die Soziale Arbeit zunehmend unter Kosten- und Rechtfertigungsdruck gerät und mit den vorhandenen Instrumenten nur sehr unzureichend auf die Situation reagieren kann. Mit Einführung der Gesetze für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ergeben sich massive Umbrüche in den Strukturen und der Professionalität Sozialer Arbeit. Die Gesetzesänderungen reichen durch die aktivierende Stoßrichtung unmittelbar in die zentralen Felder der Sozialen Arbeit. Die vorliegende Arbeit mit dem Titel „Krise der Lohnarbeit und die veränderten Anforderungen an Soziale Arbeit mit Langzeitarbeitslosen“ versucht diese Situation zu analysieren. Um das Problem strategisch zu lösen, bedarf es sicher einer tiefer gehenden Analyse über nationale und internationale gesellschaftliche Arbeitsteilung, über Mechanismen der Verwertung und neue Leitbilder von Gesellschaftlichkeit. Diese Analyse kann im Rahmen der Arbeit nicht geleistet werden. Vielmehr werden die materiellen, psychosozialen, gesellschaftlichen und individuellen Auswirkungen der Exklusion einer zunehmenden Zahl von Menschen aus der gesellschaftlichen Reproduktion beschrieben und daraus Bedarfe an Sozialer Arbeit ermittelt (Kapitel 2). Die ermittelten Bedarfe stehen in der praktischen Arbeit im scharfen Kontrast zum vorherrschenden Diskurs des aktivierenden Sozialstaates, zu dem auf dieser Grundlage neu geschaffenen gesetzlichen Rahmen und den daraus abgeleiteten Instrumenten der sozialen Arbeit mit Langzeitarbeitslosen (SGB II, SGB III).

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1. Einleitung ________________________________________________________________________________________

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Dieser Widerspruch wird in Kapitel 3 in den historischen Kontext der Sozialen Arbeit mit Langzeitarbeitslosen eingeordnet sowie analysiert. Eine Fülle von praktischen Veränderungen für die verschiedenen Akteure der Sozialen Arbeit sind die Folge. Die gesetzlichen Grundlagen verändern nicht nur das Professionsverständnis Sozialer Arbeit, sondern auch das Verhältnis der Fachkraft zu ihren Klienten und damit die Qualität der Arbeit. Des Weiteren verändern diese Bedingungen sukzessive auch die Trägerlandschaft sowie die Situation der Beschäftigten in ihren Einrichtungen. Eine Analyse der konkreten Auswirkungen wird in Kapitel 4 geleistet. Die Datenlage zu den bisher angesprochenen Fragen ist - sieht man von den in offiziellen Statistiken dokumentierten Zahlen ab - recht komplex und schwierig zu bearbeiten. Eigene empirische Untersuchungen zu den einzelnen Fragestellungen hätten den Rahmen der Arbeit überschritten. So habe ich neben grundsätzlicher Literatur zu Fragen der Profession (ca. ein Drittel der dokumentierten Titel) in sehr starkem Maße auf Statistiken und Zeitschriften zurückgreifen müssen (ca. zwei Drittel der dokumentierten Titel), um aktuelle und spezielle Fragen zu beleuchten. Bei der Auswahl und der Interpretation der Daten und Einschätzungen bin ich von klassischen, meines Erachtens sinnvollen Grundprinzipien der Sozialen Arbeit wie „Bedürfnisorientierung“, „Ressourcenorientierung“ und „Hilfe zur Selbsthilfe“ ausgegangen und messe die vorgefundene Realität an diesen Maßstäben. In Kapitel 5 habe ich nach Ansätzen gesucht, welche die Schräglagen der vorgefundenen Entwicklungen abschwächen könnten. Dabei ging es um kurzfristig praktikable Handlungsszenarien, die im Rahmen der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse umsetzbar sind und in denen die Soziale Arbeit auf Grundlage der oben genannten Kriterien wieder ein eigenständigeres Profil erhalten könnte. Dabei wird die gegenwärtige gesellschaftliche Debatte um einen 3. Arbeitsmarkt und die theoretischen Ansätze der „lokalen Ökonomie“ auf ihre Tauglichkeit überprüft. Anschließend werden klassisch-historische Organisations-formen (Genossenschaften), gegenwärtig vorherrschende Organisationsformen (Soziale Betriebe) und ein innovatives Projekt (Lokale Bürgerarbeit) sowie ein neuer Finanzierungsansatz auf ihre Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation untersucht. Schließlich wird in Kapitel 5.5. auf Grundlage der beschriebenen Szenarien eine Neupositionierung der Sozialen Arbeit versucht, in der sie unabhängiger, ganzheitlicher und professioneller agieren könnte.

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2. Auswirkungen der Krise der Lohnarbeit auf Langzeitarbeitlose ________________________________________________________________________________________

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2. Auswirkungen der Krise der Lohnarbeit auf Langzeitarbeitlose Die Arbeitslosenquote bewegt sich seit zwei Jahren (2004 und 2005) auf einem Niveau von 11,7 % im Jahresmittel.1 Im Jahr 2006 lag die Quote bei 10,8 %.2 Im Januar 2005 machte dies eine absolute Zahl von 5.086.647 registrierten Arbeitslosen aus. Im Dezember 2006 sank die absolute Zahl auf 4.007.559 Arbeitslose.3 Trotz der sinkenden offiziellen Arbeitslosenzahlen sehen Experten in den nächsten Jahren eine Krise der Lohnarbeit, die strukturell bzw. systembedingt eine Verabschiedung von der Vollbeschäftigung fordert. Die gegenwärtige Beschäftigungskrise hat jedoch eine neue Qualität angenommen. Zu den offiziellen Zahlen der Arbeitslosenstatistik kommen nach Schätzungen ungefähr noch einmal so viele Menschen hinzu, die keine Transferleistungen beziehen und somit in der Statistik nicht einbezogen werden, aber trotzdem arbeitssuchend sind. Die Beschäftigungseffekte des wirtschaftlichen Wachstums reichen auf absehbare Zeit nicht mehr aus, das Arbeitskräfteangebot zu absorbieren. Mehr noch: in der Industrie ist wirtschaftliches Wachstum selbst zum Motor der Arbeitsplatzver-nichtung geworden.4 „Das Verschwinden fester Arbeitsverhältnisse wird zum drängendsten sozialen Problem des nächsten Jahrtausends werden.“5 Die seit Jahrzehnten anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und die Zunahme unsicherer Beschäftigungsverhältnisse kennzeichnen den deutschen Arbeitsmarkt. Die Vor-stellung eines ununterbrochenen Erwerbsverlaufs bis zum Renteneintritt scheint immer unrealistischer.6 Strukturelle7 und systembedingte Arbeitslosigkeit gehen als dauerhaftes Phänomen in die Diskussionen ein und zeugen von einer

1 Arbeitslosenquoten setzen sich zusammen aus: Arbeitslosen in % aller zivilen Erwerbspersonen (abhängige zivile Erwerbspersonen, Selbständige, mithelfende Familienangehörige) und Arbeitslosen in % der abhängigen zivilen Erwerbspersonen (sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigte, Beamte, Arbeitslose). Diese Berechnungsmethode findet in den alten Bundesländern ab Januar 1990 und in den neuen Bundesländern ab Januar 1993 Anwendung. Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2006): Arbeitsmarkt in Zahlen. Jahresdaten 2005. (http://www.pub.arbeitsamt.de/hast/services/statistik/200512/iiia4/akt_dat_jzd.pdf, Stand 19.02.07) 2 Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2007): Arbeitsmarkt in Zahlen. Jahresdaten 2006. (http://www.pub.arbeitsamt.de/hast/services/statistik/200612/iiia4/akt_dat_jzd.pdf , Stand 23.02.07) 3 Ebd., S. 12 4 Vgl. Kronauer, M. (1996): „Soziale Ausgrenzung“ und „Underclass“: Über neue Formen der gesellschaftlichen Spaltung. In: Mitteilungen des soziologischen Forschungsinstitutes der Universität Göttingen SOFI-Mitteilungen Nr. 24/1996, S. 53 (http://www.sofi-goettingen.de/fileadmin/SOFI-Mitteilungen/Nr._24/kronauer.pdf, Stand 13.04.2007) 5 Jeremy Rifkin (1995): Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft, Campus Verlag, Frankfurt a.M., S.11 6 Vgl. Dundler, A. / Müller, D. (2006): Ein Leben ohne Arbeitslosigkeit – nur noch Fiktion? IAB Kurzbericht. Nr. 27/22.12.2006 7 „Strukturelle Arbeitslosigkeit ist eine Form der Arbeitslosigkeit, die dadurch entsteht, dass durch nachhaltige Veränderungen der Nachfrage in einzelnen Wirtschaftszweigen (z.B. im Kohlebergbau), durch den Einsatz neuer Techniken und Technologien oder durch Veränderungen auf dem Weltmarkt Arbeitsplätze entweder abgebaut oder betroffene Unternehmen ganz stillgelegt werden. Strukturelle Veränderungen erfordern in der Regel einen langen Anpassungs- und Umstellungsprozess der betroffenen Wirtschaftsbereiche. Strukturelle Arbeitslosigkeit ist meist langfristig.“ In: Das Lexikon der Wirtschaft. Grundlegendes Wissen von A bis Z. 2. Aufl. Mannheim: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus 2004. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2004.

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Auseinandersetzung mit einem Thema, dass für die gesellschaftliche Entwicklung nicht als marginal betrachtet werden kann und nach langfristigen Lösungen ruft.8 Im Spannungsfeld dazu spielt Arbeit als Erwerbstätigkeit im Sinne der Arbeitsgesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland jedoch eine zentrale Rolle, die weit über die Tätigkeit und der damit erzielten Existenzsicherung hinausgeht.9 Dementsprechend ist Arbeitslosigkeit mit gravierenden Folgen in allen Lebensbereichen verbunden.10 In der Arbeitsgesellschaft hat die Erwerbsarbeit eine zentrale Bedeutung sowohl für die einzelnen Gesellschaftsmitglieder als auch für die Gesellschaft im Ganzen. 11 Die Bedeutung und das Ausmaß von Arbeitslosigkeit sowie deren Auswirkungen auf die Betroffenen werden im folgenden Kapitel dargestellt und erörtert. Abschließend werden die Ziele Sozialer Arbeit mit Langzeitarbeitslosen ermittelt.

2.1 Die Krise der Lohnarbeit und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen

Die Krise der Lohnarbeit hat verschiedene Auswirkungen. Diese zeigen sich vor allem an den deutlichen Veränderungen des Arbeitsmarktes, aber auch an der ansteigenden Arbeitslosigkeit für bestimmte Risikogruppen, bis hin zur Abkopplung ganzer Bevölkerungsgruppen vom gesellschaftlichen Leben.

2.1.1 Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt Arbeitslosigkeit12 entsteht dann, wenn das Arbeitskräfteangebot auf dem Arbeitsmarkt größer ist als die Arbeitskräftenachfrage. Die Ursachen für dieses

8 Vgl. u.a. Uher, J. (2000): Systembedingte Arbeitslosigkeit – alternative Beschäftigungspolitik. Frankfurt a.M. 9 von Ralph Dahrendorf geprägter Begriff. Dahrendorf, R. (1983): Wenn der Arbeitsgesellschaft die Arbeit ausgeht. In: Matthes, J. (Hrsg.): Krise der Arbeitsgesellschaft? Verhandlungen des 21. Soziologentages in Bamberg 1982, Frankfurt a.M. 10 „Arbeit ist weit mehr als materielle Existenzsicherung. Sie ist ein gesellschaftlicher Prozess und bezieht auch daraus ihren Stellenwert. Für den Menschen bedeutet sie in diesem Sinn Gesellschafts-, Lebens- und Selbsterfahrung. Arbeit gibt dem Menschen ein Gefühl persönlicher Sicherheit und weist ihm zugleich einen Platz in der sozialen Gemeinschaft zu.“ Zitiert aus Heinichen, J. (1994): Arbeit und Arbeitslosigkeit. In: Hoffman, H./Kramer, D. (Hrsg.): Arbeit ohne Sinn? Sinn ohne Arbeit? Weinheim, S. 67 11 http://www.infratest-dimap.de/?id=39&aid=17#ue4, Stand 19.02.07 12 Definition Arbeitslose und Langzeitarbeitslose der Bundesagentur für Arbeit: „Arbeitslose sind Arbeitsuchende bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, die nicht oder weniger als 15 Stunden wöchentlich in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, die nicht Schüler, Studenten oder Teilnehmer an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung, nicht arbeitsunfähig erkrankt, nicht Empfänger von Altersrente sind und für eine Arbeitsaufnahme als Arbeitnehmer sofort zur Verfügung stehen. Arbeitslose müssen sich persönlich bei ihrer zuständigen Arbeitsagentur oder dem nach SGB II zuständigen Träger gemeldet haben. Als Langzeitarbeitslose gelten im Rahmen der Arbeitsmarktstatistik alle Personen, die am jeweiligen Stichtag der Zählung 1 Jahr und länger bei den Arbeitsagenturen arbeitslos gemeldet waren.“ Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2007): a.a.O., S. 3

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Ungleichgewicht sind vielschichtig, ineinander verzahnt, können nach Hradil jedoch anhand von vier Ursachen dargestellt werden:

- Die friktionelle Arbeitslosigkeit ist kurzfristig und entsteht durch berufliche Um- und Einstiegsprozesse (Sucharbeitslosigkeit).

- Die konjunkturelle Arbeitslosigkeit hingegen wird durch den Rückgang der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen verursacht. Auf die geringe Nachfrage reagieren die Unternehmen mit Entlassungen, bei wirtschaftli-chem Aufschwung mit Einstellungen.

- Natürliche Schwankungen des Klimas bedingen im Jahresverlauf z.B. in der Landwirtschaft die saisonale Arbeitslosigkeit, die gemäß ihrer Definition nicht länger als drei Monate andauert und deshalb nur kurzfristige Schwankungen in der Arbeitslosenstatistik verursacht.

- Demgegenüber ist die strukturelle Arbeitslosigkeit aufgrund von Wandlungen der Wirtschaftsstruktur ein dauerhaftes Phänomen.13

- Dazu kommt - durch die immer geringere Fähigkeit des Kapitals Arbeitskraft gewinnbringend zu verwerten - eine steigende Sockelarbeits-losigkeit. Dies kann als systembedingte Arbeitslosigkeit bezeichnet werden.

In den vergangenen 25 bis 30 Jahren hat sich die Ausprägung der Arbeitsgesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland von einer Industrie-gesellschaft zu einer Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft gewandelt.14 Dieser Wandel hat zusammen mit dem technischen Fortschritt, den demo-grafischen Entwicklungen und der zunehmenden Globalisierung der Arbeits- und Warenmärkte das Bild der Arbeitsgesellschaft auch in der Bundesrepublik nach-haltig verändert. Diese Entwicklungen haben zur Folge, dass immer weniger Personen sichere Arbeitsplätze haben, eine wachsende Zahl von Menschen flexible, rechtlich wenig geschützte Beschäftigungsverhältnisse eingehen müssen und daneben einem steigenden Anteil der Bevölkerung die Aussicht auf Erwerbsarbeit völlig verwehrt ist.15

13 Vgl. Hradil, S. (2001): Soziale Ungleichheit in Deutschland. 8. Aufl. Opladen, S. 184 f. oder auch Zerche, J./Schönig, W./Klingenberger, D. (2000): Arbeitsmarktpolitik und –theorie: Ein Lehrbuch zu empirischen, institutionellen und theoretischen Grundfragen der Arbeitsökonomik. München, Wien, Oldenbourg, S. 119f. 14 „Wenn in den kommenden 20 Jahren das nächste Stadium der Herstellung erreicht sei, (...) werde man in Deutschland nicht mehr von vier, sondern von zwölf Millionen Arbeitslosen sprechen. Mit der Agrikultur wurde der Start gemacht, und jetzt hat die Freisetzungswelle bereits den Sektor Dienstleistungen erreicht.“ Niehöster, K.: Alle Hände voll zu tun? In: WirtschaftsBild Nr. 27 / 03.07.1998, S. 6 15 Vgl. Beck, U. (1999): Schöne neue Arbeitswelt. Vision: Weltbürgerschaft. 2. Aufl. Frankfurt a.M., New York, S. 7 – 189 aus soziologischer Sicht sowie aus ökonomischer Sicht Uher, J. (2000): a.a.O.

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Durch den Wegbruch ganzer Branchen durch den industriellen Strukturwandel sind zahllose Industriearbeiter16 arbeitslos oder zu Hilfsarbeitern degradiert worden.17 Im Anschluss an den stetig wachsenden Wohlstand in der „Wirtschaftswunder-Zeit“ der 50er Jahre und der anschließenden langen Phase der Vollbeschäftigung in den 60ern und frühen 70er Jahren wurde die Vorstellung geschürt, dass die Arbeitslosenzahl dauerhaft niedrig gehalten werden könne. Mit den Auswirkungen der Wirtschaftkrisen und damit verbundenen Rezessionen 1973, 1982 sowie der besonderen Herausforderungen der deutschen Vereinigung ab 1990 stieg jedoch die Arbeitslosenquote stetig an.18 Betrachtet man die Arbeitslosenquote im Detail, so werden die sprunghaften Anstiege der so genannten Sockelarbeitslosigkeit in diesen Jahren deutlich. In späteren wirtschaftlichen Erholungsphasen konnte diese Arbeitslosigkeit nur leicht zurückgeführt werden.19 Für die Manifestierung der Sockelarbeitslosigkeit sprechen auch die derzeitigen Arbeitslosenzahlen. Waren es im Januar 2005 noch 54,1 % Arbeitslose im Rechtskreis des SGB III, also im Arbeitslosengeld-I-Bezug, und 45,9 % im Rechtskreis des SGB II, so verschoben sich in den letzten zwei Jahren die Zahlen erheblich zu Gunsten der SGB II-Empfänger. Im Dezember 2006 lag der Bestand an Arbeitslosen insgesamt bei 35,2 % im Rechtskreis des SGB III und bereits bei 64,8 % im Rechtskreis des SGB II.20 Betrachtet man die Abgänge aus dem Rechtskreis des SGB II in 2006 (1.764.013 Personen) so wird deutlich, dass nur ca. 590.000 Personen in die Erwerbstätigkeit und 223.000 Personen in Ausbildung gingen. Alle anderen Personen gingen in die Nichterwerbstätigkeit (aus Gründen der Arbeitsunfähigkeit, Nichterneuerung der Meldung, fehlende Verfügbarkeit bzw. Mitwirkung, Sonderregelungen, Verbleib ohne Nachweis).21

16 Im Text wird aus Gründen der Lesbarkeit durchgängig das maskuline Genus verwendet. Mitgedacht und mitgemeint sind stets beide Geschlechter. Des Weiteren verwende ich hier bewusst den Begriff der „Arbeitslosigkeit“ und nicht der „Erwerbslosigkeit“. Obwohl das Leiden an der Arbeitslosigkeit auch mit den fehlenden Möglichkeiten zum Gelderwerb zu tun hat, ist dieser Begriff zu eng gefasst. Der Begriff der Arbeitslosigkeit macht hingegen deutlich, dass den Betroffenen auch die Möglichkeit zur Anwendung ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse vorenthalten wird und ist dazu auch der offiziell verwendete Begriff. Vgl. weiterführende Auseinandersetzung bei Wolki-Prenger, F./Rothardt, D. (1996): Soziale Arbeit mit Arbeitslosen. Beratung, Bildung, Selbstorganisation. Weinheim, Basel, S. 18f. 17 Schätzungen zufolge bewirkt die so genannte „Mikroprozessor-„ bzw. „Dritte Industrielle Revolution“ einen erheblichen Arbeitsplatzabbau; beim Einsatz von Industrierobotern bspw. steht dem Verlust von je fünf Arbeitsplätzen der Gewinn eines Arbeitsplatzes gegenüber. Weitere Beispiele sind das Druckereigewerbe, die Automobilindustrie aber auch der Verwaltungs- und Dienstleistungsbereich. Vgl. Bonß, W./Heinze, R.G. (1984): Arbeitslosigkeit in der Arbeitsgesellschaft. Frankfurt a.M., S. 27 18 Vgl. Zerche, J./Schönig, W./Klingenberger, D. (2000): a.a.O., S. 104-106 19 „Das Phänomen verfestigter Arbeitslosigkeit nach einer schockartigen Veränderung der Rahmenbedingungen wird in der Arbeitsmarktpolitik als Hysteresis bezeichnet. Allgemein bedeutet Hysteresis, dass ein System auf eine externe Störung reagiert und nach Wegfall dieser Störung nicht mehr in seinen Ausgangszustand zurückkehrt.“ Zerche, J./Schönig, W./Klingenberger, D. (2000): a.a.O., S. 103 20 Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2007): a.a.O., S. 12 21 Ebd., S. 33 und 44

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Die Abgänge in die Gruppe der Nichterwerbstätigen wird nicht in der Arbeitslosenstatistik erfasst.22 Zusammen mit der so genannten „stillen Reserve“23 muss diese Personengruppe ebenfalls in die Überlegungen zu einer alternativen Arbeitsmarktpolitik einbezogen werden. Auch werden Personen, die an Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung oder an Ein-Euro-Jobs teilnehmen, ebenso wie Schüler und Studenten bei der Bundesagentur für Arbeit statistisch nicht erfasst und schönen so die Zahlen der Unterbeschäftigung.24 Auch wenn die Konjunktur den Arbeitsmarkt weiterhin belebt, nimmt gemäß den Prognosen des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit die Stille Reserve zu, weil „das gesamtwirtschaftliche Umfeld zu wenig Dynamik entwickelt.“.25 Sowohl eine IAB / Prognos-Projektion von 1999 sowie eine Untersuchung von Dostal belegen, dass bis zum Jahr 2010 mit einem weiteren massiven Abbau von Hilfs- und Einfacharbeitsplätzen zu rechnen ist. Weiter zunehmen wird hingegen insbesondere die Zahl an Arbeitsplätzen mit hohen und mittleren Anforderungsniveaus.26 Immer deutlicher wird also, dass eine Entkopplung von Wirtschaftwachstum und Beschäftigungsanstieg für bestimmte Personengruppen stattgefunden hat.27 Eine weitere Problematik der Entwicklungen des Arbeitsmarktes ist die Entstehung zunehmender Anteile von prekären Beschäftigungsformen. Neben sozialversicherungspflichtigen Vollzeitarbeitsplätzen steigen die sozialversicherungsfreien oder geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse stetig.28

Immer mehr Menschen gehen deshalb mehr als einer Beschäftigung nach.29 Eine Auswertung der Statistik der BA zeigte im Juni 2005, dass 388.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ergänzend Arbeitslosengeld II bezogen.

22 „Erwerbslose sind Personen ohne Arbeitsverhältnis, die sich aktiv um eine Arbeitsstelle bemühen, unabhängig davon, ob sie beim Arbeitsamt als Arbeitslose gemeldet sind. Insofern ist der Begriff der erwerbslosen unfassender als der Begriff der Arbeitslosen.“ Vgl. Fuchs, J./Walwei, U./Weber, B. (2005): Die „Stille Reserve“ gehört ins Bild vom Arbeitsmarkt. IAB Kurzbericht Nr. 21/14.11.2005, S. 5 23 Es handelt sich bei der „stillen Reserve“ um Personen, die sich aufgrund der schlechten Arbeitsmarktlage zurückziehen oder vorzeitig in Rente gehen. 24 Hinweis: Kurzarbeiter und Beschäftigte in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bzw. in Arbeitsgelegenheiten in Entgeltvariante sind statistisch erwerbstätig. Deshalb werden sie nicht zur Stillen Reserve gezählt. Vgl. Fuchs, J./Walwei, U./Weber, B. (2005): a.a.O., S. 1 und 5 25 Bach, H.-U./Gaggermeier, C. u.a. (2006): Die Konjunktur belebt den Arbeitsmarkt 2006. IAB Kurzbericht Nr. 12/26.07.2006, S. 1 26 Vgl. Reinberg, A. (2003): Schlechte Zeiten für gering Qualifizierte? – Arbeitsmarktsituation, Beschäftigung und Arbeitsmarktperspektiven. In: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg): Gering Qualifizierte – Verlierer am Arbeitsmarkt?! Konzepte und Erfahrungen aus der Praxis. Gesprächskreis Arbeit und Soziales Nr. 101, Bonn, S. 15 sowie Dostal, W. (o.J.): Projektionen. In: BMBF (Hrsg.): Qualifikationsstrukturbericht 2000. Bonn, S. 21 27 Vgl. Uher, J. (2000): a.a.O., S. 10 28 Vgl. Bach, H.-U./Gaggermeier, C. u.a. (2006): a.a.O., S. 3 29 Die Mehrfachbeschäftigungsquote betrug Mitte 2004 4,7 %, was einer absoluten Zahl von rund 1,5 Mio. Menschen entspricht. Vgl. Hirschenauer, F./Wießner, F. (2006): Mehrfachbeschäftigung. Ein Job ist nicht genug. IAB Kurzbericht Nr. 22/06.12.2006

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73 % dieser Personengruppe hatte eine Vollzeitbeschäftigung. Ihr Gehalt reicht demnach nicht aus, um das Existenzminimum zu sichern.30 Arbeitslosigkeit trifft in ihrem Ausmaß mittlerweile einen großen Teil der Bevölkerung, doch es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass es innerhalb des Erwerbspersonenpotenzials Personengruppen gibt, für die eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, arbeitslos zu werden und zu bleiben als für andere. Diese Merkmale werden im Folgenden beschrieben.31

- Geschlecht Auch wenn die Frauenbeschäftigungsquote in Deutschland im Jahr 2005 mit 59 % über dem europäischen Durchschnitt lag, ist sie dennoch deutlich geringer als die Beschäftigungsquote der Männer mit 71 %.32 Im Juni 2005 waren insgesamt von ca. 26.178.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ca. 14.286.000 Männer und ca. 11.892.000 Frauen. Betrachtet man jedoch den Anteil der geringfügig Beschäftigten, ist die hohe Anzahl der Frauen in dieser Form der Beschäftigung sehr deutlich, unabhängig davon, ob diese Beschäftigungsform freiwillig gewählt oder erzwungen ist. Frauenerwerbstätig-keit hat laut dem zweiten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung eine hohe Bedeutung für die Armutsbekämpfung. Unsichere und prekäre Beschäftigungsverhältnisse im Teilzeitbereich schaffen zwar Beschäftigung, stellen jedoch v.a. für Frauen mit Kindern ein hohes Armutsrisiko dar. Auch eine Altersabsicherung ist in diesem Rahmen für Frauen erschwert bzw. vielfach unmöglich.33 Die geschlechtsspezifische Teilung der Arbeits- und Berufsfelder sowie der große Anteil von Frauen bei der Besetzung von Teilzeitarbeitsplätzen bzw. ungeschützter Beschäftigung belegt die Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Kindererziehung. So sind 40,5 % der arbeitslosen Frauen langzeitarbeitslos, während die Langzeitarbeitslosenquote der Männer nur bei 36,7 % liegt.34 Für Frauen ist es unverändert schwieriger, ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer Beschäftigung zu beenden.35

30 Vgl. Wagner, A. (2006): Trotz Vollzeitjob zu wenig Geld. In: Böckler Impuls 10/2006, S. 1 31 Vgl. Brixy, U./Gilberg, R. u.a. (2002): Was beeinflusst den Übergang von der Arbeitslosigkeit in die Erwerbstätigkeit? IAB Kurzbericht Ausgabe Nr. 1/21.01.2002 32 Die Beschäftigungsquote setzt sich aus dem Anteil der Erwerbstätigen an den in Privathaushalten lebenden Personen im erwerbsfähigen Alter zusammen. Vgl. auch Bundesagentur für Arbeit (2006): Arbeitsmarkt 2005. 54. Jahrgang, Sondernummer, Nürnberg, S. 46 f. (http://www.pub.arbeitsamt.de/hst/services/statistik/000100/html/jahr/arbeitsmarkt_2005_gesamt.pdf, Stand: 12.03.07) 33 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2005): Lebenslagen in Deutschland. Der zweite Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Kurzfassung. Bonn, S. 29f. 34 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2005): Lebenslagen in Deutschland. 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Bonn S. 111 (http://www.bmas.bund.de/BMAS/Redaktion/Pdf/Lebenslagen-in-Deutschland-De 821,property=pdf,bereich=bmas,sprache=de,rwb=true.pdf, Stand 12.02.2007) 35 Vgl. auch Bundesagentur für Arbeit (2006): a.a.O., S. 68f.

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- Bildungsstand/Qualifizierung

Nach Reinberg stellen Personen ohne formalen Berufsabschluss im Jahr 2002 fast 40% aller Arbeitslosen.36 Vor allem im Rechtskreis des SGB II weisen Arbeitslose ein deutlich größeres Qualifikationsdefizit auf: gut die Hälfte (50,5%) hat keine abgeschlossene Berufsausbildung, im Vergleich zu einem knappen Viertel (24%) der Arbeitslosen im SGB III, was die Arbeitsmarktferne dieser Personengruppe betont.37 Häufig kommen bei diesem Personenkreis weitere Vermittlungshemm-nisse wie das Fehlen eines Schulabschlusses, gesundheitliche Einschränkungen, Dauerarbeitslosigkeit oder ein höheres Lebensalter hinzu. Personen mit niedrigem Bildungsabschluss oder einer niedrigen Qualifikation sind deutlich stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als Menschen mit einem hohen Bildungsabschluss. Während im Jahr 2002 die Arbeitslosenquote bei Personen ohne Berufsabschluss bei 19,8% in Westdeutschland lag, ist sie bei Hochschul- bzw. Fachhochschulab-gängern mit 3,3% erheblich geringer.38 Sicher ist, dass es in den letzten Jahren zwar zu einem Beschäftigungsanstieg auch bei den Geringqualifizierten39 kam, dieser aber vermutlich zu einem großen Teil auf die gesetzlichen Veränderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung zurückzuführen ist. Prognosen bestätigen auch, dass bei dieser Gruppe des Arbeitsmarktes selbst bei einem Konjunkturanstieg nicht gleichzeitig ein Beschäftigungsanstieg zu erwarten ist. Deutlich wird an dieser Gruppe ganz besonders, dass der Strukturwandel einen Wegfall von Einfacharbeitsplätzen zur Folge hatte und haben wird. Geringqualifizierte bleiben deshalb auch in Zukunft eine der Hauptproblemgrup-pen auf dem Arbeitsmarkt. Ihre Arbeitslosenquoten sind mit Abstand die höchsten.40

- Alter Eine besondere Problemgruppe des derzeitigen Arbeitsmarktes sind sowohl Ältere als auch Jugendliche und junge Erwachsene. Das IAB hat im Dezember 2006 zur Situation junger Erwachsener im SGB II neue Untersuchungsergebnisse vorgelegt.41 Diese Jugendlichen lassen sich laut IAB in zwei Gruppen unterteilen. Die eine Gruppe, rund die Hälfte der jungen Hilfebedürftigen, setzt sich aus Schülern, Auszubildenden und Jugendlichen in Maßnahmen der Berufsvorberei-tung zusammen, die noch bei ihren Eltern leben und in der Regel Leistungen der

36 Vgl. Reinberg, A. (2003): a.a.O., S. 22 37 Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2006): a.a.O., S. 61 38 Vgl. Reinberg, A./Hummel, M. (2003): Geringqualifizierte. In der Krise verdrängt, sogar im Boom vergessen. IAB Kurzbericht Nr. 19/11.11.2003, S. 2 39 Der Begriff der Geringqualifizierten ist nicht eindeutig definiert. Aus der Literatur geht jedoch hervor, dass es sich hierbei um Personen ohne formale Qualifizierung bzw. ohne formale Berufsausbildung handelt. 40 Vgl. Reinberg, A./Hummel, M. (2003): a.a.O., S. 6 41 Die erhobenen Daten beziehen sich jedoch auf Anfang 2005.

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Grundsicherung erhalten, weil ihre Eltern hilfebedürftig sind. Die andere Gruppe bilden junge Erwachsene, die in einem eigenen Haushalt leben. Sie sind häufig niedrig qualifiziert und/oder geringfügig beschäftigt.42 Die Gefahr, arbeitslos zu werden und es über längere Zeit zu bleiben, wächst mit zunehmendem Alter. Bei Personen zwischen 50 und 65 Jahren lag eine überdurchschnittlich hohe Verweildauer in Arbeitslosigkeit vor.43 Im Jahresdurchschnitt gab es 1,21 Mio. Arbeitslose ab 50 Jahren. Das macht 24,9% aller Arbeitslosen in Deutschland aus.44 Personen über 60 Jahre sind häufig Teil der Stillen Reserve, da sie aus Arbeitsmarktgründen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden und oft keine Beschäftigung mehr finden. Gemäß § 237 SGB VI besteht für diese Personengruppe nach mindestens einjähriger Arbeitslosigkeit oder zweijähriger Altersteilzeit die Möglichkeit vorgezogenes Altersruhegeld zu beziehen. Ende 2005 machten von dieser Möglichkeit 488.200 Personen Gebrauch und fielen damit aus dem Bezug des Arbeitslosengeld II und aus der offiziellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit.45 Diese Regelung hat ebenfalls zur Folge, dass die Arbeitslosenzahlen, die in den 90er Jahren für die Personengruppe der über 55-jährigen beständig stieg, seit 2002 nun deutlich zurückgehen. Es gilt jedoch nach wie vor: wer als Älterer arbeitslos wird, kommt nicht schneller aus der Arbeitslosigkeit heraus als in früheren Jahren und hat auch kaum bessere Chancen wieder in Arbeit zu kommen.46

- Migranten Migranten sind nach wie vor wesentlich stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als Deutsche. Ihre Arbeitslosenquote ist im Jahresdurchschnitt mit 25,2% fast doppelt so hoch wie die der Deutschen mit 13%. Die Zahl arbeitsloser Migranten erhöhte sich im Jahr 2005 um 23,5% und damit etwa doppelt so stark wie die

42 Es wurde festgestellt, dass knapp ein Fünftel der 18- bis 24-jährigen Hartz-IV-Empfänger nach Ende der allgemeinen Schulzeit keinen Schulabschluss erlangten, mehr als doppelt so viele wie in der gleichen Altersgruppe der Gesamtbevölkerung. Nahezu drei Viertel der jungen Hartz-IV-Empfänger haben noch keinen Ausbildungsabschluss – in der gleichaltrigen Gesamtbevölkerung liegt der entsprechende Wert unter 50%. Überdurchschnittlich häufig weisen die jungen Leistungsbezieher zudem einen Migrationshintergrund auf. Vgl. Popp, S./Schels, B./Wenzel, U. (2006): Junge Erwachsene im Rechtskreis SGB II. Viele können noch gar nicht aktiviert werden. IAB Kurzbericht Ausgabe Nr. 26/20.12.2006 Angesichts der schwerwiegenden Arbeitsmarktprobleme junger Erwachsener gerät mitunter jedoch aus dem Blick, dass in vielen Fällen die Hilfebedürftigkeit auf Probleme in anderen Lebensbereichen zurückzuführen sind. Auch ist deutlich, dass ein Mangel an Ausbildungsplätzen und lebensnaher Betreuung während der Schulphase ebenfalls einen bedeutenden Faktor darstellt wie die Hilfsbedürftigkeit der Eltern. Denn obwohl die Bundesagentur für Arbeit etwa ein Drittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik für die Forderung dieser Zielgruppe ausgibt und ihr Maßnahmeangebot für Jugendliche aufgrund der anhaltend schlechten Lage am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ausweitete, gehen diese Angebote an den am wenigsten qualifizierten Jugendlichen vorbei. Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2005): a.a.O., S. 112f. 44 Bundesagentur für Arbeit (2006): a.a.O., S. 81 45 Ebd., S. 66 46 Vgl. Koller, B./Bach, H./Brixy, U. (2003): Ältere ab 55 Jahren – Erwerbstätigkeit, Arbeitslosigkeit und Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit. IAB Werkstattbericht. Ausgabe Nr. 5/16.4.2003, S. 19

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Arbeitslosigkeit insgesamt. Hinzu kommt, dass die aktuellen Arbeitslosenquoten Migranten mit deutscher Staatsangehörigkeit nicht berücksichtigen, was das Bild z.B. im Bereich der Russland-Deutschen Bevölkerung verzerrt. Sie werden in der Statistik der Bundesagentur nicht berücksichtigt. Zwar hat sich die selbständige Erwerbstätigkeit der Migranten in den vergangenen 20 Jahren stark erhöht, sie liegt jedoch immer noch unter der deutschen Gesamtquote. Einen wesentlichen Grund für die Beschäftigungsverluste von ausländischen Beschäftigten sieht das IAB zum einen im Strukturwandel – die Beschäftigung in den produzierenden Bereichen ist stark abgebaut worden – und zum anderen in der ungünstigen Qualifikationsstruktur dieser Personengruppe.47

- Regionale Unterscheidung Die registrierten Arbeitslosenquoten sind regional unterschiedlich hoch. Am deutlichsten ist der Ost-West-Gegensatz. Sowohl das Risiko, arbeitslos zu werden, als auch das Risiko arbeitslos zu bleiben ist in den neuen fünf Bundesländern erheblich höher als im übrigen Gebiet der Bundesrepublik. Eine abgeschlossene Arbeitslosigkeitsperiode dauerte im Osten im Jahr 2005 durchschnittlich zehn Wochen länger als im Westen. Auffallend ist darüber hinaus, dass Arbeitslosigkeit im Osten häufiger durch Eintritte in Maßnahmen der Arbeitsförderung wie Arbeitsgelegenheiten oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen unterbrochen wurde. Im Jahresdurchschnitt 2005 waren von ca. 4,86 Mio. gemeldeten Arbeitslosen 33,2% im Osten gemeldet, was gemessen am Erwerbspersonenpotential überproportional ist. Fasst man Arbeitslosigkeit, Stille Reserve und entlastende Beschäftigungsförderung zusammen und geht somit von einer Unterbeschäftigung von ca. 7 Mio. aus, lassen sich 33% Ostdeutschland zuordnen.48

- Behinderung und gesundheitliche Einschränkungen Gesundheitliche Einschränkungen senken die Wiedereingliederungschancen von Arbeitslosen. Bei einer Untersuchung des IAB der amtsärztlichen Untersuchungen sowie repräsentativen Befragungen hat sich gezeigt, dass jeder dritte Arbeitslose gesundheitliche Einschränkungen aufweist.49 Arbeitslose Männer sind laut dieser Untersuchung von Gesundheitseinschränkungen mit Auswirkung auf die berufliche Tätigkeit etwas häufiger betroffen als arbeitslose Frauen. Die Gesundheitseinschränkungen treten ebenfalls häufiger bei Personen mit einer niedrigen Schulausbildung auf, was auf einen höheren Grad an gesundheitsge-fährdenden Arbeitsbedingungen im gering qualifizierten Bereich schließen lässt. Auch mit steigendem Lebensalter nehmen die Einschränkungen kontinuierlich zu.

47 Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2006): a.a.O., S. 69 48 Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2006): a.a.O., S. 16f. 49 Vgl. Bundesanstalt für Arbeit (Sept. 2000): Strukturanalyse

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Hinzu kommt die Tatsache, dass nicht nur schlechte Arbeitsbedingungen und Alter gesundheitliche Beeinträchtigungen fördern, sondern dass Langzeitarbeits-losigkeit ebenfalls starke gesundheitliche v.a. psychische Einschränkungen zur Folge haben kann.50 Auch die Arbeitssituation behinderter Menschen weist daraufhin, dass in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit diese Gruppe besonders von Arbeitslosigkeit betroffen ist und zur Risikogruppe wird.51

- Langzeitarbeitslosigkeit Arbeitslose, die mindestens über einen Zeitraum von 12 Monaten arbeitslos gemeldet sind, gelten als langzeitarbeitslos. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Arbeitslosen lag im Jahr 2005 bei 36%.52 Eine infas-Studie zeigt, dass der größte Teil der Übergänge aus der Arbeitslosigkeit in die Erwerbstätigkeit in die ersten zwei Jahre der Arbeitslosigkeit fallen. Mit zunehmender Arbeitslosigkeitsdauer nimmt also die Chance, wieder erwerbstätig zu werden, deutlich ab.53 Die Studien von Kronauer und Vogel haben starke Indikatoren dafür aufgezeigt, „dass die Betroffenen von Langzeitarbeitslosigkeit mit hoher und weiter zunehmender Wahrscheinlichkeit dauerhaft von (formeller) Erwerbsarbeit ausgeschlossen sein werden.“54 Somit wird die verfestigte Arbeitslosigkeit zu einem Risiko eigener Qualität. Gerade in Zeiten anhaltender Massenarbeitslosigkeit unterscheidet sich die Struktur von Langzeitarbeitslosigkeit von jener Struktur, die sich in einem Konjunkturzyklus herausbildet: bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit sind auch Personen arbeitslos, die keiner Problemgruppe angehören. Doch jene mit Vermittlungshemmnissen wie z.B. einer geringen Qualifikation werden in

50 Vgl. Hollederer, A. (2003): Arbeitslos – Gesundheit los – chancenlos? IAB Kurzbericht Ausgabe Nr. 4/21.03.2003 51 Vgl. Schröder, H./Rauch, A. (2006): Abbau der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen - dringlicher denn je. In: Behindertenrecht. Jg. Nr. 45 Heft 1 S. 1-7. Siehe weiterführend auch Rauch, A./Brehm, H. (2003): Licht am Ende des Tunnels? Eine aktuelle Analyse der Situation schwerbehinderter Menschen am Arbeitsmarkt. Nürnberg 52 Die Messung der Zahlen bzw. Prozentzahlen von Langzeitarbeitslosen ist statistisch problematisch. Das Ausmaß der Langzeitarbeitslosigkeit wird gemessen, in dem man die Arbeitslosen betrachtet, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits länger als ein Jahr arbeitslos waren (so genannte nicht abgeschlossene Dauer der Arbeitslosigkeit). Dieses Vorgehen verhindert jedoch eine annähernd vollständige Erfassung. Denn unter denen, die zu einem Stichtag kürzer als ein Jahr arbeitslos sind, befinden sich viele, die ihre Arbeitslosigkeit erst nach über einem Jahr beendet haben werden. Betrachtet man deshalb die so genannte abgeschlossene Dauer von über einem Jahr, errechnet sich ein Volumen, das fast doppelt so groß ist. Vgl. Karr, W. (1997): Die konzeptionelle Untererfassung der Langzeitarbeitslosigkeit. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. 30. Jg., Heft 1 S. 37 ff. oder auch Karr, W. (1997): Die Erfassung der Langzeitarbeitslosigkeit. Ein kaum beachtetes Messproblem. IAB Kurzbericht. Ausgabe Nr. 5/7.8.1997 53 Vgl. Gilberg, R./Hess, D./Schröder, H. (1999): Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen. Chancen und Risiken für den Erwerbsverlauf. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. 32. Jg./31.05.1999, S. 285 54 Vgl. Kronauer, M./Vogel, B.(1993): Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit heute: Zwischen Chance auf Zeit und sozialer Ausgrenzung. In: Mitteilungen des soziologischen Forschungsinstitutes der Universität Göttingen SOFI-Mitteilungen Nr. 20/Januar 1993, S. 7f. (http://www.sofi-goettingen.de/fileadmin/SOFI-Mitteilungen/nr._20/kronauer.pdf, Stand 15.03.2007)

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rezessiven Phasen wenig Chancen eingeräumt, weil der Markt genug qualifiziertes Personal vorhält.55

2.1.2 Gesellschaftliche Auswirkungen Dass Erwerbsarbeit eine Institution darstellt, die gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert, ist eine Erkenntnis der letzten Jahrzehnte. Lohnarbeit wurde durch die Ausdifferenzierung dieses Systems zu einer Institution, gekoppelt mit „sozialem Eigentum“ – einem Eigentum zur Existenz- und Statussicherung, dass sich u.a. in garantierten Rentenansprüchen, Mitbestimmungsrechten oder in verbindlichen tariflichen Normen zeigt. Laut Dörre machte erst die enge Kopplung mit sozialem Eigentum die Lohnarbeit zu einem „zentralen gesellschaftlichen Integrationsme-dium“. Diese Rolle der Lohnarbeit wird durch deren aktuelle Krise stark beeinträchtigt.56 Mit dieser Entwicklung zeichnet sich eine langfristige Veränderung des deutschen Arbeitsgefüges ab. Da das so genannte „Normalarbeitsverhältnis“ für viele nicht mehr erreichbar ist, weichen viele Menschen notgedrungen auf atypische Beschäftigungsformen aus. Die wichtigsten Formen sind Teilzeitbeschäftigungen, befristete Arbeitsverhältnisse, Praktika, Leiharbeit oder Selbständigkeit (Ich-AG). Diese bieten zwar ein Einkommen, langfristig aber keine ausreichende Sozialversicherung, um vor sozialen Risiken wie Krankheit, Armut, Alter und Langzeitarbeitslosigkeit wirksam zu schützen. Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung im Juli 2006 ergab, dass sich 8% der Bevölkerung in Deutschland „abgehängt“ fühlt, abgekoppelt von sozialen Systemen und ausgeschlossen aus dem Arbeitsmarkt. Die Forscher prägten für diese Personengruppe den Begriff des „abgehängten Prekariats“.57 Auch auf der Makro-Ebene kommt der Erwerbsarbeit eine wichtige Position zu. Diese besteht in finanzieller Hinsicht darin, dass die Staatsaufgaben bezüglich des Sozialstaates direkt und indirekt durch die Erwerbstätigkeit in Form von Steuern und Versicherungsbeiträgen finanziert werden. Nach dem Sozialstaatsprinzip hat sich der Staat zur Aufgabe gemacht, diejenigen finanziell und materiell zu unterstützen, die für den eigenen Lebensunterhalt ganz oder teilweise nicht selbst aufkommen können. In fiskalischer Perspektive belastet Arbeitslosigkeit das System der sozialen Sicherung - den Staatshaushalt und die Sozialversicherungen – einerseits durch Mindereinnahmen (Steuern und Beiträge) und andererseits

55 Vgl. Zerche, J. / Schönig, W. / Klingenberger, D. (2000): a.a.O., S. 110f. 56 Dörre, K. (2006): Prekäre Arbeit und soziale Desintegration. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 40-41, S. 7 57 Vgl. Müller-Hilmer et. al. (2006): Gesellschaft im Reformprozess. Umfrage im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung. (http://www.fes.de/aktuell/documents/061017_Gesellschaft_im_Reformprozess_komplett.pdf, Stand: 25.02.2007)

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durch steigende Ausgaben für Sozialleistungen (Sozialversicherungen und Hilfe zum Lebensunterhalt).58 Die Folgen der Globalisierung üben Druck auf die soziale Marktwirtschaft und damit auf den Wohlfahrtsstaat aus.59 Weiterhin reproduziert die deutsche Politik die Werte und Normen einer „Arbeitsgesellschaft“, obwohl gleichzeitig nur ein Teil der Bürger einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Hierdurch entstehen gesellschaftliche Spannungen und Ängste, auch bei denen, die noch einen Arbeitsplatz besitzen.60 Dazu kommen die indirekten gesellschaftlichen Kosten, die durch die Gefährdung des sozialen Friedens entstehen.61 Das Denken in kurzen Zeiträumen von Wahlperioden sowie die Einbindung in schwerverständliche transnationale Politikprozesse verhindern strategische und langfristige Konzepte zur Veränderung der Situation.62 Butterwegge sieht die Gefahr einer Spaltung der Gesellschaft durch verstärkte Ausgrenzung von Armen und (ethnischen) Minderheiten sowie damit einhergehender Entsolidarisierung und Demokratieabbau.63 In Abgrenzung zur Arbeitsgesellschaft prägte Beck den Begriff der Risikogesellschaft. Gemeint sind damit verstärkte Risiken in der globalisierten Welt - zum einen durch wachsende Risiken moderner Technologien (wie Atomenergie oder Gentechnik), zum anderen aber auch in Folge der Individualisierung gesellschaftlicher Beziehungen. Einerseits vermehren sich mit fortschreitender Modernisierung Entscheidungsmöglichkeiten und –zwänge, andererseits wird die Bevölkerung immer nachdrücklicher von Bedingungen abhängig, die sie nicht beeinflussen kann.64 Einen weiteren Begriff im Rahmen der Modernisierungstheorien prägt Immenfall. Der Begriff der „Zwei-Drittel-Gesellschaft“ zielt auf die Spaltung der Gesellschaft in Gewinner und Verlierer. Immenfall geht davon aus, dass zwei Drittel der Gesellschaft von wachsendem Wohlstand profitieren werden, der Rest weiter abgehängt wird.65

58 Vgl. Zerche, J./Schönig, W./Klingenberger, D. (2000): a.a.O., S. 98. Sowie Bach, H.-U./Spitznagel, E. (2003): Gesamtfiskalische Modellrechnungen. Was kostet uns die Arbeitslosigkeit? IAB Kurzbericht Nr. 10/21.07.2003. Sowie Aktualisierungen des IAB 2006 für die Jahre 1998 – 2004 (http://doku.iab.de/presse/2005/info_KostenALO2004.pdf, Stand 18.03.2007) Angaben zu den gesamt-fiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit nach der Einführung des SGB II sind leider bisher nicht erhoben worden. 59 Vgl. Uher, J. (2000): a.a.O., S. 42 60 Vgl. Neugebauer, G. (2007): Politische Milieus in Deutschland. Die Studie der Friedrich-Ebert- Stiftung. Bonn, S. 28 und 35 61 Vgl. Butterwegge, C. (2001): Wohlfahrtsstaat im Wandel. Probleme und Perspektiven der Sozialpolitik. Opladen. S. 90 62 Vgl. Luedtke, J. (1998): Arbeitslose: Die Grenzen der Autonomie. Abstract zur Studie „Lebensführung in der Arbeitslosigkeit. Differentielle Problemlagen und Bewältigungsformen“ Dissertation. Pfaffenweiler, S. 1 (http://www.kueichstaett.de/Fakultaeten/GGF/fachgebiete/Soziologie/lehrstuehle/Soziologie2/Mitarbeiter/jensluedke/jensluedtkeforschung/HF_sections/content/102795838939024/102795889558921/102795889580569/ 102795889581121/Arbl_Abstract.pdf, Stand 13.04.2007) 63 Vgl. Butterwegge, C. (2001): a.a.O., S. 139 - 158 64 Vgl. Beck, U. (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt a.M., S. 211 65 Immenfall, S. (1998): Gesellschaftsmodelle und Gesellschaftsanalyse. In: Schäfers, B./Zapf, W. (Hrsg.): Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands. Opladen. S. 256. Zitiert nach Neugebauer, G. (2007):a.a.O., S.13

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Insgesamt schüren die ökonomischen und politischen Globalisierungstendenzen Unzufriedenheit und Ängste bei den vermeintlichen und tatsächlichen Opfern dieser Entwicklung und provozieren zwischen Modernisierungsgewinnern und Modernisierungsverlierern einen Widerspruch.66 Politisch artikulierter Widerstand ist allerdings eher selten wahrnehmbar. Dies kann damit begründet werden, dass Arbeitslosigkeit als individuelles und nicht als gesellschaftsstrukturelles Problem dargestellt und bearbeitet wird. Zu heterogen ist die Gruppe der Betroffenen. Auch treten die Arbeitslosen allgemein nicht als Personengruppe in Erscheinung. „Das Leben am Rande einer wohlhabenden Gesellschaft vereinzelt und bleibt weitgehend unsichtbar.“67

2.2 Individuelle Auswirkungen von Arbeitslosigkeit

Erwerbsarbeit hat in den Industriegesellschaften für die soziale Integration eine entscheidende Bedeutung.68 Durch Arbeitslosigkeit werden diese Funktionen der Erwerbsarbeit eingeschränkt. Bonß und Keupp et. al. weisen darauf hin, dass nicht nur der Anspruch auf ökonomische Selbständigkeit und Unabhängigkeit, sondern auch der Anspruch auf realisierte materielle (Chancen-)Gleichheit als Gesellschaftsmitglied in der Arbeitslosigkeit negiert wird. Hinzu kommen Einschränkung oder Aufgabe des Anspruches der Selbstverwirklichung in einer qualifizierten Tätigkeit.69 Aufgrund des hohen Stellenwerts der Erwerbsarbeit in Deutschland sind die Folgen der Arbeitslosigkeit vielfältig und verändern die Lebensumstände der Betroffenen gravierend. Im folgenden Abschnitt wird sowohl auf die materiellen als auch auf die psychosozialen Folgen der Arbeitslosigkeit eingegangen.

