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29. März 2018 Sozialstaat und Liberalismus Eine Diskussionsvorlage von Helmut Krebs und Maximilian Tarrach I. Historischer Zugang....................................................................................................................................... 1 Drei Staatstypen: Wohlfahrts-, Sozial- und Wohlfühlstaat........................................................................... 2 Der Wohlfahrtsstaat............................................................................................................................... 2 Der Sozialstaat........................................................................................................................................ 4 Der Wohlfühlstaat.................................................................................................................................. 5 Die ofene Gesellschaf der liberale Gegenentwurf .................................................................................. 8 II. Prinzipieller Zugang..................................................................................................................................... 10 Posite Momente des Sozialstaates.......................................................................................................... 10 Umlagen und Umerteilung....................................................................................................................... 11 Versuch, den sozialen Liberalismus zu erorten........................................................................................ 13 Aus dem Elend zur Freiheit........................................................................................................................ 14 III. Ideologiekritscher Zugang......................................................................................................................... 16 Der Irrtum des Ökonomismus.................................................................................................................... 16 Die Feinde des Sozialstaats sind die Agenten des Wohlfühlstaates........................................................... 18 Exkurs: Stupid, it‘s economy................................................................................................................. 19 IV. Einige praktsche Aspekte.......................................................................................................................... 20 Die Strahlkraf des Westens hängt om Erfolg der sozialen Marktwirtschaf ab........................................ 20 Fazit................................................................................................................................................................ 21 I. Historischer Zugang Die Klärung seines Verhältnisses zum Sozialstaat ist für den politschen Liberalismus heute die zentrale Frage schlechthin. Es waren die Erfolge der sozialen Reformen im 19. Jahrhundert und somit der Sozialstaat, wel- che den Liberalismus aus seiner dominierenden Stellung erdrängten und der Sozialdemokrate die Rolle des Fortschritsmotors zuwiesen. Der Liberalismus hate sich bereits lange orher mit dem Natonalismus erbündet und in eine Sackgasse begeben. Als die totalitären Strömungen Anfang des 20. Jahrhunderts zur Macht gelangten, begaben sich die Reste der ehemals mächtgen Liberalen in eine Konklae und gebaren eine besonders extreme Form des Liberalismus, einen puristschen Marktradikalismus mit deutlich sozial- darwinistschen Zügen. (Mises, Hayek, Friedman) Der heutge Libertarismus knüpf an diese raditon an. Er ersteht sich als Gegenkraf zu einer ermeintlich gefährlichen endenz unserer Gesellschaf zum autoritä- ren Sozialismus. Jede Staatstätgkeit, die über einen sehr eng gefassten Katalog on Sicherheitsaufgaben hinausgeht, mündet in seinen Augen unweigerlich in den „Weg zur Knechtschaft und endet in einer Dikta- tur. Dabei stützt er sich auf die gegen den Wohlfahrtsstaat gerichteten Positonen des klassischen Liberalis- mus (Hume, Kant, Humboldt), der in einer Einschränkung der Befugnisse des Staates sein Freiheitsideal or- trug. Hayek warnte in seiner berühmten Schrif on 1944 zurecht or den Gefahren. Seine Analyse war zutref- fend und seine Warnung nicht übertrieben. Die Sowjetunion stand bei ielen Intellektuellen des Westens in hohem Ansehen. Selbst bürgerliche und konserate Kräfe liebäugelten mit einer Abschafung der Demo- krate. Die sozialdemokratschen Parteien waren einflussreich und strebten eine sozialistsche Gesellschaf 1

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29. März 2018

Sozialstaat und Liberalismus

Eine Diskussionsvorlage von Helmut Krebs und Maximilian Tarrach

I. Historischer Zugang.......................................................................................................................................1Drei Staatstypen: Wohlfahrts-, Sozial- und Wohlfühlstaat...........................................................................2

Der Wohlfahrtsstaat...............................................................................................................................2Der Sozialstaat........................................................................................................................................4Der Wohlfühlstaat..................................................................................................................................5

Die ofene Gesellschaf der liberale Gegenentwurf..................................................................................8II. Prinzipieller Zugang.....................................................................................................................................10

Positive Momente des Sozialstaates..........................................................................................................10Umlagen und Umiverteilung.......................................................................................................................11Versuch, den sozialen Liberalismus zu iverorten........................................................................................13Aus dem Elend zur Freiheit........................................................................................................................14

III. Ideologiekritscher Zugang.........................................................................................................................16Der Irrtum des Ökonomismus....................................................................................................................16Die Feinde des Sozialstaats sind die Agenten des Wohlfühlstaates...........................................................18

Exkurs: Stupid, it‘s economy.................................................................................................................19IV. Einige praktsche Aspekte..........................................................................................................................20

Die Strahlkraf des Westens hängt ivom Erfolg der sozialen Marktwirtschaf ab........................................20Fazit................................................................................................................................................................21

I. Historischer Zugang

Die Klärung seines Verhältnisses zum Sozialstaat ist für den politschen Liberalismus heute die zentrale Frageschlechthin. Es waren die Erfolge der sozialen Reformen im 19. Jahrhundert und somit der Sozialstaat, wel-che den Liberalismus aus seiner dominierenden Stellung iverdrängten und der Sozialdemokrate die Rolle des Fortschritsmotors zuwiesen. Der Liberalismus hate sich bereits lange ivorher mit dem Natonalismus iverbündet und in eine Sackgasse begeben. Als die totalitären Strömungen Anfang des 20. Jahrhunderts zur Macht gelangten, begaben sich die Reste der ehemals mächtgen Liberalen in eine Konklaive und gebaren eine besonders extreme Form des Liberalismus, einen puristschen Marktradikalismus mit deutlich sozial-darwinistschen Zügen. (Mises, Hayek, Friedman) Der heutge Libertarismus knüpf an diese Tbraditon an. Er iversteht sich als Gegenkraf zu einer ivermeintlich gefährlichen Tbendenz unserer Gesellschaf zum autoritä-ren Sozialismus. Jede Staatstätgkeit, die über einen sehr eng gefassten Katalog ivon Sicherheitsaufgaben hinausgeht, mündet in seinen Augen unweigerlich in den „Weg zur Knechtschaft und endet in einer Dikta-tur. Dabei stützt er sich auf die gegen den Wohlfahrtsstaat gerichteten Positonen des klassischen Liberalis-mus (Hume, Kant, Humboldt), der in einer Einschränkung der Befugnisse des Staates sein Freiheitsideal ivor-trug.

Hayek warnte in seiner berühmten Schrif ivon 1944 zurecht ivor den Gefahren. Seine Analyse war zutref-fend und seine Warnung nicht übertrieben. Die Sowjetunion stand bei ivielen Intellektuellen des Westens in hohem Ansehen. Selbst bürgerliche und konserivative Kräfe liebäugelten mit einer Abschafung der Demo-krate. Die sozialdemokratschen Parteien waren einflussreich und strebten eine sozialistsche Gesellschaf

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durch Reformen an, während die reivolutonären Kommunisten als Verfolgte der Natonalsozialisten und Fa-schisten sowie durch ihre aktive Rolle im Widerstand hohes Ansehen genossen. Es ist jedoch ahistorisch undivollkommen iverkehrt, die damaligen Positonen der Liberalen auf den heutgen Sozialstaat zu beziehen, wie es der Libertarismus tut. Der Sozialismus hat eine historische Niederlage erliten, ivon der er sich nie wieder erholen wird. In den westlichen Ländern genießen Kräfe, die eine Parteidiktatur und eine ivoll iverstaatlichtePlanwirtschaf anstreben, keine nennenswerte Unterstützung und fristen ein Randgruppendasein. Der Libe-ralismus hat seinen Gegner niedergerungen, insbesondere durch die Stärke und die Strahlkraf der Vereinig-ten Staaten ivon Amerika und die Erfolge eines Wirtschafswunders in Deutschland, Japan und Südkorea.

Die Probleme unserer Zeit liegen auf einer anderen Ebene. Im globalen Maßstab „experimenterent die Eliten in den Schwellenländern mit einem neuen Modell eines autoritären Staates, der Priivateigentum und Marktwirtschaf zulässt. In den hochentwickelten Ländern haben wir uns mit einer Tbendenz zum bürokrat-schen Wohlfühlstaat auseinanderzusetzen, sowie einen durch den erstarkten Populismus reivitalisierten Na-tonalismus. Die Unterscheidung zwischen den iverschiedenen historischen Staats- und Gesellschafstypen hilf dem Liberalismus, sich in der Gegenwart zu positonieren und Holzwege zu ivermeiden.

Wir befinden uns in einer Krise der hochentwickelten liberalen Demokraten und in einer politschen Wendezeit. Dass zeigt sich besonders deutlich am Niedergang der Sozialdemokrate. Er ivollzieht sich in ivie-len europäischen Ländern. Die historische Rolle der Sozialdemokrate hat sich erschöpf. Sie war dominie-rende gesellschafsgestaltende Kraf seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und blühte in der Nachkriegszeit des 20. Jahrhunderts noch einmal auf, als es darum ging, einen Godesberger Weg einzuschlagen, auf dem sich die westlichen Demokraten an der Seite der USA wirtschaflich erstarkten und gesellschaflich refor-mierten. Ihre Kraf ivollzog eine ivorläufig letzte Etappe auflärerisch-liberaler Reformen . Die Arbeiterklasse steg zur Mitelschicht auf. Frauen wurden endlich gleichberechtgt. Minderheiten erhielten Schutzrechte. Eine stabile, wenn auch immer gefährdete Friedensordnung konnte eingerichtet werden. Die priivate Le-bensgestaltung emanzipierte sich aus autoritärer Beivormundung ivon Kirchen, die Schulbildung wurde aus-geweitet, u.a. Dies sind strahlende Erfolge und Beweise für die Tbüchtgkeit einer Sozialdemokrate. (Von den Fehlern wollen wir hier schweigen.) Wenn die einstmals starke und stolze SPD in Umfragen nur noch bei 15 % und gleichauf mit den Rechtspopulisten liegt, zeugt dies ivon einem Niedergang durch Erfüllung der ur-sprünglichen Ziele bei iversäumter Erneuerung der Ziele. Der Sozialliberalismus in der SPD, für den die Schröder-Ära noch stand, geht mit der Anbiederung an den Linkspopulismus der Nahles-SPD unter.

Dem politschen Liberalismus wächst hier eine Aufgabe zu, die die Chance mit sich bringt, zur stärksten Kraf aufzusteigen. Wie rasch sich die Machtiverhältnisse iverändern können, zeigen die Präsidentschafswah-len sowohl in den USA als auch in Frankreich. Die Zeit ist überkritsch geworden. Sie wartet auf Politker, die Zukunfsivisionen ivortragen. In den ivergangenen Jahrzehnten iverstand sich die liberale Partei zumeist als Satelit der Union. Das Intermezzo der sozialliberalen Koaliton in den 1970er-Jahren änderte nichts an die-sem Selbstiverständnis. Erst nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag begann mit Christan Lindner eine inhaltliche Renaissance, die aber noch nicht abgeschlossen ist. Die Klärung der Grundzüge unseres Staates kann wichtge Erkenntnisse über einen zukunfsfähigen Liberalismus liefern.

