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Sozialmanagement und Professionalisierung sozialer Einrichtungen Ein praxisbezogener Ansatz am Beispiel der Eingliederungshilfe für psychisch behinderte Erwachsene Jürgen Wanitzke veröffentlicht unter den socialnet Materialien Publikationsdatum: 27.12.2013 URL: http://www.socialnet.de/materialien/173.php

Sozialmanagement und Professionalisierung sozialer ... · Ebenfalls wird ein bestimmtes Management-Modell – das neue St. Galler Management- Modell – herangezogen, das ebenfalls

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Sozialmanagement und Professionalisierung sozialer Einrichtungen

Ein praxisbezogener Ansatz am Beispiel der Eingliederungshilfe für psychisch behinderte Erwachsene

Jürgen Wanitzke

veröffentlicht unter den socialnet MaterialienPublikationsdatum: 27.12.2013URL: http://www.socialnet.de/materialien/173.php

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Freie wissenschaftliche Arbeit

zur Erlangung

des Grades eines Masters in Sozialmanagement

an der Alice Salomon Hochschule Berlin

(Masterarbeit)

Sozialmanagement und Professionalisierung sozialer Einrichtungen Ein praxisbezogener Ansatz am Beispiel der Eingliederungshilfe für psychisch

behinderte Erwachsene

Eingereicht bei:

Erstleser: Herr Prof. Dr. Hans-Dieter Bamberg

Zweitleser: Herr Dr. sc. Lothar Becker

Verfasser: Jürgen Wanitzke

Kurt-Schumacher-Ring 52

58135 Hagen

Matrikel.-Nr.: 8122066

Hagen, den 29.01.2013

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis .............................................................................................................. 3

Abkürzungsverzeichnis...................................................................................................... 5

Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................... 6

Tabellenverzeichnis ........................................................................................................... 6

1. Einleitung ................................................................................................................... 7

1.1 Anlass und Problemstellung ................................................................................ 7

1.2 Erkenntnisinteresse, Fragen, Eingrenzungen und Erkenntnisziele ...................... 8

1.3 Aufbau der Arbeit ................................................................................................ 9

2. Hauptteil ................................................................................................................... 10

2.1 Erste Begriffsbestimmungen und Definitionen ................................................... 10

2.1.1 Management .............................................................................................. 12

2.1.2 Soziale Arbeit, Sozialer Bereich und Soziale Einrichtungen ....................... 14

2.1.3 Sozialmanagement .................................................................................... 14

2.1.4 Professionalität und Professionalisierung ................................................... 15

2.2 Genese der Professionalisierungs- und Sozialmanagementdiskussionen ......... 18

2.2.1 Deutsches Reich und Folgen der industriellen Revolution .......................... 18

2.2.2 Erster Weltkrieg .......................................................................................... 19

2.2.3 Weimarer Republik, Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg ................ 19

2.2.4 Nachkriegszeit und junge Bundesrepublik Deutschland ............................. 21

2.2.5 1970er und 80er Jahre und der Wandel im Sozialstaatsverständnis .......... 24

2.2.6 1990er Jahre und der Um- und Abbau des Sozialstaates ........................... 26

2.2.7 Ende der 1990er Jahre bis heute: Etablierung des Sozialmanagements .... 29

2.3 Wandel und Veränderungen bei der Kontakt- und Krisenhilfe e. V. ................... 31

2.3.1 Kleine Anfänge ........................................................................................... 31

2.3.2 Wende zur Subjektförderung und beginnendes Wachstum ........................ 34

2.3.3 „Hochzonung“ des Ambulant Betreuten Wohnens und Expansion ............. 35

2.3.4 Konsequenzen des Wachstums und strukturelle Veränderungen ............... 37

2.3.5 Aktuelle Herausforderungen und Anforderungen ........................................ 41

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2.4 Systemtheoretisches Paradigma der Sozialen Arbeit ........................................ 48

2.4.1 Theoretische Grundlagen des Systemtheoretischen Paradigmas .............. 48

2.4.2 Systemtheoretisches Paradigma in seinen Grundzügen ............................ 52

2.4.3 Systemische Denkfigur nach Kaspar Geiser .............................................. 60

2.4.4 Allgemeine Normative Handlungstheorie und Praxisbezug ........................ 63

2.5 Neues St. Galler Management-Modell ............................................................... 67

2.5.1 Entstehung und theoretische Grundlagen .................................................. 67

2.5.2 Grundkategorien des Modells und Praxisbezug ......................................... 70

2.5.3 Umweltsphären .......................................................................................... 70

2.5.4 Anspruchsgruppen ..................................................................................... 71

2.5.5 Interaktionsthemen ..................................................................................... 72

2.5.6 Ordnungsmomente .................................................................................... 74

2.5.7 Prozesse .................................................................................................... 77

2.5.8 Entwicklungsmodi ...................................................................................... 80

2.6 Professionalisierung als Aufgabe des Managements ........................................ 81

2.6.1 Vorüberlegungen ........................................................................................ 81

2.6.2 Organisationales Lernen ............................................................................ 83

2.6.3 Führen durch Zielvereinbarungen............................................................... 87

2.6.4 Verbindung von organisationaler Lernfähigkeit und FdZ ............................. 90

3. Schlussteil ................................................................................................................ 92

3.1 Möglichkeiten .................................................................................................... 92

3.2 Grenzen ............................................................................................................ 95

3.3 Ausblick ............................................................................................................. 96

Literatur- und Quellenverzeichnis .................................................................................... 98

Erklärung ....................................................................................................................... 104

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Abkürzungsverzeichnis

ABW Ambulant Betreutes Wohnen

ANHT Allgemeine Normative Handlungstheorie

AVB Arbeitsvertragsbedingungen des Paritäti-schen Wohlfahrtsverbandes

BHO Bundeshaushaltsordnung

BSHG Bundessozialhilfegesetz

FdZ Führen durch Zielvereinbarungen

FLS Fachleistungsstunde

KuB Kontakt- und Beratungsstelle(n)

KuK Kontakt- und Krisenhilfe im Ennepe-Ruhr-Kreis e. V.

KVP Kontinuierlicher Verbesserungsprozess

LHO Landeshaushaltsordnung

LWL Landschaftsverband Westfalen-Lippe

MA Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

NRW Nordrhein-Westfalen

PDCA Plan-Do-Check-Act (Deming-Zyklus)

QM Qualitätsmanagement

QMB Qualitätsmanagementbeauftragter

QMS Qualitätsmanagementsystem

SAW Sozialarbeitswissenschaft

SGB Sozialgesetzbuch

SpFh Sozialpädagogische Familienhilfe

SPSA Systemtheoretisches Paradigma Sozialer Arbeit

TS Tagesstätte

VZ Vollzeit (Arbeitsstelle)

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Der Ennepe-Ruhr-Kreis .............................................................................. 31

Abbildung 2: Die KuK bis Juni 1999, vor der Eröffnung der Tagesstätte .......................... 33

Abbildung 3: Die KuK Ende 2002 .................................................................................... 35

Abbildung 4: Die KuK Ende 2003 .................................................................................... 36

Abbildung 5: Die KuK Ende 2005 .................................................................................... 37

Abbildung 6: Die KuK Ende 2008 .................................................................................... 38

Abbildung 7: Die KuK Ende 2009 .................................................................................... 38

Abbildung 8: Die KuK Ende 2011 .................................................................................... 39

Abbildung 9: Die KuK Ende 2012 .................................................................................... 40

Abbildung 10: Entwicklung der Klient/inn/en-Zahlen im ABW 2005-2012 ........................ 41

Abbildung 11: Die Struktur der Sozialarbeitswissenschaft in der Sicht des SPSA............ 53

Abbildung 12: Problemklassen und ihre Beziehungen untereinander .............................. 58

Abbildung 13: Allgemeine Normative Handlungstheorie .................................................. 59

Abbildung 14: Komponenten des allgemeinen methodischen Professionswissens .......... 60

Abbildung 15: Die SDF im Detail (Individuum) ................................................................. 61

Abbildung 16: Modell eines integrierten Systems von Handlungswissenschaften ............ 67

Abbildung 17: Das neue St. Galler Management-Modell im Überblick ............................. 70

Abbildung 18: Phasenschema des MbO .......................................................................... 88

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Entwicklung Klienten – Personal - LWL-Vergütung 1999 - 2012 ..................... 42

Tabelle 2: Verteilung Mitarbeiter/innen – Qualifikation – Stellenumfang im ABW ............. 47

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1. Einleitung

1.1 Anlass und Problemstellung

Der Verfasser dieser Arbeit ist seit Oktober 2005 bei der Kontakt- und Krisenhilfe im

Ennepe-Ruhr-Kreis e. V., einer Einrichtung der Eingliederungshilfe für psychisch behin-

derte Erwachsene, beschäftigt. Drei Jahre lang war er dort zunächst als Dip-

lom-Sozialarbeiter im Arbeitsbereich Ambulant Betreutes Wohnen tätig. Danach wurde er

als Teamleiter eingesetzt und ist in dieser Position zuständig für z. Zt. neun Mitarbei-

ter/innen, die zum größten Teil im Ambulant Betreuten Wohnen und teilweise in der Kon-

taktstellenarbeit tätig sind. Ende 2009 kam – nach einer entsprechenden Fortbildung – als

weiterer Aufgabenbereich, die Implementierung und der Aufbau eines Qualitätsmanage-

mentsystems nach DIN EN ISO 9001:2008, hinzu.

Bereits während seiner Zeit als sozialarbeiterische Fachkraft (und schon während früherer

Tätigkeiten im Sozialen Bereich) hatte der Verfasser Schwierigkeiten, sowohl das im Stu-

dium erworbene Wissen praxisrelevant einzusetzen, als auch sich über seine Identität als

Sozialarbeiter klar zu werden und das Spezifische dieser Identität in seinem Arbeitsbe-

reich und dessen Umfeld sinnvoll von den Tätigkeiten anderer helfender Berufe und Pro-

fessionen abzugrenzen. Der Eindruck, dass es auch den anderen Kolleg/inn/en mit dem

gleichen Ausbildungshintergrund so ergeht, hat sich mit den Jahren verfestigt und konkre-

tisiert (und wurde jüngst anhand einer durchgeführten internen Umfrage bestätigt1). Die

Probleme, die ein solcher Zustand mit sich bringt, zeigen sich vordergründig z. B. in Unsi-

cherheiten beim Erstellen aussagekräftiger und fachlich fundierter Hilfepläne und Entwick-

lungsberichte, sowie anhand heterogener und teilweise schlecht zu vereinbarender und

fachlich unklarer Herangehensweisen an Klient/inn/en und deren Probleme im Teamkon-

text und in der Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern etc.

Als Teamleiter und Qualitätsmanagementbeauftragter wurde der Verfasser zunehmend

mit Management- und Leitungsfragen konfrontiert. Die Bemühungen, mit Hilfe des Quali-

tätsmanagements die fachliche Arbeit in der Einrichtung zu verbessern, warfen in Verbin-

dung mit dem dadurch importierten Managementjargon und diversen Managementtools

teilweise mehr Fragen auf als sie zu lösen versprachen – all dies wollte nicht so recht zu

dem erlebten Alltagsgeschäft in einer Sozialen Einrichtung passen. Es wurde dem Ver-

fasser schnell bewusst, dass eine gewinnbringende Implementierung eines QM-Systems

in einer Sozialen Einrichtung weitaus mehr Wissen und Kenntnisse erforderlich macht, als

sie in einer Qualitätsmanagement-Fortbildung vermittelt werden.

1 Siehe Gliederungspunkt 2.3.5

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So entschloss der Verfasser sich, Ende 2010 ein Sozialmanagement-Studium aufzuneh-

men. Interessensschwerpunkte während des Studiums waren Fragen der Organisations-

und Personalentwicklung, Notwendigkeiten und Möglichkeiten organisationalen Wandels,

die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Organisationsstrukturen, Organi-

sationskultur und Möglichkeiten und Grenzen gezielter Steuerung von Entwicklungen etc.

Während dieses Studiums, das berufsbegleitend absolviert wurde, hatte der Verfasser die

gewinnbringende Gelegenheit, im Studium erworbenes Wissen und Fähigkeiten immer

wieder theoretisch und praktisch mit dem Arbeitsalltag und der Situation in seiner Einrich-

tung abzugleichen. Der Eindruck, dass die mangelnde Professionalität in der Sozialen

Arbeit ein Problem ist, das über die Zukunftsfähigkeit und den Bestand konkreter Sozialer

Einrichtungen entscheiden kann, hat sich während der Studienzeit verfestigt.

1.2 Erkenntnisinteresse, Fragen, Eingrenzungen und Erkenntnisziele

Der Verfasser ist zu der Einschätzung gelangt, dass es eine vordringliche Aufgabe des

Managements in Sozialen Einrichtungen ist, diesem Problem mit den ihm zur Verfügung

stehenden adäquaten Mitteln abzuhelfen. Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Ar-

beit ist daher, ob und wie es gelingen könnte2, Einrichtungen der Sozialen Arbeit zu pro-

fessionalisieren. Im Zusammenhang damit stehen u. a. Fragen danach, was Professiona-

lität in der Sozialen Arbeit ausmachen könnte, wie es zu der verbreiteten Einschätzung

kommen konnte, dass in der Sozialen Arbeit in Deutschland ein eklatanter Mangel an Pro-

fessionalität besteht, woran man einen solchen Mangel womöglich konkret erkennen

kann, ob es praktikable Möglichkeiten der Abhilfe dieses Zustandes geben könnte und ob

und wie man in konkreten Zusammenhängen solche Abhilfe leisten kann.

Da ein entsprechender Beitrag sich in dem vorgegebenen Umfang einer Masterarbeit na-

turgemäß zu begrenzen hat, werden vier grundlegende Eingrenzungen vorgenommen:

1. Das Untersuchungsfeld beschränkt sich im Wesentlichen auf das Arbeitsfeld des Am-

bulant Betreuten Wohnens in der Kontakt- und Krisenhilfe e. V., da Managementkonzepte

und -modelle, um in Organisationen wirksam sein zu können, sich auf die dortigen kon-

kreten Gegebenheiten und Umstände herunterbrechen und anwenden lassen müssen.

Zudem wirkt sich der Wandel der Rahmenbedingungen im Sozialen Bereich bei der Kon-

takt- und Krisenhilfe in diesem Arbeitsbereich besonders deutlich und folgenreich für die

gesamte Einrichtung aus.

2. Es wird ein bestimmtes Modell professioneller Sozialer Arbeit – das Systemtheoreti-

sche Paradigma der Sozialen Arbeit – ausgewählt, das den Rahmen für eine sukzessive

2 Daher ist im Titel von einem „Ansatz“ die Rede.

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Implementierung von Professionalität bilden und auf die Spezifika des ausgewählten Ar-

beitsbereichs abgestimmt werden soll.

3. Ebenfalls wird ein bestimmtes Management-Modell – das neue St. Galler Management-

Modell – herangezogen, das ebenfalls auf die Spezifika des Arbeitsfeldes und der Ge-

samteinrichtung abgestimmt werden muss. Beide Modelle haben einen integrativen Cha-

rakter und erlauben somit die Berücksichtigung zahlreicher Elemente und Faktoren, die

für das hier unternommene Unterfangen sinnvoll erscheinen. Beide Modelle sind zudem

systemtheoretisch, wenn auch unter verschiedenen philosophischen Prämissen, und er-

lauben somit eine adäquate Bewältigung komplexer Zusammenhänge und Umstände.

4. Es wird eine Beschränkung auf zwei ausgewählte Methoden zur Umsetzung der bis

dahin gewonnenen Erkenntnisse in einer konkreten Sozialen Einrichtung vorgenommen.

Die Ziele der hier angestellten Überlegungen bestehen darin, die aufgeworfenen Fragen

mit Hilfe wissenschaftlich begründeten Wissens und in Verbindung sowohl mit eigenen

Managementerfahrungen als auch der Kenntnis der konkreten Probleme einer konkreten

Einrichtung möglichst befriedigend und praxisrelevant beantworten zu können und aus-

baufähige Ideen für die weitere praktische Umsetzung entwickelt zu haben.

1.3 Aufbau der Arbeit

Nachdem in der Einleitung Anlass und Problemstellung des hier behandelten Themas

umschrieben worden sind, zum Erkenntnisinteresse und einigen damit verbundenen Fra-

gestellungen Stellung genommen wurde, grundlegende Eingrenzungen hinsichtlich der

Themenbearbeitung vorgenommen und die Erkenntnisziele dargelegt worden sind, wer-

den im folgenden Hauptteil der Arbeit unter dem Gliederungspunkt 2.1 definitorische Ein-

grenzungen vorgenommen und wichtige verwendete Begriffe und Definitionen geklärt.

Sodann wird unter dem Gliederungspunkt 2.2 anhand eines historischen Abrisses skiz-

ziert, wie es in der Bundesrepublik Deutschland zu der aktuell als problematisch einge-

schätzten Situation in der Sozialen Arbeit und zu den Bestrebungen gekommen ist, durch

ein Hochschulstudium Sozialmanagement Abhilfe zu schaffen. Anschließend zeigt der

Verfasser unter dem Gliederungspunkt 2.3 auf, wie sich die zuvor dargestellten Entwick-

lungen im Arbeitsfeld der Eingliederungshilfe für psychisch behinderte Erwachsene und

näherhin in der Einrichtung Kontakt- und Krisenhilfe im Ennepe-Ruhr-Kreis e. V. ausge-

wirkt haben. Der Gliederungspunkt schließt mit der Erörterung, welche aktuellen Proble-

me dort im Zusammenhang mit dem hier behandelten Thema zu lösen sind.

Unter dem Gliederungspunkt 2.4 wird das Systemtheoretische Paradigma der Sozialen

Arbeit vorgestellt und im Hinblick auf die Besonderheiten der in den Blick genommenen

Einrichtung und des ausgewählten Arbeitsbereiches spezifiziert. Gleichermaßen wird in

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einem nächsten Schritt unter gliederungspunkt 2.5 das neue St. Galler Management-

Modell eingeführt. Im Rahmen des letztgenannten Modells wird unter dem Gliederungs-

punkt 2.6 aufgezeigt, auf welche Weise das Management der Kontakt- und Krisenhilfe

e. V. mit Hilfe des SPSA die Einrichtung professionalisieren könnte.

Im Schlussteil dieser Arbeit werden unter dem Gliederungspunkt 3. die Möglichkeiten er-

örtert, die sich durch die hier vorgeschlagene Weise der Professionalisierung bieten, es

werden die Grenzen aufgezeigt, auf die ein solcher Versuch möglicherweise stoßen wird

und es wird ein kurzer Ausblick gewagt.

2. Hauptteil

2.1 Erste Begriffsbestimmungen und Definitionen

An dieser Stelle werden hinsichtlich der in dieser Arbeit vom Verfasser verwendeten Be-

griffe erste Klärungen vorgenommen. Definierte und für die Gedankenführung in der Ar-

beit besonders relevante Begriffe werden durchweg als Eigennamen verwendet (z. B.

Sozialer Bereich, Soziale Einrichtung etc.). Im weiteren Verlauf der Arbeit werden weitere

Begriffsdefinitionen folgen, die sich aus dem jeweiligen Zusammenhang heraus als sinn-

voll nahelegen (z. B. Soziale Probleme).

„Das Soziale ist das Programm, das Sozialer Arbeit eignet und an dem sich die mana-

gende Tätigkeit zu orientieren hat.“ (Bader 1999 in Schwarz 2012, S. 133) Dieses Zitat

von Cornelia Bader fasst einen wichtigen Aspekt der Fragestellung des Verfassers dieser

Arbeit prägnant zusammen: Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Aufgaben

und Anforderungen, mit denen ein Management in Sozialen Einrichtungen zu tun hat und

dem „Kerngeschäft“ solcher Einrichtungen? Was überhaupt ist das Kerngeschäft?

„[D]as ‚Kerngeschäft‘ ist und bleibt die Sozialarbeit, an ihr hat das Sozialmanagement sich zu orientieren. Mit anderen Worten: über den notwendigen Diskussionen zum Thema Sozialma-nagement dürfen die Lebensadern zur Sozialarbeit und zu ihrem gesellschaftlichen Auftrag ebenso wenig vergessen werden, wie die Interaktionen zu den unterstützungsbedürftigen Men-schen und deren Einbeziehung und Mitwirkung an der Planung und Durchführung der notwen-digen Hilfemaßnahmen.“ (Schwarz, 2012, S. 136)

Wie steht es um die Soziale Arbeit? Ist sie eine Disziplin und eine Profession oder nur ein

Beruf? Welche Auswirkungen haben unterschiedliche Antworten auf diese Fragen auf die

Leistungen, die Steuerbarkeit, die Legitimation und den Bestand von Sozialen Einrichtun-

gen?

Der Verfasser schließt sich der Auffassung zahlreicher Lehrender und Praktiker im

deutschsprachigen Raum an, dass die Soziale Arbeit nachgewiesenermaßen in vielen

Ländern der Welt schon seit langem eine Disziplin und eine Profession ist (vgl. z. B.

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Engelke, Spatscheck und Borrman: Die Wissenschaft Soziale Arbeit. Werdegang und

Grundlagen. 2009) Auch hierzulande sollte die Soziale Arbeit nach Auffassung des Ver-

fassers zu diesem Status und in den damit verbundenen Zustand gelangen, denn in der

Praxis lassen das Handeln vieler Fachkräfte der Sozialen Arbeit und auch die Abläufe

innerhalb der Einrichtungen einiges an Professionalität vermissen, was vielfältige Ursa-

chen und oft auch Auswirkungen hat, deren Vermeidung oder Milderung im Interesse von

Verantwortlichen im Management der entsprechenden Einrichtungen liegen sollte. „Auf-

gabe des Sozialmanagements […] sollte es sein, die Wirkungen professionellen Handelns

sozialer Arbeit zu optimieren durch ‚Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Organisation

einerseits und die Förderung der Organisationsmitglieder andererseits‘ (Schwarz, 1995,

S. 64, 65).“ (Schwarz, 2012, S. 146) Aus der Perspektive der Fachkräfte werden die im

Arbeitsalltag wahrgenommenen Mängel wiederum zum Anlass, daraus Anforderungen an

das Management zu formulieren:

„Aus der Sicht der Fachlichkeit […] werden nach wie vor Schwierigkeiten in der Passform zwi-schen fachlichen Erfordernissen und problemangemessenen Strukturen sowie angemessenen Formen der Steuerung und Führung vorgetragen. Dabei werden Anforderungen benannt, die von einem Management zu erfüllen sind, damit die Fachlichkeit nicht nur weiterhin zum Tragen kommen kann, sondern sich deutlicher entfalten kann.“ (A. Wöhrle 2012c, 181)

Professionalisierung von Fachkräften und mithin von Einrichtungen der Sozialen Arbeit ist

in jeder Hinsicht eine wesentliche Aufgabe und ein Gegenstand des Sozialmanagements.

Es geht um die Feststellung, Sicherung und Weiterentwicklung der Fachlichkeit der Fach-

kräfte und die Implementierung und Dokumentation der einrichtungs- und arbeitsfeldspe-

zifischen Fachlichkeit innerhalb der Einrichtung. Fachlichkeit „bildet den wesentlichen Be-

zugsrahmen für Handlungskonzepte und Handlungsverständnis in den unterschiedlichen

Feldern sozialer Arbeit sowie den wesentlichen Bezugspunkt des professionellen Selbst-

verständnisses der dort tätigen Fachkräfte.“ (Galuske 2011, S. 277; Hervorh. J.W.) Somit

werden die Begriffe Fachlichkeit und Professionalität als Ziele der Organisationsgestal-

tung und Personalentwicklung in dieser Arbeit synonym verwendet.

Auch das Sozialmanagement selbst ist noch auf dem Wege der Professionalisierung:

„Die Sozialwirtschaft entwickelt sich zu einer spezifischen Lehre der Integration der Fachwis-senschaften der Sozialen Arbeit und der Betriebswirtschaft sowie weiterer Disziplinen wie z. B. Sozialpolitik, Volkswirtschaft, Sozialrecht, Soziologie, Psychologie, Erziehungswissenschaften. […] Die Professionalisierung der Fachkräfte und der Führungskräfte muss intensiviert werden – Lebenslanges Lernen ist ein unverzichtbares Qualitäts- und Überlebensmerkmal. Integration div. Fachwissenschaften und interdisziplinäres Handeln sind die zentralen Leitlinien.“ (Maelicke, 2012, S. 129, 130)

Dabei erfordert die „Vertiefung des Standes der Fachdiskussion“ u. a. „Konzeptionsarbeit

zum Zusammenhang Soziale Arbeit und Sozialwirtschaft.“ (ebd., S. 132) Es entsteht bei

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der Durchsicht der Fachliteratur der Eindruck, dass die Schwierigkeiten bei und die

Defizite in der Gegenstandsbestimmung, Theoriebildung und Professionalisierung in der

Sozialen Arbeit und dem Sozialmanagement Parallelen aufweisen, die mit den nach wie

vor bestehenden Unsicherheiten darüber, was Soziale Arbeit überhaupt ist und leisten

soll, zusammen hängen.

Es erscheint sinnvoll, zunächst zu umreißen und später differenzierter herauszuarbeiten,

was der Verfasser unter Sozialer Arbeit versteht, was unter Sozialmanagement, wie das

Arbeitsfeld Sozialer Arbeit begrifflich zu fassen ist, was Professionalität ist, warum

Professionalisierung in und von Sozialen Einrichtungen vonnöten ist und wie sie

vonstatten gehen soll. Der letzgenannte Aspekt wird eine Veranschaulichung anhand

einer konkreten Einrichtung erfordern, da „Management nicht etwas isolierbares ist,

sondern immer bezogen auf eine Institution, welche das Objekt der Führung darstellt. […]

Es ist deshalb zwingend notwendig, zunächst das Wesen oder die Charakteristik der zu

führenden Institution zu verstehen.“ (Ulrich und Probst 1991, S. 240)

2.1.1 Management

Der hier verwendete Begriff des Sozialmanagements folgt „der Leitorientierung einer re-

flektierten Integration von Managementdenken und fachlichen Anforderungen der Sozia-

len Arbeit.“ (Merchel 2009, S. 14) Was Managementdenken ist bzw. was Management

ausmacht lässt sich zusammenfassend umschreiben als „Aufgabe, ein als soziales Sys-

tem verstandenes Unternehmen, das sich als Bestandteil seiner spezifischen Umwelt ver-

halten und bewegen muss, zielgerichtet zu gestalten und weiterzuentwickeln und auf die-

se Weise für den Erhalt dieses Systems Sorge zu tragen.“ (ebd., S. 20) Es lassen sich

zunächst zwei Bedeutungsvarianten unterscheiden:

„- Management im funktionalen Sinn, d. h. Beschreibung der Prozesse und Funktionen, die in arbeitsteiligen Organisationen notwendig werden, wie Planung, Organisation, Führung, Kontrolle (managerial functions approach);

- Management im institutionalen Sinn, d. h. Beschreibung der Personen(-gruppen), die Ma-nagementaufgaben wahrnehmen, ihrer Tätigkeiten und Rollen (managerial roles ap-proach).“ (Staehle 1999, S. 71)

Üblicherweise unterscheidet man hinsichtlich der Personellen Zuordnung von Manage-

mentanforderungen, die auf unterschiedlichen Hierarchieebenen bewältigt werden müs-

sen in unteres, mittleres und oberes Management. Je nach Größe und Komplexität der

betreffenden Organisation wird ein entsprechend ausdifferenziertes, gestuftes Leitungs-

system notwendig (vgl. Merchel 2009, S. 19).

Des Weiteren ist es sinnvoll, drei Teilfunktionen zu differenzieren:

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„- Gestaltung eines institutionellen Rahmens, der es ermöglicht, eine handlungsfähige Ganz-heit über ihre Zweckerfüllung überlebens- und entwicklungsfähig zu erhalten.

- Lenkung durch das Bestimmen von Zielen und das Festlegen, Auslösen und Kontrollieren von zielgerichteten Aktivitäten des Systems und seiner Elemente.

- Entwicklung ist teils das Ergebnis von Gestaltungs- und Lenkungsprozessen im Zeitablauf, teils erfolgt sie in sozialen Systemen eigenständig evolutorisch durch intergeneratives Er-lernen von Wissen, Können und Einstellungen.“ (Bleicher 2011, S. 73)

Schließlich ist noch die Unterscheidung von drei Handlungsebenen sinnvoll (vgl. Merchel

2009, S. 21, 22 und Maelicke 2008, S. 662):

- Normatives Management: Auf dieser Ebene der langfristigen Rahmenplanung sind

übergeordnete, wertegebundene unternehmerische Grundsätze angesiedelt, wie

z. B. Vision, Leitbild, Grundsatzziele, mit denen sich ein Unternehmen in seiner

Umwelt platzieren und sich ggf. von anderen absetzen will. Es geht auch um die

Legitimation gegenüber den diversen Anspruchsgruppen und um konsensfähige

Grundlagen für das langfristige Überleben, die Entwicklung und den inneren Zu-

sammenhalt angesichts notwendiger Veränderungsprozesse.

- Strategisches Management: Hier geht es darum, die Ziele des normativen Mana-

gements zu präzisieren und die für die Zielerreichung notwendigen Aktivitäten da-

rauf auszurichten mittels einer Unternehmensstrategie, die fortlaufend überprüft

und angepasst werden muss. Trotz eines mehr oder weniger unsicheren Umfeldes

und der weitgehenden Unvorhersehbarkeit künftiger Entwicklungen, muss ein

möglichst hohes Maß an Sicherheit und Orientierung aufrechterhalten werden.

- Operatives Management: Die Ziele und Maßnahmen des normativen und strategi-

schen Managements werden auf dieser Ebene in konkretes, den Alltagsanforde-

rungen gemäßes unternehmerisches Handeln umgesetzt, indem die grundsätzlich

knappen betrieblichen Ressourcen möglichst effizient und effektiv eingesetzt wer-

den müssen.

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Bedeutungsvarianten, Funktionen und Hand-

lungsebenen, geht es beim Management darum, dass in einer Organisation auf verschie-

denen Ebenen verantwortliche Personen entsprechende i. d. R. hierarchisch angeordnete

und von der normativen zur operativen Ebene hin ausdifferenzierten Organisationsziele

(Zielpyramide) mit den dafür geeigneten Mitteln zu erreichen versuchen. Wesentlich für

die Auswahl der geeigneten Mittel ist eben der Zweck, um dessentwillen die Organisation

geschaffen worden ist, der sich in einem oder mehreren Leitzielen manifestiert.

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2.1.2 Soziale Arbeit, Sozialer Bereich und Soziale Einrichtungen

In der hier eingenommenen Betrachtungsweise soll es um kleinere bis mittlere (in der

Größenordnung von bis zu 100 Mitarbeiter/innen) Organisationen gehen, die gesellschaft-

lich im intermediären Bereich zwischen Staat, Markt und dem informellen Bereich der

Gemeinschaft angesiedelt sind (vgl. Merchel 2009, S. 41 und Finis Siegler 2009, S. 129)3.

Die Funktion von Organisationen im intermediären Bereich besteht in einem staatlich und

gesellschaftlich intendierten Ausgleich des Versagens der anderen drei Funktionsbereiche

gegenüber Individuen und Gruppen, die dadurch in einem noch näher zu spezifizierenden

Sinn hilfebedürftig werden. Hier tritt die Soziale Arbeit auf den Plan. „Allgemein

ausgedrückt verhindert, mindert oder löst Soziale Arbeit die sozialen Probleme ihrer

Klientel bzw. schafft Bedingungen für deren Lösung.“ (Obrecht 2001, S. 97) Es wird daher

im Weiteren immer vom Sozialen Bereich als professionellem Tätigkeitsfeld im

intermediären Bereich die Rede sein und von den dort organisationsförmig agierenden

Sozialen Einrichtungen, in denen vorzugsweise Fachkräfte der Sozialen Arbeit

(Sozialarbeiter/innen, Sozialpädagog/inn/en) tätig sind. Des Weiteren wird es angesichts

der anhaltenden Veränderungen im Sozialen Bereich und den damit verbundenen sich

wandelnden Anforderungen an Soziale Einrichtungen und den darin tätigen Fachkräften

insbesondere um die Managementaufgaben der Organisationsgestaltung

bzw. -entwicklung und um die Personalführung und -entwicklung gehen. In engem

Zusammenhang damit stehen Fragen nach der Gestaltung des Wandels (Change

Management).

2.1.3 Sozialmanagement

Sozialmanagement ist eine Chiffre für Managementtätigkeiten in Einrichtungen, die im

Sozialen Bereich angesiedelt sind.

„Der Begriff ‚Sozialmanagement‘ ist seit dem Beginn der Diskussionen um eine verstärkte Ma-nagementorientierung in der Sozialen Arbeit relativ diffus geblieben. Es handelt sich bei diesem Begriff eher um einen Arbeitsbegriff oder um eine Leitformel, mit denen unterschiedliche Maß-nahmen zur Verbesserung von betrieblichen Abläufen und Handlungsergebnissen in Einrich-tungen der Sozialen Arbeit gekennzeichnet werden sollen“ (Merchel 2009, S. 24).

Eine jüngst erschienene Publikation illustriert, dass die Diskussionen um das Sozialma-

nagement eine ähnliche Situation widerspiegeln wie die Diskurse über Wesen, Sinn und

Stellenwert der Sozialen Arbeit. Der dreibändige Sammelband „Auf der Suche nach So-

zialmanagementkonzepten und Managementkonzepten für und in der Sozialwirtschaft“ ist

als breit angelegte fachliche Bestandsaufnahme im Nachgang zu dem ersten Vier-Länder- 3 Staat: Regulation durch Gesetze, Bürokratie, administrativ-politische Macht; Markt: Regulation durch Vertrag, Äquivalenz-tausch, ökonomische Macht; Gemeinschaft: Regulation durch Solidarität, Vertrauen, Reziprozität, emotional-moralische Bindung und/oder Macht; intermediärer Bereich: Regulation durch Mix aus den vorgenannten Regulationsprinzipien.

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Kongress „Sozialwirtschaft und Sozialmanagement im deutschsprachigen Raum“ im Jahr

2008 konzipiert. Der Herausgeber charakterisiert die umfangreiche Zusammenstellung

der Beiträge aus der Fachwelt im Vorwort als „Suchbewegungen“ und stellt klar, „dass die

drei Bände keine abschließenden Ergebnisse hinsichtlich eines allgemein anerkannten

und in sich schlüssigen Sozialmanagementkonzeptes bzw. Managementkonzeptes für die

Sozialwirtschaft liefern werden.“ (Wöhrle 2012a, S. 12) Insofern obliegt es dem Verfasser

dieser Arbeit, sich den Suchbewegungen anzuschließen und die aus seiner Sicht hilf-

reichsten und tauglichsten Fundstücke aus der Management- und Sozialmanagementlite-

ratur hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit zu bedenken und sie zu einem sinnvollen Ganzen

im Hinblick auf die hier behandelten Fragestellungen zusammenzufügen.

Es scheint jedenfalls Konsens darüber zu bestehen, dass ein Management in Sozialen

Einrichtungen sich der gleichen o. g. Ingredienzien bedienen muss wie das Management

z. B. in marktwirtschaftlich tätigen Organisationen und dass auch dort der Management-

begriff aufgrund der Heterogenität der dort angesiedelten Organisationen nicht präzise auf

den Punkt gebracht werden kann.

„Sozialunternehmen sind anders als andere Unternehmen. Die Unterschiede sind aber vermut-lich auch nicht größer als zwischen einem Friseur und einer Ölförderfirma. Viel mehr unter-scheiden sich organisatorische Konstellationen, Marktbedingungen, Besonderheiten der Pro-dukte oder Leistungen etc. in den verschiedensten Branchen. Einzigartig macht die Sozialun-ternehmen die Kombination von besonderen Merkmalen – so wie andere Unternehmen auch einzigartige Merkmale haben können.“ (Schellberg, 2012, S. 149)

Ein herausragendes Merkmal Sozialer Einrichtungen ist ihre Sachzieldominanz, die sich

darin manifestiert, dass es vorrangig um die Lösung Sozialer Probleme (vgl. Gliederungs-

punkt 2.4.2) geht. Es ist dies ein weiterer Grund, bei der Entwicklung von Management-

ansätzen konkrete Einrichtungen in den Blick zu nehmen, die spezifische praktische und

in erster Linie Soziale Probleme zu lösen haben.