2.2.1 Materielle Auswirkungen

Mit der Arbeitslosigkeit geht der Verlust des Erwerbseinkommens einher. Trotz staatlicher Transferleistungen (Arbeitslosengeld I und II) ist Arbeitslosigkeit immer mit finanziellen Mindereinnahmen verbunden, so dass die meisten 66 Neugebauer, G. (2007): a.a.O., S.13 67 Vogel, B. (2004): „Überzählige“ und „Überflüssige“. Empirische Annäherungen an die gesellschaftlichen Folgen der Arbeitslosigkeit. In: Berliner Debatte INITIAL. Nr. 15, S. 11-21 (http://www.linksnet.de/artikel.php?id=1268, Stand 18.03.2007) 68 Vgl. Kronauer, M./ Vogel, B. / Gerlach, F. (1993): Im Schatten der Arbeitsgesellschaft. Arbeitslose und die Dynamik sozialer Ausgrenzung. Frankfurt a.M., New York, S. 23 69 Vgl. Bonß, W./Keupp, H./Koenen, E. (1984): Das Ende des Belastungsdiskurses? Zur subjektiven und gesellschaftlichen Bedeutung von Arbeitslosigkeit. In: Bonß, W./Heinze, R. (Hrsg.): Arbeitslosigkeit in der Arbeitsgesellschaft. Frankfurt a.M. S. 178f.

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Arbeitslosen ihren durch Erwerbstätigkeit finanzierten Lebensstandard nicht aufrechterhalten können. Während zunächst auf möglicherweise Erspartes zurückgegriffen wird, werden in der Folge die Konsumgewohnheiten eingeschränkt. Betroffen sind hiervon häufig auch viele Formen gesellschaftlicher Teilhabe, die mit finanziellen Ausgaben verbunden sind, wie z.B. Mitgliedsbeiträge in Vereinen, Kosten für Weiterbildung und Qualifizierung, Besuch kostenpflichtiger kultureller Veranstaltungen, die Nutzung neuer Medien etc. Deutlich wurde jedoch in den letzten Jahren, dass auch Dinge des alltäglichen Lebens wie z.B. Lebensmittel zur finanziellen Belastung v.a. für Arbeitslosengeld II-Bezieher wurden.70 Je länger die Arbeitslosigkeitsphase andauert, desto größer wird die Gefahr, dass Miete oder fällige Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können.71 Der Armutsbericht der Hans-Böckler-Stiftung, des Deutschen Gewerkschaftsbundes und des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes „Armut und Ungleichheit in Deutschland“ thematisiert den Zusammenhang von Armut und Arbeitslosigkeit und weist darauf hin, dass Arbeitslosigkeit mit zur Hauptursache von Armut geworden ist.72 Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind in Deutschland 13 Prozent der Bürger von Armut bedroht oder arm. Im Jahr 2004 seien 10,6 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Kinder unter 16 Jahren, betroffen gewesen. Als armutsgefährdet gelten Menschen, die pro Monat weniger als 856 Euro hatten, das sind 60 Prozent des mittleren Einkommens von 1427 Euro. Eine Familie mit zwei Kindern ist demnach armutsgefährdet, wenn ihr weniger als 1798 Euro zur Verfügung stehen.73 Die Spitzenverbände der Deutschen Wohlfahrtspflege fordern deshalb eine Erhöhung des Arbeitslosengeld II-Regelsatzes um 20%.74

2.2.2 Psychosoziale Auswirkungen

Neben den finanziellen Auswirkungen kann Arbeitslosigkeit auch psychosoziale Folgen haben. Hierbei werden zunächst die veränderten Zeitstrukturen erwähnt,

70 Ca. 600 „Tafeln“ haben im Jahr 2005 ca. 480.000 Personen einmal wöchentlich mit ca. vier Kilo Lebensmitteln versorgt; Tendenz steigend. In den Vereinen verteilen Ehrenamtliche kostenlos abgegebene Lebensmittel aus dem Handel. Vgl. Schäfer, V. (2005): Tafel nach Zahlen – Ergebnisse der aktuellen Tafel-Umfrage. S. 2 (http://www.tafel.de/pdf/Tafelumfrage-2005.pdf, Stand: 24.03.2007) 71 Vgl. Hess, D./Hartenstein, W./Smid, M. (1991): Auswirkungen von Langzeitarbeitslosigkeit auf die Familie. Mitteilungen der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 1/1991, S. 181f. 72 Vgl. Hanesch, W./Krause, P./Bäcker, G. (2000): Armut und Ungleichheit in Deutschland. Studie von Hans-Böckler-Stiftung, DGB und Deutschem Paritätischem Wohlfahrtsverband, Hamburg, S. 211 73 Zu beachten ist, dass hier nur die Ergebnisse des Jahres 2004 berücksichtigt wurden und die Umsetzung von Hartz IV hier nicht zu buche schlägt. Es ist damit zu rechnen, dass die Zahlen weiter gestiegen sind seit der Einführung des SGB II. Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2006): Armut und Lebensbedingungen – Ergebnisse aus LEBEN IN EUROPA für Deutschland 2005. Wiesbaden, S. 23 74 Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (08/2006): Stellungnahme zum Entwurf einer ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des § 28 SGB XII (http://www.infothek.paritaet.org/pid/fachinfos.nsf/65e974296cf7e729c12569f9007071a6/58a2af1c237d79a3c12571c40031905d/$FILE/RegelsatzVO.pdf, Stand: 24.03.2007)

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die den Arbeitslosen zu schaffen machen. Während das gesamte öffentliche Leben (Freizeitveranstaltungen, Sport, Einkaufszeiten) den Bedürfnissen der Arbeitenden angepasst ist, bekommt der Erwerbslose Schwierigkeiten, seinen Rhythmus diesen Bedingungen anzupassen. 57% der Teilnehmer einer Befragung von Hess et. al. geben an, dass ihnen die freie Zeit `zu schaffen´ macht.75 Der fehlende Wechsel von Arbeit und Freizeit während der Arbeitslosigkeit führt zur „(...)emotionalen Ziellosigkeit. Die unbegrenzt zur Verfügung stehende freie Zeit kann dadurch ihrer Sinnhaftigkeit beraubt werden.“76 Weitere Elemente der Berufstätigkeit wie Regelmäßigkeit, soziale Kontakte außerhalb der Familie oder der anerkannte Status mit seiner Wirkung auf die persönliche Identität gehen den Arbeitslosen ebenfalls verloren.77 Die Dauer der Arbeitslosigkeit hat einen negativen Einfluss auf das Allgemeinbefinden der Arbeitslosen. Es ist zwar häufig in der ersten Zeit eine gesundheitliche Verbesserung zu beobachten, da die körperliche Belastung entfällt. Mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit verschlechtert sich die psychische Situation der Betroffenen jedoch deutlich. 78 Zunehmende Konflikte in der Familie sowie Rückzug von Freunden und Bekannten sind Indizien hierfür.79 Zusätzlich ziehen sich die Langzeitarbeitslosen tendenziell aus dem Gesellschaftsleben zurück. Obwohl sie mehr Zeit als arbeitende Personen haben, engagieren sie sich weniger in Sportvereinen, politischen Parteien oder Gewerkschaften.80 Natürlich zeigen sich auch Formen des konstruktiven Umgangs mit Arbeitslosigkeit, doch wird sie laut Kronauer und Vogel von der großen Mehrheit der Betroffenen keineswegs als Normalität erlebt. Es herrscht ein Gefühl der Verunsicherung vor. In ihr macht sich die Furcht vor einem sozialen Abstieg bemerkbar, die, wie die bereits dargestellten Risikofaktoren am Arbeitsmarkt und die spezifische Lebenssituation der Betroffenen zeigen, durchaus begründet ist. Die Arbeitslosen fühlen sich in ihrer 75 Vgl. Hess, D./Hartenstein, W./ Smid, M. (1991): a.a.O., S. 182 76 Kieselbach, T./Wacker, A. (1991): Bewältigung von Arbeitslosigkeit im sozialen Kontext. Weinheim S. 27 77 Vgl. Büssing, A. (1993): Arbeitslosigkeit: Differentielle Folgen aus psychologischer Sicht. In: Arbeit. Heft 1, S. 7 78 Vgl. Brinkmann, C. (1984): Die individuellen Folgen langfristiger Arbeitslosigkeit. Mitteilungen der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Nr. 4 S. 465 ff. 79 Svensson berichtet von Forschungsergebnissen, nach denen der durch Arbeitslosigkeit allgemein verschlechterte psychische und physische Gesundheitszustand der Betroffenen durch negative Gefühle und Launen die Entfremdung von seinem sozialen Umfeld verstärkt: die sozialen Nahbeziehungen werden hierdurch stärker belastet und somit für den Betroffenen schwer zugänglich. „Durch die qualitative Verschlechterung der unterstützenden sozialen Netze wird die soziale Umgebung der Dauerarbeitslosen in Mitleidenschaft gezogen, d.h. die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden werden auf den Partner, die Familie und den sozialen Nahbereich übertragen.“ Svensson, P.-G. (1991): Arbeitslosigkeit und Arbeitsleben. In: Kieselbach, T./Wacker, A. (Hrsg.): a.a.O., S. 23-32 80 Brinkmann fand bereits Mitte der 80er Jahre in seiner Untersuchung heraus, dass sich Arbeitslose in den ersten Wochen der Arbeitslosigkeit physisch nicht schlechter, sondern zum teil sogar besser fühlten als vergleichbare Erwerbstätige. Für einige bedeutete Arbeitslosigkeit zunächst Entlastung und Erleichterung. Das psychische Befinden der befragten Arbeitslosen war dagegen weniger gut: hier wirkten sich finanzielle Probleme und psychosoziale Schwierigkeiten der Arbeitslosigkeit deutlicher aus. Schon nach 1,5 Jahren Arbeitslosigkeit hatte sich die Gesundheit der Langzeitarbeitslosen erheblich verschlechtert. Viele der Befragten (37%) gaben vermittlungsrelevante Gesundheitsprobleme an. Vgl. Brinkmann, C. (1984): a.a.O., S. 461 u. 467

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Erwerbsbiographie und sozialen Laufbahn bedroht. Kronauer und Vogel sehen hier eine Manifestierung der „Macht, die die soziale Institution Erwerbsarbeit auf die Arbeitslosen ausübt.“81 König differenziert in Bezug auf die primären Folgen der Arbeitslosigkeit fünf zentrale Bedeutungsdimensionen. Denen stellt er fünf Dimensionen der Erwerbsarbeit gegenüber:

- „Strukturierung der Zeit versus Destrukturierung und Haltlosigkeit - Status- und Rollenzuweisung versus Statusverlust und Rollenverlust - Selbstwert durch Berufsidentität versus Minderwertigkeitsgefühle - Sozialkontakte versus Isolation, Rückzug und Ausgrenzung - (materielle und soziale) Sicherheit versus existentielle materielle und

soziale Gefährdungen“82 Diese Folgen der Arbeitslosigkeit können sich in zweierlei Hinsicht auswirken. Zum einen können sie nach außen gerichtet sein und unmittelbar das soziale Umfeld betreffen wie z.B. Beziehungsprobleme, Verhaltensauffälligkeiten und –störungen, bis hin zu krimineller Devianz und Obdachlosigkeit. Zum anderen gibt es auch nach innen gerichtete Formen sekundärer Folgen der Arbeitslosigkeit wie physische und psychische Störungen, Suchtverläufe, Vernachlässigung des eigenen Körpers.83 Arbeitslosigkeit und die daraus folgenden Belastungen wirken sich nachgewiesenermaßen allgemein auf den Gesundheitszustand der Betroffenen aus. Es häufen sich psychosomatische Beschwerden wie Ängste, Schlafstörungen, Herzbeschwerden, erhöhte Depressivität, Erschöpftheit, Angespanntheit und eine Erhöhung des Alkohol84- und/oder Nikotinkonsums. Weiterhin wurde laut Trabert bei Langzeitarbeitslosen eine deutlich erhöhte Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungsquote festgestellt.85 Aus den Ergebnissen der viel zitierten Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ haben Jahoda, Lazarsfeld und Zeisel von 1933 hat die sozialpsychologische Arbeitslosenforschung ein „Prozessmodell der Arbeitslosigkeit“ entwickelt, das empirisch nachweisbare Wirkungen nennt und systematisiert.86 Der Arbeitslose durchläuft im idealtypischen Fall vier Phasen, die bei Kieselbach und Wacker dargestellt 81 Vgl. Kronauer, M./Vogel, B.(1993): Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit heute: Zwischen Chance auf Zeit und sozialer Ausgrenzung. In: Mitteilungen des soziologischen Forschungsinstitutes der Universität Göttingen Nr. 20/Januar 1993, S. 4 (http://www.sofi-goettingen.de/fileadmin/SOFI-Mitteilungen/nr._20/kronauer.pdf, Stand 15.03.2007) 82 König, J. (2005): Zukunft der Arbeit. Referat an der Evangelischen Fachhochschule Nürnberg (http://www.evfhnuernberg.de/data/dbfiles/d15_referat_nuernberg.doc, Stand 14.03.2007) 83 Ebd. 84 Vgl. Hollederer, A. (2003): Arbeitslosigkeit und Alkohol. Für einen nüchternen Umgang mit Suchtkrankheiten. IAB Materialien. Nr. 1/2003 S. 2-4 85 Trabert, G. (1999): Armut und Gesundheit: Soziale Dimension von Krankheit vernachlässigt. In: Deutsches Ärzteblatt Nr. 96, jg. 21 Heft 12, S. 530-533 (http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=16267, Stand 14.03.2007) 86 Vgl. Jahoda, M./Lazarsfeld, P./Zeisel, H. (1933): Die Arbeitslosen von Marienthal. Zitiert bei: Zerche, J./Schönig, W./Klingenberger, D. (2000): a.a.O., S.97

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werden.87 Der Arbeitsplatzverlust bewirkt zunächst einen Schockzustand, der sich in einem seelischen Tief auswirkt. Nach einer Erholungsphase schaffen Arbeitsplatzsuche und Aktivitäten zunächst ein Stimmungshoch und eine Phase des Optimismus. Erst wenn diese Aktivitäten erfolglos sind, stellen sich Geldsorgen, Langeweile und ein sinkendes Selbstwertgefühl ein, was die Phase des Pessimismus ausmacht. In dieser Phase ist die Selbstmordgefährdung besonders hoch. Sie geht über in einen Zustand des Fatalismus, in dem nichts mehr machbar erscheint.88 Hinzu kommt das mit der Arbeitslosigkeit verbundene Schamgefühl, was verknüpft mit dem gesellschaftlichen Leitbild und den eigenen Idealen schnell zu einem Stigma führt.89 Das erlebte Machtgefälle zwischen Arbeitslosem und Behörde verstärkt diesen Prozess. Für alle diese Auswirkungen gibt es inzwischen empirische Belege.90 Uneinigkeit besteht hier nur noch im Hinblick auf die Frage, wie kurz- oder langfristig solche sekundären Folgen von Arbeitslosigkeit entstehen und wie gravierend sie im Einzelfall unter welchen Bedingungen sind. Nicht umsonst wird Arbeitslosigkeit von der Weltgesundheitsorganisation inzwischen als eine der zentralen epidemiologischen, d.h. Krankheiten auslösende Ursache bezeichnet.91 Im Einzelfall jedoch hängt das Ausmaß der Belastung der Arbeitslosen von verschiedenen Faktoren ab, welche die Verarbeitung in beide Richtungen – Belastung oder Entlastung – beeinflussen. Die wichtigsten sind die finanziellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, das soziale Netzwerk, die persönliche Bewältigungskompetenz sowie die subjektive Arbeitsplatzorientierung, die Einstellung im Hinblick auf die Ursachenzuschreibung (Ursachenattribution) und das Vermögen, etwas an der Situation verändern zu können (Selbstwirksamkeit).92 Hinzu kommen laut Wolski-Prenger und Rothardt Faktoren wie:

- Alter und Geschlecht (bzw. Familienrolle des Arbeitslosen)

87 Vgl. Kieselbach, T./Wacker, A. (Hrsg.) (1981): Vom Schock zum Fatalismus. Individuelle und gesellschaftliche Kosten der Massenarbeitslosigkeit. Weinheim und Basel, Titelbild. 88 Natürlich ist dieses Phasenmodell nur eine verkürzte Darstellung möglicher Auswirkungen. Erst in den 80er Jahren haben die Versuche zu typischen Verlaufsmustern von Arbeitslosigkeitserfahrungen nachgelassen. Kronauer und Vogel gehen davon aus, dass dabei die Erkenntnis eine Rolle gespielt hat, dass angesichts der Vielfalt von Erfahrungen und Formen der Auseinandersetzung mit Arbeitslosigkeit alle einlinigen Phasenmodelle, wie sie bislang von Lazarsfeld u.a. in der Forschung vertreten wurden, zwangsläufig hinter der Realität zurückbleiben müssen. Doch trotz berechtigter Kritik erscheint mir das Phasenmodell dennoch hilfreich in der vereinfachten Abbildung der psychosozialen Folgen von Arbeitslosigkeit und entspricht in vielen Fällen meinen Beobachtungen im Arbeitsalltag mit Langzeitarbeitslosen. Vgl. Kronauer, M./Vogel, B. (1993): a.a.O., S. 5 89 Vgl. Goffmann, E. (1979): Stigma. Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identitäten. Frankfurt a.M., S. 13 90 Siehe hier insbesondere die zahlreichen Ausführungen u.a. Wacker, A. (1981): Vom Schock zum Fatalismus. Soziale und psychische Auswirkungen der Arbeitslosigkeit. Frankfurt/New York. Kieselbach, T./Wacker A. (Hrsg.) (1987): Individuelle und gesellschaftliche Kosten der Massenarbeitslosigkeit. Weinheim, Basel 91 Vgl. Kieselbach, T. (1994): Arbeitslosigkeit als psychologisches Problem – auf individueller und gesellschaftlicher Ebene. In: Montada, L. (Hrsg.): Arbeitslosigkeit und soziale Gerechtigkeit. Frankfurt a.M., S. 242 92 König, J. (2005): a.a.O.

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- der Gesundheitszustand - die Dauer der Arbeitslosigkeit - die „Berufsorientierung“ (welcher Stellenwert hatte die Arbeit für den

Betroffenen) - das allgemeine Aktivitätsniveau - die persönliche „Verwundbarkeit“ als Ausdruck einer Disposition, mit

belastenden Situationen leicht fertig zu werden - die Unterstützung durch die unmittelbare soziale Umwelt und anderes93

Auch wenn die individuellen Folgen der (Langzeit-) Arbeitslosigkeit sehr unterschiedlich sind und zudem stark vom sozialen Umfeld abhängen, kann doch festgehalten werden, dass Arbeitslosigkeit neben materiellen auch erhebliche psychosoziale Schäden verursacht. Im folgenden Kapitel soll deshalb nun der Bedarf der Langzeitarbeitslosen an Sozialer Arbeit näher betrachtet werden.

2.3 Bedarfe der Langzeitarbeitslosen an Sozialer Arbeit Im historischen Rückblick zeigt sich eine lange Tradition der Sozialen Arbeit, sich an den Bedürfnissen der Adressaten zu orientieren.94 Die dargestellten gesellschaftlichen und individuellen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit zeigen einen aktuellen Handlungsbedarf. Abzuleiten aus den konkreten individuellen Auswirkungen ergibt sich ein Bedarf an Unterstützungs- und Hilfestrukturen für Arbeitslose, der im Folgenden erörtert werden soll. Wie bereits festgestellt, werden immer mehr Menschen an den Rand oder gar aus dem Beschäftigungssystem dauerhaft herausgedrängt. Sie haben auch nicht mehr Teil an der Verhandlungsmacht, die den im Erwerbssystem Etablierten zumindest potentiell zur Verfügung steht. Ihnen bleibt nur die Möglichkeit, Überlebensstrategien unter Nutzung des Sozialstaates und der informellen Ökonomie zu entwickeln, oder durch sporadische Revolten auf sich aufmerksam zu machen.95

93 Vgl. Wolski-Prenger, F./Rothardt, D. (1996a): Soziale Arbeit mit Arbeitslosen. Weinheim, S. 98 94 Vgl. etwa die „Skala der Grundbedürfnisse“ nach Ilse von Arlt. (Vgl. Arlt, I. von (1921, S. 21ff) Zitiert bei: Gängler, H. (2001): Klassiker der Sozialen Arbeit. In: Otto, H.-U./Thiersch, H. (Hrsg.): Handbuch Sozialarbeit/Sozialpädagogik. Neuwied/Kriftel, S. 1049) sowie die Bedürfnistheorie von Jane Addams, auf die sich Staub-Bernasconi im Rahmen ihrer Theorie der „Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession“ beruft. Vgl. Staub-Bernasconi, S. (1997): Handlungstheoretische Optionen in der Sozialen Arbeit in und mit Gemeinwesen. In: Ries, H.A./Elsen, S. (Hrsg.): Hoffnung Gemeinwesen. Neuwied/Kriftel, S. 91 95 Vgl. Kronauer, M. (1996): „Soziale Ausgrenzung“ und „Underclass“: Über neue Formen der gesellschaftlichen Spaltung. In: Mitteilungen des soziologischen Forschungsinstitutes der Universität Göttingen SOFI-Mitteilungen Nr. 24/1996, S. 56 (http://www.sofi-goettingen.de/fileadmin/SOFI-Mitteilungen/Nr._24/kronauer.pdf, Stand 13.04.2007)

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In einer Untersuchung von Luedtke zeigte sich, dass Arbeitslose mit Bewältigungs- und Bearbeitungsstrategien versuchen, in einer „außernormalen“ Lage eine lebbare Kontinuität im Alltag aufrecht zu erhalten. Für die übergroße Mehrheit der Arbeitslosen bildet jedoch die Wiederaufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses den einzig wirklich gangbaren Weg, mit der Arbeitslosigkeit „fertig zu werden“.96 Es bleibt mit Kieselbach deshalb zusammenfassend festzuhalten, dass eine akzeptable Form der Wiederbeschäftigung aufgrund der gegenwärtigen Datenlage das wichtigste Mittel einer Erleichterung und Beseitigung der schädigenden psychosozialen Effekte von Arbeitslosigkeit zu sein scheint und mit keiner Form der Sozialen Arbeit oder anderen Formen der Beschäftigung konkurrieren kann.97 Doch auch wenn die hier dargestellten Bedarfe - also die Schaffung sozialversicherungspflichtiger „guter“ Arbeit - immer oberstes Ziel der Anstrengungen sein sollte, ist die Feststellung des Bedarfs individueller Hilfen ebenso entscheidend. Bäcker und Kühn stellen fest, dass „wachsende gesellschaftliche Reproduktionsbedarfe einerseits und die rückläufige familiäre Selbsthilfefähigkeit andererseits (...) darüber hinaus zu einer steigenden Nachfrage nach professionellen sozialen Dienstleistungen und Einrichtungen der sozialen Infrastruktur“ führen.98 Ein ganz zentraler Bedarf an Sozialer Arbeit bei Langzeitarbeitslosigkeit ist die Beratung im Umgang mit der Arbeits- und Sozialverwaltung zur Sicherung des materiellen Leistungsanspruchs und der Durchsetzung von Leistungsansprüchen. Beratung in sozialrechtlichen Fragen ist absolut notwendig, in vielen Fällen jedoch nicht ausreichend.99 König sieht über den Bedarf an individuellen Hilfen hinaus die Notwendigkeit der Bemühung um weitere Unterstützungsformen, die sich an den Ursachen und nicht an den Folgen der Arbeitslosigkeit orientieren. Seine Definition des konkreten Bedarfs an Sozialer Arbeit bei Langzeitarbeitslosigkeit sieht u.a. folgendes vor:

- „Politische Bildung stärken als Bedingung für Mitsprache und Mitbestimmung

- Stärkung der Selbsthilfepotentiale im Sinne der Schaffung von Bedingungen für Arbeitslose, ihre eigene berufliche Zukunft zu schaffen

- Veränderung des gesellschaftlichen Bewusstseins im Sinne des eigentlichen Wertes der Arbeit auch jenseits der klassischen Erwerbsar-beit (z.B. Unterstützung von Tauschringen und Solidarischer Ökonomie)

96 Vgl. Luedtke, J. (1998): Arbeitslose: a.a.O., S. 1 97 Vgl. Kieselbach, T. (1994): a.a.O., S. 246 98 Bäcker, G./Kühn, H. (1985): Perspektiven der Sozialpolitik. In: Altvater, E./Baethge, M. u.a. (Hrsg.): Arbeit 2000 – Über die Zukunft der Arbeitsgesellschaft. Hamburg, S.110 99 Vgl. Wolki-Prenger, F./Rothardt, D. (1996): a.a.O., S. 205

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- Entwicklung einer Zukunft der Arbeit im Sinne der Entwicklung, Diskussion und Verbreitung neuer Beschäftigungsmodelle.“100

An König anknüpfend definiere ich im Rahmen dieser Abhandlung aufgrund der erläuterten negativen gesellschaftlichen und individuellen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit den Bedarf an Sozialer Arbeit folgendermaßen: 1. In Arbeit bringen im Sinne gesellschaftlicher Teilhabe

Der vorrangigste Bedarf liegt unbestritten in der Unterstützung bei der Überwindung der Arbeitslosigkeit, zum einen durch Vermittlungstätigkeiten, zum anderen, und dies in verstärktem Ausmaß, durch Schaffung und Erprobung neuer gerechter Beschäftigungsmodelle wie z.B. durch die Initiierung von Projekten der Lokalen Ökonomie. In erster Linie sollten diese Beschäftigungsmodelle im Sinne einer gesellschaftlichen Teilhabe konzipiert werden. Aufgrund der dauerhaft negativen Prognosen der Arbeitsmarktsitua-tion zeigt sich hier für bestimmte Gruppen ein Bedarf an dauerhafter Unterstützung und Beschäftigungsmöglichkeiten.

2. Abmilderung der negativen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit Hier zeigt sich ein verstärkter Bedarf an parteiischer und unabhängiger Beratungsarbeit, an Unterstützung im Gesundheitsbereich, sowie weiterer klassischer Leistungen der Sozialen Arbeit wie etwa Jugendberufshilfe und Schuldnerberatung.

3. Optimierung und Unterstützung von Überlebensstrategien und Selbsthilfepotentialen Die Initiierung von Gruppen und Netzwerken, in denen durch Gemeinschaft nicht nur die Auswirkungen gemildert, sondern auch neue Strukturen oder gar Beschäftigung entstehen können.

4. Unterstützung und politische Einforderung der notwendigen Strukturen Durch den geringen Organisationsgrad und der Heterogenität der Arbeitslosen benötigen sie Unterstützung bei der politischen Flankierung ihrer Forderungen.

Abschließend zeigt sich ein insgesamt gestiegener Bedarf an Sozialer Arbeit, wie ihn etwa Winckler und Thiersch konstatieren. 101 Für die Soziale Arbeit bedeutet dies einen Zuwachs an Aufgaben und Herausforderungen. 100 König, J. (2005): a.a.O., S. 4 101 Sozialpädagogik so Winkler „ist eine Normalbedingung der Gesellschaft der Moderne geworden, mit der diese rechnet, ohne viel auf sie zu geben. Es geht damit der Sozialpädagogik nicht anders als der Bundesbahn oder der Post.“101 Thiersch spricht hier auch vom ´sozialpädagogischen Jahrhundert´: Sozialpädagogik hat vor allem in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts, eine tragfähige und differenzierte Struktur gefunden und ist laut Thiersch selbstverständlicher und akzeptierter Bestandteil in der Infrastruktur sozialer und pädagogischer Dienstleistungen geworden. Vgl. Galuske, M. (2004): Auf dem Weg in das „zweite sozialpädagogische Jahrhundert“? Anmerkungen zur Zukunft Sozialer Arbeit in der flexiblen Arbeitsgesellschaft. In: Bock, K./Thole, W. (Hrsg.): Soziale Arbeit und Sozialpolitik im neuen Jahrtausend. Wiesbaden, S. 45

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2.4 Zusammenfassung

In den industrialisierten Ländern hat die Lohnarbeit für die Existenzsicherung, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und für das Selbstwertgefühl vieler Menschen zentrale Bedeutung (2.1.2.). In den letzten Dekaden ist eine Entwicklung erkennbar, die diese Rolle der Lohnarbeit in Frage stellt: Steigende offizielle Arbeitslosenzahlen mit einer steigenden Sockelarbeitslosig-keit und mit längeren Verweildauern verschiedener Personengruppen in Arbeitslosigkeit sowie eine größer werdende Gruppe von Menschen, die arbeitssuchend ist, aber in der Statistik nicht auftauchen, sind Hinweise darauf. Zudem hat sich die Struktur der angebotenen Lohnarbeitsplätze in den letzten Jahren drastisch verändert: von tariflich abgesicherten, zeitlich unbefristeten Vollzeitarbeitsplätzen hin zu zeitlich befristeten, schlecht bezahlten, prekären Teilzeitarbeitsplätzen. Neben friktioneller, konjunktureller, saisonaler und struktureller Arbeitslosigkeit ist eine Ausdehnung einer „systembedingten“ Arbeitslosigkeit zu erkennen, die zunehmend bedingt, dass eine bestimmte Arbeitskraft nicht mehr gewinnbringend verwertet werden kann. Aus diesen Gründen kann von einer Krise der Lohnarbeit gesprochen werden (2.1.1.). Die Krise der Lohnarbeit hat nachhaltige Auswirkungen auf die Gesellschaft. Die Splittung des Arbeitsmarktes in Gewinner und Verlierer spiegelt sich in der Gesellschaft wider. Bestimmte gesellschaftliche Gruppen sind davon weit überdurchschnittlich betroffen: Frauen, gering gebildete und gering qualifizierte Menschen, besonders junge und besonders alte Menschen, Migranten, von Behinderung oder gesundheitlichen Einschränkungen betroffene Menschen und Menschen, die bereits länger arbeitslos sind (2.1.1.). Teile dieser Personengruppen können nicht nur kein „soziales Eigentum“ bilden, sondern sind aufgrund ihrer materiellen und sozialen Situation zunehmend vom gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt (2.2.1.). Dazu kommt, dass diese gesellschaftliche Gruppe sehr heterogen ist und weder eine gesellschaftliche noch eine politische Lobby hat. Dies erzeugt vielfältige gesellschaftliche „Folgekosten“ und gefährdet langfristig den sozialen Frieden. Individuell wirkt sich Langzeitarbeitslosigkeit zunächst in Form eines sukzessiven materiellen Abstiegs und Statusverlust aus und später in Form von einem Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben, Haltlosigkeit und Minderwertigkeits-gefühlen. Dieser Prozess kann in psychische Erkrankungen und/oder destruktiven Lebensformen münden (2.2.2.).

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Daraus folgt ein klar zu formulierender Auftrag an die Soziale Arbeit, nicht nur individuelle Hilfen zur Verfügung zu stellen, sondern ebenso gesellschaftliche Veränderungsprozesse in Bezug auf die Verarbeitung von Massenarbeitslosigkeit in Gang zu setzen. Aus dieser Situation ergeben sich für die Soziale Arbeit mit Langzeitarbeitslosen neue Bedarfe. Einerseits sind die Bemühungen in den klassischen Feldern Sozialer Arbeit, die direkt auf die individuelle Situation ausgerichtet sind, wie Unterstützung bei der Arbeitssuche, Schuldnerberatung, Suchtberatung, Beratung im Umgang mit der Arbeits- und Sozialverwaltung weiter zu intensivieren. Durch die zunehmend komplexeren Verwaltungsstruktu-ren und juristischen Rahmenbedingungen ist dort der Bedarf gestiegen. Anzusetzen gilt es hierbei an den bestehenden Überlebensstrategien der Betroffenen. Andererseits besteht für eine qualifizierte Soziale Arbeit die Herausforderung, auch an der Verbesserung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, gemeinsam mit den Betroffenen, zu arbeiten. Dazu zählt einerseits die Stärkung des Selbsthilfepotentials und die Stärkung der Fähigkeit mit komplexen Problemlagen konstruktiv umzugehen, andererseits die Förderung von gesellschaftlich sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeiten jenseits des Systems der marktförmigen Lohnarbeit, wie z.B. Projekten der Lokalen Ökonomie (2.3.).

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3. Soziale Arbeit mit Langzeitarbeitslosen Durch die dargestellten Veränderungen des Arbeitsmarktes und der Bedarfe an Sozialer Arbeit sowie der politischen und gesellschaftlichen Veränderung ergeben sich zwingend Folgen für die Soziale Arbeit.

3.1 Soziale Arbeit im Umbruch Die in Kapitel 2 dargestellte anhaltende Massenarbeitslosigkeit hat eine tiefgreifende strukturelle Krise der Volkswirtschaften zur Folge.102 Unternehmer und Politiker haben immer wieder die Notwendigkeit der Reduzierung der Ausgaben vor Augen, um auf dem Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Folgen für den Staat aufgrund steigender Erwerbslosigkeit sind sinkende Steuereinnahmen einerseits und höhere Belastungen der Versicherungssysteme andererseits. Der „Wohlfahrtsstaat“ scheint immer weniger finanzierbar. Sozialabbau und eine zunehmende Privatisierung sozialer Einrichtungen sind die Folgen.103 Die Ökonomisierung Sozialer Arbeit ist dadurch Thema in allen ihren Bereichen.104 Auch in der Sozialen Arbeit und ihren Zielgruppen zeigen die Folgen der Globalisierung ihre Wirkung.105 Eine zunehmende wirtschaftliche Konkurrenz innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ist spürbar.106 Die Veränderungen auf globaler (v.a. die Auswirkungen des weltweiten Handels und der Privatisierung von Dienstleistungen) und europäischer Ebene (europaweite Ausschreibungen und Erweiterung des Wettbewerbs auch im Rahmen von sozialen Dienstleistungen und Bildung) führen in einer Kettenreaktion zu ökonomischem Druck. Die Welthandelsorganisation (WTO)

102 Vgl. Bundesregierung (2005): Lebenslagen in Deutschland - 2. Armuts- und Reichtumsbericht. Köln (http://www.bmas.bund.de/BMAS/Redaktion/Pdf/Lebenslagen-in-Deutschland-De-821,property=pdf,bereich=bmas,sprache=de,rwb=true.pdf, Stand 04.06.2007) 103 Vgl. Elsen, S. (2000): Über den Zusammenhang zwischen globaler und lokaler Entwicklung und die Konsequenzen für die Gemeinwesenarbeit. In: Elsen, S./Lange, D./Wallimann, I. (Hrsg.): Soziale Arbeit und Ökonomie. Neuwied, S. 180 ff. 104 Vgl. Lange, D. (2000): Wirtschaftlichkeit und Sozialarbeit. In: Elsen, S./Lange, D./Wallimann, I. (Hrsg.) (2000): a.a.O., S. 74 105 Nach der Definition der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, ist „Globalisierung ein Prozess, durch den Märkte und Produktion in verschiedenen Ländern immer mehr von einander abhängig werden dank der Dynamik des Handels mit Gütern und Dienstleistungen und durch die Bewegungen von Kapital und Technologie“. Globalisierung ist demzufolge eine Bezeichnung für die Entstehung weltweiter Märkte und für die zunehmende Internationalisierung des Handels. Dies geschieht vor allem durch die Entwicklung neuer Technologien (v.a. im Medien- und Kommunikationsbereich) sowie durch neu entwickelte Organisationsformen betrieblicher Produktionsprozesse. Zitiert bei: Plate , B. von (1999): Grundelemente der Globalisierung. In: Informationen zur politischen Bildung Nr. 263, S. 3 und vgl. Brockhaus (1996): Die Enzyklopädie, Leipzig, Mannheim, S. 634 ff. 106 Vgl. Gaitanides, S. (2000): Soziale Arbeit – im Spagat zwischen Ökonomisierung und Menschenrechtsprofession. In: Elsen, S./Lange, D./Wallimann, I. (Hrsg.) (2000): a.a.O., S. 126

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empfiehlt im so genannten GATS-Abkommen („Generell Agreement on Trade and Services“) die Privatisierung aller noch öffentlichen Dienstleistungssysteme wie Bildung, Gesundheit und Soziales und damit die Anerkennung der öffentlichen sozialen Güter als international handelbare Ware.107 Hinzu kommen demografische Veränderungen, die die Gesellschaft immer schneller altern lassen und eine Krise des Wohlfahrtsstaates hervorrufen. Die Konkurrenz um staatliche Zuschüsse zwischen Trägern der Sozialen Arbeit nimmt aufgrund des Finanzierungsdrucks zu. Um sich dem „Markt der sozialen Leistungen“ anpassen zu können, werden Qualitätskontrollen eingeführt. Qualitätsmanagementsysteme und Zertifizierungsprozesse sind die Folge, bei denen oft die unkritische Übernahme von Systemen aus der Wirtschaft beklagt wird.108 Kritiker konstatieren eine sinkende Qualität sozialer Dienstleistungen bei zunehmendem Sozialabbau.109 Auf Bundesebene hat die Einführung der Agenda 2010 zu einer stärkeren Privatisierung der Lebensrisiken geführt. Die Ebene der Bundesländer zieht sich aus vielen Förderbereichen zurück..110 Die Finanzhaushalte der Kommunen sind in den wenigsten Fällen ausgeglichen. Der Deutsche Städtetag wehrt sich gegen die Zunahme kommunaler Aufgaben, die in vielen Fällen ohne bundespolitische finanzielle Unterstützung geleistet werden sollen.111 Das führt dazu, dass die Kommunen die Pflichtaufgaben erfüllen, zusätzliche soziale Angebote jedoch kaum gefördert werden. Durch eine Steigerung des Hilfebedarfes der Bevölkerung in ihren prekären Lebenssituationen, wie bereits in Kapitel 2.3 dargestellt, wäre dies jedoch dringend notwendig. Für die Soziale Arbeit bedeutet dies einen Zuwachs an Aufgaben und Herausforderungen.112 Begünstigend für die dargestellte Entwicklung von Sozialer Arbeit in Richtung Management und Ökonomisierung wirken vor allem jedoch die gesetzlichen Veränderungen im Rahmen der Verankerung des Leistungsprinzips wie z.B. der Pflegeheimvergleich im Pflegeversicherungsgesetz

107 Vgl. Bock, K./Thole, W. (2004): Sozialstaat im Wandel – Einleitung. In: Bock, K./Thole, W. (Hrsg.): Soziale Arbeit und Sozialpolitik im neuen Jahrtausend. Opladen, S. 16 sowie Fritz, T./Scherrer, C. (2002): GATS: Zu wessen Diensten? Öffentliche Aufgaben unter Globalisierungsdruck. Hamburg 108 Siehe weitere Kritik in Merchel, J. (Hrsg.) (1999): Qualität in der Jugendhilfe – Kriterien und Beratungsmöglichkeiten. 2.Auflage, Münster, S. 168 ff. 109 Sozial extra (Hrsg.) (1999): Einstürzende Sozialstaaten – Argumente gegen den Sozialabbau. Wiesbaden 110 Thiersch 1992, S. 10. Zitiert bei Winkler, M. (1995): Die Gesellschaft der Moderne und ihre Sozialpädagogik. In: Thiersch, H./Grunwald, K. (Hrsg.): Zeitdiagnose Soziale Arbeit. Zur wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit der Sozialpädagogik in Theorie und Ausbildung. Weinheim, München, S. 178 111 Vgl. Deutscher Städtetag (2006): Städte fordern gerechten Anteil am Steuerpaket der großen Koalition – jährlich etwa 2 Milliarden Euro. (http://www.staedtetag.de/10/presseecke/pressedienst/artikel/2006/02/15/00327/index.html, Stand: 04.06.2007). Sowie Deutscher Städtetag (2006) (Hrsg.): Trotz Gewerbesteuerwachstum Kassenkredite auf Rekordniveau – Gemeindefinanzbericht 2006. In: der städtetag 05/2006 (http://www.staedtetag.de/10/veroeffentlichungen/der_staedtetag/artikel/01690/index.html, Stand 04.06.2007) 112 Vgl. Michael Galuske: Auf dem Weg in das „zweite sozialpädagogische Jahrhundert“? Anmerkungen zur Zukunft Sozialer Arbeit in der flexiblen Arbeitsgesellschaft. In: Karin Bock/Werner Thole (Hrsg.) (2004): a.a.O., S. 45

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sowie das Pflege-Qualitätssicherungsgesetz, dass mit den Methoden des Benchmarking eine Wettbewerbssituation gesetzlich verankert.113 Zusammenfassend ist nach Galuske festzuhalten, dass folgende gesellschaftliche Veränderungen zu Umbrüchen in der Sozialen Arbeit führen:

- „Deregulierung: d.h. die „Befreiung der Märkte“ von wachstumsbe-schränkenden Bedingungen (z.B. Abbau von Arbeitsschutzrechten, Flächentarifverträgen etc., Senkung von Gewinn- und Unternehmenssteu-ern und –abgabe, Freihandelspolitik);

- Ökonomisierung: d.h. der Druck auf öffentliche Verwaltungen und staatlich finanzierte Dienstleistungen zum effizienten Einsatz der Mittel bei gleichzeitiger Umsteuerung des Systems sozialer Dienstleistungen nach Marktprinzipien (New Public Management, Neue Steuerung, Leistungs-vereinbarungen, etc.);

- Privatisierung: d.h. ein Abbau sozialer Leistungen und damit notwendig eine steigende Eigenverantwortung des Einzelnen für die materielle Gewährleistung von Sicherheitsstandards;114

- Paternalisierung: d.h. eine zunehmende Verknüpfung von Unterstützung an Leistungsverpflichtung auf Seiten des Hilfesuchenden (z.B. Verschär-fung von Zumutbarkeitsregeln, „Fördern und Fordern“, aktivierender Sozialstaat)“115

Diese Veränderungen tragen dazu bei, dass Soziale Arbeit mehr und mehr unter Legitimationsdruck gerät. Die Kombination der Ökonomisierung Sozialer Arbeit und dem erhöhten Bedarf an Hilfeleistungen führt zu gehobenen Anforderungen an die Soziale Arbeit und ihre Akteure.

3.2 Soziale Arbeit mit Langzeitarbeitslosen im Umbruch Durch die bereits skizzierten Veränderungen des Arbeitsmarktes sowie den Umbrüchen in der Sozialen Arbeit sind auch Veränderungen im Rahmen der Sozialen Arbeit mit Langzeitarbeitslosen unausweichlich. Die Kinder- und Jugendhilfe wird zunehmend mit den Problemen des Arbeitsmarktes bzw. mit der Arbeitslosigkeit ihres Klientels konfrontiert und die dargestellten gesetzlichen Veränderungen führen zu neuen Zielgruppen in Beratung und Praxis. Die

113 § 92a Abs. 1 Satz 1 SGB XI sowie § 112 SGB XI, siehe auch ähnliche Grundlagen im KJHG (SGB VIII), im Arbeitsförderungsgesetz (SGB III) sowie im Krankenversicherungsgesetz (SGB V) 114 So ist der Anteil der Unternehmen an der Finanzierung des Sozialbudgets zwischen 1960 und 1998 von 33,7 Prozent auf 27,1 Prozent zurückgegangen, der des Bundes von 25,1 Prozent auf 20 Prozent, während der Anteil der privaten Haushalte im gleichen Zeitraum von 21,5 Prozent auf 31,3 Prozent stieg. Vgl. Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, 2000, S. 92. Zitiert nach Galuske, M. (2004): a.a.O., S. 58 115 Ebd., S. 58

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Notwendigkeit der sozialpädagogischen Betrachtung der Arbeitsförderung zeigt sich schon dadurch, dass Begriffe wie Case-Management, die zunehmend in der Beratung und Vermittlung verwendet werden, aus der Sozialen Arbeit kommen. Nicht nur die neue Philosophie im Rahmen einer Aktivierungspolitik, sondern auch die Veränderungen der Arbeitsbedingungen und institutionellen Rahmenbedingungen in der Sozialen Arbeit führen zu Umbrüchen in der Rolle der Profession im Umgang mit Langzeitarbeitslosigkeit. Die Darstellung dieser Umbrüche ist Aufgabe des folgenden Kapitels.

3.2.1 Historische Entwicklungen Mit Beginn der Industrialisierung kommt es in Deutschland zur Massenverelen-dung. Die Hilfeleistungen waren hauptsächlich private Initiativen bürgerlicher Schichten, die ihre eigenen Wertvorstellungen mitbrachten und die soziale Ordnung bei ihrer Arbeit nicht in Frage stellten. Durch die Einführung der Sozialgesetze unter Bismarck um 1880 verändert sich die traditionelle Armenfürsorge. Soziale Arbeit wird zum Beruf und es werden Fachschulen gegründet, die die Soziale Arbeit aus dem Ruf des ehrenamtlichen unprofessionellen Frauenengagements entlassen sollen.116 Getrennt wurde in dieser Zeit zwischen der klassischen Armenfürsorge im Rahmen karikativer Einrichtungen (sie stand unter Kontrolle der Polizei und war mit dem Verlust von Bürgerrechten verbunden) und der Erwerbslosenfürsorge, die mit Arbeitsverpflichtung einherging. Hilfe war jedoch abhängig von 16 Stunden Pflichtarbeit in der Woche im Sinne einer „produktiven, wertschaffenden Erwerbslosenfürsorge“.117 1927 kommt es zur Einführung der Arbeitslosenversi-cherung und dem AVAVG, Gesetz für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversi-cherung. Es wurden damit eine reguläre Versicherung sowie erweiterte Möglichkeiten zur aktiven Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Förderung der beruflichen Bildung geschaffen.118 Auch zu dieser Zeit beschäftigt sich die Soziale Arbeit mit dem Verhältnis zwischen Arbeitsförderung und Fürsorge.119 Das damalige Verständnis der Sozialpädagogik zeigt auch die verordnete

116 Vgl. Marzahn, C.: Geschichte der Sozialen Arbeit. In: Kreft, D./Mielenz, I. (Hrsg.) (1996): Wörterbuch Soziale Arbeit. Weinheim und Basel, S. 244 ff. 117 Vgl. Burghardt, H. (2005): Arbeitsfürsorge, Hilfe zur Arbeit und „moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ – Stationen einer Chronologie. In: Burghardt, H./Enggruber, R. (Hrsg.): Soziale Dienstleistungen am Arbeitsmarkt – Soziale Arbeit zwischen Arbeitsmarkt und Sozialpolitik. Weinheim und München, S. 19 118 Vgl. Zerche, J./Schönig, W./Klingenberger, D. (2000): a.a.O., S. 124 119 Im Zuge der zunehmenden Arbeitslosigkeit der Weimarer Republik steht 1927 der 40. Deutsche Fürsorgetag in Hamburg unter dem Titel „Die Verwertung der Arbeitskraft als Problem der Fürsorge.“ und ist damit wieder hoch aktuell. Vgl. Wunderlich, F. (1927): „Die Verwertung der Arbeitskraft als Problem der Fürsorge“. 40. Deutschen Fürsorgetag in Hamburg. Zitiert bei: Burghardt, H. (2005): a.a.O., S. 22f.