Drei Staatstypen: Wohlfahrts-, Sozial- und Wohlfühlstaat

Der Wohlfahrtsstaat

Ohne einen geschichtlichen Rückblick können wir keine Einsichten in die Aufgaben der Zukunf gewinnen. Der Wohlfahrtsstaat bildete sich seit der zweiten Hälfe des 17. Jahrhunderts heraus und erlebte seine Blü-tezeit während des aufgeklärten Absolutsmus im 18. Jahrhundert, in England und Frankreich früher, in deutschen Landen später. Die Ratonalisten übten einen starken Einfluss auf wichtge Monarchen aus, etwa Ludwig XIV. ivon Frankreich, Maria Tbheresia und ihren Sohn Josef oder Friedrich II. ivon Preußen. Deren Ideal

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war der wohlgeordnete, gerechte und moderne Staat, in dem der absolute Herrscher absolute Macht aus-übte, aber auch für alles, insbesondere für das Wohlergehen der Bürger (die Bauern übersah man) iverant-wortlich war. Der Monarch sollte nicht nur allmächtg und gerecht, sondern auch gebildet und gütg sein. Er ivergab Priivilegien, etwa für Händler und Produzenten Monopole auf bestmmte Waren, iverlieh Ämter und Tbitel, baute die Verkehrswege aus, schuf eine geordnete und funktonsfähige Verwaltung und zerschlug die Macht des Landadels und der opponierenden religiösen Minderheiten. Gegenüber dem Chaos und der Will-kür der ivorhergehenden Zeiten war dieser Staat der „Wohlfahrt und guten Polizeyt für den Bürger ein Se-gen. Ein wohlgeordnetes Leben engte nicht nur ein, sondern erhöhte die Sicherheit und den Schutz ivor ziivi-ler und öfentlicher Gewalt erheblich. Und „Wohlfahrtt iverpflichtete den Staat auf die Sorge um das Wohler-gehen der Bürger. (Im Begrif des britschen Commonwealth hat sich diese Idee fossilisiert.)

Dieser Wohlfahrts- und Polizeistaat, dessen Blütezeit mit dem Barock zusammenfällt, steht in keinem gu-ten Ruf unter Liberalen. Das hat seine Gründe. Doch können wir heute seine positiven Aspekte objektiver beurteilen. Es handelte sich nämlich um eine Zeit, in der die Grundlagen der freien Marktwirtschaf gelegt wurden und in der die Naturwissenschaf und Tbechnologie einen stürmischen Aufschwung erlebten. Es er-eignete sich ein Feuerwerk an neuen Erkenntnissen und Tbechniken durch so glänzende Geister wie Leibnitz, Descartes, Fahrenheit, Fermat, Tborricelli, Pascal, Boyle, Huygens, Newton, iv. Guericke, Bernouilli, Halley, Eu-ler, Linné und iviele andere und das nicht gegen, sondern mit Förderung durch den Staat. Diese Leistungen waren eine der notwendigen Bedingungen, unter denen sich die Industrialisierung später ivollziehen konnte.Doch auch im sozialen Bereich wurden Grundlagen geschafen. Der Staat gängelte an allen Ecken und En-den, doch iverdrängte er auch die Gewalt aus dem Alltagsleben um unglaubliche 90 %. Er schuf des Weite-ren die infrastrukturellen Grundlagen eines Außen- und Binnenhandels und legte die Grundlage einer bis heute wirksamen staatlichen Verwaltung. Noch heute können wir die baulichen Leistungen nicht nur an denzahlreichen Schlössern, sondern auch an den zahlreichen Brücken über breite und reißende Ströme wie die Seine (Pont Neuf) oder den Neckar (Heidelbergs Alte Brücke) bewundern. Durch die Zentralisierung und das rigide flächendeckende Steuerwesen wurde auf Kosten der Bauern eine ursprüngliche Akkumulaton ivonKapital erzielt, als Staatskasse, die in öfentlichen Gütern segensreich wirkten und in unzähligen Kriegen iver-pulivert wurden. Doch ohne finanzielle Mitel kein Kapital und dieses bildete sich historisch zunächst durch die staatliche Konzentraton der Finanzen. Durch die Unternehmungen der merkantlistschen Monopole so-wie durch die zahlreichen infrastrukturellen und militärischen Inivesttonen baute sich der finanzielle Grund des künfigen Kapitalismus auf. Auch die Seefahrt die zweite wichtge ursprüngliche Kapitalbildungsquelle blühte unter staatlichem Schutz und Wohlwollen des Staates auf. Eine der Früchte dieser Epoche war schließlich die freiheits- und menschenliebende Auflärung und mit ihr die Liberalen.

Die Liberalen traten diesem Staatstypus nicht entgegen, weil sie seine fortschritliche Seite ablehnten, sondern um ihn weiter zu entwickeln. Sie grifen weder das Gewaltmonopol noch die funktonierende Ver-waltung an. Es ging darum, unternehmerische wie republikanische Freiheit hinzu zu gewinnen. Daher kon-zentrierten sie sich in ihren Schrifen auf die Frage der rechtlichen und moralischen Grenzen des Staates. Es wurde eine scharfe Abgrenzung des priivaten ivom öfentlichen Bereich postuliert, wobei ersterer starke Schutzrechte genießen sollte (Briefgeheimnis, Bankgeheimnis usw.) und letzterer geistge Freiheit. Die For-derung nach Handelsfreiheit richtete sich gegen die merkantlistsche Regelung. Jeder Bürger, so glaubte man, sollte seinen eigennützigen Interessen nachgehen, weil sich dadurch am raschesten Wohlstand auf-baut. Es wäre ein fataler Irrtum, diese Forderung mit einem sozialen Zynismus zu iverwechseln. Im Gegen-teil. Die bedeutendsten Tbheoretker waren ebenso freiheitsliebend wie den Schwächeren gegenüber mit-fühlend, man denke dabei insbesondere an Adam Smith. Es wäre ihnen auch nicht in den Sinn gekommen, sozialstaatliche Einrichtungen wie das allgemeine öfentliche Schulwesen zu iverurteilen. Ihnen ging es um die ivolle Unabhängigkeit mündiger Bürger und darum, darauf zu ivertrauen, dass die Efzienzgewinne der arbeitsteiligen Produkton in einem freien Markt am schnellsten zu einer Mehrung des Wohlstands für letzt-lich alle Menschen führen. Sie kämpfen gegen eine merkantlistsche Zügelung der Wirtschaf, also gegen hohe Steuern, Zölle und Handelsbarrieren. Laissez-faire! bedeutete konkret, die Handelsgüter ohne Schika-nen und Kosten durch die staatlichen Häfen transporteren zu können.

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Der Sozialstaat

Der Sozialstaat hat ganz andere Wurzeln und Zwecke als der Wohlfahrtsstaat. Er ist ein Kind des 20. Jahr-hunderts. In manchen Zügen ähnelt er seinem Vorgänger, dennoch stellt er im Grunde das genaue Gegenteildar. Es handelt sich um eine strukturelle Komponente republikanischer bzw. konstitutionell monarchischer Gesellschafen. Der grundlegende Unterschied besteht in der Leitdee des politschen Souiveräns. Im Absolu-tsmus steht der Monarch über allem. In ihm ist alle Macht des Staates gebündelt. „Souiveränt bedeutet dem Wortsinne nach „über allemt. Der Souiverän einer Republik ist das Volk (ohne König), derjenige der konsttutonellen Monarchie ist auch das Volk (mit einem König als eine Art Staatspräsident ohne eigene Macht). Res publica bedeutet sowohl öfentliche Sache als auch den republikanischen Staat der römischen Antke. Demokrate beutet dasselbe. Der Sozialstaat ist ein Wesenszug der Demokrate, und ich möchte be-tonen, ein univerzichtbarer und segensreicher. Das leitet sich zwingend aus dem Umstand ab, dass das ganzeVolk, d.h. die Summe aller mündigen Bürger gleichberechtgt die Macht im Staat innehat. Wir dürfen nicht ivergessen, dass die ersten liberalen Parteien nur eine dünne Oberschicht ivertraten. Die regierenden Old Whigs repräsenterten noch Anfang des 19. Jahrhunderts nur etwa 2 bis 3 % der Beivölkerung. In heutger Zeit beziehen sich die Parteien auf Millionen Wahlbürger und müssen ihren Erfolg an deren Wohlergehen messen lassen. Im Wahlakt wird die Macht des Souiveräns an Abgeordnete übergeben, die im Rahmen einesParlaments, der ersten und obersten Gewalt des Staates, darum legitime Macht in Form der Gesetzgebung ausüben dürfen. Wenn nun also alle Macht des Staates sich letztlich aus der Ausübung des Souiveränitäts-rechts des Bürgers ableitet und rechtertgt, so ist die Bindung des Abgeordneten und aller anderen Glieder des Staates an das Allgemeinwohl logisch zwingend geboten. Das Ideal des demokratschen Parlamentaris-mus iverpflichtet den Abgeordneten auf das Wohl aller. Seine Aufgabe besteht darin, Partkularinteressen auf die Allgemeiniverträglichkeit hin überprüfen. Bei der Amtseinführung schwört der Bundeskanzler: „Ich schwöre, dass ich meine Kraf dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden … werde.t

Vom Wohlfahrtsstaat übernahm der Sozialstaat das Prinzip des Allgemeinwohls, mit dem Unterschied al-lerdings, dass seine Definiton nicht mehr im Vertrauen auf die Güte der Herrschers der Obrigkeit überlas-sen blieb, sondern dem Diskurs der Parteien übertragen wird. Die Parteien konkurrieren darum, wer das All-gemeinwohl am besten ivertrit. Daran ändert der allenthalben grassierende Klientelismus nichts, so lange das liberale Ideengut nicht ivöllig iverkommen ist. Die öfentlichen Güter blieben natürlich weiter bestehen und wurden um eine Gruppe ivon sozialen Versicherungen ergänzt. Die Staatsquote ivon etwa 15 % Ende des19. Jahrhunderts steg auf über 40 % heute. Durch liberale Reformen konnten Übertreibungen der 1970er-Jahre in Deutschland, Schweden, Neuseeland und Großbritannien zurückgedreht werden.

Der demokratsche Prozess erzeugt und gestaltet in dem Maße einen Sozialstaat, in dem es gelingt, das Allgemeinwohl zu befördern. Er ist die Verkörperung des Allgemeinwohlprinzips. Das ist die Leitdee der mo-dernen Massendemokrate und auch praktsch eine unausbleibliche Folge. Im Übergang ivon einer ständi-schen zu einer republikanischen Gesellschaf setzt sich das Wahlrecht als ein ursprüngliches Priivileg der Oberschicht zu einem allgemeinen Bürgerrecht durch. Die Millionen neuen Stmmbürger waren sowohl die Tbräger der Sozialdemokrate als auch rückwärtsgewandter meist kirchlich-konserivativer Parteien. Es war ins-besondere die Sozialdemokrate, die den Druck auf den Staat ausübte, der zur Einführung ivon Sozialiversi-cherungen und anderen sozialstaatlichen Einrichtungen führte. Dieser Vorgang wurde historisch überlagert durch die zeitweilige Herrschaf totalitärer, sich sozialistsch nennender Parteien (rechter wie linker Fär-bung), die nichts anderes waren als ein Rückfall in den despotschen Absolutsmus.