2.1.4 Professionalität und Professionalisierung

Es lassen sich Hinweise darauf finden, dass die Notwendigkeit einer Professionalisierung

im Sozialen Bereich sowohl hinsichtlich des Managements als auch in Bezug auf die

Strukturen und Abläufe in den Einrichtungen und die dort tätigen Fachkräften gesehen

wird: „Die Professionalisierung des Managements im Sozialbereich verstehen wir als ei-

nen wichtigen Beitrag zur Professionalisierung Sozialer Arbeit.“ (Bürgisser, Buerkli, Strem-

low, Kessler, & Benz, 2012, S. 280) Es sollte aus Sicht des Verfassers allerdings unter-

schieden werden zwischen den Gegenstandsbereichen des Managements in Sozialen

Einrichtungen und denen der dort geleisteten Sozialen Arbeit. Mit anderen Worten sollte

eine klare Trennung von Sozialer Arbeit als Profession und dem Sozialmanagement als

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Profession vorausgesetzt werden, der zufolge eine Sozialmanagement-Theorie u. a. „das

fachliche Handeln der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter befördern“ (Wöhrle 2008 in

Zängl, 2012, S. 38) soll und „eine unterstützende Funktion (Bereitstellung von Rahmen-

bedingungen für eine möglichst erfolgreiche Soziale Arbeit)“ (vgl. Wendt/Wöhrle 2007

ebd., S. 39) hat. Der Inhalt dessen, was professionelle, fachlich hochwertige Soziale Ar-

beit ist, muss eine entsprechende Theorie aus dem Fachgebiet der Sozialen Arbeit be-

antworten.

Die übergeordnete Klammer um die Bemühungen zur Professionalisierung beider Berei-

che sind die Kriterien einer Allgemeinen Handlungswissenschaft und die damit verknüpfte

Definition von Professionalität bzw. Professionalisierung. Dem von Silvia Staub-

Bernasconi und Werner Obrecht entwickelten Systemtheoretischen Paradigma der Sozia-

len Arbeit (SPSA) folgend, sind es die Fragestellungen einer Allgemeinen (für alle Profes-

sionen geltenden) Normativen Handlungstheorie (ANHT, vgl. Gliederungspunkt 2.4) und

die daraus folgenden Wissensformen4 als Produkte dieser mentalen Prozesse, die den

Bedingungen professionellen Handelns insofern Rechnung tragen als dieses

„methodisches, rationales Handeln [ist], und dieses ist eine spezielle Form problemlösenden Handelns […], das sich von den anderen Formen von Handeln durch die Konjunktion von vier Eigenschaften unterscheidet: (1) Es ist selbstbewusst, (2) es ist auf ein explizites praktisches Ziel gerichtet, (3) es erreicht das Handlungsziel dadurch, dass es in seinem Verlauf eine ganz bestimmte Abfolge von aufeinander bezogenen kognitiven Problemen löst, die alle der Entwick-lung, Steuerung und Bewertung von zielführenden Verhaltensschritten dienen, und es stützt sich (4) bei der Lösung dieser Probleme systematisch auf wissenschaftliches Wissen, nämlich auf Beschreibungs- und Erklärungstheorien über die Gesetzmässigkeiten im Interventionsbe-reich der geplanten Handlung, sowie auf Regeln, die auf Hypothesen über solche Gesetzmäs-sigkeiten beruhen. Eine Handlung, die diese Kriterien erfüllt, ist rational und damit im vollen Sinne Professionell.“ (Obrecht 2001, S. 69)

Demnach ist Professionalisierung

„der Prozess, in dessen Verlauf es a) zur Entwicklung von professionellem, d. h. handlungs-wissenschaftlichem Wissen kommt (disziplinärer Aspekt), auf dessen Grundlage b) Ausbil-dungsinstitutionen Studierende zu Professionellen ausbilden (personaler Aspekt), die c) in der Folge zu Mitgliedern einer Profession werden und als solche d) im Rahmen für professionelle Arbeit ausgelegten Stellen von Organisationen in systematischer Weise (allgemeine Hand-lungstheorie) praktische, d. h. physikalische, biologische, psychische oder Soziale Probleme in einer professionellen Weise, d. h. unter Verwendung wissenschaftsbasierter Verfahren bearbei-ten. Ein Professionalisierungsprozess ist erfolgreich, wenn es einer Profession gelingt, ihre Zu-ständigkeitsansprüche innerhalb eines großen Teils der mit der Bearbeitung einschlägiger praktischer Probleme befassten Institutionen (Organisationen) durchzusetzen.“ (Obrecht 2009, S. 61)

4 Beschreibungswissen, Erklärungswissen, Trendaussagen, Bilder von zukünftigen, erwünschten Sachverhalten (Werturtei-le), Zielsetzungen, Bilder über Ressourcen, Pläne/Maßnahmen, Teilpläne, Evaluationswissen (vgl. Staub-Bernasconi 2007, s. 204-205).

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Professionalität in Bezug auf das Sozialmanagement wird in dieser Arbeit dargelegt (per-

sonaler Aspekt) durch den Aufweis von im Studium erlernten Metatheorien und damit ver-

bundenem Orientierungswissen, sowie (darauf aufbauenden bzw. daran anknüpfenden)

speziellen Handlungstheorien (disziplinärer Aspekt) im Rahmen der erwähnten Allgemei-

nen Normativen Handlungstheorie (ANHT) mit dem Ziel, für das praktische Problem des

unzureichenden Professionalisierungsstandes in einer konkreten Einrichtung des Sozialen

Bereichs Lösungsansätze und -vorschläge zu entwickeln. In der Praxis, d. h. in konkreten

Einrichtungen des Sozialen Bereichs besteht das Problem, dass die dort tätigen Fachkräf-

te i. d. R. bereits in ihrer Ausbildung (Diplom- oder Bachelor-Studium der Sozialen Arbeit)

nur fragmentiertes und unzureichendes professionelles Wissen vermittelt bekommen ha-

ben und in der Praxis häufig auf eine Mischung aus Versatzstücken aus Ausbildungswis-

sen, Alltagstheorien und in Fortbildungen erworbenem Wissen und angeeigneten Kennt-

nissen zurückgreifen müssen. Dies setzt die bereits in der Ausbildung angelegte Frag-

mentierung entweder fort oder führt dazu, dass Fachkräfte der Sozialen Arbeit sich in Er-

mangelung eines professionellen Selbstverständnisses ein alternatives, meist semi-

professionelles oder berufliches Selbstverständnis zulegen und etwa zu systemischen

Familientherapeuten „zweiter Klasse“ werden.

Auch die zunehmende Einführung von Managementkonzepten, -modellen

und -instrumenten in den Sozialen Bereich birgt die Gefahr einer verwirrenden Vermen-

gung mit disziplinärem und professionellen Wissen der Sozialen Arbeit oder gar die Erset-

zung professioneller Sozialer Arbeit durch erfolgversprechende Management-Tools aus

anderen Bereichen. Zu vermeiden ist also auch eine wiederholte Kolonialisierung der So-

zialen Arbeit, diesmal durch Betriebswirtschaft und Management (vgl. Reinbacher 2012,

S. 88).

Professionalisierung Sozialer Einrichtungen meint also die anspruchsvolle Aufgabe und

Anforderung, einerseits das Management in und von Sozialen Einrichtungen zu

professionalisieren um andererseits die Professionalisierung der Sozialen Arbeit in und

von Einrichtungen voranzubringen.

Zum besseren Verständnis der derzeitigen Situation, dem aktuellen Diskussionsstand und

der Gründe, die zu dem verbreiteten Proffesionalitätsdefizit der Sozialen Arbeit in

Deutschland geführt haben, soll ein historischer Abriss verhelfen, der die

Entwicklungsstränge der Professionalisierungsbemühungen, der sozialpolitischen

Entwicklung und der Entwicklung der sozialen Strukturen in Deutschland

zusammengefasst nachzeichnet.

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2.2 Genese der Professionalisierungs- und Sozialmanagementdiskussionen

2.2.1 Deutsches Reich und Folgen der industriellen Revolution

Die Soziale Arbeit als Disziplin und Profession hat in Deutschland eine lange Tradition,

deren Anfänge sich bis auf die industrielle Revolution in der zweiten Hälfte des 19. Jahr-

hunderts zurückverfolgen lassen. Sozialpolitisch ist dies die Zeit der Einführung des bis

heute bestehenden und weiterentwickelten Sozialversicherungssystems durch Bismarck,

das zu jener Zeit die grassierende Verelendung breiter Massen der Gesellschaft jedoch

alleine nicht aufzuhalten vermochte. Neben den im Deutschen Reich schon bestehenden

zahlreichen Formen der privaten, spontanen und eher unorganisierten Hilfstätigkeiten für

Arme und Verelendete besonders in den großen Städten und Ballungsgebieten bildeten

sich zunehmend Vereine und andere organisationsförmige Strukturen. Es war auch die

Zeit der Gründung der ersten Wohlfahrtsverbände (vgl. Rock 2010, S.18-21). Parallel da-

zu wurden nach angelsächsischem Vorbild „Formen der Verberuflichung (Ausbildung,

Qualifizierung) und Verwissenschaftlichung (Theoriebildung)“ (Engelke, Borrmann und

Spatscheck 2009, S. 171) in den Bereich der Fürsorge und Wohlfahrtspflege eingeführt.

Die zunehmende Erkenntnis, dass ein „Hilfesystem, das auf einer besonderen Ermitt-

lungs- und Vermittlungsarbeit beruht, bestimmte fachliche Kenntnisse und dementspre-

chende Qualifikationen“ (ebd., S. 170) benötigt, führte im Deutschen Reich dazu, dass

kurz vor der Jahrhundertwende die ersten Ausbildungsstätten für Frauen5 eingerichtet und

nach und nach eine berufsspezifische Lehre und eine Wissenschaft der Wohlfahrtspflege

aufgebaut wurden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts können im deutschen Sprachraum

zahlreiche Versuche einer Theoriebildung für die Soziale Arbeit nachgewiesen werden bis

hin zur Einrichtung von Lehrstühlen für soziale Fürsorge, allgemeine Wohlfahrtspflege und

Caritaswissenschaft ab 1910 (vgl. ebd., S. 171-172). Bereits in dieser frühen Phase

zeichneten sich allerdings erhebliche Differenzen bezüglich der Gegenstandsbestimmung

Sozialer Arbeit ab. Theoretikerinnen, wie in Deutschland etwa Alice Salomon und Ilse Arlt,

problematisierten fehlende Lern- und Bildungsmöglichkeiten und betonten,

„dass Armut sowie das von der Gesellschaft verurteilte unwirtschaftliche und abweichende Verhal-

ten in erster Linie auf strukturell verhinderte Bedürfnisbefriedigung, kulturell unangemessene, aus-

schließlich individualistische Deutungsmuster der Armut und Erwerbslosigkeit und die dabei er-

zwungenen psychischen und sozialen Prozesse der Anpassung an Mangellagen zurückzuführen

seien. […] Auch dann, wenn es um eine Problemdiagnose von Individuen ging, wurde immer ihr

soziales Umfeld, ihre Mitgliedschaft zu sozial diskriminierenden Kategorien mitberücksichtigt. […] 5 Ein wesentlicher Antrieb der Verberuflichung und beginnenden Disziplin- und Professionsentwicklung der Sozialen Arbeit war die bürgerliche Frauenbewegung, deren Protagonistinnen danach strebten, das Recht auf außerhäusige berufliche Tätigkeit durchzusetzen und „die fraulichen und mütterlichen Werte aktiv in die Gesellschaft, in die soziale Tätigkeit einbrin-gen [wollten]“ (Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 172). Diese Anfangsbedingungen haben nachhaltig dazu ge-führt, „dass soziale Berufstätigkeiten unverändert ein durch Frauen geprägter Berufssektor ist, der zudem einen hohen Grad teilzeitbeschäftigter Arbeitsverhältnisse aufweist.“ (Boeßenecker 2009, S. 371)

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Zudem wurden Probleme auf allen sozialen Ebenen, nämlich Individuum, Familie, Kleingruppe und

Nachbarschaft, Stadtteil und Stadt, Organisation, Nation und Weltgesellschaft […] lokalisiert.“

(Staub-Bernasconi 2007, S. 137)

Im Gegensatz zu dieser nach heutigen Gesichtspunkten ganzheitlichen und systemischen

Sicht sozialer Probleme etablierte sich zur gleichen Zeit auch eine eher funktionalistische

Sichtweise, wie sie etwa Jasper Klumker vertrat, der 1920 auf den neu eingerichteten

„Lehrstuhl für Fürsorgewesen und Sozialpädagogik“ in Frankfurt berufen wurde. Er vertrat

„die Betrachtung des Gegenstandes Sozialer Arbeit aus der alleinigen Perspektive der Gesell-schaft, genauer: der Wirtschaft und die davon abgeleitete Zwecksetzung der sozialen Einrich-tung nahm damit ihren Lauf […]. Nicht die real bestehende Armut, sondern der Unterstützungs-bescheid macht den Armen zum Armen.“ (Staub-Bernasconi 2007, S. 138)

2.2.2 Erster Weltkrieg

Mit dem Eintritt des Deutschen Reiches in den Ersten Weltkrieg und den sich in der Folge

zuspitzenden sozialen Problemen und Nöten kam es zu einer verstärkten Übernahme von

Regulierungs- und Finanzierungsaufgaben durch das Kaiserreich. Es begann einen zu-

nehmenden Einfluss auf die freie Wohlfahrtspflege auszuüben und das bestehende Für-

sorgewesen wurde um- und ausgebaut.

„Der planmäßige Ausbau der Fürsorgetätigkeiten des Staates im Ersten Weltkrieg führt auch bei den Akteuren der Privatwohltätigkeit, zum Beispiel bei den bestehenden freien Wohlfahrts-verbänden, zu Reorganisationsprozessen. Sie sehen sich gezwungen ihre Handlungs- und Leistungsfähigkeit zu verbessern, um im Konkurrenzkampf der Akteure zu bestehen und um die ‚Schlagkraft nach außen‘, gegenüber dem Staat, zu vergrößern.“ (Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 178)

Auf kommunaler Ebene waren zahlreiche private Vereine und Initiativen, vor allem der

Bund deutscher Frauenvereine mit dem Nationalen Frauendienst durch administrativ-

organisatorische und praktische Hilfstätigkeiten aktiv. Durch die Notwendigkeit einer ver-

besserten Abstimmung der öffentlichen Fürsorgeverwaltung mit den Tätigkeiten der priva-

ten Wohltätigkeit wurde die Grundlage für die nach dem Krieg weiterentwickelten korpora-

tiven Formen der Zusammenarbeit gelegt (vgl. ebd. 2009, S. 176-177 und Rock 2010, S.

20).

2.2.3 Weimarer Republik, Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg

Die erste deutsche Republik stand vor der Herausforderung, den durch Kriegsfolgen und

Wirtschaftskrise bedingten desolaten sozialen Bedingungen wirksam zu begegnen. Auf

legislativer Ebene führten die Schaffung des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes, der

Reichsfürsorgepflichtverordnung in Verbindung mit den Reichsgrundsätzen zu einer ver-

brieften stärkeren Kooperation zwischen den öffentlichen und privaten Trägern. Auf Bun-

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desebene förderte das Reichsarbeitsministerium den Ausbau und die Etablierung der

Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, um ein Gegengewicht zu den Kommunali-

sierungsbestrebungen der öffentlichen Fürsorge zu schaffen (vgl. Engelke, Borrmann und

Spatscheck 2009, S. 180 und Rock 2010, S. 20-21). Das in Deutschland nachhaltig ein-

flussreiche Subsidiaritätsprinzip im Verhältnis von staatlicher und privater Fürsorge wurde

sozialpolitisch implementiert:

„Die in Europa einzigartige, besondere Ausprägung der ansonsten europaweit bestehenden Zusammenarbeit zwischen privater und öffentlicher Wohlfahrtspflege war damit institutionalisiert worden: das duale System, das durch eine gesetzliche Bestands- und Eigenständigkeitsgaran-tie der freien bei gleichzeitiger Förderungsverpflichtung und Gesamtverantwortung der öffentli-chen Träger gekennzeichnet ist.“ (Rock 2010, S. 20-21)

Bis 1924 waren alle bis heute bestehenden fünf Spitzenverbände der Freien Wohlfahrts-

pflege, sowie der Dachverband der Spitzenverbände gegründet worden.

„Insgesamt war die Weimarer Republik eine Phase der Zentralisierung der Wohlfahrtspflege sowie der Expansion und Ausdifferenzierung der Arbeitsfelder der Freien Wohlfahrtspflege. Dieser Prozess führte gleichzeitig zu einer wachsenden Interdependenz öffentlicher und freier Wohlfahrtspflege.“ (ebd., S. 21)

Neben dem sukzessiven Ausbau einzelner Arbeitsfelder wurden Behörden, wie Jugend-,

Gesundheits- und Wohlfahrtsämter aufgebaut, inklusive der Ausweitung der

Sozialbürokratie und der Eingriffsverwaltung. Auch die weitere Verfachlichung und

Professionalisierung der bestehenden Handlungsformen der Sozialen Arbeit wurde

vorangetrieben und die Zahl der Ausblildungsstätten wuchs bis 1927 auf 33; Publikationen

zu Theorien und Praxismethoden der Sozialen Arbeit erschienen in großer Zahl (vgl.

Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 181).

„Im Zeitraum zwischen 1918 und 1933 gab es einen außerordentlich regen internationalen Austausch von Praktiker(inne)n, Theoretiker(inne)n […] und Student(inn)en Sozialer Arbeit, ferner von übersetzter Fachliteratur. Es war aber zugleich eine Zeit der immer wirksameren Verbreitung rassistischer Ideologien.“ (Staub-Bernasconi 2007, S. 139)

Während der nationalsozialistischen Diktatur und des Zweiten Weltkrieges wurde der ge-

samte Bereich der Wohlfahrtspflege und Fürsorge von den Nationalsozialisten verein-

nahmt und instrumentalisiert, sowie ihren ideologischen Zwecken und Zielsetzungen ge-

mäß umgestaltet. Zahlreiche Vereine, Verbände und andere Organisationen der Sozialen

Arbeit wurden aufgelöst, verboten oder gleichgeschaltet. Unangepasste Protagonist/innen

der Sozialen Arbeit wurden schikaniert, behindert, verfolgt und viele Theoretiker/innen und

Praktiker/innen der Sozialen Arbeit emigrierten in die USA und nach Lateinamerika (vgl.

Rock 2010, S. 22-23; Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 184 und Staub-

Bernasconi 2007, S. 141) Die Folgen dieser Emigration von Menschen und Wissen zeig-

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ten sich später als Mangel in der bundesrepublikanischen Theorieentwicklung der Sozia-

len Arbeit.

2.2.4 Nachkriegszeit und junge Bundesrepublik Deutschland

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten im Bereich der Wohlfahrtspflege noch erhalten ge-

bliebene Strukturen genutzt und zerstörte relativ zügig neu aufgebaut werden, sodass die

Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege einzeln und als Bundesarbeitsgemeinschaft

ihre Tätigkeiten bald wieder aufnehmen konnten. Um die gravierenden sozialen Nöte und

Probleme der Nachkriegszeit in den Griff zu bekommen, wurden in der jungen Bundesre-

publik sukzessive die Sozialgesetzgebung und entsprechenden Ämter und Behörden

ausgebaut. Individuellen Bedürfnissen sollte auf sozialrechtlicher Grundlage durch kon-

krete, genau beschriebene Angebote und Leistungen begegnet werden. Insbesondere

das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und das Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG), beide

1961 in Kraft getreten, forcierten die formale Vorrangstellung der freien Wohlfahrtspflege,

die im Prinzip 1967 durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gefestigt wurde. Pa-

rallel zu dem enormen Ausbau von Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege seit Beginn

der 1960er Jahre nahm aber auch in der Folge der sich weiter entwickelnden sozialen

Gesetzgebung die Zahl der öffentlichen Einrichtungen und deren relativer Anteil an der

Gesamtzahl der Einrichtungen zu (vgl. Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 334-

335 und Rock 2010, S. 24-25). Damit blieb

„die formelle Rechtsposition der freien Wohlfahrtspflege zwar unangefochten, [machte] Betrieb und Förderung von Einrichtungen aber faktisch von einer ganzen Reihe von öffentlichen Vorga-ben abhängig und [schränkte] damit den Gestaltungsspielraum der freien Träger zunehmend ein.“ (Sachße 1996 in Rock 2010, S. 25)

Bis zum Anfang der 1970er Jahre erfolgt die Ausbildung für die Soziale Arbeit an Höheren

Fachschulen für Sozialarbeit bzw. Sozialpädagogik. Dabei muss das durch die Emigration

zahlreicher Protagonist/innen der Sozialen Arbeit entstandene Desiderat durch Importe

gefüllt werden:

„Die Entwicklung der Ausbildung wird teilweise von DozentInnen bestimmt, die – vermittelt durch Austauschprogramme – in den USA Social Work studiert haben […]. Theorien und Aus-bildungskonzepte des amerikanischen ‚Social Work‘ werden in Westdeutschland bereitwillig aufgenommen.“ (Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 336)

Während also zunächst Theoriebildung und Praxiskonzepte der Sozialen Arbeit sich an

US-Amerikanischen, aber auch britischen und niederländischen Entwicklungen orientierte

und von dort ein Patchwork an Versatzstücken Eingang in die bundesrepublikanischen

Diskussionen fand, kamen ab dem Ende der 1960er Jahre verstärkt Einflüsse aus der

Studentenbewegung und unterschiedliche Strömungen von den an den deutschen Hoch-

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schulen und den dort lehrenden Sozialtheoretikern hinzu. Der in dieser Zeit an deutschen

Hochschulen geführte „Positivismusstreit“ zwischen Vertretern des Kritischen Rationalis-

mus (Popper, Albert) einerseits und Vertretern der dialektisch-kritischen-Theorie (Frank-

furter Schule: Adorno, Horkheimer, Habermas) andererseits wurde auch in der Pädagogik

ausgetragen und hatte erheblichen Einfluss auf die Entwicklungen in der Sozialen Arbeit.

In der Folge dieser Auseinandersetzungen und unter dem Einfluss der Studentenbewe-

gung wurde Emanzipation zum Schlüsselbegriff einer sich ausbreitenden Gesellschaftskri-

tik. (vgl. Staub-Bernasconi 2007, S. 142, 145 und Engelke, Borrmann und Spatscheck

2009, S. 340-341) Innerhalb der Sozialen Arbeit richtete sich diese Kritik auch gegen

Strukturen, Einrichtungen und Arbeitsweisen der Sozialen Arbeit selbst. Diese wurden

einerseits versucht, als Protagonisten im Klassenkampf zu vereinnahmen, andererseits

gerieten sie zunehmend als Werkzeuge im Dienst der Kapitalinteressen und herrschen-

den Klassen in die Kritik. „Als Erbschaft aus dieser Theoriephase müssen die erstaunli-

chen, negativen Selbstettikettierungen der Sozialarbeitenden als Flickschusterin, Müllei-

mer, Prostituierte, Waschlappen der Nation und dergleichen mehr betrachtet werden.“

(Staub-Bernasconi 2007, S. 146)

Bald verbreitete sich innerhalb der Sozialen Arbeit eine gewisse Ernüchterung angesichts

enttäuschter Reform- oder sogar Revolutionshoffnungen, die dazu führte, dass sich das

wissenschaftliche Interesse auf das Individuum und seine nicht gelungene, häufig nicht

näher bestimmte „Normalisierung“, bzw. sein abweichendes Verhalten fokussierte. Ohne

sich der Mühe unterzogen zu haben, ein differenziertes Menschen- und Gesellschaftsbild

ausgearbeitet und zugrunde gelegt zu haben, interessierte man sich für die Alltags- und

Lebenswelt der Klientel und prangerte Ausgrenzung, Etikettierung und Stigmatisierung an.

In der Kritik standen auch hier wiederum die Instanzen, Einrichtungen und Tätigen der

Sozialen Arbeit, die als entfremdende Systeme einer per se menschenfreundlicheren All-

tags- und Lebenswelt gegenübergestellt wurden. Wissenschaftlichkeit, Spezialisten- und

Expertentum galten nun als Enteignung, Herrschaft und Kolonialisierung (vgl. Staub-

Bernasconi 2007, S. 146-147).

„Professionalisierung ist also nicht mehr als Antwort auf fehlende, sondern als Enteignung sozi-aler Problemlösungskompetenzen zu verstehen […] und die entstehenden Bürgerinitiativen und Selbsthilfebewegungen mit ihrer Kritik an entmündigenden Hilfeformen […] tragen das ihre dazu bei, die theoretischen Debatten um Entprofessionalisierung einzuleiten.“ (ebd., S. 147)

Seit dem Inkrafttreten des BSHG und des JWG konnte die freie Wohlfahrtspflege eine

beträchtliche Zunahme ihres Umfangs und Wirkungskreises, sowie der Aufgabenfelder

von Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagog/inn/en verzeichnen:

„Ausweitung der Allgemeinen Sozialen Dienste, Heimerziehung mit neuen Betreuungsformen wie Wohngemeinschaften und betreutes Einzelwohnen, Sozialpsychiatrische Dienste, Erzie-

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hungsberatung, Frauenhäuser, Sucht- und Drogenarbeit, sozialpädagogische Familienhilfe, Schuldnerberatung usw.“ (Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 341)

Ebenso wurde parallel unter der ab 1969 regierenden sozialliberalen Koalition der Ausbau

der Sozialleistungen vorangetrieben (vgl. Rock 2010, S. 24-25) und es wurde im Zuge der

Bildungsreform von 1969 der Versuch einer Akademisierung und Professionalisierung der

Sozialen Arbeit forciert, indem Fachhochschulen für Soziale Arbeit geschaffen wurden

und in einer Übergangsphase bis 1972 die bis dahin an Höheren Fachschulen gelehrte

Sozialarbeit/Sozialpädagogik dorthin übergeleitet wurde. Die Studienordnungen an den

ca. 50 Fachhochschulen mit einschlägigen Studiengängen waren allerdings heterogen

und zudem mit denen für Sozialpädagogik an den Universitäten inkompatibel. Als Lehren-

de wurden vorzugsweise Erziehungs- und Sozialwissenschaftler mit Universitätsab-

schluss berufen und den lehrenden Sozialarbeiter/innen ohne akademische Ausbildung

bzw. später mit Fachhochschulabschluss verblieben die für Lehrinhalte, Qualifizierung

und Diplomierung unmaßgeblichen Fächer, die sie bis heute häufig als Lehrbeauftragte

unterrichten dürfen. Die aus den Höheren Fachschulen für Sozialarbeit übernommenen

Lehrkräfte und die meist jüngeren Professor/innen für die neu eingerichteten Fächer Sozi-

ologie, Politik, Recht und Sozialmedizin waren unsicher im Umgang miteinander und die

daraus erwachsende Konzentration auf die internen Probleme im Aufbau des neuen

Fachbereichs führten bald zu einer Vernachlässigung der Beziehungspflege zu den öf-

fentlichen und freien Trägern der Sozialen Arbeit und somit zu einer zunehmenden Ent-

fremdung (vgl. Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 341; Staub-Bernasconi 2007,

S. 144 und Schwarz 2012, S. 134). Im Hinblick auf die beabsichtigte Disziplin- und Pro-

fessionswerdung der Sozialen Arbeit kann man einen bis heute folgenreichen Fehlstart

konstatieren:

„die Fremdbestimmung der Ausbildung durch Lehrkräfte, die in einer sozialarbeitsfremden, wenn auch notwendigen Einzeldisziplin ausgebildet wurden, denen es aber anheimgestellt ist, ob sie die Auswahl ihrer Themen und Theorien als Beitrag zur Profession Sozialer Arbeit ver-stehen.“ (Staub-Bernasconi 2007, S. 144)

Dadurch ergab sich eine andauernde Fragmentierung und ein unverbundenes Nebenei-

nander der Ausbildungsinhalte und ein ungeklärter Status der in der Sozialen Arbeit Täti-

gen. Diese sahen und sehen sich dadurch häufig veranlasst, ihren Mangel an Professio-

nalität durch diverse Weiterbildungen und Zusatzausbildungen, deren Inhalte und Zielset-

zungen nicht selten durch ideologische Strömungen und Moden bestimmt wurden, zu

kompensieren.

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2.2.5 1970er und 80er Jahre und der Wandel im Sozialstaatsverständnis

Nach dem bis in die 1970er Jahre hinein vorangetriebenen Ausbau sozialer Leistungen

und der Expansion der freien Wohlfahrtspflege und ihrer Einrichtungen, zeichnete sich ab

der Mitte der 1970er Jahre ein Wandel in den politischen und gesellschaftlichen Sichtwei-

sen ab. Im Zusammenhang mit zunehmenden Finanzierungsproblemen des Sozialstaates

geriet dieser zunehmend in die Kritik, die sich auch auf die Verbände und Einrichtungen

der freien Wohlfahrtspflege ausdehnte. Schlagworte wie „Versorgungsstaat“, „Herrschaft

der Funktionäre“, „Wohlfahrtsdiktatur“ und „autoritärer Sozialstaat“ bestimmten zuneh-

mend die öffentliche Diskussion und die Forderung nach einer „neuen Subsidiarität“ in

Abgrenzung zum rechtlich normierten institutionellen Subsidiaritätsbegriff wurde laut. Un-

ter dem Gesichtspunkt der Kosteneinsparung wollte man Selbsthilfeeinrichtungen fördern,

oder „bürgerschaftliches „Engagement“, wie es heute heißt (vgl. Rock 2010, S. 26). Der

sich abzeichnende Paradigmenwechsel des Sozialstaatsverständnisses und die damit

verbundenen Folgen für die Einrichtungen der freien Wohlfahrtspfege und der dort

Beschäftigten ließ diese noch weitgehend unberührt. Das ambivalente Selbstbild der So-

zialarbeiter/innen und -pädagog/inn/en, fragmentiertes Handlungswissen, intransparente,

teilweise bürokratische Strukturen der Einrichtungen und Träger, großzügige pauschale

Finanzierungsformen ohne nennenswerte Evaluation etc., trugen wenig zu Reformimpul-

sen aus den Reihen der sozial Tätigen selbst bei.

Die mit dem 1. Haushaltsstrukturgesetz 1976 eingeführten Sparprogramme eröffneten die

sich bis heute fortsetzende Haushaltskonsolidierungsstrategie mit regelmäßigen Kürzun-

gen im Sozialbereich. Den Hintergrund dafür bildet die seitdem chronifizierte Kritik am

Wohlfahrtsstaat/Sozialstaat, die je nach politischer Großwetterlage liberal-konservativ

oder liberal-progressiv daherkommt. Entweder richtet sich die Kritik gegen die steigenden

Ausgaben der öffentlichen Haushalte und fordert spürbare Sparmaßnahmen gegen die

ansteigende Staatsverschuldung oder es wird die Geldleistungsstrategie und geringe

Problemlösungskompetenz im Sozialbereich angeprangert und die Entmündigung der

Hilfebedürftigen durch die Experten beklagt (vgl. Schwarz 2012, S. 136-137). Der seit den

1980er Jahren in Angriff genommene Umbau bzw. Rückbau des Sozialstaates betraf

nach und nach alle Arbeitsfelder der freien Wohlfahrtspflege. Damit traten zwangsläufig

auch Organisationsfragen und solche nach Effektivität und Effizienz von Einrichtungen in

der Sozialen Arbeit stärker in den Vordergrund und der Managementbegriff wurde seit

Ende der 1980er Jahre zunehmend bezüglich Fragen der Steuerung von Einrichtungen

der Sozialen Arbeit verwendet. Bis dahin waren Fragen der Organisationsgestaltung in

der Sozialen Arbeit eher vernachlässigt worden. In den 1970er Jahren wurden Organisa-

tionen vorwiegend als Hindernis für Reformen betrachtet, die 1980er Jahre waren von

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Bemühungen geprägt, sozialarbeiterische Fachlichkeit und Professionalität unter Ver-

nachlässigung von Organisationskontexten durch den Import diverser Psychotherapiean-

sätze zu gewinnen. Fragen der Organisationsgestaltung galten tendenziell als etwas,

„was außerhalb des Pädagogischen liegt und das im günstigsten Fall fachliches Handeln unbe-rührt lässt, meistens aber im Gegensatz zu den Prinzipien fachlichen Handelns steht und somit irgendwie als störendes Element angesehen wurde. Ein solches Klima innerhalb der Fachdis-kussion machte es lange Zeit schwierig, Fragen des Managements und der Organisationsge-staltung als einen wichtigen Aspekt professionellen Handelns einzubringen und in der Fachsze-ne zu verankern.“ (Merchel 2009, S. 51)

In diese Zeit fällt auch das innerhalb der Theoriediskurse der Sozialen Arbeit intensiv re-

zipierte 1986 erschienene Buch „Risikogesellschaft“ des Soziologen Ulrich Beck. Das dort

analysierte Phänomen der Individualisierung der Lebenslagen und der Pluralisierung der

Lebensstile mit den damit verbundenen Unsicherheiten und Gefährdungen wurde in Ver-

bindung gebracht mit einer Strukturkritik, die sich als Technologie-, Kultur- und Wissen-

schaftskritik generierte. Für die Soziale Arbeit bedeutete das, dass sich die Kritik und

Selbstkritik nicht mehr nur auf die Unwissenschaftlichkeit des Fachs und die als dilettan-

tisch wahrgenommene Praxis richtete.

„Auf dem Hintergrund allgemeiner, an den Großrisiken wissenschaftlich ermöglichter Natur- und Menschenbeherrschung geübte Wissenschaftskritik steht nicht mehr ihre fehlende Wissen-schaftlichkeit, sondern ihr naiver Glaube an den überlegenen Rationalitätsanspruch von Wis-senschaft und an eine entsprechend wissenschaftlich begründbare Sozialtechnologie zur De-batte […]. (Staub-Bernasconi 2007, S. 148-149)

Damit wurde eine Programmatik in die Diskurse um die Soziale Arbeit eingeführt, die bis

heute nachwirkt und mit einem Buchtitel von Thomas Olk überschrieben werden kann:

„Abschied vom Experten“ (Olk 1986). Da einerseits das Ringen um die Anerkennung der

Sozialen Arbeit durch Bemühungen um die Etablierung derselben als Disziplin und Pro-

fession andauerte und andererseits diese Bemühungen nun als verfehlt kritisiert wurden,

verstärkte sich dadurch die ambivalente Selbstwahrnehmung innerhalb der Sozialen Ar-

beit, sowie auch deren unglückliche Wirkung nach außen. Das zugleich allmählich und

zögerlich bei den Wohlfahrtsverbänden und Einrichtungen der Sozialen Arbeit einsetzen-

de Umdenken in Richtung auf mehr Effizienz, Effektivität und ökonomisches Denken und

Handeln führte zusätzlich zu Argwohn und Widerständen bei vielen Sozialarbeiter/innen

und -pädagog/inn/en. Diese Abneigung manifestierte sich auch an den Hochschulen und

richtete sich „gegen die in diesem Zeitraum sich artikulierende Sozialmanagement-

Fraktion […]. Die in Teilen heute noch schwierigen Beziehungen zwischen der Sozialar-

beits- und Sozialmanagementfraktion haben in dieser Ausgangssituation partiell ihren

Ursprung.“ (Schwarz 2012, S. 138)

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2.2.6 1990er Jahre und der Um- und Abbau des Sozialstaates

Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 03. Oktober 1990 wurde per

Einigungsvertrag die Übertragung der sozialstaatlichen Infrastruktur unter Einbindung der

Wohlfahrtsverbände vorangetrieben, was die Wohlfahrtsverbände zunächst einerseits

erheblich aufwertete und ihre Stellung in der Bundesrepublik festigte, sie andererseits

aber auch vor erhebliche organisatorische Probleme stellte. Die durch die Wiedervereini-

gung entstandenen organisatorischen und finanziellen Belastungen beförderten zugleich

die Debatten um Wettbewerb, Trägervielfalt, Effektivität und Effizienz im Sozialen Bereich,

die unter der Formel „Umbau des Sozialstaates“ verstärkt in die öffentliche Diskussionen

und Wahrnehmung eindrangen. Seit dieser Zeit wurde ein „Paradigmenwechsel in der

Sozialpolitik“ angestrebt (vgl. Rock 2010, S. 29-31). Sozialpolitisch werden seither zu-

nehmend knapper werdende finanzielle Ressourcen bei steigender Anzahl an sozialleis-

tungsbedürftigen Menschen beklagt und sukzessive sozialpolitische und sozialrechtliche

Steuerungsmaßnahmen initiiert, die tatsächlich das Gefüge des bundesdeutschen Sozial-

staats, wie es sich seit den 1960er bis zum Ende der 1980er Jahre – trotz zunehmender

Kritik seit dem Anfang der 1970er Jahre (vgl. Schwarz 2012, S. 136) – weitgehend unver-

ändert und stabil gezeigt hatte, in vielfältiger Weise drastisch verändert hat. Bis hin zu

dem oben genannten eingeleiteten Paradigmenwechsel galten für die Refinanzierung der

subsidiär tätigen Sozialen Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände durch die öffentlichen

Kostenträger das Selbstkostendeckungsprinzip und der Modus der Objektfinanzierung.