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Pflichtarbeit für unter 21-Jährige und ausgesteuerte Arbeitslose, die man als pädagogische Maßnahme verstand, um ihnen den „tieferen Sinn der Arbeit zu erschließen“.120 Während der Zeit des Nationalsozialismus galt das AVAVG fort, der Versicherungsanspruch wurde im Jahr 1939 jedoch auf eine zeitlich unbefristete, bedürfnisabhängige „Arbeitslosenhilfe“ erhöht. Es kam zur Gleichschaltung der Behörde und die Selbstverwaltung wurde abgeschafft. Die Fürsorge wurde auch hier mit dem Arbeitszwang verbunden, die Aufgaben des Reichsarbeitsministeri-ums konzentrierten sich auf den Arbeitseinsatz im Reicharbeitsdienst.121 Der Bezug öffentlicher Armenfürsorge bei gleichzeitiger Arbeitsverweigerung führte zur Kriminalisierung und Bestrafung.122 In der Selbstverständnisdebatte der Sozialen Arbeit Ende der 60er Jahre gab es eine starke Strömung, die betonte, dass Soziale Arbeit sich nicht in den Dienst des Staates zu begeben hätte. Die „Kritische Sozialarbeit“ wollte sich selbst durch die Stärkung des Gemeinwesens überflüssig machen und verunsicherte die institutionalisierte Sozialarbeit im wachsenden Wohlfahrtsstaat.123 Erst 1969 wurde das AVAVG durch das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) abgelöst und die Bundesanstalt für Arbeit wurde gegründet.124 Das AFG beinhaltete eine „aktive Arbeitsmarktpolitik“125 durch Berufsberatung, Vermittlung und Förderung der beruflichen Erstausbildung, Fortbildung, Umschulung, berufliche Rehabilitation sowie beschäftigungsfördernde Maßnahmen. Neben den Veränderungen der Arbeitsförderungsgesetze war die Entwicklung der Armenpflege zur Fürsorge und Sozialhilfe in diesem Zusammenhang ebenso entscheidend. Mit der Einführung des Bundessozialhilfegesetzes 1961 wurde die Fürsorgegesetzgebung abgelöst und erstmals ein subjektiv-öffentlicher Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt einklagbar. Das BSHG sah vor, dass Hilfeempfänger auf Arbeitsgelegenheiten verwiesen werden konnten.126 120 Ebd., S. 20 121 Vgl. Zerche, J./Schönig, W./Klingenberger, D. (2000): a.a.O., S. 124 122 Die Soziale Arbeit im Nationalsozialismus wird bei der Darstellung der Entwicklung der Profession weitgehend vernachlässigt. Erst in den 80er Jahren kommt es vermehrt zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Rolle der Fürsorge und der Wohlfahrtspflege im Faschismus. Bis heute steht die Einordnung der verdrängten Periode in den historischen Kontext zur Analyse der gegenwärtigen Auffassung Sozialer Arbeit noch aus. Vgl. Zbick, H. (2001): Die Rolle der Fürsorge im Nationalsozialismus am Beispiel der `Asozialenpolitik´. Diplomarbeit Fachhochschule Köln. S. 73-74 123 Vgl. auch Hollstein, W./Meinhold, M. (1973): Sozialarbeit unter kapitalistischen Produktionsbedingungen. Frankfurt a.M. 124 Vgl. Zerche, J./Schönig, W./Klingenberger, D. (2000):a.a.O., S. 124 125 Aktive Arbeitsmarktpolitik ist hier nicht zu verwechseln mit aktivierender Politik. 126 Ein Gerichtsurteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahr 1968 zeigt das politische Klima in dieser Zeit. Das Gericht entschied, dass einem Hilfesuchenden nicht die Leistungen gekürzt werden dürfen, auch wenn er trotz Arbeitsfähigkeit die Aufnahme von Arbeit verweigerte. Die Kürzungen erreichen nicht ihr Ziel und die Hilfe kann nicht mehr als „Hilfe zur Selbsthilfe“ verstanden werden, so die Argumentation. (BVerwGE 29, 99ff., 106) Vgl. Burghardt (2005): a.a.O., S. 19 ff.

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Doch erst mit den 70er Jahren und dem starken Anstieg der Sockelarbeitslosigkeit wurde dies relevant. Gleichzeitig kam es zur Professionalisierung und Akademisierung Sozialer Arbeit in großem Umfang. Die Koppelung von Unterstützung sowie Verweisung auf Arbeit und die Anwendung von Arbeitszwang als historisches Merkmal von Armenpflege und Fürsorge stand damals stark in der Kritik. Erst in Ablehnung dieser Tradition und der Propagierung neuer Erziehungswerte konnte ein anderes Verständnis Sozialer Arbeit entstehen. In den 70er Jahren hat die evangelische Industrie-Sozialarbeit sowie der kirchliche Dienst in der Arbeitswelt mit der Betreuung und Bildung von Arbeitslosen begonnen. Im Vordergrund dieser Arbeit stand die Verbesserung der Vermittlungschancen. Mit steigender Arbeitslosigkeit stieg in den 80er Jahren auch die Erkenntnis, dass die Verbesserung der Vermittlungschancen nicht ausreichte, da zu wenig Arbeitsplätze vorhanden waren. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass ein öffentlich geförderter zweiter Arbeitsmarkt und eine Umorientierung von der Bildungs- zur Beratungsarbeit nötig seien.127 Mit Hilfe von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wurden flächendeckend Arbeitslosenzentren in Trägerschaft des Diakonischen Werkes oder der Kirchenkreise gegründet, was eine weitere Professionalisierung dieser Arbeit zur Folge hatte.128 Später kamen Zentren von nicht konfessionellen Wohlfahrtsverbänden, der katholischen Kirche, Parteien sowie der Gewerkschaften hinzu. Als Gegenpol der konfessionellen Arbeitslosenarbeit bildeten sich Zusammenschlüsse von Arbeitslosen. Diese von Arbeitslosen getragenen Projekte stellten die politische Arbeit in den Vordergrund; so traten die unabhängigen Initiativen für ein „Recht auf Einkommen“ und weniger für ein „Recht auf Arbeit“ ein.129 Durch die Wahrnehmung persönlicher Notlagen einer zunehmenden Zahl arbeitsloser Jugendlicher und Erwachsener wurde mehr und mehr zu „Strategien der Einmischung“ insbesondere auf kommunaler Ebene übergegangen. Politisierung der Profession sowie die Akzeptanz von Alternativ- und Selbsthilfeprojekten in der Arbeits- und Sozialpolitik war die Folge.130 Des Weiteren führte die kommunale Arbeitsmarktpolitik zur Institutionalisierung kommunaler Beschäftigungsfirmen.131

127 Ebd., S. 26f. 128 Über die Vor- und vor allem die Nachteile einer solchen Professionalisierung durch Einstellung von ABM-Kräften in den Organisationen der Erwerbslosen gibt Kieser eine sehr detaillierte Übersicht der Erfahrungen in der Praxis des Kölner Arbeitslosenzentrums. Vgl. Kieser, A. (1988): Zwischen Siechtum und Widerstand. Sozialarbeit und Erwerbslosenbewegung. Bielefeld. 129 Wolki-Prenger, F. (1993): „Niemandem wird es schlechter gehen...!“ Armut, Arbeitslosigkeit und Erwerbslosenbewegung in Deutschland. Köln, S. 47ff. 130 Der Begriff der „Strategie der Einmischung“ wurde geprägt von Mielenz, I. (1981): Die Strategie der Einmischung – Soziale Arbeit zwischen Selbsthilfe und kommunaler Politik. In: NP Sonderheft, 6/1981 Zitiert bei Kreft, D./Mielenz, I. (1996): Wörterbuch Soziale Arbeit. Weinheim, Basel, S.. 492 131 Burghardt, H. (2005): a.a.O., S. 28

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3.2.2 Aktuelle Entwicklungen - Sozialgesetzbuch III und Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt Im Jahr 1998 folgte die Einführung des „III. Sozialgesetzbuches – Arbeitsförderung“ (im Folgenden SGB III), dessen oberstes Ziel der Ausgleich am Arbeitsmarkt ist. Dies soll durch die Leistungen der Arbeitsförderung geschehen, „indem Ausbildungs- und Arbeitssuchende über Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Berufe beraten, offene Stellen zügig besetzt und die Möglichkeiten von benachteiligten Ausbildungs- und Arbeitssuchenden verbessert (...) werden“.132 Burghardt sieht in den Maßnahmen des SGB III die Betonung von internalisierenden Lösungen wie sozialpädagogischer Begleitung der dualen Ausbildung oder Eingliederungszuschüssen für Betriebe und die Vernachlässigung externalisierender Lösungen wie Programme zur außerbetrieblichen Ausbildung oder Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnah-men in Eigenregie.133 Zwar werden hier die Ansätze der Sozialen Arbeit gestärkt, Blanke und Sachße sehen jedoch hierin eine kritisch zu betrachtende „Pädagogisierung“ von Lebensweisen, die v.a. in der Arbeitsförderung in Kombination mit den Mitwirkungspflichten des SGB I ihren Ausdruck findet.134 Neu sind also neben den Einschränkungen des Rechtsanspruchs auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung (sie wurden ins Ermessen gestellt) die Instrumente, die „pädagogische Interventionen“ zur Verbesserung der Handlungsfähigkeit von Personen sowie infrastrukturelle Leistungen beinhalten. Soziale Arbeit im Verständnis „personenbezogener Dienstleistungen“ hat hier einen ihrer Ursprünge; eine deutliche Tendenz zum Ausbau von Beratung und Vermittlung ist erkennbar, da sie unmittelbar am Verhalten von Arbeitsmarktakteuren ansetzen. 135 Ganz in der Tradition des AFG besteht nach § 4 SGB III ein Vorrang der Arbeitsvermittlung und der aktiven Arbeitsmarktförderung vor den Lohnersatzleistungen. Ihre Leistungen sind einzusetzen, um sonst erforderliche Lohnersatzleistungen „nicht nur vorübergehend“ zu vermeiden. In § 6 SGB III hat das Arbeitsamt nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit festzustellen, durch welche

132 Zitiert bei Burghardt, H. (2005): a.a.O., S. 29 133 Ebd., S. 30 134 Blanke, T./Sachße, C. (1987): Wertwandel in der Sozialarbeit – Verfassungstheoretische Überlegungen zur Kritik des Sozialisationsstaates. In: Olk, T./Otto, H.-U. (Hrsg.): Soziale Dienste im Wandel. Neuwied, S.. 269 zitiert bei Burghardt, H. (2005): a.a.O., S. 29 135 Ebd., S. 31

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Eigenbemühungen drohende Langzeitarbeitslosigkeit vermieden werden kann.136 Während sich dies jedoch bei den Arbeitgebern auf den Appell beschränkt, äußert sich die Verantwortung der Arbeitnehmer sehr konkret. In Abs. 3 des Paragrafen wird festgelegt, dass der Arbeitnehmer jede zumutbare Möglichkeit bei der Stellensuche nutzen und eine zumutbare Stelle nicht ohne neue Stelle beenden kann. Des Weiteren ist er verpflichtet, jede zumutbare Stelle anzunehmen, auch wenn diese nicht seiner beruflichen Qualifikation entspricht. Vor allem durch die Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln zeigt sich die andere Philosophie des SGB III gegenüber dem AFG, „die sich in einer fortschreitenden Verengung auf das Versicherungsprinzip, einer Ausdünnung des Leistungskatalogs und den oben genannten verschärften Zumutbarkeitsregelungen widerspiegelt.“137 Mit Einführung der so genannten Hartz-Gesetze, also der vier „Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ im Jahr 2001 wird diese Entwicklung weiter verstärkt.138 Beginnend mit dem „Job-AQTIV-Gesetz“ wurde im Dezember 2001 der Impuls für die Intensivierung und Umgestaltung der Vermittlung begonnen, also mit einer umfassenden Reform der gesamten Arbeitsförderung und Sozialhilfe. Mit der Losung „Aktivieren, Qualifizieren, Trainieren, Investieren, Vermitteln“ wurden u.a. die so genannte Eignungsfeststellung (§ 6 SGB III) sowie die Eingliederungsvereinbarung (§35 SGB III) in das Gesetz eingeführt.139 136 Vgl. Zerche, J./Schönig, W./Klingenberger, D. (2000):a.a.O., S. 135. Im Rechtskreis des SGB II sind diese Prüfungen bereits vor Auszahlung der Leistungen eingeführt worden. Die Hilfesuchenden bekommen mit Beantragung der Leistungen ein „Sofortangebot“ im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, das zur Förderung beitragen soll. Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Fortentwicklungsgesetz – wesentliche Inhalte. S. 1 (http://www.bmas.bund.de/BMAS/Redaktion/Pdf/gesetz-zur-fortentwicklung-der-grundsicherung-fuer-arbeitsuchende-wesentliche-inhalte,property=pdf,bereich=bmas,sprache=de,rwb=true.pdf, Stand 30.05.2007) 137 Zerche, J./Schönig, W./Klingenberger, D. (2000):a.a.O., S. 136 138 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Gesetze zum Arbeitsmarkt. (http://www.bmas.bund.de/BMAS/Navigation/Arbeitsmarkt/gesetze.html, Stand 30.05.2007) Evaluationsbericht der Bundesregierung (2006): Wirksamkeit moderner Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. (http://www.arbeitsmarktreform.de/AMR/Navigation/Service/publikationen,did=154726.html, Stand 26.05.2007) 139 Durch das erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, welches seit dem 23.12.2002 gilt, wurde schwerpunktmäßig zunächst die „Arbeitnehmerüberlassung“ geregelt. Dies sieht vor, dass die Arbeitsvermittlung an so genannte Personal-Service-Agenturen „outgesourct“, also quasi an private Firmen vergeben werden können. Die Bundesagentur kann den PSA also Arbeitsuchende zuweisen. Kann keine Vermittlung stattfinden, sind die Agenturen zur beruflichen Fortbildung verpflichtet. Die finanzielle Förderung erfolgt über eine Kopfpauschale bzw. über eine zuvor ausgehandelte Vermittlungspauschale bei erfolgreicher Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt. Auch die Vergabe von Weiterbildungsangeboten an private Träger hat einen starken Wettbewerbsdruck zur Folge. ( Bundesgesetzblatt (2002) Teil I Nr. 87: Erstes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Bonn (http://www.bmas.bund.de/BMAS/Redaktion/Pdf/Gesetze/erstes-gesetz-fuer-moderne-dienstleistungen-am-arbeitsmarkt,property=pdf,bereich=bmas,sprache=de,rwb=true.pdf, Stand 30.05.2007) Das zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, welches zeitgleich eingeführt wurde, setzt seinen Schwerpunkt auf die Rahmenbedingungen von Beschäftigung etwa durch die Einführung eines Existenzgründungszuschusses für die berühmte „Ich-AG“ oder die Anhebung der Verdienstgrenze auf 400 € monatlich und die Einführung der „geringfügigen Beschäftigungen“.(Bundesgesetzblatt (2002) Teil I Nr. 87: Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Bonn (http://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/bgbl102s4621.pdf, Stand 30.05.2007) Das dritte Gesetz für moderne

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Im Januar 2004 führt das vierte der schrittweise in Kraft tretenden Hartz-Gesetze schlussendlich die umstrittene Grundsicherung für Arbeitsuchende im Sozialgesetzbuch II ein. 140 Damit werden Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe in der Grundsicherung zusammengeführt mit erheblichen Veränderungen für Behörden und Betroffene.141 Der Begriff des Hilfesuchenden wurde abgelöst vom Begriff des Arbeitsuchenden. Die oberste Zielsetzung jeder Maßnahme ist hier weiterhin die möglichst rasche Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt. Die Grundsicherung des SGB II gilt für alle erwerbsfähigen Personen zwischen 15 und 65 Jahren und die mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen. Erwerbsfähig wird dabei genannt, wer mindestens drei Stunden am Tag arbeitsfähig ist. Die Zusammenlegung von Leistungen der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Leistungen im Rahmen des ehemaligen Bundessozialhilfegesetzes ging einher mit der Gründung neuer Behördenstruktu-ren in den Kommunen, den so genannten „Arbeitsgemeinschaften bzw. Optionskommunen“. Die Kommunen sollten von Sozialhilfekosten entlastet werden, die durch Personen entstehen, die keine Arbeit finden. Die Kommunen übernehmen nun lediglich die Leistungen der Personen, die nicht länger als drei Stunden täglich arbeitsfähig sind im Rahmen des SGB XII.142 Dies führte bei der Einführung zunächst dazu, dass alle Personen automatisch aus der Sozialhilfe in den Rechtskreis des SGB II eingestuft wurden, auch wenn eine Arbeitsunfähigkeit z.B. durch Wohnungslosigkeit/Drogenabhängigkeit oder erheblicher Erkrankung offensichtlich war.143 Erst nach und nach wurden Abteilungen des „Disability

Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, welches am 01.01.2004 in Kraft trat, machte aus der Bundesanstalt für Arbeit die Bundesagentur für Arbeit. Neben den Umstrukturierungen innerhalb der Agentur ist die Veränderung der beschäftigungsfördernden Maßnahmen entscheidend. Arbeitsverhältnisse, die im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gefördert werden, können seit dem keine Anwartschaft auf Leistungen nach dem SGB I mehr begründen, womit die rechtliche Gleichbehandlung von geförderten und normalen Arbeitsverhältnissen aufgehoben wurde. Vgl. Lampert, H./ Althammer, J. (2004): Lehrbuch der Sozialpolitik. Berlin, S. 195 140 Bundesgesetzblatt (2003) Teil I Nr. 66: Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Bonn (http://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/bgbl103s2954.pdf, Stand 30.05.2007) 141 Bereits im Vorfeld der Gesetzesänderungen gab es hier eine breite Bewegung linker Gruppierungen gegen die Planungen der Agenda 2010 sowie die Einführung der Hartz-Gesetze im Rahmen der so genannten Montagsdemonstrationen. Vgl. u.a. (http://www.bundesweite-montagsdemo.com/, Stand 04.06.2007) sowie Agenturschluss (Hrsg.) (2006): Schwarzbuch Hartz IV. Sozialer Angriff und Widerstand – Eine Zwischenbilanz. Hamburg/Berlin. Auch von den Wohlfahrtsverbänden wurde immer wieder Kritik an den Hartz-Gesetzen geäußert. Vgl. u.a. Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (29.04.2004): Stellungnahme zum Entwurf der Aktualisierung 2004 des Nationalen Aktionsplans Soziale Integration 2003-2005. (http://www.bagfw.de/media/03052004_stellungnahme_na_akt_soz_int.doc, Stand 04.06.2007) 142 Vgl. Boeckh, J./Huster, E.-U./Benz, B. (2006): Sozialpolitik in Deutschland. Wiesbaden, S. 229 143 Dies löste im Februar 2005 einen öffentlichen Streit zwischen dem damaligen Arbeitsminister Clement und den Kommunen aus. Clement warf den Kommunen willkürliches Einstufen vor, nach dem Fälle bekannt wurden, bei denen Komapatienten in den Rechtskreis des SGB II eingeordnet worden waren. Vgl.: Bovensiepen, N./Schäfer, U.: Bundesregierung hat sich erheblich verkalkuliert. Hartz IV reißt Milliarden-Loch in Etat. In: Süddeutsche Zeitung vom 21.02.2005 (http://www.sueddeutsche.de/,tt1m2/deutschland/artikel/200/48152/, Stand 26.05.2007) oder auch DPA Meldung: Können Komapatienten arbeiten? In: Stern Magazin vom 22.02.2005 (http://www.stern.de/wirtschaft/arbeit-karriere/536859.html?nv=ct_mt, Stand 26.05.2007)

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Managements“ eingerichtet, die die Arbeitsfähigkeit prüfen sollten und unter Umständen die Überleitung in den Rechtskreis des SGB XII ermöglichen. Zur Vermittlung in Arbeit ist vorgesehen, dass die Arbeitsuchenden mit den „Fallmanagern“ der Arbeitsgemeinschaften jeweils für die Dauer von sechs Monaten eine Eingliederungsvereinbarung schließen. Mit der gesetzlichen Formulierung des „Förderns und Forderns“ soll hier ein Aushandlungsprozess zwischen Leistungsempfänger und Fallmanager stattfinden, dessen Ergebnis vertraglich in der Eingliederungsvereinbarung festgehalten wird.144 Sie soll die von den öffentlichen Trägern vorgesehenen Unterstützungsmaßnahmen aufführen und die Mitwirkung der Arbeitsuchenden spezifizieren. Die Hilfsangebote Sozialer Arbeit, von der Schuldnerberatung über die psychosoziale Betreuung bis zur Suchtberatung können gem. § 16 Abs. 2 SGB II Inhalt einer Eingliederungs-vereinbarung und durch die Argen finanziell gefördert werden. Hierzu beauftragen die Arbeitsgemeinschaften die Einrichtungen der freien Träger und vereinbaren eine Pauschale für geleistete Beratungen pro Person, die durch den Fallmanager zugewiesen werden. Zu § 16 SGB II zählen auch die Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs), die ebenfalls derart behandelt werden und Gegenstand der Eingliederungsvereinbarungen sein können.145 Die Vertragsform der Eingliederungsvereinbarung täuscht hier über die Einseitigkeit des Vorgehens hinweg. Es entsteht ein Zwang für den Hilfesuchenden, die Vereinbarung zu unterzeichnen. Gleichermaßen können die Leistungen bei Weigerung oder Verstoß gekürzt und im Weiteren auch ganz eingestellt werden. Deutlich wird an diesem Punkt des Gesetzes, dass dem Fallmanager eine zentrale Bedeutung zukommt. Er bestimmt das Vorgehen und den Hilfeprozess in wesentlicher Hinsicht. Er ist sozusagen als „Clearingstelle“ tätig und vermittelt in Hilfeprozesse der Sozialen Arbeit. Dies erhöht zum einen die Beratungskontexte mit Zwangscharakter ganz erheblich (die Einrichtungen sind vertraglich verpflichtet bei Nichterscheinen des Klienten eine Rückmeldung an den Fallmanager zu geben, womit Sanktionen verbunden sind). Zum anderen ist der Fallmanager und damit die Arbeitsgemeinschaft zu großen Teilen an der Initiierung und dem Verlauf eines Hilfeprozesses beteiligt und beeinflusst ihn ohne fachliche Ausbildung. Mit Wirkung des Fortentwicklungsgesetzes zum 1.8.2006 sind die Bedingungen vor allem für Jugendliche unter 25 Jahren massiv verschärft worden. Umzüge werden nur noch bei Personen über 25 Jahren aus dem elterlichen Haushalt bewilligt. Die Eltern sind im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft zum Unterhalt der

144 Vgl. Boeckh, J./Huster, E.-U./Benz, B. (2006): a.a.O., S. 237. Sowie § 2 und § 14 SGB II (http://gesetze.bmas.bund.de/Gesetze/sgb02xinhalt.htm, Stand 30.05.2007) 145 Sozialgesetzbuch II (http://gesetze.bmas.bund.de/Gesetze/sgb02xinhalt.htm, Stand 30.05.2007)

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erwachsenen Kinder verpflichtet. Hier gelten besondere Anstrengungen der Vermittlung in Arbeitsgelegenheiten, Maßnahmen der Arbeitsförderung oder Ausbildung. Sollten diese verweigert werden, können die Leistungen ganz, d.h. auch der Anteil der Kosten der Unterkunft, eingestellt werden.146 Diese Regelung hat weit reichende Auswirkungen auf die Kinder- und Jugendhilfe sowie auf andere Betreuungsangebote. Die Entscheidungen der Fallmanager und der Fachkräfte der Jugendhilfe greifen somit tief in die familiären Lebensbedingungen und Strukturen ein. Die letzten Reformen der Arbeitsförderung in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit haben also abschließend eine unmissverständliche Unterstellung der finanziellen Leistungen zur Existenzsicherung unter den Vorbehalt der Vermittlungsbereit-schaft für alle Erwerbsfähigen vom 15. bis zum 65. Lebensjahr in grundsätzliche jede „zumutbare“ Arbeit zur Folge, auch wenn diese die Existenz nicht sichert oder eine deutliche Verschlechterung im Vergleich zum vorherigen Arbeitsverhältnis bedeutet. Da die Ziele und Maßnahmen der gesetzlichen Arbeitsförderung in den meisten Fällen Handlungsgrundlage für Soziale Arbeit mit Langzeitarbeitslosen sind, ist eine kritische Betrachtung der Instrumente und der Rolle der Sozialen Arbeit hier unerlässlich. Die Angleichung der Leistungserbringung der Arbeitsförderung an die Formen der privaten Dienstleistungserbringung hat dabei wesentlichen Einfluss auf die Organisation und Arbeitsweise der freien Träger und die Profession der Sozialen Arbeit, welche mit den Aufgaben der Arbeitsförderung beauftragt sind. Das Verhältnis von Beratung, personenbezogenen Dienstleistungen und der Profession Sozialer Arbeit soll deshalb nach einer genauen Betrachtung der Instrumente im weiteren Verlauf der Arbeit näher erläutert werden.

3.2.3 Die gegenwärtigen Instrumente der Sozialen Arbeit mit Langzeitarbeitslosen Bei den gegenwärtigen Instrumenten der Sozialen Arbeit mit Langzeitarbeitslosen muss unterschieden werden zwischen den Instrumenten der Arbeitsförderung des SGB III und SGB II und der Beratungsarbeit der Arbeitslosenarbeit in

146 Bundesgesetzblatt (2006) Teil I Nr. 33: Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bonn (http://www.bmas.bund.de/BMAS/Redaktion/Pdf/Gesetze/2006-05-03-SGB-II-fortentwicklungsgesetzentwurf,property=pdf,bereich=bmas,sprache=de,rwb=true.pdf, Stand 30.05.2007) oder zur besseren Übersicht der Änderungen: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2006): Fortentwicklungsgesetz – Wesentliche Inhalte. Bonn (http://www.bmas.bund.de/BMAS/Redaktion/Pdf/gesetz-zur-fortentwicklung-der-grundsicherung-fuer-arbeitsuchende-wesentliche-inhalte,property=pdf,bereich=bmas,sprache=de,rwb=true.pdf, Stand 30.05.2007)

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unabhängigen, kirchlichen oder gewerkschaftlichen Arbeitslosenprojekten. Beides sind klassische Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit. In beiden Fällen werden die klassischen Methoden der Sozialen Arbeit (Einzelfallhilfe sowie Gemeinwesenarbeit und Gruppenarbeit) angewendet. Im folgenden Kapitel soll eine Übersicht über die Instrumente der Arbeitsförderung geschaffen werden, welche hier aufgrund der Vielzahl nur exemplarisch geleistet werden kann. Zu den gegenwärtigen Instrumenten der Arbeitsförderung gehört an erster Stelle neben den Leistungen der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosengeld I und II) die Beratung und Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt (Rechtsgrundlage §§ 29 – 47 SGB III). Ziel ist hierbei die dauerhafte, sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung. Ein weiteres Angebot der Arbeitsämter sind Trainingsmaßnahmen und Eignungsfeststellungen (Rechtsgrundlage §§48 – 52 SGB III), in der Arbeitslose ihre beruflichen Fähigkeiten den Anforderungen des Arbeitsmarktes anpassen sollen. Hierzu zählen z.B. berufliche Weiterbildungen mit einer Dauer von bis zu vier Wochen oder Bewerbungstrainings mit einer Dauer von zwei Wochen. Mobilitätshilfen zur Aufnahme einer Beschäftigung gem. §§ 53-55 SGB III gehören ebenso zur aktiven Förderung wie der Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gem. §§ 57-58 SGB III. Möglich ist auch die berufliche Ersteingliederung von Jugendlichen, insbesondere von benachteiligten Jugendlichen (Rechtsgrundlage § 59 ff. und § 240 ff. SGB III). Hierzu gehören zum einen berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen und zum anderen die berufliche Ausbildung Benachteiligter, wie z.B. ausbildungsbegleitende Hilfen oder die außerbetriebliche Ausbildung sowie Sozialpädagogische Begleitung bei der Berufsausbildungsvorbereitung nach dem Berufsbildungsgesetz (§ 421m SGB III). Des Weiteren gibt es die Möglichkeit der beruflichen Weiterbildung, die allerdings an bestimmte Voraussetzungen gekoppelt ist, jedoch zum Abschluss einer zusätzlichen Berufsausbildung führen kann. Rechtsgrundlage sind hierfür die §§77 – 95 und §§ 153 – 159 SGB III. Hinzu kommen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben insbesondere für behinderte Menschen oder zur Rehabilitation gem. §§97-99 SGB III.147 Neben den Fördermöglichkeiten für Arbeitnehmer gibt es ebenfalls die Möglichkeit der Förderung von Arbeitgebern. Hierzu gehören u.a.

- Leistungen zu den Arbeitsentgelten bei Eingliederung von leistungsgemin-derten Arbeitnehmern, bei Neugründungen, bei der Förderung der berufl. Weiterbildung gem. §§ 217 - 222 sowie §§ 225 - 228 SGB III

147 Vgl. SGB III – Arbeitsförderung. (http://gesetze.bmas.bund.de/Gesetze/sgb03xinhalt.htm, Stand 30.05.2007)

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- Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung bei Durchführung von Maßnahmen während betrieblicher Ausbildungszeit sowie Zuschüsse bei behinderten Menschen gem. §§ 235 – 239 SGB III148

Nicht nur die Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sondern auch die Träger von Arbeitsförderungsmaßnahmen sind explizit im Gesetz aufgeführt. Die üblichen und die am häufigsten vorkommenden Förderprogramme der Arbeitsämter für Maßnahmeträger sind hier die so genannten Arbeitsbeschaf-fungsmaßnahmen (ABM) gem. §§ 260 – 271 und § 416 SGB III.149 Des Weiteren gehören hierzu:

- Zuschüsse zu Maßnahmen der betrieblichen Ausbildung - Übernahme der Kosten für außerbetriebliche Ausbildung sowie

ausbildungsbegleitende Hilfen gem. §§ 240 – 247 SGB III - Zuschüsse für Einrichtungen der beruflichen Aus- und Weiterbildung oder

der berufl. Rehabilitation sowie für Jugendwohnheime gem. §§ 248 – 253 SGB III

- Zuschüsse zu Arbeiten zur Verbesserung der Infrastruktur gem. § 279a SGB III

Die Instrumente des Sozialgesetzbuch II beziehen sich hauptsächlich auf die Förderung zusätzlicher Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs. 3 SGB II. Diese sind nur möglich, wenn die Arbeit, die geleistet wird, im öffentlichen Interesse liegt. Die Arbeitsgelegenheiten in Entgeltvariante (also mit einem sozialversicherungs-pflichtigen Beschäftigungsverhältnis) sind auf 11 Monate befristet, damit anschließend kein Anspruch auf Arbeitslosengeld I entsteht. Die Arbeitsgelegenheiten in Mehraufwandsentschädigung, die so genannten Ein-Euro-Jobs sind hingegen meist auf sechs Monate mit einer Verlängerungsoption befristet. Die Ämter versprechen sich davon, dass die Nutzer dieser Maßnahme vom Arbeitgeber im Anschluss angestellt werden. Die Förderung ist auf bestimmte Maßnahmefelder beschränkt, die im öffentlichen Interesse liegen und das Kriterium der Zusätzlichkeit erfüllen müssen. Des Weiteren sind bei den Arbeitsämtern auch die Bewilligung von Überbrückungsgeldern zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit und Einstellungszuschüsse bei Neugründungen möglich, das so genannte Einstiegsgeld gem. § 29 SGB II.150 Das Angebot zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt, das bisher nur die Arbeitsagenturen anbieten konnten, steht nun allen erwerbsfähigen

148 Ebd. 149 Ebd. 150 Vgl. http://www.bmas.bund.de/BMAS/Navigation/Arbeitsmarkt/foerderung.html, Stand 19.01.07 sowie SGB II (http://gesetze.bmas.bund.de/Gesetze/sgb02xinhalt.htm, Stand 30.05.2007)

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hilfebedürftigen Arbeitsuchenden, also auch im Rechtskreis des SGB II zur Verfügung. Da es in dieser Abhandlung vorrangig um die Soziale Arbeit mit Langzeitarbeitslosen geht, ist eine Konzentration auf die Arbeitsförderung nach SGB II sinnvoll.151 Die Förderung von Arbeitsgelegenheiten gem. § 16 Abs. 3 SGB II ist in der Förderung von Langzeitarbeitslosen das meist genutzte Instrument, weshalb hier näher darauf eingegangen wird.152 Das Sozialgesetzbuch sieht die Möglichkeit vor, hilfsbedürftige Personen, die einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben (also langzeitarbeitslos sind) wie bereits im Rahmen der „Hilfe zur Arbeit“ des Bundessozialgesetzbuches in Arbeitsgelegenheiten zu vermitteln. Arbeitsgelegenheiten sollen vor allem Personen angeboten werden, die andernfalls keine Arbeit oder Ausbildung finden. Dabei sind zwei Varianten möglich: 1. Arbeitsgelegenheiten in Entgeltvariante, die in rechtlicher Hinsicht ein reguläres sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis darstellen. 2. Arbeitsgelegenheiten in Mehraufwandsva-riante, die weitestgehend auf gemeinnützige Tätigkeiten begrenzt sind, rechtlich kein normales Arbeitsverhältnis sondern ein Sozialrechtsverhältnis darstellen und auch nur geringfügig (zwischen 1 und 1,50 € pro Stunde zusätzlich zum Regelsatz) entlohnt werden. Dieses Instrument steht in engem Zusammenhang mit den Prinzipien des „Förderns und Forderns“ der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die vorübergehende Ausübung solcher Tätigkeiten zielt zum einen darauf ab, die Beschäftigungsfähigkeit der Teilnehmer zu verbessern oder ihre Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt zu testen.153 151 Dies obwohl sich im Rechtskreis des SGB II nicht nur langzeitarbeitslose Personen befinden, sondern auch arbeitslose Jugendliche nach einer Ausbildung oder Personen, die nicht mindestens ein Jahr ununterbrochen arbeitslos gemeldet waren, aber keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I erwirkt haben. Wer also an einem Zusatzjob teilnimmt und im Anschluss erneut arbeitslos im Rechtskreis des SGB II wird, gilt nach dieser Definition nicht als langzeitarbeitslos. Vgl. Wolff, J./Hohmeyer, K. (2006): Förderung von arbeitslosen Personen im Rechtskreis des SGB II durch Arbeitsgelegenheiten: Bislang wenig zielgruppenorientiert. IAB Forschungsbericht Nr. 10/2006. S. 24 152 Der Schwerpunkt der Arbeitsgelegenheiten nach dem SGB II liegt eindeutig auf den Arbeitsgelegenheiten in Mehraufwandsvariante. Mit dieser Förderungsart wurden im Jahr 2005 96% und im Jahr 2006 95% der Teilnehmer in Arbeitsgelegenheiten gefördert. D.h. die Entgeltvariante wird hier sehr stark vernachlässigt. Des Weiteren zeigt die Statistik, dass auf 100 Leistungsempfänger im SGB II durchschnittlich 10 Teilnehmer in Arbeitsgelegenheiten kommen. (Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2007): Sonderbericht zur Förderstatistik. Leistungen zur Eingliederung an erwerbsfähige Hilfebedürftige: Einsatz von Arbeitsgelegenheiten 2006. S. 4f.) Auch Barthelheimer et al weisen darauf hin, dass „Leistungen zur Eingliederung“ im SGB II grundsätzlich „Kann-Leistungen“ sind und damit im Ermessen des Fallmanagers (§3 Abs. 1 SGB II). Zwar können viele Instrumente der Arbeitsförderung des SGB III grundsätzlich auch Personen im Rechtskreis des SGB II angeboten werden (§16 Abs. 1 SGB II). Der Aussteuerungsbetrag aber, den die Bundesagentur beim Übergang von Versicherten zum ALG II zu zahlen hat, setzt für die Arbeitsagenturen einen Anreiz, von dieser Bestimmung keinen Gebrauch zu machen. Deshalb beschränkt sich die Förderung für Personen im ALG II-Bezug auf die zwei Instrumente: auf die Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung und das Einstiegsgeld. Vgl. Bathelheimer, P./Baethge-Kinsky, V./Wagner, A. (2006): Zu den Auswirkungen von Hartz IV auf den Arbeitsmarkt – Fakten und Fragen. In: Intervention. Zeitschrift für Ökonomie. 3. Jg. Heft 1, S. 18 153 Vgl. Wolff, J./Hohmeyer, K. (2006): Förderung von arbeitslosen Personen im Rechtskreis des SGB II durch Arbeitsgelegenheiten: Bislang wenig zielgruppenorientiert. IAB Forschungsbericht Nr. 10/2006. S. 5f.

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Der Träger der Maßnahme kann für den entstandenen Aufwand für die Maßnahmedurchführung eine Maßnahmekostenpauschale erhalten. Mit dieser spezifisch festlegbaren monatlichen Kostenpauschale je besetztem Teilnahmeplatz kann der entstandene Aufwand des Trägers, z. B. Personal, Unfall- und Haftpflichtversicherung, Betreuung, Qualifizierung, Arbeitskleidung, Sachkosten oder sonstige Verwaltungskosten, abgedeckt werden. Bundesweit betrug 2006 die durchschnittliche vorgesehene Maßnahmekostenpau-schale pro Teilnehmer und Monat bei Eintritt in Arbeitsgelegenheiten der Mehraufwandsvariante 259 Euro (Westdeutschland: 300,-; Ostdeutschland: 204,-).154 Ende 2006 befanden sich 6% der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Arbeitsgelegenheit des SGB II und es gab insgesamt für das Jahr 2006 741.900 Eintritte in Arbeitsgelegenheiten. Im Jahresdurchschnitt lag der Bestand bei 292.900 Teilnehmern. Der Schwerpunkt der Einsatzfelder für Arbeitsgelegenhei-ten liegt in der Infrastrukturverbesserung und im Umwelt-schutz/Landschaftspflege, gefolgt von Kinderbetreuung und Jugendhilfe sowie im Gesundheits- und Pflegebereich.155 Eine Voraussetzung dafür, dass das Instrument der „Zusatzjobs“ die Beschäftigungsfähigkeit der Teilnehmer erhöht, ist eine adäquate Teilnehmerauswahl. Grundsätzlich sollen Zielgruppen gewählt werden, die man als arbeitsmarktfern (also Personen mit besonderen Vermittlungshemmnissen) bezeichnen kann und keine Personen, die ohnehin vergleichsweise gute Chancen auf eine Wiedereingliederung haben. Es besteht die Gefahr des so genannten Creamings, also einem Prozess, bei dem gut qualifizierte Personen eher in Arbeitsgelegenheiten vermittelt werden und somit die eigentliche Zielgruppe vernachlässigt wird. Als konkrete Zielgruppen der Arbeitsförderung und im Besonderen der Arbeitsgelegenheiten werden v.a. Migranten, Frauen als Berufsrückkehrerinnen, gesundheitlich eingeschränkte oder behinderte Personen sowie unter 25-Jährige und ältere Arbeitsuchende verstanden. Nach Berechnungen des IAB ist die besondere Förderung der Zielgruppen nicht ersichtlich.156 Bei der Auswertung der Statistiken und Forschungsberichte wird deutlich, dass die Ein-Euro-Jobs den arbeitsmarktpolitischen Instrumenteneinsatz im SGB II dominieren und für eine breite Vielzahl von Zielen eingesetzt werden. Bemerkenswert ist, dass bei einer Befragung von Fallmanagern die Zielsetzung der Überprüfung und Verbesserung der Arbeitsfähigkeit oder gar die Vermittlung

154 Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2007): Sonderbericht zur Förderstatistik. Leistungen zur Eingliederung an erwerbsfähige Hilfebedürftige: Einsatz von Arbeitsgelegenheiten 2006. S. 13 155 Ebd., S. 4 156 Hier ist hinzuzufügen, dass das Sonderprogramm des Bundes „30.000 Zusatzjobs für Ältere ab 58 Jahren über den 31.12.2006 hinaus nicht verlängert wird. Hierbei handelte es sich um ein Sonderkontingent von Zusatzjobs in der Mehraufwandsentschädigung mit einer Maßnahmedauer von max. drei Jahren. Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2007): Sonderbericht zur Förderstatistik. Leistungen zur Eingliederung an erwerbsfähige Hilfebedürftige: Einsatz von Arbeitsgelegenheiten 2006. S. 5

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in den ersten Arbeitsmarkt hinter Zielen wie der Schaffung eines geregelten Tagesablaufes, zusätzlicher finanzieller Mittel zur Schuldentilgung, Steigerung des Selbstwertgefühls und soziale Integration weit zurückstehen.157 Die Steuerung des Einsatzes von Zusatzjobs durch die Grundsicherungsträger ist laut Wagner bisher ebenso ungenügend wie deren Zielsetzung und Zielgruppenbestimmung. Das Risiko einer Verdrängung regulärer Arbeitsplätze v.a. im Sozialen Sektor ist hoch.158 Jeder zweite Betrieb mit Ein-Euro-Stellen überträgt ihnen nicht nur zusätzliche, sondern auch reguläre Tätigkeiten, was eine Befragung des IAB von 4000 Betrieben ergab.159 Dies zeigt, dass die Abgrenzung von zusätzlichen Tätigkeiten problematisch ist. Ein-Euro-Jobs sind des Weiteren in der Regel keine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt. Das würde voraussetzen, dass es ein Stellenpotential gibt, welches jedoch nicht gegeben ist.160 Zusammenfassend kann man Kettner/Rebien zustimmen: Ohne ein verantwortliches Wirken der Akteure können sich Ein-Euro-Jobs zu einem Instrument entwickeln, „das dem Arbeitsmarkt insgesamt mehr schadet als nützt“.161 Die Praxis zeigt jedoch, dass es eine hohe Nachfrage nach Zusatzjobs bei den Arbeitslosen selber gibt. Sie sind für die Gruppe der Arbeitslosen interessant, für die es keine Alternative gibt. Interessant ist, dass der Bundesrechnungshof ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass die Förderung von sozialversicherungs-pflichtiger Beschäftigung sinnvoll ist, da sie nicht zwingend kostenintensiver als die Förderung von Arbeitsgelegenheiten in Mehraufwandsentschädigung ist.162 Neben den dargestellten gesetzlichen Grundlagen und Entwicklungen ist jedoch die Position der Sozialen Arbeit innerhalb dieses Instrumentariums entscheidend. In den meisten Maßnahmen, vor allem im Bereich der unter 25-Jährigen, besetzen Sozialpädagogen und Sozialarbeiter die Schlüsselpositionen in der Beratung und Betreuung. Der Aufgabe der Sozialarbeit kommt hier das Profiling der Teilnehmer sowie die Hilfeplanung und die enge Absprache mit dem Fallmanager der Agentur bzw. Arbeitsgemeinschaft über den Verlauf der Maßnahme zu. Ziel ist dabei in nahezu jeder Maßnahme die Eingliederung in Ausbildung oder den 157 Vgl. Wolff, J./Hohmeyer, K. (2006): Förderung von arbeitslosen Personen im Rechtskreis des SGB II durch Arbeitsgelegenheiten: Bislang wenig zielgruppenorientiert. IAB Forschungsbericht Nr. 10/2006. S. 17 158 Wagner, A. (2006): Arbeitsgelegenheiten – eine vorläufige Zwischenbilanz zur Nutzung des Instruments. Forschungsprojekt Monitor Arbeitsmarktpolitik. (http://www.monapoli.de/cps/rde/xbcr/SID-3D0AB75D-682F6025/monapoli/Arbeitsgelegenheiten_II.pdf, Stand 05.06.2007) 159 Hans-Böcker-Stiftung (Hrsg.) (2007): Subventionierter Stellenabbau. In: Böckler Impuls 03/2007, Düsseldorf, S. 2 160 Vgl. Wagner, A. (2007): Ein-Euro-Jobs – Eine Zwischenbilanz im Mai 2007. Forschungsprojekt Monitor Arbeitsmarktpolitik. (http://www.monapoli.de/cps/rde/xchg/SID-3D0AB75D-682F6025/monapoli/hs.xsl/281.html, Stand 05.06.2007) 161 Vgl. Kettner, A./Rebien, M. (2007): Soziale Arbeitsgelegenheiten – Einsatz und Wirkungsweise aus betrieblicher und arbeitsmarktpolitischer Perspektive. IAB Forschungsbericht Nr. 2/2007. S. 62 162 Bundesrechnungshof (2006): Bericht an den Haushaltsausschuss und an den Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO. Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Wesentliche Ergebnisse der Prüfungen im Rechtskreis des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, 19. Mai, Bonn. S. 15f. (http://www.sozialpolitik-aktuell.de/docs/Bundesrechnungshof_SGBII.pdf, Stand 05.06.2007)

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ersten Arbeitsmarkt. Sollte der Teilnehmer die Maßnahme abbrechen oder unentschuldigt fehlen, ist der Sozialarbeiter verpflichtet, eine Rückmeldung an den Fallmanager zu geben, welcher dann die Möglichkeit zur Sanktionierung, also zur Kürzung oder zur vollständigen Einstellung der Leistungen zum Lebensunterhalt hat. Die Aufgaben der Sozialarbeit liegen darüber hinaus in der klassischen Sozialberatung sowie der Qualifizierung der Teilnehmer, z.B. bei Bewerbertrainings oder anderen Themen der Erwachsenenbildung. Natürlich werden in der Sozialen Arbeit im Rahmen von Beschäftigungsmaßnahmen auch verschiedene Ansätze und Methoden verwendet. Exemplarisch soll hier nur das „Case-Management“ genannt werden.163 Case-Management ist ein „Verfahren, in dem die Leistungen einer Vielfalt von Diensten und Mitarbeitern für einen Klienten geplant, ausfindig gemacht und steuernd begleitet werden“.164 Dies wird im Rahmen von Netzwerkarbeit und Hilfeplanverfahren ausgeführt. Die gemeinsame Zielsuche wird im Rahmen einer Durchführungskontrolle vom Case-Manager im Hilfeprozess überwacht. Diese Vorgehensweise und auch das benutzte Vokabular haben zu Kritik von Fachleuten geführt. Sie sehen die Beziehungsarbeit gefährdet und fürchten einen rein outputorientierten Ansatz Sozialer Arbeit.165 Unter der bereits erwähnten klassischen „Arbeitslosenarbeit“, die nicht im Rahmen von Beschäftigungsförderung gem. SGB II und III stattfindet, ist mehr als „nur“ die Vermittlung in Arbeit zu verstehen. Soziale Arbeit ist zum Einen Teil der Instrumente der Arbeitsförderung, definiert zum Anderen aber über die Arbeitslosenarbeit auch eigene Ziele. Unter Arbeitslosenarbeit sind laut Wolski-Prenger und Rothardt folgende Instrumente zu verstehen:

163 Case-Management oder Unterstützungsmanagement, zunächst als Erweiterung der Einzelfallhilfe in den USA entwickelt, ist zu einer methodischen Neuorientierung in der Sozialen Arbeit und im Gesundheitswesen geworden. Case-Management soll Fachkräfte im Sozial- und Gesundheitswesen befähigen, unter komplexen Bedingungen Hilfemöglichkeiten abzustimmen und die vorhandenen institutionellen Ressourcen im Gemeinwesen oder Arbeitsfeld koordinierend heranzuziehen. Laut Definition der Deutschen Gesellschaft für Sozialarbeit ist es die Aufgabe des Case Managements, „ein zielgerichtetes System von Zusammenarbeit zu organisieren, zu kontrollieren und auszuwerten, das am konkreten Unterstützungsbedarf der einzelnen Person ausgerichtet ist und an deren Herstellung die betroffene Person konkret beteiligt wird. Nicht die Qualitäten als Berater/-in allein sind gefragt, sondern die als Moderatoren mit Letztverantwortung, die im Prozess der Hilfe die Bedürfnisse der Klienten einschätzen, die die Planung und Sicherung der Bereitstellung medizinischer und sozialer Dienstleistungen koordinieren, die Prioritäten setzen und ggf. zukünftig Standards erarbeiten bzw. festlegen und für ihre Einhaltung sorgen.“ Vgl. Fachgruppe Case Management der Deutschen Gesellschaft für Sozialarbeit (2004): Leitprinzipien Case Management im Sozial- und Gesundheitswesen. (http://www.case-manager.de/_themes/Leitprinzipien%20CM.pdf, Stand 04.06.2007) 164 Vgl. Wendt, W.R. (Hrsg.) (1995): Unterstützung fallweise. Case Management in der Sozialarbeit. Freiburg i.Br., 2. erw. Aufl. 165 Löcherbach, P. (1988): Altes und Neues zum Case Management. Soziale Unterstützungsarbeit zwischen persönlicher Hilfe und Dienstleistungsservice. In: Mrochen, S./Berchtold, E./Hesse, A. (Hrsg.): Standortbestimmung sozialpädagogischer und sozialarbeiterischer Methoden. Weinheim, S. 104

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- Beratung und Hilfestellung bei psychischen Problemen (Sucht, Depressionen, Suizidgefährdungen u.a.), z.B. durch Bildung von Selbsthilfegruppen und Gesprächskreisen - Beratung in Rechtsfragen, vor allem zu Sozialleistungen - Hilfen bei der Arbeitssuche (Bewerbungen etc.) - Zeitorganisation (Angebote zur Beschäftigung und Fortbildung) - politische Arbeit im weitesten Sinne – vom Infostand über Forderungen auf der kommunalen Ebene bis hin zur Einflussnahme auf die Landes- bzw. Bundespolitik, z.B. die nationale Armutskonferenz. - Arbeitslosenbildung166 Laut Kieselbach liegen bisher keine systematischen Analysen der unterstützenden Wirkung von Interventionsmaßnahmen bei Langzeitarbeitslosen vor. Die Instrumente und Methoden sind bisher kaum auf ihre Wirksamkeit überprüft worden.167 Sie kritisieren die mangelnde Gesamtheit der Forschung, die kein einheitliches Bild ergebe und damit ihren Nutzen der Bewertung von Hartz IV nur partiell leisten könne. Auch wird bemängelt, dass die Ergebnisse wenig in der Öffentlichkeit diskutiert werden.168 Die aktuelle Diskussion arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen zur Senkung von Langzeitarbeitslosigkeit ist bestimmt von Vermittlungsoffensiven mit finanziellen Arbeitgeberleistungen, Verschärfung bzw. Durchsetzung der Zumutbarkeitskriterien zur Arbeitsaufnahme, Kombi-Lohn-Modellen169 und dem Pro und Kontra um den „Zweiten bzw. Dritten Arbeitsmarkt“. Auch ist festzustellen, dass es vor allem im Bereich der Berufsausbildungsvorbereitung von Jugendlichen einen regelrechten „Maßnahmedschungel“ gibt. Die Förderlandschaft hält hier ein sehr umfangreiches und unübersichtliches

166 Vgl. Wolski-Prenger, F./Rothardt, D. (1996b): Arbeitslosenarbeit. Erfahrungen, Konzepte, Ziele. Opladen, S. 45 167 Vgl. Kieselbach, T. (1994): Arbeitslosigkeit als psychologisches Problem – auf individueller und gesellschaftlicher Ebene. In: Montada, L. (Hrsg.): Arbeitslosigkeit und soziale Gerechtigkeit. Frankfurt a.M., S. 246 168 Vgl. Bartelheimer, P./Baethge-Kinsky, V./Wagner, A. (2006): Zu den Auswirkungen von Hartz IV auf den Arbeitsmarkt – Fakten und Fragen. In: Intervention. Zeitschrift für Ökonomie. Jg. 3, Heft 1, S. 29 169 Weinkopf, C. (2003): Förderkonzepte für gering Qualifizierte: Kritische Anmerkungen zur Kombilohndebatte und alternative Ansatzpunkte. In: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.): Gering Qualifizierte – Verlierer am Arbeitsmarkt?! Konzepte und Erfahrungen aus der Praxis. Gesprächskreis Arbeit und Soziales Nr. 101, Bonn, S. 47-62 In den aktuellen Debatten werden laut Weinkopf Kombilöhne oftmals als Dreh- und Angelpunkt zur Wiedereingliederung von gering Qualifizierten bezeichnet. Weinkopf hält dies jedoch für eine Fehlinterpretation, da hier die Annahme hinter stehe, dass es eine große Zahl unbesetzter Arbeitsplätze bzw. ein großes Potential von Beschäftigungsmöglichkeiten ohne besondere Qualifikationsanforderung gäbe. Des Weiteren gehen die Vertreter von Kombilohnmodellen von Problemen im Bereich der finanziellen Arbeitsanreize von Arbeitslosen und Sozialhilfebeziehern und von zu hohen Arbeitskosten aus, die die Schaffung von Arbeitsplätzen mit geringen Qualifikationsanforderungen verhindern. Die meisten Vorschläge, wie im Niedriglohnbereich Arbeitsplätze geschaffen werden könnten, zielen demnach laut Weinkopf folglich auf eine Reduzierung der Arbeitskosten oder auf Erhöhung der finanziellen Arbeitsanreize von Arbeitslosen. Siehe auch Dietz, M./Koch, S./Walwei, U. (2996): Kombilohn – ein Ansatz mit Haken und Ösen. IAB Kurzbericht Nr. 3/2006

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Maßnahmeangebot bereit, was dazu führt, dass die Maßnahmen wenig aufeinander abgestimmt sind und ein „Hin – und Herschieben“ der arbeitslosen Jugendlichen droht.170 Die Arbeitsförderung in SGB I, II, und III der Rechtsansprüche, der Geldleistungen, der infrastrukturellen Leistungen und der personenbezogenen Dienstleistungen sollen die Bedingungen sozialer Teilhabe und damit der Wahrnehmung der Grundrechte für sozial benachteiligte Personen verbessern. Sie weisen nach Burghardt jedoch vor allem dann eine Lücke auf, wenn soziale Teilhabe die Teilnahme am Erwerbsleben umfassen soll. In diesem Fall versagen die Instrumente der Beratung und Vermittlung. Nur die öffentliche Förderung von Beschäftigung auf einem zweiten Arbeitsmarkt führt diese Teilhabe unmittelbar herbei.171 Alle hier vorgestellten Instrumente gehen auch nach jahrzehntelanger Erfahrung mit Langzeitarbeitslosigkeit und der oben dargestellten Effekte von Dauerarbeitslosigkeit immer noch von der Annahme aus, „eine lediglich kurzzeitige Überbrückung bis zum Wiedereinstieg ins Erwerbssystem bieten zu können“. Diese Annahme gilt mittlerweile unter den Bedingungen struktureller Arbeitslosigkeit für immer weniger Arbeitslose.172 Die Suche nach langfristigen Instrumenten steht meines Erachtens schon lange aus. Bedeutend ist hier jedoch nicht nur die Langfristigkeit der Lösungen, sondern auch ihre Standards.