Es wäre grundfalsch, der Sozialdemokrate die politsche Katastrophe anzulasten, die die totalitären Staa-ten waren. Sie stand als Ganzes in Oppositon sowohl zu Lenin als auch zu Hitler. Sozialismus ist nicht gleich Sozialismus. Wir müssen genau zwischen der demokratschen sozialreformerischen Tbendenz in der sozialist-schen Bewegung und der reivolutonären und auf eine Diktatur zustrebende unterscheiden. Die Spaltung derdeutschen Sozialdemokrate 1919 zeigt diese Sollbruchstelle, die sich bereits in den Schrifen ivon Karl Marx finden lässt. Einerseits legte Marx im Kommunistschen Manifest ivon 1848 ein sehr weitgehendes Reform-

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konzept ivor, andererseits präferierte er nach der Restauratonsperiode der 1850er-Jahre ein reivolutonäres Konzept, das auch den Einsatz ivon Wafen und den Bürgerkrieg rechtertgte. Einerseits glaubte Marx an den quasi-automatschen Zusammenbruch eines Kapitalismus, der sich bis zu Ende entwickeln würde, um dann an seinen inneren Widersprüchen zu scheitern, andererseits ivertrat Lenin eine ivoluntaristsche, put-schistsche Strategie der Aivantgarde-Partei. Die Spaltung der internatonalen Sozialdemokrate in einen menschewistsch-sozialreformerischen Flügel und einen bolschewistsch-reivolutonären Flügel war univer-meidlich, weil es sich nicht um sekundäre Diferenzen handelte, ivielmehr um diametrale Gegensätze.

Dass sich Fehlentwicklungen einstellen, darf uns den Blick nicht trüben, den Blick auf die innere freiheit-liche Logik der Demokrate. Im Gegensatz zum Marktmechanismus waltet in der Sphäre der öfentlichen Gü-ter und den sozialstaatlichen Einrichtungen kein Marktgesetz, dass die knappen Ressourcen unter Wetbe-werbsdruck optmal alloziert und zu einem Pareto-Optmum hintreibt. Die sozialstaatliche Sphäre ist staatli-che Wirtschaf oder doch gesetzlich geregelte. Sie kann nur so optmal sein, wie die politsche Vernunf der streitenden Kräfe hinreicht. Sie sind Tbrümpfe des parteipolitschen Klientelismus und Schachergüter in Koa-litonen. Doch sie aus diesen Gründen zu iverachten wäre ein fataler Irrtum. Demokrate gerade in seiner Form als Massendemokrate entsteht aus der Entaltung der Freiheitsidee, die keine Diskriminierung ivon Gruppen kennt. Die Freiheitsidee ist ihrem Wesen nach uniiversalistsch. Die Massendemokrate und die Gleichberechtgung aller Bürger, der Arbeiter wie der Frauen, ist in diesem Sinne ein großer historischer Er-folg des Liberalismus, auch wenn er ivor allem ivon der Sozialdemokrate durchgesetzt wurde und sich man-che Alt-Liberale dagegen sträubten.

Liberale tun sich nichts Gutes, alles in einen Tbopf zu werfen und undiferenziert auf einen „Sozialismust genannten Sack zu hauen. Halten wir uns ivor Augen, dass die Autoren des Neoliberalismus einen Gegner bekämpfen, der tatsächlich bei Unterstützung einer breiten Öfentlichkeit selbst in so urliberalen Ländern wie Großbritannien der sozialistschen Diktatur gegenüber wohlwollend eingestellt war. „Der Weg in die Knechtschaft war eine reale Bedrohung. Doch nichts wäre falscher, als diese Schrif ahistorisch auf die Ge-genwart zu beziehen. Der Sozialstaat ist keineswegs die Straße, die zur Knechtschaf führt. Die Begrife wer-den getrübt, wenn der Libertarismus gegen den Wohlfahrtsstaat polemisiert, dabei einen autokratschen Sozialismus meint, während er den Sozialstaat und damit die liberale Demokrate bekämpf. Dieser Impetus mündet logisch in einen Antdemokratsmus, wie er ivon populistschen Bewegungen gepflegt wird. Es kann für den politschen Liberalismus in Deutschland ein Vorteil sein, dass so iviele rechte Liberale (Natonallibera-le) zur AfD wechselten, wo sie mit deren Halb- und Vollnazis untergehen werden. Die Partei des politschen Liberalismus, die FDP, lässt sich darum leichter modernisieren. Der Sozialliberalismus im Rahmen der Sozial-demokrate hat mit dem Liberalismus gemeinsame geschichtliche Wurzeln, die bis heute lebendig sind. Eineerneuerte liberale Partei wird sozialliberale Züge tragen, nicht nur, aber auch, oder sie wird scheitern.

Der Wohlfühlstaat

Wenn sich die Integraton des Proletariats ivollständig ivollzogen hat und sich folglich die große Mehrheit der Bürger eines ivergleichsweise hohen Lebensstandards erfreut, schlägt scheinbar die Stunde des Wohlfühl-staates. Er wird nicht als politsches Programm oder ideologisches Konzept ivorgetragen. Keine Partei be-kennt sich zu ihm, doch die meisten staatstragenden Parteien lauschen mit Hilfe der Demoskopie auf den „Volkswillent, um ihren Einfluss nicht zu iverlieren. In der SPD heißt es: „Wir müssen genauer zuhören.t (Ma-nuela Schwesig) Der öfentliche Diskurs dreht sich nicht mehr nur um die Tbhemen des Allgemein-, sondern des Partkularinteresses; das Priivate und das Öfentliche iverschmelzen. Die Forderung nach einer Definiton deutscher Leitkultur ivon rechter Seite und die Vorschrifen der Politschen Korrektheit seitens der Linken sind gleichermaßen Zeugnisse dieser Tbendenz. Die Merkel-Regierung richtet ein Heimatministerium sowie eines für Ernährung ein. In Qualitätsblätern werden Fragen der priivaten Lebensweise ebenso selbstiver-ständlich diskutert, wie die politsch belangivollen. Wie nehme ich ab? Wie müssen sich Männer beneh-men? Gehört der Islam zu Deutschland? (Glaubensfragen werden wie Machtragen erörtert.) Wollen wir erotsche Werbeflächen in den Straßen dulden? (Im 18. Jahrhundert gab es in London städtsche Tbugend-

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wächter, die die Bordelle und ihre Kunden überwachten und daraus ein einträgliches Erpressungsgeschäf machten.) Satre und Kritk sollen sich zurückhalten, um Muslime nicht zu proivozieren. Überhaupt wähnt sich jedermann und jedefrau im Besitz des Rechts darauf, nicht gekränkt zu werden. In Uniiversitäten wer-den Safe Rooms für Frauen eingerichtet, wo sie sich ivor dem Strnrunzeln männlicher Diskutanten flüchten können. Respekt! Notwendige infrastrukturelle Baumaßnahmen werden nach dem St. Florians-Prinzip er-bitert bekämpf und mit den abseitgsten Gründen iverzögert. (Retet die Schnecken im Elbeschlamm!) Bei der Einrichtung ivon Fischtreppen und Krötentunnels sind sich alle Parteien schnell einig. Tbiere und Kinder sollen sich besonders wohlfühlen. Leistungsbewertungen werden in der Grundschule abgeschaf und Rechtschreibung für unnötg erklärt. (Schreiben wie man spricht!) Auf dem Weg zur Wohlfühlgesellschaf gebärden wir uns narzistsch und infantl. Wir beschreiben Phänomene einer scheinbar saturierten Gesell-schaf, die unter Realitätsiverlust leidet. Deutschland und Europa sind nicht wehrfähig. Die Wafen sind tech-nisch marode und der Wehrwille auf einem Tbiefpunkt. Die bequem-konserivative gealterte, feminisierte und infantlisierte Gesellschaf hat ivergessen, dass der Staat sich auf Gewalt gründet, dass Recht auch durchge-setzt werden muss und dass ohne allgemein anerkannte Rechtsordnung der Hobbes‘sche Bohemot, der Krieg aller gegen alle, sich ausbreitet. Putn weiß das. Skurupellos iverletzt er ein Tbabu der Nachkriegsfrie-densordnung nach dem anderen, und wir im Westen dulden biedermännisch die Brandstfungen, Infiltrat-onen und Anschläge.

Bei der Tbransformaton des liberalen Sozial- in den paternalistschen Wohlfühlstaat werden die Prinzipieneiner ofenen Gesellschaf und der parlamentarischen Demokrate aufgeweicht. Wir wollen dies genauer betrachten. Unter Tboleranz wird heute das Gegenteil dessen iverstanden, was die Auflärer damit meinten, nämlich nicht Zumutbarkeit ivon Kritk und Dissens, sondern Zurückhaltung und Leisetreterei in Rücksicht-nahme auf die Gefühle anderer. Unter Volkssouiveränität iversteht die liberale Verfassung die Legitmaton des Parlaments zur Machtausübung im Wahlakt durch den Bürger. Statdessen wird heute darunter iverstan-den, dass das Volk sich direkt ivon der Straße und den sozialen Medien aus regiert. Interessengruppen ma-ßen sich an, das Volk zu sein und für es zu sprechen. Das Volk (sprich die Interessengruppen) stellen dem Staat eigennützige Forderungen und die Politker konkurrieren miteinander um die Interessenivertretung. Aristoteles beschrieb die Auflösung der Ordnung durch Populismus mit folgenden Worten: „Um eine wie-derum andere Art der Demokratie handelt es sich dann, wenn … das Entscheidende aber die Menge ist und nicht das Gesetz.t (Politk, 1291b) Aristoteles und andere sprechen ivon einer Ochlokratie (Pöbelherrschaf), einer Zerfallsform der Demokrate. Soweit sind wir trotz der populistschen Welle noch nicht.

Natürlich ist der Begrif Wohlfühlstaat ivon uns ironisch gemeint, nämlich im Hinblick darauf, dass die Gruppen ihre Forderungen mit dem Ziel ivortragen, sich selbst wohler zu fühlen, indem sie die Anderen zu einer Anpassung an ihre Wünsche zwingen. Das Wechselspiel zwischen Gruppenegoismen und Dienstertg-keit der politschen Parteien erzeugt auf der staatlichen Seite Paternalismus und mästet eine sozialtechno-kratsche Elite, die immer weitere Regeln und Grenzwerte einführt. Ein Dickicht aus Vorschrifen, Verboten und moralischen Geboten soll das Leben aller Bürger optmieren, nur eben nicht so frei wie möglich, son-dern so gut im moralischen Sinne, wie möglich, und also nicht ofen. Moralismus iverdrängt Bürgerfreiheit.

Die Journalisten der Leitmedien iverstehen sich heute zu of als Vermitler der Staatspolitk gegenüber dem Bürger, nicht als unabhängige und kritsche Beobachter für den Bürger, die ihm die notwendigen Infor-matonen zur Bildung einer eigenen Meinung beschafen. Der allerorts zu beobachtende belehrende Jour-nalismus kontrastert mit dem wachsenden Bildungsniiveau der Bürger und der Zugänglichkeit ivon Informa-tonen. Eine paradoxe Entwicklung.