Vereinfacht gesagt, wurden einer Sozialen Einrichtung die jährlich zu beantragenden pau-

schalen Kosten jeweils per Zuwendungsbescheid gewährt und am Ende des Bewilli-

gungszeitraums konnten in der Regel die gegebenenfalls angefallenen Mehrkosten eben-

falls erstattet werden. Im Rahmen der entsprechenden Vereinbarungen mit den Kosten-

trägern mussten Soziale Einrichtungen zwar durchaus auch die Inhalte der zu erbringen-

den Leistungen darlegen, zum Nachweis der tatsächlichen Erbringung reichten jedoch

üblicherweise Berichte aus, die nicht dem Anspruch an detaillierte Leistungsnachweise

genügen mussten. Diese Art der Förderung bot einer Sozialen Einrichtung ein vergleichs-

weise hohes Maß an Freiheit bei der Verwendung der gewährten finanziellen Mittel, es

herrschten jedoch vielerorts fachlich und organisatorisch – vor allem von außen betrachtet

– intransparente und vergleichsweise beliebige Herangehensweisen an soziale Problem-

lagen vor. Das bis dahin praktizierte Selbstkostendeckungsprinzip wurde nun also zu-

nehmend in Frage gestellt und später abgeschafft und durch Leistungsverträge ersetzt.

Große Teile der Wohlfahrtsverbände begrüßten allerdings diese Entwicklung, da die ver-

traglichen Regelungen mit mehrjähriger Geltungsdauer gegenüber den jeweils jährlich

befristeten und mit Vorgaben und Abhängigkeiten befrachteten Zuwendungsleistungen

auch Vorteile boten, indem sie nämlich größere Planungs- und Kalkulationssicherheit er-

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laubten. Jedoch waren die neuen Regelungen auch mit höherem Einsparungsdruck ver-

bunden und zwangen Träger und Einrichtungen zu einem Umdenken in Richtung auf

mehr Effizienz, Effektivität und ökonomischem Denken und Handeln (vgl. Rock 2010, S.

27).

Bereits als der Begriff „Sozialmanagement“ zu Anfang der 1980er Jahre von Alfred Müller-

Schöll und Manfred Priepke durch deren gleichnamiges Buch in die Diskussion eingeführt

wurde, knüpften die Autoren an die in der Praxis der Sozialen Arbeit verbreiteten Defizite

an: „Verkünden ‚wolkiger‘ Ziele, unklare Aufgaben- und Kompetenzverteilung, undurch-

sichtige Entscheidungsprozesse und Hierarchiestruktur, Verzicht auf Planung, fehlende

Erfolgskontrolle.“ (Müller-Schöll und Priepke in Schwarz 2012, S. 138) Unter Verweis auf

die populär gewordene Kritik von Wolfgang Seibel, der 1992 in seiner Habilitationsschrift

„Funktionaler Dilettantismus“ solcherlei Defizite einer vertieften Analyse unterzog, führt

Joachim Merchel aus: „Kritik wurde geübt an der mangelnden Fähigkeit freier Träger, Ein-

richtungen und Dienste wirtschaftlich und den Finanzierungsbedingungen entsprechend

zu führen, eine Kritik, die bis zum Vorwurf des Organisationsversagens und des Dilettan-

tismus zugespitzt wurde […].“ (Merchel 2009, S. 58)

Der Umbau des Sozialstaates machte sich bis heute auf mehreren Ebenen für Soziale

Einrichtungen bemerkbar:

„Der Vorrang der Freien Wohlfahrtspflege wurde [schließlich sukzessive, J.W.] ebenso abge-schafft wie das Kostendeckungsprinzip. Gewerbliche und gemeinnützige Träger wurden im So-zialrecht gleichgestellt, Versorgungsverträge, Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Prüfungen der Qualität institutionalisiert.“ (Rock 2010, S. 34)

In den Sozialgesetzen wurde nach und nach eine Abkehr von der institutionellen Förde-

rung hin zu einer Subjektfinanzierung vollzogen. Mit Sozialen Einrichtungen wurden dem-

nach zunehmend Leistungs-, Vergütungs- und Qualitätsvereinbarungen abgeschlossen.

Der durch die Modernisierungsstrategien des organisierten Wettbewerbs und des Kon-

traktmanagements vorangetriebene Paradigmenwechsel unter dem Vorzeichen der Kos-

tenersparnis führte zu einer abnehmenden Privilegierung der freien Wohlfahrtspflege und

ihrer Einrichtungen und im Zusammenhang damit auch zu steigenden Ansprüchen an die

Legitimierung Sozialer Arbeit.

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„Der Legitimationsmodus ‚Vertrauen‘, der über lange Zeit das Verhältnis zwischen öffentlichen und freien Trägern geprägt hat, wird ersetzt durch den Legitimationsmodus ‚Rechenschaftsle-gung‘. ‚Rechenschaftslegung‘ bezieht sich dabei gleichermaßen auf den finanziellen Aspekt […] wie zunehmend stärker auch auf den fachlichen Aspekt […]. Die Einrichtungen sollen verdeutli-chen, welche Wirkungen sie mit ihrem Handeln erreicht haben, und es werden erste Überle-gungen zu Möglichkeiten der Koppelung von Finanzierungsteilen an erreichte Wirkungen ange-stellt […]. (Merchel 2009, S. 58)

Somit werden Soziale Einrichtungen bis heute vor die Herausforderung gestellt, ökonomi-

sche und fachliche Ziele in einen sinnvollen Einklang zu bringen (vgl. ebd., S. 59). In die-

ser Situation wurden an den Hochschulen erste Sozialmanagement-Konzepte entwickelt

und im Zusammenhang damit wurden zunehmend auch andere Management-Ansätze

aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich, wie z. B. Qualitätsmanagement (QM), Lean-

Management, Case-Management, Change-Management etc. rezipiert und ihre Tauglich-

keit für die Innovation von Sozialen Einrichtungen diskutiert. Die Rezeption von Konzep-

ten und Instrumenten aus dem Profit-Bereich stieß innerhalb der Sozialen Arbeit auf am-

bivalente Reaktionen: Einerseits ließ der grundsätzliche Widerstand gegen solche Kon-

zepte nicht nur allmählich nach, es regte sich sogar bei manchen die Hoffnung, auf die-

sem Weg endlich zu einer (neuen) professionellen Identität zu gelangen. Andererseits gab

es unterschiedliche Bestrebungen innerhalb der akademischen Sozialar-

beit/Sozialpädagogik, der zunehmenden Kritik von außen durch eigene Konzepte zu be-

gegnen, die allerdings zu einem großen Teil an frühere Überlegungen, Konzepte und Mo-

delle anknüpften. Stichworte zu diesen Bestrebungen sind etwa Lebenswelt-, Alltags- und

Sozialraumorientierung, Neuorganisation sozialer Dienste und Ressourcenorientierung

(vgl. Schwarz 2012, S. 139-140 und Staub-Bernasconi 2007, S. 149-151).

Nach wie vor mangelte es der Sozialen Arbeit an einer eigenständigen professionellen

Identität vor dem Hintergrund einer fragmentarischen Ausbildung und unzureichendem

Praxisbezug. Im akademischen Bereich konkurrierten diverse Richtungen und Schulen

der Theoriebildung ohne nennenswerten Einfluss auf die Praxis, in der weitgehend impro-

visiert wurde. Hinzu kam eine durch die Kritik am Wohlfahrtsstaat und am Expertentum

initiierte Veränderung der Sichtweise auf den Gegenstandsbereich der Sozialen Arbeit.

„Vergeblich sucht man in neueren theoretischen Zugängen differenzierte Vorstellungen über Adressatenmerkmale der Sozialen Arbeit. Alle Begriffe, die an Probleme, Armut, Defizite, Nöte, Leiden, Schwächen, fehlende Güter oder Kompetenzen, gesellschaftliche Ungleichheit, Diskri-minierung, Ohnmachtspositionen oder gar Ungerechtigkeitsvorstellungen etc. erinnern, werden explizit oder implizit als Defizitorientierung kritisiert, um sie einer Ressourcenorientierung ge-genüberzustellen. […] Die […] neue soziale Problemdefinition ist die illegitime Abhängigkeit vom Sozialstaat und mithin der fehlende oder fehlgeleitete Wille der Klientel zur Eigenleistung, Selbststeuerung und Selbstverantwortung. […] Es sind nicht mehr die Menschen, die überfor-dert sind und strukturell diskriminiert, ausgebeutet werden, sondern es ist der Sozialstaat, der durch überbordende Ansprüche überfordert ist und ausgebeutet wird. […] Und es sind die Sozi-alexperten/Sozialtätigen, die als unfähige Bastler […] verhindern, dass der Ausbeutung des So-

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zialwesens durch die Klientel wirksam entgegengetreten werden kann.“ (Staub-Bernasconi 2007, S. 149-150)

Diese Entwicklung innerhalb der Theoriebildungen in der Sozialen Arbeit bereitete in

manchen Kreisen u. a. den Boden für eine geradezu euphorische Aufnahme von Konzep-

ten der Betriebswirtschaftslehre als Professionalisierungsangebot für die Soziale Arbeit.

„Der Tendenz nach geht es darum, das ‚Grundmodell der Sozialen Arbeit‘ neu zu definieren, in-dem ‚Management‘, seine für Führungskräfte sinnvollen Methoden und Techniken auch für die direkte Arbeit mit den Adressat(inn)en zum Oberbegriff wird. Die Hilfe an Individuen heißt jetzt Casemanagement oder Fallsteuerung6. Dazu gibt es Theorieentwürfe, die fordern, dass die theoretischen Vorgaben der Dienstleistungsökonomie zur Teildisziplin einer Wissenschaft und Metadisziplin der Sozialen Arbeit als personenbezogene Dienstleistungen gemacht werden.“ (ebd., S. 151)

2.2.7 Ende der 1990er Jahre bis heute: Etablierung des Sozialmanagements

In dieser durch Ambivalenz, weitgehend unverbundene Heterogenität und Unsicherheit

geprägten Phase formierten sich die ersten Sozialmanagement-Studiengänge. 1997 be-

schlossen die fünf neuen Bundesländer auf der Grundlage von Vorarbeiten der Alice-

Salomon Fachhochschule Berlin, der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin

und der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin die Gründung eines

Fernstudienverbundes. Ein Fachausschuss erarbeitete ein fünfsemestriges Fernstudium

„Sozialmanagement“ bzw. „Öffentliches Dienstleistungsmanagement“, das für Führungs-

kräfte im Sozialen Bereich die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten unter den Vorzeichen

des stattfindenden Wandels bereitstellen sollte. Dem Mangel an adäquaten Aus- und Wei-

terbildungsangeboten sowohl in den neuen als auch den alten Bundesländern sollte damit

abgeholfen werden. Allerdings stieß dieses Vorgehen bereits zu Beginn auf deutliches

Unbehagen bei Vertretern aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung und der Wohlfahrtsver-

bände:

„Fünf neue Bundesländer setzen eine Kommission ein, diese beauftragt einen ‚Fachausschuss‘ mit der Erarbeitung eines curricularen Fernstudiengangs Sozialmanagement – das Verfahren war also ‚top-down‘, die Zusammensetzung willkürlich und die Diskussionen fanden in ge-schlossenen Zirkeln satt!? Nein danke!!!“ (Schwarz 2012, 141)

In den Jahren 1999 und 2000 begannen nichtsdestotrotz die beiden ersten Masterstudi-

engänge „Sozialmanagement“ in Mittweida/Roßwein und Braunschweig-Wolfenbüttel. Es

war die Zeit der flächendeckenden Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge im

Zuge der Bologna-Reformen, was viele Fachbereiche ohnehin an die Grenzen ihrer Be-

lastbarkeit brachte. Aus diesen und anderen Gründen (wie Konkurrenzdenken und ge-

6 Dazu muss angemerkt werden, dass aus Sicht des Verfassers die unterschiedlichen aber insgesamt recht homogenen Konzepte des Case-Managements zwar vordergründig gewisse Ähnlichkeiten mit der Vorgehensweise der ANHT aufwei-sen, aber im Gegensatz zur ANHT reine Schemata zur geordneten Abwicklung von vorgegebenen Arbeitsaufträgen darstel-len und so eher einem Verständnis von Sozialer Arbeit als bloßer Beruf nahe stehen.

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genseitiger Abschottung) wurde zum einen nichts aus der geplanten weiteren Kooperation

der im erwähnten Fachausschuss noch aktiven Vertreter/innen der beteiligten Hochschu-

len und zum anderen wurde von Kritikern aus dem Bereich der Sozialen Arbeit dem So-

zialmanagement eine Mitschuld an der Einführung marktwirtschaftlicher Strukturen an den

Hochschulen gegeben. Ungeachtet dessen, stieg die Anzahl der Sozialmanage-

ment/Sozialwirtschaft-Studiengänge im deutschsprachigen Raum bis heute auf ca. 118 an

(Boeßenecker und Markert 2011, S. 58-59) und das Fach kann insofern durchaus als

etabliert gelten. Gleichwohl ringt, wie bereits geschildert, das Fach Sozialmanagement in

ähnlicher Weise um Orientierung und Professionalisierung wie auch die Soziale Arbeit.

Und beide Disziplinen ringen zudem miteinander:

„Im Schatten einer schon früh aufkeimenden Rivalität zwischen den ‚Zwillingsdisziplinen‘ Sozi-alarbeit und Sozialmanagement konnten die gemeinsamen Ziele und positiven Schnittmengen nicht erkannt oder zugegeben werden. Die ‚wahren Hüter‘ der ‚reinen Sozialarbeit‘ fühlten sich in ihrem Streben nach fachlicher Qualität und Professionalität von der ‚Managementfraktion‘ nicht genügend gewürdigt (‚Reparaturbetrieb‘, Semiprofession). Die ‚Managementprofis‘ ihrer-seits betonen aus fachlicher Sicht und aus berufspolitischem Eigeninteresse sehr stark die vor-handenen Defizite und Schwachstellen der sozialen Dienstleistungsorganisationen. […] Es be-steht […] die Gefahr, dass an die Stelle des dringend benötigten Dialogs zwischen den getrenn-ten Zwillingen (Sozialarbeit – Sozialmanagement) wieder ein getrenntes Monologisieren der beiden Seiten tritt.“ (Schwarz 2012, S. 145, 147)

Festzuhalten bleibt, dass das Fach Sozialmanagement sich zwar insofern etabliert hat, als

es inzwischen sowohl eine beachtliche Anzahl von Studiengängen, als auch einschlägige

Publikationen in großer Zahl gibt – auch die Notwendigkeit adäquat ausgebildeter Füh-

rungskräfte im Sozialen Bereich steht außer Frage – , Disziplin und Profession sich aller-

dings noch „in der Phase der Selbstfindung“ (ebd., S. 162) befinden. Im Falle der Sozialen

Arbeit sieht es nach über 40 Jahren seit der Einführung von Fachhochschulstudiengän-

gen, Theoriebildung, Versuchen der Verwissenschaftlichung etc. recht ähnlich aus. In der

Praxis sind sicherlich in fallweise mehr oder weniger geglückter Ausprägung Versatzstü-

cke aus beiden Bereichen angekommen, aber die seit Jahrzehnten trotz diverser Bemü-

hungen um Professionalisierung bestehenden Probleme im Sozialen Bereich und in der

Sozialen Arbeit drohen sich nun auch auf die Ebene des Managements Sozialer Einrich-

tungen auszuweiten und die Etablierung des „neuen“ Fachs Sozialmanagement steht so-

mit derzeit unter keinem guten Stern.

Im Folgenden wird dargestellt, wie sich die skizzierten sozialpolitischen und fachlichen

Entwicklungen auf eine konkrete Soziale Einrichtung in einem bestimmten Arbeitsfeld

ausgewirkt haben bzw. damit in Beziehung stehen. Für den in dieser Arbeit besonders

interessierenden Bereich der Eingliederungshilfe für psychisch behinderte Erwachsene,

das Ambulant Betreute Wohnen (ABW), war die zum 01.07.1994 in Kraft getretene Sozi-

alhilfereform mit der Änderung des § 93 Abs. 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) folgen-

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reich. Die dort eingeführte Entgeltfinanzierung aufgrund eines subjektiven Rechtsan-

spruchs der individuell Bedürftigen wurde beispielsweise in Nordrhein-Westfalen (NRW)

über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren durch die dort zuständigen beiden Land-

schaftsverbände flächendeckend umgesetzt und führte im Ennepe-Ruhr-Kreis ab 2001 zu

spürbaren Veränderungen.

2.3 Wandel und Veränderungen bei der Kontakt- und Krisenhilfe e. V.

Abbildung 1: Der Ennepe-Ruhr-Kreis7 (Quelle: Wikimedia 2010)

2.3.1 Kleine Anfänge

Die Kontakt- und Krisenhilfe im Ennepe-Ruhr-Kreis e. V. (KuK) ist ein eingetragener ge-

meinnütziger Verein und Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband. Der Verein wurde

1984 gegründet und firmierte zunächst als sogenannter Patientenclub in einer angemiete-

ten Wohnung in der Kreisstadt Schwelm. Anlass für die Gründung durch engagierte Bür-

gerinnen und Bürger und Psychiatrieerfahrene vor dem Hintergrund der sozialpsychiatri-

schen Bewegung war die Einschätzung, dass es im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis einen

hohen und ungedeckten Bedarf an gemeindenaher Versorgung für psychisch kranke

Menschen gab. Die KuK verstand sich von Beginn an als Einrichtung der Sozialpsychiat- 7 Die Kontakt- und Krisenhilfe im Ennepe-Ruhr-Kreis e. V. ist heute bis auf die Kreisstädte Witten, Wetter und Herdecke, die von anderen Anbietern versorgt werden, im gesamten zusammenhängenden südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis aktiv.

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rie und macht es sich bis heute zur Aufgabe, die Lebenssituation von psychisch behinder-

ten Menschen zu verbessern, ihre Teilhabe und Integration vor Ort zu fördern und statio-

näre Aufenthalte oder Unterbringungen zu vermindern oder zu vermeiden.

Zunächst wurde eine Wohngemeinschaft für die Zielgruppe eröffnet und das damals noch

so genannte Beschützende Wohnen nahm ebenfalls seinen Anfang. Das Beschützende

Wohnen als Vorläufer des Ambulant Betreuten Wohnens (ABW) sollte psychisch kranke

Menschen, die eine eigene Wohnung bewohnten befähigen, trotz oder mit ihren diversen

krankheitsbedingten Einschränkungen ein möglichst selbst bestimmtes Leben führen,

ihren Alltag bewältigen zu können und so ein möglichst hohes Maß an „Normalität“ und

Lebensqualität erreichen zu können. Der „Patientenclub“ wandelte sich zur ersten von

später drei Kontakt- und Beratungsstellen (KuB).

1985 konnten weitere Räume günstig in einer städtischen Immobilie in Gevelsberg ange-

mietet werden. Dort wurde eine weitere KuB eingerichtet und Beschützendes Wohnen

angeboten. Die Bereiche KuB und Beschützendes Wohnen waren von Beginn an räum-

lich, personell und organisatorisch so eng verzahnt, dass das Beschützende Wohnen – im

Gegensatz zum heutigen ABW – noch nicht als eigenständiger Arbeitsbereich profiliert

war.

1987 wurden auch in Ennepetal städtische Räume mietfrei bezogen und dort wurde eine

weitere KuB eingerichtet. Die Finanzierung der gesamten Arbeit der KuK erfolgte durch

den Ennepe-Ruhr-Kreis: Es wurde ein jährlich befristeter, jeweils neu zu beantragender

freiwilliger Zuschuss (Zuwendung/Zuwendungsbescheid) des Kreises (Kreisgesundheits-

amt) für Kontaktstellenarbeit und Beschützendes Wohnen gewährt. Das bedeutete 100 %

Personalkostenzuschuss, 10 % Sachkostenanteil und einen Festbetrag für Miete und Ne-

benkosten. Der Finanzierungsmodus war eine Objektfinanzierung als Institutionelle Zu-

wendung gemäß §§ 23 u. 44 Bundeshaushaltsordnung/Landeshaushaltsordnung

(BHO/LHO; Vollfinanzierung der zuwendungsfähigen Ausgaben). Das Kreisgesundheits-

amt hatte zu dieser Zeit ermittelt und vorgegeben, dass es 85 psychisch kranke Men-

schen im Ennepe-Ruhr--Kreis mit einem Bedarf an Beschützendem Wohnen gab. Diese

wurden unter vier Anbietern, die mit dem Kreis auch den Stundensatz ausgehandelt hat-

ten, aufgeteilt. Im Beschützenden Wohnen wurden daraufhin bei der KuK zwei Vollzeit-

stellen (VZ) mit einem Betreuungsschlüssel von je 1:12 finanziert. Die Anzahl unserer

Klient/inn/en war somit durch den Kreis zunächst auf 24 beschränkt. Die Vergütung pro

Stunde betrug umgerechnet 110,- DM. So konnten bis Ende 1987 hauptamtliche Mitarbei-

ter/innen (MA) eingestellt werden, die sich zwei VZ-Planstellen für das Beschützende

Wohnen und eine für die KuB-Arbeit teilten.

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Im Jahr 1992 wurde eine weitere VZ-Planstelle für die KuB-Arbeit finanziert und eingerich-

tet, zusätzlich zu den beiden VZ-Stellen im Beschützenden Wohnen. Seit dieser Zeit

konnten auch Rücklagen aus Eigenmitteln gebildet werden. Am Ende des Zuwendungs-

zeitraums erwirtschaftete Überschüsse wurden der KuK hälftig als freie Mittel zur Verfü-

gung gestellt aber es gab im Verlustfall keine Nachfinanzierung. Die KuB-Arbeit8 wird

nach wie vor unverändert als Zuwendung mit einer VZ-Stelle durch den Kreis finanziert.

An den bis heute bestehenden drei Standorten Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal ar-

beiten je zwei Fachkräfte (Sozialarbeiter/innen bzw. -pädagog/inn/en) mit jeweils 6,42

Wochenarbeitsstunden (1/6 VZ-Stellen, gerundet)9. Bei allen sechs Fachkräften wird die

Kontaktstellenarbeitszeit jeweils von der Regelarbeitszeit abgezogen. Die übrige Arbeits-

zeit der betreffenden MA steht für das ABW zur Verfügung. Die mit der Finanzierungsform

der Zuwendung gemäß BHO/LHO verbundene Logik lässt im Bereich der KuB wenig per-

sonelle Dynamik und Gestaltungsmöglichkeiten zu.

Vorstand Geschäftsführung nur

nominell benannt

Kontakt- und Beratungsstellen

1 VZ Stelle,3 Standorte

Beschützendes Wohnen

2 VZ Stellen24 Klienten

Verwaltung 10 Std. Stelle

Abbildung 2: Die KuK bis Juni 1999, vor der Eröffnung der Tagesstätte (Eigene Darstellung, J.W.)

1994 stellte der Verein einen ersten Antrag auf die Einrichtung einer Tagesstätte (TS)

beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und es wurde in Gevelsberg eine zwei-

te Wohngemeinschaft eingerichtet, die allerdings im Jahr 2000 wieder aufgelöst wurde.

1997 wurde ein zweiter Antrag auf Einrichtung einer TS auf den Weg gebracht, der

schließlich 1999 bewilligt wurde. Im Juli desselben Jahres konnte eine Immobilie in

Schwelm erworben werden. Dorthin fand der Umzug der Schwelmer Wohngemein-

8 Die Kontakt- und Beratungsstellen waren von Beginn an ein Kernangebot der KuK. Es handelt sich dabei um offene, niedrigschwellige Anlaufstellen für psychisch behinderte Erwachsene mit einer Komm-Struktur. Während der jeweiligen Öffnungszeiten werden tages- und freizeitstrukturierende Angebote vorgehalten, so wie die Möglichkeit für Betroffene, sich in einem geschützten Raum zu begegnen, sich auszutauschen und soziale Isolation zu vermeiden oder zu verringern. Die Möglichkeit der Beratung und Unterstützung durch das Fachpersonal ist ein weiterer Bestandteil des Angebots. Unterstützt wird zum Beispiel im Sinne von nachsorgender Betreuung im Übergang von stationären Aufenthalten in den Alltag, bei dem Umgang mit der jeweiligen Erkrankung oder bei Schwierigkeiten mit Behörden. 9 Eine Ausnahme bildet inzwischen der KuB-Standort Schwelm: Dort sind zwei Fachkräfte mit jeweils vier Wochenarbeits-stunden verantwortlich, eine Ergänzungskraft sorgt derweil für personale Präsenz und Kontinuität während der erheblich über das reine KuB-Angebot ausgeweiteten Öffnungszeiten. Die zusätzlichen Öffnungszeiten der Standorte Schwelm und, in geringerem Umfang, Gevelsberg sind ABW-abrechnungsfähige Zeiten.

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schaft10, die bis heute besteht, statt. Auch die Schwelmer KuB zog in dieses Gebäude um

und die TS wurde dort in Betrieb genommen. Für diese Arbeit wurden zusätzlich drei VZ-

Stellen durch den LWL finanziert. Das Gebäude wurde durch 80 % Förderzuschüsse und

20 % Eigenmittel aus Rücklagen finanziert. Die Finanzierung der TS durch den LWL war

eine institutionelle Förderung für 20 Plätze. Auch das Angebot der TS11 wurde analog zu

der Finanzierung der KuB institutionell (Festbetragsfinanzierung) – Anfangs für 20, inzwi-

schen für weitere 10 Plätze – in Form einer jährlichen Zuwendung gem. §§ 23 und 44

BHO/LHO, allerdings durch den überörtlichen Träger LWL finanziert (vgl. Brinkmann

2010, S. 148-158), womit auch in diesem Bereich neben den Plätzen für die TS-

Nutzer/innen die personelle Ausstattung, in diesem Fall für beide Standorte 4,5 VZ-

Stellen, durch den Kostenträger festgelegt ist und die Personalsituation keiner nennens-

werten Dynamik unterliegt.

Nach Verhandlungen mit dem Kreis, sagte dieser zu, eine Mietkostenerstattung mindes-

tens in Höhe der bisherigen Miete für die KuB-Arbeit zu leisten, obwohl der KuB-Betrieb

nun in Schwelm in Wohneigentum der KuK stattfand. Dabei orientierte der Kreis sich an

der Mietkostenbeteiligung des LWL pro m² zur Verfügung stehender Fläche. Seitdem gilt,

dass die Mietkostenerstattungen der KuB durch den Kreis finanziert werden, die der TS

durch den LWL. Diese überstiegen deutlich die Kosten der Eigenmittelfinanzierung und

flossen so in die Rücklagen. Eigene Immobilien wirken sich zudem positiv auf die Außen-

wahrnehmung aus.

2.3.2 Wende zur Subjektförderung und beginnendes Wachstum

Ab dem 01.01. 2001 fand eine Wende von der Objekt- zur Subjektförderung im jetzt auch

so bezeichneten ABW statt. Diese Wende erfolgte aufgrund einer Änderung der §§ 93 ff.

BSHG Einzelfallhilfe mit Rechtsanspruch gem. §§ 39 ff. BSHG, deren Umsetzung seit

1994 durch die beiden Landschaftsverbände in NRW vorangetrieben worden war. Die

Finanzierung des ABW erfolgte nun statt über jährliche Zuwendungen über Einzelfallbe-

zogene Leistungsentgelte, die Fachleistungsstunden (FLS), nach Abschluss von Leis-

tungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung (mit dem Kreis, stellvertretend für die örtli-

chen Sozialämter). Um eine einheitliche Regelung des ABW im Kreis zu gewährleisten,

behielt dieser die Weisungsbefugnis: Der Kreis hatte sich ausbedungen, die jährlichen

Fallzahlensteigerungen auf sechs Klient/inn/en pro Halbjahr zu begrenzen. Die Einrich- 10 Die WG mit vier Bewohnerplätzen beherbergt sämtlich ABW-Klient/inn/en, die jeweils einen eigenen Mietvertrag mit der KuK abgeschlossen haben. Durch die Gewährleistung, dass die Bewohner/innen über alternative Betreuungsangebote vollumfänglich informiert sind, fällt die WG nicht unter die Reglementierungen des Wohn- und Teilhabegesetzes NRW. 11 Die Tagesstätte (TS) mit ihren mittlerweile beiden Standorten in Schwelm (20 Plätze) und Hattingen (10 Plätze) ist ein Angebot für psychisch kranke Erwachsene, die eine intensive tages-strukturierende Unterstützung benötigen. Die TS ist als teilstationäres Betreuungsangebot konzipiert. An fünf Tagen in der Woche werden psychisch kranke Erwachsene, die gar nicht oder vorübergehend nicht in der Lage sind einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen, in den Bereichen „Alltags-bewältigung und Selbstsorge“, „Umgang mit der Erkrankung“, „Gestaltung sozialer Beziehungen“, „Tagesgestaltung/Arbeit“ und „Sensomotorische und kognitive Fähigkeiten“ individuell und im Gruppensetting gefördert.

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tungen haben sich untereinander abgesprochen, wer wie viele Klient/inn/en bekommt. Die

Stundensätze blieben bei 110,- DM/ 56,24 € bei einem Betreuungsschlüssel 1:12 nach

fachpsychiatrischem Gutachten.

Vorstand

Geschäftsführung ½ Stelle

Tagesstätte3 VZ Stellen1 Standort20 Klienten

Kontakt- und Beratungsstellen

1 VZ Stelle,3 Standorte

Ambulant Betreutes Wohnen

3 VZ Stellen30 Klienten

Verwaltung ½ Stelle

Abbildung 3: Die KuK Ende 2002 (Eigene Darstellung, J.W.)

2.3.3 „Hochzonung“ des Ambulant Betreuten Wohnens und Expansion

Ab dem 01.07.2003 wurde die Zuständigkeit für das ABW auf den LWL als überörtlichem

Kostenträger übergeleitet. Auch mit diesem wurden Leistungs-, Vergütungs- und

Prüfungsvereinbarungen abgeschlossen und die Finanzierung des ABW erfolgte weiterhin

über FLS. Der den einzelnen Leistungserbringern gegenüber monopolartig agierende

LWL beabsichtigte eine massive Kostensenkung im stationären Bereich durch den

Ausbau der ambulanten Hilfen und verzichtete somit auch auf eine Begrenzung der

Fallzahlen im ABW.

„In der Praxis hat die […] stärkere Pauschalierung [der Vergütung der Leistungserbringer, J.W.] zu einer umfassenden Deckelung der Ausgaben geführt, die die freien Träger auf Dauer vor große Finanzierungsprobleme stellen musste. […] Die zur Schlichtung eingeführten Schiedsstellen [konnten] dieses Ungleichgewicht der Verhandlungsposition nur beschränkt ausgleichen.“ (Rock 2010, S. 33)

So senkte der LWL nach einer Übergangszeit bis zum 31.12.2004 die Stundensätze bis

zum 01.01.2008 degressiv von 56,24 € auf 48,30 €. In den darauffolgenden Jahren

wurden die FLS-Sätze dann jeweils geringfügig inflationsbedingt gesteigert und werden

aktuell ab dem 01.04.2013 inklusive eines Regelzuschlags auf 53,10 € angehoben. Die

Finanzierungsform der FLS erlaubte es der KuK seit dem 01.07.2003, auf die vorhandene

Nachfrage in ihrem Einzugsbereich prinzipiell ohne formale Einschränkungen durch den

Kostenträger zu reagieren.

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36

Vorstand

Geschäftsführung ½ Stelle

Tagesstätte3 VZ Stellen1 Standort20 Klienten

Kontakt- und Beratungsstellen

1 VZ Stelle,3 Standorte

Ambulant Betreutes Wohnen

5 VZ Stellen52 Klienten

Verwaltung ½ Stelle

Abbildung 4: Die KuK Ende 2003 (Eigene Darstellung, J.W.)

Entsprechend musste sukzessive mehr Personal für diesen Bereich gewonnen werden.

Um trotz der vom LWL forcierten Kostendämpfung auch im Bereich des ABW dem eige-

nen sozialpsychiatrischen Versorgungsanspruch weiterhin gerecht werden zu können und

zugleich den Bestand der Einrichtung dauerhaft sichern zu können, setzte die KuK seit

dem 01.07.2003 auf folgende Expansions- und Personalpolitik:

� Es galt und gilt der Grundsatz, dass jede Anfrage zügig bedient wird. Eine Decke-

lung der Betreutenzahlen oder Wartelisten wurden und werden ausgeschlossen.

� Neue MA wurden ab 01.01.2005, zeitgleich mit dem Beginn der degressiven Ver-

ringerung des FLS-Satzes, nach den Arbeitsvertragsbedingungen (AVB) des Pari-

tätischen Wohlfahrtsverbandes eingestellt (Paritätischer Wohlfahrtsverband

2012)12. Das bedeutete eine perspektivisch flachere Gehaltssteigerung als beim

Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und dem Tarifvertrag für den öffentlichen

Dienst (TVöD). Mittelfristig führte dies zu merklichen Personalkosteneinsparungen.

Eine Kostengegenüberstellung im ersten Jahr zeigte eine Einsparung von 5 %

(vgl. Palluch 2005).

� Neue MA wurden mit einer halben Stelle befristet für ein Jahr eingestellt, danach

unbefristet mit Option auf Stundenerhöhung.13

� Es bestand und besteht ein Gestaltungsspielraum durch Rücklagen: Neue MA

konnten perspektivisch eingestellt werden, auch wenn die Auslastungszahlen im

ABW das noch nicht zuließen. Nach Einarbeitung und voller Auslastung holten

neue MA die Investitionen wieder herein.

12 In der Einleitung heißt es dort (S. 1): „Die neuen AVB sind straff formuliert und auf die nötigsten Regelungen beschränkt. Das Entgeltsystem ist in seiner Struktur einfach, aufgaben- und leistungs-orientiert sowie flexibel in der Anwendung. Die AVB sind als Vertragsrichtlinie konzipiert. Zu ihrer Wirksamkeit müssen sie im einzelnen Arbeitsverhältnis mit der/dem Mitarbeiter/in vereinbart werden.“ Dies geschieht bei der KuK per Arbeitsvertrag. 13 Inzwischen werden neue MA auch optional mit einem höheren oder niedrigeren Stundenanteil eingestellt.

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37

� Auswirkungen der Ausweitung des Bereichs ABW:

- Die Erhöhung des Gesamtumsatzes bewirkte eine Relativierung von Ver-

waltungs- und Sachkosten.

- Territoriale Vorteile ergaben sich durch breitere Aufstellung und schnelle

Reaktion auf Anfragen.

- Eine Kompensierung von Personalkosten durch eine zunehmend größere

Anzahl von MA wurde bewirkt.

Vorstand

Geschäftsführung ½ Stelle

Tagesstätte3 VZ Stellen1 Standort20 Klienten

Kontakt- und Beratungsstellen

1 VZ Stelle,3 Standorte

Ambulant Betreutes Wohnen

8 VZ Stellen78 Klienten

Verwaltung ½ Stelle

Abbildung 5: Die KuK Ende 2005 (Eigene Darstellung, J.W.)

2.3.4 Konsequenzen des Wachstums und strukturelle Veränderungen

Aufgrund des auf diese Weise entstandenen Zuwachses an Klient/inn/en und MA musste

das Team des ABW im Jahr 2006 auf zwei Teams aufgeteilt werden. Im Jahr 2007 wurde

dann eine weitere Immobilie in Hattingen zu den gleichen Konditionen wie bei dem

Immobilienkauf 1999 erworben (Förderzuschüsse und Eigenmittel). Hier erfolgte ebenfalls

die Mietkostenerstattung durch den LWL, die die Kosten der Eigenmittelfinanzierung

deutlich überstieg und so in die Rücklagen fließen konnte. Zugleich wurden die TS-Plätze

durch den LWL um 10 (in Hattingen) aufgestockt und der Einzugsbereich des ABW wurde

auf den Standort Hattingen mit besserer Erreichbarkeit der Kreisstadt Sprockhövel von

dort aus ausgedehnt14. Es erfolgte die Umstellung aller MA auf die AVB, was 10 MA

betraf, die noch zu den Bedingungen des BAT eingestellt worden waren und seither eine

Ausgleichszahlung erhielten. Der Vergütungssatz für die FLS war inzwischen bei 48,30 €

angelangt.

14 Der Ausbau des ABW in Hattingen verlief jedoch zunächst zurückhaltend, so dass es dort erst 2009 zu einer regelrechten Teambildung kam.