3.2.4 Diskurs des aktivierenden Sozialstaates

Die dargestellten Entwicklungen vom Welfare- zum Workfare-System, also vom Wohlfahrtsstaat zur Fürsorge in Kombination mit Arbeitspflicht, zeigen, wie gravierend die Veränderungen sind. Ergebnis sind staatliche Entwicklungen im Rahmen von Reform- und Modernisierungskonzepten im Sinne eines so genannten „Aktivierenden Staates“.173 Kritiker sehen darin nur die Verkleidung 170 Dellori, C./Schünemann, G. (2005): Bildungsbegleitung im Kontext der „Entwicklungsinitiative: Neue Förderstruktur für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf“ In: Burghardt, H./Enggruber, R. (Hrsg.): a.a.O., S. 47 171 Vgl. Burghardt, H. (2005): a.a.O., S. 32 172 Vgl. Kronauer, M/Vogel, B.(1993): Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit heute: Zwischen Chance auf Zeit und sozialer Ausgrenzung. In: Mitteilungen des soziologischen Forschungsinstitutes der Universität Göttingen Nr. 20/Januar 1993, S. 13 (http://www.sofi-goettingen.de/fileadmin/SOFI-Mitteilungen/nr._20/kronauer.pdf, Stand 15.03.2007) 173 Bei der Begriffsdefinition des „Aktivierenden Staates“ zeigen sich unterschiedliche Positionen: 1. Position versteht Aktivierung in der Tradition des starken Staates der Sozialdemokratie (Aufgabenplanung). 2. Position versteht Aktivierung als die Möglichkeit zur neoliberalen Entwicklung eines „schlanken Staates“. 3. Position versteht Aktivierung im Sinne einer Verantwortungsgemeinschaft im Rahmen kommunitaristischer Ansätze. 4. Position versteht die Aktivierung des Staates als Chance für ein neues Verständnis von Subsidiarität (Wohlfahrtspluralismus). 5. Position versteht Aktivierenden Staat als Modernisierungsansatz für eine Effektivität der institutionellen Strukturen des Sozialstaates und einer neuen Verantwortungsteilung zwischen Gesellschaft und Staat. Vgl. Lamping, W./Schridde, H./Plaß, S./Blanke, B. (2002): Der

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von Sozialabbau174, Befürworter sehen in diesem Konzept die Chance, eine größere Zielgenauigkeit und Effektivität sozialpolitischer Programme zu erreichen.175 Der aktivierende Staat sei ein Staat, „ der zwar an einer umfassenden öffentlichen Verantwortung für gesellschaftliche Aufgaben festhält, jedoch nicht alle Leistungen selbst erbringen muss. Seine Aufgabe ist es vielmehr, die Gesellschaft einschließlich der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu aktivieren, zu fordern und zu fördern, sich selbst als Problemlöser zu engagieren.“ Dieser Staat sei kein Minimalstaat und nicht nur dort fördernd tätig, wo die Gesellschaft dies fordere.176 Um die Auswirkungen auf den Gegenstand der Sozialen Arbeit darstellen zu können, ist der Diskurs über die „neue Richtung“ der Sozialpolitik unausweichlich. Diese knüpft an den neoliberalen und konservativen Entwicklungs- und Diskussionssträngen der amerikanischen Sozialpolitik der 80er und 90er Jahre an und versucht, in ähnlicher Weise Veränderungsprozesse weniger mit makro- als vielmehr mit mikroökonomischen Instrumenten in Gang zu setzen, wie der Förderung der Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitslosen.177 Beginnend mit den Postulaten der Agenda 2010 und der Schröder/Blair-Politik sollen mit Hinweis auf die finanziellen Überforderungen der sozialen Sicherungssysteme Leistungen des Staates gekürzt und die Eigenverantwortung des Einzelnen durch Fördern und Fordern mehr betont werden. Das Leitbild des aktivierenden Staates ist durchaus im Sinne der deutschen Sozialpolitik, die mittels des Subsidiaritätsprinzips immer schon an der Aufgaben- und Verantwortungsverteilung zwischen Staat, Gesellschaft und Individuum fest gehalten hat. Neben dem Eigenverantwortungsprinzip ist jedoch ein neues Gegenseitigkeitsprinzip hinzugekommen, wonach nur ein Recht auf staatliche Fürsorge besteht, wenn eine Gegenleistung erbracht wird.178

Aktivierende Staat. Positionen, Begriffe, Strategien. Studie für den Arbeitskreis Bürgergesellschaft und Aktivierender Staat der Friedrich-Ebert-Stiftung. S. 4f 174 Butterwegge, C. (2006): Hartz gestern - Hartz heute. Kontinuitätslinien und Konsequenzen einer Politik gegen den Sozialstaat, in: Neue Praxis 4/2006, S. 449-458 175 Fretschner, R./Hilbert, J./Stöbe-Blossey, S. (2003): Der aktivierende Staat und seine Implikationen für die soziale Arbeit. In: Dahme, H.-J./Otto, H.-U./Trube, A./Wohlfahrt, N. (Hrsg.): Soziale Arbeit für den aktivierenden Sozialstaat. Opladen. S. 53 176 Bandemer, S. von/Hilbert, J. (1999): Vom expandierenden zum aktivierenden Staat. In: Bandemer, S. von/Blanke, B. (Hrsg.): Handbuch zur Verwaltungsreform. Opladen. S. 29. Zitiert bei Wohlfahrt, N. (2001): Bezugspunkte und normative Voraussetzungen der Verwaltungsreform. In: Boeßenecker, K.-H./Trube, A./Wohlfahrt, N. (Hrsg.): Verwaltungsreform von unten. Lokaler Sozialstaat im Umbruch aus verschiedenen Perspektiven. S. 25 177 Vgl. Wohlfahrt, N. (o.J.): Aktivierender Staat – Vom Welfare- zum Workfare-System. Vortragsmanuskript. (http://www.efh-bochum.de/homepages/wohlfahrt/pdf/voltairevortrag.pdf, Stand: 06.06.2007) 178 Vgl. Buestrich, M. (2006): Aktivierung, Arbeitsmarktchancen und (Arbeits-)Moral. Arbeitsmarktpolitik zwischen „Sozial ist, was Arbeit schafft“ und „Du bist Deutschland“. In: Neue Praxis. Nr. 4/2006, S. 435. Sowie Wohlfahrt, N. (2001): a.a.O., S. 26

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Diese Neuprogrammierungen zeigen sich in einer Vielzahl sozialpolitischer und sozialpädagogischer Maßnahmen zur Mobilisierung bürger- oder zivilgesellschaftlicher Strukturen wie etwa in Programmen zur Mobilisierung bürgerschaftlichen Engagements, Ehrenamt und Freiwilligentätigkeiten, aber auch im Bereich von Präventionsprogrammen (Kriminalität: „Wer sich konform verhält, kann verhindern, dass er Gegenstand einer Rasterfahndung wird.“ Sowie Gesundheit: „Wer nicht raucht und Sport macht, bekommt bestimmte Leistungen billiger.“). Auch im Umgang mit Fragen der Nutzung von öffentlichem Raum oder bei Stadtentwicklungsprogrammen wie „Soziale Stadt“ wird auf die Aktivierung brachliegender Ressourcen in sozialen Brennpunkten abgezielt.179 Besonders rasant sind die paradigmatischen Entwicklungen jedoch im Bereich der Sozialversicherungssysteme und der Arbeitsförderung. Dazu führt die Hartz-Kommission aus: „Eigenaktivität auslösen – Sicherheit einlösen. Die Arbeitsförderungspolitik wird im Sinne einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik umgebaut. Im Zentrum steht die Integrationsleistung der Arbeitslosen, die durch das Dienstleistungs- und Förderangebot der Arbeitsförderung abgesichert wird.“180 Dies setzt ein Verständnis einer gleichberechtigten Tauschbeziehung voraus, d.h. dass die Tauschpositionen gleichrangig sind und die Beziehung auf Freiwilligkeit beruht. Hiervon kann in der Beziehung zwischen Staat und Hilfebedürftigem nicht ausgegangen werden.181 Dies gilt auch für die Beziehung von Anbieter und Nachfrager auf dem Arbeitsmarkt. Der „permanente ökonomische Angebotszwang“ stellt eine Schwächung des Anbieters in dem Fall des Arbeitsuchenden dar, weshalb die Beziehung von Arbeitsuchendem und Arbeitgeber ein strukturelles Machtungleichgewicht beinhaltet, weshalb dieses Verhältnis durch Gesetze besonders geschützt ist. 182 Der Arbeitszwang der Zumutbarkeitsregeln gem. § 10 SGB II schwächt somit die Anbieterposition zusätzlich, was zum Abbau von Arbeitsstandards und Lohnstandards führt. Es kann hier nicht von einer regulären Tauschbeziehung gesprochen werden. Normatives Leitbild dieser finanzpolitisch gefärbten Sozialstaatsauffassung ist die Beschäftigungsfähigkeit, der „employability“, die der „selbstverantwortliche Arbeitsbürger“ als sein eigener „Arbeitskraftunternehmer“ auftragsgemäß an sich herzustellen hat.183 Ihrem Primat haben sich alle anderen Ziele zu unterwerfen.

179 Vgl. Kessl, F./Otto, H.-U. (2003): Aktivierende Soziale Arbeit. Anmerkungen zur neosozialen Programmierung Sozialer Arbeit. In: Dahme, H.-J./Otto, H.-U./Trube, A./Wohlfahrt, N. (Hrsg.):a.a.O., S. 59 180 Hartz-Kommission (2002): Bericht der Hartz-Kommission, Berlin. Zitiert bei Buestrich, M. (2006):a.a.O., S. 436 181 Ausdruck der „erzwungenen Freiwilligkeit“ ist auch der bereits erläuterte Kontrahierungszwang der Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II. 182 Vgl. Buestrich, M. (2006): a.a.O., S. 437 sowie Maaser, W. (2003): Normative Diskurse der Wohlfahrtspolitik. In: Dahme, H.-J./Otto, H.-U./Trube, A./Wohlfahrt, N. (Hrsg.):a.a.O., S. 21f. 183 Voß, G./Pongratz, H.J. (2003): Arbeitskraftunternehmer. Erwerbsorientierte in entgrenzten Arbeitsformen. Berlin. Zitiert bei Buestrich, M. (2006): a.a.O., S. 436

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Buestrich kritisiert des Weiteren die Logik der so genannten „Ich-AGs“ als realitätsfern. Allein mit dem bloßen Willen könne man nicht zum Unternehmer werden; dies sei nur mit der notwendigen finanziellen Kapitalausstattung machbar, über die Arbeitslose in der Regel nicht verfügen. Weiterbildungsangebote und Qualifizierung, die SGB III und II zur Herstellung und Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit auch zwangsweise anordnen können, sieht er als „hinreichende Bedingung für Beschäftigung“ immer zum Nachteil der Mitkonkurrenten auf dem Arbeitsmarkt. Damit negiert er nicht die sinnvolle individuelle Fortbildungsstrategie des Einzelnen, sondern kritisiert dieses Instrument im Zusammenhang mit der Erwartung nach Senkung der Arbeitslosigkeit.184 Bei der Betrachtung der Instrumente der Arbeitsförderung und ihrer Ziele wird deutlich, dass der Arbeitsmarkt verstanden wird als „eine der Arbeitsförderung vorausgesetzte autonome Sphäre, deren rechtliche Rahmenbedingungen zwar politisch bestimmt sind, in deren Schranken aber das „freie Spiel der Kräfte von Arbeit und Kapital“ wirken soll“.185 Unmissverständlich wird in den Konzepten verdeutlicht, dass die Eigenverantwortung mit einer verstärkten Bedürftigkeitsprüfung verbunden ist. Die bedingungslose Unterstützung wird abgeschafft, das „Recht auf Faulheit“ abgesprochen und die Arbeitslosen für ihr „Scheitern“ haftbar gemacht. „Es geht darum, steuerfinanzierte Sozialleistungen auf die wirklich Bedürftigen zu konzentrieren und ihre Wirksamkeit zu verbessern. Diejenigen, die sich in staatlicher Unterstützung eingerichtet haben, ohne wirklich bedürftig zu sein, werden sich neu orientieren müssen.“186 Die Notwendigkeit des bisher erreichten Standes institutionalisierter gesellschaftlicher Teilhabe durch Sozialversicherungsleistungen wird öffentlich in Frage gestellt. Durch finanzielle Überforderung der jetzigen Strukturen des Sozialstaates droht eine Aushöhlung des Sozialstaatsprinzips, in dem die sozialen

184 Buestrich, M. (2006): a.a.O., S. 439 185 Ebd., S. 441 und 435 186 Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2004): Hartz IV – Menschen in Arbeit bringen. Berlin, S. 11 sowie die umstrittenen Ausführungen Wolfgang Clements: „Die Hemmschwelle für Sozialbetrug ist offensichtlich bei Einigen gesunken, seitdem die Arbeitsverwaltung Sozialleistungen auszahlt und nicht mehr das Sozialamt. Arbeitsvermittler liefern drastische Beispiele dafür, dass manche, die sich arbeitslos melden, tatsächlich gar keine Vermittlung in den Arbeitsmarkt anstreben und Sozialleistungen zu erschleichen versuchen. Unter Zuhilfenahme von Schlupflöchern und geschickten Interpretationen von Bestimmungen versuchen wiederum Andere, an öffentliche Leistungen auf eine Weise zu kommen, die den Geist der Reformgesetze auf den Kopf stellt.“ Folgendes Praxisbeispiel verdeutlicht den Tenor des Berichts: „Kaum eine fadenscheinige Angabe oder Ausrede, die Mitarbeiter der Arbeitsagenturen und Sozialämter noch nicht gehört hätten! „Manche halten uns für total blöd“, berichten Prüferinnen einer ARGE. „Die Kuhle im Ehebett stammt angeblich von der Nachbarin, die am Vorabend zum Bibellesen da war.“ Clement geht noch weiter: „Biologen verwenden für „Organismen, die zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer Lebewesen – ihren Wirten – leben“, übereinstimmend die Bezeichnung „Parasiten“. Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2005): „Vorrang für die Anständigen – Gegen Missbrauch, Abzocke und Selbstbedienung im Sozialstaat“ Ein Report vom Arbeitsmarkt im Sommer 2005. S. 2f.

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Rechte aller Gesellschaftsmitglieder durch eine geänderte Begriffsbestimmung eingeschränkt werden. Durch die stufenweise Umlagerung der Sozialversiche-rungsleistungen vom Staat auf Privatpersonen wird die Absicherung von Lebensrisiken auf den Einzelnen verlagert, quasi privatisiert. Dies trifft im Besonderen die Gruppe der Langzeitarbeitslosen. Kieselbach beschäftigt sich in seinen Ausführungen ausführlich mit den Gründen von individueller Schuldzuweisung durch die Gesellschaft: wenn im gesellschaftlichen Diskurs über Arbeitslosigkeit Mechanismen der individuellen Schuldzuweisung vorherrschen („Blame the victim“), wird auch dem einzelnen Arbeitslosen eine ständige Bereitschaft abverlangt, sich dahingehend zu legitimieren, dass er nicht zu jenen Gruppen von Arbeitslosen gehört, denen unterstellt wird, ihre Situation selbst verschuldet zu haben.187 Diese individualisierenden Schuldzuweisungen bestehen bspw. darin, dass Arbeitslosen „Arbeitsunwilligkeit“, „zu geringe oder falsche Qualifikationen“ sowie „zu hohe Ansprüche“ an einen Arbeitsplatz oder „bewusster Missbrauch“ staatlicher Leistungen zugeschrieben werden.188 Die Paternalisierung und Pädagogisierung manifestiert sich in den Inhalten von Trainingsmaßnahmen und Eignungsfeststellungen (§§48-52 SGB III), deren erklärtes Ziel der Test von Arbeitsfähigkeit und Arbeitsbereitschaft ist. Die Vermittlung von Botschaften wie „„kleide Dich für den Erfolg“ oder „sei pünktlich“ zielt ab auf die Einstellungs- und Verhaltensänderung der Leistungsempfänger, die hier als eigentlicher Grund für Unterbeschäftigung unterstellt werden.“189 Flankiert wird der Aktivierungskurs von Leistungsabbau wie die Kürzung der Grundsicherung und Kürzungen der Leistungen der aktiven Arbeitsförderung.190 Auch wird hier immer wieder das zu niedrige Lohnabstandsgebot ermahnt, also zur Wahrung des Abstandes zwischen

187 In der Bevölkerung hat sich laut einer Befragung des Allensbacher Instituts der Eindruck verfestigt, den die Mehrheit lange schon vor Hartz IV hatte: "Es gibt unter denen, die arbeitslos sind, viele, die nicht arbeiten wollen". In Westdeutschland sind davon 61 Prozent der Bevölkerung überzeugt. In Ostdeutschland überwiegt im Moment noch das Gefühl, dass Arbeitsunlust bei Arbeitslosen nur im Einzelfall vorkommt (48 Prozent). Aber der negative Eindruck ist auch im Osten inzwischen stärker als vor vier Jahren. Damals zweifelten nur 34 Prozent der Ostdeutschen am Arbeitswillen vieler Arbeitsloser, jetzt 41 Prozent. Vgl. Institut für Demoskopie Allensbach (Hrsg.) (2007): Arbeitsunlust bei Arbeitslosen? In: Allensbacher Berichte 03/2007 S. 1 (http://www.ifd-allensbach.de/pdf/prd_0703.pdf, Stand 06.06.2007) 188 Kieselbach, T. (1994): a.a.O., S. 236 Mit einer umfangreichen wissenschaftlichen Analyse der Pressestimmen zeigt Uske die Stimmung gegen Arbeitslose dieser Zeit. Vgl. Uske, H. (1995): Das Fest der Faulenzer. Die öffentliche Entsorgung der Arbeitslosigkeit. Duisburg 189 Trube, A./Wohlfahrt N. (2001): Der aktivierende Sozialstaat: Konzept und Konsequenzen einer veränderten Sozialpolitik. In: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins, 81 Jg. Heft 3, S. 84 190 Die Bertelsmann-Stiftung ist gar für die Halbierung der Sozialhilfe, um „Fehlanreize“ zu vermeiden. Auch Ministerpräsident Roland Koch u.a. treten für die Senkung der Leistungen zugunsten eines Niedriglohnsektors. Vgl. Witte, K. (2002): Reform der sozialen Sicherung. Halbierung der Sozialabgaben keine politische Utopie. Hintergrundpapier der „Initiative neue soziale Marktwirtschaft“ der Bertelsmann-Stiftung. S. 4 (http://www.bertelsmann-stiftung.de/bst/de/media/xcms_bst_dms_17338_17339_2.pdf, Stand 06.06.2007)

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Sozialleistungen und den niedrigsten Vergleichslöhnen gem. § 28 Abs. 4 SGB XII.191 Anknüpfend an diese veränderte Logik öffentlicher Unterstützung und Versorgung von Arbeitslosen findet die Veränderung der Handlungslogiken innerhalb der Arbeit mit Langzeitarbeitslosen in der Sozialen Arbeit statt. Die Stärkung des Nachrangigkeitsprinzips finanzieller Hilfen stellt dabei einen zentralen Ausgangspunkt dar. Die strukturelle Arbeitslosigkeit selbst erfordert jedoch eine sehr viel weitreichendere Lösungsperspektive. Laut Kronauer und Vogel wird es notwendig sein, über eine grundlegende Neugestaltung von Erwerbsarbeit nachzudenken, die den sozialen Spaltungen zuwiderläuft, um auf diese Weise eine gesellschaftliche Neuverteilung der Arbeit erst zu ermöglichen.192 Wie bei allen großen Problemen, denen sich gegenwärtig diese Gesellschaft gegenüber sieht, reichen Maßnahmen wie die des aktivierenden Sozialstaates nicht aus, sondern sind alternative Lösungskonzepte gefordert, auch wenn sie tradierte Gewohnheiten und Besitzstände in Frage stellen.

3.3 Zusammenfassung Die Soziale Arbeit befindet sich durch Deregulierung, Ökonomisierung und Privatisierung im Umbruch. Dieser Umbruch geschieht in einer Situation, in der auf der einen Seite Staatsausgaben für soziale Tätigkeiten reduziert werden und sowohl öffentliche Dienstleistungen als auch soziale Einrichtungen privatisiert werden. Gleichzeitig wachsen Armut und Unterversorgung, der Hilfebedarf steigt und damit wachsen Aufgaben und Herausforderungen an die Soziale Arbeit. Unter den Trägern Sozialer Arbeit sind eine zunehmende Konkurrenz um staatliche Zuschüsse und ein verstärkter Legitimationsdruck die Folge. Diesem wird mit der Übernahme betriebswirtschaftlicher Instrumente aus der Wirtschaft und damit einer Ökonomisierung Sozialer Arbeit begegnet. Leistungsabbau und eine Senkung der Qualität sind allerdings als Folgen dieser Entwicklung zu konstatieren (3.1). Historisch war die Erwerbslosenfürsorge bis in die 60er Jahre mit dem Zwang zur Arbeit verbunden. Durch den subjektiven Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt und einer „aktiven Arbeitsmarktpolitik“ kam es hier zu einer Wende. Gleichzeitig entstand im Rahmen der Professionalisierungsdebatte Sozialer Arbeit eine starke Strömung zur „kritischen Sozialarbeit“, die sich als

191 Buestrich, M. (2006): a.a.O., S. 443 192 Vgl. Kronauer, M./Vogel, B. (1993): Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit heute: Zwischen Chance auf Zeit und sozialer Ausgrenzung. In: Mitteilungen des soziologischen Forschungsinstitutes der Universität Göttingen Nr. 20/Januar 1993, S. 13 (http://www.sofi-goettingen.de/fileadmin/SOFI-Mitteilungen/nr._20/kronauer.pdf, Stand 15.03.2007)

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staatlich weitgehend unabhängig verstand. Seit dem Ende der 70er Jahre begann mit der Entstehung des zweiten Arbeitsmarktes und der Orientierung auf die individuellen Vermittlungschancen ein roll-back, dem Teile der sozialarbeiterisch Tätigen im Rahmen von Arbeitslosenprojekten eine Strategie der politischen Einmischung entgegensetzten (3.2.1). Nach der Entstehung des SGB III im Jahr 1998 und besonders nach Einführung der Reformen für „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ im Jahr 2005 wurden die Zumutbarkeitsregelungen verschärft, die Hilfeleistung an die Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt gekoppelt und somit der Druck auf Arbeitslose verschärft. Die Soziale Arbeit versteht sich in diesem Szenario zunehmend als personenbezogene Dienstleistung im Sinne einer pädagogisierten Begleitung mit dem Ziel der Integration in den ersten Arbeitsmarkt (3.2.2). Die derzeit zur Verfügung stehenden Instrumente der Sozialen Arbeit mit Langzeitarbeitslosen verengen zudem die Interventionsmöglichkeiten. War die Betreuung zuvor ganzheitlicher und bezog neben den Vermittlungsbemühungen die psychischen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit, rechtliche Fragen, Fragen der politischen Bildung und politischen Intervention mit ein, verengen sich die Möglichkeiten im Rahmen der Begleitung der Langzeitarbeitslosen als Maßnahmeteilnehmer auf das „Case Management“. Darüber hinaus gehende Instrumente wie Profiling, Trainingsmaßnahmen, Beratung zur Selbständigkeit, Berufsvorbereitung und Rehabilitierungsmaßnahmen sind ebenfalls nur auf die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet. Verbunden mit den Auswirkungen der Ökonomisierung Sozialer Arbeit und der gängigen Förderung durch „Fallpauschalen“ ist hier eine Entfernung von einer unabhängigen und bedürfnisorientierten Ausrichtung Sozialer Arbeit feststellbar. Des Weiteren sind die Instrumente nicht als eine strategische Lösung der in Kapitel 2 festgestellten Krise der Lohnarbeit und der Arbeitsgesellschaft zu erkennen (3.2.3.). Der anhaltende Diskurs über die Prinzipien des „aktivierenden Sozialstaates“ ist Teil eines Krisenmanagements zum Ziel der Kostensenkung. Appelle an die Eigenverantwortung oder das Propagieren des Gegenseitigkeitsprinzips gehen einher mit verschärften Bedürftigkeitsprüfungen, Leistungsabbau und Sanktionen. Dieser Diskurs verändert im Verbund mit den strukturellen Neuerungen die Handlungslogiken der Sozialen Arbeit, welche im nächsten Kapitel bearbeitet werden. Ansätze eines Eingeständnisses der Krise der Lohnarbeitsgesellschaft und Ideen zur Neugestaltung und Neuverteilung der gesellschaftlichen Arbeit sind nicht zu finden (3.2.4.).

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4. Auswirkungen der Krise der Lohnarbeit auf die Akteure der Sozialen Arbeit Nach einem historischen Rückblick, einer Skizze der Hartz-Gesetze sowie der Konzeption des aktivierenden Staates soll nun die Folgerung für die Akteure Sozialer Arbeit thematisiert werden. Da die dargestellten Entwicklungen und die gesetzlichen Veränderungen sehr vielschichtig sind, können im Folgenden nur ausgewählte Auswirkungen herausgegriffen und diskutiert werden, die aus berufs- und sozialarbeiterischer Sicht besonders zur kritischen Auseinandersetzung anregen. Die ausgewählten Beispiele beruhen vielfach auf den eigenen Praxiserfahrungen.

4.1 Auswirkungen auf die Professionalität der Sozialen Arbeit

Der Gegenstand Sozialer Arbeit193 ist bis heute nicht eindeutig definiert. Einigkeit besteht aber darüber, dass sie neben den traditionellen Aufgaben der Bearbeitung der Folgeprobleme von sozioökonomisch prekären Lebenslagen und Fragen in Zusammenhang mit abweichendem Verhalten auch die Bearbeitung von Problemen durch Krankheit zum Gegenstand hat.194 Soziale Arbeit reagiert damit auf drei wesentliche Tatbestände. Sie reagiert auf die „vielschichtiger werdenden Herausforderungen des Aufwachsens jenseits von Schule und Familie, auf soziale Probleme, alte und neue soziale Ungleichheiten und die damit zusammenhängenden Fragen der sozialen Integration und auf die sozialen Risiken der individuellen Lebensführung und der alltäglichen Lebensbewältigung.“195 „Soziale Arbeit steht in einer Wechselbeziehung von aktivem Einfluss auf, und Beeinflussung durch Politik, Gesellschaft und Lebenswelt“, heißt es im Grundsatzprogramm des DBSH.196 Soziale Arbeit steht im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Interessen und den Interessen von einzelnen Menschen und Gruppen. Um diesen Bereich und seine Umgangsweise auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu bewerten, entwickelte der Berufsverband der Sozialarbeiter 1997 auf der Grundlage international gültiger Prinzipien die 193 Auf die Darstellung der fachlichen Diskussion über die begriffliche Zusammenfassung von Sozialarbeit und Sozialpädagogik zu „Sozialer Arbeit“ wird hier bewusst verzichtet. 194 Vgl. Rauschenbach, T./Züchner, I. (2002): Sozialarbeit/Sozialpädagogik. In: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.) : Fachlexikon der Sozialen Arbeit. Frankfurt a.M., S. 844 195 Vgl. ebd., S. 844 196 Vgl. Deutscher Berufsverband für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Heilpädagogik e.V. (1997): Grundsatzprogramm und Berufsethische Prinzipien des DBSH. Essen (http://www.dbsh.de, Stand 25.05.2007)

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„berufsethischen Prinzipien des DBSH“. Sie begründen die Soziale Arbeit auf universelle Werte, wie sie etwa in dem Katalog der Menschenrechte, in Persönlichkeitsrechten und dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes zum Ausdruck kommen. Sie sind als Richtschnur bzw. Grundlage zur Beschreibung professioneller Sozialer Arbeit über die jeweiligen Arbeits- und Berufsfelder hinaus gedacht.197 Im Kern ist soziale Arbeit eine Form der direkten oder indirekten personenbezogenen Dienstleistung, die im besten Fall unter Einbezug des Hilfesuchenden zu einer Verbesserung der Lebenssituation führt. Dieses Ziel versucht sie mit unterschiedlichen Methoden zu erreichen. Neben den Methoden wie Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit wurde aus der Kritik an diesem Kanon in den 70er Jahren eine Methodenvielfalt entwickelt, die hier nicht erschöpfend dargestellt werden kann.198 Handlungsfelder der Sozialen Arbeit ergeben sich über die Definition von sozialen Problemen, eine einheitliche Bestimmung sozialer Probleme existiert nicht. In den verschiedenen Konkretisierungen wird Arbeitslosigkeit häufig direkt oder indirekt als ein soziales Problem benannt.199 Hier wird der Sozialen Arbeit die Funktion der Wiederherstellung von integrations- und funktionsfähigen Individuen im Familien-, Wirtschafts- und Rechtssystem zugeschrieben.200 Veränderungen sollen geschaffen werden für die konkreten sozialen, individuellen, strukturellen und gesellschaftlichen Probleme. Eine positive Entwicklung der Lebenssituation und der Lebensbedingungen ist das Ziel. Galuske beschreibt ihre Rolle wie folgt: „Die Soziale Arbeit unterstützt die soziale Integration der Individuen durch die Repräsentation von Normalitätsmustern und Normen in den lebensweltlichen Zusammenhängen der Subjekte. Dies geschieht durch die Unterstützung der alltäglichen Erziehungsarbeit in der Familie, aber auch dort, wo sie auf die sozialen und psychischen Folgekosten der kapitalistischen Lebensweise, ihre zyklischen individuellen und sozialen Bedarfslagen und Krisen reagiert (z.B. Kinderbetreuung, Übergänge zwischen Altersphasen, Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Drogenabhängigkeit).“201 Insgesamt zeichnet sich die Profession Sozialer Arbeit jedoch „durch zielorientierte und ergebnisorientierte Leistungen auf der Grundlage von ethischen Grundhaltungen und Prinzipien aus. Ziel der Tätigkeit von 197 Vgl. ebd. 198 Unterschieden werden können hier direkt (z.B. Einzelfallhilfe, Beratung, Streetwork) und indirekt interventionsbezogene Methoden (wie Supervision, Evaluation) unterschieden werden von struktur- und organisationsbezogenen Methoden (wie Sozialmanagement und Jugendhilfeplanung). Vgl. Rauschenbach, T./Züchner, I. (2002): a.a.O., S. 844 199 Vgl. Stimmer, F. (20002): Lexikon der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit. 4. Auflage, München, S. 645 oder Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (1997): Fachlexikon der Sozialen Arbeit, a. Auflage, Frankfurt a.M., S. 854 200 Vgl. Staub-Bernasconi, S. (2002): Soziale Arbeit und Soziale Probleme. In: Thole, W. (Hrsg.): Grundriss Sozialer Arbeit. Opladen, S. 254 201 Galuske, M. (2002): Flexible Sozialpädagogik. Elemente einer Theorie Sozialer Arbeit in der modernen Arbeitsgesellschaft. München/Weinheim, S. 134

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professionellen Fachkräften ist (...) ein optimales Erbringen der Leistung unter Berücksichtigung von berufsethischen Werten, fachlich-professionellen Ansprüchen (abgeleitet aus den Handlungstheorien der Sozialen Arbeit) und den Ansprüchen von KlientInnen, Kostenträgern und Politik.“.202 Fachlichkeit äußert sich auf unterschiedlichen Handlungsebenen, auf denen der Einbezug unterschiedlicher Methoden und Ansätze möglich ist. Berufsethische Prinzipien dienen dabei als Wertmaßstäbe und Orientierung in den oft äußerst komplexen Zusammenhängen einer sozialen Unternehmung. Kritik gibt es weiterhin an der mangelnden Wissenschaftlichkeit Sozialer Arbeit und an der mangelnden Überprüfbarkeit ihrer Leistungen, da die konzeptionell-theoretische Entwicklung von Ansätzen eher durch Theorieimport aus anderen Disziplinen wie der Psychologie und der Soziologie stattfindet (Stichwort Semi-Profession).203 Aufgrund dessen handelt es sich bei der Sozialen Arbeit um ein Feld, was nicht abschließend definiert ist und welches immer wieder für Diskussionen bezüglich seiner Ausrichtung sorgt.204 Um den Anforderungen, welche in Kapitel 2 dargestellt wurden, gerecht zu werden, hat die Soziale Arbeit seit den 90er Jahren begonnen, die Methoden und Instrumente des Managements in ihre Methoden aufzunehmen.205 Dazu gehören nicht nur „Organisationsentwicklung“ und „Qualitätsmanagement“, sondern auch „Unternehmensleitbilder“ im Rahmen von Marketing, „betriebswirtschaftliches Controlling“ und der Begriff der „sozialen Dienstleistung“. Vertreter des Dienstleistungsverständnisses in der Sozialen Arbeit wie Wendt und Flösser sehen darin einen entscheidenden Schritt zur Professionalisierung Sozialer Arbeit. Kritiker sehen darin allerdings die unreflektierte Annektierung des Sozialen durch das Management. Sie fordern im Rahmen der Professionalisie-rungsdebatte eine reflektierte Übernahme der Methoden und eine wissenschaftliche Evaluierung im Rahmen der Methodenlehre der Sozialen Arbeit.

202 Vgl. Auszug aus den Qualitätskriterien des Berufsverbandes (http://www.dbsh.de, Stand 26.02.2006) 203 Vgl. Rauschenbach, T./Züchner, I.: a.a.O., S. 845 Die Professionalisierung Sozialer Arbeit ist eine umstrittene Frage, so dass nicht ohne Vorbehalte von Sozialer Arbeit als professionalisiertem System Sozialer Hilfe gesprochen werden kann. Obwohl ein enormer Akademisierungs- und Verberuflichungsschub zu verzeichnen ist, ist je nach theoretischer Position und Begriff umstritten, ob Soziale Arbeit aufgrund ihrer Konstitutionsbedingungen überhaupt als Profession bezeichnet werden kann. Galuske führt hier die kontroverse Debatte der 70er Jahre an, ob Soziale Arbeit tatsächlich eine Profession oder bloß auf dem Weg dahin sei. Oder ob sie aufgrund fehlender Autonomie für immer den Status einer Semi-Profession behalten werde. Vgl. Galuske, M. (2002): a.a.O., S. 117. Auch stellt sich die zugegebenermaßen radikale Frage, ob die Professionalisierung im Sinne der Verberuflichung und Institutionalisierung überhaupt wünschenswert ist, da sie viele Nachteile bezüglich der Beziehung zwischen Klient und Sozialer Arbeit hat. 204 Exemplarisch seien hier die Fragen genannt, ob Soziale Arbeit lebensweltorientiert, ressourcenorientiert oder bedürfnisorientiert ist oder ob sie ein politisches Mandat hat. 205 Vgl. Schubert, H. (2001): Sozialmanagement. Zwischen Wirtschaftlichkeit und fachlichen Zielen. Opladen, S. 143 f.

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Haupert etwa sieht im sozialen Dienstleistungsbegriff für den Kunden die Gefahr, „dass die disziplinäre und professionelle Eigenständigkeit Sozialer Arbeit auf der Strecke bleibt und das Proprium Sozialer Arbeit, das `Soziale´ und die `Hilfe´ aufgezehrt wird, da nun die Richtung der Argumentation von einem ökonomisch inspirierten Denken diktiert wird.“206 Kritisch sieht er nicht die Anwendung von Managementstrategien, sondern die Übernahme „ökonomischer Denkprinzipien in die Theoriebildung Sozialer Arbeit.“.207 Finis Siegler hingegen sieht in der Ökonomisierung Sozialer Arbeit eine Aufforderung zur Auseinandersetzung mit den Zielen und der Wirksamkeit Sozialer Arbeit, in der zu klären ist, inwiefern die Soziale Arbeit an den Bedürfnissen ihrer Nutzer ausgerichtet ist. Innerhalb der Theorien der Sozialen Arbeit entwickelte Staub-Bernasconi eine allgemeine Handlungstheorie, die hier weiterhelfen kann. Sie sieht Probleme als mangelnde Befriedigung der Grundbedürfnisse des Menschen. Grundlage des Handelns ist die soziale Ungerechtigkeit durch asymmetrische Beziehungen zwischen Menschen (sei es als Individuen, Gruppen oder Organisationen), welche sie durch verschiedene Ebenen (wie etwa Ausstattung, Macht und Kriterien) und verschiedene Dimensionen (körperliche, sozioökonomische und -ökologische Ausstattung, Ausstattung mit Erkenntnis- und Handlungskompetenzen, mit Bedeutungswissen und mit sozialen Beziehungen und Mitgliedschaften) kennzeichnet. Soziale Arbeit versteht Staub-Bernasconi als Menschenrechtsprofession, eine mit Status und Ansehen verbundene Berufsposition. Sie betrachtet ihren Arbeitsauftrag nicht in erster Linie als ausführendes Instrument staatlicher Sozialpolitik, sondern als Problemlösungsinstanz für die nicht beachteten Menschenrechte benachteiligter Menschen.208 Soziale Arbeit kann ihr eigenes Mandat direkt von den Bedürfnissen im Sinne der Menschenrechte ableiten und ist nicht auf den staatlichen Auftrag angewiesen – der durchaus konträr dazu verlaufen kann. Mithilfe der Berufsauffassung als Menschenrechtsprofession ist es möglich, die Probleme sozialer Ausgrenzung infolge von Arbeitslosigkeit als Interaktionsprobleme zwischen Menschen zu beschreiben, zu erfassen und zu analysieren. Auf dieser Basis können, nach klären der Ressourcenlage, geeignete Interventionen eingeleitet werden. Weiterhin wird eine so verstandene Berufsgestaltung Sozialer Arbeit sich aktiv an der Erforschung ungerechter Ausgrenzungsstrukturen und –

206 Haupert, B. (2000): Wider die neoliberale Invasion der Sozialen Arbeit. In: Neue Praxis. Heft 6. S. 546 207 Haupert, B. (2000): a.a.O., S. 547 208 Vgl. Staub-Bernasconi, S. (1997b): Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession. In: Hochstrasser, F. u.a. (Hrsg.): Die Fachhochschule für Soziale Arbeit. Bern, Stuttgart, Wien, S. 315-340. Sowie Staub-Bernasconi, S. (1995): Das fachliche Selbstverständnis Sozialer Arbeit – Wege aus der Bescheidenheit. Soziale Arbeit als „Human Rights Profession“. In. Wendt, R.W. (Hrsg.): Soziale Arbeit im Wandel ihres Selbstverständnisses. Freibrug i.Br., S. 57-104

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prozessen beteiligen und sich in die sozialpolitische Debatte auf allen Ebenen der Gesellschaft einmischen und ihr politisches Mandat wahrnehmen.209 Betrachtet man die Umbrüche bzw. Veränderungen im Hinblick auf die Ökonomisierung Sozialer Arbeit genauer, stellt Schaarschuch fest: „Im Kern der Veränderungen Sozialer Arbeit steht dabei die „Flexibilisierung von Akkumulation, Regulation und Reproduktion“ .210 Schaarschuchs Resümee klingt auch nach mehr als 15 Jahren nach Erscheinen noch höchst aktuell: „Insgesamt geht es in dieser nachfordistischen Regulationsweise in der Bundesrepublik um eine Deregulierung arbeitspolitischer Strukturen im Produktionsbereich, um eine Re-Privatisierung der Kosten und Risiken, eine ´Effektivierung` sozialer Dienstleistungen und deren Spezialisierung, Ambulantisierung, Familialisierung, sowie die Regulation und Bearbeitung der für die Flexibilität der nachfordistischen Akkumulationsweise funktional notwendigen Reservearmee und der dauerhaft aus dem Produktionsprozess Ausgegrenzten: d.h. es ist nicht mehr das Ziel der Regulation ein ganz bestimmtes Normalitätskonzept durchzusetzen, sondern der Sozialpolitik kommt die umfassendere Aufgabe der Regulation einer gespaltenen Gesellschaft zu.“.211 Die gesellschaftliche Funktion Sozialer Arbeit bestünde demnach in einem flexiblen Management von Integration und Desintegration, von biographischen Brüchen und Diskontinuitäten unter den Imperativen einer radikalisierten Marktgesellschaft. Während Schaarschuch auf der Basis politökonomischer Gesellschaftsanalysen und Gegenwartsdiagnosen argumentiert, stellen Bommes/Scherr sowie Scherr vor diesem Hintergrund eines systemtheoretischen Zugangs ebenfalls die These auf, dass sich unter den Bedingungen gesellschaftlicher Modernisierung eine Funktionsverlagerung der Sozialen Arbeit vollzieht.212 Moderne Gesellschaften sind in systemtheoretischer Lesart durch eine fortschreitende funktionale Differenzierung gekennzeichnet, die im Vergleich zu vormodernen Gesellschaften ein „Management“ der Inklusion und Exklusion in unterschiedlichen gesellschaftlichen Teilsystemen notwendig macht. Wohlfahrtsstaaten nehmen in diesem Kontext eine zentrale Rolle ein, sie „moderieren die Inklusionsbedingungen von Teilsystemen“. Vor diesem Hintergrund definieren Bommes/Scherr die Funktion Sozialer Arbeit als

209 Vgl. Staub-Bernasconi, S. (2005): Ausgrenzung, Armut und Erwerbslosigkeit – und die Soziale Arbeit? (http://www.deutsche-gesellschaft-fuer-sozialarbeit.de/pdf/tag_b.pdf, Stand 12.07.2007) 210 Vgl. Schaarschuch, A. (1990): Zwischen Regulation und Reproduktion. Gesellschaftliche Modernisierung und die Perspektiven Sozialer Arbeit. Bielefeld, S. 68. Zitiert bei: Galuske, M. (2004): a.a.O., S. 64 211 Ebd. 212 Vgl. Bommes, M./Scherr, A. (2000): Soziologie der Sozialen Arbeit. Weinheim, München. Sowie Scherr, A. (1999): Inklusion/Exklusion – Soziale Ausgrenzung. Verändert sich die gesellschaftliche Funktion der Sozialen Arbeit?? In: Treptow, R./Hörster, R. (Hrsg.): Sozialpädagogische Integration. Weinheim, München. Zitiert bei: Galuske, M. (2004): a.a.O., S. 65

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„Vermeidung drohender und die Bearbeitung vollzogener Exklusionen“. Soziale Arbeit als „Zweitsicherung im Wohlfahrtsstaat“ konkretisiert sich in Form der a) Exklusionsvermeidung b) Inklusionsvermittlung c) Exklusionsbetreuung/-verwaltung.213 Bei Fortführung der jetzigen Politik der flexiblen Arbeitsgesellschaft besteht die Gefahr, dass sich hinter der auch weiterhin beständigen Programmatik der Integrationshilfe weite Teile der sozialpädagogischen Infrastruktur zu mehr oder minder komfortablen „Wartehallen vor den Toren der Arbeitsgesellschaften„ entwickeln. Auch der Publizist Martin Kempe beschreibt die bundesdeutsche Arbeitsmarktpolitik ebenfalls als rein reaktives Handeln auf wirtschaftliche Zusammenhänge und warnt vor einer Arbeitsmarktpolitik, die überwiegend verstanden wird als „nachträgliche Sozialreparatur des Wirtschaftsprozesses“.214 D.h. die Vorstellung, dass Soziale Arbeit Menschen „in die Gesellschaft“ integrieren“ soll, ist zunächst eine logische Beschreibung ihres Auftrages.215 Auch moralisch ist es richtig, sich um den Zugang zur Gesellschaft in Bezug auf die Befriedigung der primären Bedürfnisse für Hilfesuchende zu kümmern. Soziale Teilhabe soll gesichert werden, damit Exklusion216 verhindert wird.217 Der Begriff der Integration bleibt jedoch problematisch, da er offen lässt, in welches gesellschaftliche Normverhältnis die Adressaten Sozialer Arbeit integriert werden sollen. Was ist das Wert- und Normbild der Sozialen Arbeit und ihrer Auftraggeber, das zum Maßstab gemacht wird? In einer pluralistischen Gesellschaft, in der unterschiedliche Lebensstile und Interessen vorhanden sind, sollte Soziale Arbeit sich deshalb vor allem für einen offenen Aushandlungspro-zess einsetzen. Die klassische Sozialarbeit bezieht sich noch auf Werte, die wesentlich mit den „bürgerlichen Arbeitstugenden“ zusammenhängen. Sich darauf zu berufen fällt bei der dargestellten Arbeitsmarktsituation allerdings schwer.218 Mit zunehmendem Zerfall übergreifender Deutungssysteme und aufgrund von herrschendem Pluralismus der Lebensformen und -vorstellungen kommt es deshalb zu Unsicherheit, was als gesellschaftlich normale Lebensform gelten

213 Bommes, M./Scherr, A. (2000): a.a.O.. S. 107. Zitiert bei: Galuske, M. (2004): a.a.O., S. 64 214 Kempe, M. (1995): ZukunftsArbeit. Wege aus der sozialen Krise. Frankfurt a.M./Wien, S.55 215 „Soziale Integration wird dabei in der Regel als Anpassung an das Normengefüge und den Lebensstil einer Gesellschaft oder Gruppe verstanden, wobei abweichende Verhaltensweisen und -orientierungen zugunsten einer Assimilation (Angleichung; Übernahme der Verhaltensweise + Verlust jeglichen Gruppenbewusstseins) nach und nach aufgegeben wird.“ Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (1997): Fachlexikon der Sozialen Arbeit. 4. Aufl. Frankfurt a.M., S. 492 f. 216 Über die Begriffe „Inklusion“ und „Exklusion“ gibt es in der Soziologie eine eigene Fachdiskussion, deren Ausführung hier jedoch zu weit führen würde. 217 Vgl. Scherr, A. (2001): Soziale Arbeit als Integrationsarbeit? In: Sozial extra. Nr. 11/12, S. 10-14 218 Oder sollte man sich gerade deshalb auf sie berufen?