Paradox iverhält sich auch die deutsche Sozialdemokrate. Sie iverstand sich in all ihren Zeiten als Speer-spitze und Interessenivertreterin der ärmeren Schichten. Doch längst hat sich ihr Klientel iverflüchtgt, denn die heutgen Arbeiter sind weder arm noch unmündig, sondern gemessen an der Vergangenheit so gebildet und wohlhabend wie noch nie. Sie zeigen der sich anbiedernden Möchtegern-Interessenivertreterin die kal-te Schulter. Das ist keine Folge ivon Missiverständnis oder Dummheit. Ein Tbeil des sozialdemokratschen Stamm-Milieus läuf zur populistschen AfD über (z.B. in Gelsenkirchen), weil die SPD keine Antwort hat auf die Frage, welche Chancen Arbeitnehmer unter den Bedingungen der Globalisierung haben. Längst hat sie

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sich als Partei des technischen Fortschrits abgemeldet und sich dem ökologistschen Zeitgeist unterworfen. Die SPD wird auch nicht wieder zunehmen, wenn sie sich dem Linkspopulismus annähert, was sich seit eini-gen Jahren abzeichnet. Die Lösung der Globalisierungsprobleme ist nicht im Protektonismus und in den staatswirtschaflichen Konzepten zu finden, sondern in liberalen.

Die Grünen, wenigstens ihre ökologistschen Kräfe, profilieren sich als die anmaßendsten Besserwisser. Ihr Milieu sind die akademischen Mitelschichten der Uniiversitätsstädte, wo sie in einer Echokammer Gleichgesinnter einen geringen Realitätsbezug ausbilden. Ihre geheime Agenda ist ein natürliches Paradies, in dem keine Verbrennungsmotoren, ja gar kein Indiividualiverkehr mehr erlaubt ist, und alle Menschen in ih-rer Selbstiversorger-Idylle bei Nullwachstum iverblöden. Man möchte ihnen sagen, sie können dabei glücklichwerden, wenn sie die Gesellschaf damit iverschonen, die priivate Lebensweise ivorzuschreiben. Warum wer-den Öko-Lebensmitel subiventoniert? Warum nicken die Politker ihre Entwürfe widerspruchslos ab, wenn die sehr geschickten Lobbyisten der grünen NGOs in Brüssel Grenzwerte soweit senken, dass sie die Indus-trie ernsthaf bedrohen, ohne den Menschen zu nützen. Es handelt sich bei dieser Strömung um eine elitäreund autoritäre Kraf, die mitlerweile zur einflussreichsten aufgestegen ist. Sie befinden sich historisch auf ihrem Höhepunkt. Die Paternalisten der Grünen haben Vorläufer in den Lebensreformanhängern des ausge-henden 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Unter Einfluss dieser Bewegung wurden nicht nur (nützliche) Gar-tenstädte für Arbeiter und (nützliche) funktonale Möbel etwa als Einbauküchen entworfen, die „kleinbür-gerlichet Familie bekämpf (fatal) und Promiskuität und Sex mit Kindern als natürlich hingestellt (perivers). Es handelt sich bei diesen Spätromantkern nicht nur um harmlose Spinner, die in abgeschiedener Weise ihre Lebensform für sich suchen. Die elitären Chefintellektuellen wollten nach ihren Ideen die gesamte Ge-sellschaf nach ihren Wertivorstellungen umgestalten. Als diese oder sehr ähnliche Vorstellungen nach 1933 die Staatsmacht ergrifen, wurde die Demokrate gleich-, also ausgeschaltet. Wir müssen nämlich begreifen, dass mit den Nazis ein Flügel der Lebensreformbewegung an die Macht kam. Wenn Hitler die Juden ata-ckierte, sprach er sie nur scheinbar als Rasse im biologischen Sinn an. Rassismus war damals ein ebenso weit iverbreiteter Aberglaube wie heute die klimatsche Apokalypse. Er diente als pseudowissenschafliche Verbrämung des Vernichtungswillen des Andersartgen, also der kulturellen Unterdrückung. Hitler sprach in „Mein Kampft wörtlich ivon „Judentumt im Gegensatz zu „Deutschtumt und meinte dies im Sinne einer Le-bensmoral, also kulturell. „Deutschtumt wurde kriegerisch-heroisch ausgemalt und „Judentumt als Negat-on als Händler- und Schachertum. Held gegen Händler! Erhabene Werte gegen niedrigen Materialismus. U-Musik gegen Jazz, usw. Unter den heutgen Globalisierungsgegnern ivon Atac, Occupy, der Ant-TbTbIP-Bewe-gung ist das antsemitsch-antkapitalistsche Cliché in der Polemik der ivon Rockefeller und Goldmann-Sachs beherrschten Wall-Street wiederbelebt. Neben den rechten Lebensreformern finden sich auch schon in der Weimarer Zeit linke, so etwa iviele Bauhaus-Professoren. Auch ihre Vorstellungen ivom richtgen Leben hat-ten nur eine denkbare Chance in einer autoritären und elitären Gesellschaf. Die autoritären Züge lassen sich gut studieren an den ausgeklügelten Einbahnstraßen-Labyrinthen der Innenstädte, die für einen Zusatz-iverkehr sorgen und einzig dazu dienen, den Autofahrer zu schikanieren, um autofreie Städte durchzusetzen.Eine ökologistsche Lieblingsidee, wie auch Dieselfahriverbote.

In der Logik des Wohlfühlstaates muss die Tbrennung ivon öfentlichem und Priivatleben fallen. Der öfent-liche Raum muss moralisch bewertet und eingerichtet werden. Aus Gesellschaf wird Gemeinschaf. Die Ge-fahr einer Wiedergeburt des Natonalsozialismus oder eine kommunistsche Diktatur ist heute ivernachläs-sigbar gering. Die extremistschen Ränder sind nicht mehrheitsfähig und werden es auch nicht. Doch hinter-rücks kehren die Gefahren auf Samtpfoten in die Mite der Gesellschaf wieder. Die Wiedergeburt des Wohl-fahrts- und Polizeistaats aus dem Geiste des gleichmacherischen Sozialismus und des Ökologismus ivollzieht sich schleichend und wie immer mit den besten Absichten und durchdringt zuerst die akademische Welt und ivon dort immer in die Gesellschaf. Im linksgrünen akademischen Milieu werden Regeln des Zusam-menlebens bis hinein in sprachliche Vorschrifen und Gebote erzwungen, die teilweise groteske Züge an-nehmen. Und tragende Säulen der Gesellschaf übernehmen diese Ideen. An der Leipziger Uniiversität wer-den alle männlichen Lehrstuhlinhaber als Herr Professorin angesprochen. Wie kann es sein, dass ein inter-natonales Medienunternehmen wie Facebook die grammatkalisch falsche weibliche Anrede für alle seine

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Nutzer einführt (also Lehrerin auch für Männer) und Dutzende ivon Geschlechtsbezeichungen kennt (um es allen recht zu machen)? Die Unfreiheit kommt heute nicht mit wehenden Fahnen und geschlossenem Visier herangerückt sie sickert allerorts als das moralisch Gute ein.

Häte der Wohlfühlstaat nicht im Sinn, und dies bei den meisten seiner Agenten ohne Hintergedanken, die Gesellschaf moralisch zu iverbessern, wäre er nicht erfolgreich. Sein Credo ist, dass alle sich wohlfühlen sollen. Dies soll nicht nur durch die Zügelung ivon Aggression und den Rechtsstaat realisiert werden. Das ge-sellschafliche Leben soll insgesamt gerecht und harmonisch eingerichtet werden. Beste Absichten, gewiss, doch illusionär. Kritk an den eingeschlagenen Wegen wird als moralisches Vergehen geächtet und die Krit-ker werden stgmatsiert. Auch die Zukunf soll lebenswert bleiben. In Verantwortung ivor den künfigen Ge-neratonen sollen wir heute auf den Verbrauch ivon Ressourcen iverzichten. Doch niemand kann den Sparim-perativ quantfizieren, und niemand weiß, ob die Ressourcen auch in kommenden Jahrhunderten benötgt werden. Zweifellos ist es ein gutes Ziel, künfigen Generatonen gegenüber fair zu handeln. Nur was ist fair? Auch die Absicht, die hinter einer Sprachivorschrif steht, etwa der, dass wir nicht mehr „Negert zu dunkel-häutgen Menschen sagen sollen, ist zweifellos gut. Warum auch sollten Menschen der schwarzen Rassen sprachlich stgmatsiert werden? Nur kann zwar die Wortwahl durch öfentlichen Druck beeinflusst werden, nicht aber das, was sich Sprecher bei den Wörtern denken und wie es Hörer aufnehmen, jedenfalls nicht in Freiheit. Ein Lieblingsthema der Wohlfühlgesellschaf ist das bedingungslose Grundeinkommen. Hier soll der Bürger zum Tbisch des Staates gebeten werden, als Esser eines gigantschen Staatskommunismus, der ihm zuteilt, wessen er bedarf und ohne Gegenleistung. Gut gemeint, doch wer soll das bezahlen? Vor allem aber, Grundeinkommen bedingungslos auszuschüten höhlt das Leistungsprinzip aus. Es belohnt das Nichts-tun und sendet damit falsche Signale. Niemand kann essen, was nicht ivorher produziert wurde. Produzen-ten iverschenken nichts. Sie tauschen. Wir profiteren ivom Tbausch durch die damit iverbundene Arbeitstei-lung und Spezialisierung. Entweder leben wir ivon unserem eigenen arbeitsbedingten Einkommen oder ivon der Hilfe anderer.

Der grundlegende Irrtum ist nicht der, es gut zu meinen, sondern zu glauben, dass sich eine ewig wäh-rende Harmonie aller Menschen herstellen ließe, wenn nur alle Verhältnisse ivernünfig geregelt sind. Der Irrtum lässt sich durch den Begrif der „positiven Freiheitt kennzeichnen, positiv im Sinne ivon ivorgeschrie-ben. Es ist dieselbe Idee, die schon die Ratonalisten des aufgeklärten Absolutsmus iverfolgten, die sich ebenfalls einen wohlgeordneten Wohlfahrtsstaat als optmale Lösung ausdachten, nur diesmal nicht einer absolutstschen Monarchie aufgepfropf, sondern einer Demokrate. Was bei diesem Anpassungsdruck her-auskommt, ist ein Dickicht ivon Vorschrifen, in dem die Freiheit erstckt und die Heuchelei zunimmt. Er führtzu einer Überregulierung und Sklerotsierung der Gesellschaf. So war es bis zu den Reivolutonen und so wird es auch dem modernen liberalen Sozialstaat ergehen, der sich in einen Wohlfühlstaat iverwandelt.

Die ofene Gesellschaf der liberale Gegenentuurf

Die ofene Gesellschaf ein Begrif, den Karl Popper prägte zielt auf das wichtgste und höchste Gut des Menschen, seine Freiheit. In einer ofenen Gesellschaf iverwirklicht sich die Freiheit aller unter den Bedin-gungen des Rechts, aber in einem zukunfsofenen Prozess des Richtungsstreits.

