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Soziale Beziehungen & Gesellschaft -Proseminar Sommersemester 2005 – Bourdieu // Ökonomisches, kulturelles & soziales Kapital

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Soziale Beziehungen & Gesellschaft

-Proseminar Sommersemester 2005 –

Bourdieu // Ökonomisches, kulturelles & soziales Kapital

>> 2

Die Kapitalsorten nach Bourdieu

Kapital

Ökonomisches Kapital(Geld, Besitz)

Soziales Kapital (soziale Beziehungen)

Kulturelles Kapital

Inkorporiertes (verinnerlichtes)

kulturelles Kapital(kulturelle Kompetenz)

Institutionalisiertes kulturelles Kapital

(formale Bildungsabschlüsse)

Objektiviertes kulturelles Kapital(z.B. Gemälde, Schriften, etc.)

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Habitus

Definition Habitus: Verinnerlichte Denk-, Handlungs- und Wahrnehmungsschemata(vgl. Bourdieu, Die feinen Unterschiede)

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Zur Funktionsweise des Habitus

Ausgangspunkt Chomsky / Linguistik: Unterscheidung von Sprachkompetenz und -performanz:

- Die Sprachkompetenz bezeichnet das abstrakte Sprachwissen, über das ein Sprecher verfügen muss, um eine Sprache zu beherrschen

- Die Performanz bezeichnet die tatsächliche Realisation der Sprachkompetenz und wird ‚sichtbar‘ in den lautlichen Äußerungen (die Existenz der Sprachkompetenz kann im Prinzip nur aus der Performanz abgeleitet werden)

Analogien: Kompetenz

Performanz

Habitus

Praxis

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Zur Funktionsweise des Habitus

Chomskys Ansatz:Mit Hilfe eines begrenzten grammatischen Regelwerkes (der Kompetenz) lassen sich unendlich viele verschiedenartigesprachliche (grammatische) Äußerungen produzieren.

Jede dieser Äußerungen trägt aber die Strukturmerkmale des Systems, das sie erzeugt hat.

Bourdieu überträgt dieses Prinzip auf den Habitus.

Der Habitus stellt damit die ‚kulturelle‘ Kompetenz dar, eine Vielzahl verschiedenartiger Praktiken („sozialer Handlungen“) zuerzeugen, die aber jeweils die Strukturmerkmale des Habitus, d.h. des verinnerlichten kulturellen Systems tragen

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Zur Funktionsweise des Habitus

Der Habitus ist „eine unbegrenzte Fähigkeit, in völliger (kontrollierter) Freiheit, Hervorbringungen – Gedanken, Wahrnehmungen, Äußerungen, Handlungen – zu erzeugen, die stets in den historischen und sozialen Grenzen seiner eigenen Erzeugung liegen“

So steht „die konditionierte und bedingte Freiheit, die er bietet, der unvorhergesehenen Neuschöpfung ebenso fern wie der simplen mechanischen Reproduktion ursprünglicher Konditionierungen.“ (zitiert nach Bourdieu 1997, Sozialer Sinn, S.103)

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Zur Funktionsweise des Habitus

Zentraler Unterschied zu Chomsky:Chomsky begreift die ‚Kompetenz‘ als angeboren, wohingegen Bourdieu den Habitus als – innerhalb der Sozialisation – erworben / erlernt versteht.

Da sich der Habitus innerhalb der Sozialisation ausbildet, verinnerlicht er die kulturellen Regeln jener Personen, denen er seine Existenz verdankt (in erster Linie den Eltern).

Es gibt – mit anderen Worten – innerhalb einer Gesellschaft eine Vielzahl unterschiedlicher Habitusformen, die auf die soziale Position einer Person verweisen, weil sie mit den Bedingungen der Erzeugung des Habitus zusammenhängen.

Habitus der Arbeiterschicht vs. Habitus des Kleinbürgertums vs. Habitus der kulturellen Eliten vs. Habitus der großbürgerlichen Schichten etc.

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Kapitalvolumen

Ökon. Kapital +

Kult. Kapital -

Ökon. Kapital -

Kult. Kapital +

soziale PositionenLebensstile

Vgl. Bourdieu ‚Die feinen Unterschiede‘

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Geschmack & Konsum

„Ein umfassendes Verständnis des kulturellen Konsums ist freilich erst dann gewährleistet, wenn […] noch der raffinierteste Geschmack für erlesenste Objekte wieder mit dem elementaren Schmecken von Zunge und Gaumen verknüpft wird“ (Bourdieu, ‚Die feinen Unterschiede‘)

Habitus – stellt die Verbindung zwischen dem physiologischen Körper und der Kultur einer Gesellschaft her: ist also verinnerlichteGesellschaft

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Begriffe und Zusammenhänge

Habitus – System verinnerlichter Regeln, das soziale Praktiken generiert

Lebensstile – Kulturelle Praktiken, die vom System des Habitus erzeugt werden

(Kulturelles) Kapital – Stellt die Verbindung zwischen dem gesellschaftlichen Statussystem und dem Habitus her

Bourdieu geht davon aus, dass es in einer (über ein Bildungssystem kulturell integrierten) Gesellschaft einen impliziten Konsens darüber gibt, welche kulturellen Praktiken (und damit welche Habitusformen) als höher und minderwertiger gelten.

Kulturelle Praktiken, die der Habitus erzeugt, lassen sich demnach im sozialen Raum hierarchisch anordnen. Lebensstile bringen die eigene Lage innerhalb der Statushierarchie zum Ausdruck und sind deshalb nicht nur Zeugnisse kultureller Tätigkeit sondern in erster Linie Zeugnisse sozialer Stellung

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Begriffe und Zusammenhänge

Soziale Reproduktion

Die Ausbildung des Habitus ist abhängig von den „Konditionierungsbedingungen“, denen er seine Existenz verdankt. Gemeint sind damit in erster Linie die kulturellen und ökonomischen Ressourcen der Herkunftsfamilie, die darüber bestimmen, welche primäre und sekundäre (schulische) Sozialisation eine Person erfährt.

- Die ökonomischen Bedingungen der Herkunftsfamilie können z.B. über die Dauer der Ausbildungszeiten des Kindes bestimmen

- Die kulturellen Bedingungen innerhalb der Herkunftsfamilie spielen im Hinblick auf die erste Prägung des Habitus eine entscheidende Rolle für den weiteren Werdegang (weil sie z.B. vorbereitend auf schulische Laufbahnen wirken können, wenn sie die kulturell erwünschten Verhaltensformen bereits früh einüben)

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Beispiel für die Reproduktion sozialer Ungleichheit (BRD)

Reproduktion sozialer Ungleichheit (Albus 2002)

% von elt_bild Eltern Bildung gesamt / reduziert (Vaterbildung; wenn nicht vorhanden Mutterbildung)

50.7% 15.6% 10.9% 6.4% 39.4%

27.9% 39.5% 19.3% 22.0% 28.7%9.3% 23.7% 30.3% 29.2% 14.3%

12.1% 21.2% 39.5% 42.4% 17.6%

100.0% 100.0% 100.0% 100.0% 100.0%

Hauptschule/KeinAbschlussMittlere ReifeAbiturStudienabschluss(FH / Uni)

Bildung derBefragungs-personen

Gesamt

Hauptschule/Kein

Abschluss Mittlere Reife Abitur

Studienabschluss (FH /

Uni)

Bildung der Eltern (der Bef ragungspersonen)

Gesamt

Quelle: Berechnungen aus dem Allbus 2002