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kann.219 Scherr plädiert deshalb dafür, den Leitbegriff der Integration in der Sozialen Arbeit aufgrund seiner Ungenauigkeit und der Tatsache, dass er die Erwartungen der Gesellschaft und nicht die Bedürfnisse der Adressaten in den Vordergrund stellt, aufzugeben. Die Frage lautet also nahe liegender, wie Soziale Arbeit den Zugang zu Teilsystemen der Gesellschaft, etwa zu medizinischer Versorgung oder zu Bildung, also die Inklusion, ermöglichen kann. In diesem Zusammenhang sieht Scherr auch die „Exklusionsvermeidung“ sowie die Bewältigung der Folgen von „Exklusion“ und problematischer „Inklusion“.220 Anzumerken ist auch, dass die Soziale Arbeit sich einer Überforderung aussetzt, da die Erwartungen der Gesellschaft, die an den Begriff der Integration gekoppelt sind, gar nicht geleistet werden kann. Sie läuft Gefahr sich zum Erfüllungsgehil-fen zu machen und ihr eigenes Profil aus den Augen zu verlieren.221 Die gesamte Umgestaltung der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik nach diesen Postulaten hat auch zu einer sozialarbeiterischen Aktivierungsdebatte geführt. Bezieht man diese Auffassungen von der Professionalisierung Sozialer Arbeit nun auf die jüngste Gesetzgebung und die Entwicklungen des aktivierenden Staates, v.a. im Bereich der Arbeit mit Langzeitarbeitslosen, ist festzustellen, dass sich die Profession bisher einer Fachdiskussion über die Folgen weitgehend entzogen hat.222 Kessl und Otto hingegen stellen fest, dass sich bereits eine rasante Umstellung des Handlungsinstrumentariums in Richtung aktivierender Strategien vollzogen hat. Sie sprechen gar von einer „neosozialen Programmierung Sozialer Arbeit“ und meinen damit hauptsächlich die Orientierungslinie: „Subjektive Selbstmobilisierung“ als Voraussetzung öffentlicher Versorgungs- und Unterstützungsleistungen.223 Ein Blick auf die historische Entwicklung zeigt eine lange Tradition aktivierender Handlungsvollzüge in der Sozialen Arbeit. Zu nennen sind hier das Paradigma der „Hilfe zur Selbsthilfe“ sowie das Empowerment-Konzept. Die Propagierung der Aktivierung einzelner Subjekte als Gegenentwurf zur Vergesellschaftung wurde mit der Entstehung und zunehmenden Institutionalisierung von Fürsorge als notwendig erachtet. Klumker etwa stellte im Prozess der Institutionalisierung der Jugendhilfe 1931 fest: „Sobald solche Einrichtungen staatlich betrieben werden 219 Vgl. Japp, K.P. (1985): Kontrollfunktionen in der Sozialarbeit. In: Olk, T./Otto, H.-U. (Hrsg.): Gesellschaftliche Perspektiven der Sozialarbeit 4 – Lokale Sozialpolitik und Selbsthilfe. Neuwied, Darmstadt. S. 95 220 Vgl. Scherr, A. (2001): a.a.O., S. 11 221 Zugehörigkeit, gleich in welchem Kontext, erfordert gegenseitige Anerkennung. Und daran müssen alle Gesellschaftsmitglieder mitwirken. Vgl. Sennett, R. (2000): Wie Arbeit die soziale Zugehörigkeit zerstört. In: Engelmann, J./Wiedemeyer, M. (Hrsg.): Kursbuch Arbeit. Stuttgart, München, S. 125 222 Vgl. Dahme, H.-J./Wohlfahrt, N. (2002): Aktivierender Staat. Ein neues sozialpolitisches Leitbild und seine Konsequenzen für die Soziale Arbeit. In: Neue Praxis, 32. Jg., Heft 1, S. 13 223 Vgl. Kessl, F./Otto, H.-U. (2003): Aktivierende Soziale Arbeit. Anmerkungen zur neosozialen Programmierung Sozialer Arbeit. In: Dahme, H.-J./Otto, H.-U./Trube, A./Wohlfahrt, N. (Hrsg.): Soziale Arbeit für den aktivierenden Sozialstaat. Opladen. S. 62

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nimmt die Teilnahme, die Mitwirkung gesellschaftlicher Gebilde dafür ab.“.224 Auch der 68. Deutsche Fürsorgetag, der unter dem Titel „Selbsthilfe und ihre Aktivierung durch die Soziale Arbeit“ stattfand, beschäftigte sich mit den Begleiterscheinungen der Abhängigkeit einzelner von Vor- und Fürsorge beim Ausbau sozialstaatlicher Leistungen. Diese Entwicklung mache es erforderlich, die Inhalte und Wirkungen der sozialen Leistungen ständig kritisch zu überprüfen, ob sie geeignet sind, den Bürger in seiner Eigenpersönlichkeit zu stützen und zu stärken.225 Die weitestgehend unbestrittenen Prinzipien der Sozialen Arbeit, wie „Hilfe zur Selbsthilfe“ oder Ressourcenorientierung, werden im aktivierenden Kontext jedoch widersprüchlich. Das Handlungsprinzip der Hilfe zur Selbsthilfe ist bis heute die meist zitierte Maxime Sozialer Arbeit und laut Heckmann „eine besonders liebevoll gepflegte Utopie“.226 „Hilfe zur Selbsthilfe" bedeutet, die Adressaten zu befähigen durch materielle und individuelle Hilfe wieder ein eigenständiges, von fremder Hilfe unabhängiges Leben zu führen.227 Trotz der ständig verwendeten Handlungsmaxime wird die Stärkung der Selbsthilfekräfte (auch Empowerment) in Frage gestellt, sei es, dass Fähigkeiten der Adressaten überschätzt werden, Problem- und Konfliktpotentiale immer wieder neu entstehen (z.B. Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, psychosoziale Probleme) oder zu früh bzw. zu spät „losgelassen“ wird. D.h. die Paradoxien, mit denen Soziale Arbeit ständig konfrontiert ist, sind auch in diesem Rahmen spürbar. Im Zusammenhang mit den Logiken des aktivierenden Staates bekommen sie jedoch zusätzlich einen problematischen Integrationszusammenhang. Auf der Ebene des Einzelfalls sollen im Hilfeprozess nicht die Defizite des Klienten, sondern die Potentiale und Möglichkeiten der Befähigung zum selbständigen Handeln primär in den Blick genommen werden. Buestrich führt dabei an, dass in der Unterstellung des Vorhandenseins von Potentialen und besonders von materiellen Mitteln bei einem Hilfebedürftigen und Bezieher von staatlichen Leistungen in einer Notlage der Widerspruch deutlich wird.228 Die neue paradigmatische aktivierende Ausrichtung von Hilfen steht also in einem spezifischen Verwertungszusammenhang aktueller (Re-)Produktionslogiken, die vor allem die Mobilisierung des Selbstunternehmer-tums außerhalb eines Integrationsrahmens fordert. Kessl und Otto sehen deshalb

224 Klumker, C.J.: Kinderfürsorge und Erziehung. In: Thole, W./Galuske, M./Gängler, H. (1998): KlassikerInnen der Sozialen Arbeit: sozialpädagogische Texte aus zwei Jahrhunderten – ein Lesebuch. Neuwied, Kriftel, S. 206. Zitiert bei: Kessl, F./Otto, H.-U. (2003): a.a.O., S. 67 225 Petersen, K. (1976): Selbsthilfe und Aktivierung durch die Soziale Arbeit. Gesamtbericht über den 68. Deutschen Fürsorgetag 1976 in Dortmund. Frankfurt a.M. Zitiert bei: Kessl, F./Otto, H.-U. (2003): a.a.O., S. 67 226 Vgl. Heckmann. In: Müller, C.W. (1993): Selbsthilfe. Ein einführendes Lesebuch. Weinheim, Basel. Zitiert bei: Kreft, D./Mielenz, I. (Hrsg.) (1996): Wörterbuch Soziale Arbeit. Weinheim und Basel, S. 490 227 Vgl. Kreft, D./Mielenz, I. (Hrsg.) (1996): a.a.O., S. 490 228 Buestrich, M. (2006): Aktivierung, Arbeitsmarktchancen und (Arbeits-)Moral. Arbeitsmarktpolitik zwischen „Sozial ist, was Arbeit schafft“ und „Du bist Deutschland“. In: Neue Praxis. Nr. 4/2006, S. 435

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die Professionalisierung und Emanzipierung aus dieser Logik einzig in der ständigen Reflexivität demokratisch verstandener Sozialer Arbeit. Im Mittelpunkt sollte die ständige Auslotung von Freiräumen für die Nutzer stehen, was nicht auf einzelne Interaktionszusammenhänge und damit ausschließlich auf das Verhalten der Akteure zum Ausgangspunkt sozialpädagogischer Interventionen zu begrenzen ist. Zusammenfassend wird nach einer Betrachtung einiger ausgewählter Prinzipien Sozialer Arbeit („Hilfe zur Selbsthilfe“, Ressourcenorientierung und Integration) deutlich, dass die Paradigmen nach wie vor aktuell und für die Soziale Arbeit handlungsleitend sind. Entscheidend ist der Zusammenhang, in dem sie angewendet werden. Eine ständige Reflexion aus der Sicht der Adressaten ist meines Erachtens der einzige Weg aus der oft abstrakten und komplexen Beziehung zwischen Sozialer Arbeit und Klienten hin zu einer stärkenden Auflösung des Hilfeprozesses. Daraus leitet sich ab, dass Soziale Arbeit dann ihre Entfaltung zeigt, wenn sie es schafft sich überflüssig zu machen bzw. ihre präventive Funktion wahrzunehmen. Eine solche Sichtweise muss jedoch erst (bzw. wieder) herausgearbeitet werden. Der Aushandlungsprozess im aktivierenden Staat hat erst begonnen, weshalb es wichtig ist, solche Grundhaltungen im heutigen Umbruchprozess Sozialer Arbeit immer wieder zu verteidigen, neu zu konstituieren und kritisch zu überprüfen.229

4.2 Auswirkungen auf das Verhältnis von Sozialer Arbeit und Betroffenen Generell ist für pädagogische Professionen die Frage bedeutsam, welches Menschenbild in Angeboten und Interventionen verfolgt wird.230 Es stellt sich deshalb konkret die Frage, welches Menschenbild in den Sozialgesetzen, die die Praxis der Sozialen Arbeit, wie dargestellt, erheblich beeinflussen, herauszulesen ist. Im Rahmen der dargestellten „Neuprogrammierung des Sozialen“ wird dem wohlfahrtsstaatlichen Handeln vorgeworfen, dass der Einzelne durch staatliche Subventionierung gelähmt werde.231 Der Hilfesuchende wird mit Einführung der modernen Dienstleistungen am Arbeitsmarkt zum „Kunden im Job-Center“. Er werde nicht länger „als ein soziales Geschöpf verstanden, das die Befriedigung seines oder ihres Bedürfnisses nach Sicherheit, Solidarität und Wohlfahrt suche, sondern als Individuum, das aktiv sein oder ihr eigenes Leben zu gestalten und zu verwalten sucht, um seine Erträge hinsichtlich Erfolg und Leistung zu

229 Vgl. Kessl, F./Otto, H.-U. (2003): a.a.O., S. 70f. 230 Baum, H. (2000): Anthropologie für soziale Berufe. Opladen, S. 11f. 231 Kessl, F./Otto, H.-U. (2003): a.a.O., S. 58

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maximieren.“.232 Derjenige, der dies nicht schaffe, habe demnach keinen Anspruch auf öffentliche Unterstützung ganz nach der Vorstellung des „Flexiblen Menschen“.233 Die Begrifflichkeiten der Gesetze zur Arbeitsförderung machen die Zielrichtung deutlich. Das SGB II spricht von Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung als von „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“. Dieser Begriff wurde ins Arbeitsförderungsrecht erstmals durch das „Job-AQTIV-Gesetz“ eingeführt, dass den Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen vorsieht. Der sozialrechtliche Begriff der Eingliederung stammt aus dem Recht der Behindertenhilfe und ist hier im Rahmen der Reform des Rehabilitationsrech-tes im Jahre 2001 mit Gründung des SGB XII bewusst in Teilhabe umdefiniert worden. Hier wollten die Gesetzgeber bewusst die Betonung des grundgesetzlichen Gedankens der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zum Ausdruck bringen. Das SGB II verzichtet hierauf und wendet erneut den Begriff der Eingliederung an, und zwar auf alle erwerbsfähigen Personen in diesem Rechtskreis.234 Das Menschenbild des „Homo oeconomicus“ durchzieht die gesamte auf „aktivierende Arbeitsmarktpolitik“ abzielende Gesetzgebung. Diese ökonomische Leitfigur des Kosten und Nutzen rational abwägenden Subjekts, das „als rationaler Egoist... seine partikularen Interessen managet“, entspricht diesem Menschenbild. Also alles was er tut, ist auf seinen wirtschaftlichen Nutzen ausgerichtet, weshalb er sich eher in der Sozialhilfe einrichtet, als arbeiten zu gehen. 235 Gleichzeitig findet durch die Betreuung innerhalb der Maßnahmen zur Arbeitsförderung eine „Klientelisie-rung“ der Betroffenen statt.236 Auch im Instrument der Eingliederungsvereinba-rung findet sich dieses Bild wieder. Es wird ein Vertrag geschlossen, der in seiner Dienstleistungslogik die Adressaten zu Koproduzenten macht. Wie bereits erläutert hat der soziale Dienstleistungsbegriff Hochkonjunktur in der Sozialen Arbeit nicht nur im Bereich Arbeitsförderung. Mit ihrer Ökonomisierung, d.h. mit zunehmendem finanziellen Druck, Privatisierungstendenzen und Einführung von Konkurrenzelementen in den Leistungskatalog der Sozialen Arbeit, wurde der Begriff der sozialen Dienstleistung Synonym für die Professionalisierung dieser Zeit. Neben vielen anderen positiven wie negativen Effekten dieser Entwicklung ist hier vor allem der Diskurs über die Beziehung zwischen Leistungsempfänger und Leistungserbringer, also Sozialer Arbeit und Klient interessant.

232 Miller, P./Rose, N. (1994): Das ökonomische Leben regieren. In: Donzelo, J./Meuret, D. u.a. (Hrsg.): Zur Genealogie der Regulation. Anschlüsse an Michel Foucault. Mainz, S. 100. Zitiert bei Kessl, F./Otto, H.-U. (2003): a.a.O., S. 58 233 Sennett, R. (2000): Der flexible Mensch. Berlin 234 Vgl. Burghardt, H. (2005): a.a.O., S. 35f. 235 Vgl. Enggruber, R. (2005): a.a.O., S. 68 236 Vgl. Rothard, D./Wörrmann, E. (1996): Evangelische Arbeitslosenarbeit. In: Wolski-Prenger, F. (Hrsg.): Arbeitslosenarbeit. Erfahrungen, Konzepte, Ziele. Opladen, S. 37

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Während Haupert237 in der Anwendung der Dienstleistungslogik in der Sozialen Arbeit eher eine Entpersonalisierung der Beziehung zwischen Empfänger und Anbieter sozialer Leistungen sieht, konstatiert Finis Siegler eine Stärkung des Klienten durch den Kundenbegriff. Eine Ökonomik Sozialer Arbeit sieht sie als Aufforderung zur Auseinandersetzung mit den Zielen und der Wirksamkeit Sozialer Arbeit, in der zu klären ist, inwiefern die Soziale Arbeit an den Bedürfnissen ihrer Nutzer ausgerichtet ist. Am Beispiel der betriebswirtschaftli-chen Betrachtung und der ökonomischen Analyse der Beziehung des Anbieters und des Nutzers zeigt Finis Siegler, dass „eine potentielle Bevormundung des Klienten durch sozialstaatliche Instanzen strukturell begründet und nicht auf eine unzureichende soziale und kommunikative Kompetenz der Fachkräfte reduzierbar ist.“.238 D.h. die Bewusstwerdung dieses Sachverhalts ist entscheidend für die Fachlichkeit des Sozialarbeiters/Sozialpädagogen, der in der Beziehung des Klienten eine möglichst große Emanzipation erreichen will. Im Rahmen der Diskussion von Sozialer Arbeit als Produzent personenbezogener Dienstleistungen sieht auch Burghardt eine ungenügende Reflexion in Bezug auf das Verhältnis von Nutzern und Anbietern sozialpolitisch initiierter sozialer Dienstleistungen. Die Beziehungen zwischen Hilfesuchenden und Anbietern gehen in den Rollen von Kunden und Verkäufern nicht auf, sondern werden sozialrechtlich zutreffend als eine Seite des Dreiecksverhältnisses zwischen Bürgern, öffentlichen Finanzträgern und Maßnahmeträgern erkannt (Stichwort der nicht-schlüssigen Tauschbeziehung).239 Die Fragen der Ökonomie Sozialer Arbeit reichen damit bis in die Fragen der Beziehung zwischen Klient und Anbieter, bis in die konkrete operative Ebene des Gespräches hinein. Dies zeigt, wie wichtig die Auseinandersetzung mit diesen Fragen für die Professionalisierung Sozialer Arbeit ist. Schaarschuch hingegen sieht den Kundenbegriff im Dienstleistungsverständnis als Stärkung der Subjektstellung des Nutzers und einer systematischen Demokratisierung.240 Der Klient, hier auch als Konsument bezeichnet, wird als Produktionsfaktor wie auch als Produktionskraft, als „Prosument“ verstanden.241 Er ist zum einen Gegenstand bzw. Empfänger der Dienstleistung, zum anderen ist jedoch seine Bereitschaft zur Kooperation im Sinne eines „Koproduzenten“ notwendige Voraussetzung zur Leistungserbringung durch den sozialen Dienstleister. In einem weiteren Schritt radikalisiert Schaarschuch diese Ansicht und kommt zu dem Schluss: „Im Erbringungsverhältnis der sozialen

237 Vgl. Haupert, B. (2000): a.a.O., S. 547 238 Vgl. Finis Siegler, B. (1997): Ökonomik Sozialer Arbeit. Freiburg i.Br., S. 12 239 Vgl. Burghardt, H. (2005): a.a.O., S. 39 240 Vgl. Schaarschuch, A. (1999): Theoretische Grundelemente Sozialer Arbeit als Dienstleistung. In: Neue Praxis. 29. Jg., H. 6, S. 552 ff. 241 Vgl. Finis-Siegler, B.(1997): a.a.O., S. 30f.

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Dienstleistung ist der Professionelle der Ko-Produzent, das aktive, sein Leben verändernde Subjekt hingegen der primäre Produzent. Soziale Arbeit dient hier dem Produktionsprozess der Subjektwerdung ihrer Klienten, ist dieser systematisch nachgeordnet, und kommt als Dienst-Leistung auf ihren Begriff.“242 Trotz des richtigen Ansatzes, von der Sicht des Klienten auszugehen, ist diese Herangehensweise kritisch zu betrachten. Denn dies setzt voraus, dass der Klient auch die Entscheidungs- und Handlungsmacht besitzt, die es ihm erlaubt, als Produzent aufzutreten. Im Kontext der Beratung von Langzeitarbeitslosen im Rahmen der Arbeitsförderung ist dies jedoch meist nicht der Fall. Ist der Sozialarbeiter gezwungen, Verfehlungen oder Abwesenheit beim Fallmanager zu melden, hat er die Entscheidungsmacht und nicht der Klient. Er kann lediglich entscheiden, ob er die Vorgaben des Fallmanagers erfüllt oder auf seine Leistungen verzichtet. Um dies näher zu erläutern, möchte ich ein Beispiel aus meiner eigenen beruflichen Praxis heranziehen. Als Sozialarbeiterin bei einem sozialen Beschäftigungsträger bin ich nach einer Zuweisung durch die Arbeitsgemein-schaft für das „Profiling“ und die „Soziale Betreuung“ der Teilnehmer zuständig. Nach § 16 Abs. 3 SGB II sind sie von der Arbeitsgemeinschaft im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung verpflichtet, bei mir vorstellig zu werden, um eine Arbeitsgelegenheit, also einen Ein-Euro-Job, anzutreten. Der Sozialarbeiter ist anschließend verpflichtet, per Mail den zuständigen Fallmanager über die Anwesenheit sowie die Inhalte des Erstgespräches zu informieren, wonach dieser Leistungskürzungen etwa bei Fernbleiben verhängen kann. Diese Erstgesprächssituation ist deshalb besonders komplex. Oft kommt es vor, dass die Arbeitssuchenden völlig aufgebracht und wütend sind, etwa weil der Weg von ihrem Wohnort bis zur Einsatzstelle einen eineinhalbstündigen Fahrtweg beinhaltet oder weil sie trotz starker Rückenprobleme vom Fallmanager zu einem Einsatz im Second-Hand-Möbelkaufhaus zum Möbeltransport vermittelt wurden. Das andere Extrem sind Reaktionen von starker Zurückhaltung und Skepsis und zum Teil auch großer Angst, die sich nicht selten in Tränen auflöst. Diese Situation erfordert deshalb von der Fachkraft extreme Sensibilität. Es muss zunächst deutlich werden, dass Verständnis die Basis des Gespräches ist. Ein Zuhören wird von Vielen bereits als seltenes Erlebnis auch so benannt. Anschließend ist es von entscheidender Bedeutung, die Bedingungen der Beschäftigung und dabei die Vor- und Nachteile der angeordneten Maßnahme gleichermaßen anschaulich und verständlich zu verdeutlichen. Die institutionelle Gemengelage ist für den Klienten nur schwerlich zu ergründen. Wie steht der

242 Vgl. Schaarschuch, A. (1999): a.a.O., S. 554

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Träger zur Arbeitsgemeinschaft bzw. zum Fallmanager? Wie stehen die Einsatzorte zum Träger? Usw. Wichtig ist deshalb auch die Transparenz der eigenen Position, d.h. welche Entscheidungskompetenzen habe ich als Sozialarbeiter, in welcher Verbindung stehe ich zum Fallmanager, wie ist meine Position zu bestimmten kritischen Punkten des Ein-Euro-Jobs. Erst wenn dieser oft langwierige Aushandlungsprozess stattgefunden hat, ist ein Beginn des eigentlichen Gespräches, das die Fähigkeiten und Kompetenzen des Teilnehmers in den Vordergrund stellen soll, überhaupt möglich.243 Der Klient muss zunächst seine Urteils- und Handlungsfähigkeit zurückerlangen in dieser Gesprächssituati-on. Die Sanktionsandrohungen der gesetzlichen Grundlage beeinflussen jedoch nicht nur den Klienten, sondern greifen auch wesentlich in die Entscheidungskompe-tenzen des Sozialarbeiters ein. Er ist nur begrenzt in der Lage, parteiische Beratung und Unterstützung zu leisten, v.a. nur dann, wenn er das Vertrauen des Hilfesuchenden erlangt hat, dass er sich an die Schweigepflicht gegenüber der Arbeitsgemeinschaft hält. Beratung ist eine Leistung, die Vertrauen voraussetzt, also das was Kähler „Veröffentlichungsbereitschaft“ nennt.244 Geht der Klient davon aus, dass eine enge Verbindung zur Arbeitsgemeinschaft bzw. zur Arbeitsagentur besteht, muss dies zunächst erläutert werden. Die Gradwanderung zwischen Informationen an den Fallmanager, z.B. im Rahmen des Hilfeplans sowie den Informationen aus vertraulichen Beratungsgesprächen, ist ein ständiger Auslotungsprozess. Nur der freiwillige Besuch der Klienten ermöglicht die wirksame Bildung von gemeinsamen Zielvereinbarungen und Arbeitsbündnissen zwischen Ratsuchenden und Beratern. Durch die Verpflichtung zur Beratung werden Kontroll- und Dokumentationsmechanismen seitens der Arbeitsagentur notwendig, die über den Einsatz von Sanktionen entscheiden muss. Die damit verbundene Auskunftspflicht der Beratungsstelle über die „Beratungsbereitschaft“ der Klienten an die Arbeitsagenturen gem. §61 i.V.m. §63 II SGB II gefährdet den Grundsatz der Vertraulichkeit. Suchen Ratsuchende in der Beratung Hilfe, müssen diese offen reden können und auf Verschwiegenheit bauen dürfen. Diese Grundvoraussetzung einer funktionierenden Beratung wird in der Fachliteratur unangefochten bejaht.245 Durch die Verknüpfung der Beratungstätigkeit mit Leistungsgewährungen durch die Arbeitsagentur entsteht hier jedoch ein Rechtfertigungsdruck seitens des Klienten. Organisatorisch wird diese Berichterstattung über die „Erfolge“ der

243 Und auch dies ist nicht immer der Fall. 244 Kähler, H. (2005): Soziale Arbeit in Zwangskontexten. München. S. 19 245 So bildet nach Sickendick „eine vertrauensvolle Beratungsbeziehung [...] die Basis für jegliche hilfreiche Kommunikation.“ Vgl. Sickendiek, U. (1999): Beratung - Eine Einführung in sozialpädagogische und psychosoziale Beratungsansätze, In: Sickendiek, U./Engel, F./Neumann, F. (Hrsg.): Beratung - Eine Einführung in sozialpädagogische und psychosoziale Beratungsansätze Weinheim, S. 223

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Beratung auch durch die Beratungsstelle erfolgen, da es hier dem Ratsuchenden – vermutlich zu Recht – im Hinblick auf ein unterstelltes primär sanktionsvermei-dendes Verhalten an Glaubwürdigkeit mangeln wird. Die Rahmenbedingungen einer Sozialen Arbeit im Zusammenhang mit den verschärften Regelungen des SGB II und III beeinflussen die Beziehung also eklatant. Soziale Arbeit findet immer dann in Zwangskontexten statt, wenn Menschen durch Dritte – Angehörige oder auch Institutionen – oder durch gesetzliche Vorgaben zur Kontaktaufnahme mit einem Sozialen Dienst verpflichtet werden. So ist dies auch im Rahmen der Förderinstrumente des SGB II und III der Fall. Zwangskontext bedeutet daher auch immer, dass die Verweigerung einer solchen Verpflichtung deutliche ökonomische (wie z.B. im ALG II) oder strafrechtliche Konsequenzen (z.B. bei Bewährungsauflagen) hat. Die empirische Untersuchung von Kähler lässt deutlich erkennen, dass die Mehrzahl der Klientenkontakte in den Bereichen Familie, Kinder, Jugend sowie Justiz und Gesundheit fremdinitiiert, also nicht freiwillig stattfindet.246 Die Zwangssituation erzeugt bei den Gezwungenen eine Reaktion, die in der Sozialen Arbeit im Rahmen der „Reaktanztheorie“ beschrieben werden. Menschen lehnen sich gegen die Einschränkung ihrer Handlungs- und Entscheidungsspielräume auf. Dies ist laut Kähler um so mehr der Fall, „je unberechtigter, gravierender und umfassender die Einschränkungen erlebt werden.“.247 In diesem Fall sind alle Formen von offener Rebellion bis zum stillen Unterlaufen der Regeln bzw. passiven Widerstands möglich.248 Die Annahme der Hilfe setzt also bereits sehr viel beim Klienten voraus, nicht nur in Zwangskontexten. Durch die Problematik der „erlernten Hilflosigkeit“ kommt es gerade bei Langzeitarbeitslosen häufig zu Hoffnungslosigkeit und Rückzug. Stolz und Behördenangst sowie die Erfahrung, dass Lebenslagen beeinflussbar sind (Kontrollüberzeugung), spielen eine wesentliche Rolle für den Erfolg des Hilfeprozesses.249 Kähler kommt zu dem Schluss, dass die Fachkraft hier einen besonderen Blick für den Hilfesuchenden haben muss. In der Annahme, dass die beschriebene Reaktanz eine normale Reaktion ist, sollte sie aktiv daran arbeiten, den Handlungs- und Entscheidungsspielraum der Person zu erweitern. Dabei ist es

246 Vgl. Kähler, H. (2005): a.a.O., S. 15 247 Vgl. ebd., S. 63 248 „Conen sieht im ablehnenden Verhalten der Klienten folgende verborgende Botschaften: - ablehnende Verhaltensweisen dienen der Aufrechterhaltung des Gefühls der Achtung vor sich selbst, - zeigen Stärke und Entschlossenheit, die die Klienten in anderen Bereichen auch entwickeln könn(t)en, - sind eine möglicherweise letzte Möglichkeit, dem Umfeld Grenzen zu setzen, und demonstrieren die Fähigkeit der Klienten, dies tun zu können, - verdeutlichen den Wunsch, eigene Vorstellungen der Problemlösung umzusetzen, - dienen dem Schutz vor Hoffnung und vorweggenommener abermaliger Enttäuschung.“ Conen, M.-L. (1999): „Unfreiwilligkeit“ – ein Lösungsverhalten. Zwangskontexte und systemische Therapie und Beratung. Familiendynamik 24. Jg, H. 3, S. 287. Zitiert bei Kähler, H. (2005): a.a.O., S. 71 249 Vgl. ebd.. S. 18f.

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wichtig, den Fokus bewusst auf die Situation und weniger auf die Person selber zu richten, um so genanntes Labeling, also die Etikettierung des Hilfesuchenden z.B. als Motivationslosen zu vermeiden. Wie in meinem Praxisbeispiel erläutert, hält auch Kähler es für entscheidend, die verbleibenden Wahl- und Entscheidungs-möglichkeiten zu benennen und größtmögliche Transparenz walten zu lassen. In einem gemeinsamen Kontrakt sollen kleine erreichbare Schritte gemeinsam geplant werden, um Überforderung z.B. bei Einrichtungen mit hoher Autonomieerwartung an die Klienten zu vermeiden.250 Sich auf Soziale Arbeit als Beruf einzulassen setzt die Einsicht voraus, dass die Tätigkeit im Sinne des doppelten Mandats auch Tätigkeiten beinhaltet, die mit Macht und Kontrolle zu tun haben wie z.B. verstärkt in der Psychiatrie oder der Justiz. Sozialarbeiter müssen sich deshalb prüfen, ob sie mit diesen normativen Vorgaben konform gehen, auch wenn das Autonomieverständnis für den Klienten dem konträr entgegensteht, da sonst ein unklares Rollenverständnis den Hilfeprozess verunmöglicht bzw. erschwert. Sind die Rollen und Machtpotentiale nicht transparent, verschieben sich die Positionen. Es kommt zu Vermeidungsver-halten von beiden Seiten.251 Münch beschreibt das Verhältnis von Sozialarbeiter und Langzeitarbeitslosen im Kontext von SGB II und III, aber vor allem bei der Betreuung von Ein-Euro-Jobbern als in der Fortbildung von Fachkräften häufig erlebten „funktionalen Dilettantismus“. Er wirft den Fachkräften vor, dass sie die Reaktionen der Teilnehmer nicht als gesunden Widerstand im Sinne der Reaktanz wahrnehmen, sondern die Strategien der Ein-Euro-Jobber als motivationsgesteuerte Verweigerung etikettieren, die ihnen ihr eigenes professionelles Handeln verunmöglichen und damit gar noch den Arbeitsplatz der Fachkraft gefährden (z.B. wenn die vorgegebenen Vermittlungszahlen nicht erreicht werden).252 Er fügt hinzu, dass die Reaktanzprobleme auch auf Seiten der Fachkräfte stattfinden. Werden Sozialarbeiter in beruflichen Kontexten tätig, die durch Zwang gekennzeichnet sind, treten ähnliche Phänomene der Ablehnung und des Widerstandes auf. Die Hoffnungslosigkeit v.a. in Bezug auf die geringe Perspektive der Teilnehmer auf einen Arbeitsplatz sowie der eigenen evtl. prekären Arbeitsmarktsituation tun ihr übriges. Treten Zwänge auf Seiten der Betroffenen und der Fachkräfte auf, verstärken sich die Reaktionsmuster bis hin zu einem Zustand, der als „professionelle Lähmung“ beschrieben werden kann, also einem Zustand, in dem angemessenes professionelles Handeln nicht mehr möglich ist.

250 Vgl. ebd., S. 72 251 Vgl. ebd., S. 91 252 Vgl. Münch, T. (2007): Zwang und ´Deformation professionnelle´ Oder wie der ´1-Euro-Job´ die Soziale Arbeit verändert. In: Dahme, H.-J./Trube, A./Wohlfahrt, N. (Hrsg.): Arbeit in Sozialen Diensten: flexibel und schlecht bezahlt? Baltmannsweiler, S. 96

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„Etikettierung und Labeling ist die Folge, Handlungsempfehlungen im Sinne von ´Durchhalten´ oder in den sauren Apfel beißen´ werden von den Fachkräften erteilt und es entsteht vor dem Auge des Betrachters eine Maßnahmewelt, in der ein tägliches Ringen, ein Kampf um Freiheit und Machtausübung ausgeübt wird. Zwang auf der Seite der Pädagogen, Widerstand und Flucht auf der Seite der betroffenen Arbeitslosen und Ärger, Enttäuschung und Wut auf beiden Seiten sind die zwangsläufige Folge.“253 Laut Münch führt der Zwangscharakter der Hartz-Gesetze zu einer strukturell bedingten Dysfunktionalität. Die Maßnahmen im Zwangskontext können die Zielvorgaben nicht erreichen, weil die Ressourcen beider Akteure nicht nutzbar gemacht werden können. Er sieht in den Zielen des aktivierenden Sozialstaates die Liquidierung der Grundlage einer eigenen Handlungsfähigkeit der Sozialen Arbeit, also der Kompetenz der Sozialen Arbeit.254 Die Aktivierungsstrategie beinhaltet für die Soziale Arbeit eine Verstärkung der Kontrollfunktion. Die Anerkennung der Autonomie des Hilfesuchenden sollte deshalb Ziel sein. Das Prinzip der Freiwilligkeit etwa einer Beratung ist eine weitgehend unumstrittene Voraussetzung. „Beratung, die die lebenspraktische Autonomie der handelnden Subjekte ernst meint, muss auf dem Prinzip der Freiwilligkeit bestehen, als eine grundsätzliche strukturelle Voraussetzung.“ 255 Eine klare Einforderung dieser Prinzipien (Freiwilligkeit, Ergebnisoffenheit und Verschwiegenheit) ist deshalb Aufgabe der Sozialen Arbeit.

4.3 Auswirkungen auf die Trägerorganisationen Sozialer Arbeit Auch die Auswirkungen auf die Träger der Sozialen Arbeit sind vermehrt zu beobachten. Bei einer Untersuchung des Dritten Sektors in Deutschland stellen Zimmer und Priller fest, dass bei einer genauen Betrachtung des Sektors der Städte Münster und Jena der Sozialbereich keine Indizien zeigt, dass Kontraktmanagement zwischen den Organisationen und der Kommune zu grundlegenden Veränderungen auf dem Anbietermarkt führt. Wo Leistungsverträge abgeschlossen wurden, arbeitet man weiterhin mit den bekannten Organisationen zusammen. Allerdings ist eine gewisse „Doppelstrategie“ der Kommunen in der Vorgehensweise bei der Förderung des Dritten Sektors zu erkennen. Die

253 Ebd., S. 96 254 Ebd. 255 Vgl. Ebli, H. (1995): Professionelles soziales Handeln in der Schuldnerberatung. Frankfurt a.M., S. 85. Zitiert bei: Haug, V. (2004): Auswirkungen von Hartz IV auf die Schuldnerberatung. Deprofessionalisie-rungstendenzen in der Sozialen Arbeit. Mainz. S. 17

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Verwaltungen unterscheiden augenscheinlich zwischen Organisationen, die als „Subunternehmer“ tätig sind und kommunale Pflichtaufgaben übernehmen, und solchen Initiativen und Vereinen, die eher freiwillige Aufgaben übernehmen und die lokale Infrastruktur erweitern. In beiden Städten wird die Zusammenarbeit mit den Subunternehmern vertragsförmig durch Kontraktmanagement oder langfristig abgeschlossene Leistungsverträge gestaltet. Im Gegenzug lässt sich festhalten, dass die „Kommunalen Subunternehmen“ zunehmend ihre Organisationsform verändern und die GmbH dem Verein vorziehen. Hier wird es in Zukunft zu deutlichen Veränderungen der Trägerstruktur kommen. Die anderen Initiativen und Vereine werden eher sozialräumlich orientiert in das System eingebunden und nicht vertraglich. Dieser Trend scheint perspektivisch laut Zimmer und Priller zu einer „Zweiteilung des Arbeitsmarktes“ im Sozialbereich zu führen. Während die „Subunternehmer“ vergleichsweise sichere Arbeitsplätze bieten, scheinen bei Vereinen und Initiativen die Arbeitsplätze unsicherer und mit größeren Risiken verbunden. Gleichzeitig scheinen hier aber auch die Chancen, durch eine Diversifikation der Ressourcen und des Finanzierungsmix der Organisationen, größer zu sein, neue und zusätzliche Arbeitsplätze und Beschäftigungsmöglich-keiten zu erschließen. Interessant ist dieser Bereich ferner durch seine integrative Funktion. Im Vergleich zu den als GmbH organisierten „Subunternehmen“ bieten diese Einrichtungen und Initiativen aufgrund ihrer sozialräumlichen Orientierung sowie ihrer Organisationen als Verein Interessierten vergleichsweise bessere Chancen der Beteiligung und damit des ehrenamtlichen Engagements und der freiwilligen Mitarbeit. Basierend auf dem John Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project und auf einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zum Thema „Arbeitsplatzressourcen im Nonprofit-Sektor“ kommen Zimmer und Priller zu dem Ergebnis, dass der Dritte Sektor an Bedeutung gerade in Bezug auf die Schaffung von Arbeitsplätze zunimmt.256 Allerdings regen sie an, dies kritisch zu betrachten. Der Dritte Sektor als perspektivloser „Parkplatz und Abschiebeplatz“ ist hier nicht gemeint. Sollte der Dritte Sektor zu einem attraktiven Arbeitsmarkt werden, müsse dies auch eine 256 Die Dritte-Sektor-Forschung geht dem Anliegen nach, Organisationen und Institutionen nach bestimmten Kriterien in ein übergeordnetes Konzept einzuordnen. Hierzu bedient sie sich der Einteilung in Sektoren, wobei neben dem privaten (ersten) und dem öffentlichen (zweiten) Sektor ein dritter Sektor definiert ist, der zwar privatwirtschaftlich arbeitet, aber sozial ausgerichtet ist. Demnach versteht die Studie unter Drittem Sektor „jenen sozio-ökonomischen Bereich, der durch ein Neben- und Miteinander von privatwirtschaftlicher Allokation und politisch-öffentlicher Staatstätigkeit gekennzeichnet ist, in dem jedoch keiner der beiden Steuerungsmechanismen eindeutig vorherrscht.“ Organisationen des Dritten Sektor sind 1. Organisationen, d.h. sie haben einen institutionellen Aufbau und treten in der Öffentlichkeit auf 2. Privat, d.h. sie sind institutionell vom Staat getrennt 3. Autonom, d.h. sie üben selbst die Kontrolle über ihre Geschäfte aus 4. Nicht gewinnorientiert (non-profit), d.h. sie schütten keine Gewinne an ihre leitenden Angestellten oder Eigner aus 5. Freiwillig, d.h. es besteht keine Zwangsmitgliedschaft 6. Sie stützen sich teilweise auf ehrenamtliches Engagement oder Spenden. Vgl. Salomon, L.M./Anheier, H.K. (1999): Der Dritte Sektor. Aktuelle internationale Trends. The John Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project. Phase II. Gütersloh, S. 9

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Neuorientierung der Sozialpolitik zur Folge haben. Weg von individueller Wohlstandssicherung, hin zu Entwicklung und Erhalt gesellschaftlicher Innovationspotentiale sowie zu einer Neudefinition der Arbeitsgesellschaft. Zu starr ist die Auffassung von Arbeit im Sinne von Erwerbsarbeit. Neue Konzepte sind hier gefragt.257 Des weiteren stellen Zimmer und Priller fest, dass der Bereich Gesundheit und Soziales, zu dem auch die Organisationen der Arbeitsförderung gehören, gekennzeichnet ist vom Sozialstaatsmodel mit Subsidiaritätsprinzip und der Sozialversicherung und der Indienstnahme der Wohlfahrtsverbände für die staatlich organisierte soziale Versorgung. Trotz dieser vergleichsweise strukturierenden Rahmenbedingungen zeichnet sich dieser Bereich durch eine Heterogenität ihrer Organisationen aus. Neben hoch professionalisierten, finanziell überwiegend von öffentlichen Leistungen getragenen Non-Profit-Organisationen einerseits findet man andererseits kleinere und lokal eingebundene Organisationen, die auf Ressourcen der freiwilligen Leistungen ihrer Mitglieder, auf eigenerwirtschaftete Mittel und bürgerschaftli-ches Engagement zurückgreifen. Insofern zeichnen sich die beiden Bereiche hinsichtlich Alter, Vereinsgrößen, Mitgliedschaft, Beschäftigungsstruktur und Finanzierung der im Bereich Soziales tätigen Organisationen durch Vielfältigkeit aus. Vor dem Hintergrund der Krise des Sozialstaates sehen Zimmer und Priller diesen Bereich der Non-Profit-Organisationen stark betroffen von umfassenden Umbrüchen. Durch Finanzprobleme der Haushalte in Bund, Ländern und Kommunen sowie der Reformen im Gesundheitswesen und der Arbeitsmarktför-derungspolitik sehen sie nachhaltige Einflüsse gerade in Bezug auf die Finanzierung der Arbeit. Die Krise des Sozialstaates sowie die von der Politik initiierten Änderungen treffen die großen Dienstleister ebenso wie die kleineren Organisationen, die in der Regel alle mehr oder weniger auf kommunale Förderung angewiesen sind und dank dieser Unterstützung bisher in der Lage waren, zumindest ein bescheidenes Maß an Professionalität zu realisieren.258 Bei der besagten Befragung von Einrichtungen ergab sich folgendes Bild bezüglich der Finanzierung: 1990 hatten die Organisationen noch Mittel von 82,6 % aus öffentlicher Hand. 1995 waren dies nur noch 65,5 %. Auch der Spendenanteil der Finanzierung sank von 7,3 % auf 4,7 %. Der Anteil der selbsterwirtschafteten Mittel stieg im selben Zeitraum hingegen von 10,1 % auf 29,8 %.259 Organisationen im Bereich Soziale Dienste, die überwiegend mit hauptamtlichen Kräften arbeiten, sind dabei stärker von öffentlichen Mitteln 257 Zimmer, A./Priller, E. (2004): Gemeinnützige Organisationen im gesellschaftlichen Wandel. Ergebnisse der Dritte-Sektor-Forschung. Wiesbaden, S. 27 258 Ebd., S. 142 f. 259 Ebd., S. 62

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abhängig wohingegen Organisationen ohne hauptamtliche Kräfte stärker auf einen Finanzierungsmix setzen, in dem öffentliche Mittel eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Bei den Organisationen des Dritten Sektors dominieren Probleme, die aus unzureichender oder zurückgehender staatlicher Finanzierung, aus der starken Abhängigkeit von öffentlichen Mitteln sowie den staatlich gesetzlichen Rahmenbedingungen herrühren. Insgesamt formulieren Zimmer und Priller sogar, dass je staatsnaher die Organisation agiert, desto problembelasteter wird das Verhältnis zu Staat und Politik eingeschätzt. Insofern kann man festhalten, dass die „Nähe zum Staat“ sich inzwischen für die Organisationen nur noch bedingt auszahlt. Die Ergebnisse der Organisationsbefragung von Zimmer und Priller lassen darauf schließen, dass das Verhältnis der gemeinnützigen Organisationen zum Staat in Deutschland einer dringenden Revision bedarf. Es wird nicht einfach sein, diesen Problembereich anzugehen, da es gerade für die staatsnahen Organisationen zunehmend schwieriger wird, eine unabhängige und auch positiv-kritische Position gegenüber Staat und Politik zu entwickeln.260 Problematisch ist des weiteren die verstärkte Ausschreibungspraxis vor allem im Bereich der Arbeits- und Berufsfördermaßnahmen. Hauptsächlich wird hier unterschieden zwischen direkter Arbeits- und Ausbildungsvermittlung und Tätigkeiten zur Wiederherstellung der Beschäftigungsfähigkeit, der Aktivierung von Eigenbemühungen und der personalen Unterstützung mit sozial- und arbeitsmarktintegrativer Zielsetzung. Letztere Maßnahmen werden ebenso wie das so genannte Casemanagement mehr und mehr von der Bundesagentur für Arbeit in einem Bieterverfahren ausgeschrieben. Mittels Privatisierung in Form der Beauftragung von Dritten mit der Erstellung von Leistungen, die bisher von öffentlichen Stellen erbracht wurde, nutzt man externe Wettbewerbsstrukturen, d.h. kommerziell arbeitende Bildungs- und Vermittlungsanbieter. Dabei handelt es sich verstärkt auch um europäische Anbieter. Der Einkauf von Arbeitsmarktdienstleistungen soll mit Hilfe von regionalen „Einkaufzentren“ der Bundesagentur optimiert werden. Dabei wurde die gesamte Durchführung von Vergabeverfahren gem. der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) zentralisiert und standardisiert.261 Im Förderbereich des SGB II, der im Gegensatz zum SGB III durch die Arbeitsgemeinschaften und optierenden Kommunen gesteuert wird, kommt es (bisher) nicht zu Ausschreibungen. Die Träger werden im Rahmen einer Beauftragung vertraglich gebunden. Dabei ist es

260 Ebd., S. 147 261 Vgl. Buestrich, M. (2007): Länger arbeiten für weniger Geld! Organisations- und Managementwandel im Gesundheits- und Bildungssektor – Auswirkungen auf Beschäftigung und Entlohnung. In: Dahme, H.-J./Trube, A./Wohlfahrt, N. (Hrsg.): Arbeit in sozialen Diensten: flexibel und schlecht bezahlt? Baltmannsweiler, S. 56

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Verhandlungsgegenstand, wie hoch die einzelnen Pauschalen pro zugewiesenem Teilnehmer etwa im Rahmen des Ein-Euro-Jobs oder Leistungen der Wiedereingliederung wie etwa Schuldnerberatung sind. Hier steht der Preis im Vordergrund. Außer einer „fachlichen und persönlichen Eignung“ des Personals werden hier kaum inhaltliche Qualitätsvorgaben gemacht. Die Qualität tritt in den Hintergrund.262 Eine Besetzung von Maßnahmeplätzen etwa durch die Arbeitsverwaltung wird nicht garantiert. Herausforderungen ergeben sich für die Träger auch aus der zugleich sinkenden Zahl der Teilnehmer in einzelnen Bereichen (v.a. bei beruflichen Bildungsmaßnahmen) aufgrund der verstärkten Eingliederungsorien-tierung. Hier wird meist eine „Eingliederungsquote“ in Arbeit von 70 % gefordert. Auf Seiten der Bildungs- und Beschäftigungsträger ist damit der Wettbewerb um potentielle Kunden (z.B. Bildungsgutscheinbesitzer) und die Konkurrenz um eine kostendeckende Refinanzierung von Personal und Einrichtungen eröffnet.263 Durch die zentralisierte Ausschreibungspraxis und die kurzfristigen Beauftragungen (zum Teil für wenige Monate) ist die Planungssicherheit der Träger stark begrenzt. Die Auswirkungen auf die Maßnahmequalität selber sind durch die ständige Fluktuation des Personals erheblich. Vor allem im Jugendbereich führt die Einstellung und Entlassung des Personals je nach Gewinn oder Verlust einer ausgeschriebenen Maßnahme in Abständen von einem Jahr dazu, dass die Jugendlichen keine festen Ansprechpartner mehr haben.264 Regional gewachsene Träger- und Kooperationsstrukturen werden zerschlagen, die Kontinuität pädagogischer Arbeit gefährdet und die Arbeitsbedingungen der Fachkräfte werden durch den Preiskampf verschlechtert.265 Obwohl die Arbeitsgemeinschaften und optierenden Kommunen auch die Möglichkeit zur Projekt- statt zur Kopfpauschalenfinanzierung gesetzlich hätten, findet dies in den wenigsten Fällen statt, obwohl dies für die Träger eine stärker kalkulierbare Finanzierung darstellen würde. Zusammenfassend ist jedoch festzustellen, dass vor allem im Bereich „Umsetzung der Hartz-Reformen“ und der damit einhergehenden Veränderungen von Leistungen der Arbeitsförderung und der Sozialen Arbeit, die Wohlfahrtsverbände zu keiner Zeit die Zusammenarbeit verweigert haben. Trotz vereinzelter kritischer Stimmen hat die Wohlfahrtspflege die Umsetzung der dargestellten Prozesse erst ermöglicht.