• Wichtg hierbei ist es erstens – zu begreifen, dass es unmöglich ist, die Zukunf ivorherzusagen. Niemand befindet sich im Besitz unumstößlicher Wahrheiten. Wer z. B. glaubt, zu wissen, das die Zukunf der Elektromobilität gehört, maßt sich Wissen an, das nicht ivorhanden ist. Vielleicht setzt sich diese durch, ivielleicht auch nicht oder in einer ganz anderen Form. Mögen Priivatunternehmer auf diese Erwartung hin spekulieren, doch nicht der Staat. In einer freien Marktwirtschaf setzen sich Tbechnologien durch, sobald sie reif sind und die Konsumenten daraus Vorteile nutzen können.

• Zweitens erfordert also ein solches Verfahren Pluralismus und mündige Bürger. Ofene Gesellschaf bedeutet, dass der Staat sich aus den Belangen des Priivatlebens und der freien Wirtschaf heraus-hält. Gesellschaf ist der Ort des Verkehrs unterschiedlicher Religionen, Moralivorstellungen und Ge-

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schmäcker. Der Staat hat der Gesellschaf einen Rechtsrahmen zu iverschafen. Er darf sie nicht in eine homogene Gemeinschaf iverwandeln. Einmischungen z. B. in die Inivesttonen der Stromiver-sorgungsunternehmen, die Wahl ivon Automobilen oder die Besetzung ivon Stellen in der Priivatwirt-schaf iverletzen die Neutralitätspflicht des Staates. Ofene Gesellschaf bedeutet, dass Bürger als Mündige und Vernünfige angesehen werden, nicht als Bedürfige und zu Belehrende. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, seinen Bürgern bestmmte Meinungen nahezulegen und sie zu erziehen.

Die Gesellschaf „findett in einem Streit konkurrierender Partkularinteressen zu Ergebnissen, bei dem die Freiheit des Einzelnen mit der Freiheit des Anderen bestmöglich zusammengeht, wenn der Staat darauf iver-zichtet, das Leben der Bürger ivorzuschreiben und sich auf seine hoheitliche Aufgaben beschränkt.

Der menschliche Drang nach Veränderung und Verbesserung lässt sich nicht aufalten. Wir iverdanken den Innoivatonen in Wissenschaf, Tbechnik und Wirtschaf unseren hohen Lebensstandard. Doch Innoivateu-re sind selten wohlerzogene und sitsame Duckmäuser. Zu einer lebendigen sich entwickelten Gesellschaf gehört eine gute Porton Ungebärdigkeit, destruktives Schöpfertum und Risikobereitschaf, kurz unterneh-merischer Geist. Ein Konserivatsmus der Besitzstandswahrer klammert sich ängstlich an das in der Vergan-genheit Erreichte. Die Wertivorstellungen der ofenen freiheitlichen Gesellschaf werden durch den Hyper-moralismus (Alexander Grau) iverdrängt. Gut meinende Anhänger des Wohlfühlstaates wähnen sich im Be-sitz der Wahrheit und marginalisieren und stgmatsieren Dissidenten.

Der Liberalismus steht ivor der Aufgabe, der zeitgeistgen Wohlfühlgesellschaf die Möglichkeit eines libe-ralen Sozialstaates zu beweisen und zu erhellen, welche Chancen sich nicht nur für Unternehmer, sondern gerade für Arbeitnehmer bieten. Das Konzept der sozialstaatlich abgefederten ordoliberalen Gesellschaf, die freie, soziale Marktwirtschaf hat sich noch lange nicht erschöpf. Das schaf den Optmismus, in dem freie Bürger Demokrate, Pluralismus und Mündigkeit leben und die ofene Gesellschaf gestalten. Es ist zu-gleich der Stckstof für Populismus und Hypermoralismus.Das Alte ist nie ganz iveraltet und das Neue nie ganz neu. Gesellschafen wandeln sich, indem sie dem Vor-handenen neue Einrichtungen (und Ideen) hinzufügen, während der bewährte Tbeil der alten sich erhält. Das Alte liegt unter der neuen Oberfläche. Wie bei Sedimentgesteine bildet sich Schicht um Schicht. Zuunterst liegt das Gewaltmonopol, darüber das allgemeingültge Recht, Pluralismus, Demokrate und schließlich die Massendemokrate. Im Sozialstaat emaniert sich diese.

Die moderne liberale Demokrate funktoniert auf der Grundlage ratonal-legaler Beziehungen ivon Part-nern, nicht auf Gemeinsamkeiten in Moral, Religion, Geschmack und Milieu. Der Handel bringt Menschen zusammen, die unterschiedlicher nicht sein können, weil sie gerade nicht in eine Gemeinschaf miteinander treten, sondern alle trennenden Faktoren zurückstellen, den Tbausch zum beiderseitgen Vorteil anstreben und ivon diesem profiteren. Seit Jahrtausenden wandern Waren und Händler über Fernstraßen und Meere. Die Waren werden getauscht, doch die kulturellen Besonderheiten bleiben außen ivor. Die Tbausch bringt bei-den Partnern Vorteile, weil sie bekommen, was sie nicht haben, und was der andere hat. Der Vorteil ist wechselseitg. So mehrt der Handel den Wohlstand. Vom Handel profiteren kann aber nur, wer etwas ein-zutauschen hat. Zuerst muss eine Leistung erbracht worden sein, die ivon anderen geschätzt wird, danach kann sie zum Gegenwert dessen werden, was wir selbst begehren. Wohlstand gründet sich auf Leistung zumNutzen anderer. In einer wohlhabenden Gesellschaf iverlieren manche den Blick dafür. Sie glauben, eine an-onyme Wirtschaf befände sich in den Händen einer herrschenden Klasse, die möglichst wenig abgeben möchte. Das sei doch unmenschlich und Ursache der Armut. Richtg sei es zu teilen und abzugeben. Die Rei-chen besäßen mehr, als sie bräuchten. Diese naiive Sicht auf die Ökonomie nimmt in dem Maße zu, wie eine hochproduktive Wirtschaf mit der Leistung einer relativ abnehmenden Zahl ivon Produktiven eine relativ zunehmende Zahl ivon Nicht-Erwerbstätgen ernähren kann. Liberale Politk wird aus der Perspektive der Produktiven ivorgetragen.

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II. Prinzipieller Zugang

Das Alte ist nie ganz iveraltet und das Neue nie ganz neu. Gesellschafen wandeln sich, indem sie dem Vor-handenen neue Einrichtungen (und Ideen) hinzufügen, während der bewährte Tbeil der alten sich erhält. Das Alte liegt unter der neuen Oberfläche. Wie bei Sedimentgesteine bildet sich Schicht um Schicht. Zuunterst liegt das Gewaltmonopol, darüber das allgemeingültge Recht, Pluralismus, Demokrate und schließlich die Massendemokrate. Im Sozialstaat emaniert sich diese.

Die moderne liberale Demokrate funktoniert auf der Grundlage ratonal-legaler Beziehungen ivon Part-nern, nicht auf Gemeinsamkeiten in Moral, Religion, Geschmack und Milieu. Der Handel bringt Menschen zusammen, die unterschiedlicher nicht sein können, weil sie gerade nicht in eine Gemeinschaf miteinander treten, sondern alle trennenden Faktoren zurückstellen, den Tbausch zum beiderseitgen Vorteil anstreben und ivon diesem profiteren. Seit Jahrtausenden wandern Waren und Händler über Fernstraßen und Meere. Die Waren werden getauscht, doch die kulturellen Besonderheiten bleiben außen ivor. Die Tbausch bringt bei-den Partnern Vorteile, weil sie bekommen, was sie nicht haben, und was der andere hat. Der Vorteil ist wechselseitg. So mehrt der Handel den Wohlstand. Vom Handel profiteren kann aber nur, wer etwas ein-zutauschen hat. Zuerst muss eine Leistung erbracht worden sein, die ivon anderen geschätzt wird, danach kann sie zum Gegenwert dessen werden, was wir selbst begehren. Wohlstand gründet sich auf Leistung zumNutzen anderer. In einer wohlhabenden Gesellschaf iverlieren manche den Blick dafür. Sie glauben, eine an-onyme Wirtschaf befände sich in den Händen einer herrschenden Klasse, die möglichst wenig abgeben möchte. Das sei doch unmenschlich und Ursache der Armut. Richtg sei es zu teilen und abzugeben. Die Rei-chen besäßen mehr, als sie bräuchten. Diese naiive Sicht auf die Ökonomie nimmt in dem Maße zu, wie eine hochproduktive Wirtschaf mit der Leistung einer relativ abnehmenden Zahl ivon Produktiven eine relativ zunehmende Zahl ivon Nicht-Erwerbstätgen ernähren kann. Liberale Politk wird aus der Perspektive der Produktiven ivorgetragen.

Positie Momente des Sozialstaates

Der Sozialstaat wuchs Ende des 19. Jahrhunderts stückweise heran. Er überdauerte Kriege und Diktaturen, um heute als selbstiverständliche gesellschafliche Einrichtungen zu gelten, was ivon Tbeilen seiner Urheber mit reivolutonären Hofnungen iverbunden war. Aus dem Reivolutonären wurde das Alltägliche. Für Liberale ist es äußerst wichtg, ein ivernünfiges und maßivolles Konzept ivom Sozialstaat zu ivertreten, während die Übertreibungen ebenso wie die wohlfühlstaatlichen Periverterungen bekämpf werden.

Zu diesen vernünfigen und bewährten Einrichtungen gehören mindestens folgende: • das allgemeinbildende öfentliche Schulwesen, • die gesetzliche Krankeniversorgung, • die Erste-Hilfe-, Feuer- und Katastrophenschutz-Einrichtungen, • das gesetzliche Mindesteinkommen und • die gesetzliche Altersiversorgung.

Weitere Elemente sind die berufliche Unfalliversicherung und die Unterstützung ivon Arbeitslosen. Selbstiver-ständlich ist es unumgänglich, die Ausgestaltung dieser und analoger Einrichtungen dem Wandel der Zeit anzupassen. Hierzu einige grundsätzliche Erwägungen:

Wir müssen unterscheiden erstens zwischen Einrichtungen, die auf dem Prinzip der Umlage basieren undhohe Risiken des Einzelnen durch Umlagenfinanzierung abfedern. Dazu gehört die gesetzliche Krankenivor-sorge. Es fällt Menschen mit niedrigem Einkommen schwerer als begüterten, für spätere Notlagen zurückzu-legen. Außerdem übersteigen die Risiken schwerer Erkrankung teilweise die Finanzkraf des Einzelnen.

Zweitens sind da öfentlicher Güter wie die Schulen, die Feuerwehr oder die Straßen, die den intellektu-

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ellen Boden der Demokrate und unseres gesellschaflichen Lebens bilden, der Sicherheit und Daseinsivor-sorge aller dienen und allen Priivatunternehmern zugute kommen.