Page 39: Sozialmanagement und Professionalisierung sozialer ... · Ebenfalls wird ein bestimmtes Management-Modell – das neue St. Galler Management- Modell – herangezogen, das ebenfalls

38

Vorstand

Geschäftsführung 1 VZ Stelle

Tagesstätte4,5 VZ Stellen2 Standorte30 Klienten

Team 2

Team 1

Hausmeister1 VZ Stelle

Verwaltung1,5 VZ Stellen

Ambulant Betreutes Wohnen

2 Kontakt- und Beratungsstellen

Ambulant Betreutes Wohnen

Kontakt- und Beratungsstelle

Ambulant Betreutes Wohnen

21 VZ Stellen,

180 Klienten

1 VZ Stelle

Abbildung 6: Die KuK Ende 2008 (Eigene Darstellung, J.W.)

Aufgrund eines unverminderten Klient/inn/en- und Personalwachstums im Bereich ABW,

mussten zu Beginn des Jahres 2009 zwei weitere Teams gebildet werden, d. h. die MA

des ABW verteilten sich nun auf vier Teams. Der Geschäftsführer der KuK fühlte sich

inzwischen zunehmend damit überlastet, das Management der Einrichtung alleine zu

bewältigen und setzte aus den eigenen Reihen drei Teamleiter ein (mit Zusatzaufgaben

und progressiver Freistellung von der ABW-Betreuung). Eine Leiterin für den Bereich der

TS-Arbeit gab es bereits seit der Ausweitung dieses Bereichs im Jahr 2007. Der Leiter

des Teams 3 übernahm auch die Leitung des noch kleinen Hattinger ABW-Teams 4.

Einer der Teamleiter, der als Qualitätsmanagementbeauftragter (QMB) weitergebildet

worden war, wurde mit der Einführung und dem Aufbau eines

Qualitätsmanagementsystems (QMS) betraut.

Vorstand

Geschäftsführung1 VZ Stelle

Leitung Teams 3+4Sozialrecht/

-politik

Leitung TSFortbildung

Leitung Team 2Öffentlichkeitsarbeit

Leitung Team 1Qualitäts-

management

Hausmeister 1 VZ Stelle

Verwaltung 1,5 VZ Stellen

Ambulant Betreutes Wohnen

2 Kontakt- und Beratungsstellen

Ambulant Betreutes Wohnen

Ambulant Betreutes Wohnen

Kontakt- und Beratungsstelle

Tagesstätte, 2 Standorte

Qualitäts-Management-beauftragter

1 VZ Stelle

26 VZ Stellen,

216 Klienten

4,5 VZ Stellen,

30 Klienten

Ambulant Betreutes Wohnen

Abbildung 7: Die KuK Ende 2009 (Eigene Darstellung, J.W.)

Page 40: Sozialmanagement und Professionalisierung sozialer ... · Ebenfalls wird ein bestimmtes Management-Modell – das neue St. Galler Management- Modell – herangezogen, das ebenfalls

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Im selben Jahr wurden zusätzliche barrierefreie Räume in einem ehemaligen

Industriekomplex in unmittelbarer Nähe der KuK-Zentrale in Schwelm (die eigene

Immobilie, welche die Geschäftsführung, die Verwaltung, die Wohngemeinschaft und die

TS beherbergt) angemietet. Dorthin zog die schwelmer KuB um und das ABW-Team 2

und die meisten MA des Teams 1 erhielten dort Büroräume15.

Seit Anfang des Jahres 2010 bot die KuK in Zusammenarbeit mit den örtlichen Jugend-

ämtern, mit denen ebenfalls eine dem ABW analoge Leistungs-, Vergütungs- und Prü-

fungsvereinbarung besteht, Sozialpädagogische Familienhilfe (SpFh) gem. § 31 Sozialge-

setzbuch Acht (SGB VIII) an16. Die KuK hat mit den örtlichen Jugendämtern eine Leis-

tungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung abgeschlossen, der zufolge die Finanzie-

rung analog zum ABW erfolgt. Die Zahl der in diesem Rahmen betreuten Familien blieb

allerdings bisher gering und schwankte zwischen drei und fünf SpFh-Betreuungen. Das ist

dem Umstand geschuldet, dass der mit den Jugendämtern vereinbarte Kostensatz an den

mit dem LWL für das ABW angeglichen ist und die Jugendämter gerne mit ihnen bereits

länger bekannten und vertrauten und vor allem kostengünstigeren Anbietern zusammen-

arbeiten.

Im Jahr 2011 wurden noch zusätzliche Büroräume in einem angemieteten Ladenlokal

gegenüber der KuK-Zentrale gemietet und bezogen.

Vorstand

Geschäftsführung 1 VZ Stelle

Leitung Teams 3 + 4Sozialrecht/

-politik

Leitung TSFortbildung

Leitung Team 2Öffentlichkeitsarbeit

Leitung Team 1Qualitäts-

management

Hausmeister1 VZ Stelle

Verwaltung2 VZ Stellen

Ambulant Betreutes Wohnen

2 Kontakt- und Beratungsstellen

Ambulant Betreutes Wohnen

Ambulant Betreutes Wohnen

Kontakt- und Beratungsstelle

Tagesstätte, 2 Standorte

Qualitäts-Management-beauftragter

SPFH für Kinderpsychisch Kranker

35 VZ Stellen,

297 Klienten

4,5 VZ Stellen,

30 Klienten

1 VZ Stelle

Ambulant Betreutes Wohnen

Abbildung 8: Die KuK Ende 2011 (Eigene Darstellung, J.W.)

15 Die Team 1-MA der KuB-Gevelsberg haben weiterhin dort ihre Büros. 16 Dieses Angebot richtet sich an Familien, Lebensgemeinschaften oder allein erziehende Personen, die sich in einer Kri-sensituation befinden und in denen mindestens ein Elternteil längerfristig psychisch erkrankt ist bzw. selbst Hilfe im Rahmen der Eingliederungshilfe gem. §§ 53 ff. SGB XII erfährt.

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Als zusätzlicher Mitarbeiter wurde 2012 ein Beauftragter für das Marketing und die

Öffentlichkeitsarbeit gewonnen, der die Leiterin des Team 2, die inzwischen für die

Kooperation mit der öffentlichen Jungendhilfe verantwortlich ist, von ihrer weiteren

Zusatzaufgabe entlasten konnte und der diesen Bereich intensiv ausbauen soll. Die 300-

Klient/inn/en-Marke wurde in diesem Jahr überschritten.

Vorstand

Geschäftsführung 1 VZ Stelle

Leitung Teams 3 + 4Sozialrecht/

-politik

Leitung TSFortbildung

Leitung Team 2Kooperation Jugenhilfe

Leitung Team 1Qualitäts-

management

Hausmeister1 VZ Stelle

Verwaltung2 VZ Stellen

Ambulant Betreutes Wohnen

2 Kontakt- und Beratungsstellen

Ambulant Betreutes Wohnen

Ambulant Betreutes Wohnen

Kontakt- und Beratungsstelle

Tagesstätte, 2 Standorte

Qualitäts-Management-beauftragter

SPFH für Kinderpsychisch Kranker

37 VZ Stellen,

323 Klienten

4,5 VZ Stellen,

30 Klienten

1 VZ Stelle

Ambulant Betreutes Wohnen

Beauftragter für Marketing und

Öffentlichkeitsarbeit

Abbildung 9: Die KuK Ende 2012 (Eigene Darstellung, J.W.)

Die KuK ist inzwischen, nach kleinen Anfängen mit einer handvoll MA im Jahr 1984, zu

einer Organisation mit insgesamt 66 MA angewachsenen. Neben den bereits genannten

Arbeitsbereichen betreibt die KuK eine alle vier bis sechs Wochen stattfindende, von zwei

Fachkräften begleitete Angehörigengruppe und eine wöchentlich stattfindende

Angehörigensprechstunde. Außerdem gibt es einen Klinikbesuchsdienst, der darin

besteht, dass KuK-MA 14-tägig jeweils die beiden für den Ennepe-Ruhr-Kreis zuständigen

psychiatrischen Fachkliniken in Herdecke und Hattingen-Niederwenigern aufsuchen.

Neben den in diesem Rahmen abgehaltenen Sprech- und Informationsstunden für

Interessierte werden ggf. Klient/inn/en dort besucht und Mitfahrgelegenheiten zu den

Kliniken hin oder von den Kliniken nach Hause angeboten. Weitere Angebote sind die vier

Freizeit- und Sportgruppen, die regelmäßige Aktivitäten für die Klient/inn/en bereithalten

und die mit den Klient/inn/en zusammen geplant werden. Alle diese Angebote stehen vor

allem in engem Zusammenhang mit dem ABW und werden auch ausschließlich von MA

aus diesem Bereich durchgeführt.

Page 42: Sozialmanagement und Professionalisierung sozialer ... · Ebenfalls wird ein bestimmtes Management-Modell – das neue St. Galler Management- Modell – herangezogen, das ebenfalls

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2.3.5 Aktuelle Herausforderungen und Anforderungen

Der umfangreichste Arbeitsbereich der KuK ist das Ambulant Betreute Wohnen, sowohl in

Bezug auf die dort betreuten Klient/inn/en als auch was die Anzahl der MA betrifft. Spä-

testens seit der „Hochzonung“ in die Zuständigkeit des LWL mit dem damit verbundenen

Wegfall der Begrenzung der Fallzahlen, ist die Zahl der im ABW Betreuten dramatisch

gestiegen. Alleine von Anfang 2005 mit 74 Betreuungen stieg die Zahl bis Ende 2012 auf

323 Klient/inn/en an.

Abbildung 10: Entwicklung der Klient/inn/en-Zahlen im ABW 2005-2012 (Palluch 2012, S. 4, bearbeitet und modifiziert durch J.W.)

Entwicklung der Klientenzahlen im Ambulant Betreuten Wohnen von 2005 - 2012

blauer Balken = Jahresbeginn roter Balken = Jahresende

0

50

100

150

200

250

300

350

2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

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Die folgende Übersicht veranschaulicht nochmals in kompakter Darstellung den Zuwachs

an Klient/inn/en und Personal seit der Änderung der Finanzierungsform trotz der Absen-

kung des FLS-Satzes, dessen ursprüngliches Niveau bei weitem nicht wieder erreicht

worden ist:

Tabelle 1: Entwicklung Klienten – Personal - LWL-Vergütung 1999 - 2012 (Eigene Darstellung, J.W.)

Auf die genannten sozialpolitischen und -rechtlichen Entwicklungen reagierte die KuK seit

2003 in diesem Bereich mit der beschriebenen Wachstums- und Expansionsstrategie, die

dazu geführt hat, dass das ABW von fünf VZ-Stellen und 52 betreuten Klient/inn/en im

Jahr 2003 auf umgerechnet 37 VZ-Stellen und 323 Klient/inn/en bis zum Ende des Jahres

2012 angewachsen ist. Damit deutet sich bereits an: „Die Finanzierungsform der

Fachleistungsstunde ist flexibel als Instrument ambulanter Hilfen einzusetzen […], was

allerdings mit höheren Anforderungen an Soziale Arbeit und deren

Organisationsfähigkeiten einhergeht.“ (Brinkmann 2010, S. 170).

Die Kontakt- und Krisenhilfe hat die Überleitung der Zuständigkeit für das Ambulant Be-

treute Wohnen auf den LWL und die damit verbundene Umstellung auf die FLS erfolg-

reich bewältigen können durch eine prompte strategische und organisatorische Ausrich-

tung auf den Ausbau des ABW:

� Schnelle Reaktion auf jedwede Anfrage, keine Wartelisten oder Aufnahmestopps

� Zügige Aufnahme und Bearbeitung der Anträge (Hilfeplan etc.)

� Im Rahmen des QMS wurde ein Verfahren zur Optimierung von Aufnah-

me/Hilfeplanung/Entwicklungsberichten eingeführt

� Festlegung auf die Klientel und den Einzugsbereich (keine „Verzettelung“), also

ausschließlich psychisch behinderte Erwachsene (keine geistig behinderten oder

Entwicklung ABW Klienten - Personal - Vergütung LWLKlienten Personal VZ Verg. DM Verg. €

1999 24 2 110,- DM umger. 56,242000 24 2 110,- DM umger. 56,242001 26 2 110,-DM umger. 56,242002 30 3 56,242003 52 5 56,242004 70 7 56,242005 78 8 48,3 zzgl. 7,15 55,45 (90% Ausgleich)2006 125 14 48,3 zzgl. 4,76 53,06 (60% Ausgleich)2007 145 18 48,3 zzgl. 1,98 50,28 (25% Ausgleich)2008 180 21 48,32009 216 26 50,72010 250 32 51,22011 297 35 51,22012 323 37 52,3

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suchtkranken Menschen17) aus dem südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis (territoriale

Eingrenzung)

� Vorausschauende Personalplanung

� Hohe Fachkraftquote als Qualitätsmerkmal (siehe unten)

� Hohe Personalkontinuität

� Anpassung der Organisationsstruktur

� Einführung eines QMS

� Flexible Gestaltung der Beschäftigungsstruktur: Ca. 60 % VZ-Kräfte, 40 % TZ-

Kräfte (19,25; 25 und 30 Std.-Stellen), jederzeitige Möglichkeit der Stundenerhö-

hung oder -senkung

� Einsatz von Praktikanten, Anerkennungsjahr-Praktikanten und Bundesfreiwilligen-

dienst-Leistenden

� Enge Verzahnung mit den anderen Arbeitsbereichen KuB und TS

� Durchlässigkeit an den Schnittstellen zwischen den Bereichen

� MA in Personalunion in den Bereichen ABW und KuB

� Gute Vernetzung im Kreis mit Ärzten Krankenhäusern, Sozialpsychiatrischem

Dienst, anderen Hilfeanbietern, Jugendämtern, JobCentern, Sozialämtern etc. –

dadurch viele Anfragen

� Anpassung an die stundebezogene Finanzierungslogik

� Bis vor Kurzem 70 %ige FLS-Auslastung der ABW-MA (vgl. aber 3.1)

� Gute Kontrolle der erbrachten FLS

� Absenkung der durchschnittlichen Höhe der Mitarbeitervergütung

� Umstellung auf AVB

� Dafür: sicherer Arbeitsplatz, gutes Betriebsklima (Kollegiale Beratung, wöchentli-

che Teamsitzungen, Teamsupervision, Fortbildungen etc.)

Der immense Zuwachs an MA und Klient/inn/en im Bereich des ABW hat in kurzer Zeit zu

organisationalen und strukturellen Veränderungen in allen Bereichen der Einrichtung

geführt: Es ist beispielsweise ein Leitungsteam entstanden, das aus den Teamleiterinnen

und -leitern (einer davon ist QMB in Personalunion) der inzwischen vier ABW-Teams und

der TS, dem jüngst eingestellten Beauftragten für die Belange des Marketings und dem

Geschäftsführer besteht, ein QMS auf der Grundlage der DIN EN ISO 9001:2008 wurde

eingeführt und wird derzeit aufgebaut. In diesem Zusammenhang werden Regelungen,

Verfahren, Kommunikationswege, fachliche Standards festgeschrieben, eingeführt und

dokumentiert etc., um einem durch die rasante Entwicklung zunehmend deutlicher

werdenden Nacholbedarf genügen zu können. Ebenso hat sich die gesamte Infrastruktur

verändert (Gebäude, EDV, Diensthandys, Dienstwagen etc.), neue Standorte sind hinzu 17 Bei Doppel- oder Mehrfachdiagnosen müssen die psychischen Einschränkungen überwiegen.

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gekommen, der Bekanntheitsgrad der Einrichtung im Kreis ist gestiegen, um nur einiges

zu nennen.

Mit diesen Veränderungen sind jedoch einige Gefahren verbunden, die als besondere

Herausforderungen erkannt werden müssen. Bis zu einem gewissen Grad der Komplexi-

tät konnte die KuK ihre Aufgaben routiniert und ohne nennenswerte Formalisierungen,

Führungs- oder Gestaltungskonzepte – ohne professionelles Management im hier ge-

meinten Sinn – bewältigen, obgleich es in überschaubarem Umfang immer auch mehr

oder weniger formalisierte und dokumentierte Regelungen und Verfahren gab. Aufgrund

der wachstumsbedingten Entwicklungen ist aber sukzessive an vielen Stellen deutlich

geworden, dass mehr Struktur, Regelungen und Verbindlichkeit einerseits und Räume zur

vertieften Reflexion andererseits – besonders auch in fachlicher Hinsicht – benötigt wer-

den. Überdies muss eine Klarheit über gemeinsame Organisationsziele und eine Integra-

tion der je individuellen MA-Ziele gewährleistet werden. Ohne entsprechende Maßnah-

men liefen die inzwischen bestehenden Teams und Arbeitsbereiche Gefahr, sich zu ver-

selbständigen und auseinanderzudriften. Vor allem die MA im ABW, die zu einem hohen

Maß individualisierte Einzelkontakte zu Klient/inn/en pflegen, würden Gefahr laufen, zu-

nehmend aus dem Kontext der Gesamteinrichtung herauszufallen. So könnte aus Sicht

und Wahrnehmung des Verfassers keine Einrichtung auf Dauer bestehen.

Trotz der bisher gut gelungenen Bewältigung der veränderten Rahmenbedingungen und

des beschleunigten Wachstums, wird deutlich geworden sein, dass die bisherigen Maß-

nahmen notgedrungen vor allem den Zweck hatten, im Sinne eines Anpassungslernens

(vgl. Gliederungspunkt 2.6.2) in nachholender Weise mit der rasanten Entwicklung Schritt

zu halten und zu bestehen. Künftig wird es aber notwendig werden, nachhaltigere Ent-

wicklungen voranzutreiben, also als Organisation nicht nur „den Kopf über Wasser“, son-

dern „das Steuer in der Hand“ zu behalten.

Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die fachliche Kompetenz und die Professionalität der

MA. Kaspar Geiser bringt das grundsätzliche Problem prägnant zum Ausdruck: „Soziale

Arbeit zeichnet sich nicht nur durch eine heterogene strukturelle Einbettung ihrer Ausbil-

dungen aus – von Fachschulen über Fachhochschulen bis Universitäten. Auch ihre Wis-

sensbestände sind fragmentiert, sie werden in Curricula überwiegend additiv angeboten.

Fortbildungsangebote orientieren sich am ‚Markt‘ – zu Inhalten der Grundausbildung be-

stehen kaum ‚anschlussfähige‘, d. h. begrifflich kohärente Beziehungen. Wissenschafts-

theoretische Ausrichtungen sind kaum explizit zu identifizieren. Und nicht zuletzt: viele

Professionelle Sozialer Arbeit bekunden immer wieder grosse Schwierigkeiten, sagen zu

können, was Soziale Arbeit ist.“ (Geiser 2009, S. 39, Hervorh. J.W.)

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Dass diese Feststellung auch auf die KuK zutrifft, bestätigte jüngst eine interne schriftliche

Umfrage auf freiwilliger und anonymer Basis unter allen ABW-MA, die der Verfasser in

seiner Eigenschaft als QMB Anfang des Jahres 2012 durchführte. Die Umfrage sollte da-

zu verhelfen, erste Anhaltspunkte für die Erstellung von Anforderungsprofilen zu gewin-

nen. Es handelte sich um vier offene Fragen 1. nach den im ABW ausgeführten diversen

Tätigkeiten, 2. den dazu notwendigen fachlichen und methodischen Kompetenzen, mithin

nach der eigenen Vorstellung von Professionalität („Was kann ich alles, das mich befä-

higt, Tätigkeiten professionell ausführen zu können?“), 3. nach den sozialen und persönli-

chen Kompetenzen und 4. nach Defiziten in professioneller Hinsicht, die durch Fort- und

Weiterbildung oder sonstiges Lernen (hier sollten auch Bedarfe und Wünsche geäußert

werden) beseitigt werden können. Der Rücklauf der Fragebögen belief sich auf ca. 30 %,

davon antworteten 11 Sozialarbeiter/innen bzw. Sozialpädagog/inn/en und vier sonstige

Fachkräfte (Familienpfleger/innen, Ergotherapeut/innen, Erzieher/innen). Für die hier inte-

ressierenden Fragestellungen sind besonders die Antworten der Sozialarbeiter/innen und

Sozialpädagog/inn/en interessant – wobei es allerdings keine gravierenden Unterschiede

zu denen der übrigen Fachkräfte gab.

Die Beantwortung der ersten Frage ergab ein breites Spektrum diverser Tätigkeiten, die

alle im ABW anfallen. Die Kenntnis, dass MA dies alles tun und können, lässt noch auf

keine professionelle Identität schließen. Größtenteils handelt es sich um Routinehandlun-

gen, zu denen man die meisten intelligenten und im Sozialen Bereich vorgebildeten Men-

schen anleiten könnte. An sozialen und persönlichen Kompetenzen schrieben sich die MA

durchweg Eigenschaften zu, die auf eine Affinität zum Sozialen Bereich schließen lassen

und die man grundsätzlich in helfenden Berufen mitbringen sollte, so wie Fähigkeiten, die

zu einer konstruktiven Mitarbeit in Teamzusammenhängen hilfreich sind. An Qualifizie-

rungswünschen wurden ganz überwiegend Weiterbildungsbedarfe in den Bereichen Sozi-

alrecht/Recht, sodann psychiatrisches und sozialpsychiatrische Kenntnisse (Krankheits-

bilder, Medikation etc.), dann auch Wünsche nach Auffrischung von bereits aus früheren

Fortbildungen oder aus dem Studium bekannten Inhalten wie systemisches Arbeiten, kli-

entenzentrierte Gesprächsführung und dergleichen genannt. An dieser Stelle fasst insbe-

sondere eine Rückmeldung den bis hier her im Sinne Kaspar Geisers gemeinten Mangel

an Professionalität zusammen: „Manchmal fehlt mir eine detaillierte Anleitung für die ein-

zelnen ABW-Bereiche. Ich meine damit, dass ich manchmal nicht genau weiß, ob so

manche Tätigkeit wirklich pädagogisch sinnvoll ist. Im Studium hat man dies nicht so ge-

nau gelernt. […] Hier würde ich mit mehr Professionalität wünschen und mehr Hand-

werkszeug diesbezüglich. Zu ihren Ärzten sind die Klienten schließlich auch anders als zu

uns.“ Der letzte Satz ist ein deutlicher Hinweis auf den Mangel an professioneller Identität

im Unterschied zu anderen Professionen (das betrifft z. B. auch die Kooperation mit die-

Page 47: Sozialmanagement und Professionalisierung sozialer ... · Ebenfalls wird ein bestimmtes Management-Modell – das neue St. Galler Management- Modell – herangezogen, das ebenfalls

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sen und die Außenwirkung). Ein weiterer bemerkenswerter Wunsch war der nach einer

„Fachberatung wie bisher“ im Rahmen der Supervision18.

Die entscheidende Frage nach den professionellen oder fachlichen Kompetenzen ergab

Hinweise auf das irgendwann absolvierte Studium der Sozialarbeit/Sozialpädagogik (oder,

wie es ehrlicherweise einmal hieß: „Überbleibsel aus dem Studium“), Hinweise auf mehr

oder weniger lang andauernde Berufserfahrung in verschiedenen Arbeitsfeldern der Sozi-

alen Arbeit, Benennung diverser Fort- und Weiterbildungen, Aufzählung einzelner gelern-

ter Methoden, Arbeitsweisen und Wissensbestände, sowie diverse Eigenschaften, die

eigentlich die dritte Frage betreffen.

Das ABW ist ein originärer Aufgabenbereich der Sozialen Arbeit. Das Ergibt sich zum

einen aus der mit dem Kostenträger abgeschlossenen Leistungs- und Prüfungsvereinba-

rung19, sodann aus dem im Leitbild ausgedrückten Selbstverständnis20 und dem zu bewäl-

tigenden Aufgabenspektrum21, das die klassischen Betätigungsfelder Sozialer Arbeit um-

fasst.

18 Ein langjährig für alle ABW-MA der KuK tätiger Supervisor (inzwischen betreut er nur noch ein Team) hatte tatsächlich keine Supervision in der Weise betrieben, dass er den Teams zur Entwicklung eigener Lösungen verholfen hat. Tatsächlich hat er Fachberatung betrieben. Dies wurde von Vielen als sehr hilfreich empfunden und kam vielen MA nach eigenem Bekunden sehr entgegen. Die Umstellung auf eine Supervision, die dieser Bezeichnung gerecht wird, verursachte große Unsicherheiten und Unzufriedenheit. Auch dies ist ein deutlicher Hinweis auf Mängel in der Professionalität. 19 „§ 5 Personelle Ausstattung (1) Fachkräfte • Zur Erbringung der Leistungen werden geeignete Fachkräfte eingesetzt. Geeignete Fachkräfte sind insbesondere Diplom-Sozialarbeiter/innen oder Diplom-Sozialpädagoginnen/ Diplom-Sozialpädagogen oder andere Angehörige vergleichbarer Berufsgruppen mit Hochschulabschluss, Erzieher/innen, Heilerziehungspfleger/innen, Pflegefachkräfte und Ergotherapeutinnen/ Ergotherapeuten, Heilpädagoginnen/Heilpädagogen. • Die Fachkräfte müssen über eine mindestens einjährige Berufserfahrung in der Arbeit mit der Zielgruppe oder in der Angebotsform des Ambulant Betreuten Wohnens verfügen und nachweisen.“ (LWL 2012b, S. 6; Hervorh. J.W.) 20 „Unsere Angebote und Leistungen halten wir stets auf dem jeweiligen Stand aktueller Erkenntnisse und Methoden der Sozialen Arbeit.“ (Kontakt- und Krisenhilfe 2012, S. 4; Hervorh. J.W.) 21 Das ABW ist eine einzelfallbezogene Eingliederungshilfe mit individuellem Rechtsanspruch gem. §§ 53 ff. SGB XII. Das Angebot richtet sich an psychisch behinderte Erwachsene, die in einer eigenen Wohnung leben. Die Hilfen sollen die durch ihre Erkrankung eingeschränkten Betroffenen befähigen, ihre Lebens- und Wohnsituation erhalten und möglichst verbes-sern zu können. Sie werden von fachspezifisch ausgebildeten MA regelmäßig aufgesucht, unterstützt und begleitet. Je nach den individuellen Bedarfen und Bedürfnissen wird Unterstützung, Beratung und Anleitung in verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens gewährt mit dem Ziel, den Betroffenen ein weitgehend eigenständiges Leben in der Gemeinde außerhalb stationärer Einrichtungen zu ermöglichen. Das bedeutet die Sicherstellung der Lebensgrundlagen, die Bewältigung alltägli-cher Anforderungen, die Förderung eines möglichst selbstbestimmten Lebens und der individuellen Entwicklung und per-sönlichen Entfaltung.

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Schließlich spricht auch die faktische Personalstruktur der KuK dafür:

Tabelle 2: Verteilung Mitarbeiter/innen – Qualifikation – Stellenumfang im ABW (Palluch 2012, S. 6; bearbeitet und modifiziert durch J.W.)

Der Höchstanteil von 30 % der vom LWL gestatteten „Sonstigen Kräfte“ – bei der KuK

„Ergänzungskräfte“ genannt – liegt lediglich bei ca. 10 %, die Quote der „Fachkräfte“ im

Sinne des LWL liegt entsprechend bei ca. 90 %. Der Anteil der Sozialarbeiter/innen bzw.

Sozialpädagog/inn/en an den gesamten ABW-MA liegt bei ca. 71 %, der Anteil der Sozi-

alarbeiter/innen und Sozialpädagog/inn/en an den Fachkräften beträgt ca. 79 %! (vgl.

auch LWL 2012b, S. 6) Diese Verhältnisse betrachtet die KuK als Qualitätsmerkmal.

Die MA des ABW sind, wie alle KuK-MA, sehr engagiert für die Klient/inn/en und um eine

nach bestem Wissen und Gewissen fachlich fundierte Arbeit bemüht. Das Arbeitsklima

und die Zusammenarbeit auf allen Ebenen werden im Allgemeinen als sehr angenehm

und hilfreich erlebt. Umso bedauerlicher ist die aus den skizzierten Umfrageergebnissen

deutlich werdende professionelle Unsicherheit, die in der Praxis häufig zu vielerlei Impro-

visationen und semi-professionellen Handlungen führt. Die Umfrageergebnisse kann der

Verfasser insofern als repräsentativ bezeichnen, als sie für ihn aus eigener langjähriger

Mitarbeit, Erfahrungen und Beobachtungen in der Einrichtung die dortigen Verhältnisse

treffend widerspiegeln. Die verbreitete mangelnde professionelle Identität führt zu Nach-

teilen auf vielen Ebenen: Nachteilen bezüglich der internen fachlichen Reflexion, Kommu-

nikation und Zusammenarbeit, Nachteilen in der Kooperation mit Angehörigen anderer

Professionen und Berufsgruppen und entsprechend der Außenwirkung und der Legitima-

tion der eigenen Arbeit. Schnelle Reaktionen auf Veränderungen des Umfelds sind ge-

fährdet durch die Fixierung auf liebgewonnene (weil bisher funktionierende) Routinen etc.

Nicht zuletzt führt mangelnde Professionalität dazu, dass den Klient/inn/en, trotz allem

Bemühen, nicht in bestmöglicher Weise das zukommt, was professionelle Soziale Arbeit

leisten soll und wovon im Folgenden vertiefend gesprochen werden soll.

Ende 2012:Vollzeit/Std. Teilzeit/Std. MA Gesamt

38,5 30 25 19,25Sozialarbeiter/innen,

Sozialpädagog/innen

Heilerziehungspfleger/innen 1 1 2

Krankenpflegerin 1 1

Ergotherapeut/innen 2 2

Familienpfleger/innen 1 1 1 3

Ergänzungskräfte 3 1 4

Gesamt 24 11 5 2 4242 MA entsprechen ca. 37 Vollzeitkräften

Verteilung Mitarbeiter – Qualifikation – Stellenumfang im ABW

16 8 4 2 30

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2.4 Systemtheoretisches Paradigma der Sozialen Arbeit

Den geschilderten Problemen in Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit, nämlich des cur-

ricularen Additivismus und dem meist „unverbundene[n] Neben- und Nacheinander von

Erklärungs- und Handlungstheorien […] nehmen sich Silvia Staub-Bernasconi und Werner

Obrecht seit Jahrzehnten an.“ (Geiser 2009, S. 39, 40) Beide Autoren verbindet das An-

liegen, das zum Verhindern, Mildern und Lösen Sozialer Probleme verfügbare Wissen aus

allen relevanten Disziplinen in eine Theorie „Soziale[r] Arbeit als Handlungswissenschaft“

(Staub-Bernasconi 2007) zu integrieren, und diese „so zu konzipieren, dass sie sich im

Sinne einer eigenständigen Disziplin weiter entwickeln lässt.“ (Geiser 2009, S. 40-41)

Dieser Weiterentwicklung der in zahlreichen Texten dokumentierten Bemühungen Staub-

Bernasconis hat sich Werner Obrecht, gewidmet, indem er die vorhandenen Teiltheorien

„fundiert, ausgearbeitet und zueinander in Beziehung gesetzt“ (ebd., S. 41) hat. Das sol-

chermaßen entwickelte Systemtheoretische Paradigma Sozialer Arbeit (SPSA) ermöglicht

es, „der Fragmentierung des professionellen Wissens und [der] unvollständige[n] Profes-

sionalisierung der Sozialen Arbeit“ (Obrecht 2001) beizukommen:

„Der Profession wird auf diese Weise ein eigenständiges, wissenschaftlich begründetes [diszip-linäres, J.W.] Wissen zugänglich. Die Professionellen verbessern ihre kognitiven Kompetenzen und gewinnen an Autonomie, um die praktischen Probleme in der Praxis anzugehen. Diese bis-her erfolgreichen Anstrengungen zur Entwicklung einer eigenständigen ‚Disziplin Soziale Arbeit‘ machen Diskussionen um eine ‚fremde‘ Leitwissenschaft bzw. eine Leitdisziplin Sozialer Arbeit überflüssig.“ (Geiser 2009, S. 41)

2.4.1 Theoretische Grundlagen des Systemtheoretischen Paradigmas

Einige nicht sozialarbeitsspezifische theoretische Grundlagen des SPSA müssen zum

besseren Verständnis zusammenfassend erläutert werden (vgl. unter diesem Gliede-

rungspunkt, sofern nicht anders vermerkt, Geiser 2009, S. 43 ff.). Obrecht, Staub-

Bernasconi und auch Geiser greifen bei der Konzeption des SPSA auf die Erkenntnisse

des argentinischen Philosophen und Physikers Mario Bunge (vgl. McGill University 2012

und Wikipedia 2012) zurück. Wesentliche, dem SPSA zugrunde liegende metatheoreti-

sche Grundlagen (vgl. Abbildung 11, Stufe I) sind das wirklichkeitstheoretische (ontologi-

sche) und das erkenntnistheoretische (epistemologische) Metawissen. Es geht also um

Theorien und Begriffe bezüglich 1. des Werdens, der Beschaffenheit und den Wandel der

Wirklichkeit, zu der wir gehören und 2. ob und wie wir diese erkennen und weshalb wir in

und gegenüber ihr in bestimmter Weise handeln. Nach der hier nur in groben Zügen refe-

rierten naturalistischen, emergentistischen Wirklichkeitstheorie sind alle Dinge konkrete

Systeme oder Komponenten von solchen und sind materiell. Der im Gefolge von Bunge

vertretene Systemismus vertritt im Gegensatz zur radikal-konstruktivistischen Auffassung,

nach der wir alle je unsere eigene Wirklichkeit schaffen bzw. erfinden (ontologischer Kon-

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struktivismus), die Auffassung, dass wir Bilder über die Wirklichkeit konstruieren (erkennt-

nistheoretischer Konstruktivismus), die auch dann konkret vorhanden ist, wenn wir sie

nicht wahrnehmen.

Systeme gleicher Art bilden Wirklichkeitsbereiche oder ontologische Niveaus, die von un-

ten nach oben in Pyramidenform (gemäß ihrer zeitlich-evolutionären Entste-

hung/Entwicklung; vgl. Stufe II in Abbildung 11) dargestellt werden können: Physikalische

Systeme → chemische Systeme → biologische Systeme → psychische Systeme (zu-

sammen biopsychische) → sozial-kulturelle Systeme. Eigenschaften der unteren Niveaus

sind jeweils als Subsysteme in denjenigen der höheren Niveaus enthalten, aber nicht um-

gekehrt – es handelt sich demnach um emergente Eigenschaften.

„Ein System ist ein (konkretes) Ding, das a) aus (konkreten) Komponenten gebildet wird (= Komposition oder Zusammensetzung des Systems), zwischen denen b) ein Netz von konkreten Beziehungen besteht (= Struktur), durch das die Komponenten untereinander mehr verknüpft sind als mit anderen Dingen (durch Bindungen; KG), so dass sie sich c) als ein ‚Ganzes‘ (ge-nauer: ein neues System) von anderen Gebilden abgrenzen, die damit ihre Umwelt bilden.“ (Obrecht 1995 in Geiser 2009, S. 44)

In weitgehender Übereinstimmung mit Obrecht postulieren Bunge und Mahner:

„Eine Grundannahme unserer Ontologie ist, dass es keine völlig isolierten Dinge gibt: Jedes Ding interagiert mit (einigen) anderen Dingen. Wir formulieren daher folgende Postulate:

a) Jedes konkrete Ding ist entweder ein System oder Bestandteil eines Systems.

b) Jedes System (mit Ausnahme des Universums) ist ein Subsystem eines anderen Systems.

c) Das Universum ist das System, das jedes andere Ding als Teil enthält.

[…] Den Mittelweg zwischen Atomismus (‚Jedes Ding geht seinen eigenen Weg‘) und Holismus (‚Jedes Ding hängt mit allen anderen Dingen zusammen‘) nennen wir Systemismus: ‚Jedes Ding hängt mit einigen anderen Dingen zusammen.‘ Kein Teil des Universums ist vollkommen isoliert, aber jedes Ding ist in der einen oder anderen Hinsicht von anderen Dingen isoliert.“ (Bunge und Mahner 2004, S. 71-72)

Die im transdisziplinären SPSA vertretene Systemtheorie nennt Obrecht den sozialwis-

senschaftlichen, sozialarbeitswissenschaftlichen und emergentistischen Systemismus

(Obrecht 2001). Emergent sind Eigenschaften von Systemen, die ihren Komponenten

nicht zukommen. Durch Interaktionen der Komponenten entstehen komplexere neue und

von den Komponenten unterscheidbare Strukturbildungen auf jeweils höherem Niveau.

Beim Individuum sind z. B. mentale Prozesse wie Lernen und Wissen emergente Eigen-

schaften von biologischen Prozessen. Soziale Systeme weisen emergente Eigenschaften

wie die Strukturmerkmale Güterverteilung, Schichtung und Arbeitsteilung, sowie Bezie-

hungen und soziale Prozesse wie Kommunikation und Kooperation auf. Darüber hinaus

erwerben Individuen als Komponenten sozialer Systeme emergente oder relationale Ei-

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genschaften wie soziale Rollen oder Prestige. Diese Eigenschaften setzen Beziehungen

in sozialen Systemen voraus.