262 Ausschreibungsunterlagen der Arbeitsverwaltung: Vermittlung, Assessment und Förderung werden privatisiert – Sozialarbeit muss sich Preisdiktat stellen. (http://www.dbsh.de/html/eingangsseite.html, Stand 10.07.2007) 263 Buestrich, M. (2007): a.a.O., S. 55 264 Vgl. ebd., S. 57 265 Bemühungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit im Gespräch mit der Bundesagentur eine Änderung der Vergabepraxis zu erreichen, sind gescheitert. Vgl. Presseerklärung der BAG Jugendsozialarbeit vom 20.12.2005. Zitiert bei Buestrich, M. (2007): a.a.O., S. 58

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4.4 Auswirkungen auf die Beschäftigten im Sozialsektor

Ein großes Thema im Rahmen der Diskussion um die Veränderungen der Sozialen Arbeit ist die Situation der Beschäftigten im Sozialen Sektor. Eine deutliche Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse vor allem im Bereich der Erwachsenenbildung zeigt u.a. eine Studie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.266 Bei 18.000 Trägern der Weiterbildung267 gibt es insgesamt 1.350.000 Beschäftigungs- und Tätigkeitsverhältnisse von Lehrenden, aber nur 650.000 lehrende Personen, davon 150.000 Honorarlehrkräfte, denen 771.000 Tätigkeitsverhältnisse zugeordnet werden. Insgesamt sind also nur 13,5 % aller Lehrenden sozialversicherungspflichtig beschäftigt.268 Auch die Verdienstmög-lichkeiten verschlechtern sich stetig. Ein Beispiel hierfür sind die Arbeitsbedingungen im Rahmen der gesetzlichen vorgeschriebenen Integrationskurse für Migranten. Vor Inkrafttreten des Gesetzes waren 23 € pro Kurs die Regel, danach sanken die Stundensätze vielerorts auf unter 20 €, in ostdeutschen Regionen sogar auf unter 10€. Nicht vergütet werden Vorbereitungs- oder Fahrzeiten. Dies ist laut Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft nur ein Beispiel von vielen für die Zunahme von prekärer Beschäftigung im pädagogischen Bereich.269 Auch im Bereich der Einrichtung offener Ganztagsschulen ist die Erosion von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zu beobachten. In NRW beobachtet die GEW bei freien Trägern eine Unterfinanzierung der Betreuungsleistung durch zu geringe Pauschalen, die sie von den Kommunen für die betreuten Kinder bekommen, die dazu führt, dass Verträge bspw. nur befristet (teilweise für zwei Monate) ausgestellt werden, dass Eltern, Studenten, geringfügig Beschäftigte und sogar Ein-Euro-Jobber mit pädagogischer Arbeit betraut werden.270 Flächendeckend ist ein Absenken der Standards der Beschäftigung zu beobachten, allerdings liegen hier empirische Studien laut Deutschem Berufsverband für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Heilpädagogik e.V. (im Folgenden DBSH) nicht vor. Nodes beschreibt die Situation: “Bei Stellenbesetzungen im Umfeld des SGB II (Arbeitsvermittlung, 266 Bundesministerium für Bildung und Forschung (2005): Erhebung zur beruflichen und sozialen Lage von Lehrenden in Weiterbildungseinrichtungen des Instituts für Wirtschafts- und Sozialforschung. Kerpen (http://www.bmbf.de/pub/berufliche_und_soziale_lage_von_lehrenden_in_weiterbildungseinrichtungen.pdf, Stand 13.04.2007) 267 Hier sind im weiteren Sinne nicht nur die Tätigkeiten von Volkshochschulen und Kammern gemeint, sondern auch Berufsvorbereitende Maßnahmen sowie Eingliederungsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt sowie spezielle Maßnahmen für sozial benachteiligte, also ein klassisches Feld der Sozialarbeit. 268 Bundesministerium für Bildung und Forschung (2005): a.a.O., S. 3ff. 269 Odenwald, S. (2007): Pädagogische Tagelöhner. Weiterbildung: Einfallstor für prekäre Arbeit. In: Erziehung und Wissenschaft. Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW, 59. Jg., Heft 4/2007 S. 12-13 270 Heinemann, K.-H. (2007): Nur mit Zweitjob. Horterzieherin im Ganztag: skandalös bezahlt. In: Erziehung und Wissenschaft. Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW 59. Jg., Heft 4/2007, S. 10

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Anleitung Arbeitsgelegenheiten, Fallmanagement, Profiling, usw.) tauchen immer häufiger Formulierungen wie „Haustarif“ oder „nach Vereinbarung“ auf. Dort, wo konkrete Beträge genannt werden, beziehen sich diese auf Größen von 1.500 bis 2.000 Euro brutto. Bei geringfügiger Beschäftigung bewegen sich die angebotenen Stundensätze meist zwischen 8 und 15 Euro. Arbeitslosigkeit, 1-Euro –Jobs und prekäre Selbständigkeiten wirken damit negativ auf die Möglichkeiten, höhere Gehälter und Stundensätze durchzusetzen.“271 Der DBSH beklagt eine massive Verdrängung von Fachkräften in Sozialberufen durch Ein-Euro-Jobs. Es würde zwar niemand entlassen, aber freiwerdende Stellen von Fachkräften würden kontinuierlich durch Ein-Euro-Jobber besetzt. Dies betreffe Stellen von Erziehern, Sozialpädagogen und Lehrern. Die DBSH-Vorsitzende Frau Hille Gosejacob-Rolf ist davon überzeugt, dass „damit die Qualität gesenkt wird und Sozialarbeit beliebig“ wird.272 Von der Bundesregierung geplant war ein Stellenumfang der sogenannten Ein-Euro-Jobs von 630 000. Vor Hartz IV gab es im Rechtskreis des BSHG 250 000 Hilfe-zur-Arbeit-Stellen.273 Diese Zahl könnten die Einrichtungen aufnehmen. Bei einem größeren Umfang kann eine sinnvolle Beschäftigung laut DBSH nicht mehr gesichert werden.274 Zum Anderen sind die Beschäftigten in der Sozialen Arbeit selbst verstärkt von den Konsequenzen des SGB II betroffen. In Erwartung unter die Regelungen des SGB II zu fallen, haben sich 2004 insgesamt 1.220 Sozialarbei-ter/Sozialpädagogen in die Selbständigkeit mittels Ich-AG (641) und Überbrückungsgeld (579) „gerettet“. 2005 waren dies noch 1.059 Fachkräfte (Ich AG = 426, Überbrückungsgeld = 633). Interessanter aber noch ist die Zahl der in 1-Euro-Jobs vermittelten Fachleute. Sie belief sich bereits im ersten Jahr der Geltung des SGB II auf 458 Sozialarbeiter-/pädagogen. Oder anders: Jede 20te erwerbslose Fachkraft wurde in einen 1-Euro-Job vermittelt, jede 10. gilt über eine geförderte „Selbständigkeit“ nicht mehr als erwerbslos. Im Ergebnis hat sich die Erwerbslosigkeit bei Sozialarbeitern und Sozialpädagogen mit Fachhochschulabschluss auf hohem Niveau stabilisiert und wird zumindest kurzfristig – um Effekte wie 1-Euro-Jobs bereinigt – tendenziell eher wachsen.275 Die aktuellste Untersuchung zu den Beschäftigungsbedingungen im Sozialsektor seit Inkrafttreten des SGB II leisten Dahme, Trube und Wohlfahrt. 271 Nodes, W. (2006): Arbeitsverhältnisse von SozialarbeiterInnen werden immer prekärer. (http://www.dbsh.de/html/aktuelles6.html, Stand 09.06.2007) 272 http://www.dbsh.de/html/eingangsseite.html, 10.06.2007 273 Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind hier von Nodes nicht berücksichtigt worden und müssten noch hinzugerechnet werden. 274 http://www.dbsh.de/html/eingangsseite.html, 10.06.2007 275 Nodes, W. (2006): a.a.O.

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Sie registrieren sinkende Einnahmen bei stetig steigenden Qualifizierungsanforde-rungen aufgrund steigender beruflicher Anforderungen. Der neue, den Bundesangestelltentarif (BAT) ablösende Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVÖD) ist dafür nicht die alleinige Ursache, sondern nur Folge einer sich verändernden sozialen Berufslandschaft mit neuen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen. 276 Seit 1993 lassen sich die Erwerbstätigen im Sozialsektor trennschärfer entsprechend ihrer Berufsgruppe (wie Sozialarbeiter-/-pädagogen, Altenpfleger, und Erzieher) erfassen.277 Betrachtet man nur die Personenzahl, so hat die Erwerbstätigkeit in sozialen Berufen einen Höchststand von 1,4 Mio. Erwerbstätigen erreicht. Damit stieg die Zahl innerhalb von 12 Jahren um ca. 600.000. Betrachtet man jedoch das Arbeitsvolumen und die Differenzierung der Erwerbstätigkeit in Voll- und Teilzeittätigkeiten, ergibt sich eine Relativierung der Zahlen. Bei einer Gegenüberstellung der Daten der Jahre 1993 und 2004 zeigt sich, dass bei den Sozialarbeitern-/-pädagogen als auch bei den Altenpflegern neben der Erwerbstätigenzahl auch das Volumen an Vollzeitarbeitsplätzen mit 60.000 bzw. 147.000 deutlich gestiegen ist. Dagegen sank das Arbeitsvolumen der Erzieher trotz einer Personenzunahme um fast 40.000 um rechnerisch 3.000 Vollzeitstellen. Betrachtet man laut Züchner jedoch nur den Zeitraum seit 2002 wird ein leichter Abbau des Arbeitsvolumens der Sozialarbeiter-/-pädagogen um 5.000 Vollzeitstellen sichtbar. Für die sozialen Berufe insgesamt ist 2004 erstmals eine leichte Abnahme des Arbeitsvolumens zu verzeichnen.278 Besonders im Rahmen von Maßnahmen des SGB II als Fallmanager, Anleiter von Arbeitsgelegenheiten und als Arbeitsvermittler im Umfeld der Arbeitsgemein-schaften ist es verstärkt zur Einstellung von Sozialarbeitern gekommen. So positiv dieses Zeichen zu werten ist, bestätigt es zugleich den Trend hin zu einer Sozialarbeit, die entweder administrativ und „verrechtlichend“ tätig ist, oder aber über die Ausschreibung von Leistungen nur befristet mit bestimmten Tätigkeiten beauftragt wird.279

Im September 2004 wurden laut Züchner 123.000 Arbeitslose in den sozialen Berufen gemeldet. Nach Einführung der Gesetze zur Arbeitsmarktreform verschlechterte sich die Situation. Im September 2005 wurde mit 133.000 gemeldeten Arbeitslosen der Höchststand erreicht.

276 Vgl. Dahme, H.-J./Trube, A./Wohlfahrt, N. (Hrsg.) (2007): a.a.O., S. 7 f. 277 Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit ist hier weniger detailliert wie die Daten des Mikrozensus, der eine Befragung auf der Grundlage einer 1%-Haushaltsstichprobe darstellt. Vgl. Züchner, I. (2007): Die Entwicklung der sozialen Berufe: quantitative und qualitative Befunde. In: Dahme, H.-J./Trube, A./Wohlfahrt, N. (Hrsg.): Arbeit in sozialen Diensten: flexibel und schlecht bezahlt? Zur aktuellen Entwicklung der Beschäftigungsbedingungen im Sozialsektor. Baltmannsweiler, S. 15 278 Vgl. ebd., S. 17 279 Nodes, W. (2006): a.a.O.

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Züchner spricht deshalb nach der Bilanzierung der Arbeitsmarktstatistiken zwar noch nicht von Abbau, aber von Konsolidierung. Abnehmendes Arbeitsvolumen und steigende Arbeitslosenzahlen weisen bei anhaltend hohen Absolventenzahlen auf eine insgesamt schwierigere Beschäftigungssituation hin.280 Die sozialpolitischen Entwicklungen mit ihren vielfältigen Auswirkungen auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im sozialen Dienstleistungssektor erweist sich als kontraproduktiv, da sie, statt zur Entwicklung hochwertiger Dienstleistungen beizutragen, das Gegenteil bewirkt: der Niedriglohnsektor wird ausgedehnt und ein Großteil der Sozialen Arbeit wird, statt professionalisiert, an den Rand dieses Sektors gedrängt. Betroffen von dieser Entwicklung sind vor allem Frauen, die entweder in Teilzeittätigkeiten abgedrängt werden oder deren Berufsausübung sich prekarisiert, weil sie im Wettbewerb zu staatlich gefördertem ehrenamtlichen Engagement oder staatlich zwangsverordneten Arbeitsgelegenheiten stehen.281 Im Jahr 2005 betrug der Frauenanteil in den sozialen Berufen insgesamt 84% und der Sozialarbeiter und Sozialpädagogen 67%.282 Im Bereich der Fachhochschulabsolventen der Sozialarbeit beträgt der Anteil der vermittelten Teilzeitstellen am Gesamtmarkt 42 %, der Anteil der befristeten Stellen sogar 54 % (im Durchschnitt aller Akademikerberufe = 29 %). Das Normarbeitsverhältnis für Sozialarbeiter ist damit bereits heute die zeitlich befristete Teilzeitstelle. Dies sind deutliche Anzeichen für eine starke Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.283 Der gesamte soziale Bereich ist seit vielen Jahren laut Dahme und Wohlfahrt zwar auf Wachstumskurs. Der Wachstumskurs verläuft allerdings in Wellenbewegun-gen und bezieht sich nicht auf alle Tätigkeitsfelder. Dahme und Wohlfahrt sehen den sozialen Sektor in der Ambivalenz von steigender gesellschaftlicher Bedeutung und damit hoher Wertschätzung und einer faktisch eher niedrigen Bewertung der bezahlten sozialen Arbeit.284 Der Arbeitsmarkt für Sozialarbeiter ist tief gespalten: auf der einen Seite stehen diejenigen mit dauerhaft sicherer Arbeitsperspektive v.a. bei öffentlichen Trägern, und auf der anderen Seite diejenigen, die mit schlechterer Bezahlung und weniger Beschäftigungsumfang immer wieder Angst vor Erwerbslosigkeit haben müssen. Insbesondere im Kontext von SGB II und III Maßnahmen sind ortsungebundene und private Anbieter auf dem Markt aufgetreten, deren Geschäftsführer und 280 Vgl. Züchner, I. (2007): a.a.O., S. 20 281 Vgl. Dahme, H.-J./Trube, A./Wohlfahrt, N. (Hrsg.) (2007): a.a.O., S. 9 282 Vgl. Mauerer, S. (2005): Soziale Arbeit als Frauenberuf. In: Otto, H.-U./Thiersch, H. (Hrsg.): Handbuch Sozialarbeit/Sozialpädagogik. Neuwied, Kriftel. Berlin, S. 1598 – 1604 283 Vgl. Nodes, W. (2006): a.a.O. 284 Dahme, H.-J./Wohlfahrt, N. (2007): Vom Korporatismus zur Strategischen Allianz von Sozialstaat und Sozialwirtschaft: Neue `Sozialpartnerschaft´ auf Kosten der Beschäftigten? In: Dahme, H.-J./Trube, A./Wohlfahrt, N. (Hrsg.): Arbeit in sozialen Diensten: flexibel und schlecht bezahlt? Zur aktuellen Entwicklung der Beschäftigungsbedingungen im Sozialsektor. Baltmannsweiler, S. 23

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Eigentümer über niedrige Niveaus der Bezahlung Gewinne erwirtschaften wollen. Sozialarbeit gewinnt damit auch in ihren eigenen „Produktionsbedingungen“ den Charakter einer Ware.285 Durch die Implementierung neuer Steuerungselemente (wie Controlling, Qualitätsmanagement, Berichtswesen, etc.) verändern und erweitern sich die Anforderungen an die Fachkräfte. Nicht nur die Standards der eigenen Fachlichkeit, sondern auch die Effizienz der Arbeit wird zum Kriterium für Qualität (Wirksamkeitsorientierung). Der Fortbestand der bisherigen Arbeit wird aufgrund des Finanzierungsdrucks unmöglich und der Umbau der Organisationen wird überlebenswichtig.286 In einer Untersuchung aus dem Jahr 2005 stellen Dahme, Kühnlein und Wohlfahrt fest, dass der Einsatz von Controllingverfahren die Arbeitsorganisation und die Arbeitsinhalte verändert und im Kern ein neues Berufsverständnis sozialer Arbeit mit sich bringt. Die befragten Personen sehen sich überwiegend mit einer Verschlechterung ihrer Arbeitssituation in Bezug auf Arbeitsplatzsicherheit, Betriebsklima, Einengung von Gestaltungsspielräumen sowie Verlust an professionellen Standards konfrontiert.287 Für die betroffenen Mitarbeiter ist der Umstellungsprozess mit erheblichen Mehrbelastungen verbunden, die Dahme und Wohlfahrt zusammenfassen:

- „neue organisatorische und administrative Rahmenbedingungen für die Fallarbeit; Übernahme von reinen Verwaltungsfunktionen (z.B. wegen Einsparung von Verwaltungskräften zu Lasten der sozialpädagogischen Fachkräfte)

- neue Formen der Fallbearbeitung und Falldokumentation (im Rahmen des Case-Managements)

- Wandel der Fallarbeit zum Vermittlungscoaching in den ersten Arbeitsmarkt

- Projektakquise und –abwicklung (Kontaktaufnahme, Verhandlungen mit den Kontraktpartnern, neue Verfahren der Antragstellung und Abrech-nung)

- Entwicklung von Marketingstrategien - Die Entwicklung und Pflege von Qualitätsmanagementsystemen;

Übernahme von Managementfunktionen bei gleich bleibender Bezah-lung.“288

Vor dem Hintergrund von Stellenkürzungen werden diese Tätigkeiten meist auf das vorhandene Personal aufgeteilt und müssen „integrativ“ bewältigt werden. Die

285 Vgl. Nodes, W. (2006): a.a.O. 286 Vgl. Dahme, H.-J./Wohlfahrt, N. (2007): a.a.O., S. 24 287 Vgl. ausführlicher die Befragungsergebnisse der Studie bei Dahme, H.-J./Kühnlein, G./Wohlfahrt, N. (2005): Zwischen Wettbewerb und Subsidiarität. Wohlfahrtsverbände unterwegs in die Sozialwirtschaft. Berlin, S. 241ff. 288 Dahme, H.-J./Wohlfahrt, N. (2007): a.a.O., S. 25

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Folge sind unbezahlte Mehrarbeit, Einschränkung bisheriger Tätigkeitsgebiete oder Delegation von Arbeitsaufgaben (z.B. an Ehrenamtliche). Die Autoren stellen fest, dass die Beschäftigten beklagen, dass die für soziale Tätigkeiten charakteristische Beziehungsarbeit, d.h. die `ganzheitliche Arbeit am und mit dem Menschen´ an den Rand gedrängt wird.289 Besonders die bereits erläuterte Soziale Arbeit in Zwangskontexten stellt für die Fachkräfte eine starke Belastung dar.290 Das politische Einfordern berufsständiger Standards ist deshalb nicht nur für die Einhaltung professioneller Prinzipien, sondern auch für die Erhaltung der Gesundheit und des Lebensstandards der Beschäftigten notwendig.

4.5 Zusammenfassung

Soziale Arbeit findet im Spannungsfeld verschiedener gesellschaftlicher Interessen statt. Darüber hinaus sind wissenschaftliche Untermauerung und die Überprüfbarkeit der Erfolge nicht immer eindeutig möglich. Deshalb ist die Auseinandersetzung um die Definition sozialer Probleme, die Definition von Fachlichkeit, Handlungsebenen und angemessener Methoden, kurz die berufsethischen Prinzipien, ständig - besonders aber in Umbruchzeiten - notwendig. In den letzten Jahren fand eine schleichende Funktionsverlagerung in der Sozialen Arbeit statt. Methoden und Instrumente aus dem betriebswirtschaftlichen Management wie Qualitätsmanagement und Controllingverfahren professionalisierten zwar die Strukturen Sozialer Arbeit, schufen aber zunehmend „Erfüllungsgehilfen ohne eigenes Profil“. Diskussionen über die Folgen der gesellschaftlichen Entwicklung und ihrer Auswirkungen auf die Soziale Arbeit bleiben weitgehend außen vor. Prinzipien wie „Hilfe zur Selbsthilfe“ oder „Ressourcenorientierung“ werden im aktivierenden Kontext widersprüchlich; „Integration in das Normalarbeitsverhältnis“ als unhinterfragtes Arbeitsziel verliert angesichts der Heterogenisierung der Normalität ihre Aussagekraft und könnte in der Praxis durch „ständiges Ausloten von Freiräumen für die Nutzer“ ersetzt werden (4.1.). Das Verhältnis von Sozialarbeiter und „Klient“ verändert sich dadurch ebenfalls schleichend. Die aktivierende Arbeitsmarktpolitik geht vom Menschenbild des „homo oeconomicus“ aus. Sie operiert mit Begriffen wie Eingliederung, mit einer Dienstleistungslogik („Eingliederungsvereinbarung mit Kunden“) und lässt

289 Vgl. ebd., S. 25 290 Vgl. Kähler, H. (2005): a.a.O., S. 81

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darüber hinaus gehende lebensweltliche Fragen, sowie das Machtungleichgewicht der Akteure außen vor. Soziale Arbeit wird dadurch erschwert, weil sich diese eben nicht auf ein Dienstleistungsverhältnis reduzieren lässt und Zwangskontexte dem Aufbau eines Vertrauensverhältnisses, in diesem Rahmen Grundvorausset-zungen für angemessene Problembearbeitung, grundsätzlich widersprechen. Folgen sind ein weit verbreitetes Vermeidungsverhalten und ein in gewisser Weise, „gesunder“ Widerstand der „Kunden“ mit den Folgen „professioneller Lähmung“ auf der einen und Reaktanzproblemen auf der anderen Seite (4.2.). Auch die Trägerorganisationen sind von diesem Szenario massiv betroffen. Der „Dritte Sektor“ gewinnt zwar in vielerlei Hinsicht an Gewicht, die sozialpolitischen Rahmenbedingungen werden dem allerdings nicht gerecht. Die Trägerlandschaft ist höchst heterogen. Sie reicht von großen Trägern, die für kommunale Pflichtaufgaben quasi als Subunternehmen agieren, bis hin zu kleinen Trägern, die freiwillige soziale Aufgaben übernehmen und meist sozialräumlich mit viel ehrenamtlichem Engagement arbeiten. Gemeinsame Tendenzen bei der Wahl der Organisationsform sind der Wandel vom Verein hin zur (gemeinnützigen) GmbH. Bei der Mittelakquise verlieren öffentliche Mittel an Bedeutung, die Erwirtschaftung von Eigenmitteln steigt dagegen, was eine gewisse Ökonomisierung dokumentiert. Sowohl die zunehmende Ausschreibungspraxis mit Bieterverfahren, als auch die Praxis der Finanzierung über Fallpauschalen schafft Planungsunsicherheit, größere Fluktuation der Beschäftigten und ein Sinken der Maßnahmequalität. Eingliederungsquoten als quantitative Messlatte für den Erfolg der Sozialen Arbeit berücksichtigen viele entscheidende Kriterien der qualitativen Arbeit in keiner Weise (4.3.). Auf die Beschäftigten in den Einrichtungen wirkt sich diese Entwicklung ebenfalls negativ aus. Der steigenden Bedeutung der Sozialen Arbeit durch erhöhte Anforderungen steht eine faktisch schlechtere gesellschaftliche Bewertung gegenüber, die sich für die Beschäftigten in einer Senkung des Lohnniveaus und einer massiven Verringerung von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in unbefristeten Vollzeitarbeitsstellen ausdrückt. Der Kostendruck wirkt sich auch in Form steigender unbezahlter Mehrarbeit durch wesentlich erhöhten Verwaltungsaufwand aus und schließlich in der zunehmenden Verdrängung von Fachkräften durch „Ein-Euro-Jobber“. Die gestiegenen administrativen und verrechtlichten Aufgaben lassen die klassische Beziehungsarbeit mehr und mehr in den Hintergrund rücken. Zur Erhaltung professioneller Standards und zur Erhaltung der Gesundheit und des Lebensstandards der Beschäftigten ist die Etablierung berufsständiger Standards dringend erforderlich (4.4.).

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5. Alternative Handlungsszenarien für Soziale Arbeit mit Langzeitarbeitslosen Durch die gesetzlichen Veränderungen und die Krise der Lohnarbeit ergeben sich wie dargestellt für Träger, Betroffene und Fachkräfte gleichermaßen negative Auswirkungen. Im Rahmen der Professionalisierungsdebatte ist es zwingend notwendig nach Alternativen zu suchen. Nach der Darstellung der Instrumente Sozialer Arbeit mit Langzeitarbeitslosen und ihrer Nachteile beschäftigt sich das 5. Kapitel nun mit bereits vorhandenen Projekten und den noch nicht umgesetzten Projektskizzen zu alternativen Handlungsszenarien für die Soziale Arbeit mit Langzeitarbeitslosen. Um den in Kapitel 2.3 dargestellten Bedarf Sozialer Arbeit im Bereich Langzeitarbeitslosigkeit zu decken, d.h. die Schaffung neuer und dauerhafter Beschäftigungsformen, die Abmilderung der Folgen von Arbeitslosigkeit und die Unterstützung der Selbsthilfepotentiale zu realisieren, haben meines Erachtens die bisherigen Instrumente in vielen Bereichen versagt. Die politische Debatte um einen so genannten „3. Arbeitsmarkt“ zeigt die Notwendigkeit umfangreicherer Lösungen. Zur Verortung neuer Projekte der Sozialen Arbeit mit Langzeitarbeitslosen und der Notwendigkeit einer besonderen Förderung langzeitarbeitsloser Menschen ist hier das Theorem der „Lokalen Ökonomie“ geeignet.

5.1 Gegenwärtige politische Debatte um einen „3. Arbeitsmarkt“

In den letzten Jahren wurde die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hauptsächlich über eine Deregulierung und die Implementierung eines Niedriglohnsektors betrieben. Die Befürwortung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors bzw. 2. Arbeitsmarktes291 löst immer wieder Diskussionen über dessen Wirksamkeit aus. Eine Debatte über den so genannten 3. Arbeitsmarkt ist ohne einen Definitionsversuch des 2. Arbeitsmarktes nicht möglich. Als zweiter Arbeitsmarkt wird jener Bereich des Arbeitsmarktes definiert, der ausschließlich zur Beschäftigung von Arbeitslosen geschaffen und öffentlich finanziert wird. Nicht das zu erstellende Produkt oder die Dienstleistung steht im Vordergrund, sondern die Schaffung von Arbeitsplätzen für Arbeitslose. Je nach Zielsetzung und politischer Grundstimmung gibt es zweite Arbeitsmärkte in sehr unterschiedlicher Ausprägung: Geschützte Werkstätten für Behinderte oder z.B. reguläre Arbeitsplätze im Non-Profit-Bereich zur Befriedigung gesellschaftlich wichtiger Bedürfnisse. Die

291 Der Begriff des zweiten Arbeitsmarktes ist missverständlich, da er eine vorgestellte Rangfolge oder Abschottung zum regulären (1.) Arbeitsmarkt nicht ausschließt. Vgl. Trube, A. (1997): Zur Theorie und Empirie des Zweiten Arbeitsmarktes: Exemplarische Erörterungen und praktische Versuche zur sozioökonomischen Bewertung lokaler Beschäftigungsförderung. Münster, S. 2

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Auseinandersetzung über den so genannten zweiten Arbeitsmarkt besteht, seit es arbeitsmarkt- bzw. beschäftigungspolitische Maßnahmen gibt, weil er „im Spannungsfeld zwischen produktiver Wertschöpfung und Profitkalkül zum einen und sozialer Gerechtigkeit und öffentlicher Güterproduktion zum anderen zu verorten ist.“.

292 Seine Grenzen sind deshalb sehr unscharf. Dieses Spannungsfeld zeigt sich auch in anderen Bereichen. Einerseits erfüllt öffentlich geförderte Beschäftigung gesellschaftspolitisch wichtige soziale Funktionen. Andererseits geht es darum, dem Verlust von Humankapital während der Arbeitslosigkeit entgegen zu wirken, potentiellen Arbeitgebern mit der Aufnahme einer Tätigkeit Arbeitsbereitschaft zu signalisieren und eine erfolgreiche Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt zu erreichen. Ohne auf die Wirksamkeit der Instrumente des zweiten Arbeitsmarktes näher eingehen zu wollen293 zeigen Evaluationsstudien jedoch, dass nur wenige Beschäftigtengruppen des zweiten Arbeitsmarktes tatsächlich einen besseren Zugang in den ersten Arbeitsmarkt finden als vergleichbare Arbeitslose. Für einige Gruppen kann die Beschäftigung auf dem zweiten Arbeitsmarkt sogar die Integration in den ersten Arbeitsmarkt behindern.294 Die negative Wirkung der Teilnahme an einer ABM wird erstens mit verringerten Bemühungen des Teilnehmers um einen Arbeitsplatz vor und während der ABM und zweitens mit einer Stigmatisierung des Teilnehmers bei potentiellen Arbeitgebern begründet.295 Für eine Bewertung der Beschäftigungswirkung auf gesamtwirtschaftlicher Ebene müssen schließlich Mitnahme- und Substitutionsef-fekte berücksichtigt werden. Mitnahmeeffekte ergeben sich, wenn Arbeitslose auch ohne Förderung eingestellt worden wären. Substitutionseffekte treten auf, wenn ungeförderte Beschäftigung durch geförderte Beschäftigung ersetzt wird.296

Durch die Einführung der so genannten Hartz-Gesetze kam es zu einem Systembruch in der Arbeitsförderung, in dem die Gleichstellung von Beschäftigungsverhältnissen des ersten und zweiten Arbeitsmarktes aufgehoben wurde. Ansprüche auf Leistungen des Arbeitslosengeld I können nur noch durch eine ausreichend lange versicherungspflichti-ge Erwerbstätigkeit am ersten Arbeitsmarkt erworben werden, was früher auch durch Beschäftigungsmaßnahmen wie etwa dem Programm „Hilfe zur Arbeit“ möglich war. Arbeitsbeschaffungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie Arbeitsgelegenheiten mit 292 Hier ist darauf hinzuweisen, dass z.B. auch „ungeförderte“ Beschäftigung im 1. Arbeitsmarkt je nach Branche mehr oder weniger subventioniert sein kann. Vgl. Trube, A. (1997): a.a.O., S. 2f. 293 Siehe dazu u.a. Koße, S./Luschei, F. u.a. (2003): Neue Arbeitsplätze durch ABM? Exemplarische und quantitative Studien über arbeitsplatzgenerierende Effekte im Rahmen von öffentlich geförderter Beschäftigung. IAB Werkstattbericht Nr. 11 294 Vgl. Caliendo, M./Hujer, R./Thomsen, S. (2004): Evaluation der Eingliederungseffekte von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in reguläre Beschäftigung für Teilnehmer in Deutschland. Zeitschrift für Arbeitsmarktforschung 3/2004, S.11-37. Zitiert bei: Bernhard, S./Hohmeyer, K./Joswiak, E. (2006): Zweiter Arbeitsmarkt. Im Westen noch nichts Neues. IAB Kurzbericht Nr. 24 295 Vgl. Hagen, T./Steiner, V. (2000): Von der Finanzierung der Arbeitslosigkeit zur Förderung von Arbeit. Analysen und Empfehlungen zur Arbeitsmarktpolitik in Deutschland. Baden-Baden. Zitiert bei: Bernhard, S./Hohmeyer, K./Joswiak, E. (2006): a.a.O. 296 Vgl. Emmerich, K. (1997): Kosten und Nutzen des "Zweiten Arbeitsmarktes". In: L. Montada (Hrsg.), Beschäftigungspolitik zwischen Effizienz und Gerechtigkeit. Frankfurt am Main S. 105

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Mehraufwandsentschädigung ermöglichen dagegen keine Rückkehr in die Arbeitslosenversicherung mehr. Das hat die langfristige „Aussteuerung“ aus der Arbeitslosenversicherung zur Folge und führt nicht nur zu Einkommenseinbußen, sondern wird auch aus biografischer Perspektive riskant. Wer einmal in den Bezug von Arbeitslosengeld II übergegangen ist, hat geringere Chancen als früher, wieder aus der „Fürsorge“ in das Versicherungssystem aufzusteigen.297 Hinzu kommt die Kurzfristigkeit der Maßnahmen, die zur Überprüfung der Arbeitsfähigkeit und nicht zur langfristigen Begleitung von Wiedereingliederungsprozessen führen. Von Seiten des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Einzelgewerkschaften wurde daher die Kampagne gegen die Arbeitsgelegenheiten verstärkt. Damit koordiniert lancierten gewerkschaftsnahe bzw. sozialpolitisch orientierte Teile der Wohlfahrtsverbände einen Vorstoß für eine Renaissance der sozialversiche-rungspflichtigen Arbeit in der geförderten Beschäftigung. 298 Gegenwärtig wird die Ausweitung geförderter Beschäftigung unter dem Stichwort „dritter Arbeitsmarkt“299 diskutiert.300 Dabei geht es um die Förderung von Personen mit besonderen Vermittlungshemmnissen, die nicht mehr zeitlich begrenzt, sondern dauerhaft wäre. Konzepte eines „dritten Arbeitsmarkts“ gehen von der (letztlich trivialen) Feststellung aus, dass es unter den langzeitarbeitslosen ALG-2-Beziehern Hunderttausende gibt, die aller Wahrscheinlichkeit nach jetzt und in Zukunft keinen Platz im allgemeinen Arbeitsmarkt finden werden. Diese Aussage kann wohl von allen Praktikern der Arbeitsförderung unterschrieben werden. Zur näheren Bestimmung dieses arbeitsmarktfernen Personenkreises dienen drei Kriterien:

- Langzeitarbeitslosigkeit von einem Jahr und mehr - Multiple Problemlagen (nach Schätzungen des IAB betrifft dies 400.000

Personen)

297 Vgl. Barthelheimer, P./Baethge-Kinsky, V./Wagner, A. (2006): Zu den Auswirkungen von Hartz IV auf den Arbeitsmarkt – Fakten und Fragen. In: Intervention. Zeitschrift für Ökonomie. 3. Jg. Heft 1, S. 18 298 Die Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung machten im Oktober 2005 mit 79,7 % den größten Anteil aller Beschäftigung schaffenden Maßnahmen aus. Demgegenüber hatten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) einen Anteil von 13,3% und Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante (Sozialversicherungspflicht ohne Arbeitslosenversicherung) einen Anteil von 3,7 %. Vgl. ebd. 299 Um Diskriminierung der potentiellen Beschäftigten zu vermeiden auch „Integrationsarbeitsmarkt“ genannt. 300 Vgl. u.a. Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V. (07/2006): Option sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Konzept zum Passiv-Aktiv-Transfer. Stuttgart; Bundesarbeitsgemein-schaft Arbeit (08/2006): Regionales Integrations-System. Perspektiven für schwer Vermittelbare am Arbeitsmarkt gestalten – Ein Vorschlag der bag arbeit e.V.. Berlin; Deutscher Gewerkschaftsbund/Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. / Deutscher Paritätischer Wohlfahrts-verband/Diakonisches Werk der EKD (11/2006): Mehr Beschäftigung für Benachteiligte schaffen – Thesen zur Weiterentwicklung von öffentlich geförderter Beschäftigung. Gemeinsame Erklärung. Berlin; Brandner, K. /Laumann, K.-J. (11/2006): Perspektiven für Langzeitarbeitslose mit besonderen Vermittlungshemmnissen. Berlin; Koch, S./Kupka, P. (2007): Geförderte Beschäftigung für leistungsgeminderte Langzeitarbeitslose? Expertise im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung. Berlin. Sowie Bundesministerium für Arbeit und Soziales (05/2007): Bericht der „Arbeitsgruppe Arbeitsmarkt“. Berlin (http://www.bmas.bund.de/BMAS/Redaktion/Pdf/Pressemitteilungen-Pressetermine-Anhaenge/2007-05-09-bericht-der-arbeitsgruppe-arbeitsmarkt,property=pdf,bereich=bmas,sprache=de,rwb=true.pdf, Stand 13.06.07)

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- Personen, die längere Zeiten ohne sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gewesen sind, d.h. z.B. nur geringfügig beschäftigt waren.301

Die bisherigen Überlegungen und vor allem die Vorschläge der Bundesagentur selbst folgern aus der Beobachtung, dass den „Schwächsten der Schwachen“ aus sozialpolitischem Motiv heraus („soziale Integration“) ein dauerhaftes sozialversiche-rungspflichtiges Arbeitsverhältnis in einem „dritten Arbeitsmarkt“ angeboten werden solle.302 Laut Senius können die arbeitsmarktpolitischen Instrumente, die an individuellen Defiziten ansetzen, Probleme struktureller Arbeitslosigkeit nicht lösen. Eingliederungszuschüsse, Trainingsmaßnahmen oder ABM könnten die fehlende Nachfrage nach diesen Arbeitskräften nicht ausgleichen, berücksichtigen Defizite und Ressourcen dieser Zielgruppe nicht und förderten nur befristete Beschäftigung auf dem zweiten Arbeitsmarkt.303 Das Konzept der Arbeitsgruppe der Bundesagentur sieht deshalb in Eckpunkten vor, dass gemeinwohlorientierte Beschäftigung organisiert werden soll, um die Ressourcen des Sozialraums und der lokalen Ökonomie in Kooperation mit den Akteuren vor Ort (Handwerk, Industrie, Beschäftigungsträger und Bürger) zu nutzen. Die Beschäftigung soll unbefristet, freiwillig und sozialversicherungspflichtig304 sein. Die zu verrichtenden Arbeiten sollen möglichst marktfern sein, um nicht die private Wirtschaft zu schädigen, sie sollen also das Kriterium der „Zusätzlichkeit“ erfüllen. Da nichts Marktgängiges erwirtschaftet wird, müssen alle Kosten öffentlich finanziert sein. Neben einer Bündelung aktiver und passiver Leistungen im SGB II sind weitere Finanzierungsquellen erforderlich (Projektfinanzierungen aus Sonderprogrammen von EU, Bund, Land und Kommunen sowie private Finanzmittel). Dies bleibt jedoch sehr vage.305 Das Konzept sei aber (hier schwanken die Angaben der jeweiligen Autoren) nur geringfügig aufwendiger, nicht teurer, wenn nicht billiger als die derzeitigen Arbeitsgelegenheiten. Auch gibt es unterschiedliche Vorschläge zur Form der Beschäftigung. Einige Vorschläge greifen auf Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigungen plus einer Förderung der Beschäftigungsträger zurück, andere sehen die Lösung in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung wie die Berechnungen des Passiv-Aktiv-Transfers der Diakonie. Die so genannten „passiven Leistungen“ (Unterhalt und Kosten

301 Vgl. Barthelheimer, P. (2006): Alternativen zu Zusatzjobs – Ein Konzept der Bundesagentur. Monitor Arbeitsmarktpolitik. (http://www.monapoli.de/cps/rde/xbcr/SID-3D0AB75D-F19D614D/monapoli/gefoerderte_Beschaeftigung.pdf, Stand 13.04.2007) 302 Vgl. Arbeitsgruppe Alternative Beschäftigungsformen im Zentralbereich S der Bundesagentur für Arbeit (2006): Alternative Beschäftigungsformen im Bereich des SGB II. Standardpräsentation. Nürnberg sowie Senius, K./Bundesagentur für Arbeit (2006): Chancen und Grenzen alternativer Beschäftigungsformen. In: Dokumentation des 77. Deutschen Fürsorgetages in Düsseldorf. S. 272 - 276 303 Senius, K./Bundesagentur für Arbeit (2006): a.a.O. 304 Damit auch dieses Modell ebenso wie die Arbeitsgelegenheit in Entgeltvariante nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SGB II nicht neue Leistungsansprüche im Versicherungsbereich hervorruft, soll laut BA die Versicherungspflicht auf Kranken- und Rentenversicherung beschränkt werden. 305 Vgl. Arbeitsgruppe Alternative Beschäftigungsformen im Zentralbereich S der Bundesagentur für Arbeit (2006): a.a.O.. Sowie Senius, K./Bundesagentur für Arbeit (2006): a.a.O.

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der Unterkunft) plus die derzeitigen „aktiven“ Mittel im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit gem. § 16 SGB II reichen nach Berechnungen der Diakonie annähernd aus, das Arbeitgeberbrutto (niedrige Lohnstufe) zu finanzieren. Nach derzeitiger Rechtslage dürfen die passiven Leistungen aber nicht „umgewidmet“ werden. Folglich müssten die Kosten für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vollständig aus dem Budget der aktiven Hilfen geleistet werden, was dieses jedoch sprengen würde. Problematisch bzw. vage bleibt bei allen Modellen, dass eine Finanzierung der Kosten für die Beschäftigungsträger nicht gewährleistet ist.306 Einerseits ist in der Diskussion, dass Träger als „Soziale Unternehmen“ am Markt agieren und einen Eigenerlös in die Finanzierung einbringen können. Andererseits soll wie beschrieben die Gemeinwohlorientierung und die Zusätzlichkeit (die bereits jetzt schon häufig im Rahmen der Ein-Euro-Jobs verletzt wird) garantiert werden. In diesem Spannungsfeld zeigt sich erhöhter Diskussionsbedarf. In allen Ausführungen zum dritten Arbeitsmarkt ist die Notwendigkeit einer besonderen Förderung für die Zielgruppe der Langzeitarbeitslosen jedoch unbestritten. Kritiker der bisherigen Überlegungen konstatieren jedoch, dass die Bestrebungen des dritten Arbeitsmarktes die Verabschiedung von dem Ziel der Eingliederung auf den ersten Arbeitsmarkt ist. Des Weiteren sei die Gefahr groß, dass die Beschäftigungsbe-dingungen im Gegensatz zu den Bedingungen des ersten Arbeitsmarktes derart günstig seien, dass Ungleichheiten zu erwarten sind. Auch die Unterscheidung des zweiten und dritten Arbeitsmarktes verwischt hier. Während die Beschäftigten des zweiten Arbeitsmarktes mit der Mehraufwandsentschädigung konfrontiert sind, gibt es im dritten Arbeitsmarkt „richtige“ Arbeit. Die von der Bundesagentur in ihren Vorüberlegungen geplanten 100.000 Plätze wären sehr schnell besetzt, was zur Folge hätte, dass aufgrund niedriger Fluktuation nur eine bestimmte Gruppe profitieren würde. Schomburg etwa sieht eine Gefahr darin, dass diese Form der Beschäftigung nicht auf die Beschäftigungsfähigkeit des ersten Arbeitsmarktes vorbereitet, weil es sich hier oft um Bedingungen handelt, die aufgrund der Zusätzlichkeit eine Unterbeschäftigung während der Arbeitszeit zur Folge haben. Laut Schomburg gibt es deshalb keinen besonderen Bedarf für arbeitsmarktferne Zielgruppen. Er sieht in den bestehenden Instrumentarien ausreichende Möglichkeiten zur Förderung.307 Befürworter sehen sich darin bestätigt, dass die Aktivierungspolitik der letzten Jahre für einen großen Teil der Leistungsberechtigten keine Entwicklung herbeigeführt hat. Sie sehen in dem Konzept zum dritten Arbeitsmarkt unabhängig von ihrer Ausstattung die Chance, Erwerbslosigkeit als Chance und Ressource aufzugreifen.308

306 Vgl. Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V. (07/2006): a.a.O. 307 Schomburg, J. (2007): Wege und Irrwege der öffentlich geförderten Beschäftigung. Ein Appell zum Innehalten und zu einer Besinnung auf tatsächlich anstehende Aufgaben und Prioritäten. Offenbach. (http://www.lag-arbeit-hessen.de/fileadmin/user_upload/Wege_und_Irrwege_0507.pdf, Stand 13.06.2007) 308 Vgl. Barthelheimer, P. (2006): a.a.O.

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Wenn man die Thesen vom „Ende der Erwerbsarbeit“ im Sinne eines langfristigen Trends in den hoch entwickelten Ländern nicht völlig von der Hand weisen kann, ist die Schaffung von langfristigen und dauerhaften Lösungen durch geförderte Beschäftigung nicht fraglich. Fraglich sind jedoch, wie dargestellt, die Ausstattung, die rechtliche Grundlage, die Organisation und die Beschäftigungsfelder eines solchen geförderten Bereiches.

5.2 Die Theorie der Lokalen Ökonomie als Gegenkonzept – ein Versuch der Einordnung alternativer Handlungsszenarien

Um Projekte und Modelle der Beschäftigungsförderung, wie im Rahmen der Diskussion um einen dritten Arbeitsmarkt gefordert, mit den Bedürfnissen der Bürger in den Gemeinwesen und Quartieren sozialraumorientiert zu verknüpfen, eignet sich die Theorie der Lokalen Ökonomie. Zur Frage, wie Menschen ihre Bedürfnisse im Gemeinwesen befriedigen können, obwohl sie durch Arbeitslosigkeit von wirtschaftlichen Prozessen abgekoppelt sind, findet diese Theorie meines Erachtens umfangreiche Antworten. Unterschiedliche Definitionen von Lokaler Ökonomie lassen derzeit keine allgemeingültige Bestimmung zu. Die verschiedenen Begriffe wie „Solidarische Ökonomie“, „Gemeinwesenökono-mie“, „economie sociale“ oder „soziale Ökonomie“ zeugen davon.309 Der Begriff der Lokalen Ökonomie ist die Übersetzung des englischen „local economy“ und meint zunächst die Gesamtheit ökonomischen Handelns in Bezug auf ein geografisch begrenztes Gebiet oder einer Gebietskörperschaft, wie z.B. Städte, Stadtbezirke oder Gemeinden.310 Lokale Ökonomie versucht eine Verbindung von sozialem und ökonomischem Handeln herzustellen, weshalb dieser Theorieansatz für die Soziale Arbeit und ihrer Arbeit in Sozialen Betrieben und Unternehmen besonders interessant ist. Sie sucht nach neuen Formen des Wirtschaftens und lokalen Strategien der Selbsthilfe, die eng an die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Menschen vor Ort gekoppelt sind. Der Begriff der Lokalen Ökonomie macht sich die Vernetzung und Förderung kooperativer Handlungsstrategien zur Aufgabe. Mit der Zusammenfassung unterschiedlicher Wirtschaftsweisen unter dem Dach dieser Theorie sind nicht nur makro-, sondern auch mikroökonomische Ansätze, also privatwirtschaftliche, aber auch sozialökonomische (soziale Unternehmen) Ansätze gemeint.

309 Eine Auseinandersetzung mit der Begriffsabgrenzung ist hier nicht zu leisten. Zur genauen Abgrenzung der Begriffe siehe: Knabe, J. (2002): Lokale Ökonomie als Ansatz Sozialer Arbeit dargestellt am Beispiel Kölner Projekte. Diplomarbeit. Köln. S. 7-28 310 Vgl. Technologie-Netzwerk (Hrsg.) (1990): Lokale Ökonomie. Exploration und Evaluierung Lokaler Strategien in Krisenregionen. Band 1, Berlin, S. 19

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Abbildung 1: Entwicklungsperspektiven im 3. Sektor 311 In Abbildung 1 wird die Abgrenzung der unterschiedlichen Formen und Auffassungen von Lokaler Ökonomie deutlicher. Sie werden durch die grafische Darstellung innerhalb der im Modell als „Weltökonomie“ bezeichneten Umgebung des Weiteren in einen Zusammenhang gebracht. Deutlich wird, dass Lokale Ökonomie den anderen Konzepten übergeordnet ist und sich von der „Weltökonomie“ abgrenzt. Die Lokale Ökonomie wird demnach zunächst in die „Soziale Ökonomie“ (beinhaltet soziale Unternehmen und informelle Gemeinwesenunternehmen) und die „Schattenökonomie“ (beinhaltet eine kriminelle Formierung der illegalen Ökonomie312 und eine solidarische Formierung in Form von Nachbarschafts- und Selbsthilfe und Familienökonomie) unterteilt. Vor allem die Formen der „Sozialen Ökonomie“ sind im Rahmen der

311 Birkhölzer K. (2000): Das Dritte System – Versuch einer Begriffsklärung. In: Maecenata Institut für Dritter-Sektor-Forschung (Hrsg.): Maecenata Actuell Nr. 21, S.20 sowie Birkhölzer, K. (2000): Entstehungsgeschichte und Formen lokaler Ökonomie. In: Ihmig, H. (Hrsg.): Wochenmarkt und Weltmarkt – Kommunale Alternativen zum globalen Kapital. Bielefeld, S. 75 312 Hierunter wird v.a. Schwarzarbeit verstanden.