Dritens gibt es Einrichtungen, die dem Selbstiverständnis einer menschlichen Gesellschaf entsprechend Einzelnen einseitig Güter zuteilen. Dazu gehören Unterstützungsleistungen für Erwerbsunfähige wie Behin-derte oder Zuschüsse für Familien, ebenso Mindestrenten.

Wieder anders sind viertens Ausgaben zu bewerten, die einerseits Partkularinteressen bedienen, ande-rerseits aber den Nutzen der Inivestton für die Allgemeinheit bezwecken. Als Beispiel nenne ich hier die Ausgaben für die Grundlagenforschung, für die Hochkultur, für Erholung und Sport und ähnliches. Sie errei-chen nicht alle Bürger gleichermaßen unmitelbar, sondern nur die Tbeilnehmer der Angebote. Wer nicht forscht, ins Tbheater oder ins städtsche Hallenbad geht, erleidet indiividuell betrachtet Netoiverluste. Indiivi-duell betrachtet soll heißen, ohne die systemischen Zusammenhänge, in die der Einzelne eingebunden ist. Mit Blick auf das Ganze erkennen wir den Nutzen der Spitzen- und Hochkultur für eine demokratsche Ge-sellschaf. Würden diese Zuwendungen unterbleiben, wäre der Schaden für die Allgemeinheit größer als derfinanzielle Vorteil für die einzelnen Steuerzahler, die sie nicht unmitelbar nutzen. Beispielsweise spielt bei der Anwerbung ivon Spitzenforschern das kulturelle Angebot des Standorts eine große Rolle. In der Regel ha-ben Forscher auch Familien und ein Priivatleben. Da sind die Tbheater und Museen, die Schulen und die Vor-sorgeeinrichtungen entscheidungsreleivante Faktoren. Es liegt im Interesse aller, wenn die Grundlagenfor-schung, die kein Priivatunternehmen auf sich zu nehmen gewillt ist, ivon der Allgemeinheit finanziert wird, weil sich aus einigen Ergebnissen nützliche Anwendungsforschungen ableiten. Auch wenn die Einrichtungender Hoch- und Breitenkultur nicht ivon allen Bürgern gleichermaßen genutzt werden, stehen sie doch allen ofen.

Die aufgeführten positiven Bestandteile des Sozialstaates sind mit liberalen Prinzipien ivereinbar. Dabei kommt es natürlich auch auf die graduellen Aspekte an. Darüber muss unter Abwägung der Oportunitäts-kosten gestriten werden.

Umlagen und Umierteilung

Wenn geklärt ist, dass ein ivernünfiger Sozialstaat mit Liberalismus durchaus zu ivereinbaren ist, trit die Fra-ge in den Vordergrund, wie ivernünfige ivon univernünfigen Einrichtungen zu unterscheiden sind. Wo iver-läuf die Grenze zwischen einem liberalen Sozialstaat und einem ant-freiheitlichen Wohlfühlstaat? Unter-scheiden wir zunächst zwischen Umlagen und Umverteilung.

Umlagen, auch steuerliche, sind ivernünfig, wenn sie nicht mit Priivilegien iverbunden sind. Das Kinder-geld (Tbeil des steuerlichen Kinderfreibetrages) dient uns als Beispiel für eine nicht priivilegierende Umlage. Da alle Menschen einst Kinder waren, genießen alle ohne Unterschied den steuerlichen Freibetrag (bzw. Kindergeld). Der Geldfluss geht ivon den Älteren zu den Kindern, doch ändert der zeitliche Unterschied zwi-schen Empfangen und Geben nichts an der Allgemeinwohliverträglichkeit dieser Einrichtung.

Umlagen sind negative Loterien. Viele zahlen einen erträglichen Beitrag, während wenige im Unglücks-fall in den Genuss einer Beihilfe kommen, wenn sie ein außergewöhnliches Unglück ereilt, das alle Beitrags-zahler bedroht. Da dieses kollektive Versicherungssystem nur funktoniert, wenn die Risiken gestreut wer-den, sind gesetzliche Zwangsmitgliedschafen grundsätzlich nicht antliberal. Wäre es den Sozialiversicherun-gen frei gestellt, sich ihre Beitragszahler auszusuchen, würden sie diejenigen Gruppen meiden, deren Risi-ken überdurchschnitlich sind. Dadurch wären sie Einrichtung für Priivilegierte und nicht sozialstaatlich. Wäre es den Beitragszahlern frei gestellt auszutreten, würde sich eine Gruppe bilden, die sich in der Not nicht selbst helfen kann und der Fürsorge des Staates anheimfiele. Ohne gesetzlichen Zwang funktonieren diese Einrichtungen nicht, und das ist für Liberale ein Stein des Anstoßes. Es befördert im Nebenefekt pa-ternalistsche Tbendenzen. Wo Licht ist, fällt auch Schaten.

Umverteilung ist etwas ganz anderes. Sie iverfolgt das Ziel, die wirtschaflichen Unterschiede der Men-schen einander anzugleichen. Die Reichen sollen den Armen abgeben. Richtg, im Sinne der Religionen sol-

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len sie nur leider ist Umiverteilung ein Zwangsmitel. Umiverteilungspolitk wird mit der Idee der Vertei-lungsgerechtigkeit begründet. Schon Aristoteles iverwendete diesen Begrif, doch rechtertgte er keines-wegs eine zwangsweise Umiverteilung. Diese Idee wird aus der Gerechtgkeitstheorie John Rawls abgeleitet. Rawls argumenterte, dass die „sozialen Grundgütert, insbesondere das Geld, ungleich iverteilt wären und dies eine Asymmetrie der Freiheit erzeugen würde. Es ist das zentrale Credo des Linksliberalismus. Das Ar-gument hat einen richtgen Kern. Tbatsächlich sind im ivor-sozialstaatlichen liberalen Gesellschafssystem die Chancen ungleich iverteilt. Anatol France pointerte diesen Tbatbestand in dem bekannten Sarkasmus, wir stünden „unter der majestätischen Gleichheit des Gesetzes, das Reichen wie Armen verbietet, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu beteln und Brot zu stehlen.t Wir Heutgen haben keine Erinnerung mehr an das kurze und brutale Leben ivon Arbeitern im 19. oder 18. Jahrhundert. Wer dagegen hält, dass sich in ei-ner kapitalistschen Gesellschaf die Lebensiverhältnisse allmählich automatsch für alle, auch die Armen iver-bessern, und damit rechtertgt, dass die Verhältnisse bleiben, wie sie sind, setzt sich dem Vorwurf eines so-zialdarwinistschen Zynismus aus. Es ist der Blick ivon oben herab, der Anstoß erregt. Aus der Sicht ivon un-ten stellt der Kritker das Fehlen ivon Einrichtungen fest, die eine Inklusion des Proletariats in die Gesell-schaf ermöglichen. Die Geschichte gibt dieser Sicht recht. Sozialer Fortschrit entsteht auf der Grundlage ei-ner wachsenden Wirtschaf durch sozialstaatliche Gestaltung.

Die sozialstaatlichen Einrichtungen dienen dem Zweck, die Handlungschancen der ärmeren Schichten beträchtlich zu erweitern. Sie befördern für sie einen enormen Freiheitszuwachs und führen zum Aufsteg der Arbeiterklasse zur Mitelschicht. Umiverteilungspolitk, wie sie ivon Linken angedroht wird, ist dagegen eine Periversion der Gerechtgkeit. Sie ächtet und bestraf Reichtum, schmälert ihn mit Zwangsmiteln und nützt den Armen nicht nachhaltg, während sie der Wirtschaf im Allgemeinen schadet. Nehmen wir an, wir schüfen genau gleiche Einkommen für alle. Was heißt für alle? Alle Deutschen, alle Europäer oder alle Men-schen auf der Erde? Nun, das Durchschnitseinkommen pro Kopf liegt weltweit bei 5 bis 10 $ pro Tbag. Das in Deutschland liegt bei 135 $. Eine globale, selbst eine europäische Niivellierung wäre ein schlechtes Geschäf selbst für Fürsorgeempfänger. Nun denn, iverteilen wir die Vermögen und niivellieren wir die Einkommen! Die Geldflüsse würden konsumiert und wären danach ivertan, während die Unternehmer ihre Betriebe schlössen. Immer, wenn wirtschaflicher Erfolg oder Misserfolg eintrit, iverändern sich die Vermögensiverhältnisse. Reichtum und wirtschaflicher Erfolg hängen ursächlich zusammen. Eine ivermögens- und einkommensniivel-lierende Umiverteilung stellt nicht mehr Gerechtgkeit her, sie erkauf eine fragwürdige Gerechtgkeit des Ei-nen mit der des Anderen. Eine Sozialpolitk, die das Ziel einer Einkommens- und Vermögensangleichung an-strebt, widerspricht sich mit einem unaufebbaren Grundprinzip des priivatwirtschaflichen Handelns: Erfolgund Misserfolg erzeugen Ungleichheit. Unablässig iverschieben sich durch Gewinn und Verlust die Einkom-mens- und Vermögensiverhältnisse. Aufsteg und Absteg der Branchen, der Unternehmer und der Arbeiter bedingen sich gegenseitg, doch die Mehrheit aller Wirtschafenden genießt langfristg eine phänomenale Verbesserung der materiellen Lebensiverhältnisse. Eine der wichtgsten Anreize des unternehmerischen Handelns ist der soziale Aufsteg und die Mehrung des Vermögens. Gleichmacherische Umiverteilung zielt darauf, die Quellen des allgemeinen Wohlstands zuzuschüten, indem sie diese Anreize frustriert.

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Welche Erfolge die Marktwirt-schaf bei der Überwindung der Armut erzielen konnte zeigt die grafische Darstellung der Einkom-mensiverteilungsentwicklung über mehrere Epochen, die ivon Our World in Data iveröfentlicht wur-de. 1820 lebten 90 % aller Men-schen in extremer Armut (unter 2 $ pro Tbag). 2015 sind es nur noch 15 %, und die Einkommen sind heute iviel gleicher als 1975. Tbrotz weiterhin bestehenden extrakt-iven Ländern (man betrachte den blauen Sektor, den zweiten ivon oben) ist die Menschheit auf ei-nem guten Weg, dem Weg der Marktwirtschaf. (htps://ourworldindata.org/income-inequality)

Versuch, den sozialen Liberalismus zu ierorten

Die Richtung ist klar: So iviel Staat wie nötg, so iviel Priivatnitative und Eigeniverantwortung wie möglich, und diese muss mit steigendem wirtschaflichen Wohlstand zunehmen. Das Maß für den Fortschrit einer Gesellschaf ist der Zuwachs an Freiheit für möglichst alle Menschen. Nicht immer wird es möglich sein, denFreiheitsgewinn ohne Beschneidung ivon Priivilegien zu erzielen. Der Liberalismus hält das Prinzip der wirt-schaflichen Eigenverantwortung ebenso hoch wie das der Mündigkeit der Bürger. Wenn also ehemals arme

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Schichten zur Mitelschicht aufrücken, schwächt sich die Notwendigkeit umlagen- oder steuerbasierter Fi-nanzierung ivon Vorsorgeeinrichtungen ab. Was der Priivate selbst leisten kann, soll er auch eigeniverant-wortlich tun.