Nach diesen gedrängten Hinweisen auf die Ontologie soll es im Folgenden um die damit

konsistente realistische Erkenntnistheorie gehen. Diese kann man in zwei Ausrichtungen

differenzieren von denen die erste eine beschreibende und erklärende ist, welche die

kognitiven Prozesse untersucht. Danach gibt es jenseits unserer Alltagswahrnehmungen

und Gedanken über die Welt eine konkrete Wirklichkeit, über die man mit wissenschaftli-

chen Methoden etwas herausfinden kann. Die zweite Ausrichtung ist eine normative, die

nach gutem Wissen und seiner erfolgreichen Gewinnung fragt (normative Erkenntnistheo-

rie oder Wissenschaftstheorie). In diesem Sinne ist der Wissenschaftsbegriff des SPSA

der ratio-empirische Wissenschaftsbegriff des wissenschaftlichen Realismus. Erkennen

und Lernen, das zu Wissen führt, werden als Prozesse in den plastischen neuronalen

Systemen beschrieben.

„Erkenntnistheorie untersucht a) verschiedene Arten von Wissen wie etwa wissenschaftliches oder Alltagswissen, Glaube, Überzeugung, aber auch selbst- und fremdwissen, Bewusstsein und Selbstbewusstsein, b) die Mechanismen der Aneignung von Wissen wie Beobachtung, Analyse, Praxis, Intuition u. a., und c) unterschiedliche Wissensformen wie Beschreibung, Be-wertung, Erklärung, Prognose, Ziel, Verfahren […].“ (Geiser 2009, S. 46-47)

Die letztgenannten Unterscheidungen und ihre logischen Beziehungen untereinander sind

grundlegend für die Allgemeine Normative Handlungstheorie (ANHT), die weiter unten

erörtert wird (vgl. Abbildung 13).

Im Bereich der Objekttheorien (oder Basis- bzw. Bezugswissenschaften) sind insbesonde-

re drei hervorhebenswert: die Theorie sozialer Systeme, das Psychobiologische Erkennt-

nis- und Handlungsmodell des Menschen (PsybiEHM) und die biopsychosoziale Theorie

menschlicher Bedürfnisse. Bunge definiert ein soziales System folgendermaßen:

„Ein soziales System ist ein konkretes System, das zusammengesetzt ist aus geselligen Tieren, die a) eine gemeinsame Umwelt teilen und die b) auf andere Mitglieder des Systems auf Arten einwirken, die zumindest in einer Hinsicht kooperativ sind. Ein menschliches Sozialsystem ist ein System, das gebildet wird ausmenschlichen Individuen und ihren Artefakten.“ (Bunge 1996 in Geiser 2009, S. 48)

An anderer Stelle führt Bunge aus:

„[E]ine Gesellschaft [ist] kein formloses Aggregat voneinander unabhängiger Individuen, son-dern ein System aus sozialen Systemen wie Familien, Schulen, Firmen, religiöse Gemeinschaf-ten, politische Parteien, akademische Gesellschaften usw. Jedes dieser Systeme wird durch spezielle soziale Beziehungen zusammengehalten, wie Familienbande, Handel, ideologische Verbundenheit, Management, Machtbeziehungen oder Kommunikation. […] [S]oziale Systeme [sind] materieller Natur, weil ihre Grundbestandteile – nämlich Organismen – materielle Syste-me sind: Alles, was aus materiellen Komponenten besteht, ist selbst materiell. Dabei haben so-

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ziale Systeme emergente (supraphysikalische) Eigenschaften, wie Produktivität, Arbeitsteilung, Sozialstruktur und Rechtsverfassung, die ihren Komponenten nicht zukommen22.“ (Bunge und Mahner 2004, S. 165-166)

Innerhalb sozialer Systeme kann sich etwas ereignen, das man als vertikale und horizon-

tale Mobilität bezeichnen kann. Interaktionen zwischen Akteuren in Systemen können sie

jeweils in neue Positionen oder andere Orte innerhalb der Struktur der bisherigen oder

anderer sozialer System führen. Diese neuen Positionen sind maßgebend für die indivi-

duellen Interaktionschancen und im Zusammenhang damit ist für die meisten Adressatin-

nen der Sozialen Arbeit die soziale Integration ein erwünschter Zustand.

„Ein Individuum ist in eine Globalgesellschaft maximal integriert, wenn es I) einen vollen Mit-gliedschaftsstatus hat, II) deren dominante Kultur (Sprache, Bilder, Codes) kennt, III) eine voll-ständige und gleichgewichtige Statuskonfiguration auf mindestens mittleren Rängen aufweist, IV) in allen Bereichen der Statuskonfiguration aktive Mitgliedschaften in sozialen Systemen und Netzwerken aufweist, die überwiegend selbstgewählt sind, und schliesslich V), wenn es sich selber als Mitglied der Gesellschaft definiert […]. (Obrecht 1999 in Geiser 2009, S. 51)

Die Erfüllung dieser Bedingungen eröffnet insbesondere die Möglichkeit, die Bedürfnisse

nach Autonomie und sozialer Anerkennung zu befriedigen.

Das Psychobiologische Erkenntnis- und Handlungsmodell des Menschen (PsybiEHM)

nach Werner Obrecht beruht auf dem von Psychobiologen erarbeiteten Wissen zur Be-

schreibung und Erklärung biologischer Zustände und Prozesse. In emergenter Weise

werden diese als identisch mit psychischen Funktionen verstanden und dem Gehirn

kommen dabei folgende entscheidende Funktionen zu: Registrierung von Bedürfnissen,

die Motivation als Absicht zum Handeln erzeugen; Fähigkeit zu Kognitionen, die zwischen

Selbst- und Umweltbild Beziehungen herstellen und vermitteln, Orientierung erzeugen

bezüglich Raum und Zeit, Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung ausmachen und so

Motivation erzeugen; Steuerung des zielgerichteten, problemlösenden und bedürfnisbe-

friedigenden Handelns.

Das PsybiEHM erfasst die Zusammenhänge zwischen Wissen, Werten, Affekten, Motiva-

tion und Handeln und versucht zu erhellen, wie Denken und Wissen durch den sozial-

strukturellen und -kulturellen Kontext, in dem Menschen leben, beeinflusst werden.

„Die Hauptaussagen des PsybiEHM als ein Akteurmodell des Individuums sind zusammenge-fasst folgende: Menschen sichern ihr Überleben und ihre Reproduktion dadurch, dass sie fort-während möglichst zutreffende Bilder über sich selbst und ihre Umwelt erzeugen, diese bewer-

22 Bunge setzt sich deutlich von Niklas Luhmann als Vertreter einer sozialwissenschaftlichen Systemtheorie ab: „Dieser [Luhmann, J.W.] behauptet: ‚Social systems … consist of communications and nothing but communications – not of human beings, not of conscious mental states, not of roles, not even of actions. They produce and reproduce communications by meaningful reference to communications.‘ […] Über welche idealistische Fantasie Luhmann hier auch reden mag, mit sozia-len Systemen hat diese Konzeption nur wenig zu tun. Gewiss stellt Kommunikation ein wichtiges Element der Endostruktur sozialer Systeme dar, aber Kommunikation ist eine Relation, und Relationen existieren nicht ohne Relata – in diesem Fall menschliche Personen. Eine menschenlose Theorie sozialer Systeme ist völlig verfehlt, wenn nicht sogar verwerflich im Hinblick auf mögliche soziotechnologische Konsequenzen.“ (Bunge und Mahner 2004, S. 252-253)

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ten, daraus Folgerungen ziehen, und danach zu handeln versuchen. Das Zentralnervensystem ‚verarbeitet‘ – dem Individuum teils bewusst, teils nicht bewusst – Informationen (Stimuli) ver-schiedenster Art. […] Bereiche des Zentralnervensystems […] sind mit dem endokrinen System verknüpft (Stoffwechsel bzw. Transport von chemischen Signalen via Blutkreislauf); Nerven und endokrines System interagieren und bilden so ein Psychobiologisches Supersystem. Damit sein nochmals auf das ontologische Faktum der Emergenz hingewiesen: Psychische Prozesse sind mit biologischen identisch und deshalb sind sie konkret; diese Feststellung ist als ‚psychobiolo-gische Identitätshypothese‘ bekannt.“ (Geiser 2009, S. 54-55)

Daran anknüpfend versteht die biopsychosoziale Theorie menschlicher Bedürfnisse diese

als Zustände und Prozesse des biopsychischen Systems Mensch, die als Ungleichge-

wichte und als Spannungen erlebt werden. Bedürfnisse werden als Indikatoren für biologi-

sche, psychische und soziale Werte bzw. Sollzustände verstanden. Abweichungen von

diesen Werten werden vom Organismus als problematisch gedeutet. Bedürfnisse weisen

hinsichtlich ihrer Aufschiebbarkeit oder Dringlichkeit ihrer Befriedigung (z. B. Nahrungs-

und Flüssigkeitsaufnahme einerseits, körperliche Nähe andererseits) unterschiedliche

Elastizitäten auf. Demnach ist eine Funktion menschlichen Verhaltens und Handelns,

Spannungen und Ungleichgewichte abzubauen und im Sinne eines immer wieder neu

herzustellenden Gelichgewichtes die Kontrolle und den Einfluss über Güter und soziales

Handeln in bestimmten sozialen Kontexten zu bewahren oder wieder zu erlangen. An

dieser Stelle wird auch der Zusammenhang zwischen Sozialen Problemen und sozialen

Bedürfnissen deutlich.

„Individuen, ausgestattet mit einem Zentralnervensystem (biologisches Niveau) müssen, um sich wohl zu befinden und gesund zu bleiben, ihre Bedürfnisse befriedigen; dazu sind sie auf Selbstwissen und Wissen über die Welt, insbesondere über andere Menschen angewiesen (bi-opsychisches Niveau); dieses Wissen erwerben sie unter anderem als Mitglieder von sozialen Systemen (biopsychosoziales Niveau). Umgekehrt müssen soziale Systeme so beschaffen sein, dass sie der sozialen, kulturellen, psychischen und biologischen Bedürfnisbefriedigung der Individuen dienen. Je nach sozialer Position und sozialer Integration bestimmen Individuen über die Angemessenheit sozialer Normen mit, die erforderlich sind, um diejenigen Werte immer wieder von neuem zu realisieren, die das soziale System wie seine Mitglieder stabilisieren. Ge-lingt ihnen das über längere Zeit nicht, beginnen sie unter sozialen Problemen zu leiden […].“ (ebd., S. 56-57)

Nach dieser zusammengefassten Darstellung der theoretischen Grundlagen des SPSA,

wird dieses selbst nun in seinen Grundzügen vorgestellt.

2.4.2 Systemtheoretisches Paradigma in seinen Grundzügen

Das SPSA23 stellt sich als mehrstufige Struktur professionellen Wissens dar, deren Stufen

und Elemente einen transdisziplinären und integrativen Bezugsrahmen bilden. In der fol-

genden Grafik sind die Stufen II und IV auf die Soziale Arbeit ausgelegt:

23 „Das Systemtheoretische Paradigma der Sozialarbeitswissenschaft ist gleichzeitig ein allgemeines Modell einer Hand-lungswissenschaft und eine Konkretisierung im Hinblick auf die Sozialarbeitswissenschaft als disziplinäre Ergänzung zur

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Abbildung 11: Die Struktur der Sozialarbeitswissenschaft in der Sicht des SPSA (Obrecht 2001, S. 20)

Die Gegenstände der Sozialarbeitswissenschaft (SAW)24 als Disziplin sind demnach Indi-

viduen als Komponenten von sozialen Systemen und soziale Systeme mit Individuen als

Komponenten. Dabei hat die SAW zur Aufgabe, Soziale Probleme zu beschreiben und zu

erklären, so wie Methoden der Verhinderung, Linderung und Lösung Sozialer Probleme

disziplinär zu integrieren (soweit entwickelte Methoden vorhanden sind) oder zu entwi-

ckeln. Die Gegenstände der Profession sind dieselben, wobei deren Problematik die prak-

Profession der Sozialen Arbeit. [Es ist] mit anderen Worten keine Theorie, sondern eine ganze Konfiguration von Theorien der eine disziplinäre Matrix einer Handlungswissenschaft kennzeichnenden Art.“ (Obrecht 2001, S. 104-105; Hervorh. J.W.) 24 „Zwar ist der Streit um die Existenz und Rolle einer Wissenschaft der Sozialen Arbeit, der sich im deutschsprachigen Raum im Anschluss an eine Publikation von Ernst Engelke […] entwickelt hat, noch nicht beendet […]. Gleichwohl kristalli-siert sich unter einer wachsenden Anzahl von Autoren ein Konsens heraus, der mindestens die folgenden Punkte umfasst: 1. Anspruch: Der Anspruch der Sozialen Arbeit auf eine Disziplin Sozialarbeitswissenschaft oder Wissenschaft der Sozialen Arbeit ist legitim, fraglich ist ihr institutioneller Status. Die Quellen der Legitimität sind erstens der Umstand, dass die univer-sitäre Sozialpädagogik weder ihrem Anspruch auf eine Leitwissenschaft für die ‚Sozialarbeit/Sozialpädagogik‘ gerecht zu werden vermochte noch künftig würde gerecht werden können, zweitens das Faktum, dass es in vielen Ländern der Welt seit Jahrzehnten eine Wissenschaft der Sozialen Arbeit gibt. 2. Gegenstand und Problematik der Disziplin: Gegenstände oder Objekte dieser Disziplin sind Individuen (als Komponenten sozialer Systeme) und soziale Systeme (mit Individuen als Komponenten); die Problematik der Disziplin sind soziale Prob-leme, verstanden als eine besondere Form praktischer Probleme von Individuen und als aggregierte Eigenschaften sozialer Systeme. (Alternative Konzeptualisierungen sind nicht ausgeschlossen.) 3. Formales Spezifikum: Das formale Spezifikum der Disziplin ist Integrativität oder Transdisziplinarität im Rahmen der Disziplin und – als Folge davon – im Rahmen der Ausbildung. Aus der Sicht des sich abzeichnenden Konsenses ist also die Zukunft der Wissenschaft der Sozialen Arbeit davon abhän-gig, ob es ihr gelingt, das Problem der sozialarbeitswissenschaftlichen Integration des multidisziplinären Wissens zu lösen, das die Profession kennzeichnet.“ (Obrecht 2001, S. 13-14)

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tische Verhinderung, Linderung und Lösung konkreter Sozialer Probleme von Menschen

auf der Grundlage des handlungswissenschaftlichen Interventionswissens der Disziplin ist

(vgl. Obrecht 2001, S. 107). Die allgemein übliche dichotome Aufteilung in Theorie und

Praxis wird erweitert auf eine vierstufige institutionelle Differenzierung: A. Wissenschaft

der Sozialen Arbeit (Disziplin) → B. Ausbildung (Studium der Sozialen Arbeit) → C. Pro-

fession → D. Praxis (in konkreten Sozialen Einrichtungen). A. und B. haben es dabei mit

der Lösung kognitiver Probleme zu tun und umfassen die Stufen I – IV: Metawissenschaf-

ten, Objekttheorien, Allgemeine Handlungstheorie und Spezielle Handlungstheorien (Me-

thoden). C. und D. sind auf die Lösung praktischer Probleme der jeweiligen Klientel im

Arbeitsalltag konkreter Sozialer Einrichtungen bezogen und beinhalten die Stufe V: Prak-

tisches, problemlösungsorientiertes, rationales Handeln.

„Die […] Stufen I und III haben die Funktion der theoretischen Integration, Stufe I eine allgemei-ne, die die Integration des multidisziplinären Wissens über verschiedenartige und verschiede-nen ontologischen Niveaus angehörenden Systeme betrifft, mit denen Soziale Arbeit direkt oder indirekt beschäftigt ist, während Stufe III die Verknüpfung und Sequenzierung verschiedener Wissensformen (Beschreibungen, Theorien [Erklärungen], Werte, Problemwissen, Handlungs-wissen u. a.) im Rahmen rationaler, d.h. zielgerichteter (oder problemlösungsorientierter) Hand-lungen ermöglicht. Entscheidend an dieser Auffassung von Sozialer Arbeit als eigenständiger Disziplin ist, dass sie dank der Stufen I und III Wissensitems bestehender Disziplinen (II, IV) im Hinblick auf spezifische Fragestellungen der Sozialarbeitswissenschaft (II – IV) und der Praxis der Sozialen Arbeit (II – V) systematisch miteinander zu verknüpfen erlaubt. Was die innerhalb der integrativen Stufen verknüpften Elemente (Hypothesen, Theorien) betrifft, so erhalten sie durch ihre Integration eine Funktion innerhalb einer umfassenden theoretischen Sicht, ohne je-doch dadurch ihre Eigenständigkeit einzubüssen. Und was die beiden Stufen mit Integrations-funktion (I und III) anbelangt, so sind sie transdisziplinär, d.h. sie verknüpfen Wissen aus ver-schiedenen Disziplinen logisch; ihrem disziplinären Status nach sind sie aus diesem Grund phi-losophisch25.“ (Obrecht 2001, S. 21)

Im Folgenden werden die Grundzüge des SPSA in der in diesem Zusammenhang gebo-

tenen Kürze zusammengefasst und anschließend die für die Professionalisierung der KuK

und ihrer MA zunächst am ehesten umsetzbaren Aspekte hervorgehoben (vgl. unter die-

sem Gliederungspunkt, sofern nicht anders vermerkt, Obrecht 2001, S. 22 ff.).

Auf der Stufe I des Modells sind Metawissenschaften und Metatheorien angesiedelt. Ers-

tere umfassen Geschichte, Soziologie, Ökonomie und Politologie der Sozialen Arbeit,

während letztere Ontologie, Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, Semantik, Praxiologie

(philosophische Handlungstheorie) und Ethik beinhalten. Zu den Metawissenschaften gibt

es umfangreiche sozialwissenschaftliche und sozialarbeitsrelevante Fachliteratur, deren

Inhalte z. B. durch Fortbildungen vermittelt werden können. Metatheorien werden in der

25 „Eine Folge der Allgemeinheit der beiden Stufen mit Integrationsfunktion ist, dass sie nicht nur das Mittel der Synthese des für die Profession der Sozialen Arbeit relevanten sozialarbeitswissenschaftlichen Wissens sind […], sondern diese Funktion im Prinzip auch in anderen Handlungswissenschaften übernehmen können.“ (Obrecht 2001, S. 21) Das würde z. B. auch auf das Sozialmanagement, da es die von Staub-Bernasconi und Obrecht genannten Kriterien einer Handlungswissenschaft erfüllt, zutreffen.

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Ausbildung und der Theorie weitgehend entweder vernachlässigt oder deren Vorhanden-

sein wird nicht ausreichend reflektiert. Sie beschäftigen sich mit Fragen nach dem, was ist

(Ontologie), wie und was können wir erkennen und wissen (Erkenntnis- und Wissen-

schaftstheorie), was ist ein Begriff und sein Inhalt und Umfang, was versteht man unter

der Bedeutung eines Begriffs oder einer Aussage (Semantik), was ist rationales Handeln

als besondere Form zielgerichteten Handelns, welche Formen der Rationalität treten in

ihm auf und in welchem Verhältnis stehen diese zueinander (Praxiologie), was sind gute

und schlechte Handlungen, wie und nach welchen Kriterien kann man sie unterscheiden

(Ethik). Die Ethik steht in engem Zusammenhang mit Fragen nach Werten (Axiologie),

Moralen, der Rolle von Bedürfnissen und Kognitionen und deren Wechselwirkungen.

Die Notwendigkeit der Stufe I ergibt sich daraus, dass die Problemstellungen praktischen

Handelns (in einer Handlungswissenschaft) meist in die Zuständigkeit mehrerer Diszipli-

nen fallen. Das verlangt nach einem Metawissenschaftlichen und -theoretischem Modus,

der die Beziehungen zwischen den Erklärungen verschiedener Theorien zu klären verhilft.

Die Axiologie hilft bspw. zur Klärung des Wertbegriffs der auf Stufe II bei der Frage da-

nach, wohin sich eine als unbefriedigend erlebte Situation eines Klienten/einer Klientin

verändern soll, zugrunde gelegt wird. Die Ethik bestimmt die Wahl der Ziele und Metho-

den mit und mit Hilfe der Semantik kann auf Stufe I z. B. die Sichtweise von Klient/inn/en

beschrieben werden (vgl. Obrecht 2009, S. 66).

Auf der Stufe II des SPSA-Modells finden sich nomologische Objekttheorien oder auch

Basis- bzw. Bezugswissenschaften, die Erklärungswissen bereitstellen. Es handelt sich

u. a. um Humanbiologie, Psycho(bio)logie, Sozialpsychologie, Soziologie, Ethnologie und

Politologie. Die Gegenstände der Objekttheorien sind soziale Systeme mit menschlichen

Individuen als Komponenten und ihre Problematik betrifft menschliche Individuen als

Komponenten sozialer Systeme, die Struktur und Dynamik solcher Systeme unter sich

verändernden äußeren Bedingungen, entweder als ganze (Soziologie, Ethnologie) oder

als funktionale Subsysteme (Ökonomie, Politik). Es wird auf dieser Ebene danach gefragt,

was soziale Systeme sind, was menschliche Individuen, was Soziale Probleme, was ist

Helfen, welche Formen von Helfen gibt es und an welche psychischen und sozialen Be-

dingungen sind sie gebunden.

Die Inhalte der Basiswissenschaften werden als Ressourcen herangezogen, um die auf

Stufe III angewandten Methoden (Stufe IV) zu erklären, einzuordnen und auf ihre jeweilige

Angemessenheit zu überprüfen (vgl. Obrecht 2009, S. 66).

Die Stufe III des Modells beinhaltet die ANHT, sowie als Analyseinstrument die von

Kaspar Geiser weiterentwickelte Systemische Denkfigur (SDF). „Es ist dies […] jene Stufe

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des Schemas, welche die gegenüber den Basiswissenschaften besondere Logik der

Handlungswissenschaften zum Ausdruck bringt.“ (Obrecht 2009, S. 67) Das Vorgehen

gemäß der ANHT erlaubt die systematische Nutzung grundlagenwissenschaftlichen Wis-

sens (Stufe II) im Rahmen methodischen professionellen Handelns (Stufe IV). Durch die

Möglichkeit einer solchen Transformation26 von nomologischem in Handlungswissen las-

sen sich beide Ebenen sinnvoll integrieren. Auf die ANHT wird später noch genauer ein-

gegangen, da der Verfasser hier den Einstieg in die einrichtungsspezifische Professionali-

sierung verortet.

Die auf der Stufe IV verorteten speziellen Handlungstheorien, auch Methoden genannt,

sind Konkretisierungen der allgemeinen Form zielorientierten problemlösenden Handelns,

anhand der ANHT, die auf Stufe III angesiedelt ist, im Hinblick auf die Lösung spezifischer

Probleme. Die Methoden bilden das Handlungswissen der Sozialen Arbeit. Sie greifen

dabei zum einen auf wissenschaftliches Erklärungswissen zurück (Stufe II) und zum an-

deren, hinsichtlich der Angemessenheit ihres jeweiligen Einsatzes auf Metatheorien und

Metawissenschaften (Stufe I). In diesem Sinne werden die speziellen Handlungstheorien

als eine Form von Wissen von Obrecht als Technologien bezeichnet.

Bezüglich Methoden oder speziellen Handlungstheorien führt Staub-Bernasconi aus:

„Sie beziehen sich auf ein je spezielles soziales Problem von Individuen oder der Sozialstruktur und Kultur und lassen sich miteinander kombinieren, entweder gleichzeitig oder nacheinander, als Haupt- und Teilverfahren. Sie erfordern das Erlernen eines Grundstockes an methodischen Schlüsselqualifikationen, lassen aber auch Schwerpunkte oder gar Spezialisierungen zu – sei dies nach Problembereich, besonderen Verfahren oder Techniken, sozialem Niveau, sei dies aufgrund von Ziel- oder Adressat(innen)gruppen. (Staub-Bernasconi 2007, S. 272)

Was die Methoden betrifft, geht der Verfasser davon aus, dass im Pool der ABW-MA der

KuK tatsächlich der genannte Grundstock an methodischen Schlüsselqualifikationen als

auch einiges an speziellem Methodenwissen und -können vorhanden ist. Diese Schätze

gilt es zu heben und arbeitsfeldspezifisch anhand des SPSA zu systematisieren (dazu

mehr unter den Gliederungspunkten 2.6 und 3.1). Zum Umgang mit speziellen Hand-

lungstheorien schlägt Staub-Bernasconi vor:

26 Diese Transformation lässt sich nach Staub-Bernasconi anhand eines „Transformativen Dreischritts“ (nach Mario Bunge) bewerkstelligen: 1. Kenntnisnahme des Forschungsstandes, der erhobenen Erklärungen für ein bestimmtes soziales Prob-lem; 2. Formulierung von handlungstheoretischen, nomopragmatischen Hypothesen; 3. Formulierung von normativen Aus-sagen, Handlungsleitlinien oder Regeln auf der Basis der nomopragmatischen Aussagen. (vgl. Staub-Bernasconi 2007, S. 208-209)

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„Bei einer Problemkonfiguration P und der (ausgehandelten) Absicht, Ziel(e) Z zu erreichen, ist es aufgrund des verfügbaren Wissens W und allenfalls weiterer Faktoren empfehlenswert, die Mittel M einzusetzen und die Regeln R zu befolgen. Damit ist mitgesagt, dass die Weiterent-wicklung des Handlungswissens Sozialer Arbeit von der systematischen Evaluation von Ar-beitsprozessen abhängt.“ (ebd., S. 272-273)

Als spezielle Handlungstheorien nennt sie im Hinblick auf die direkte Arbeit mit Adres-

sat/inn/en und Zielgruppen „Ressourcenerschließung“, „Bewusstseinsbildung“, „Modell-,

Identitäts- und Kulturveränderung“, „Handlungskompetenz-Training und Teilnahmeförde-

rung“, „Soziale Vernetzung“, „Umgang mit Machtquellen und Machtstrukturen“ und „Krite-

rien- oder Öffentlichkeitsarbeit“ (vgl. ebd., S. 273-286 und 297 ff.). Die speziellen Hand-

lungstheorien werden von Staub-Bernasconi im Einzelnen ausführlich erläutert und mit

Hinweisen auf weiterführende Literatur versehen – sie sind somit lern- und lehrbar. Die

Auswahl der speziellen Handlungstheorien ist darin begründet, dass sie

„an ‚klassische Problemkonstellationen‘ der Sozialen Arbeit anknüpfen, nämlich Armut, Er-werbslosigkeit, gesellschaftlich beeinträchtigte Erkenntnis- und Handlungskompetenzen, prob-lematische Identitäts-/Kulturmuster, soziale Isolation und sozialer Ausschluss sowie individuelle unterschiedliche Ohnmachtserfahrungen und Machtkonstellationen.“ (ebd., S. 297)

Die Stufe V des SPSA-Modells betrifft den Interventionsbereich Sozialer Arbeit und das

Spezifische ihrer Gegenstandsbestimmung, näherhin individuelle physikalische, biologi-

sche, biopsychische, kulturelle und Soziale Probleme im Rahmen von und in Wechselwir-

kung mit physikalisch-chemischen, biologischen, psychischen, kulturellen und sozialen

Systemen. Zentral auf dieser Stufe ist der Begriff der „Sozialen Probleme“. Soziale Prob-

leme können differenziert werden in Probleme in Bezug auf soziale Interaktion und solche

in Bezug auf die soziale Position (vgl. Geiser 2009, S. 59-60). Im Unterschied zu soziolo-

gischen Sichtweisen, in denen Soziale Probleme „zunächst kognitive und nicht praktische

Probleme, d.h. ‚wahrgenommene‘, erklärte und negativ bewertete Umstände oder

Prozesse irgendwelcher Art“ (Obrecht 2001, S. 63) sind,

„ist ein soziales Problem in der Sicht des Systemtheoretischen Paradigmas der Sozialen Arbeit a) ein praktisches Problem, das b) ein sozialer Akteur c) mit seiner interaktiven Einbindung und Position (Rollenstatus) in die sozialen Systeme hat, deren Mitglied er faktisch ist. Ein solches Problem äussert sich als Spannungszustand (= Bedürfnis) innerhalb des Nervensystems als Folge des Auseinanderfallens zwischen einem im Organismus registrierten Istwert in Form des Bildes oder internen Modells des Individuums in seiner Situation und einem organismisch repräsentierten Sollwert (Bedürfnisbefriedigung), der mit den verfügbaren internen (Motivation, Wissen und Können) und externen Ressourcen (vorderhand oder endgültig) nicht reduziert werden kann. […] Soziale Probleme sind dabei eine von drei Klassen praktischer Probleme; die Unfähigkeit eines Individuums, seine sozialen Probleme zu lösen, führt zu schweren biopsychischen und biologischen Störungen, die sein Problemlösungsvermögen weiter reduzieren […].“ (ebd., S. 63-64, 61)

Neben den praktischen Problemen spielen auch nicht-humanbiologische Probleme eine

Rolle, wie aus dem untenstehenden Schaubild zu entnehmen ist. Die verschiedenen

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Problemklassen können sich gegenseitig bedingen (so dass Sozialen Problemen z. B.

nicht zwangsläufig ein sozialer Anlass zugrunde liegen muss); Adressat/inn/en Sozialer

Arbeit können auch von Problemen in mehreren Bereichen ihrer Existenz betroffen sein,

sodass man von kumulierten Problemen oder Mehrfachproblematiken sprechen muss –

dies ist bei den psychisch behinderten erwachsenen Klient/inn/en der KuK in der Regel

der Fall.

Abbildung 12: Problemklassen und ihre Beziehungen untereinander; Interaktions- und Positionsprobleme als Unterklassen; Beispiele von Arten von sozialen Problemen (Geiser 2009, S. 63)

Auf der Stufe III des SPSA ist die ANHT verortet, die eine allgemeine Methode oder all-

gemeine normative Theorie der Nutzung von Methoden (speziellen Handlungstheorien)

zur Lösung praktischer und damit auch Sozialer Probleme ist. Es geht um absichtsvolle

und geplante Veränderung von als unbefriedigend erachteten konkreten Zuständen in

befriedigende(re) Zustände bzw. Abfolgen (Prozesse) von gerichteten Zustandsänderun-

gen. Dies soll erreicht werden durch eine Reihe von geplanten und gesteuerten Operatio-

nen. (vgl. Obrecht 2009, S. 67). Werner Obrecht erläutert die untenstehende Grafik fol-

gendermaßen:

„Das im Rahmen der einzelnen Operationen zu entwickelnde fallbezogene Wissen (Beschrei-bung, Erklärung, Prognose, Bewertung etc. (vgl. c) […]) wird dabei durch eine geordnete Se-quenz von Fragen generiert (W-Fragen, vgl. a) […]), die vier Gruppen von Fragen betreffen, nämlich Fragen in Bezug (1) auf die Situationsbeschreibung und -erklärung plus Prognose, (2) die Bewertung und Problemdefinition, (3) die Zielsetzung und Planung und (4) die Entscheidung und Handlung. Die Themen der Operationen in (1) sind die Eigenschaften des zu bearbeiten-

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den konkreten Dinges [oder Zustandes, J.W.] in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und deren Erklärung (integriertes begriffliches Bild); jene in (2) ist die Relation der Bewertung der Probleme des Objektes der Analyse und Handlung durch den Handelnden; jene von (3) der gewollte künftige Zustand des Objektes sowie die geplanten künftigen Handlungen des Akteurs in Bezug auf das Objekt oder seinen Kontext und (4) die Entscheidung des Handelnden zwi-schen allfälligen Handlungsalternativen unter ethischen und ökonomischen Gesichtspunkten sowie die Handlung selbst. Die von ihren Funktionen her zentralen Items im oberen Bereich (b) […], Theorien und Methoden, von denen alle weiteren mitbestimmt sind, machen deutlich, dass die einzelnen Operationen der Sequenz durch diese beiden übergeordneten Wissensformen ermöglicht werden; professionelle Methoden beruhen mit anderen Worten zwingend auf nomo-logischen Theorien […]. Das Schema bezieht sich auf die praktischen Probleme eines Professi-onellen.“ (vgl., ebd. S. 67-69)

Abbildung 13: Allgemeine Normative Handlungstheorie (Obrecht 2009, S. 68)

Vorläufig abgeschlossen wird die Sequenz mit der Frage nach dem Handlungserfolg

(Wurden die Ziele erreicht?). Das daraus entstehende Evaluationswissen gibt Auskunft

darüber, mit welchem zeitlichen, personellen und ressourcenverbrauchenden Aufwand die

Ziele erreicht worden sind, über die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen, über er-

wünschte oder unerwünschte Nebenfolgen der Veränderungen. Die ANHT kann man sich

ggf. auch als iterativen Prozess vorstellen, wenn nämlich am Ende einer jeweiligen Se-

quenz anhand der Evaluation weiterer Handlungsbedarf ermittelt wird.

Während die ANHT die wissens- und handlungstheoretische Unterscheidung von wis-

sensformen als Voraussetzung für systematisches Handeln bereitstellt, gibt es noch ein

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weiteres Instrument auf der Ebene III des SPSA-Modells, das die thematische Strukturie-

rung einer Situation (im Sinne einer Anamnese und Diagnose) unterstützt: Die SDF (vgl.

Geiser 2009, S. 68) in der auf der Grundlage des SPSA ausgearbeiteten Version von

Kaspar Geiser, die hier kurz vorgestellt werden soll.

2.4.3 Systemische Denkfigur nach Kaspar Geiser

Nach Geiser bedürfen Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagog/inn/en

„kognitiver Instrumente, um die Komplexität von Lebenssituationen ihrer Adressatinnen zu er-kennen, sie zu erfassen, zu erklären und sie in der Praxis effektiv und effizient anzuwenden. Durch aktuelles Wissen und Einüben von Fertigkeiten können sie ihr eigenes Handeln innerhalb des jeweiligen praktischen Kontextes analysieren und wenn nötig verbessern.“ (ebd. S. 85)

Dabei macht er, wie die folgende Grafik zeigt, fünf Arten von allgemeinem (Arbeitsbereich

übergreifendem) Professionswissen aus, und weist der SDF ihren Ort innerhalb des pro-

fessionellen Wissens zu.

Abbildung 14: Komponenten des allgemeinen methodischen Professionswissens (Geiser 2009, S. 91)

Die SDF dient als Analyseinstrument in Bezug auf die Situation von Individuen, Aus-

tauschbeziehungen zwischen Individuen (horizontal strukturierte soziale Systeme bzw.

Beziehungen) und Machtbeziehungen zwischen Individuen (vertikal strukturierte soziale

Systeme bzw. Beziehungen. Die SDF und ihre Dimensionen werden im folgenden Schau-

bild in Bezug auf das Individuum dargestellt:

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Abbildung 15: Die SDF im Detail (Individuum) (Geiser 2009, S. 95)

Die SDF ist ein kognitives und praktisches Instrument zur systemischen und systemati-

schen Erfassung, Strukturierung, Beschreibung und Bewertung von Informationen in der

Sozialen Arbeit mit Klient/inn/en. Mit Hilfe des durch Anwendung der SDF entstandenen

Bildes können Bewertungen im Sinne von Problembestimmungen vorgenommen werden,

die ihrerseits die Grundlage zur Erfassung von für die Problembearbeitung vorhandenen

Ressourcen bilden. Die Problem- und Ressourcenanalyse (Anamnese, Diagnose) dient

dazu, angemessene Ziele zu formulieren, sowie entsprechende Interventionen (Maßnah-

men) auszuwählen und diese zu begründen (vgl. Geiser 2009, S. 25).