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Diskussion um Projekte der Beschäftigung entscheidend. Sie umfasst alle so genannten „Sozialen Unternehmen“ und die „formellen Gemeinwesenunternehmen“.313 Unter „sozialen Unternehmen“ sind Unternehmen oder Organisationen zu verstehen, die ein klares soziales Ziel anstreben und eine Form sozialer Dienstleistung anbieten. Sie reinvestieren ihre Überschüsse und kennzeichnen sich durch kooperatives Verhalten.314 Soziale Unternehmen können in Vereinsform marktwirtschaftlich tätig sein. Entgegen dieser Auffassung sind „formale Gemeinwesenunternehmen“ rein marktwirtschaftlicher Art, richten sich jedoch ausschließlich an das Gemeinwesen wie z.B. eine Fahrradwerkstatt oder ein Stadtteilladen, der selbst angebautes Gemüse verkauft. Einen Beitrag zur Bekämpfung von Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt leisten diese sozialen Betriebe bereits jetzt. Eine Ausweitung dieses Sektors ist zu beobachten, was im November 2006 ein Kongress mit 1400 Teilnehmern zu diesem Thema in Berlin gezeigt hat.315 Ihre Geschichte zeigt, dass sich vor allem in den 70er Jahren auch im Rahmen von Arbeitslosenprojekten immer wieder selbstverwaltete Betriebe und Beschäftigungsprojekte gründeten.316 Diese Projekte bestehen zum Teil bis heute, wobei viele ihre Prinzipien den Förderprogrammen für Beschäftigung angepasst haben und nur wenige Projekte ihren Selbstverwaltungscharakter aufrecht erhalten haben. Warum sich die Theorie der Lokalen Ökonomie für die Umsetzung einer anderen Form der Sozialen Arbeit mit Langzeitarbeitslosen eignet, zeigen vor allem die im Rahmen eines europäischen Forschungsprojektes festgelegten Qualitätsstandards von „Sozialer Ökonomie“:

- Menschen, die in der Sozialen Ökonomie tätig sind, arbeiten zum gegenseitigen Nutzen zusammen, denn Kooperation erzeugt für die Zusammenarbeit förderliche Synergieeffekte

- Bedürfnisse und Fähigkeiten der Bevölkerung als Mittelpunkt der ökonomischen Betätigung

- Demokratie im wirtschaftlichen und politischen Sinne, d.h. ein Recht auf aktive Beteiligung an Entscheidungsprozessen und Ressourcen muss ebenso gewähr-leistet sein wie die Befähigung zur Partizipation (Vorrangig sind hiermit Möglichkeiten gemeint, die es jedem ermöglichen seine Meinung zu äußern.)

- Gemeinnützigkeit im wirtschaftlichen Sinne: Eine Wertschöpfung erfolgt mit dem Ziel kollektiver Verfügung über die

313 Birkhölzer, K. (2000):a.a.O., S. 75 314 Mit kooperativem Verhalten sind hier Vernetzungsstrategien mit anderen Institutionen gemeint, sowie die Einrichtung von Partizipationsmöglichkeiten für die Mitarbeiter. Vgl. Technologie-Netzwerk und Europäisches Netzwerk für ökonomische Selbsthilfe und lokale Entwicklung (Hrsg.) (1997): Grundwerte und Strukturen sozialer Unternehmungen in Westeuropa. Berlin. S. 19 u. 48 315 „Wie wollen wir wirtschaften? Solidarische Ökonomie im globalisierten Kapitalismus.“ Kongress an der Technischen Universität Berlin im Nov. 2006. Vgl. http://www.solidarische-oekonomie.de, Stand 13.04.2007 316 Vgl. Peters, J. (Hrsg.) (1980): Die Geschichte alternativer Projekte von 1800 bis 1975. Berlin

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wirtschaftlichen Ergebnisse, d.h. es wird für das Gemeinwohl gewirtschaftet und nicht für individuelle Gewinne

- Dezentrale Organisation: Entscheidungen werden auf der möglichst untersten Ebene gefällt im Sinne der Subsidiarität. Geeignet sind kleinräumige Strukturen, die sich an den lokalen Bedingungen orientieren.

- Erhalt der Reproduktionsfähigkeit von Mensch, Natur, Kultur im Rahmen von Sustainable development (engl. = Nachhaltigkeit)

- Ganzheitliche Herangehensweise: Es geht um die Verbesserung der Lebensqualität auf allen Ebenen, der sozialen, der wirtschaftlichen, der individuellen und kollektiven Ebene.

- Ausgleich von Benachteiligungen: Ablehnung von Diskriminierung jeder Art durch die Eingliederung von allen Menschen in sozialökonomische Prozesse.

- Gute Arbeitsbedingungen: Sozial nützliche Arbeit steht an oberster Stelle. Gute Arbeitsbedingungen, hoher Sicherheitsstandard und soziale Absicherung sind notwendig. Die Arbeit muss an die Fähigkeiten und Ressourcen der Menschen vor Ort angepasst sein.317

- Erhalt und Wiederherstellung natürlicher, sozialer und kultureller Vielfalt – Pluraliät.318

Die Qualitätsstandards der „Sozialen Ökonomie“ stellen damit ein Gegenkonzept zu den Entwicklungen einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik dar. Ihre hohen Ansprüche sind als Maximalforderungen einer solidarischen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zu verstehen. Nichts desto trotz stellen sie deshalb einen Rahmen zur Diskussion alternativer Handlungsszenarien in der Sozialen Arbeit mit Langzeitarbeitslosen dar.

5.3 Ausgewählte Projektbeispiele Im Bereich der Sozialen Arbeit mit Langzeitarbeitslosen gibt es bereits zahlreiche (Modell-)Projekte, die zum einen den Umgang mit Arbeitslosigkeit individuell bearbeiten und auch neue Beschäftigungsmodelle erproben und durchführen. Die meisten dieser Projekte sind durch die Sozialleistungsträger oder durch die Angebote

317 Hier wäre eine genauere Definition „guter Arbeitsbedingungen“ notwendig. Denn meist haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer hierzu unterschiedliche Auffassungen. 318 Angelehnt an „Quality Standards in the Social Economy“, Ergebnisse einer Konferenz im April 1996 in Liverpool. In: Technologie-Netzwerk und Europäisches Netzwerk für ökonomische Selbsthilfe und lokale Entwicklung (Hrsg.) (1997): a.a.O., S. 6

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von Modellfinanzierungen und Ausschreibungen initiiert, d.h. die Träger der Wohlfahrtspflege orientieren sich an den finanziellen Möglichkeiten, die die Sozialpolitik ihnen bietet. Deutlich weniger Projekte entstehen heute aus der Selbsthilfe. Einige dieser Projekte schaffen es, sich nicht von den beschriebenen Bedingungen der Förderung einnehmen zu lassen, sondern ihre sozialen Standards aufrecht zu erhalten. Die ausgewählten Beispiele zeigen alternative Handlungsszenarien auf. Ein Teil dieser Projekte bestehen als Sozialbetriebe oder Genossenschaften. Andere Projekte sind zwar konzeptionell bereits durchdacht, wurden aber mangels geeigneter Rahmenbedingungen nicht umgesetzt, wie etwa das Projekt der Lokalen Bürgerarbeit.

5.3.1 Soziale Unternehmen Soziale Unternehmen319, die direkt am Markt aktiv werden, sind für Personen mit stark eingeschränkter Vermittlungsfähigkeit besonders geeignet, eine Form der Integration zu erreichen. Sie wenden sich an bestimmte Zielgruppen des Arbeitsmarktes und können gleichzeitig der Wirtschaftsförderung dienen. Zweck der Sozialen Unternehmen ist es, für arbeitslose Personen, die am Arbeitsmarkt benachteiligt sind, die Chancen dauerhafter Beschäftigung zu arbeitsmarktüblichen Bedingungen gezielt zu verbessern. Das spezifische Wissen und die Erfahrungen der Betroffenen sollen dabei genutzt und weiterentwickelt werden. Es geht dabei um Chancen, die rein erwerbswirtschaftliche Betriebe nicht bieten. Das allein rechtfertigt ihre öffentliche Förderung. Eine verbindliche Definition oder Klassifizierung gibt es bisher nicht. Eine Arbeitsdefinition des transnationalen Forschungsprojekts „Community Development and Social Enterprises“320 lautet: „1) Soziale Unternehmen versuchen, spezifische soziale Ziele durch ökonomische Betätigung zu realisieren. 2) Es sind „not-for-profit“-Organisationen in dem Sinne, dass alle erwirtschafteten Überschüsse entweder in ökonomische Aktivitäten des Unternehmens investiert oder in anderer Weise so genutzt werden, dass sie den gesetzten sozialen Zielen des Unternehmens dienen. 3) Ihre Strukturen sind so angelegt, dass das gesamte Vermögen und der akkumulierte Reichtum des Unternehmens nicht Privatpersonen gehören, sondern dass sie treuhänderisch zum Wohl derjenigen Personen und Gebiete verwaltet werden, welche als Nutznießer des Sozialen Unternehmens bestimmt worden sind.

319 Soziale Betriebe werden u.a. auch als Soziale Unternehmen, Arbeitsförderbetriebe oder Integrationsbetriebe bezeichnet. Die dahinter stehenden Konzepte unterscheiden sich jedoch meist nur unerheblich. 320 gefördert von der Europäischen Kommission, Generaldirektion Beschäftigung und Soziale Angelegenheiten im Rahmen des Programms „Maßnahmen zur Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung und Armut“

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4) Ihre Organisationsstrukturen zielen auf gleiche Rechte für alle und ermutigen alle Beteiligten, auf kooperativer Basis zu arbeiten. Ein weiteres Kennzeichen des Sektors der Sozialen Unternehmen ist, dass er die wechselseitige Kooperation zwischen Sozialen Unternehmen und anderen Organisationen der sozialen und lokalen Ökonomie fördert.“321 Zu unterscheiden sind des Weiteren unterschiedliche Formen von Sozialen Unternehmen:

1. Beschäftigungsgesellschaften sind Einrichtungen, die den von Arbeitslosigkeit be- drohten und/oder betroffenen Arbeitnehmern eine Brückenfunktion von „Arbeitsplatz alt“ zu „Arbeitsplatz neu“ anbieten. Diese Brückenfunktion ist zum einen gekennzeichnet durch eine finanzielle Existenzsicherung für die in der Beschäftigungsgesellschaft „Beschäftigten“, die in der Regel über dem Arbeitslosengeld liegt. Zum anderen handelt es sich um Angebote für eine individuell ausgerichtete Qualifizierung und für sonstige Unterstützungsmaßnahmen, um die Chancen für eine Integration in den 1. Arbeitsmarkt (oder zur Existenzgründung) zu schaffen oder zu verbessern. Typisch für die Brückenfunktion bei kurzfristig Arbeitslosen sind Zeitspannen bis zu 12 oder 24 Monaten, um den einzelnen Arbeitnehmer wieder in den 1. Arbeitsmarkt zu integrieren, bei Existenzgründungen zu helfen oder Einheiten (Unternehmen) aufzubauen, die sich ganz oder überwiegend durch eigenen Umsatz selbst finanzieren. Beschäftigungsgesellschaften sind an keine bestimmte Rechtsform gebunden und können auf staatlicher oder privater Initiative basieren. Beschäftigungsgesellschaften im engeren Sinne gehören zum 2. Arbeitsmarkt. Sie finanzieren sich überwiegend aus öffentlichen oder privaten Mitteln, die einen unterstützenden Charakter haben.

2. Sozialbetriebe Sozialbetriebe sind im Unterschied zu Beschäftigungsgesellschaften auf die Beschäftigung einzelner Arbeitsloser ausgerichtet, arbeiten also nicht als kollektive Auffanggesellschaft. Sozialbetriebe decken ihre Kosten überwiegend durch Umsatz. Dieser Umsatz stammt jedoch zu einem erheblichen Teil aus öffentlichen Aufträgen. Auf der kommunalen Ebene dienen Sozialbetriebe häufig dazu, Arbeitslosengeldemp-fängern statt der Gewährung von Arbeitslosengeld einen kommunal finanzierten Arbeitsplatz zu vermitteln, so dass die Kommune zwar unter dem Strich die gleichen 321 Vgl. Technologie-Netzwerk und Europäisches Netzwerk für ökonomische Selbsthilfe und lokale Entwicklung (Hrsg.) (1997): a.a.O., S. 14

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(oder höhere) Ausgaben hat, dafür aber eine für die Allgemeinheit nützliche Arbeitsleistung erhält.322

3. Selbstverwaltete Betriebe und Selbsthilfeunternehmen Hierunter fallen selbstorganisierte und kollektiv gestaltete Betriebe. Über deren tatsächliche Anzahl besteht keine Klarheit. Die Schätzungen schwanken je nach definitorischer Eingrenzung zwischen 3.500 und 12.000 Betrieben. Nach Schätzung des „Netzes für Selbstverwaltung und Selbstorganisation/NETZ“, das sich 1985 als Dienstleistungsverband und bundesweite Interessenvertretung für Selbstverwaltete Betriebe gegründet hat, existierten Mitte der 90er Jahre noch rd. 5.000 Selbstverwaltungsbetriebe in der Bundesrepublik. Dabei handelte es sich überwiegend um Kleinbetriebe, die sich zwar am genossenschaftlichen Prinzip der kollektiven Selbsthilfe orientierten, aber nicht den als überwiegend konservativ eingeschätzten etablierten Genossenschaftsorganisationen beitreten wollten. Im Mittelpunkt des Selbstverständnisses stand dabei zum einen das Prinzip der Selbstverwaltung im Sinne der basisdemokratischen Teilhabe aller Mitglieder an den unternehmerischen Entscheidungen und zum anderen „eine spezifische Produktorientierung“ im Sinne einer unternehmerischen Verpflichtung zu „sozial und ökologisch nützlichen Produkten“. Es verwundert nicht, dass viele selbstverwaltete Betriebe unter dem Druck wirtschaftlicher Konkurrenz bzw. mit dem Argument der Verbesserung der „Wirtschaftlichkeit“ nach und nach ihre sozialen Ansprüche, einschließlich der basisdemokratischen Prinzipien, mehr und mehr „heruntergefahren“ oder ganz aufgegeben haben. Wie viele sich auf diesem Wege von ursprünglich Sozialen Unternehmungen in „normale“ privatwirtschaftliche Kleinbetriebe verwandelt haben, ist nicht ohne weiteres festzustellen.323 Im Weißbuch über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (EU-Kommission 1993) wurde darauf hingewiesen, dass neue Beschäftigungsmöglichkeiten insbesondere auf der lokalen Ebene im Bereich bislang unversorgter Bedürfnisse zu finden sind. In der Folge hat die Forschungsstelle für Zukunftsfragen der Europäischen Kommission auf der Basis von Praxisbeispielen aus ganz Europa 17 (später 19) Wachstumsfelder für lokale Beschäftigungsinitiativen vorgestellt. Die Studien folgten der Erkenntnis, dass gerade in den von der wirtschaftlichen Entwicklung benachteiligten Gebieten kein Mangel an Arbeit herrscht, sondern ein Mangel in der Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen. Das betrifft: - die Versorgung der Grundbedürfnisse wie Ernährung und Wohnen,

322 Jobinitiative – Europäisches Netzwerk für Beschäftigungsgesellschaften (2000): Definitionen. (http://www.jobini.net/Auftritt/Down/BK_Defi2.pdf, Stand 30.06.2007) 323 Vgl. Birkhölzer, K./Kramer, L. (2002): Grundstrukturen und Erfolgsbedingungen Sozialer Unternehmungen in Deutschland. Technologie-Netzwerk Berlin e.V., S. 33

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- kleinräumige technische Systeme in den Bereichen Energie, Verkehr, Ver- und Entsorgung, - gemeindenahe Dienstleistungen in sozialer und produktiver Hinsicht, - die Förderung der lokalen Kultur, - die Naherholung und Freizeitgestaltung, - Umweltreparatur und Umweltprävention, - und nicht zuletzt die kommunale Infrastruktur. Allerdings hat der hier umrissene Markt zur Versorgung regionaler bzw. lokaler Bedürfnisse ein wesentliches Handikap. Den potentiellen Marktteilnehmern fehlt auf der Nachfrageseite, sowohl bei den privaten Haushalten als auch bei den betroffenen Kommunen, die erforderliche Kaufkraft, um daraus profitträchtige Geschäftszweige und entsprechende Unternehmensgründungen zu finanzieren. Umgekehrt fehlt den potentiellen lokalen Akteuren auf der Angebotsseite in der Regel das erforderliche Kapital, um einen lokalen Wirtschaftskreislauf in Gang zu setzen. Die Erschließung dieser lokalen Märkte setzt folglich wirtschaftliche Innovationen voraus – und zwar auf der betriebswirtschaftlichen Ebene der einzelnen Unternehmungen sowie auf der übergeordneten Ebene der unterstützenden bzw. intermediären Einrichtungen.324 Hier gilt es also die entsprechenden Rahmenbedingungen zu erforschen, die notwendig sind, um die Potentiale sozialer Unternehmen zu heben.325 Auffallend ist jedoch, dass z.B. im Second-Hand und Recyclingbereich mehr und mehr Initiativen zur Beschäftigung entstehen. Soziale Unternehmen gelten in der Europäischen Union als Beschäftigungsmotor.326 Der Gebrauchtwarenhandel und der Bereich der Abfallwirtschaft bieten vielen Benachteiligten auf dem Arbeitsmarkt neue Beschäftigungs- und Integrationsperspektiven. Sie bieten nicht nur Beschäftigung für Geringqualifizierte, insbesondere für die un- und angelernten Arbeitnehmer und die Migranten, die vom Arbeitsplatzabbau im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe besonders hart betroffen sind, sondern auch für die besonderen Problemgruppen des Arbeitsmarktes, wie die psychisch Kranken, Haftentlassenen und Jugendlichen ohne Ausbildung. Darüber hinaus finden hier oft auch ältere Arbeitnehmer als Anleiter mit handwerklicher Ausbildung ein Einsatzfeld. In der Existenzgründung von Second Hand Läden finden insbesondere Frauen neue Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit. Modellhaft 324 Birkhölzer, K./Kramer, D. (2002): a.a.O., S. 7 325 Der Forschungstand ist laut Technologie-Netzwerk und Forschungsgruppe um Birkhölzer sehr gering. Lediglich die Forschung des Bereiches Dritter Sektor lässt Vermutungen zu. Demnach sind Mitte der 90er Jahre ca. 500.000 Beschäftigte in Selbsthilfeunternehmen und Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften zu verzeichnen. Weitere Untersuchungen in diesem Bereich gibt es bisher nicht, so dass genaue Aussagen noch ausstehen. Ebd., S. 12 326 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit – Nationale Koordinierungsstelle Equal (Hrsg.): Sozial und wirtschaftlich – geht das? Wachstum und Diversifizierung in der Sozialwirtschaft. In: Equal Newsletter Nr. 11/Dezember 2004

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wird in der Second-Hand-Branche nach den Möglichkeiten konstruktiver Zusammenarbeit zwischen dem 1. und dem 3. Sektor, die häufig in Konkurrenz zueinander gesehen werden, gesucht. Die Entwicklung soll dabei nicht nur in horizontaler Richtung als Ausweitung auf Betriebe gleicher Struktur (Handelsbetriebe) erfolgen – es soll vielmehr erprobt werden, eine vertikale bzw. zirkuläre Erweiterung der Vernetzung mit dem Second-Hand-Handel vor- und nachgelagerten Unternehmen und Institutionen, u.a. Unternehmen des Handels, zu erzielen.327 Auch in weiteren Bereichen, wie etwa im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen sowie der Verbindung von Wohnungsbau und Beschäftigungsförderung gibt es Modellprojekte, die eine Kombination aus Erfüllung gemeinwesenbezogener Aufgaben und der Schaffung von Arbeitsplätzen im Rahmen eines sozial geförderten Unternehmens zum Ziel haben.328 Die meisten dieser Projekte eignen sich zwar für einen Ausbau im Rahmen alternativer Handlungsstrategien Sozialer Arbeit mit Langzeitarbeitslosen, sind jedoch den beschriebenen Widrigkeiten durch Förderbeschränkungen oder kurzfristigen Arbeitsförderungsprogrammen ausgesetzt. Soziale Unternehmen bilden ein wachsendes Segment in der Lokalen Ökonomie. Diese Entwicklung wurde durch die Einführung der Hartz-Gesetze massiv gestoppt bzw. nicht berücksichtigt. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Aufgrund ihrer Organisationsform schaffen es selbstverwaltete Betriebe oder Selbsthilfeunternehmen, sich teils mit großen Einschränkungen bei der Entlohnung der Mitarbeiter langfristig zu etablieren. Entscheidend für eine neue Rolle von Sozialer Arbeit mit Langzeitarbeitslosen ist jedoch das Potential Sozialer Unternehmen bei der Bildung von sozialem Kapital. Soziale Unternehmen sind in hohem Maße von der Motivation und dem Engagement ihrer Mitarbeiter und damit in einem hohen Maß von innerbetrieblicher Demokratie abhängig. Faktoren wie positive Arbeitserfahrung, Gegenseitigkeitsbeziehungen formeller und informeller Art, Schaffung gemeinsamer Werte und Verhaltensnormen, Zugehörigkeitsgefühl und Verantwortungsbewusstsein sowie soziale Netzwerke und Überlebensstrategien werden in sozialen Betrieben gefördert. Hier muss die Soziale Arbeit initiierend ansetzen.

5.3.2 Lokale Bürgerarbeit

327 Second-Hand vernetzt e.V. (2002): Equal – Second Chance. In: Zeitschrift „Secondhand Aktuell“ Nr. 2/2002 (http://www.secondhand-online.de/shared/materialien/shaktuell/auswahl/2_2002_Equal.pdf, Stand 30.06.2007) 328 Vgl. Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung gGmbH (1998): Neue Ansätze zur Verbindung von Wohnungsbau und aktiver Beschäftigungsförderung. Essen

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Das Modell der lokalen Bürgerarbeit ist eine Projektskizze einer Arbeitsgruppe, die im Kölner Arbeitslosenzentrum entstanden ist.329 Dieses Projekt ist 1998 konzeptionell erstellt worden. Da die Gruppe jedoch trotz weitgehender Vorbereitungen und Akquise von Teilnehmern und Arbeitgebern sowie positiven Rückmeldungen der ansässigen Arbeitsverwaltung keine Finanzierung bekam, wurde das Projekt nicht realisiert.330 Durch die systematische Verzahnung von regionaler Arbeitsmarktpolitik und solidarökonomischer Strategie, also der Erschließung gemeinwohlorientierter Tätigkeiten im lokalen Zusammenhang, ist dieses Projekt meines Erachtens ein Modell, welches als alternativer Handlungsansatz in der Sozialen Arbeit mit Langzeitarbeitslo-sen geeignet ist, den dargestellten Bedarf zu decken. Die Autoren verorten das Pilotprojekt im zweiten Arbeitsmarkt. Mit seiner Orientierung auf die gemeinschaftliche Selbstorganisation von Bürgern, dem Ziel der Erbringung gemeinwesenbezogener, nicht selbstlaufend marktgängiger Dienstleistungen, einer angestrebten Mischfinanzierung aus öffentlichen und eigenerwirtschafteten Mitteln sowie einem direkten Stadtquartiersbezug entspricht das Projekt der Definition der Kommission Europäischer Gemeinschaften für Beschäftigungsmaßnahmen im „Dritten Sektor“. Bewusst siedeln die Autoren das Projekt jedoch als alternative Vorgehensweise zur Erschließung weiterer Beschäftigungspotentiale im Dritten Sektor an331, betonen jedoch den solidarökonomischen Ansatz, der auf Selbsthilfe- und Partizipationsbestrebungen basiert. Ausgangspunkt der Projektüberlegungen waren die Strukturprobleme des Kölner Arbeitsmarktes, der durch Abbau eines großen Industriestandorts geprägt ist. Ein besonders hoher Anteil von Langzeitarbeitslosen, deren Industriearbeitsplätze abgebaut wurden, konzentriert in einzelnen Stadtvierteln, konnte nicht in neu angesiedelte Branchen transferiert werden. An der Projektkonzeption arbeiteten Praktiker der kommunalen Beschäftigungspolitik und lokale Akteure und Wissenschaftler aus dem Bereich der Arbeitsmarktforschung mit. Das besondere ist die Partizipation eines Kreises älterer Langzeitarbeitsloser, die durch eine im Kölner Arbeitslosenzentrum angesiedelte Gruppe in der Projektgruppe vertreten war. Das Arbeitslosenzentrum fungierte hier durch seine Funktion als

329 Bärsch, J./Derks, W./Münch, T./Potter, P./Wiedemeyer, M. (1999): Lokale Bürgerarbeit. Modellprojekt zur Erschließung und Erprobung von Beschäftigungspotentialen innerhalb des Dritten Sektors für ältere Langzeitarbeitslose im Kölner Arbeitsmarkt (Projektantrag), Köln 330 „Über die Gründe der Ablehnung einer Finanzierung kann ich nur spekulieren. Eine genaue Begründung haben wir von den Stellen, bei denen wir den Projektantrag eingereicht haben, nicht bekommen.“ Michael Wiedemeyer in einem persönlichen Interview am 1. Juni 2007 (Gesprächsaufzeichnungen können eingesehen werden) 331 Über die tatsächlichen Potentiale des Dritten Sektors gibt es sich widersprechende Auffassungen. Ebenso über die Definition des Dritten Sektors, worauf hier nicht im Einzelnen eingegangen werden kann. Vgl. hierzu Anheier, H./Seibel, W. (1990): The Third Sector: Comparative Studies of Non-Profit Organisations. New York sowie Anheier, H./Priller, E./Seibel, W./Zimmer, A. (1997): Der Dritte Sektor in Deutschland. Berlin

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Interessenvertretung für Arbeitslose als Keimzelle und konnte so die ehrenamtliche Unterstützungsinfrastruktur mobilisieren. Modellhaft ist des Weiteren die Verbindung öffentlicher Arbeitsmarktförderung mit tendenziell wettbewerbsfähiger kleinunternehmerischer Eigeninitiative, die mit ehrenamtlicher Tätigkeit kombiniert wird.332 Im Verlauf der Initiierungsphase wurden gemeinsam mit den Arbeitslosen Workshops durchgeführt mit dem Ziel, lokale Akteure einzubinden und mögliche Tätigkeitsfelder im Vorfeld auf ihre Marktfähigkeit und Umsetzbarkeit zu überprüfen. Dabei wurden auch ortsansässige Unternehmen in den Diskurs einbezogen.333 Der Modellversuch sollte den Teilnehmern die Möglichkeit geben, über einen längeren Zeitraum (geplant waren ca. 5 Jahre) in „gemeinwohlorientierten Tätigkeitsfeldern“ Arbeit zu finden. Angeschoben durch öffentliche Finanzierung aus arbeitsmarktpoliti-schen Mitteln und degressiv gezahlten Gründungszuschüssen sollte ein „fehlerfreundliches Agieren“ ermöglicht werden. Die Höhe der Entlohnung sollte zwischen Arbeitslosenunterstützung und regulärem Einkommen liegen. Als Zielgruppe wurden gezielt ältere Arbeitslose angesprochen, deren (Wieder-)Eingliederungschancen in den ersten Arbeitsmarkt gering sind. Ihre persönlichen Kompetenzen, Stärken und Ressourcen sollten dabei genutzt werden. Die Ausstiegsoptionen aus dem Modellprojekt für die einzelnen Teilnehmer sollten von der Selbständigkeit über alternative Einstiegsvarianten in den ersten Arbeitsmarkt, über fortdauerndes Engagement in einem angestrebten stabilisierten Bürgerarbeit-Kontext bis hin zum Übergang in Rente bzw. Frühverrentung am Ende des Förderzeitraumes führen. Entscheidend bei allen Schritten des Projektes sind die Mitgestaltungsspielräumen der Arbeitslosen gewesen. Hier ist eine größtmögliche Transparenz und Beteiligung der Arbeitslosen notwendig, um die unterschiedlichen Vorerfahrungen und Qualifikationen auch nutzen zu können.334 In der Initiierungsphase wurden folgende potentielle Tätigkeitsfelder erarbeitet: - personenbezogene Dienstleistungen - seniorenbezogene Dienstleistungen - Kultur - Tausch-/ Hilfsringe - Recycling - Einkaufsberatung - Umweltberatung

332 Vgl. Wiedemeyer, M. (2001a): Lokale Beschäftigungsförderung – eine Projektinitiative von Ehrenamtlichen und Langzeitarbeitslosen. In: WSI Mitteilungen Nr. 3/2001, S. 206 333 Bereits mit Beginn des Projektes wurde also in erheblichem Umfang „soziales Kapital“ durch unterschiedliche ehrenamtliche Tätigkeiten vernetzend eingebracht mit der Erwartung auf eine spätere erwerbsförmige Arbeit. Dabei benutzt die Projektgruppe zwar bewusst den Begriff der „Bürgerarbeit“, grenzt sich jedoch entschieden ab von der bei Ulrich Beck zu findenden Konzeption der „Bürgerbelohnung“, die eher auf immaterielle Gratifikation für ein System von Ehrenamtlicher Bürgerarbeit neben der Erwerbsarbeit. Die Autoren sehen eine Entlohnung der Arbeit als unabdingbar an, um Deklassierung und Zementierung von Ungleichheiten am Arbeitsmarkt zu vermeiden. Vgl. Beck, U. (1999): Schöne neue Arbeitswelt. Frankfurt a.M. 334 Vgl. Wiedemeyer, M. (2001a): a.a.O., S. 206f.

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- Wohnumfeld-/Stadtteilverschönerung usw. In einem halben Jahr zeigten die Arbeitslosen in den Workshops gemeinsam mit den externen Experten ein sehr hohes Engagement und setzten ihre Kompetenzen sehr engagiert ein. Anhand eines Kriterienkataloges wurden die Tätigkeitsfelder auf ihre ökonomische und politische Marktfähigkeit, auf die Ressourcen der Teilnehmer, die Finanzierung, den Realisierungsaufwand und Erfüllung der Bedarfslage überprüft.335 Die Startphase war für den Spätsommer 1999 geplant. Ab diesem Zeitpunkt sollte mit der konkreten Umsetzung der überprüften und entwickelten Arbeitsfelder am Markt begonnen werden. Dabei wurde immer beachtet, dass das Scheitern einzelner Umsetzungen nicht auszuschließen ist. In einer Konsolidierungsphase sollten die Angebote am Markt etabliert und weiterentwickelt werden. In einer Transformations-phase sollte auch durch die wissenschaftliche Begleitung eine Übertragung der Erfahrungen auf andere Bereiche sowie die Weiterführung des Gesamtprojektes geklärt werden. Die Darstellungen des Projektablaufes geben hier näheren Einblick über die konkreten Schritte (siehe Abbildung 2 im Anhang). Ständige Aufgaben wie die interne Weiterbildung und Qualifizierung und Beratung sowie die Begleitung der Teilnehmer bei den unterschiedlichen Ausstiegsmodellen, aber auch die Verbesserung der Angebote und die Vernetzung mit lokalen Partnern sind dabei fest eingeplant. Bezüglich der Personalausstattung waren zwei Mitarbeiter für die Projektkoordination und die Betreuung der Teilnehmer vorgesehen. Die Durchführung des Projektes sollte durch Personalführung und Mittelbewirtschaftung vom Kölner Arbeitslosenzentrum gewährleistet werden. Des Weiteren sollte die Begleitforschung durch ein externes Forschungsinstitut durchgeführt werden. Ein Projektbeirat (besetzt mit Arbeitsverwaltung, Träger, Wissenschaftler, Teilnehmer, kommunalen Akteuren, etc.) sollte den Informationstransfer und die Qualität des Modellprojektes begleiten. Trotz dieses weit entwickelten Projektes und bereits geleisteter Vorarbeiten konnte keine Finanzierung beschafft werden. Die Umsetzung eines solchen Projektes benötigt eine erklärte Bereitschaft, Neues auszuprobieren und über einen längeren Zeitraum (ca. 5-6 Jahre) auch ein Scheitern in Betracht zu ziehen. Auch die Problematik, dass die Vermischung öffentlicher und privat erwirtschafteter Mittel rechtlich unzulässig ist, konnte nicht ausgeräumt werden. Ein politischer Wille in Richtung der Verbesserung für solidarökonomische Projekte dieser Art wäre wünschenswert.336

335 Wiedemeyer, M. (2001b): Lokale Beschäftigungsförderung und Dritter Sektor – eine Modellskizze. In: Becker, U. (Hrsg.): Weniger Arbeit – Arbeit für alle? Marburg, S. 253 336 Vgl. Wiedemeyer, M. (2001b): a.a.O., S. 260

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Deutlich wird, dass das Projekt der lokalen Bürgerarbeit direkt an den Bedürfnissen von Langzeitarbeitslosen ansetzt. Zum einen werden sie direkt in die Planung mit einbezogen, zum anderen lässt die Projektskizze verschiedene Wege in der Entwicklung von Tätigkeitsfeldern offen und beachtet dabei die unterschiedlichen Ressourcen der potentiellen Teilnehmer. Auch ist die langfristige Perspektive von hoher Bedeutung, die eine Maßnahme eben nicht bieten kann. Das Projekt folgt damit dem Grundsatz: Die Maßnahme muss an den Teilnehmer angepasst werden und nicht der Teilnehmer an die Maßnahme. Ein erheblicher Vorteil ist des Weiteren die Kopplung mit den im Vorfeld festgestellten Bedarfen des Stadtteils, wodurch die Beschäftigungspotentiale des so genannten Dritten Sektors in Kooperation mit der vor Ort tätigen Wirtschaft zur Geltung kommen können. Durch die Notwendigkeit der fachlichen Begleitung der Langzeitarbeitslosen während der Projektphasen halte ich diese Vorgehensweise für eine deutliche alternative Handlungsempfehlung für die Soziale Arbeit, die sich nicht nur in Arbeitslosenzentren sondern auch in anderen Zusammenhängen in der Zusammenarbeit von Sozialer Arbeit mit Bürgern durchführen und ansiedeln lässt.

5.3.3 Genossenschaften Unter historischer Perspektive ist die Genossenschaftsbewegung der Prototyp einer sozialen Unternehmenskultur schlechthin. Dabei ging und geht es immer um die Überwindung wirtschaftlicher Benachteiligungen oder Notlagen ihrer Mitglieder, sei es auf dem Arbeitsmarkt oder bei der Versorgung mit Gütern. Dass sich wirtschaftlicher Förderauftrag und sozialpolitisches Handeln nicht widersprechen, zeigt das breite Spektrum an bereits vorhandenen Sozialgenossenschaften.337 Durch die Reform des Genossenschaftsrechts gestärkt, entstehen hier zunehmend neue Formen.338 Sie reichen von Unternehmen zur Arbeitsplatzsicherung für benachteiligte Gruppen über Betriebsgenossenschaften, die Tagesstätten für behinderte Kinder oder Schulen führen, bis hin zu neuen Dienstleistungskooperativen im Altenbereich. Aber auch im Bereich der Daseinsvorsorge, wie etwa im Energiesektor, kommt es zu Gründungen von Genossenschaften durch die Bürger.

337 Siehe auch die Beschreibung von verschiedenen Arbeitslosenselbsthilfegenossenschaften in: Bundesverein zur Förderung des Genossenschaftsgedankens e.V. (Hrsg.) (2003): Sozialgenossenschaften. Wege zu mehr Beschäftigung, bürgerschaftlichem Engagement und Arbeitsformen der Zukunft. Neu-Ulm 338 Am 18.8.2006 ist das Gesetz zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts in Kraft getreten. Beispielsweise können künftig bereits drei und nicht sieben Personen eine eingetragene Genossenschaft gründen. Bei Genossenschaften bis zu 20 Mitgliedern müssen nicht mehr zwei Vorstands- und drei Aufsichtsratsmitglieder gewählt werden. Es genügt ein Vorstandsmitglied und auf den Aufsichtsrat kann ganz verzichtet werden. Kleine Genossenschaften unterliegen nicht mehr der Jahresabschlussprüfung, sondern nur noch der Prüfung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Beschränkung der gesetzlichen Zweckbestimmung von Genossenschaften auf die Förderung der Erwerbstätigkeit und der häuslichen wirtschaftlichen Verhältnisse wird um die sozialen und kulturellen Belange der Mitglieder erweitert.

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Eine Genossenschaft ist eine selbständige Vereinigung von Personen, die sich auf freiwilliger Basis zusammenschließen, um ihre gemeinsamen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse zu befriedigen und ihre Vorstellungen in einem Unternehmen zu verwirklichen, das ihnen allen gemeinsam gehört und demokratisch geleitet wird. Genossenschaften basieren auf Werten wie Selbsthilfe, Selbstverantwor-tung, Demokratie, Gleichheit und Solidarität und sind bis heute zentraler Bestandteil genossenschaftlichen Selbstverständnisses. Die genossenschaftlichen Grundsätze dienen den Genossenschaften als Richtlinien, mit deren Hilfe sie ihre Werte in die Praxis umsetzen. Genossenschaften können aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausrichtung weder pauschal zur sozialen Unternehmenskultur noch zur Privatwirtschaft gerechnet werden. Der Riss geht offenbar mitten durch die Bewegung mit ihren unterschiedlichen Genossenschafts-verbänden selbst. Die großen Verbände haben hauptsächlich das wirtschaftliche Interesse ihrer Mitglieder im Auge. Die Anliegen der kleineren Sozialgenossenschaften unterstützen sie kaum. Die sich als Gegenbewegung verstehende Landschaft Sozialer Genossenschaften wächst jedoch. So berichtet der Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften, der im Übrigen auch die großen Konsumgenossenschaften vertritt, von einer Verschiebung seiner Mitgliederstruktur zugunsten kleiner Genossenschaften. Darüber hinaus sind, ausgehend von den neuen Bundesländern, neue Genossenschaftsverbände entstanden, wie z.B. der Prüfungsverband der klein- und mittelständigen Genossenschaften e.V., welcher sich verstärkt um die Förderung von Sozial- und Stadtteilgenossenschaften bemüht.339 Unterscheiden lassen sich dabei „Sozialgenossenschaften Betroffener“, „Solidarische Sozialgenossenschaften“ und „professionelle Sozialgenossenschaften“. Alle drei Typen können produktiv- oder auch hilfsgenossenschaftlichen Charakter haben.340 Von Produktivgenossenschaften spricht man, wenn zumindest ein Teil der Mitglieder gleichzeitig Beschäftigte der Genossenschaft sind. „Der hilfs- oder fördergenossen-schaftliche Charakter ist dann gegeben, wenn die Mitglieder über die Genossenschaft Leistungen beziehen oder einbringen, die der ergänzenden Unterstützung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit oder ihrer Reproduktion im weitesten Sinne dienen.“341 Bei „Sozialgenossenschaften Betroffener“ geht es um Personen, die zur Lösung eines sozialen Problems zur Selbsthilfe greifen. Solidarische Sozialgenossenschaften greifen verstärkt auf die im Sozialbereich verbreitete Form des Ehrenamtes zurück. Die sozialen Hilfestellungen werden aus solidarischen Gründen gegeben. Beispiele hierfür sind Seniorengenossenschaften oder Tauschringe, wo es um nicht-monetären Austausch von Leistungen geht. Die professionellen Sozialgenossenschaften gleichen am stärksten 339 Vgl. Birkhölzer, K./Kramer, D. (2002): a.a.O., S. 15-18 340 Flieger, B. (2001): Sozialgenossenschaften als Alternative bzw. Perspektive für soziale Einrichtungen. In: Göler v. Ravensburg, N. (Hrsg.): Perspektiven für Genossenschaften aus Sicht der Sozialen Arbeit. Marburg, S. 26f. 341 Vgl. ebd., S. 27

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herkömmlichen Genossenschaften. Sie bieten ihre Leistungen direkt am Markt an, wie etwa Wohnungsbaugenossenschaften oder Genossenschaftsbanken. Genossenschaften entstehen mehr und mehr durch Gründungen von Fachleuten aus dem sozialen Bereich, die sich bedingt durch Arbeitslosigkeit als „Gruppenselbständige“ auf dem freien Markt anbieten und nicht bei einem Träger angestellt sind.342 Derzeit gibt es etwa hundert Sozialgenossenschaften mit steigender Tendenz.343 Durch die steigende Arbeitslosigkeit sowie im Umfeld überforderter Nachbarschaften und benachteiligter Randgruppen in solidarökonomischen Projekten sieht Flieger in dieser Form der Genossenschaft besonderes Potential für Neugründungen. Die Förderung von kleinen sozialen Genossenschaften wurde bisher von der Politik, den Beratern, aber auch den Genossenschaftsverbänden kaum unterstützt. Durch die Änderungen im Genossenschaftsrecht, gibt es hier verstärkt Möglichkeiten für die Soziale Arbeit Zugang zu dieser Rechts- und Organisationsform zu finden, die es weiter zu erproben gilt. Aufgrund ihrer Prinzipien (Identität, Demokratie, Förderung und Solidarität) sind lokale Genossenschaften als freie und kooperative Zusammenschlüsse von Personen Gegenmodelle zu Organisationen, die sich in Abhängigkeit von Staat und Markt befinden.

5.4 Wirtschaftsförderung im Rahmen der Lokalen Ökonomie – Finanzierung und Ausstattung

Es ist bisher nur in wenigen Fällen gelungen, eine dauerhafte wirtschaftliche Grundlage im Sektor „öffentlich geförderte Beschäftigung“ für neue Modellprojekte und Institutionen zu schaffen. Infolge der gesetzlichen Veränderungen und massiven Einsparungen in bestimmten Förderbereichen (z.B. der Förderung von Modellprojekten ohne Kopfpauschalen) ist die Weiterführung vieler Einrichtungen in Frage gestellt. Die Arbeitslosenzentren, die eine Art „Keimzellenfunktion“ für neue Beschäftigungspro-jekte sein könnten, bangen um ihr Überleben, da im Jahr 2008 die finanzielle Förderung durch das Land in NRW gänzlich eingestellt werden soll.344 Die Unübersichtlichkeit der einzelnen Fördermöglichkeiten und deren aufwendige Antragsverfahren bei

342 Vgl. ebd. 343 Dies stellt eine grobe Schätzung dar, da die Genossenschaftsverbände keine Statistiken führen. Vgl. ebd., S. 23 344 Vgl. Thomé, H. (o.J.): Einstellung der Förderung von Arbeitslosenzentren und Beratungsstellen. (http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2007/Einstellung_Foerderung_Arbeitslosenzentren.aspx, Stand 13.06.2007)

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Ausschreibungen oder Mitteln des Europäischen Sozialfonds345 sowie unterschiedliche Förderzeiträume wirken zusätzlich destabilisierend und widersprechen einer notwendigen Planungssicherheit. Die lokale Gewichtung von Fördermitteln wird stark von der regionalen Lage am Arbeitsmarkt, den Trägerstrukturen der Arbeitsgemein-schaften bzw. optierenden Kommunen und den lokalen gewachsen Strukturen im zweiten Arbeitsmarkt, also kommunalen und bundesagenturnahen Einrichtungen und Gesellschaften sowie dem dritten Sektor (Wohlfahrtverbände und selbständige Träger und Sozialbetriebe) beeinflusst. Die lokale Vergabe erfolgt sehr unterschiedlich: einzelne Träger von Maßnahmen haben von der Arbeitsgemeinschaft Monopolstellung erhalten. Andere Arbeitsgemeinschaften handeln mit jedem Träger einzeln Konditionen aus, was je nach Verhandlungszeitraum eine geringe Planungssicherheit für die Träger zur Folge haben kann. Bereits 1989 hat die damalige Bundesregierung ein Sonderprogramm zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit aufgelegt, welches sich zusätzlich zu den individuellen Leistungen des damals noch geltenden Arbeitsförderungsgesetzes positioniert. Die Aktion „Beschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslose“ sah eine umfangreiche Modellfinanzierung für soziale Unternehmen vor, die besonders schwer vermittelbare Arbeitslose beschäftigen, qualifizieren und sozial begleiten sollten. Diese Förderung umfasste (fast) die gesamten anfallenden Aufwendungen zur Beschäftigung, Qualifizierung und Betreuung. Konkret bezogen sich die Zuwendungen des Sonderprogramms auf Investitionszuschüsse, Betriebsmittelzuschüsse und auf Zuschüsse für Lehr-, Anleitungs- und Betreuungspersonal. Flankiert wurde die Modellförderung von acht speziellen Arbeitsämtern, die die Projekte untereinander vernetzen sollten, um Synergieeffekte nutzen zu können und die Träger zu unterstützen.346 Auch Maßnahmen wie das so genannte „Stammkräfteprogramm“ oder Landesförderprogramme, die die Konstruktion von Maßnahmeketten aus Orientierung, Qualifizierung, Beschäftigung und Vermittlung zum Ziel hatten, zeigten einen eher ganzheitlichen Ansatz und ermöglichten eine dauerhafte Beschäftigung von Fachkräften und eine Stabilisierung der Beschäftigungsprojekte.347 Die Ausführungen des IAB zu diesen Programmen folgen der Logik, dass bestimmte Gruppen durch die bisherigen Instrumente der Arbeitsförderung wie Lohnsubventionen, ABM oder auch Weiter- und Fortbildung nicht oder nur begrenzt erreicht werden. Auch die Erkenntnis, dass kurzfristige Maßnahmen nur sehr begrenzten Erfolg haben, wird hier dargestellt. Bereits Ende der 80er Jahre zeigte sich im Umgang mit Langzeitarbeitslosigkeit ein Umdenken

345 Vgl. etwa den 60!-seitigen Leitfaden: Equal (2004): Equal II online. Leitfaden zur Antragstellung. (http://www.equal.de/Equal/Redaktion/Medien/Anlagen/2-EQUAL-Foerderrunde/Leitfaden-Antragstellung-NEU-13-10-2004,property=pdf,bereich=equal,sprache=de,rwb=true.pdf, Stand 14.06.2007) 346 Schmid, A./Krömmelbein, S./Klems, W. u.a. (1992): Neue Wege der Arbeitsmarktpolitik für Langzeitarbeitslose. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. 25.Jg. Nr. 3 Nürnberg 347 Vgl. Wolski-Prenger, F./Rothardt, D. (1996): a.a.O., S. 54 sowie Förderrichtlinien der Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen in: BBJ Consult (1994): Sozialbetriebe – Arbeitsförderbetriebe. Ein innovatives arbeitsmarktpolitisches Instrument. In: BBJ Consult Info 9. Jg., Nr. 1, S. 24-31

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hin zu Projektfinanzierungen. Sowohl im AFG als auch im SGB II ist Projektförderung möglich. Wurde sie bis 2005 ansatzweise praktiziert, machen die Arbeitsgemeinschaf-ten und optierenden Kommunen hiervon nun sehr wenig Gebrauch. Stattdessen halten sie an der Förderung individueller Leistungen etwa durch Pauschalen bei der Teilnahme an einer Maßnahme fest. Die Förderdatenbank des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technik gibt einen Überblick über die Fördermöglichkeiten von Wirtschaft und Beschäftigung. Neben zahlreichen Förderungen im Rahmen der Arbeitsförderung durch die Bundesagentur für Arbeit (wie bereits dargestellt), gibt es zahlreiche Förderungen im Rahmen der Wirtschaftsförderung.348 Trotz der Ziele der EU-Förderlinie zur Stärkung der Sozialwirtschaft349 sind die Förderungen meist auf Einzelpersonen (z.B. auf ihre Geschäftsidee oder ihre Qualifizierung) begrenzt. Diese Initiative ist hauptsächlich zur Bekämpfung von Diskriminierung und Ungleichheit von Arbeitenden und Arbeitsuchenden auf dem Arbeitsmarkt gegründet worden, so dass die Förderung der Sozialwirtschaft hier nur einen untergeordneten Aspekt darstellt. Förderung von Kapital und Investitionen ist hingegen auf den privatwirtschaftlichen Sektor begrenzt, weshalb die Förderung von sozialwirtschaftli-chen Unternehmen nicht möglich ist. Es stellt sich hier also die Frage, warum Anschubfinanzierungen und Förderungen im Rahmen von Wirtschaftsförderung nicht möglich sind, wenn es doch wie in der Privatwirtschaft um die Schaffung von Arbeitsplätzen durch sozialwirtschaftliches Handeln geht. Was heißt das für die Einrichtungen der Sozialen Arbeit? Eine Förderung, die nicht im Rahmen der Arbeitsförderung, sondern im Rahmen der Wirtschaftsförderung geschieht, würde die Abkopplung problematischer individueller Zuschreibungen von Förderung aufheben und größere Spielräume schaffen. Die Einrichtungen der lokalen Ökonomie und Sozialwirtschaft hätten die Möglichkeit neue

348 Um nur einige ausgewählte Beispiele zu nennen: Beschäftigungsschaffende Infrastrukturförderung der Bundesagentur, Einstellungszuschüsse bei Neugründungen, Regionalförderprogramme der KfW Mittelstandsbank, Finanzierung zusätzlicher arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen des ESF-BA-Programms (Europäischer Sozialfond und Bundesagentur), Begleitende Hilfen für Existenzgründer im Bereich Qualifizierung und Weiterbildung durch die Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH oder der Gemeinschaftsinitiative Equal, usw. Vgl. http://www.foerderdatenbank.de, Stand 14.06.2007 349 • Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen in Unternehmen des Dritten Sektors • Erhöhung der Qualität der Arbeitsplätze in Unternehmen des Dritten Sektors • Entwicklung von Konzepten zur Professionalisierung der Unternehmensführung in Dritte- Sektor-Betrieben • Verbesserung des Dienstleistungsangebots, des Marketing und der Produkte von Dritte- Sektor-Unternehmen • Vernetzung von Unternehmen im Dritten Sektor untereinander und mit Unternehmen der freien Wirtschaft Vgl. Bundesrepublik Deutschland (2001): Programm für die Gemeinschaftsinitiative Equal in der Bundesrepublik Deutschland 2000 bis 2006. Berlin, S. 154

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beschäftigungsschaffende Bereiche zu entwickeln. Die Ausstattung dieser besonderen Förderung müsste folgende Standards erfüllen:

- zunächst volle Übernahme der Kosten (Stellung des Grundkapitals) - anschließend degressiver Abbau der Förderung zugunsten eigenerwirtschafteter