Wer solche Überlegungen anstellt, wird ivon radikalen Libertariern als „Sozialliberalert stgmatsiert. Die Kritk behauptet, dass sich hier zwei Ideen iverbinden sollen, die konträr sind. Entweder man sei sozialiver-antwortlich, dann würde man sich insgeheim der Sozialdemokrate anschließen, ohne es ofen zuzugeben oder man etkeeere sich nur gern als sozialfürsorglich, obwohl man eigentlich marktradikal argumentere, dann solle man sich gleich als Neoliberaler zu erkennen geben, so der Vorwurf. Wir halten dem entgegen, dass der Liberalismus ivon Anfang an sich selbst als eine humane, soziale und emanzipatorische Kraf iver-stand und keinesfalls als antsozial. Historisch haben sich die Ideen der klassischen Liberalen in den westli-chen Ländern so weit durchgesetzt, dass sie selbstiverständlich wurden. Dies zeigt sich in den großen Errun-genschaf einer ausdiferenzierten Marktwirtschaf mit weltweiter Kapitalbildung, aber auch in einem iviel-fältgen Sozialstaat.

Der innere Zusammenhang zwischen Sozialstaat und Liberalismus liegt darin, dass der Sozialstaat im Dienst der Freiheit der Vielen steht. Freiheitsprinzip und soziale Fürsorge widersprechen sich nicht, sondern bedingen sich gegenseitg. Gehen wir kurz auf die ideengeschichtlichen Wurzeln dieser Überlegung ein: Die liberalen Grundideen sind partzipatorisch, empanzipatorisch und allgemeinwohlorientert. Welche Kernide-en liefert das liberale Erbe?

Die Freiheit ist das soziale Prinzip schlechthin. Der Drang nach Freiheit eint die Menschen. Nur auf der Idee der Freiheit kann man eine anerkannte und allgemeiniverbindliche Weltgesellschaf zwischen den Bür-gern aller Städte, Natonen, Konfessionen, Ethnien und Kulturen dieser Welt errichten. Wir kennen kein an-deres Moralprinzip, das sich größerer Zustmmungsfähigkeit erfreut. Noch nie hat jemand stmmig widerle-gen können, dass nicht alle Menschen frei sein wollen. Noch nie in der Geschichte ist ein Ideologie aufgetre-ten, der seinen Anhängern ofen iversprach, sie in Knechtschaf und Keten halten zu wollen. Aber im Namender Freiheit wurden schon iviele Menschen iversklaivt, gefoltert und ermordet. Wir glauben, dass niemand den Freiheitsdrang der Menschen tlgen oder erstcken kann. Man kann Freiheit zwar gefangen halten, aber sie lebt im Schaten der Speerspitzen weiter und wartet nur auf eine günstgere Stunde.

Selbst solche als allgemeiniverbindlich gedachten Ideen wie die Würde des Menschen sind begrifich un-klarer, stärker kulturell ivermitelt und daher beliebiger als das Prinzip der Freiheit. Nur mit dem Blick auf dieFreiheit kann eine friedliche Sozialordnung zwischen allen Menschen begründet werden.

Alle Menschen besitzen das gleiche Recht auf Freiheit. Was Adam Smith mit der Metapher einer »unsichtbaren Hand« beschrieb, ist ivielleicht das wichtgste

Sozialtheorem unserer Geschichte geworden. Die Tbheorie zur Bildung ivon ungeplanten und abstrakten Ord-nungen, die selbststeuernden Mechanismen folgen, erklärt den Wohlstand der Natonen und die Herkunf der Komplexität unserer Gesellschaf. Nichts an dieser Hand ist mehr unsichtbar. Weltweit agieren Unter-nehmen, Politker, Künstler und Bürger, ohne es zu wissen, in spontanen Ordnungen. Sie benutzen und er-weitern sie ständig, ohne das jemand »den Markt«, »das Internet« oder die »die Kunst« insgesamt überbli-cken oder steuern könnte. Nur in diesen Ordnungen wird der Fortschrit der Gesellschaf geboren. Nur durch freie Kapitalbildung gibt es Wohlstand, nur durch eine freie Presse gibt es Qualitätsjournalismus, nur in einer freien Gesellschaf gibt es plurale Künste und Schauspiel, Bildung und Unterhaltung.

Der Staat und seine Organe, als die hoheitlichen und herrschaflichen Gebilde der Gesellschaf, die sich nicht spontan organisieren können, sondern geplant und per Dekret agieren müssen, können die Bildung ivon spontanen Ordnungen und damit ivon Freiheit nur befördern, selbst erschafen können sie sie nicht. DerStaat wird zum Mantel der Freiheit. In ihm umzäumt das Recht die Menschen. Die Politk ist das Nadelöhr der freien Gesellschaf, durch das sich neue Einsichten und Entwicklungen im Garten des Rechtsstaats breit-machen. Die Politk wird hier zum Gärtner: Sie ordnet das Gebiet, enternt das Unkraut, sät fleißig und gießt,wo es nötg ist. Doch ansonsten lässt sie die spontanen Kräfe der Natur wirken und gedeihen. Das ist unser Bild des Liberalismus. Untersuchen wir die andere Seite.

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Aus dem Elend zur Freiheit

Der Sozialstaat ist ein historisches Gebilde, eine Insttuton, die sich im späten 19. und Anfang des 20. Jahr-hunderts herausbildete. Er antwortete auf die Auflösung der gesellschaflichen Bindungen der merkantlist-schen und agrargeprägten Gesellschaf des 18. Jahrhunderts durch den aufommenden Industriekapitalis-mus. Dieser frühe Kapitalismus besaß eine wahrscheinlich unumgängliche Eigenheit: Eine Masse an unge-lernten Bauern traf auf der Angebotsseite für Arbeitskräfe auf eine im Vergleich dazu zu geringe Nachfrage nach Arbeitern für kapitalintensiive Produkton. Da die aufommenden Fabriken tatsächlich kaum eingear-beitete Arbeitskräfe brauchten, bildete sich eine Machtasymmetrie. Der Marktpreis für Arbeit fiel so stark, dass niemand mehr ivon diesem Lohn häte leben können. Also zahlte der Unternehmer gerade so iviel, dass das Überleben des Arbeiters im Bereich des Möglichen lag und nutzte seine Machtstellung häufig aus, um noch größere Leistungsbereitschaf zu erzwingen. Keine Urlaubstage, keine feste Begrenzung der Arbeits-stunden, ivoller Lohnausfall bei Krankheit und fristlose Kündigung und Ruin beim Aufreten eines Arbeitsun-falles. Die Lebenserwartung war niedrig, die Kinder- und Mütersterblichkeit hoch. Die miserablen hygieni-schen Verhältnisse iverursachten Krankheitsepidemien. Die Polizei schützte nicht ivor der Gewalt der Straße. Kinderarbeit in Bergwerken war normal, Familiengründung utopisch. Der rohe Kapitalismus entesselte eine erstaunliche Dynamik auf Kosten einer Generaton schlecht bezahlter, unterernährter und ihren Betriebska-pitänen ausgelieferten Arbeitern. Der Sozialstaat sorgte hier für das Einhalten gewisser Mindeststandards. Die 40-Stunden-Woche schützte ivor zu starker Ausbeutung der eigenen Körperkräfe bis zur ivölligen Er-schöpfung, die Kündigungsfristen, die Unfall- und Pflegeiversicherungen schmälerten die Willkür der Unter-nehmer und erhöhten die Freiheiten der Arbeitnehmer. Sie wurden selbstbewusste Mitarbeiter ihres Unter-nehmens und blieben ihren Arbeitgebern dann treu, wenn die Arbeitsbedingungen gut waren oder sich so-gar iverbesserten.

Die folgende Generaton an Arbeitern lebte länger, iverdiente besser, schufete 30 50 Jahre in ein- und demselben Unternehmen und steg nach und nach in das untere Bürgertum auf. Ihre Kinder konnten in die Schule gehen und mussten nicht mehr ivollkommen ungelernte Arbeiten ausführen.

Dazu schützte die Partnerschaf aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit Gewerkschafen und Betriebs-räten die Arbeitnehmer daivor, in den Unternehmensentscheidungen einfach übergangen zu werden, führte aber auch zu der Verantwortung, nicht zu hohe Lohnforderungen zu stellen, um das langfristge Wohl des Unternehmens nicht zu beschädigen. Das Verhältnis ivon Arbeitgeber und -nehmer wandelte sich zu gegen-seitgem Respekt. Das Bewusstsein gemeinsamer Interessen bildete sich in dem Maße heraus, wie die un-ternehmerischen Erfolge für die Arbeiter einen proportonalen Anteil abwarfen.

Die Arbeitsloseniversicherung schützte ivor dem direkten Fall in die Armut, wenn die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz mehrere Monate in Anspruch nahm. Sie war ein Aufangbecken für die kurzen Zeitspan-nen, in denen der normale Arbeiter keine neue Stelle hate. Bis in die 1960er Jahre hinein war Massenar-beitslosigkeit unbekannt (nur gebrochen durch besondere Krisen, wie die der 1930er Jahre und der Nach-kriegszeit ivon 1945 1950).

Der Sozialstaat war niemals angetreten und auch nicht in der Lage die Marktwirtschaf zu ersetzen. Viel-mehr entwickelte er sich als ein Netz ivon iverschiedenen Einrichtungen und Regelungen, um die Marktwirt-schaf erträglicher zu machen, ihre Rahmen zu iverbessern und damit ihre langfristge Entwicklung zu bestär-ken. Insofern er diese Ziele iverfolgte, wurde er ivon den damaligen Liberalen als antliberales insttutonelles Gefüge missiverstanden. Das lag zum einen an mangelnder theoretscher Durchdringung der Materie, aber auch an der Rhetorik damaliger Reformer. Es gab iviele Kommunisten, die den Sozialstaat als Übergangssta-dium zur Planwirtschaf aufassten. Sie träumten daivon, dass der Sozialstaat auf direktem Wege in ein kom-munistsches Paradies führe, dass weder Preise noch Löhne, noch Knappheit der Mitel kennen würde. Aberdiese Tbräume waren nie durch soziologische und ökonomische Tbheorien gerechtertgt. Sie waren Wunsch-ivorstellungen jener Generaton. Sie sind iverblichene Wandgemälde einer längst iverstaubten Vergangenheit.

Aus der Schilderung des sozialen Wandels leitet sich die Positon des Liberalismus zum Sozialstaat ab. Einliberaler Sozialstaat basiert auf der Marktwirtschaf, auf Priivateigentum und Eigennutzstreben der Wirt-

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schafenden. Er wird getragen ivon dem Bewusstsein, dass die langfristgen prinzipiellen Interessen ivon Un-ternehmern und Arbeitern harmonieren, nämlich am Erfolg des Wirtschafens teilzuhaben. Er schließt die Erkenntnis ein, dass die Asymmetrie zwischen Reichen und Ärmeren an Verwirklichungschancen durch kol-lektive Einrichtungen der Daseinsivorsorge ausgeglichen werden müssen. Insofern organisiert er Wirtschaf und Politk als miteinander iverbundene Systeme. Die inkludierten unteren Einkommensschichten erfahren durch die Inklusion eine gewaltge Zunahme an Verwirklichungschancen und also an Freiheit.