„Unter Beizug der Systemischen Denkfigur kann man … Die Situation von Individuen als Kom-ponenten sozialer Systeme erfassen und beschreiben: Das Ergebnis ist ein Bild über ihre Aus-stattung (hier: das Gesamt an intrinsischen, relationalen und emergenten Eigenschaften). Die-ses Bild kann bewertet werden; das Ergebnis der Bewertung besteht in der Problembestim-mung und wenn möglich in der Bestimmung von Ressourcen der Adressaten, die zur Bearbei-tung dieser Probleme genutzt werden können; Beziehungen bzw. soziale (Mikro- und teilweise Meso-) Systeme erfassen und beschreiben. Die sozialen Systeme werden vorerst ihrer ‚idealen‘ formalen Positionsstruktur nach unterschieden, nämlich als horizontal strukturierte oder Aus-tauschbeziehungen einerseits oder als vertikal strukturierte oder Machtbeziehungen anderer-seits. Es folgt das Eintragen der konkreten Interaktionen. Das ‚Beziehungsbild‘ kann anschlies-

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send bewertet werden im Sinne von Austauschproblemen und/oder Machtproblemen bzw. als entsprechende soziale Ressourcen; Die Begründung für die Ausstattungs-, Austausch- und Machtprobleme erfolgt a) normativ (aufgrund der nicht realisierten gesellschaftlichen Werte) und b) erklärungstheoretisch (aufgrund der dauerhaft nicht befriedigten Bedürfnisse und entspre-chender Prognosen). Die Beschreibung und Bewertung einer Situation als ‚problemlos‘, prob-lematisch oder ressourcenträchtig ist ein Prozess, der im Idealfall gemeinsam mit den Adressa-tinnen und Adressaten der Sozialen Arbeit vorgenommen wird.“ (ebd., S. 25-26)

Die mit der SDF verwendeten Kürzel bedürfen noch einer kurzen Erläuterung:

� Ui = Umwelt intern: Menschlicher Organismus, Körper, intrinsische Eigenschaften,

die die biologische Ausstattung eines Individuums ausmachen. Der Organismus

wird als „inneres Milieu“ verstanden bei der die Körperhülle die physische Grenze

zu anderen Systemen der Umwelt bildet.

� Ue = Umwelt extern: Soziale Ausstattung des Individuums, relationale Eigenschaf-

ten wie sozioökonomische Güter (Bildung, Beruf, einkommen, besitz, Arbeitsplatz,

Wohnung etc.), Teilhabe an oder Exposition gegenüber sozioökologischen Bedin-

gungen der Umwelt (Luft, Wasser, Infrastruktur etc.), soziokulturelle Eigenschaften

(z. B. ethnische und konfessionelle Zugehörigkeit), sowie Mitgliedschaften und so-

ziale Rollen.

� R = Rezeptoren: Biologische Komponenten des peripheren Nervensystems, die

der Informationsaufnahme dienen (von Außenreizen über die Sinnesorgane, Rei-

zen aus dem Inneren des Organismus über das autonome Nervensystem). Diese

Dimension der SDF wird dann relevant, wenn z. B. Funktionen von Sinnesorganen

beeinträchtigt sind.

� E/M = Erlebnismodi bzw. Modell: Psychische Eigenschaften im Sinne von psychi-

schen Grundfunktionen und höheren Funktionen des Zentralnervensystems inklu-

sive kulturell vermittelte Codes, Bilder und Werte, die ein „internes Modell“ darstel-

len, also „Informationsverarbeitung“ die zu Ergebnissen führt, die begrifflich als

Lernen (E=Erlebnismodi, erkennen, erleben) und Wissen (M=Wissen) gefasst

werden können und praxisrelevant unterschieden werden und auf ihre Wechsel-

wirkung hin betrachtet werden müssen.

� A = Aktivitäten: Bewegungen, äußerlich sichtbares Verhalten, Handeln des Indivi-

duums, Ausstattung mit Handlungskompetenzen (vgl. ebd., S. 29-30).

Die SDF als Anamnese- und Diagnoseinstrument kann innerhalb der ANHT (vgl. Abbil-

dung 13) in den Bereichen I. Situationsbeschreibung und -erklärung plus Prognose und II.

Bewertung & Problemdefinition angewandt werden. Kaspar Geiser hat zur Einführung in

die SDF und ihre Anwendung ein umfang- und detailreiches, praxisbezogenes Lehrbuch

(Geiser 2009) auf der Grundlage des SPSA nach Obrecht und Staub-Bernasconi verfasst.

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Anhand dieses Werkes ist die SDF lern- und lehrbar, d.h. sie muss in der Praxis gelehrt

und eingeübt werden.

2.4.4 Allgemeine Normative Handlungstheorie und Praxisbezug

Die ANHT professionellen Handelns soll Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagog/inn/en

dazu befähigen, Soziale Probleme in ihrem Arbeitsbereich zu verhindern, zu lindern oder

zu lösen. Die dazu notwendigen mentalen Operationen werden anhand von W-Fragen

vollzogen, deren Beantwortung zugehörige Wissensformen als Produkte dieser mentalen

Prozesse generiert.

„Die ersten drei Fragen beziehen sich auf das Was und Warum einer Ausgangs- und Problemsituation, je nachdem ergänzt durch prognostische Beschreibungen. Sie müs-sen von den verschiedenen Grundlagen- bzw. Bezugswissenschaften der Sozialen Ar-beit beantwortet werden:

Was ist die Ausgangsproblematik, die Ausgangssituation und was sind die damit zusammen-hängenden Probleme? Die Antwort darauf enthält ein Bild der Situation als kontextbezogenes, fallspezifisches Beschreibungswissen. Warum oder weshalb ist diese Problematik entstanden; eventuell: mit welchen problematischen Folgen? Welches disziplinäre Bezugswissen ist zur Beantwortung dieser Frage beizuziehen? Die Antwort darauf ist transdisziplinäres Erklärungswissen. Wohin entwickelt sich die Situation, falls nicht interveniert wird? Mildern oder verschärfen sich die Ausgangsprobleme? Die Antwort sind Trendbeschreibungen.

Die nächsten Fragen beantworten das, was als handlungswissenschaftliches Wissen bezeichnet werden soll: zum empirischen Beschreibungs- und Erklärungswissen kom-men Bewertungen, Entscheidungen und Transformationsregeln hinzu, wobei ich es zu-sammenfassend als Veränderungswissen bezeichne:

Was ist (nicht) gut? Was sollte sein? – dies unter Bezug auf die ermittelte und erklärte Proble-matik und Ausgangssituation; Produkt sind Bilder von zukünftigen, erwünschten Sachverhalten und damit Werturteile; Woraufhin soll etwas verändert werden? Die Antwort darauf sind selbst- und/oder fremddefinierte, mit Indikatoren versehene Zielsetzungen als konkretisierte (operatio-nalisierte) Werte oder eine Kombination davon; Wer soll aufgrund welchen Auftrags (Mandat, Vereinbarung, Vertrag) was verändern? Produkt ist die Beschreibung eines Akteursystems, sowohl als Hilfs- als auch als Ressourcensystem, das von der Dyade bis zu einem komplexen sozialräumlichen oder organisationellen, sozial ho-rizontalen oder/und vertikalen Netzwerk von Adressatinnen/Adressaten, Professionellen, Frei-willigen, Organisationen, sozialen Bewegungen usw. reichen kann; Womit, das heißt mit welchen Ressourcen soll die Veränderung ermöglicht, herbeigeführt wer-den? Produkt ist ein Bild über die vorhandenen oder /und zu beschaffenden individuellen und gesellschaftlichen Ressourcen; Wie, mit welchen speziellen Handlungstheorien/Arbeitsweisen – und daran anschließenden Me-thoden – soll die vereinbarte Veränderung herbeigeführt werden? Produkt sind Teilpläne, ver-knüpft mit Handlungsleitlinien, Verfahren oder Methoden bis hin zu konkreten Handlungsleitli-nien/-anweisungen; Wurden die Ziele erreicht? Mit welchem Aufwand? Produkt sind Evaluationswissen als Antwort auf die Wirksamkeit und (un)erwünschten Nebenfolgen der Veränderung, also die Beurteilung des vorläufig erreichten Soll-Zustandes; dazu kommt eine Beurteilung des zeitlichen, personel-

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len, ressourcenbezogenen Aufwandes, den man zur Erreichung des (Teil-)Zieles benötigte.“ (Staub-Bernasconi 2009, S. 29-30)

Zu dem gekonnten Umgang mit den W-Fragen und den dazu gehörigen Wissensformen

gehört allerdings auch noch die Umsetzung in die Praxis, d. h. die Verknüpfung der darge-

legten Wissensformen und deren Umwandlung in praxisbezogene Handlungsleitlinien.

Um diese Umsetzung bewerkstelligen zu können, schlägt Staub-Bernasconi die Anwen-

dung des Transformativen Dreischritts vor. In einem ersten Schritt wird der Forschungs-

stand zu den Merkmalen des Sozialen Problems (Was-Frage) und den hypothetischen

oder erforschten Erklärungen (Warum-Frage) so weit wie möglich zur Kenntnis genom-

men und aus der Verknüpfung der Was- mit der Warum-Frage werden nomologische

Aussagen bzw. Gesetzmäßigkeiten gewonnen (Wenn-dann-Aussagen). In einem zweiten

Schritt werden anhand der Verknüpfung der Wer- mit der Was- und der Warum-Frage

handlungstheoretische, nomopragmatische Hypothesen formuliert (Wenn „man“-dann-

Hypothesen). Schließlich werden die Was-/Warum- und Wer-Fragen mit der Wie-Frage

verknüpft, um daraus imperative Aussagen, Handlungsleitlinien oder Regeln auf der Basis

der nomopragmatischen Aussagen zu formulieren (Um zu -mache/schaffe-Aussagen).

Ergänzend ist eine ethische Bewertung der angestrebten Veränderung und der Metho-

denwahl (Was-ist-(nicht)-gut-Frage) und daraufhin eine Operationalisierung (Woraufhin-

Frage) vorzunehmen (vgl. Staub-Bernasconi 2009, S. 40-43).

Für die hier behandelte Fragestellung, wie eine Einrichtung der Sozialen Arbeit professio-

nalisiert werden kann, ergeben sich auf den ersten Blick eine Reihe von Schwierigkeiten:

Der Zustand der mangelnden Professionalität der sozialarbeiterischen/ sozialpädagogi-

schen Fachkräfte der KuK ist nicht in erster Linie ihnen selbst anzulasten, sondern ist we-

sentlich bedingt durch das fragmentierte „im Rahmen des additivistischen Paradigmas der

vordisziplinären Sozialen Arbeit erzeugte und vermittelte Berufswissen“ (Obrecht 2001, S.

12) in Verbindung mit den durch Fort- und Weiterbildungen erworbenen, nicht anschluss-

fähigen und ebenfalls fragmentierten Wissensbeständen. Die komplexe und verwickelte

Genese dieser Situation wurde oben bereits nachgezeichnet. Es liegt nun auf der Hand,

dass eine dem SPSA entsprechende disziplinäre Ausbildung der Fachkräfte allein schon

wegen des zeitlichen, inhaltlichen und ggf. monetären Umfangs nicht nachgeholt werden

kann. Außerdem wird eine Ausbildung auf der Grundlage des SPSA nach Kenntnis des

Verfassers lediglich in der Schweiz von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissen-

schaften angeboten27. Trotzdem ist es aber das Bestreben des Verfassers, eine „nachho-

27 „Mit ihrem Paradigma und ihrem SAW-Konzept ist die Zürcher Schule anschlussfähig an die internationale sozialarbeits-wissenschaftliche Diskussion und entspricht dem Konsens, wie er zum Beispiel formuliert ist in der IFSW-Definition (verab-schiedet im August 2000 in Montreal/Quebec von der International Federation of Social Workers), die in deutscher Überset-zung lautet: ‚Soziale Arbeit ist eine Profession, die sozialen Wandel, Problemlösungen in menschlichen Beziehungen sowie die Ermäch-tigung und Befreiung von Menschen fördert, um ihr Wohlbefinden zu verbessern. Indem sie sich auf Theorien menschlichen

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lende“ Professionalisierung der Fachkräfte und mithin der Einrichtung, exemplifiziert am

Arbeitsbereich ABW, zu erwirken. Dabei muss folgendes bedacht werden:

� Ein Modell wie das SPSA kann in seinem vollen Umfang zunächst nur als konzep-

tuell aufbereitete Zielvorstellung angestrebt werden.

� Wesentliche Elemente des Modells, die einen hilfreichen und fruchtbringenden

Praxisbezug versprechen, müssen in einem längeren Prozess organisationalen

Lernens unter intensiver Einbeziehung der MA eingeübt werden.

� Die eingeführten Elemente müssen bezüglich ihrer Position und Funktion im Ge-

samtmodell fortlaufend reflektiert werden.

� Die eingeführten Elemente müssen auf ihre intendierte Wirkung hin regelmäßig

evaluiert werden.

� Nach der Einführung und Habitualisierung einzelner Elemente können sukzessive

weitere Elemente auf die beschriebene Weise integriert werden.

Dabei liegt es nahe, den Bereich der Lösung praktischer Probleme (V) in Augenschein zu

nehmen: „Professionen im engen Sinne [bearbeiten] Konstellationen praktischer Proble-

me von Individuen, die existentiellen Krisen entsprechen und sie tun dies, wie Professio-

nen im weiten Sinne, auf der Grundlage wissenschaftsbasierter Verfahren.“ (Obrecht

2009, S. 70) Die Zuspitzung des weiten, allgemeinen Professionsbegriffs auf einen spezi-

fischeren bzw. engen wird durch die Einführung des inhaltlichen Kriteriums der Krise er-

reicht:

„Eine Krise ist eine Lebenssituation eines Individuums, in der sein aktueller Mix aus physikali-schen, biologischen, psychischen oder sozialen Problemen eine Stärke erreicht oder in einer Art kumuliert, so dass diese Situation durch das Individuum als Krise erlebt wird und es gege-benenfalls die Fähigkeit verliert, seine praktischen und im Besonderen seine psychischen und sozialen Probleme unter Nutzung seiner internen und ihm in seinem Alltag extern zugänglichen Ressourcen in einer für es zufriedenstellenden Weise zu lösen.“ (ebd.)

Diese Definition beschreibt zutreffend das, womit es die MA des ABW in der Kontakt- und

Krisenhilfe tagtäglich zu tun haben.

Davon ausgehend und daran anknüpfend erscheint es sinnvoll und praktikabel, zunächst

die ANHT (Stufe III) zu vermitteln, da hier der Anknüpfungspunkt zu der konkreten alltägli-

chen Praxis liegt und eine Strukturierung der dort nötigen kognitiven und praktischen Voll-

züge, sowie deren Einbettung in und Verknüpfung mit den relevanten wissenschaftsba-

sierten Bezugsinhalten, mittel- bis langfristig zu größerer Souveränität bei den MA führen

sollte. Inhalte aus den Bereichen Metawissenschaften, Objekttheorien und spezielle Verhaltens sowie sozialer Systeme als Erklärungsbasis stützt, interveniert Soziale Arbeit im Schnittpunkt zwischen Individu-um und Umwelt/Gesellschaft. Dabei sind die Prinzipien der Menschenrechte und sozialer Gerechtigkeit für die Soziale Arbeit von fundamentaler Bedeutung.‘“ (ZHAW 2007-2013)

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Handlungstheorien (I, II und IV) ließen sich bspw. durch die Erhebung von vorhandenen

Kenntnissen und Fertigkeiten der MA (insbesondere spezielle Handlungstheorien betref-

fend) und deren Verbreitung in der Einrichtung, sowie über regelmäßige (konzeptuell inte-

grierte und jeweils vor- und nachbereitete) in- und externe Fortbildungen vermitteln und

anhand des SPSA integrieren. Wie dies konkreter in der KuK vonstattengehen kann, wird

unter dem Gliederungspunkt 2.6 ausgeführt werden.

Zunächst soll aber versucht werden, einen geeigneten Bezugsrahmen zu bilden – ein

Ordnungsgerüst, eine Orientierungshilfe – innerhalb dessen die ANHT und im Zusam-

menhang damit und in dessen Folge das SPSA in der KuK eigeführt werden können.

Nach Ansicht des Verfassers eignet sich dafür das neue St. Galler Management-Modell in

besonderer Weise. Es soll daher im Folgenden vorgestellt werden.

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2.5 Neues St. Galler Management-Modell

2.5.1 Entstehung und theoretische Grundlagen

Wie bereits festgestellt wurde, befindet sich das Sozialmanagement in einer ähnlichen

Situation wie die Soziale Arbeit. Die Einführung des Begriffs Sozialmanagement ab den

1980er Jahren erfolgte in der Bundesrepublik Deutschland ohne eine eindeutige Definition

und trotz der inzwischen zahlreich vorhandenen Studiengänge wird der Begriff nach wie

vor als diffus kritisiert und es ist auch in diesem Bereich ein Professionalisierungsdefizit zu

konstatieren. In Anlehnung an das SPSA und das damit verbundene Wissenschaftsver-

ständnis, kann man auch das Sozialmanagement als eine Handlungswissenschaft auffas-

sen und in die untenstehende Grafik (an Stelle der gepunkteten Linie) einfügen.

Abbildung 16: Modell eines integrierten Systems von Handlungswissenschaften (Obrecht 2001, S. 103)

Ein Vorgehen nach der Vorstellung dieses transdisziplinären Bezugsrahmens ermöglicht

dann auch einen interdisziplinären Austausch und Lernprozesse zwischen den Disziplinen

Soziale Arbeit und Sozialmanagement. Für den Bereich des Sozialmanagements bedeu-

tet dies, dass an dieser Stelle nun die dem Veränderungswissen (vgl. Staub-Bernasconi

2009, S. 29) zuzuordnenden W-Fragen beantwortet werden müssen. Daraus folgt für die

Professionalisierung des ABW und der MA der KuK, dass das Management sich darüber

klar werden muss, wie der gewünschte Professionalisierungszustand aussehen soll, wel-

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che konkreten operationalisierten Zielsetzungen daraus folgen, wer an der Umsetzung in

welcher Weise und welchem Umfang beteiligt sein soll, mit welchen Ressourcen die er-

wünschte Veränderung bewerkstelligt werden soll und mit welchen speziellen Handlungs-

theorien zu Werke gegangen werden soll. Schließlich müssen die daraufhin ins Werk ge-

setzten Pläne, Teilpläne, Verfahren und Methoden auch noch regelmäßig auf ihre Wirk-

samkeit hin überprüft werden.

In Anlehnung an das Vier-Ebenen-Modell muss im Vollzug der ANHT geklärt werden,

welche spezifischen Methoden für die erwünschte Veränderung in Frage kommen und

welche Bezugswissenschaften dafür herangezogen werden müssten. Als Bezugswissen-

schaften, deren Erkenntnisse in der vom Verfasser dieser Arbeit benutzten Fachliteratur –

besonders auch bezüglich der hier ausgewählten speziellen Handlungstheorien (vgl. Glie-

derungspunkt 2.6) – herangezogen werden, seien beispielhaft genannt: (Organisati-

ons-)Soziologie, (Organisations-)Psychologie, (Betriebs-)Wirtschaftswissenschaft und

weitere Disziplinen der Sozial- und Verhaltenswissenschaften. Nicht zuletzt muss die Fra-

ge geklärt werden, welche Metatheorie(n), die wiederum in einem Metamodell kumulieren

können, in Frage kommen.

Der Verfasser hat sich nach der Sichtung der einschlägigen Literatur für das neue St. Gal-

ler Management-Modell als Metamodell und Orientierungsrahmen für die vorzunehmen-

den Veränderungen entschieden. Es soll dazu verhelfen den Überblick darüber zu behal-

ten, welche Gruppen und Personen in der Einrichtung involviert werden müssen und/oder

betroffen oder tangiert sein werden bei der Einführung des SPSA und an welchen Stellen

Veränderungen zu erwarten sind etc.

Das neue St. Galler Management-Modell hat seinen Ursprung bereits 1954 mit der Grün-

dung des Instituts für Betriebswirtschaft an der damaligen Handelshochschule St. Gallen

durch Hans Ulrich. Dieser war daran interessiert die damalige herkömmliche Betriebswirt-

schaftslehre zu einer ganzheitlichen Managementlehre weiterzuentwickeln, da er von der

Notwendigkeit einer theoretischen Grundlegung für Unternehmen angesichts ihrer kom-

plexen Einbettung in eine vielschichtige Umwelt überzeugt war (vgl. Bürgisser, et al. 2012,

S. 259). Das von Ulrich entwickelte St. Galler Management-Modell wurde von seinen Mit-

streitern und Schülern über die Jahre kontinuierlich weiterentwickelt und theoretisch ver-

tieft. In dieser Tradition stehend, versteht sich auch das neue St. Galler Management-

Modell als ganzheitlichen und systemtheoretischen Ansatz. Besonders hervorgehoben

und behandelt werden in der neuen Version die ethisch-normative Dimension und die

Ausrichtung auf bzw. die Einbeziehung von Gesellschaft und Anspruchsgruppen, die pro-

zessorientierte Sichtweise und die Notwendigkeit einer kontextbezogenen Analyse kom-

plexer Beziehungs- und Kommunikationsprozesse. Metatheoretisch rekurriert der Ansatz

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neben den systemisch ausgerichteten Vertretern aus dem Umfeld der Hochschule St.

Gallen (Hans Ulrich, Gilbert Probst, Knut Bleicher, Peter Gomez, Fredmund Malik) auf die

soziologische Systemtheorie von Niklas Luhmann, die Strukturationstheorie von Anthony

Giddens und diverse sozialkonstruktivistische Ansätze aus der angewandten Sozialwis-

senschaft (vgl. Rüegg-Stürm 2003, S. 15-16); des Weiteren wird in diesem Umfeld gerne

auf Biokybernetiker wie Frederic Vester zurückgegriffen (vgl. Ulrich und Probst 1991, S.

20) und eine Nähe zu radikal-konstruktivistischen Ansätzen klingt immer mal wieder an.28

Die Anschlussfähigkeit des neuen St. Galler Management-Modells nach Rüegg-Stürm an

das Bungesche Systemdenken, das sich als materialistisch-realistisch (vgl. Bunge und

Mahner 2004, S. 233) versteht und somit in der Tradition eines kritischen Realismus (vgl.

Kruse/Stadler 1990 in Gairing 2008, S. 150) steht, hält der Verfasser trotzdem für gege-

ben und für den Praxisbezug unproblematisch. Trotz der postulierten Nähe und der se-

mantischen Rückgriffe auf seine metatheoretischen Gewährsleute wird Rüegg-Stürm in

der Ausdifferenzierung seines Modells an entscheidenden Stellen immer wieder kritisch-

realistisch, indem er z. B. durchaus, wie Bunge, Kommunikation als Relation zwischen

Relata (vgl. Fußnote 22), nämlich Menschen und Menschengruppen, versteht etc. Diese

Tendenz mag daher rühren, dass man in der Management-Praxis regelmäßig gezwungen

wird, konkrete Gegebenheiten als solche zur Kenntnis zu nehmen und sich damit in

pragmatischer Weise auseinanderzusetzen. Dass man auch als kritischer und materialis-

tischer Realist eine systemische und ganzheitliche Sichtweise vertreten kann, dafür ist

Mario Bunge ein Beispiel29.

28 Z. B. in Passagen wie: „[…] wird die Sozialität meschlicher Welt, und damit auch der Management-Praxis, in sozialen Konstruktions- und Interpretationleistungen begründet gesehen […]“, oder: „[…] sind also Modelle als kontingente Erfindungen zu verstehen, […].“ (Rüegg-Stürm 2003, S. 7, 15; Hervorh. im Original) 29 In Deutschland zählen vor allem Bernulf Kanitscheider (Gießen) und Gerhard Vollmer (Braunschweig) zu dieser Denkrich-tung.

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2.5.2 Grundkategorien des Modells und Praxisbezug

Das Modell ist in seinem Gesamtaufbau aus sechs Grundkategorien zusammengesetzt,

die sich jeweils auf zentrale Managementdimensionen beziehen:

Abbildung 17: Das neue St. Galler Management-Modell im Überblick (Universität St. Gallen 2012)

2.5.3 Umweltsphären

Die Umweltsphären bezeichnen zentrale Kontexte der unternehmerischen Tätigkeit und

sind auf relevante Veränderungstrends hin zu analysieren (vgl. unter diesem

Gliederungspunkt, sofern nicht anders vermerkt, Rüegg-Stürm 2003, S. 22 ff.). In Bezug

auf Soziale Einrichtungen besteht insbesondere ein Anknüpfungspunkt an die umfas-

sendste Sphäre Gesellschaft, die den Diskurs darüber beinhaltet, was Soziale Probleme

und welches die Aufgaben Sozialer Einrichtungen innerhalb der Gesellschaft sind. Auch

Fragen nach der Legitimation Sozialer Einrichtungen und ihrer Tätigkeiten, nach der Arti-

kulation der besonderen Probleme der Klientel und nach der Interessensvermittlung zwi-

schen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen sind hier verortet (vgl. Bürgisser, et

al. 2012, S. 240, 261). Ebenfalls gibt es hier Bezüge zu dem Themenbereich der sozialpo-

litischen Steuerung mit den Fragen nach den Zielen und Inhalten von Programmen und

Angeboten, der Klärung der politischen und rechtlichen Zuständigkeit, der Umsetzung von

Zielen im Rahmen von Leistungsvereinbarungen und der Gestaltung von Versorgungs-

systemen (vgl. ebd., S. 243).

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Eine durch die Einführung des SPSA und die ANHT eingeleitete und vorangetrieben Pro-

fessionalisierung der KuK würde es ermöglichen, anhand der mit den W-Fragen verbun-

denen Wissensformen den gesellschaftlichen Dialog, der auch mit Fragen und Themen

der Umweltsphäre Wirtschaft korreliert, auf eine fundiertere Art und Weise zu führen, als

dies bisher der Fall ist. Anhand der mit der ANHT verknüpften Vorgehensweise können

wissenschaftlich seriöse und pointierte Aussagen getroffen werden über die gesellschaft-

liche und wirtschaftliche Situation der Klientel und deren Soziale Probleme, sowie die ge-

sellschaftliche und wirtschaftliche Relevanz des ABW und der Einrichtung KuK in der Re-

gion. Eine professionellere Vorgehensweise und ein entsprechendes Auftreten würden

der Qualität des Dialogs mit den diversen gesellschaftlichen Gruppen auf ein Niveau he-

ben, das letztlich den Klient/inn/en der KuK zugutekäme.

2.5.4 Anspruchsgruppen

Die Anspruchsgruppen30 (Stakeholder) umfassen alle organisierten oder nicht organisier-

ten Vereinigungen von Menschen, Organisationen und Institutionen, die von den Aktivitä-

ten einer Organisation betroffen sind oder die Einfluss auf die Aktivitäten der Organisation

nehmen können. Im Sozialen Bereich fallen hierunter auch diejenigen Gruppen und Insti-

tutionen, mit denen eine Einrichtung z. B. ein gemeinsames Interesse an der Arbeit mit

einer bestimmten Klientel verbindet. Diese Gruppen kann man auch sinnvoller Weise als

Kooperationspartner bezeichnen. Themen wie die fall- und prozessbezogene Koordinati-

on und die Koordination zwischen den Kooperationspartnern, die Abstimmung der ver-

schiedenen Angebote für die Klientel, die Strukturierung der Versorgung im Sozialraum

werden mit diesen ausgetauscht (vgl. Bürgisser, et al. 2012, S. 252, 262).

Die Anspruchsgruppen und Kooperationspartner im ABW der KuK sind im Wesentlichen

die Klient/inn/en, die Kostenträger LWL und JA, Angehörige und persönliches Umfeld der

Klient/inn/en, rechtliche Betreuer, Haus- und Fachärzte, Krankenkassen, Allgemeine

Krankenhäuser und Fachkliniken, andere soziale Dienste und Einrichtungen; Behördliche

und behördennahe Einrichtungen wie der Sozialpsychiatrische Dienst, die Berufliche Ein-

gliederung, Frauenberatungsstellen, Bewährungshilfe, JobCenter, Agentur für Arbeit, So-

zialämter, Erziehungsberatungsstellen, Eheberatungsstellen etc. Interne Kooperations-

partner sind die TS und die KuB.

Der Umgang mit den relevanten Anspruchsgruppen kann entweder aus der Sichtweise

eines strategischen oder eines normativ-kritischen (ethischen) Anspruchsgruppenkon-

zepts erfolgen. Ersteres wird sich an der Auswahl und der Priorisierung oder Gewichtung 30 In der einschlägigen Literatur zum Themenkomplex Management finden sich diverse synonyme Begriffe, die diejenigen bezeichnen, die ein Interesse an der Arbeit von Organisationen haben, daher auch Ansprüche stellen und somit berücksich-tigt werden müssen: Stakeholder, interessierte Parteien, Anspruchsgruppen, B- und C-Kunden etc., aber auch gemeinsame Interessen und Ziele herausstellende Begriffe wie Kooperationspartner.

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der relevanten Akteure vorrangig an deren Einflussmöglichkeiten und der Wirkmächtigkeit

ihrer Ansprüche orientieren im Hinblick auf die Zukunftssicherung der Einrichtung. In die-

ser Hinsicht würde man sich in der KuK vorrangig auf die Aufrechterhaltung der Koopera-

tionsbereitschaft und der Akzeptanzsicherung hinsichtlich der Kostenträger und beson-

ders auf den LWL konzentrieren.

Aus der Sicht des normativ-kritischen (ethischen) Anspruchsgruppenkonzepts werden alle

Gruppen, die von den Tätigkeiten einer Einrichtung tangiert sind und/oder umgekehrt in

irgendeiner Weise die Geschicke der Einrichtung beeinflussen können als relevante An-

spruchsgruppen anerkannt. Das ausschlaggebende Kriterium ist nicht die Wirkmächtigkeit

der Akteure, sondern die ethisch begründbare Legitimität ihrer Ansprüche.

Letztlich wird eine Soziale Einrichtung wie die KuK eine Mischform der beiden An-

spruchsgruppenkonzepte bevorzugen. Ausschlaggebend ist die normative Festlegung im

Leitbild31, in dem an zahlreichen Stellen hervorgehoben wird, dass in sämtlichen Bezügen

der Arbeit der KuK die Klient/inn/en im Zentrum aller Bemühungen stehen, so z. B. bezüg-

lich der Kooperationspartner: „In der Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern

pflegen wir eine enge gemeindepsychiatrische Vernetzung im Interesse unserer Klienten.

[…] Der Bedarf der Menschen, die sich an uns wenden, steht im Vordergrund, so dass wir

gegebenenfalls gerne auch an andere Hilfeanbieter vermitteln.“ (Kontakt- und Krisenhilfe

2012, S. 3; Hervorh. J.W.) Das bedeutet, dass die KuK im Sinne ihrer Klient/inn/en sowohl

auf die eigene Zukunfstssicherung als auch auf die Berücksichtigung der ja ebenfalls mit

denen der Klient/inn/en verbundenen Ansprüche der anderen genannten Gruppen

bedacht sein muss.

Auch der im Leitbild postulierte Vorrang der Klient/inn/en würde durch die Anwendung der

ANHT mit professionellem Wissen und Handlungsleitlinien konkretisiert werden. Dies

kann dazu führen, dass aus fachlichen Einzel- und Gesamterwägungen heraus die

intensivere Zusammenarbeit mit und die stärkere Berücksichtigung von bestimmten

Kooperatiospartnern jeweils nachvollziehbar dargelegt und begründet werden kann.

2.5.5 Interaktionsthemen

Die bisher genannten Themen und Fragen bezüglich Sozialer Einrichtungen sind alle

auch in der Grundkategorie Interaktionsthemen verortet. Damit werden die Inhalte und

Gegenstände („issues“) der Kommunikation in den Austauschbeziehungen zwischen einer

Organisation und ihren Anspruchsgruppen bezeichnet. Ein sehr wichtiges Interaktions- 31 Die Ansprüche der aus Organisationsperspektive maßgeblichen Anspruchsgruppen (einschließlich der MA und der Kli-ent/inn/en) fließen in der Regel in ein Leitbild ein und so verhält es sich auch mit dem Leitbild der KuK, das im Zusammen-hang mit der QMS-Implementierung unter Einbeziehung aller MA entstanden ist. Das Leitbild enthält neben der Mission und den Werten der Einrichtung auch normative Ziele, von denen wiederum über den Weg der Qualitätspolitik die Qualitätsziele abgeleitet werden müssen, die sich auf der Ebene von strategischen Zielen befinden.

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thema für Soziale Einrichtungen, das alle drei Elemente dieser Kategorie (Ressourcen,

Normen und Werte, Anliegen und Interessen) umfasst ist das der Professionalität einer

Einrichtung und ihrer MA. Die vorhandene oder nicht vorhandene Professionalität wiede-

rum ist einrichtungsbezogen verknüpft mit Fragen des normativen, strategischen und ope-

rativen Managements, Fragen der Organisationsgestaltung und -entwicklung, sowie des

Personalmanagements und der Personalentwicklung (Human Ressources Management)

und mit Fragen des Controllings, der Wirkung und der Qualität der Angebote. Nicht zuletzt

geht es eben um die Kommunikation der in der Einrichtung vorhandenen Professionalität

als Qualitätsmerkmal u.a. über den Weg des Marketings (vgl. Bürgisser, et al. 2012, S.

245).

Einerseits haben die in unterschiedlicher Weise von den Aktivitäten der KuK betroffenen

Kooperationspartner und Anspruchsgruppen jeweils bestimmte Anliegen an die Einrich-

tung, umgekehrt können aber auch die bei den entsprechenden Gruppen geltenden Wer-

te, Normen und Prioritäten von Legitimierungs- und Entscheidungsprozessen der KuK

beeinflusst werden. Bei konfligierenden Ansprüchen und Interessen der unterschiedlichen

Gruppen müssen diese jedenfalls im Sinne eines ethischen Anspruchsgruppenkonzeptes

sorgfältig argumentativ und nachvollziehbar miteinander abgewogen werden. Inwieweit

einerseits die stärkere oder weniger starke Berücksichtigung der Interessen der An-

spruchsgruppen für diese nachvollziehbar und akzeptabel sein wird und inwieweit sich

diese andererseits auf die Anliegen der KuK einlassen werden, hängt ganz entscheidend

von dem professionellen Niveau der Legitimierungs- und Entscheidungsprozesse ab. Die

entscheidende Bezugsgröße dafür ist in engem Zusammenhang mit dem normativ veran-

kerten Vorrang der Klient/inn/en im Leitbild und dem Erkenntnisgewinn aus der Anwen-

dung des SPSA das von Staub-Bernasconi so genannte Tripelmandat der Sozialen Arbeit

(vgl. Staub-Bernasconi 2007, S. 198 ff.).

Während im Allgemeinen von einem Doppelmandat Sozialer Arbeit ausgegangen wird,

das sich einerseits aus der Hilfe für die jeweilige Klientel und andererseits aus einem so-

zialrechtlich legitimierten Auftrag durch entsprechende staatliche Instanzen ergibt, erwei-

tert Staub-Bernasconi dies zu einem Tripelmandat. Das dritte Mandat wird differenziert in

a) eine wissenschaftliche Beschreibungs- und Erklärungsbasis im Hinblick auf Soziale

Probleme und damit wissenschaftsbegründete Arbeitsweisen und Methoden, b) eine ethi-

sche Basis, z. B. in Form eines Berufskodex32, auf deren Grundlage sich die Professionel-

len in ihren Entscheidungen relativ unabhängig von z. B. ideologisch oder ökonomistisch

motivierten Interessen von Anspruchsgruppen positionieren können und c) die dort opera-

32 Die im Leitbild der KuK verankerten ethischen Aussagen und Normen müssten mit einschlägigen nationalen und interna-tionalen Berufskodizes der Sozialen Arbeit abgeglichen werden. Das würde allerdings den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

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tionalisierten Menschenrechte33 „als eine Legitimationsbasis, die über legale Gesetze und

bindende Verträge, Aufträge und Arbeitsbündnisse hinausweisen und, wenn nötig, eigen-

bestimmte Aufträge ermöglichen [kann].“ (Staub-Bernasconi 2007, S. 200) Dies böte die

Möglichkeit, Soziale Probleme sowie Aufträge und Anliegen nicht nur aus der Perspektive

der jeweiligen Auftraggeber oder Anspruchsgruppen, sondern aus professionsethischer

Perspektive zu bedenken und sich somit von möglichen Machtinteressen oder anderen

Zumutungen wohlbegründet und kritisch distanzieren zu können. In der Logik des SPSA

besteht das professionsethische Problem der Professionellen dann darin,

„die berechtigten Anliegen der Klient(inn)en und die Erfordernisse von Professionalität an [die Auftraggeber und Anspruchsgruppen, J.W.] heranzutragen, und die dadurch entstehenden Kon-flikte einerseits als zu ihrer Rolle gehörend zu behandeln, andererseits auch mit professionellen Mitteln zu bearbeiten.“ (Obrecht 2005 in Staub-Bernasconi 2007, S. 202).

Aus diesen Überlegungen hinaus ergibt sich für eine Soziale Einrichtung eine strategische

Positionierung, die einer möglichst ausgewogenen Mischung aus der sowohl nach ethi-

schen als auch nach ökonomischen Gesichtspunkten folgenden Priorisierung von Anlie-

gen der relevanten Anspruchsgruppen folgt. Die strategische Ausrichtung inklusive Zielen

und Projekten müssen in effektive und effiziente Wertschöpfungsprozesse umgesetzt

werden.