Mittel - dauerhafte Sicherung der Finanzierungslücke aufgrund nicht oder weniger

marktgängiger Produkte - unbürokratische Förderung nach regionalen Gesichtspunkten ohne Bindungen

im Detail sowie ohne sich widersprechende Förderbedingungen - sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu Tariflöhnen müssen finanzierbar

sein - personelle Ausstattung muss Qualitätskriterien genügen - weitgehende „unternehmerische“ Freiheit - Fachberatung für Akteure der sozialen Arbeit zur Unternehmensgründung durch

die Wirtschaftsförderung - Einrichtung eines lokalen Unterstützungspools für Projekte z.B. Buchhaltungs-

service, Marketing und betriebswirtschaftliche Beratungen

Die Instrumente hierzu sind bereits weitgehend entwickelt. Dazu zählen Beratungsangebote der Regionalagenturen zur Förderung von Selbständigkeit oder Programme der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung.350 Sie bedürfen nur einer Konkretisierung zur Nutzung durch die Soziale Arbeit. Die Entwicklung dorthin ist eine politische Entscheidung. Die Überlegungen im öffentlichen Diskurs zur Installierung eines dritten Arbeitsmarktes unterstützen zwar die Sichtweise, dass in Bezug auf die Zielgruppe der Langzeitarbeitslosen neue Lösungen gefunden werden müssen, gehen jedoch in ihren unterschiedlichen Auffassungen von Umsetzung und Ausstattung auch nicht auf die institutionelle, sondern lediglich auf die individuelle Förderung im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik ein. Alle Ausführungen zum dritten Arbeitsmarkt ändern nichts an der Stigmatisierung der Zielgruppen. Eine Finanzierung im Rahmen der Wirtschaftsförderung würde diese Problematik aufheben, da sie nicht individuell, sondern institutionsbezogen wäre. Trotz aller erwarteter positiver Effekte bei einer Umgestaltung der institutionellen Förderung durch eine Ansiedlung an die Wirtschaftsförderung zeigen sich auch Spannungsfelder. Die Frage der „Zusätzlichkeit“ der wirtschaftlichen Betätigungsfelder

350 Vgl. Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen – Regionalagenturen (http://www.regionalagenturen.nrw.de/esf/index.htm, Stand 14.06.2007) Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH (http://www.gib.nrw.de/de/gib/index.htm?id=21478, Stand 14.06.2007)

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sorgt in den fachlichen Diskussionen oft für eine „Schere im Kopf“. Trotz der Richtigkeit der Fragestellung, ab wann die Privatwirtschaft Angst vor Konkurrenz von subventionierten Sozialbetrieben haben muss, führt sie doch dazu, dass viele alternative Projektideen gar nicht erst gedacht werden. Die enge Kooperation mit den Industrie-, Handels- und Handwerkskammern wäre hier der richtige Weg. Deutlich wird meist, dass die Betätigung in Nischenfeldern wie etwa dem Recyclingbereich keine Konkurrenz darstellen. Dies stellt die Rürup-Kommission entgegen den dargestellten alternativen Handlungsmodellen bei der Empfehlung von Kombilohn mit Arbeitszwang ebenfalls fest.351

Der Sektor der sozialen Unternehmen benötigt hier weitergehende Spielräume. Schomburg etwa bezeichnet die Debatte um Marktbeeinträchtigung und Verdrängung gar als „Propaganda gegen die Sozialreform als solche“. Als problematisch sieht er als Geschäftsführer einer Beschäftigungsgesellschaft eher die noch zu häufig anzutreffende Marktferne, die eine Unterbeschäftigung der Teilnehmer in den Maßnahmen zur Folge hat („Pseudoarbeit“). Hieraus ergibt sich häufig ein großer Abstand zu marktgängigen Standards von Qualität und Produktivität. Gleichzeitig werden aber Beschäftigungsträger behindert, wenn sie versuchen mehr Produktivität und damit mehr Beschäftigung zu schaffen.352 Ein vollkommener Ausschluss jeder Wettbewerbsbeeinflussung ist jedoch nicht möglich. Man kann arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die reale Chancen des Übergangs in den ersten Arbeitsmarkt bieten sollen, deshalb auch nicht von diesem Ausschluss abhängig machen. Würde man die Kriterien der Kammern voll anwenden, wäre die Arbeit der Sozialen Unternehmen kaum noch möglich. Trotz bisheriger Bemühungen konnten nur wenige Betriebe ohne Förderung am Markt bestehen, da sie durch Wettbewerbsnachteile (z.B. kein qualifiziertes Personal, kein Investitionskapital, keine Kreditwürdigkeit, etc.) immer von Subventionen abhängig sind. Hier muss ein Sondersegment für „Sozialbetriebe“ geschaffen werden.353 Deutlich wird, dass die aufgezeigten Spannungsfelder nicht zu lösen sind. An die Projekte und Maßnahmen des zweiten Arbeitsmarktes (oder auch des Dritten Sektors) richten sich zum einen die Erwartung die Auswirkungen des Marktversagens in Bezug auf die Produktion von Ausgrenzung auf dem Arbeitsmarkt aufzufangen. Zum anderen 351 Das „Rürup-Modell“ des Sachverständigenrates sieht eine Ausweitung der Arbeitsgelegenheiten sowie die Arbeitspflicht für alle Leistungsbezieher mit einer gleichzeitigen Absenkung des Unterhaltsgelds um 30% verbunden vor. Ein ungekürztes („altes“) ALG-II bezieht man – sofern man nicht „zu jeder Bedingung“ im 1. Arbeitsmarkt arbeitet - nur durch Teilnahme an einem auf ca. 700.000 Plätze auszubauenden Angebot von Arbeitsgelegenheiten. Die potentielle Marktbeeinträchtigung durch eine derartige Expansion der Arbeitsgelegenheiten wird im Modell als vernachlässigbar und hinnehmbar bezeichnet Zwar sieht der Rat die Gefahr von Verdrängungseffekten, sieht jedoch für den Ausbau eines zweiten Arbeitsmarktes keine Alternative. Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2006): „Widerstreitende Interessen – Ungenutzte Chancen.“ Jahresgutachten 2006/07. Reutlingen, S. 396 ff. 352 Schomburg, J. (2007): a.a.O., S. 9 353 Trube, A. (1994): Marktversagen, Staatsversagen und die Funktion des Dritten Sektors in der Massenarbeitslosigkeit. In: Theorie und Praxis der sozialen Arbeit. 45. Jg. H. 9, S. 342-350

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verweigert der Zweite Sektor, also der Staat, eine Gesamtverantwortung zur Vollbeschäftigung und überträgt das Problem auf die Verbände und Projekte, die die Verarbeitung der Folgen leisten sollen.354 Der Bereich der Beschäftigungsprojekte ist laut Trube als „Ausfallbürge“ gekennzeichnet und durch die Doppelfunktion von Marktintegration (Beschäftigung von Arbeitslosen) und von Sozialintegration (arbeitsgesellschaftliche Einbindung der Erwerbslosen) systemisch überfordert.355 Ausgerechnet mit den ausgegrenzten vielfach problembehafteten Personengruppen des Arbeitsmarktes sollen lukrative Marktnischen besetzt werden, die vom ersten Arbeitsmarkt noch nicht entdeckt wurden. Durch die zusätzliche Betreuung ausgegrenzter Gruppen des Arbeitsmarktes und die hoch gesetzten sozialen Standards (zusätzliche Betreuung, angemessene Bezahlung, Auffangen von individuellen Problemen der Mitarbeiter, usw.) entstehen in den Projekten erhebliche Kosten, die einer geringen Produktivität entgegenstehen. Ziel von Beschäftigungsprojekten ist die „Extensivierung des Produktionsfaktors Arbeit“. Rationalisierung zugunsten der Produktivität widerspricht diesem Ziel. Sollen zum einen in vielen Förderrichtlinien Eigenmittel eingesetzt werden, um eine Förderung zu bekommen, steht auf der anderen Seite das Ertragsverbot der Abgabenordnung. Ein häufiger Balanceakt in sozialen Unternehmen. Die genannten Spannungsfelder sind nicht nur durch die Veränderung der Förderung von der individuellen Ebene zur Ebene der Projektförderung zu neutralisieren. Auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf das Konkurrenz- und Marktverbot, die Förderrichtlinien und das Gemeinnützigkeitsrecht müssten verändert werden, wenn man eine Ausweitung dieses Sektors erreichen will. Beschäftigungsprojekte und -gesellschaften arbeiten unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zwar gezwungenermaßen ineffizient, jedoch unter volkswirtschaftli-chen und sozialen Gesichtspunkten effizient, indem sie die Kosten des Marktversagens als Ausfallbürge zu kompensieren versuchen, weshalb die öffentliche und private Hand die wirtschaftliche Basis der Arbeit garantieren sollten.356 Auch die Förderung von Genossenschaften muss hier angepasst werden. Im Gegensatz zu anderen Rechtsformen wird sie bei einer Reihe von Förderprogrammen benachteiligt oder sogar explizit ausgeschlossen, obwohl sie im Durchschnitt eine wesentlich höhere Lebensdauer aufweisen als andere Unternehmensformen.357 Es wird deutlich, dass erst eine abgestimmte Kombination aus Wirtschaftsförderung, Bildungs-, Ansiedlungs-, Infrastrukturentwicklung und Sozialpolitik geeignet ist, die

354 Trube, A. (1994) a.a.O., S. 344 355 Vgl. Trube, A. (1994): a.a.O., S. 348 356 Vgl. Trube, A. (1994): a.a.O., S. 348 357 Vgl. Zander, J. (2003): Förderung von Stadtteil- und Produktivgenossenschaften – Neue Impulse an der Schnittstelle von Arbeits- und Wirtschaftspolitik. In: Arbeitsmarktpolitische Schriftenreihe der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen (Hrsg.): Genossenschaftsgründungen – ein Weg zu mehr Beschäftigung. Berlin, S. 108

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komplexen, durch Arbeitslosigkeit entstehenden Probleme einigermaßen zu bearbeiten. Die Instrumente der Wirtschaftsförderung und Infrastrukturentwicklung sind ebenso wie die Instrumente des SGB III und die im Rahmen spezieller Sonderprogramme von Bund, Ländern und Europäischer Union bereitgestellten finanziellen Mittel, wesentliche Bestandteile des beschäftigungspolitischen Policy-Mix auf lokaler Ebene.358 Diese müssten um eine spezielle Förderung „Sozialer Unternehmen“ ergänzt bzw. erweitert werden. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften sind nach Erkenntnis der Forschungen von Birkhölzer et al. – entgegen der veröffentlichten Meinung – ein Modell, wie sowohl zusätzliche Beschäftigung als auch sonst fehlende Güter und Dienstleistungen finanzierbar gemacht werden könnten. Es ist seit langem bekannt, dass die Finanzierung von Arbeit statt Arbeitslosigkeit volkswirtschaftlich in etwa kostenneutral ist. Dabei wird die gesellschaftliche „Wertschöpfung“ in der Regel nicht mitberechnet. Die trotzdem unbestreitbare Ineffizienz der eingesetzten Fördermittel beruht schließlich darauf, „dass sie als hauptsächlich konsumptive Ausgaben auf einem Rotationsarbeitsmarkt verbraucht, anstatt als Investitionen in dauerhaft tragfähige Soziale Unternehmungen mit entsprechenden Arbeitsplätzen eingesetzt werden.“359

5.5 Veränderung der Rolle von Sozialer Arbeit in diesem Kontext

Betrachtet man die Theorie der Lokalen Ökonomie nach Birkhölzer sowie die Prinzipien der ausgewählten Projekte wird deutlich, dass die alternativen Handlungsansätze mit den Prinzipien der Sozialen Arbeit, wie Ressourcenorientierung, Gemeinwesenorientierung, Bedürfnisorientierung, Integration, Vernetzung und Partizipation konform gehen.360 Die Soziale Arbeit hätte in den dargestellten Projekten die Chance unter Wahrung ihrer professionellen Standards, die Arbeit mit Langzeitarbeitslosen unter ein anderes „Dach“ zu stellen. Jenseits der Abhängigkeiten von Förderstrukturen und den Erfordernissen einer aktivierenden Arbeits- und Leistungsförderung kämen hier die Grundwerte im Sinne einer Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession stärker zur Geltung. Die Theorie der Menschenrechtsprofession von Staub-Bernasconi lässt sich mit dem Ansatz der dargestellten Projekte und den ermittelten Bedarfen vereinbaren. Sie nimmt an, dass Soziale Arbeit, ausgehend von den menschlichen Bedürfnissen, Nöten und Lernfähigkeiten, Veränderungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen

358 Vgl. Kaps, P. (2006): Arbeitsmarktintegration oder Haushaltskonsolidierung? Fallstudie zu Möglichkeiten und Grenzen kommunaler Beschäftigungspolitik. Wiesbaden, S. 39 359 Vgl. Birkhölzer, K./Kramer, L. (2002): a.a.O., S. 43 360 Prinzipien der Sozialen Arbeit und der Lokalen Ökonomie – ein Vergleich In: Knabe, J. (2002): Lokale Ökonomie als Ansatz Sozialer Arbeit dargestellt am Beispiel Kölner Projekte. Diplomarbeit. Köln, S. 43-97

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anstrebt. Staub-Bernasconi sieht die Menschenrechtsperspektive als eine Chance für die Soziale Arbeit, sich aus der Abhängigkeit ihrer Auftraggeber zu einem „selbstbestimmten, wissensbasierten Auftrag“ zu entwickeln.361 Dies geschieht laut Staub-Bernasconi aus der Überzeugung heraus, „dass analog zum weltweiten Bewusstseinsprozess über ökologische Probleme auch ein solcher über soziale Probleme in Gang gesetzt werden muss und dabei die Sozialarbeitsprofession einen eigenbestimmten selbstdefinierten Auftrag – zusammen mit vielen anderen Gruppierungen, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen und Bewegungen – zu übernehmen hat...Bezugspunkt ist die UNO-Definition der Menschenrechte von 1948“.362 In diesem Sinne sehe ich die aufgezeigten alternativen Handlungsszenarien als eine Möglichkeit der (Wieder-)Aneignung eines eigenbestimmten Auftrages im Sinne einer emanzipatorischen Sozialen Arbeit. Die lokale Verankerung im Gemeinwesen, d.h. der Aufbau, die Entwicklung und die Pflege kontinuierlicher Austauschbeziehungen zwischen der Sozialen Unternehmung und dem Gemeinwesen ist ein gebietsbezogener sozial-integrativer Ansatz. Zielgruppenbezogene und gemeinwesenbezogene Zielsetzungen und die Förderung innerbetrieblicher Demokratie sind dabei entscheidende Handlungsleitlinien. Durch die Identifikation der Mitarbeiter mit den Unternehmenszielen, d.h. eine Verknüpfung der Arbeitsaufgaben mit den individuellen Lebensperspektiven, sowie eine flexible und kooperative Arbeitsorganisation, die eine Integration von Mitarbeitern mit unterschiedlichen Lebensbedingungen ermöglicht, bekommt Soziale Arbeit eine Rolle, die Beratung ohne Zwangskontext erlaubt. Stellt Kronauer fest, dass die aus der Mehrheitsgesellschaft Ausgeschlossenen sich weiterhin noch an den Werten der Arbeitsgesellschaft orientieren, jedoch im Alltag praktisch und ideell mit der Diskrepanz zwischen diesen Werten und den eigenen Möglichkeiten fertig werden müssen, bestätigt dies mein Bild aus der Praxis.363 Oft kommt es von Teilnehmern bei Angeboten der sozialen Qualifizierung zu Aussagen wie „Der Kochkurs, den Sie mir anbieten, bringt mich auch nicht auf den 1. Arbeitsmarkt.“. Der Fokus wird automatisch und unhinterfragt auf die Logik der Arbeitsverwaltung und der Sozialpolitik ausgerichtet. Der Wert eines Kochkurses im Sinne eines gemeinschaftlichen, gesundheitsfördernden Handelns wird oft nicht gesehen. Aufgabe der Sozialen Arbeit in diesem Kontext muss es sein, hier den Blick der Betroffenen zu öffnen für neue Strukturen und Werte. Gerade für Personen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, ist es wichtig, wieder Zugänge zur produktiven Arbeit zu finden und sich nicht als „Förderfall“ in Maßnahmen festzusetzen.

361 Vgl. Staub-Bernasconi, S. (1995): Das fachliche Selbstverständnis Sozialer Arbeit – Wege aus der Bescheidenheit. Soziale Arbeit als „Human Rights Profession“. In: Wolf Rainer Wendt (Hrsg.), Soziale Arbeit im Wandel ihres Selbstverständnisses – Beruf und Identität. Freiburg i.Br., S. 57-104 362 Ebd., S. 67f 363 Vgl. Kronauer, M. (1996): a.a.O., S. 62

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Meine eigenen Erfahrungen zeigen, dass ein ausgewogenes und gleichberechtigtes Verhältnis zwischen den verschiedenen Gruppen von Mitarbeitern und die Pflege vertrauensvoller Arbeitsbeziehungen nach innen und außen sowie die Übertragung von Verantwortung auf die Mitarbeiter eine konstitutive Beteiligung am Erhalt bzw. der Entwicklung der Unternehmung durch die Langzeitarbeitslosen zur Folge hat. Hilfe zur Selbsthilfe, Partizipation, Ressourcen- und Bedürfnisorientierung ist in den dargestellten Projekten möglich. Aber auch Prinzipien der Beratung wie Verschwiegenheit, Ergebnisoffenheit und Freiwilligkeit könnten in diesem Kontext wieder angeeignet werden, da die Bedingungen der Arbeitsförderung hier nicht zur Geltung kommen würden. Beratung würde vielmehr auf einem Nebenschauplatz stattfinden und wäre eine Ergänzung zur Teilhabe und gesellschaftlichen Integration durch die Schaffung des Arbeitsplatzes. Die bereits dargestellten Bedarfe der Langzeitarbeitslosen an Sozialer Arbeit können unter dem „Dach“ der lokalen Ökonomie mit ihren unterschiedlichen solidarökonomi-schen Projekten deutlich besser gedeckt werden als mit den bisherigen Instrumenten. Eine dauerhafte Förderung würde die Beschäftigungspotentiale für dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossene Personen erwiesenermaßen erhöhen und „gute“ Arbeitsplätze schaffen. Auch die erhöhte Nachfrage nach personenbezogenen Dienstleistungen könnte hier gedeckt werden. Über den Bedarf der individuellen Hilfen hinaus, könnte die Soziale Arbeit hier über den Weg der Arbeit weitere Unterstützungsformen entwickeln. Mit politischer Bildung und Qualifizierung, der Stärkung der Selbsthilfepotentiale, sowie gesellschaftlicher Teilhabe und Integration sind nur einige Punkte genannt. Erfahrungen zeigen, dass Soziale Arbeit in den exemplarisch dargestellten Projekten einen hohen Stellenwert hat, was aufgrund der vielfältigen Probleme der Mitarbeiter teils durch die lange Zeit der Arbeitslosigkeit auch notwendig ist. Die Soziale Arbeit läuft praktisch „nebenher“. Der Arbeitsablauf der Unternehmung wird dabei nicht gestört, sondern eher weiterentwickelt. Soziale Arbeit wird in den Projekten vorrangig als Arbeit gesehen, die sich von der Arbeit der anderen Mitarbeiter zunächst nicht unterscheidet. Programmatisch wird der Stellenwert der einzelnen Tätigkeiten nicht unterschiedlich bewertet. Eingesetzt wird die Soziale Arbeit also da, wo konkrete Probleme gelöst werden müssen, vor allem was die Existenzsicherung anbelangt. Wenn die existenzielle Sicherung gewährleistet ist, kann erst die psychosoziale Arbeit beginnen, die häufig im Arbeitsprozess der Unternehmung selber stattfindet und nicht am Beratungstisch. Hinderlich ist in diesem Zusammenhang die Tendenz Sozialer

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Arbeit ihre eigene Funktion zu institutionalisieren.364 Durch die Einbindung der Langzeitarbeitslosen in den Organisationsprozess hat die Soziale Arbeit die Chance ihre Existenzberechtigung wieder vom Klienten selber zu bekommen und nicht von den Regularien der Arbeitsverwaltung.365 Problematisch ist dabei die Einhaltung des professionellen „Nähe-Distanz-Verhältnisses“ zwischen Klient und Sozialarbeiter. Dies wird durch die Gleichstellung der Tätigkeiten und der gemeinschaftlichen Arbeit zumindest teilweise aufgehoben. Dies erfordert eine ständige Reflexion von der Fachkraft und ist deutlich komplexer zu handhaben als in einer klassischen Sozialarbeiter-Klienten-Beziehung. Es bedeutet jedoch auch die Chance die Ressourcen und Fähigkeiten der Betroffenen deutlicher wahrzunehmen und daran anknüpfen zu können. Im gemeinsamen arbeitsbezogenen Handeln lassen sich die Potentiale der Mitarbeiter aus eigener Erfahrung sehr viel deutlicher herausarbeiten als dies jedes noch so ausgefeilte Profiling vermag. Dies alles bedeutet nicht, dass es hier keine Spannungsfelder gibt. Alleine die unterschiedlichen sozialen Herangehensweisen und Erfahrungen der Teilnehmer und Mitarbeiter können zu unterschiedlichen Machtpotentialen führen, die den hehren Anspruch eines demokratisch geführten Unternehmens faktisch aushöhlen. Auch dies erfordert eine ständige Reflexion der Mitbestimmungsmöglichkeiten und ist im Alltag oft beschwerlich.366 Auch besteht die Gefahr der Überforderung der Strukturen, aber auch der Klienten selbst, die zunächst ihre eigenen Probleme mitbringen und aus eigener Erfahrung manchmal regelrecht eine entscheidende fast autoritäre Instanz einfordern. Die veränderte Rolle Sozialer Arbeit ist neben den klassischen Aufgabenfeldern der individuellen Betreuung der Teilnehmer mehr organisierend, strukturierend und begleitend. Ihr kommt zunehmend die Aufgabe der Schaffung von Strukturen gemeinsam mit den Betroffenen zu, in denen gerechte Teilhabe möglich ist. Dazu muss die Soziale Arbeit jedoch in eine bessere Position gebracht werden, die es möglich macht, solche Strukturen zu schaffen. Es stellt sich des Weiteren die Frage, ob die Förderung der Selbsthilfe in sozialen Beschäftigungsinitiativen, Veränderungen des traditionellen Selbstverständnisses von Sozialer Arbeit zur Folge hat. Marzahn sieht in den Selbsthilfeinitiativen eine Negation

364 Die Praxis der Lokalen Ökonomie am Beispiel Kölner Projekte. In: Knabe, J. (2002): a.a.O., S.98 - 168 365 Folgendes Zitat eines Sozialarbeiters macht die Stellung von Sozialarbeit in einem Projekt der Gemeinwesenarbeit in Köln-Holweide deutlich: „Die Bewohner sind die Experten ihrer Lebenssituation.´, das ist ein Grundsatz. Die Bewohner und eben nicht die Sozialarbeiter. Diese haben ihre Funktion und ihre Aufgaben, aber sie sind „nur“ Angestellte des Vereins, haben keinerlei Vorstandsposten inne, haben nur eine Stimme, wie jedes andere Mitglied auch. Das erfordert Lernprozesse auch auf Seiten der Sozialarbeiter, manchmal schmerzhafte.“ Holweider Selbsthilfe e.V. (Hrsg.) (1990): HoSe – mir dunn jet. Fünf Jahre Holweider Selbsthilfe e.V., Köln (ohne Seitenangabe) 366 Siehe zu weiteren Problemen selbstverwalteter Betriebe im Bereich Hierarchie und Partizipation: Domeyer, V. (1986): Hierarchie – Partizipation – Kollektiv. Entscheidungsprozesse in selbstverwalteten Betrieben. Sowie Kück, M. (1986): Partizipationsprobleme in selbstverwalteten Betrieben. Beide Beiträge in: Berger, J./Domeyer, V./Funder, M./Voigt-Weber, L. (Hrsg.): Selbstverwaltete Betriebe in der Marktwirtschaft. Bielefeld.

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des klassischen professionellen Selbstverständnisses. „Die klassische und mit eigenen Professionalisierungsgeschichten eng verbundene Orientierung an einem klinischen Paradigma erschien zunehmend als problematisch: Die einseitig beanspruchte Fachkompetenz, seine Geheim-/Fachsprache, sein Monopol auf Erstellung einer Diagnose und Verordnung einer Therapie, das soziale Gefälle und die Herrschaftsbeziehungen zwischen ihm und seinem Klienten.“367 Es mangelt meines Erachtens trotz neuerer Ansätze wie dem Empowerment-Konzept368 an Konzepten Sozialer Arbeit, die auf die Selbstbestimmung der Betroffenen ausgerichtet sind. Meist begnügt man sich mit der Forderung nach Emanzipation von bürokratisch-herrschaftlicher Instrumentalisierung. Mögliche Facetten eines veränderten Selbstverständnisses von Sozialer Arbeit im Kontext sozialer Beschäftigungsinitiativen könnte laut Opielka die des „Aufklärers“ sein. Die Aufgabe des Sozialarbeiters verschöbe sich dann von der direkten Intervention auf die Ebene der „Sinnfragen“ und „Aufklärung über die gesellschaftspolitische Bedeutung“ seines Handelns bzw. des Handelns seiner Klienten.369 Insbesondere im Falle der Langzeitarbeitslosen ist diese Aufklärerfunktion besonders wichtig, da gerade sie an starkem Lebenssinnverlust und Schuldgefühlen leiden. Möglich wäre aber auch die Rolle eines „Fachberaters“, der die Initiative und Mitglieder lediglich berät und seine Kompetenzen zur Verfügung stellt. Ein entscheidender Unterschied zum Selbstverständnis der derzeitigen aktivierenden Rolle Sozialer Arbeit, ist die Fokussierung des Blicks auf die sozialen Unzulänglich-keiten des Systems weg vom individualisierenden Fallbezug. Aus der Einsicht heraus, dass alle Notlagen sehr komplex sind und deshalb ganzheitliche Lösungsansätze erfordern, sind hier eher Theorien angesprochen, die das soziale Umfeld mit einbeziehen. Auch das Handlungsrepertoire betreffend, stellt die Arbeit in sozialen Betrieben eine Herausforderung dar. Die vorangegangene Darstellung der Auswirkungen der bisherigen Förderpraxis von Sozialer Arbeit mit Langzeitarbeitslosen sowie der alternativen Ansätze von Sozialen Unternehmungen haben gezeigt, dass diese Einrichtungen nicht nur mit ganz spezifischen betriebswirtschaftlichen Problemen konfrontiert sind, sondern auch in der Alltagspraxis besondere betriebswirtschaftliche Handlungsstrategien entwickeln. Dies geschieht jedoch im Wesentlichen durch „learning by doing“, durch Versuch und Irrtum und häufig genug ohne professionelle Unterstützung. Was eindeutig fehlt, ist eine systematische Auswertung dieser Erfahrungen bzw. deren systematische

367 Marzahn, C. (1982): Partizipation, Selbsthilfe und sozialpädagogische Kompetenz. In: Müller, S. u.a. (Hrsg.): Handlungskompetenz in der Sozialarbeit/Sozialpädagogik I, Bielefeld, S. 74 Zitiert bei: Salustowicz, P. (1990): Soziale Beschäftigungsformen – ein neues Selbstverständnis der Sozialarbeit? In: Neuser, H./Oldenburg, E. u.a. (Hrsg.): Arbeit, Selbsthilfe und Sozialarbeit. Weinheim, S. 109 368 siehe weiterführend: Herriger, N. (1997): Empowerment in der Sozialen Arbeit. Stuttgart, Berlin, Köln 369 Vgl. Opielka, M. (1986): Sozialpolitische Alternativen und die Zukunft sozialer Berufe – Vorüberlegungen zur Relativierung sozialer Professionalität. In: Schön, B. (Hrsg.): Die Zukunft der sozialen Berufe. Arbeitsmarkt, Ausbildung, Alternativen. Frankfurt a.M., S. 153 Zitiert bei: Salustowicz, P. (1990): a.a.O., S. 109

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Fortentwicklung zu einer spezifischen Betriebswirtschaftslehre für Soziale Unternehmungen.370 Einen Anfang einer systematischen Lehre und Entwicklung von sozialinnovativer Betriebswirtschaftlehre macht hier ein Projekt der europäischen Entwicklungspartnerschaft BEST 3S e.V., die zu diesem Zweck im Rahmen der Equal-Förderung von 2002 bis 2005 unterstützt wurde.371 Wissen nicht nur über die Förderstrukturen, sondern auch über die Prinzipien und betriebswirtschaftlichen Besonderheiten solidarökonomischer Projekte wird immer unerlässlicher, um in diesen Bereichen Aufbauarbeit leisten zu können. Sie sollten Inhalte der Ausbildung sozialer Fachkräfte vor allem im Sozialmanagement sein und werden bisher völlig vernachlässigt. Hier lässt sich die Soziale Arbeit bisher eine Chance entgehen, sich endlich eine sozial orientierte Wirtschaftsweise im Bereich der Ökonomisierung Sozialer Arbeit anzueignen. Die dargestellten Aspekte zeigen, dass sich soziale Beschäftigungsinitiativen als Arbeitsfeld sozialer Arbeit mit Langzeitarbeitslosen erst am Anfang ihrer Entwicklung befinden. Im Hinblick auf die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit spielen sie bisher eine marginale Rolle, was durch die genannten Veränderungen der Finanzierung und sonstigen Rahmenbedingungen verbessert werden könnte. Sie zeichnen sich jedoch gegenüber anderen Aufgabenbereichen sozialer Arbeit dadurch aus, dass sie soziale Probleme nicht nur an ihrer Oberfläche bearbeiten, sondern auf eine konkrete Veränderung und Beseitigung ihrer Entstehungsbedingungen abzielen. Soziale Arbeit kann sich in ihrer Praxis nicht allein von Einzeltheorien bestimmen lassen, sondern muss von den Bedarfen der Gemeinwesen ausgehen.372 Das Engagement der Sozialen Arbeit in den Beschäftigungsinitiativen sollte nicht darauf abzielen, Verantwortung für die aus der Wirtschaftspolitik resultierenden Probleme zu tragen. Sie greift vielmehr die Auswirkungen und Bedarfe der Betroffenen auf indem sie auf die Bedingungszusammenhänge und ihre Auswirkungen hinweist und diese zum Gegenstand gesellschaftlicher Auseinandersetzung macht. Die Aufgabe von Sozialer Arbeit muss es hier sein, die Verantwortung für das Problem auf die Erscheinungsebene von Sozialarbeit an die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik zurückzugeben und Anstöße für Veränderungen in diesem Bereich einzuleiten. Zusammenfassend lässt sich für den Praktiker der Sozialen Arbeit in Sozialen Betrieben festhalten, dass sowohl eine fundierte kritisch-theoretische Qualifizierung, die Fähigkeit zur Selbstkritik, Offenheit, Kreativität, Organisationskompetenz und ein hohes Engagement gefordert sind. Gemeinsam mit der Entwicklung neuer Handlungsansätze in der Forschung der Sozialarbeitswissenschaft und einem Ausbau der Lehre in diese

370 Vgl. Birkhölzer, K./Kramer, L. (2002): a.a.O.,S. 67f. 371 BEST 3S e.V. (Hrsg.) (2007): Handbuch für soziale Beschäftigungsunternehmen. Betriebliche Strategien und betriebswirtschaftliche Instrumente für soziale Beschäftigungsunternehmen. Tools und Perspektiven. Neu-Ulm 372 Vgl. Oldenburg, E. (1990): a.a.O., S. 96

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Richtung, können diese zur Stärkung eines unabhängigeren Berufsverständnisses beitragen als auch die Entwicklung neuer Strukturen unterstützen.

5.6 Zusammenfassung Die öffentliche Debatte um die Installierung eines 3. Arbeitsmarkts deutet auf ein zunehmendes Problembewusstsein in der Gesellschaft bezüglich der Folgen der Krise der Lohnarbeit hin. Ein möglicher dritter Arbeitsmarkt müsste sich allerdings deutlich vom bisher bestehenden zweiten Arbeitsmarkt mit seinen bekannten Schwächen (Simulation von Lohnarbeit und Stigmatisierung auf der einen Seite, Substitution und Mitnahmeeffekte auf der anderen Seite) abgrenzen. Ein dritter Arbeitsmarkt für einen arbeitsmarktfernen Personenkreis muss dauerhafte Beschäftigung bieten. Er muss gemeinwohl- und sozialraumorientiert mit anderen lokalen Akteuren vernetzt sein. In allen bisher diskutierten Modellen ist jedoch die Finanzierung der Trägerstrukturen vernachlässigt worden, obwohl die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen ohne Anschubfinanzierungen und einer dauerhaften Förderung von den meisten Trägern nicht geleistet werden kann (5.1.). Die Theorie- und Praxisansätze der Lokalen Ökonomie bieten hierfür eine interessante Projektionsfläche. Lokale Ökonomie bezieht sich in diesem Kontext auf die Gesamtheit des lokalökonomischen Handelns in einem geographisch abgegrenzten Gebiet und strebt die bewusste Verbindung von sozialem, ökologischem und ökonomischem Handeln an (5.2.). In diesem Kontext kann sich auch Soziale Arbeit neu definieren. Das Herz der Lokalen Ökonomie sind Soziale Unternehmen. Sie können als Integrationsunternehmen, mit öffentlichen Mitteln ausgestattet, tätig sein (Beschäftigungsgesellschaften) oder eher umsatzorientiert, soziale Dienstleistungen zur Verfügung stellen (Sozialbetriebe). Beide Formen sind in ihrer gegenwärtigen Ausprägung sehr stark auf das System der Lohnarbeit ausgerichtet. So genannte Selbsthilfeunternehmen unterschiedlichster Ausprägung, als Verein, Genossenschaft oder GmbH organisiert, auf Integration, Selbstverwaltung oder auf die Herstellung bestimmter Produkte orientiert, bieten die besten Ansatzpunkte für einen sinnvollen dritten Arbeitsmarkt im Kontext einer Lokalen Ökonomie (5.3.1.). Der Bedarf an gesunder Nahrung, an günstigem Wohnraum, an gemeindenahen Dienstleistungen und Infrastrukturen, lokaler Kultur und Umfeldverschönerung ist in vielen kommunalen Einheiten enorm groß. Projekte wie das Kölner Modellprojekt der „Lokalen Bürgerarbeit“ kann helfen diese Bedarfe zu decken. Das Modellprojekt bezieht Langzeitarbeitslose mit ihren Fähigkeiten, Kompetenzen und Bedürfnissen in die Planung ein, bietet langfristige Perspektiven und orientiert sich an den Bedarfen im

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Stadtteil. Es will lokale Akteure vernetzen, ist partizipativ ausgerichtet und in einen begleitenden Beratungs- und Evaluationszusammenhang eingebettet (5.3.2.). Genossenschaften bieten sich als Organisationsformen ebenfalls für ein ähnliches Herangehen an. Als selbstständige Vereinigungen auf freiwilliger Grundlage haben sie in anderen historischen Kontexten (19. Jahrhundert, 1970er und 1980er Jahre) eine lange Geschichte. Die letzte Reform des Genossenschaftsrechts bietet für kleine Genossenschaften moderner Ausrichtung mehr Entfaltungsmöglichkeiten. Auch hier gibt es verschiedene Ausrichtungen, wie z.B. auf Kleinproduktion (Mitglieder sind die Beschäftigten) oder solidarischer Hilfsleistungen (Mitglieder partizipieren am Angebot). Sozialgenossenschaften Betroffener praktizieren einen Selbsthilfeansatz, professionelle Sozialgenossenschaften produzieren für einen meist lokalen Markt und solidarische Sozialgenossenschaften arbeiten meist ehrenamtlich für mildtätige Zwecke. Die Fülle der Ausrichtungen auf solidarischer Grundlage bieten viele Ansatzpunkte für Projekte der Lokalen Ökonomie und des dritten Arbeitsmarktes (5.3.3.). Auf Grund mangelnder Finanzierung und notwendiger Rahmenbedingungen können viele interessante Projekte nicht überleben oder werden gar nicht erst gestartet. Deshalb ist es notwendig, besonders bei Projekten für Langzeitarbeitslose, nicht nur Mittel der Beschäftigungsförderung, sondern auch Mittel der Wirtschaftsförderung als Anschubfinanzierung zu mobilisieren. Die Finanzierung von Beschäftigungsförderung hat nach einigen interessanten Ansätzen Ende der 80er Jahre in Hinsicht auf Dauerhaftigkeit, Rentabilität und Qualität erhebliche Rückschritte vollzogen. Durch eine projektbezogene Finanzierung über die Wirtschaftsförderung könnten die Spielräume und Instrumente für Projekte des dritten Arbeitsmarktes und der Lokalen Ökonomie erheblich verbessert werden. Die Verpuffungseffekte, wie sie auf dem zweiten Arbeitsmarkt beobachtet wurden, könnten ebenso wie die Stigmatisierung der Betroffenen durch die einzelfallbezogene Förderung minimiert werden. Kostenneutralität und Verbesserungen der Lebensqualität der Langzeitarbeitslosen und der lokalen Bevölkerung könnten erreicht werden. Eine Kombination aus Sozialpolitik, Wirtschaftsförderung und Infrastrukturmaßnahmen könnten hier viel Sinnvolles anstoßen. Das Spannungsverhältnis zu Akteuren auf dem Markt muss bewusst gemacht und konstruktiv bearbeitet werden (5.4.). In der vorliegenden Arbeit wurde herausgearbeitet, dass sich die Arbeitsprinzipien der Projekte der Lokalen Ökonomie und die Arbeitsprinzipien einer emanzipatorischen Sozialen Arbeit sehr ähnlich sind und hervorragend ergänzen. Die Soziale Arbeit könnte sich im Kontext der Lokalen Ökonomie aus der Abhängigkeit von ihren Auftraggebern lösen. Beratungsarbeit ohne Zwangskontext wäre möglich. Eine Wiederaneignung des Auftrags der Sozialen Arbeit (Gemeinwesen-, Ressourcen- und Bedürfnisorientierung) könnte sukzessive erfolgen. Soziale Arbeit könnte den Selbsthilfegedanken wieder fördern und würde sich im vernetzten Lokalkontext nicht von anderer sinnvoller Arbeit

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unterscheiden. Die Existenzberechtigung der Sozialen Arbeit lies sich über die Bedürfnisse der Klienten und nicht über die Bedürfnisse von Institutionen definieren.

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6. Fazit ________________________________________________________________________________________

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6. Fazit Die Krise der Lohnarbeit und die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt führen zur Exklusion einer großen Gruppe der Bevölkerung. Deren Existenz und soziale Teilhabe ist gefährdet bzw. nicht mehr gesichert. Individuelle und gesellschaftliche Folgen der Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt und der steigenden Sockelarbeitslosigkeit verlangen nach neuen Handlungsmodellen. Die Erosion von Normalarbeitsverhältnissen und die Deregulierung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes (Stichwort Niedriglohnsektor, befristete Beschäftigung, etc.) sind Folgen der Krise der Lohnarbeit und betreffen in einem überdurchschnittlichen Maß bestimmte Risikogruppen, deren Chancen auf einen Arbeitsplatz dauerhaft gering sind. Hieraus ergeben sich konkrete Bedarfe an Sozialer Arbeit für die Personengruppe der Langzeitarbeitslosen. Neben den klassischen Einsatzfeldern in Schuldnerberatung, Suchtberatung und psychosozialer Beratung, wird es notwendig, die Selbsthilfepotentiale der Betroffenen zu stärken und ihre Überlebensstrategien auszubauen. Der Bedarf nach geförderten Beschäftigungs-möglichkeiten jenseits der marktförmigen Lohnarbeit ist dabei eindeutig. Die Umbrüche der Sozialen Arbeit im gesellschaftlichen Zusammenhang führen entgegen den gestiegenen Bedarfen zum Abbau von staatlichen Leistungen und Förderungen. Die Konkurrenz unter den Trägern Sozialer Arbeit steigt. Um dem entstandenen Legitimationsdruck gerecht zu werden, kommt es zur Übernahme betriebswirtschaftlicher Instrumente im Rahmen einer Ökonomisierung Sozialer Arbeit. Der historische Blick auf die Arbeitsförderung und den gesellschaftlichen Umgang mit Arbeitslosigkeit zeigt, bis auf die Zeit der „Kritischen Sozialarbeit“ in den 70er Jahren, eine weitgehende Konformität der Sozialen Arbeit mit Arbeitszwang im Rahmen von Arbeitsfördermaßnahmen. Dies wurde mit Einführung der Gesetze zur Modernisierung am Arbeitsmarkt jedoch wieder zurückgenommen. Eine Verschärfung der Zumutbarkeitsregelung und der Wiedereinführung des Arbeitszwangs im Rahmen von Arbeitsgelegen-heiten, führte zur Erhöhung des Drucks auf Arbeitslose. Soziale Arbeit hat hier die Rolle des Dienstleisters für personenbezogene Leistungen und beteiligt sich aktiv an der Pädagogisierung und Paternalisierung der Arbeitslosen und unterwirft sich dem Diktat des Vermittlungsparadigmas in einen Arbeitsmarkt, der für eine immer größer werdende Gruppe nur noch prekäre Beschäftigungsformen bereit hält. Die Instrumente der Sozialen Arbeit mit Langzeitarbeitslosen verengen die Handlungsspielräume im Sinne einer Förderung der Autonomie der Zielgruppe

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6. Fazit ________________________________________________________________________________________

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und führen weg von einer bedürfnisorientierten „Hilfe zur Selbsthilfe“ im eigentlichen Sinn. Die Paradigmen des aktivierenden Sozialstaates und die Form ihrer derzeitigen praktischen Auslegung widersprechen in vielen Punkten den Zielen einer emanzipatorischen, eigenbestimmten Sozialen Arbeit. Mit dem Ziel der Kostensenkung wird die Verantwortung und das Lebensrisiko zunehmend privatisiert. Dies hat nicht nur Folgen im Rahmen der Stigmatisierung Arbeitsloser, sondern auch auf die Handlungslogiken der Sozialen Arbeit. Die Professionalisierungsdebatte um das Selbstverständnis Sozialer Arbeit hat gezeigt, dass die Standards sich auf vielen Ebenen unter den Bedingungen der gesetzlichen Veränderungen nicht gehalten werden konnten. Diskussionen über die Entwicklung eigener Modelle und Profile findet jedoch kaum statt. Eine eigene Positionierung der Sozialen Arbeit im Rahmen der Bearbeitung der Krise der Lohnarbeit und der Milderung der Folgen von Ausgrenzung und Arbeitslosigkeit ist somit nur schwer möglich. Die genaue Betrachtung der veränderten Beziehung von Sozialarbeiter und „Klient“ im derzeit vorgeschriebenen Zwangskontext, zeigt eine deutliche Verlagerung von einem ursprünglich vorausgesetzten Vertrauensverhältnis hin zu einem Verhältnis, dass geprägt ist von der Androhung des Entzuges existentieller Leistungen. Folge ist die „professionelle Lähmung“ und der Verlust eines bedürfnisorientierten, klientenzentrierten Handelns mit eigenbestimmtem Auftrag. Die Trägerorganisationen stehen zunehmend unter Legitimations- und Konkurrenzdruck. Ausschreibungen nach dem Bieterverfahren und das Förderungssystem der Fallpauschalen machen eine langfristige Planung kaum möglich. Die Fluktuation der Beschäftigten steigt und die Qualität der Arbeitsbedingungen sowie der Sozialen Arbeit selbst sinkt. Kennzahlen und Qualitätsnachweise bekommen für die Träger einen immer höheren Stellenwert, da hieran der Erfolg der Arbeit gemessen wird. Der Rückgang der staatlichen Förderungen führt in einigen Bereichen zum Abbau von Leistungen, aber auch zu Veränderungen in der Organisationsform der Träger. Ausgliederungen von Abteilungen in GmbH-Form nehmen zu. In den Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften werden seit Jahren als Grundübel bzw. Konstruktionsfehler der Fördermittelstruktur stets die gleichen Punkte benannt: - die ausschließlich personen- anstatt projektbezogene Förderung, - die Kurzfristigkeit der Förderung und der damit verbundene Zwang zur Rotation der Mitarbeiter/innen und

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6. Fazit ________________________________________________________________________________________

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- das Kriterium der Vermittlung auf andere Arbeitsplätze oder Maßnahmen an Stelle der tatsächlichen Integration in dauerhaft tragfähige Erwerbsstrukturen. Die Debatte um einen dritten Arbeitsmarkt zeigt ein zunehmendes Problembewusstsein zur Schaffung einer dauerhaften Perspektive und Integration der von Langzeitarbeitslosigkeit Betroffenen. Strittig ist jedoch die Ausgestaltung neuer Lösungsansätze. Die Theorie- und Praxisansätze der Lokalen Ökonomie bieten hier eine Basis, um die Bedarfe nach neuen Beschäftigungsmodellen und den Bedarfen der Gemeinwesen nach bisher nicht gedeckten Dienstleistungen und Waren zu kombinieren. Die ausgewählten Praxisbeispiele zeigen eine Herangehensweise, die Partizipation, „Hilfe zur Selbsthilfe“ und Bedürfnisorientierung im Sinne der Prinzipien Sozialer Arbeit ermöglicht. Die Wiederaneignung eines eigenständigen Auftrages kann in Sozialen Unternehmen, den verschiedenen Formen der Sozialgenossenschaften und dem Pilotprojekt der „Lokalen Bürgerarbeit“ strukturell geleistet werden. Eine weitere Bearbeitung und Erforschung ist hier notwendig, da sie im Rahmen der Arbeit nicht geleistet werden konnte. Die Kopplung von Arbeits- und Wirtschaftsförderung stellt sich bei der Bearbeitung als sinnvoll heraus. Eine projektbezogene Förderung in diesem Kontext, mindert die Stigmatisierung der Betroffenen und schafft eine dauerhafte Perspektive. Beratungsleistungen müssen diesen Prozess allerdings begleiten, damit eine möglichst große Unabhängigkeit von Förderung durch Erwirtschaftung von Eigenmitteln der Sozialen Unternehmen möglich ist. Die bisherigen Instrumente müssen dahingehend überprüft und für eine Erweiterung der lokalökonomischen Projekte angepasst werden. Eine Stärkung des Selbsthilfepotentials und eine Stärkung der Überlebensstrategien wäre die gewünschte Folge. Die Aufwertung vernachlässigter Quartiere wäre ein wünschenswerter Nebeneffekt, da die Projekte viele Bedürfnisse decken können, die bisher keine Beachtung finden. Von der bloßen Beschäftigung, über Vernetzung der Menschen im Stadtteil, der Produktion von Kultur und Gemeinschaft, aber auch sinnvollen Produkten und Dienstleistungen, wie etwa gesunde Ernährung durch Subsistenzanbau. Offene Fragestellungen, die bei der Bearbeitung des Themas auftraten, sind z.B. die genaue Ausgestaltung der Wirtschaftsförderung. Wie konkret muss die Bezuschussung aussehen, damit die gewünschten Effekte eintreten? Wie ist die Förderung gesetzlich umsetzbar und welche Synergieeffekte mit bereits bestehenden Förderungsmöglichkeiten wären nutzbar?

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6. Fazit ________________________________________________________________________________________

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Auch die Beantwortung der Frage nach der Ausgestaltung der Projekte z.B. im Sozialgenossenschaftsbereich befindet sich noch am Anfang. Hierzu gibt es wenige Forschungsergebnisse, obwohl die Hinweise auf ein öffentliches Interesse an Sozialen Unternehmen zunehmen. Die vorgelegte Arbeit gibt keine Antwort auf die Frage nach gesamtgesellschaftli-chen Alternativen zur Lohnarbeit. Die beschriebenen Vorschläge bieten lediglich die Möglichkeit mit geringem Aufwand durch Veränderung der Organisation Sozialer Arbeit mit Langzeitarbeitslosen innerhalb des Systems Verbesserungen herbeizuführen. Alternativen zur „Arbeitsgesellschaft“ zu finden, ist meines Erachtens jedoch die viel größere Aufgabe, die Politik und Gesellschaft in den nächsten Jahren zu leisten hat.

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- Infratest Dimap Stand 19.02.2007 http://www.infratest-dimap.de/?id=39&aid=17#ue4

- Montagsdemonstrationen

Stand 04.06.2007 http://www.bundesweite-montagsdemo.com/ - Solidarische Ökonomie

Stand 13.04.2007 http://www.solidarische-oekonomie.de

- Förderdatenbank des Bundesministeriums

Stand 14.06.2007 http://www.foerderdatenbank.de

- Bundesministerium für Arbeit und Soziales Stand 19.01.2007 http://www.bmas.bund.de/BMAS/Navigation/Arbeitsmarkt/foerderung.html

- Deutscher Berufsverband für Sozialarbeiter, Sozialpädagogen und Heilpädagogen

e.V. Stand 10.07.2007 http://www.dbsh.de/html/eingangsseite.html

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- Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung GmbH Stand 14.06.2007 http://www.gib.nrw.de/de/gib/index.htm?id=21478

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Sektoren der Ökonomie

Birkhölzer, K. (2000): Das Dritte System – Versuch einer Beg-riffsklärung. In: Maecenata aktuell (21), Newsletter des Maecena-ta-Instituts zur Dritter-Sektor-Forschung, Berlin, S. 16

Abbildung 2: Idealtypische Zeitschiene des Projektes „Lokale Bürgerarbeit“

Wiedemeyer, M (2001): Lokale Beschäftigungsförderung und Dritter Sektor – eine Modellskizze. In: Becker, U. (Hrsg.): Weni-ger Arbeit – Arbeit für alle? Marburg, S. 254-255

(Abbildung im Anhang)

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Eidesstattliche Versicherung Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Masterthesis selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel und Quellen benutzt habe. Die Arbeit hat in dieser oder ähnlicher Form noch keiner Prüfungsbehörde vorgelegen. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß veröffentlichten oder unveröffentlichten Schriften oder Medien jedweder Art einschließlich elektronischer Medien (z.B. dem Internet) entnommen sind, habe ich als solche kenntlich gemacht. Mir ist bewusst, dass ein Verstoß gegen diese Versicherung mit erheblichen Nachteilen für mich verbunden sein kann. Köln, den 27.07.2007 ____________________________ Judith Knabe