2.5.6 Ordnungsmomente

Die Grundkategorie der Ordnungsmomente meint die in einer Organisation bereichsüber-

greifenden strukturierenden „Kräfte“, die mit den Strukturen einer Sprache (Grammatik,

Semantik) vergleichbar sind und dem Alltagsgeschehen in Einrichtungen eine kohärente

Form geben, die Alltagstätigkeiten auf bestimmte Wirkungen und Ergebnisse ausrichten

und dem Tun der Einrichtung einen übergreifenden Sinn verleihen. Eine umfassende

Strukturierungshilfe in einer Sozialen Einrichtung kann u. a. das QM bieten, so es denn

unter der Prämisse, Professionalität zu entwickeln und zu sichern eingeführt wird.34

Das Ordnungsmoment Strategie soll in inhaltlicher Hinsicht Klarheit ermöglichen über fünf

Themenkomplexe: Es soll Auskunft geben über die aus den oben genannten Überlegun-

gen ermittelten relevanten Anspruchsgruppen und Kooperationspartner, deren Anliegen 33 Aus diesen ist auch der Artikel 3 der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderun-gen vom 13. Dezember 2006 abgeleitet, der im Leitbild der KuK als verbindlicher Orientierungsrahmen zitiert wird (vgl. Kontakt- und Krisenhilfe 2012, S. 1). 34 Den Erkenntnissen des SPSA folgen gibt es bezüglich des QM in der Sozialen Arbeit „(1) Ein übergeordnetes professionelles Qualitätsziel, bestehend aus drei Teilzielen: (a) die Festlegung und laufende Anpassung von Qualitätsnormen (Standards) aufgrund des zur Verfügung stehenden human- und sozialwissenschaftlichen Wissens, (b) die Ermittlung der erschliessbaren Ressourcen der Klientel, Organisation wie der Gesellschaft und (c) die Überprüfung der Zielerreichung und damit der Wirksamkeit der Hilfeleistung sowie die Ermittlung derjenigen Fakto-ren, die zur Zielerreichung beigetragen haben. (2) Ein untergeordnetes betriebswirtschaftliches Ziel, das heißt Kostentransparenz – mit dem Zweck, die Kosten der Erbrin-gung der Dienstleistungen zu berechnen und an Effizienzkriterien des wirksamen, sparsamen, nachhaltigen sowie sozial-verträglichen Mitteleinsatzes zu messen.“ (Staub-Bernasconi 1998, S. 99-100)

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und Bedürfnisse und über geeignete Kommunikationsformen für eine optimale und nach-

haltige Gestaltung dieser Beziehungen. Daraufhin muss das Leistungsangebot definiert

werden und der Nutzen, der bei den entsprechenden Anspruchsgruppen gestiftet werden

soll, dargelegt werden. In Bezug auf die Gesamtwertschöpfung, hier im Sinne der sozial-

psychiatrischen Versorgung im Sozialraum Ennepe-Ruhr-Kreis, muss eine Soziale Ein-

richtung wie die KuK sich darauf festlegen, welchen Teil der gesamten Wertschöpfungs-

kette sie abdecken will und welche Aufgaben andere Einrichtungen und Institutionen

übernehmen sollen. Das hat wiederum Rückwirkungen auf die Auswahl von Kooperati-

onspartnern und die Gestaltung der Zusammenarbeit mit diesen. Schließlich muss her-

ausgestellt werden, welche Fähigkeiten oder Kernkompetenzen bereits vorhanden sind

oder erst noch aufgebaut werden müssen, damit sich eine Einrichtung wie die KuK durch

eine längerfristig überlegene, möglichst einzigartige Nutzenstiftung bei den Klient/inn/en,

Kooperationspartnern und Anspruchsgruppen profilieren kann.

Auch für die Beantwortung dieser fünf parallel zu bearbeitenden Themenkomplexe, die

der KuK zu strategischem Orientierungswissen verhelfen sollen, ist eine zunehmende

Professionalisierung für eine inhaltlich gut begründete und nachvollziehbar legitimierte

Strategie unabdingbar. Strategisches, nach professionellen Gesichtspunkten erarbeitetes

Orientierungswissen, dient nicht zuletzt auch als Bezugsrahmen bei der Allokation knap-

per Ressourcen, d. h. bei Verhandlungen mit den Kostenträgern, bei der Gewinnung neu-

en Personals etc. Die Denkrichtung der Inside-out-Perspektive oder des sogenannten

Ressource-based-View betont entsprechend, dass eine Einrichtung nachhaltige Wettbe-

werbsvorteile erreicht, wenn sie Ressourcen mobilisiert und Kompetenzen entwickelt, die

zugleich wertvoll, selten, schwer imitierbar, nicht substituierbar sind und es ermöglichen,

die Umwelt nach eigenen Vorstellungen mitzugestalten. Immaterielle Ressourcen, wie das

nicht handelbare Wissen der MA, zu entwickeln, beruht auf spezifischen Kompetenzen

einer Einrichtung und führen wiederum zu einem Zuwachs an Kompetenzen bei den MA.

„Solche Kompetenzen setzen sich einerseits zusammen aus einem eher kognitiven Aspekt, nämlich aus Wissen, und andererseits aus praktischen Fähigkeiten, d. h. aus intelligenten Ab-läufen und organisationalen Routinen, in deren Struktur (Prozessmuster) sich das organisatio-nale Wissen spiegelt und die dazu beitragen, dass die verfügbaren Ressourcen optimal genutzt werden können […] Die Inside-out-Perspektive betont demzufolge vor allem die Notwendigkeit einer systematischen Kompetenzentwicklung als Kernaufgabe des strategischen Manage-ments.“ (Rüegg-Stürm 2003, S. 45)

Dieser Kernaufgabe würde die KuK durch die Professionalisierung ihrer MA anhand des

SPSA gerecht werden und so eine Kernkompetenz gewinnen, die neben dem ABW auch

in den anderen Arbeitsbereichen zum Tragen kommen könnte und die es ermöglichen

würde, auch auf veränderte Rahmenbedingungen flexibel reagieren zu können.

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Das Ordnungsmoment Struktur soll eine ausgewogene Balance zwischen einer Effizienz

ermöglichenden Aufgabendifferenzierung (Arbeitsteilung) einerseits und einer Effektivität

ermöglichenden Koordination und Reintegration von Teilleistungen andererseits bewirken.

Strukturen sichern in einer Einrichtung das, was eine zeitliche Konstanz aufweisen soll

und sind Ausdruck von Ordnung und Organisation. Als wesentliche Kategorien kann man

die Aufbaustruktur von der Ablaufstruktur unterscheiden. Erstere lässt sich gut in der

Form von Organigrammen darstellen, wie es in dieser Arbeit zur Illustration der Entwick-

lung der KuK geschehen ist. Die Ablauf- oder Prozessstrukturen legen fest, welche Tätig-

keiten in welcher zeitlichen und logischen Abfolge zu verrichten sind. Prozessstrukturen

dienen der zeitlichen und räumlichen Koordination von Aufgaben, der Minimierung und

Optimierung von Schnittstellen und Doppelarbeiten etc. und sind ein klassisches Betäti-

gungsfeld des QM. Strukturen bedürfen einer zielgerichteten Gestaltung und Bestrebun-

gen der Optimierung und Erneuerung, wie die der Professionalisierung einer Einrichtung,

machen eine kontinuierliche Überprüfung und Weiterentwicklung organisationaler Struktu-

ren erforderlich. Die Einführung des SPSA in der KuK unter größtmöglicher Beteiligung

der MA löst einen organisationalen Lernprozess aus, der auch die bisher gewachsenen

Strukturen mit einbezieht und dort auch Veränderungsprozesse in Gang bringen wird.

Dabei wird man zunächst an die vorhandenen Strukturen (und alle übrigen Gegebenhei-

ten) anknüpfen müssen, Sinnvolles beibehalten und anderes verändern müssen.

„Jede Form von Führungs- und Organisationsarbeit findet […] immer schon in einem gewach-senen strukturellen (und kulturellen) Kontext statt, der vieles ermöglicht, als geboten und sinn-voll erscheinen lässt, anderes dagegen als unangemessen und sinnlos. Es sind deshalb nicht nur Menschen, die organisieren; sondern an diesem ordnungsbildenden Geschehen ‚mitbetei-ligt‘ sind immer auch die gewachsenen Strukturen und die laufenden Kommunikations- und Be-ziehungsprozesse.“ (Rüegg-Stürm 2003, S. 53)

Dieses Phänomen der Pfadabhängigkeit berührt, wie in dem Zitat bereits anklingt, auch

die gewachsene Kultur einer Einrichtung.

Über Ordnung und Organisation hinaus bedarf eine Einrichtung auch eines Ordnungs-

moments, das einen gemeinsamen Sinnhorizont und ein gemeinsames explizites oder

implizites Hintergrundwissen verbürgt – die Kultur einer Einrichtung. Diese ist abzulesen

an symbolischen Bezugspunkten und Gewissheiten, die Orientierung im Alltag bieten,

Ordnung stiften und zur Routinisierung beitragen, wie Normen und Werte, Einstellungen

und Haltungen, Geschichten und Mythen, Denk-, Argumentations- und Interpretations-

muster, Sprachregelungen, kollektive Erwartungen und Hintergrundüberzeugungen. Auf

diese Kulturmomente wird im Arbeitsalltag meist unbewusst Bezug genommen und sie

werden durch diese Bezugnahme stets neu reproduziert.

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Die kulturbildenden Elemente in einer Einrichtung führen zu den dort wirksamen hand-

lungsleitenden oder praktizierten Theorien, während z. B. im Leitbild eher die vertretenen

oder verlautbarten Theorien dokumentiert sind. (vgl. Argyris und Schön 2008, S. 87 ff.,

Ridder 2009, S. 186 ff. und Senge 2011) So steht im Leitbild der KuK zu lesen, dass sie

sich als lernende Organisation versteht und weiter:

„Wir vertreten eine systemisch-ganzheitliche Sichtweise […]. Wir fördern die Professiona-

lität […] unserer Mitarbeiter […]. Unsere Angebote und Leistungen halten wir stets auf

dem jeweiligen Stand aktueller Erkenntnisse und Methoden Sozialer Arbeit […].“ (Kontakt-

und Krisenhilfe 2012, S. 2-4) Diese vertretenen Grundsätze sind bisher nicht oder nur

sehr eingeschränkt eingelöst worden und würden durch die Implementierung des SPSA

eingelöst werden. Die Diskrepanz zwischen den verlautbarten und oft auch erwünschten

Zuständen und der tatsächlich gelebten Alltagsrealität kann durch Prozesse und Techni-

ken des organisationalen Lernens aufgedeckt werden, worauf später noch zurückzukom-

men sein wird.

2.5.7 Prozesse

Das unter die Prämisse der Unterstützung von Professionalisierung gestellte QM kann

auch maßgeblich an der sinnvollen Ausgestaltung und Dokumentation der Prozesse, die

im neuen St. Galler Management-Modell als weitere Grundkategorie genannt werden,

beteiligt sein. Alle Klient/inn/en- und Anspruchsgruppenbezogenen (Wertschöpfungs-)

Aktivitäten einer Sozialen Einrichtung, genauso wie die dazu nötigen Unterstützungs- und

Führungstätigkeiten, werden als Prozesse erbracht, d. h. sie unterliegen einer bestimmten

sachlichen und zeitlichen Logik auf deren möglichst sinnvolle, effiziente und effektive Ge-

staltung es ankommt.

Die Gestaltung der organisationalen Ablaufstrukturen und somit der Prozesse kommt,

wenn man sich ihre Elemente anschaut, der Struktur der zu implementierenden ANHT

sehr nahe: Die Aufgabenkette bildet die wichtigsten Tätigkeiten/Aufgaben eines Prozes-

ses in der Reihenfolge ihres Ablaufs ab. Die Makroebene gewährt dabei einen Gesamt-

überblick über den Prozess, während auf der Mikroebene die Tätigkeiten/Aufgaben so

detailliert beschrieben werden, dass sie Arbeitsanweisungen an die MA gleichkommen.

Eine Tätigkeit oder Aufgabe ist eine Funktion der Einrichtung, die von Menschen ausge-

führt wird und von bestimmten Eingaben (Daten, Informationen) von Prozesslieferanten

(z. B. MA, Klient/inn/en, Kooperationspartner) anhängig ist. Dies wiederum muss zu be-

stimmten Leistungen oder Ergebnissen führen, die an interne oder externe Prozesskun-

den (z. B. MA, Klient/inn/en, Kooperationspartner) geliefert werden. In der KuK als Soziale

Einrichtung sind die Leistungen oder Ergebnisse vorwiegend immaterieller Natur. EDV-

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Dokumentations- und Informationssysteme können die Aufgabenerfüllung unterstützen.

Die Prozessführung dient der zeitlichen und fachlichen Priorisierung der Tätigkeiten, der

Feinabstimmung im Einrichtungs-Alltag und der Koordinierung und effizienten und effekti-

ven Nutzung der nötigen Ressourcen. Zur systematischen Optimierung werden die wich-

tigsten Prozesse mit Kennzahlen versehen. Die Prozessentwicklung schließlich soll für die

Gestaltung und kontinuierliche Weiterentwicklung einzelner Prozesse sorgen. Eine kon-

sequente Anwendung der Prozessperspektive führt zu dem Verständnis einer Einrichtung

als System von Prozessen, zwischen denen wechselseitige Abhängigkeiten und „Kunden-

und Lieferantenbeziehungen“ bestehen und das auch als Prozessarchitektur bezeichnet

wird. Diese Prozessarchitektur kann man in drei Prozesskategorien, die ihrerseits wieder

Teilprozesse beinhalten, differenzieren: Managementprozesse, Ausführungsprozesse und

Unterstützungsprozesse.

Die Implementierung der ANHT als Kernelement des SPSA im Arbeitsbereich ABW der

KuK erfordert auf der Ebene der Managementprozesse normative, strategische und ope-

rative Prozesse. Auf der normativen Ebene muss die Leitung die Implementierung der

ANHT fachlich begründen und legitimieren und die Kongruenz zu den im Leitbild postulier-

ten Normen und Werten diskutieren und verdeutlichen. Dabei ist es wichtig, die betroffe-

nen MA möglichst umfänglich mit einzubeziehen und dem Verständigungsprozess große

Sorgfalt zu widmen. Das strategische Management muss die Wichtigkeit einer vertieften

Professionalisierung und mithin eines nachhaltigen und tiefgreifenden Wandels z. B. vor

dem Hintergrund der Spar- und damit Änderungsbestrebungen des Hauptkostenträgers

LWL plausibel machen. Professionelle Kompetenzen machen unabhängiger z. B. von

vorgegeben Hilfeplanformularen und ähnlichen Vorgaben, die sich jederzeit ändern kön-

nen und versetzen die KuK darüber hinaus in die Lage, eigene Konzepte nicht nur zügig

entwickeln, sondern auch fachlich legitimieren zu können. Auf der Ebene des operativen

Managements muss dafür gesorgt werden, dass das Erlernen und die Beherrschung der

ANHT, so wie die Integration weiterer Ebenen des SPSA während und parallel zum lau-

fenden Alltagsgeschäft gewährleistet wird. Die Managementprozesse folgen idealtypisch

einem iterativen Zyklus, wie dem Deming- oder PDCA-Zyklus35, der auf Reflexion und

Generierung von Ideen und Orientierungswissen, auf die Identifikation konkreter Ziele und

verbindlicher Zielvereinbarungen, auf die Operationalisierung der Ziele in Richtung von

Aktivitäten und Routinen des Arbeitsalltags und auf regelmäßiges Feedback und Evaluie-

rung der Wirksamkeit der veranlassten Maßnahmen ausgerichtet ist.

Die Prozesskategorie der Ausführungsprozesse haben es mit dem praktischen Vollzug

der Kernaktivitäten einer Sozialen Einrichtung zu tun, die unmittelbar auf die Stiftung ei- 35 Der DIN EN ISO 9001:2008-Norm liegt auf allen Ebenen der auf William Edwards Deming zurückgehende iterative PDCA-Zyklus als Systematik zur kontinuierlichen Verbesserung (KVP) zugrunde.

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nes Nutzens oder Mehrwertes in erster Linie für die Klientel aber auch für die übrigen re-

levanten Anspruchsgruppen und Kooperationspartner ausgerichtet sind. Hier kann man

drei Kategorien unterscheiden: Die Klient/inn/en-Prozesse, Die Leistungserstellungspro-

zesse und die Leistungsinnovationsprozesse. Zu den Klient/inn/en-Prozessen zählen all

die Aktivitäten, die mit Akquise und Kontaktaufnahme, Erstgesprächen, Anamnese und

Diagnose, Kontaktpflege zu Kooperationspartnern (hier im Zusammenhang mit Akquise),

Nachbereitung einer Betreuungsbeziehung und Vermittlung zu anderen Hilfeanbietern etc.

zu tun haben. Die versierte Handhabung der ANHT würde zu einem fachlich höheren Ni-

veau all dieser Tätigkeiten und damit auch zu einer entsprechend verbesserten, kompe-

tenteren Außenwirkung führen. Die Leistungserstellungsprozesse sollen gewährleisten,

dass den Klient/inn/en professionell und wirkungsvoll geholfen wird und die Leistungsin-

novationsprozesse sollen zu einer systematischen Verbesserung der Leistungserstel-

lungsprozesse zum Nutzen der Klient/inn/en führen. Die Implementierung der ANHT und

die kontinuierliche Integration aller für das ABW relevanten Elemente de SPSA wären

solche Innovationsprozesse.

Die Kategorie der Unterstützungsprozesse umfasst die Bereitstellung der notwendigen

Infrastruktur, die Beschaffung der nötigen Ressourcen und die Erbringung interner Dienst-

leistungen zur effektiven und effizienten Gewährleistung der Ausführungsprozesse. Hierzu

gehören neben Prozessen zur internen und externen Kommunikation (auch Corporate

Identity und Öffentlichkeitsarbeit), der Informationsbewältigung und der Infrastrukturbe-

wirtschaftung – vor allem im Zusammenhang mit dem hier behandelten Thema – Prozes-

se der Personalarbeit und Bildungsarbeit. Zur Personalarbeit zählen die Entwicklung und

die Beurteilung der MA und zur Bildungsarbeit die systematische Weiterqualifizierung der

MA und der Ausbau einer förderlichen Lehr- und Lernkultur der Einrichtung. Personalar-

beit und Bildungsarbeit im Zusammenhang mit der Einführung der ANHT in der KuK be-

rühren unmittelbar Fragen der Organisationsgestaltung und -entwicklung.

Wenn man in einer Einrichtung Veränderungen vornehmen will, indem man Änderungen

an den Prozessen vornimmt, muss man zwangsläufig an die Gewachsenen Ordnungs-

momente (Strategie, Struktur, Kultur) anknüpfen und kann nicht Top-Down in technizisti-

scher Manier die Einrichtung „umkrempeln“. Im Grunde wird man an beiden Stellen paral-

lel anknüpfen müssen. Zwischen den Ordnungsmomenten und den Prozessen besteht ein

zirkulärer Wirkungszusammenhang und eine Wechselwirkung „weil Ordnungsmomente

[…] immer sowohl Mittel (im Sinne von ‚Strukturierungshilfen‘) für geordnetes Alltagsge-

schehen als auch Ergebnisse dieses organisationalen Alltagsgeschehens sind.“ (Rüegg-

Stürm 2003, S. 79)

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2.5.8 Entwicklungsmodi

Die Grundkategorie Entwicklungsmodi mit ihren beiden Aspekten Erneuerung und Opti-

mierung betrifft die Notwendigkeit von Organisationen, auf sich verändernde Umweltbe-

dingungen angemessen und rechtzeitig zu reagieren. Für den Sozialen Bereich sind in

dieser Arbeit bereits wesentliche Bereiche des sozialen und gesellschaftlichen Wandels

genannt worden, mit denen Soziale Einrichtungen umgehen müssen. Angesprochen sind

hier wiederum Fragen der Organisationsgestaltung und -entwicklung, der Personalent-

wicklung und der grundsätzlichen Lernbereitschaft und -fähigkeit in und von Sozialen Ein-

richtungen (organisationales Lernen).

Was den organisationalen Wandel betrifft unterscheidet das neue St. Galler Management-

Modell zwischen Optimierung und Erneuerung. Diese Unterscheidung entspricht der zwi-

schen einem Wandel erster Ordnung gegenüber dem Wandel zweiter Ordnung

(Watzlawick, Weakland und Fisch 1992) oder dem Single-loop-Learning gegenüber dem

Double-loop-Learning (Argyris und Schön 2008). In der Entwicklung von Einrichtungen

wechseln sich in der Regel Phasen von evolutionären, inkrementalen Änderungen im Sin-

ne eines „Finetunigs“ mit revolutionären und radikalen Phasen der grundlegenden Erneu-

erung ab. Analog zu der erwähnten zirkulären Wechselwirkung von Prozessen und Ord-

nungsmomenten wäre hier auch das Change Modell von Kurt Lewin zu nennen, das den

Phasenwechsel zwischen Optimierung und Erneuerung mit den Termini Unfreezing, Mo-

ving und Refreezing erklärt: Beim Unfreezing wird das bestehende Gleichgewicht erschüt-

tert (Erneuerung) und dadurch die Bereitschaft der MA zur Veränderung „provoziert“. Aus-

löser können extern induzierte Krisen oder interne Einsichten in einen Änderungsbedarf

sein. In der Phase des Moving werden Strukturen verändert und neue Verhaltensweisen

eingeübt und man bewegt sich allmählich wieder in die Richtung eines neuen Gleichge-

wichtszustandes. Refreezing meint dann die Stabilisierung eines neuen Gleichgewichtes:

Neue Strukturen und Verhaltensweisen werden als regelhaft akzeptiert und es werden nur

noch Optimierungen vorgenommen (vgl. Ridder 2009, S. 166).

Von einer Erneuerung kann gesprochen werden, wenn anhand von normativen und stra-

tegischen Entwicklungsprozessen das kollektive Selbstverständnis, die gemeinsame Iden-

tität und der gemeinsame Sinnhorizont der MA spürbar tangiert wird und aus diesen Pro-

zessen neue Diskurse, sowie Denk- und Deutungsmuster entstehen. Der Versuch, den

MA des ABW in der KuK zu einer professionellen Herangehensweise im Sinne des SPSA

durch die Einführung der ANHT zu verhelfen stellt in diesem Bereich eine grundlegende

Änderung dar, die für nicht wenige MA mit der Aneignung grundlegend neuer Fähigkeiten

verbunden ist. Die Entwicklung neuer kollektiver und damit auch individueller Fähigkeiten

der MA steht in Verbindung mit der Herausbildung neuer organisationaler Routinen. Das

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bedeutet, dass eine Erneuerung einen strategischen Wandel voraussetzt, der zum Aufbau

neuer Kernkompetenzen führt. Erneuerung hat somit mehr oder weniger starke Auswir-

kungen auf und steht in Wechselbeziehung zu allen anderen Grundkategorien des neuen

St. Galler Management-Modells.

2.6 Professionalisierung als Aufgabe des Managements

2.6.1 Vorüberlegungen

Nach der Darstellung des neuen St. Galler Managementmodells als Metamodell und Ori-

entierungsrahmen für die angestrebten Veränderungen in der KuK werden nun beispiel-

haft zwei spezielle Handlungstheorien vorgestellt, die dem Verfasser für die methodische

Umsetzung der Implementierung der ANHT im Arbeitsbereich ABW der KuK besonders

geeignet erscheinen. Es handelt sich um das Organisationale Lernen36 und das Führen

durch Zielvereinbarungen (FdZ).

Ein naheliegender Anlass für die folgenden Überlegungen zur Verbesserung der Lernfä-

higkeit innerhalb der KuK unter Einbeziehung der Methode FdZ ist die Implementierung

der ANHT. Dabei soll an die bisherigen Bemühungen um strukturelle Anpassungen und

Verbesserungen, deren Notwendigkeit sich aus der geschilderten Entwicklung der KuK

ergeben hatte, angeknüpft werden. Diese Bemühungen waren bisher eng verknüpft mit

dem Aufbau eines QMS. Dabei muss künftig, im Zusammenhang mit den notwendigen

Reflexionen zum SPSA, darauf geachtet werden, dass fachlich-professionelle Aspekte

Vorrang haben:

„Bei allen Fragen der Qualität in der Sozialen Arbeit ist darauf zu achten, […] die Mitarbeitenden in Einrichtungen und Unternehmen in die Entwicklung fachlicher Verfahren einzubeziehen, sie dafür zu qualifizieren sowie die Definition von Qualität nicht an den verknappten Ressourcen al-leine auszurichten. Bei der Wahl von Methoden zur Realisierung von Qualitätsmanagement muss immer betrachtet werden, inwiefern diese die fachliche Reflexion der geleisteten Arbeit unterstützen, die Zuverlässigkeit und Klientenorientierung gewährleisten und den Blick auf die sozialrechtlichen, sozialräumlichen und sozialpolitischen Rahmensetzungen nicht vernebeln.“ (Vomberg 2010, S. 24; Hervorh. J.W.)

Ein QMS nach DIN EN ISO 9001:2008 beinhaltet Elemente und Grundsätze, die sowohl

mit den Voraussetzungen für eine lernfähige Organisation als auch mit denen eines FdZ

korrelieren. Der DIN-Norm liegt beispielsweise auf allen Ebenen der auf William Edwards

Deming zurückgehende iterative PDCA-Zyklus als Systematik zur kontinuierlichen Ver-

besserung (KVP) zugrunde.

36 Genau genommen gibt es mehrere Theorien des organisationalen Lernens, aus denen aber für den hier interessierenden Zweck sozusagen das Prinzip, das den unterschiedlichen Ansätzen zugrunde liegt, herausdestilliert werden soll, und gleichsam als einzelner Ansatz behandelt werden soll.

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„Unter dem Aspekt der stetigen Weiterentwicklung muss das Qualitätsmanagementsystem so angelegt sein, dass es selbstreflexive Prozesse für die gesamten organisationsentwicklerischen Bezüge auf sozialarbeiterisch-fachlicher Basis beinhaltet. […] Qualitätsmanagement hilft einem solchen […] Verständnis von Qualität und Professionalität dabei, Routinen zu entwickeln, die die Wirksamkeit des personalen Handelns reflektieren und praktisches Handeln habitualisieren. Einen Einfluss auf die Qualität des pädagogischen Wissens und Könnens von Fachkräften hat es insofern, als es Mechanismen vorsehen kann, die Defizite diagnostizieren helfen und Abhilfe einleiten können.“ (Vomberg 2010, S. 34-35; Hervorh. J.W.)

So ist es naheliegend bei der Aufnahme und Beschreibung der Ausführungsprozesse im

ABW die Struktur der ANHT in den Mittelpunkt der Überlegungen zu stellen. Die Entwick-

lung der Ausführungsprozesse geschieht bei der KuK in Projektgruppenarbeit; dieses

Vorgehen eröffnet gute Möglichkeiten für die beteiligten MA, sich mit den fachlich-

professionellen Implikationen der ANHT auseinanderzusetzen. Des Weiteren fordert die

ISO-Norm, u. a. anhand der Implementierung von Qualitätszielen, eine entsprechend ziel-

gerichtete Ausrichtung aller relevanten Prozesse und Abläufe. Insbesondere in der DIN

EN ISO 9004:2009, die als Leitfaden zur Verbesserung der Wirksamkeit und Effizienz des

QMS dienen soll, wird die Relevanz der Zufriedenstellung aller relevanten Anspruchs-

gruppen und Kooperationspartner hervorgehoben. Hier wiederum liegt eine Schnittstelle

zu einer weiteren speziellen Handlungstheorie des Managements, des Marketings, das

sich primär an den Bedürfnissen und Anforderungen des Marktes und damit der An-

spruchsgruppen und Kooperationspartner ausrichtet. Unter dem Blickwinkel der Notwen-

digkeit einer kontinuierlichen Verbesserung auch bei der Marktausrichtung führt Harald

Christa aus:

„Diese Leitidee korrespondiert stark mit den Maßgaben des Qualitätsmanagements wie Fehler-freiheit, optimale Prozessgestaltung, Integration von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Die Perspektive des Marketings verweist jedoch in besonderem Maße auf das Gebot der opti-malen Kundenausrichtung von organisationalen Prozessen und Hervorbringungen.“ (Christa 2010, S. 23)

Als illustratives Beispiel und Anlass sowohl für die lernende Überwindung von Diskrepan-

zen zwischen proklamierten Leitideen (Leitbild) einerseits und von den MA gelebtem Ver-

halten andererseits soll im Folgenden das aus dem Bereich der Marketinglehre stammen-

de Konzept des Corporate Behaviour dienen. Im Zusammenhang damit wird zudem

nochmals auf das Leitbild der KuK hingewiesen, das im Zuge der QMS-Implementierung

entstanden ist und eine wesentliche Rolle für die Einführung des FdZ spielt. Im Fokus

stehen somit der Umgang mit und die Überwindung von Diskrepanzen im Spannungsfeld

von individueller MA- und Organisationsebene, hier besonders in Bezug auf vorhandene

oder nicht vorhandene Professionalität.

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2.6.2 Organisationales Lernen

„Lernen wird oft als Verhaltensänderung begriffen, die als Reaktion des Organismus auf

Umweltveränderungen entsteht.“ (Ridder 2009, S. 179) Ob Organisationsmitglieder – von

der Führungsspitze bis zur Hilfskraft – in unterscheidlichen Ausmaß ein Interesse an der

Veränderung ihrer Organisation haben oder dafür gewonnen werden können, hängt von

der jeweils wahrgenommenen, von ihnen erwarteten Auftragserfüllung ab und ob sie

dieser (noch) gerecht werden können.

„Die Organisationsmitglieder sind […] mit Stakeholdern verbunden […], die von außerhalb (als Finanz- und Auftraggeber, als Klientel und Öffentlichkeit) mit der Organisation eng verbunden sind und nicht vernachlässigt werden können. Somit gehen in die Interessen der Organisationsmitglieder eine Vielfalt von Interessen ein, die nicht nur persönlichen Wünschen entspringen, sondern eine Verarbeitung von erkannten Anforderungen und berechtigten Ansprüchen sind.“ (Wöhrle 2005, S. 75)

Die Ansprüche der aus Organisationsperspektive maßgeblichen Anspruchsgruppen und

Kooperationspartner fließen in der Regel in ein Leitbild ein und so verhält es sich auch mit

dem Leitbild der KuK, das im Zusammenhang mit der QMS-Implementierung unter Einbe-

ziehung aller MA entstanden ist. Das Leitbild enthält neben der Mission und den Werten

der Einrichtung auch normative Ziele, von denen wiederum über den Weg der Qualitäts-

politik die Qualitätsziele abgeleitet werden müssen, die sich auf der Ebene von strategi-

schen Zielen befinden. Eine Qualitätspolitische Aussage, die sich aus der Leitbildformulie-

rungen: „Wir achten auf hohe Fachkompetenz und Qualität unserer Hilfen. […] Wir fördern

die Professionalität […] unserer Mitarbeiter.“ (Kontakt- und Krisenhilfe 2012, S. 3) ableiten

ließe, könnte etwa lauten: „Unsere Aufmerksamkeit und unser Bestreben als lernfähige

Organisation sind auf eine Weiterentwicklung unserer Gesamtleistung und -wirkung aus-

gerichtet. Wir sorgen für eine systematische Professionalisierung unserer Mitarbeiter und

unserer Gesamteinrichtung.“ Ein daraus abgeleitetes Qualitätsziel wäre: „Wir führen zu-

nächst im Arbeitsbereich des Ambulant Betreuten Wohnens bis zum … die Allgemeine

Normative Handlungstheorie inklusive der Systemischen Denkfigur ein.“ Dann müssten

noch entsprechende Aussagen darüber getroffen werden, wie dieses Ziel erreicht werden

soll und woran man die Zielerreichung feststellen will (Kennzahlen bzw. -größen).

Die Lernfähigkeit einer Einrichtung ist u. a. dann gefragt, wenn Reden und Handeln einer

Vielzahl von MA einerseits und proklamierte Ziele andererseits auseinanderfallen, sich

widersprechen oder eine solche Entwicklung droht.

„[W]ährend auf der Ebene des ‚talk‛ eine symbolische Integration der Erwartungen der Umwelt vollzogen wird, kann auf der Ebene des ‚action‛ in einer abgestuften Widersprüchlichkeit des Handelns eine praktische Distanzierung von den institutionalisierten Erwartungen erfolgen […]. […] ‚Diskrepanzerfahrungen‛ entstehen bei den Organisationsmitgliedern dann, wenn sie eine Spannung zwischen dem vorhandenen Zustand (den vermeintlichen Gegebenheiten) einer Or-

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ganisation und einem von ihnen als Soll definierten Zustand in der Organisation wahrnehmen und wenn diese Wahrnehmung als so störend empfunden wird, dass die Spannung zu Verän-derungswünschen führt.“ (Merchel 2005, S. 18-19)

Lernen kann in diesem Zusammenhang bedeuten, dass wenn nur einige

Organisationsmitlglieder die Diskrepanzen wahrnehmen und den Wunsch nach

Veränderung verspüren, Möglichkeiten gefunden werden müssen, den anderen zu der

entsprechenden Wahrnehmungsfähigkeit zu verhelfen. Aus der systemischen

Organisationsberatung stammt der Begriff der Irritationen von operationell geschlossenen

Systemen (vgl. Gairing 2008, S. 184-185). Durch Routine verfestigte Handlungsmuster,

Denkweisen und andere Aspekte der Organisationsstrukturen und -kultur sind häufig

schwer durch rein sachlogische Argumente zu erschüttern. Eine mögliche

Vorgehensweise in der KuK wäre es, an die bestehenden Unsicherheiten und

Unzufriedenheiten im Arbeitsalltag mit den Klient/inn/en anzuknüpfen und einen

Zusammenhang mit dem bisherigen professionellen Selbstverständnis der betreffenden

MA herzustellen bzw. Reflexionen zu einem solchen Zusammenhang anzuregen – oder

zu provozieren.

Die hier angesprochenen Diskrepanzerfahrungen werden in den Untersuchungen von

Chris Argyris und Donald A. Schön zur lernenden Organisation auf die Begriffe der

„Espoused Theories“ („vertretene“ Theorien) und „Theories-in-Use“ („handlungsleitende“

Theorien) gebracht (vgl. Argyris und Schön 2008, S. 87 ff. und Ridder 2009, S. 186 ff.).

Auch zahlreiche andere Autoren haben dieses Denkmodell übernommen. So spricht Peter

M. Senge im Zusammenhang mit der von ihm so genannten „Disziplin der mentalen

Modelle“ von „verlautbarter versus praktizierter Theorie“: „Lernen führt letzten Endes zu

einem veränderten Verhalten, und eine grundlegende reflexive Fähigkeit besteht darin,

Lücken zwischen dem, was wir sagen und dem, was wir tun als Vehikel zu nutzen, um

bewusster zu werden.“ (Senge 2011, S. 209) Senge empfiehlt Organisationen die

Förderung von „Reflexionsfertigkeiten“ und „Erkundungsfertigkeiten“ der MA37:

„[…] das Erkennen der Unterschiede zwischen den verlautbarten Theorien (das, was man sagt) und den praktizierten Theorien (die dem Handeln zugrunde liegende Theorie), das Erkennen von ‚Abstraktionssprüngen‛ (zu bemerken, wenn man seine Beobachtungen verallgemeinert), das Offenlegen der sogenannten ‚linken Spalte‛ (dass man ausspricht, was man normalerweise verschweigt […]), das Gleichgewicht von Erkunden und den eigenen Standpunkt vertreten (Fertigkeiten für eine ehrliche Untersuchung).“ (Senge 2011, S. 207)

Im Wesentlichen geht es dabei darum – um die Begrifflichkeiten von Argyris und Schön

bzw. Bateson wieder aufzugreifen – von einem meistenteils im Organisationsalltag am

ehesten praktizierten „Single-loop-Learning“ zu einem „Double-loop-Learning“ oder gar

37 Vgl. dazu auch die Ausführungen von Staub-Bernasconi zu „dem Reflektierenden Praktiker/der reflektierenden Praktike-rin“ (Staub-Bernasconi 2009, S. 37-38)

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„Deutero-Learning“ (vgl. Ridder 2009, S.187 ff.) zu gelangen. Das auf operative

Anpassungen abzielende

„Single-loop-Learning (‚Einkreislernen‛) basiert auf der Vorstellung eines (sozialen) Regelkreises. Innerhalb eines festgelegten Bezugsrahmens, der vor allem die Definition des ‚richtigen‛ Systemzustandes (Sollzustand) enthält, werden allfällige Abweichungen registiriert und korrigiert. Die Definition des ‚richtigen‛ Systemzustandes wird mit der – schon erwähnten – kollektiven Handlungstheorie (‚theory-in-use‛) geleistet; den Sollzustand aufrechtzuerhalten in einer sich ständig verändenden Umwelt, ist das eigentliche Ziel des ‚Einkreislernens‛.“ (Schreyögg 2008, S. 445)

Einkreis- oder auch Anpassungslernen findet in der KuK z. B. im Zusammenhang mit

Team-Besprechungen, kollegialer Beratung und teilweise auch in Supervisionssitzungen

statt. Die handlungsleitenden Theorien setzen sich dabei aus einer Kombination von

Elementen gewachsener Einrichtungskultur, Alltagstheorien und fragmentarischen

Wissensbeständen aus Ausbildungen und Fortbildungen zusammen.

Auf einer formal höheren Ebene des Lernens ist das Double-loop-Learning angesiedelt.

Hier geht es darum, über die Gültigkeit und Zweckmäßigkeit der der kollektiven

Handlungstheorie zugrundeliegenden Ziele, Werte und Normen zu reflektieren und diese

gegebenenfalls zu verändern: „Die (formale) Höherrangigkeit des Zweikreislernens wird

dadurch deutlich, dass im Rahmen dieser Lernprozesse der Kontext für Prozesse des

Single-loop-Learnings geändert wird.“ (Schreyögg 2008, S. 446; Hervorh. J.W.) Ein neuer

Kontext in der KuK wäre die Einführung der ANHT in das ABW und darauf aufbauend die

weiteren Elemente des SPSA.

Beim Deutero-Lerarnig geht es schließlich darum, auf die Erfahrungen mit Single- und

Double-loop-Lernprozessen zurückzugreifen, diese auf einer Metaebene zu reflektieren

und im Sinne eines „Lernen lernens“ als Organisation auf Dauer entwicklungs- und

lernfähig zu bleiben: „Deutero-Lernen soll […] verhindern helfen, dass organisationales

Lernen lediglich als Abfolge einzelner Episoden ohne Zusammenhang im alltäglichen

Handeln begriffen wird. Es soll aber auch sicherstellen, dass sich Organisationen

kontinuierlich lernbereit halten.“ (Schreyögg 2008, S. 447; Hervorh. J.W.)

Joachim Merchel versteht unter lernfähigen Organisationen solche, die sich zum Lernen

qualifizieren und von dieser Qalifikation relativ kontinuierlich Gebrauch machen. Dies sei

„angemessener mit dem Begriff der ‚Lernfähigkeit‛ gekennzeichnet als mit der

Beschreibung, dass Organisationen sich in einem Lernprozess befinden (‚lernende

Organisation‛).“ (Merchel 2005, S. 143-144) Um lernfähig zu werden und zu bleiben ist es

für Einrichtungen erforderlich

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„[…] dass sie die Wirkungen der individuellen Lernprozesse nicht allein dem Zufall überlassen, sondern bestrebt sind, die individuellen Lernprozesse und Lernergebnisse aufeinandner zu beziehen und in prozessual verankerten, also institutionalisierten Verfahren Lernprozesse zu initiieren, die die gesamte Organisation erfassen und die mehr sind als die Summe der jeweils individuellen Lernvorgänge.“ (ebd., S. 147)

Als Voraussetzungen für die Lernfähigkeit von Organisationen müssen individuelle

Lernvorgänge und organisationale Ebene verknüpft werden, regelmäßige individuelle und

kollektive Reflexionsanlässe und -räume geschaffen werden und für eine kontinuierliche

oder periodisch geregelte Wissensaufnahme, -weitergabe und -reflexion gesorgt werden

(vgl. ebd, S.147 ff.).

„Leitung muss also beides gleichermaßen in den Blick nehmen: das Schaffen von Orten innerhalb der Organisationen, an denen Reflexion stattfinden kann und an denen Reflexion herausgefordert wird, und das Erzeugen eines reflexionsfördernden Organisationsklimas, das die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die zur Verfügung gestellten Orte auch für produktives Lernen genutzt werden.“ (ebd., S. 166)

Diese Aussagen betreffen die erwähnte Wechselwirkung zwischen den Kategorien der

Prozesse und denen der Ordnungsmomente. Hier sind einerseits besonders die durch

strategische Entscheidungen initiierten Managmentprozesse (operative

Führungsprozesse) und Unterstützungsprozesse (der Personal- und Bildungsarbeit)

angesprochen, deren Modifikation sich auf die Einrichtungskultur und die Strukturen

auswirkt und andererseits muss auch auf letztere eingewirkt werden, damit diese auf die

Prozessebene zurückwirken können.

Hier rückt nochmals der Zusammenhang zwischen der Etablierung einer organisationalen

Lernfähigkeit und der Implementierung eines QMS in den Blick: Lernorte, Lernanlässe

und Reflexionsräume sind in diesem Zusammenhang beispielsweise Projektgruppen zum

Aufnehmen und Beschreiben von Kernprozessen, Qualitätszirkel, Anregungen aus dem

Beschwerdemanangement, Anregungen aus MA-Umfragen etc.

Für die ABW-Teams der KuK sind als fester Team-Top „Leitbildimpulse“ in der

Vorbereitung, die Anlass zur Reflexion über Diskrepanzen zwischen der Espoused

Theorie des Leitbildes und den Theories-in-Use der MA geben sollen. Dieser Versuch

knüpft an das kommunikationspolitische Marketinginstrument des Corporate Behaviour an

(vgl. Christa 2010, S. 272 ff.), bei dem es in erster Linie darum geht, ob es gelingt, die

proklamierten Werte, Normen und Ziele der Einrichtung glaubhaft durch die individuellen

MA repräsentiert zu finden. Auch dies stellt eine Möglichkeit dar, für die erwähnten

Irritationen bestehender Denk- und Handlungsmuster zu sorgen.

Bezug nehmend auf die von Senge beschriebene Kerndisziplin einer lernfähigen

Organisation, der „Personal Mastery“, führt Merchel aus:

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„Da Organisationen von der Lernfähigkeit der in ihr wirkenden Individuen abhängig sind, müssen sie sich um das persönlichkeitsbezogene ‚Wachstum ihrer Mitglieder‛ kümmern. Lernfähige Organisationen veranlassen ihre Mitarbeiter, ihre persönlichen Kompetenzen zu verbessern, eigene Ziele zu entwickeln und sie in den Zusammenhang der Organisation einzubringen, für den Gesamtzusammenhang der Organisation eigenes Lernen zu intensivieren.“ (Merchel 2005, S. 158; Hervorh. J.W.)

Der Zusammenhang zwischen Lernfähigkeit und Orientierung klingt hier bereits an und

führt zu den Überlegungen, inwiefern die Methode FdZ ergänzend zu den genannten

Lernanlässen und Reflexionsräumen zu einer Lernfähigkeit der Organisation über den

Weg der individuellen MA beitragen kann. Die Aussage „Lernen benötigt eine Richtung.“

(Wöhrle 2005, S. 60) markiert die entscheidende Schnittstelle zum FdZ, denn

„Organisationales Lernen ist […] eine ökonomische Metapher, mit deren Hilfe geprüft

wird, ob Verhalten geändert wird und Wissen gespeichert werden kann, um

Unternehmensziele zu verfolgen.“ (Ridder 2009, S. 182; Hervorh. J.W.)

2.6.3 Führen durch Zielvereinbarungen

FdZ ist ein partizipativer Leitungsmodus, der sich besonders anbietet

„[…] wenn Organisationen weniger Routineaufgaben, sondern zu einem erheblichen Anteil komplexe Aufgaben zu bewältigen haben und wenn in der Organisation ein hoher Anteil von qualifizierten Mitarbeitern mit einem professionellen Selbstbewusstsein38 tätig ist.“ (Merchel 2005, S. 94)

Beides trifft im Arbeitsbereich ABW der KuK zu. Die Umstände der komplexen und indivi-

duellen Aufgabenbewältigung wurden unter dem Gliederungspunkt 2.3.1 bereits genannt.

Die wesentlichen Prinzipien des FdZ sind:

� Die Ableitung von individuellen MA-Zielen aus übergeordneten Zielen,

� eine Zielkaskadierung von Normativen Zielen an der Spitze (z. B. Leitbild) über

Grundsatzziele (z. B. Qualitätspolitik), Strategische Ziele (z. B. Qualitätsziele), Be-

reichsziele, Teamziele bis hinunter zu individuellen MA-Zielen und

� eine vertikale (Zweck-Mittel-Beziehung) und horizontale (Widerspruchsfreiheit)

Abstimmung der Ziele miteinander (vgl. Watzka 2011, S. 26 ff.).

38 Das freilich – um es nochmals zu betonen – irritiert werden muss.

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Diesen Prinzipien folgend, lassen sich die Phasen von Zielvereinbarungsprozessen gra-

fisch wie folgt darstellen:

Abbildung 18: Phasenschema des MbO. (Watzka 2011, S. 34)

Es fällt auf, dass auch FdZ-Prozesse sich als Zyklen erweisen, ähnlich dem PDCA-

Zyklus, somit ebenfalls iterative Prozesse darstellen und daher an die mit dem QMS ver-

bundenen Bestrebungen, einen Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) zu etablie-

ren, anschlussfähig sind.

Der erstmals 1954 von Peter Drucker eingeführte und ab 1965 von George S. Odiorne

popularisierte Leitungsmodus (vgl. Staehle 1999, S. 852) erfordert, „[…] Aufgaben- und

Beziehungsorientierung integrativ zu sehen und sowohl betriebliche als auch individuelle

Ziele gemeinsam zu optimieren.“ (Staehle 1999, S. 853) Dabei kann man in Sozialen

Einrichtungen von einer Dominanz der Sachziele ausgehen, da primär keine

Gewinnerzielung intendiert wird, sondern vielmehr die möglichst optimale und

ausgewogene Bedarfsdeckung der Klientel und der Anspruchsgruppen und

Kooperationspartner (vgl. Stoll 2008, S. 25). Hinsichtlich der Zielarten bietet sich

beispielsweise folgende Differenzierung an:

� Oberziele in Gestalt des Leitbildes, der Qualitätspolitik und der Qualitätsziele., wie

bereits beschrieben.

� Leistungswirkungsziele, die die intendierten Wirkungen der angebotenen Dienst-

leistungen auf die Klient/inn/en und Anspruchsgruppen/Kooperationspartner for-

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mulieren und sich auf Zustands- und Verhaltensänderungen beziehen. Während

es bei den Klient/inn/en z. B. um „Verhinderung, Linderung oder Lösung ihrer kon-

kreten Sozialen Probleme“ oder „Normalisierung der Lebensverhältnisse“ gehen

kann, könnte eine erhöhte Spendenbereitschaft bei potentiellen Geldgebern im

Fokus stehen.

� Leistungserbringungsziele beziehen sich auf die fachliche Ausgestaltung der

Dienstleistungen, also z. B. auf die sichere Beherrschung der ANHT inklusive der

SDF.

� Potentialziele sind Ziele im Hinblick auf die zur Dienstleistungserstellung benötig-

ten Ressourcen. Dabei kann es sich auch um Fortbildungsbedarf einzelner MA

oder MA-Gruppen handeln, z. B. hinsichtlich bezugswissenschaftlicher und/oder

methodischer Inhalte im Rahmen des SPSA.

� Verfahrensziele sind eng verknüpft mit den Anforderungen eines QMS und neh-

men in den Blick, wie prozessual unter Berücksichtigung der Ressourcen Anforde-

rungen in Ergebnisse transferiert werden können.

� Formalziele schließlich sind in der Regel qualitativer Art und fokussieren z. B. die

Forderungen nach Effizienz, Effektivität und Anpassungsfähigkeit (vgl. Stoll 2008,

S. 25 ff.).

Letztere Ausführungen weisen auch beim Leitungsmodus FdZ auf eine Verbindung zum

QMS einerseits und zum Marketinginstrument des Corporate Behaviour andererseits hin.

Um zugleich eine Orientierungs- und eine Motivationsfunktion für MA erfüllen zu können,

die Transparenz innerhalb der Einrichtung zu erhöhen und die Leistungs- und Lernbereit-

schaft der MA zu erhöhen (vgl. Merchel 2010, S. 96) müssen die zwischen Leitungsper-

sonen und MA ausgehandelten Ziele aufgrund eigener Bemühungen von den MA erreich-

bar sein (es muss also immer der mögliche Einfluss Dritter mitbedacht werden), müssen

Anforderungscharakter haben und eine Herausforderung darstellen (nicht über- oder un-

terfordern), müssen eindeutig und für die MA nachvollziehbar formuliert sein, müssen eine

Auswertung zum Grad der Zielerreichung ermöglichen und die Vereinbarung von Zielen

muss mit überschaubaren Zeiträumen verbunden sein. Bei der Zielformulierung kann man

das aus QMS-Zusammenhängen bekannte Akronym S.M.A.R.T.H zu Hilfe nehmen, das

besagt, dass Ziele spezifisch, messbar, akzeptabel/attraktiv, realistisch, terminiert und

herausfordernd formuliert werden sollten (vgl. Merchel 2010, S. 101 ff.).

Zielvereinbarungsgespräche bedürfen der schriftlichen Dokumentation mindestens jeweils

am Anfang und am Ende eines Zielvereinbarungszyklus.

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„In idealtypischer Weise sind Zielvereinbarungen das schriftlich dokumentierte Ergebnis eines dialogischen Prozesses, in dem Ziele für einen Zeitraum definiert, Indikatoren für das Beurteilen des Grades der Zielerreichung benannt, Voraussetzungen für die Zielerreichung angegeben, genaue Anforderungen an die Unterstützung durch Leitung formuliert, Formen der Ergebniskon-trolle vereinbart, sowie Zeitpunkt und Formen der Ergebniskontrolle (ggf. auch für ‚Zwischenbi-lanzen‛) bezeichnet werden.“ (Merchel 2010, S. 100-101)

Insbesondere die Aspekte des dialogischen Charakters von Zielvereinbarungen und der

Unterstützungsmöglichkeit durch Leitung legen eine Einbettung von Zielvereinbarungsge-

sprächen in MA-Entwicklungsgespräche nahe. Solche Gespräche bieten zudem die Mög-

lichkeit, bereits vorhandenes Wissen und vorhandenen Kenntnisse relevanter Bezugswis-

senschaften und spezieller Handlungstheorien (Methoden) bei den einzelnen MA zu er-

heben und in der Folge für die übrigen MA fruchtbar zu machen.

2.6.4 Verbindung von organisationaler Lernfähigkeit und FdZ

FdZ im Rahmen von jährlichen MA-Entwicklungsgesprächen kann einer der für die Lern-

fähigkeit von Einrichtungen notwendigen Reflexionsräume darstellen: „Während die All-

tagskommunikation auf operative Fragen ausgerichtet ist, bedarf es eines Ortes, an dem

dabei vernachlässigte elementare Fragen des Verhältnisses von Individuum und Organi-

sation zum Gegenstand von Kommunikation und Reflexion gemacht werden können.“

(Merchel 2010, S. 85)

FdZ, so die Überzeugung des Verfassers, birgt einerseits das Potenzial, ganz entschei-

dende Voraussetzungen für die Lernfähigkeit einer Einrichtung zu schaffen und anderer-

seits den Leitungsverantwortlichen wichtige Informationen über Lern- und Entwicklungs-

bedarfe der MA zu liefern, aber auch Informationen über strukturelle Mängel in der Ein-

richtung bis hin zu Defiziten bei den formulierten Zielen der Organisation. Die genannte

Voraussetzung eines reflexionsförderlichen Organisationsklimas beispielsweise hängt

zusammen damit, ob es gelingt ein Grundklima von Vertrauen und Fehlerfreundlichkeit

herzustellen und aufrecht zu erhalten. Fehlerfreundlichkeit bedeutet für die einzelnen MA

das Vertrauen darin, dass individuelle Fehler in erster Linie zu gemeinsamen Überlegun-

gen darüber führen, was insgesamt in der Einrichtung verbessert werden muss. In perio-

disch stattfindenden Zielvereinbarungsgesprächen können MA solche Erfahrungen ma-

chen, die sich dann positiv auf das Gesamtklima in der Einrichtung auswirken können. Bei

der Vereinbarung persönlicher MA-Ziele werden wiederum die jeweils übergeordneten

Ziele in der Einrichtung in den Blick genommen, was dazu führen kann, dass einerseits

die MA sich mit dem Sinn und Zweck ihrer Organisation und näherhin auch mit der Be-

deutung von Professionalität beschäftigen und andererseits die daraus abgeleiteten über-

geordneten Ziele kritisch überprüft werden können.

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Im Arbeitsbereich des ABW der KuK lassen sich gegenwärtig bei MA Tendenzen feststel-

len, die zu den unter Gliederungspunkt 2.3.1 bereits genannten Gefahren führen können.

Ein Grund dafür mag die recht sichere und komfortable Situation sein, in der sich MA und

Gesamteinrichtung trotz der genannten Veränderungen derzeit befinden. Festgestellt

werden können Tendenzen in Richtung auf ein mangelndes Qualitätsbewusstsein, eine

eher diffuse Fachlichkeit und ein mangelndes Verständnis der Repräsentationsfunktion

der einzelnen MA (Corporate Behaviour). In der operativen Arbeit lässt gelegentlich so-

wohl mangelnde Weitsicht als auch mangelnde Effizienz beobachten. Um die Lern- und

Entwicklungsfähigkeit der KuK ausgehend von der individuellen MA-Ebene zu erhöhen

„[…] sollte es üblich und für die Mitarbeiter selbst verständlich sein, dass regelmäßig über den Prozess der Zielerreichung reflektiert39 wird. Gerade in der Sozialen Arbeit neigen Organisatio-nen insbesondere dann, wenn ihr Bestand einigermaßen gesichert erscheint, dazu, angesichts der drängenden und vielfältigen Alltagsaktivitäten die Reflexion über ihren Auftrag und ihre Ziele und über mögliche Veränderungen in der durch die Umwelt vermittelten Auftragslage zu ver-nachlässigen. […] Angesprochen ist hier der Bezug zwischen einem Leiten durch Zielvereinba-rungen und dem Stand der Lernbereitschaft und Lernfähigkeit von Organisationen. “ (Merchel 2010, S. 98-99)

Reaktive Single-loop-Lernschleifen, die sich in Haltungen (bzw. Theories-in-Use) wie „Wir

helfen psychisch Kranken spontan bei den dringenden Anliegen, die sie jeweils an uns

herantragen.“ oder „Wir müssen Hilfepläne und Entwicklungsberichte für den Kostenträger

schreiben.“ Ausdrücken, sollten sich mit Hilfe von Lern- und entwicklungsorientierten Ziel-

vereinbarungsgesprächen in proaktive Double-loop-Lernschleifen transferieren lassen:

„Wir entwickeln mit unseren Klienten in professioneller und systematischer Weise ge-

meinsam Ziele und unterstützen sie bei der Umsetzung.“, „Wir gehen partnerschaftlich mit

unseren Anspruchsgruppen und Kooperationspartnern um und suchen gemeinsam nach

Lösungen für unsere Klienten.“ und „Wir gehen dabei nach klar definierten und wissen-

schaftlich begründeten professionellen Gesichtspunkten vor.“ Darüber hinaus kann FdZ

als Lernbedarfsanalyse fungieren und Aufschluss, etwa über Fortbildungsbedarfe liefern.

Um FdZ zur Förderung der organisationalen Lernfähigkeit zu etablieren empfiehlt es sich

darauf zu achten, dass die verschiedenen genannten Lern- und Reflexionsräume auf den

diversen Organisationsebenen kommunikativ anschlussfähig gestaltet werden, um so eine

fruchtbare Ergänzung und ein Wechselspiel zwischen eher individueller und eher organi-

sationaler Lernfähigkeit gewährleisten zu können.

39 Und im Zusammenhang damit muss auch über den Grad der Professionalisierung reflektiert werden.

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3. Schlussteil

3.1 Möglichkeiten

Die mit der Einführung des SPSA verbundenen Möglichkeiten im Sinne von Vorteilen und

Chancen für die ABW-MA, die Klient/inn/en und die Zusammenarbeit mit den Anspruchs-

gruppen und Kooperationspartnern etc. sind bereits an vielen Stellen unter den vorange-

gangenen Gliederungspunkten herausgestellt worden.

Was die Möglichkeiten im Sinne von Anlässen (externen Irritationen) betrifft, tatsächlich

die MA und den Arbeitsbereich des ABW nachhaltig zu professionalisieren durch die Ein-

führung der ANHT und sukzessive des SPSA, so gibt es zwei Vorhaben des Hauptkosten-

trägers LWL, deren Umsetzung in absehbarer Zeit zu erwarten ist.

Unter dem Titel „Projekt: Teilhabe 2012 – Mehr Teilhabe von Menschen mit Behinderun-

gen – den wegen der demographischen Entwicklung unvermeidbaren Kostenanstieg

dämpfen“ hat der Sozialausschuss des LWL

„am 22.6.2009 das Projekt [mit besagtem Titel, J.W.] beschlossen. Ziel war es, spätestens im Jahre 2012 messbare Verbesserungen der Teilhabechancen für behinderte Menschen in West-falen-Lippe im Bereich Wohnen erreicht zu haben. Da demographisch bedingt ein Fallzahlan-stieg unvermeidbar ist, sollten Instrumente entwickelt werden, den zwingend zu erwartenden Kostenanstieg zu dämpfen. Als ein Instrument sollte die Hilfeplanung entwickelt werden. Am 17.6.2010 hat der Sozialausschuss sodann Maßstäbe und Kriterien für das LWL-Bedarfsermittlungsverfahren beschlossen und die Verwaltung beauftragt, die praktische An-wendbarkeit dieser Maßstäbe und Kriterien in zwei Gebietskörperschaften, Paderborn und Ha-gen, zu entwickeln. Ziel war es, das Verfahren sodann schrittweise in ganz Westfalen-Lippe an-zuwenden. Entwicklung und Einführung des veränderten Verfahrens sind extern […] evaluiert worden.“ (LWL 2012a; Hervorh. J.W.)

Zusammengefasst hat der LWL ein neues Hilfeplanverfahren40 entwickeln lassen und in

den Testregionen jeweils zentrale Hilfeplaner/innen des LWL installiert. Das neue Verfah-

ren ist so gedacht, dass Hilfebedürftige, die einen Antrag auf ABW stellen wollen, die Hil-

fepläne nicht mehr bei und mit den Hilfeanbietern erstellen, sondern direkt mit den Hilfe-

planer/inne/n des LWL in Verbindung treten und mit diesen zusammen den gesamten

Prozess vom Erstgespräch bis zur Genehmigung (oder Ablehnung) der Hilfe durchlaufen

sollen. Die Hilfeplaner/innen sollen in diesem Rahmen auch maßgeblich über geeignete

Hilfeanbieter mitentscheiden.

Die Befürchtungen der KuK, anderer Hilfeanbieter und der mit dieser Problematik befass-

ten Gremien der Wohlfahrtsverbände sind, dass die vom LWL ausdrücklich angestrebte

40 Es ist an dieser Stelle erwähnenswert, dass auch die Instrumente der Bedarfsermittlung und der Hilfeplanung, die der KuK (und anderen Anbietern) bisher vom LWL vorgegeben werden, unter fachlich-professionellen Gesichtspunkten ein dürftiges Handwerkszeug darstellen und die Arbeit damit oft auch entsprechende Ergebnisse zeitigt.

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Kostendämpfung im Bereich des ABW entgegen anderslautender Beteuerungen die fach-

lich-professionellen Aspekte der Hilfebedarfsermittlung nachrangig (wenn überhaupt) be-

handeln werden.

Da die Ergebnisse der begleitenden Forschung offenbar unbefriedigend ausgefallen sind,

wird das Projekt in größerem Umfang zunächst bis 30.06.2015 weitergeführt werden (vgl.

ebd.). Diese Zeit gilt es zu nutzen. Aufgrund der über Jahrzehnte gewachsenen Struktu-

ren und Kooperationen im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis wird es auch unter den beabsich-

tigten veränderten Bedingungen künftig so bleiben, dass Hilfebedürftige, die für das ABW

in Frage kommen zunächst direkt oder durch Vermittlung bei der KuK um Beratung ersu-

chen werden. Ein Verfahren gemäß der ANHT inklusive der SDF würde es ermöglichen,

mit den Hilfesuchenden ihren Hilfebedarf unter fachlich-professionellen Gesichtspunkten

zu ermitteln und sie entsprechend auf die Gespräche mit dem/der LWL Hilfeplaner/in vor-

zubereiten. Es ist zudem vorgesehen, dass die Hilfebedürftigen jeweils Vertrauensperso-

nen ihrer Wahl zu den Gesprächen mitbringen dürfen, sodass eine professionelle Fach-

kraft die Gespräche begleiten könnte.

Ein weiteres Vorhaben des LWL betrifft die Erprobung neuer Leistungselemente für den

Bereich ABW bis zum 31.12.2013. Ziel ist es u. a., die bisherige Komplexleistung in der

Form der Fachleistungsstunde aufzusplittern in originäre Leistungen des ABW einerseits

und ein sogenanntes Leistungsmodul S (für serviceorientiert). Das Leistungsmodul S soll

Hilfebedarfe abdecken, die nicht zur Verselbständigung der Hilfebedürftigen dienen, son-

dern „kompensatorisch“ sind. Diese Hilfebedarfe sollen mit einem wesentlich niedrigeren

Stundensatz als dem der FLS vergütet werden und von Hilfskräften ohne spezifische

Qualifikationen ausgeführt werden können (vgl. LWL 2012c).

Obwohl der LWL beteuert, dass mit diesem Vorhaben die Zielgruppe der geistig

behinderten Menschen anvisiert wird, kann man vor dem Hintergrund der forcierten

Kosendämpfung im Bereich des ABW für psychisch behinderte Menschen skeptisch sein.

In Verbindung mit dem geplanten neuen Bedarfsermittlungs- und Hilfeplanverfahren steht

jedefalls zu befürchten, dass fachlich-professionelle Aspekte bei den Kostenträgern eine

zunehmend untergeordnetere Rolle spielen werden. Ein weiterer Grund für die KuK als

Hilfeanbierer also, eine professionelle Systematik der Hilfebedarfsermittlung und

Hilfeplanung auf der Grundlage der ANHT zu entwickeln, um für die und mit den

Klient/inn/en die benötigten Hilfen gut begründet, nachvollziehbar und möglichst

unanfechtbar herauszuarbeiten und einfordern zu können.

Möglichkeiten im Sinne von Ressourcen in der KuK wären aus der Sicht des Verfassers

ebenfalls vorhanden und zu nutzen.

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Eine kürzlich vom Geschäftsführer der KuK duchgeführte Neuberechnung der von den

MA im ABW anteilig der Regelarbeitszeit zu leistenden FLS hat ergeben, dass es in

dieser Hinsicht Entlastungsmöglickeiten gibt. Durch die Einstellung zahlreicher neuer

jüngerer MA in den letzten beiden Jahren, ist der Personalkostenanteil bei der KuK

insgesamt gesunken, sodass eine Refinanzierung der Kosten im ABW derzeit mit einem

FLS-Anteil von ca. noch 62 % gesichert wäre. Die durch die entsprechend geringeren

Klient/inn/en-Kontakte der MA erreichten zeitlichen, psychischen und physischen

Entlastungen könnten für die professionelle „Zurüstung“ gut genutzt werden. Verbindliche

und professionelle Standards würden den MA mittel- bis langfristig zudem mehr

Handlungssicherheit und damit weitere Entlastungen bieten und den Leitungskräften in-

und außerhalb von MA-Gesprächen ermöglichen, den MA begründetes Lob aussprechen

zu können.

Die bereits seit zwei Jahren umgesetzte Entscheidung, pro Jahr mindestens zwei interne

(bis zu zweitägige) Inhouse-Fortbildungen anzubieten, könnte ebenfalls gut für die Einfüh-

rung der ANHT genutzt werden. Voraussetzung in dem Zusammenhang wäre die Ent-

wicklung einer entsprechenden Weiterbildungsplanung inklusive eines einrichtungsinter-

nen Curriculums. Es müssten zunächst Einführungsveranstaltungen und Workshops für

die MA angeboten werden, um die Abläufe und Implikationen der ANHT und der SDF

kennenzulernen und einüben zu können. Für die Entwicklung der Planung und der Ent-

sprechenden Inhalte würde sich der Verfasser dieser Arbeit anbieten, der auch schon im

Zusammenhang mit der QM-Einführung einschlägige Erfahrungen gemacht hat und zu-

dem mit dem SPSA vertraut ist. Mittel- bis langfristig können Inhouse-Veranstaltungen

genutzt werden, um relevante Inhalte aus den Bereichen Methoden, Bezugswissenschaf-

ten und Metatheorien zu vermitteln. Zu diesem Zweck bietet es sich an, externe fachkun-

dige Referent/inn/en einzuladen.

Insgesamt bietet das SPSA Möglickeiten, die Inhalte von Fort- und Weiterbildungen,

(sowohl von solchen, die einzelne MA absolviert haben als auch von einrichtungsinternen)

in den professionellen Kontext sinnvoll einzubinden. Die durch Weiterbildung und

Maßnahmen wie Leitbildimpuse in den Teamsitzungen hinzugewonnenen Erkenntnisse

können zu abgestimmten professionellen Herangehensweisen führen, so dass bisher

disparate Tätigkeiten und Herangehensweisen fachlich konsistent und kongruent in ein

Modell professioneller Arbeit integriert werden und mannigfaltige relevante Informationen

jedweder Art ebenfalls in den professionellen Kontext einbezogen werden können.

Anstehende Aufgaben, wie die Entwicklung von Anforderungsprofilen im Rahmen eines

FdZ, können anhand der Kriterien des SPSA zur Entwicklung professioneller Standards

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führen, die im Fall von Anforderungsprofilen abgestuft nach formaler Qualifikation

und/oder Kompetenz der einzelnen MA gestaltet werden müssen.

3.2 Grenzen

Die Einführung von Professionalität an sich und zusätzlich noch anhand eines anspruchs-

vollen Modells wie des SPSA ist mit einem hohen zeitlichen und ressourcenzehrenden

Aufwand verbunden. Es muss sich noch zeigen, ob es dem Verfasser gelingen kann, zu-

nächst die Geschäftsführung, das Leitungsteam und den Vorstand von den in dieser Ar-

beit dargelegten Notwendigkeiten und Chancen eines solchen Unterfangens zu überzeu-

gen. Neben den aufwändigen Maßnahmen und hohen Anforderungen, die die Einführung

des SPSA und im Zusammenhang damit die Etablierung und Nutzung von Lern- und Re-

flexionsräumen in zeitlicher, ressourcenbezogener, methodisch-fachlicher und sozialer

(hohe Kommunikationsbereitschaft und -fähigkeit der Führungspersonen) Hinsicht bedeu-

tet, sei an dieser Stelle im Hinblick auf die MA besonders auf die Problematik der „Defen-

siven Routinen“ hingewiesen. Mit diesen hat der Verfasser trotz gegenläufiger Bemühun-

gen bereits öfter im Vorfeld der Einführung neuer Ansätze in der KuK Bekanntschaft ge-

macht und folgendes erfahren:

� Fehler und mangelnde Fachlichkeit werden übergangen, nicht angesprochen,

nicht wahrgenommen und bleiben wegen nicht erfolgter Beschwerden oder Hin-

weise unentdeckt.

� Beschwerden oder andere Hinweise werden als „Nörgelei“ abgetan.

� Wünschenswerte Verhaltens- und Zustandsänderungen werden als störend („Das

haben wir noch nie so gemacht!“), oder unnötig („Wir sind bisher auch so gut zu-

rechtgekommen!“, „Wir sind alle Profis und haben viel Erfahrung!“) etc. etikettiert.

� Diskussion und Reflexion werden als „Zeitfresser“ betrachtet und als zusätzliche

Arbeit.

� Zielgerichtete gemeinsame Bemühungen um erhöhte Lernfähigkeit und professio-

nelle Standards werden als „Gleichmacherei“ und „Korsett“ empfunden, im Ge-

gensatz zu „professioneller Autonomie“. Die MA fühlen sich gegängelt.

� Ausrichtung an den Bedürfnissen und Anforderungen der Anspruchsgruppen und

Kooperationspartner wird als unangemessen empfunden bzw. die Bedeutung der

eigenen Einrichtung und Arbeit wird als profilierter empfunden als die der anderen

Beteiligten im Hilfesystem.

Wenn man dazu noch eine systemtheoretisch-steuerungsskeptische Haltung einnimmt,

mag man sich besinnen, dass nicht der Sender (Leitung) sondern der Empfänger (MA)

den Inhalt der Botschaft (zielorientierte Förderung der Lernbereitschaft und Professionali-

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sierung) bestimmt. Man hat es also bei aller Mühe aus Leitungssicht nur bis zu einem

bestimmten Grad in der Hand, ob die beabsichtigten Botschaften bei den Empfängern auf

Verständnis stoßen, Sympathie erwecken oder sogar die erwünschten Handlungsfolgen

nach sich ziehen.

Die Beschränkung eines als universell für die Soziale Arbeit konzipierten Modells wie des

SPSA auf eine konkrete, spezialisierte Einrichtung kann natürlich auch mit guten Gründen

bemängelt werden. Der Verfasser hofft allerdings deutlich gemacht zu haben, dass gera-

de für die von ihm beschriebene Soziale Einrichtung ein Professionalisierungsprozess, für

den das SPSA die geeigneten Mittel bereithält, auf Dauer ggf. überlebensnotwendig sein

kann. Es ist daher zweifelhaft, ob es sinnvoll ist darauf zu warten, bis sich die Fachvertre-

ter der Sozialen Arbeit in Deutschland darauf verständigt haben, Vertreter einer Disziplin

und einer Profession sein zu wollen und sich dies in entsprechenden Aus- und Weiterbil-

dungen fruchtbar niederschlägt.

3.3 Ausblick

Trotz der genannten Schwierigkeiten und Grenzen erscheint dem Verfasser die Einfüh-

rung des SPSA als Mittel zur Förderung der Lern- und Entwicklungsfähigkeit und der Pro-

fessionalisierung in der KuK ein Unterfangen, das der Mühen wert ist. Die sich damit bie-

tenden Chancen scheinen im Hinblick auf die langfristige Bestandsfähigkeit auf fachlich-

professionell hohem Niveau allein deswegen bestechend, weil:

� die professionell gehaltvolle Reflexion von MA über Ziele, Normen und Werte der

KuK und der je eigenen Arbeit gefördert wird,

� die jeweils eigenen Theories-in-Use und deren langfristige Auswirkungen bewusst

gemacht werden können und bei Diskrepanzen zur Espoused-Theorie gemeinsam

nach Lösungen gesucht werden kann.

� Dies kann zu höherer Zufriedenheit der MA (durch Erschließen der Sinnhaftigkeit

ihres Tuns und zunehmender professioneller Handlungssicherheit) und zu einem

größeren Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Einrichtung führen.

� Alleine die gemeinsame Reflexion (erwachsen aus den individuellen Reflexions-

prozessen) kann im Zusammenhang mit konkreten Kriterien für Professionalität

auch in fachlich-qualitativer Hinsicht zu erweiterten Kompetenzen führen.

� Die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Ein-

richtung nach innen und außen kann erhöht werden.

� Die Erkennbarkeit (der spezifische „Charakter“) der KuK und die Abgrenzung von

konkurrierenden Anbietern durch gelungene und inhaltlich „gedeckte“ Kommunika-

tion wertgebundener Haltungen kann erhöht werden.

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Da die erwähnten Schwierigkeiten und Grenzen ohnehin bereits bei der Implementierung

des QMS und überhaupt allen Veränderungsversuchen in Erscheinung treten und aus

Sicht des Verfassers zumindest partiell durch Beharrlichkeit, Ausdauer und Lernfähigkeit

– auch gerade der Leitungspersonen selbst – gelöst werden können, erscheint es durch-

aus als sinnvoll, zunächst mindestens die ANHT inklusive der SDF (im Sinne von „Kleine

Brötchen backen.“) als Ansatz zur fachlich-professionellen Weiterentwicklung in die lau-

fenden Bemühungen mit einzubeziehen.

In diesem Sinne schließt der Verfasser mit Erich Kästner:

"Es gibt nichts Gutes / außer: Man tut es."

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Page 105: Sozialmanagement und Professionalisierung sozialer ... · Ebenfalls wird ein bestimmtes Management-Modell – das neue St. Galler Management- Modell – herangezogen, das ebenfalls

104

Erklärung:

Hiermit versichere ich, Jürgen Wanitzke, gemäß § 17 Absatz 7 der „Prüfungsordnung für

den postgradualen und weiterbildenden Fernstudiengang Sozialmanagement der Alice

Salomon Hochschule Berlin“, dass ich diese Masterarbeit selbständig verfasst und keine

anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt und alle wörtlich oder sinn-

gemäß übernommenen Textstellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die Masterarbeit hat keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen.

Hagen, den _______________, ___________________________________