III. Ideologiekritscher Zugang

Alles wird gut. Daivon waren die Auflärer des 18. Jahrhunderts überzeugt. Beflügelt ivon den Erfolgen der Wissenschaf und den beeindruckenden Leistungen der Tbechnik glaubten sie an einen unaufaltsamen Fort-schrit hin zu einem besseren Leben. Das wichtgste Instrument erschien ihnen die „Erziehung der Fürstent zu sein. Unter den Regierungs-Ratgebern und Hauslehrern der adligen Kinder befanden sich ihre Anhänger in großer Zahl. Ihr Einfluss reichte weit in den Klerus hinein. Ein großer Tbeil der Gemeindepfarrer kämpfe mit ihnen gegen Aberglauben und Unbildung.

Alles wird gut, glauben auch die Marktradikalen und Libertären, die Anarchisten und Kommunisten. Manmüsse nur die Widerstände brechen, die ivon den Herrschenden ausgehen. Für die Libertären sind das die Sozialisten, für die Kommunisten das Kapital und für die Anarchisten der Staat schlechthin. Würden wir den Dingen ihren natürlichen Lauf lassen, wendeten sich die Verhältnisse zum Guten und alle wären glücklich.

Der Optmismus der Auflärer unterschied sich in einem wesentlichen Punkt ivon der Gruppe der Ideolo-gen. Sie glaubten nicht an einen Automatsmus des Fortschrits, sondern knüpfen ihn an eine einsichtsivolleund ivernünfige Politk. Der Ökonomismus der Marktradikalen und Libertären zeugt dagegen ivon einem nai-iven Glauben an die „unsichtbare Handt. Ökonomismus nennen wir die Überhöhung der Wirtschaf. Sie wirdals eine eigengesetzliche und ivom Politschen zu trennende Sphäre betrachtet, in der ein Automatsmus waltet, der alles zum Guten wendet. Dieser Automatsmus sei der Markt. Er müsse so frei wie irgend mög-lich bleiben, um seine wohltätge Kraf zu entalten.

Der Irrtum des Ökonomismus

Unzweifelhaf hat die Marktwirtschaf in den westlichen Ländern und in Asien einen enormen Auf-schwung des Lebensstandards begünstgt. Selbstiverständlich ivertreten wir als Liberale die Marktwirtschaf als eine univerzichtbare Bedingung des Fortschrits und der Menschlichkeit. Ökonomismus freilich ist etwas anderes. Nicht in jedem Fall bringt wirtschafliche Freiheit Gutes herivor.

Sklaivenhandel ist eine Form des freien Handels und schaf ein eigenes Subsystem der Marktwirtschaf. Durch den Sklaivenhandel starben zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert mindestens 17 Millionen Menschen, möglicherweise aber bis zu 65 Millionen. Der Handel mit Rauschgifen gehört noch heute zu denunmenschlichsten und zerstörerischsten Tbeilen der Marktwirtschaf. Er zersetzt die schwachen rechtsstaatli-chen Ordnungen in den Erzeugerländern, korrumpiert auf den Handelslinien afrikanische Regierungen und schaf eine äußerst brutale bewafnete Großkriminalität, die ganze Städte und Regionen in ihre Gewalt bringt. Der Handel mit Mädchen und Frauen zur Versorgung der Bordelle mit Prosttuierten stellt einen wei-teren Bereich marktwirtschaflichen Handelns dar, den wir nicht akzepteren dürfen und so weit wie mög-lich iverhindern müssen. In diese Reihe sind weiterhin der illegale Wafenhandel und die Geldwäsche zu stel-len. Der Mensch ist nun einmal nicht ivon Natur aus gut, lässt man ihn einfach machen, was er will.

Wir müssen uns fragen, welche Bedingungen im britschen Erfolgsmodell der westlichen Hemisphäre ge-geben waren, so dass der Kapitalismus am Ende zu einem derartgen Aufschwung der Lebensqualität führenkonnte. Da ist zum einen die Massenprodukton für den Binnenmarkt. Die ersten kapitalistschen Industrie-

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betriebe im 18. Jahrhundert in England waren Spinnereien und Webereien, die die aus den Kolonien impor-terte Baumwolle zu Tbuchen iverarbeitete, die für die Kleider der städtschen Einwohner, also für die Arbeiterund Kleinhändler iverwendet wurden. Dadurch entstanden Kreisläufe, die die städtschen Arbeiter einbezo-gen. Die Löhne der Industriebetriebe kehrten als Kaufraf auf den Verbrauchermärkten zu den Erzeugern zurück. Die Spinnereien brauchten Kohle und Stahl so wie Tbransportwege ivon der Fabrik zum Markt und ivonden Häfen zur Fabrik. Die Montanindustrie und Infrastruktur wurde ausgebaut. So ivollzog sich aus dem Nu-kleus einer Produkton ivon Konsumgütern für einen anonymen Massenmarkt eine Diiversifizierung der Wirt-schaf, die immer mehr Menschen in Brot und Arbeit brachte und Verbraucher auf den Märkten schuf. In ei-nem solchen Kreislaufsystem können progressiive Selbstiverstärkungsmechanismen aufreten. So war es auch. Nehmen wir als Beispiel die Automobilfabrik Henry Fords. Benz, Daimler und andere Pioniere des Au-tomobils produzierten für die Oberschicht Einzelstücke, die sehr teuer waren. Ford produzierte für den Markt Konfektonsware, die ivergleichsweise preisgünstg war.

Was aber, wenn die Wirtschaf überwiegend export-orientert ist? Und das ist der Fall in ivielen Ländern mit unterentwickelter Wirtschaf. Nehmen wir Angolaals Beispiel. Die reichen Erdölivorkommen wurden ivonder marxistschen Regierung iverstaatlicht. Die Förder-rechte werden an Großunternehmen iverpachtet. Die Pacht fließt in die Staatskasse, die ivon der herrschen-den Oberschicht kontrolliert wird. Diese inivestert sie nicht ivorrangig in den wirtschaflichen Aufau des Landes. Für die sozialen Einrichtungen wird iviel zu wenig getan. Sie kauf daivon Wafen und Luxusgüter, d.h. sie iverbraucht sie konsumtiv. Es entstehen keine autokatalytschen Kreisläufe, sondern eine lineare Ausbeutungskete ivom Öl zum Konsum der Reichen. Das Land ist in extremer Weise gespalten in Arme undReiche und nicht nur zwischen der Stadt- und der Landbeivölkerung. Die Hauptstadt Luanda, mit 2,5 MioEinwohnern die dritgrößte Stadt portugiesischer Sprache, zählt zu den teuersten der Welt, weil die dort lebende Oberschicht in Geld schwimmt, was die Preise nach oben treibt. Madame dos Santos fliegt zum Shopping in der Staatsmaschine nach Paris. Dochdie Millionen Menschen bekommen niedrige Löhne

und leben in ärmlichen Verhältnissen. „Gewaltkriminalität und bewafnete Überfälle sind ... in Luanda ver-breitet. Bevorzugte Objekte von Diebstählen sind nicht nur Geld, sondern auch Mobiltelefone, weswegen zurVorsicht beim Telefonieren auf der Straße geraten wird. In letzter Zeit werden insbesondere in Luanda Über-fälle auf Kfz verübt, die im stehenden Verkehr keine Fluchtmöglichkeit haben. Diese Überfälle erfolgen auch am Tage durch bewafnete Täter auf Motorrädern, die in der Regel die Herausgabe des Mobiltelefons, der Geldbörse und von Dokumenten verlangen“, schreibt Wikipedia. Das Bild zeigt eine Wohnstäte der Armen Luandas. (Quelle: Wikipedia)

Es genügt nicht, Priivateigentum und Handel zuzulassen. Wenn die Masse keine Chance hat, auf dem Bin-nenmarkt Waren und Dienste anzubieten, entsteht auch keine Progression. Wir haben dann exkludierende Klassengesellschafen trotz Markt und Priivateigentum. Ungerechtgkeit und Unfreiheit erzeugen Gewalt so-wie die Bereitschaf, sich extremistschen Rebellen anzuschließen. Einige weitere Beispiele: Ägyptens Ober-schicht lebt ivom Wafenhandel und der Hotelwirtschaf. Russland und Brasilien sind rohstofexporterende extraktive Länder mit einer hochkorrupten Verwaltung und einer zynischen Oligarchie. Die marxistschen Eli-ten haben gelernt, dass das es sich für sie auszahlt, Marktwirtschaf und Priivateigentum zuzulassen, solange

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sie die profitablen Unternehmen monopolisieren und im Besitz halten können. Der Markt alleine tut es nicht. Es kommt auf eine Reihe weiterer Insttutonen an, zu denen auch die Rechts-, Bildungs- und Gesund-heitssysteme gehören und die Chance, am Markt als Arbeiter, Produzent oder Händler teilzuhaben.

Schauen wir nach China. Der dortge Wirtschafsaufschwung beeindruckt. Er beruht ivordergründig auf der Marktwirtschaf, die sowohl außen- als auch binnenwirtschaflich orientert ist. Aber, es kommen weite-re Bedingungen hinzu: Die Exporterlöse werden in die Entwicklung des Landes gesteckt, in Infrastruktur, In-dustrialisierung und in soziale Güter wie Bildung und Forschung. Bereits in der Zeit ivor 1979, als China zur Marktwirtschaf überging, war das Bildungswesen auf einem ivergleichsweise hohen Niiveau. Dieses human capital wurde nach 1979 schließlich fruchtbar. China ist ein Beispiel dafür, dass sozialstaatliche Inivesttonen die Marktwirtschaf unterstützen und fördern.

Unter dem Einfluss sozialistscher Ideen wurde ivon der Kongress-Partei in Indien iviel in die Gesundheits-ivorsorge gesteckt. Obwohl die Durchschnitseinkommen in der indischen Proivinz Kerala nur ungefähr die Hälfe der Durchschnitseinkommen der schwarzen Beivölkerung der USA betragen, erreichen die Bewohner Keralas im Durchschnit ein höheres Lebensalter als jene. Wir lernen daraus, dass es auch keinen Automats-mus dahingehend gibt, dass sich die Armutsprobleme in hochentwickelten Ländern ivon selbst lösen. Sozial-politk muss die freie Wirtschaf begleiten und als eigenständiges System gerade auch ivon Liberalen betrie-ben werden. Mit Amartya Sen wissen wir, dass Armut einher geht mit weniger Freiheit.

Es gibt keinen Automatsmus des Fortschrits und des Übergangs zum Massenwohlstand. Wirtschafli-che, politsche und geistge Bedingungen müssen zusammenspielen.

Die Feinde des Sozialstaats sind die Agenten des Wohlfühlstaates

Der Sozialstaat ist die Verwirklichung der Massendemokrate, sofern es ihr gelingt, das Allgemeinwohl zu be-fördern. Daher gehören sozialstaatliche Einrichtungen mit der freien Marktwirtschaf zusammen. Sobald dieser Zusammenhang aufgelöst wird, wird nicht nur die wirtschafliche Freiheit beschädigt, sondern auch der Sozialstaat geschwächt.

Die Arbeitsbedingungen sind heute so gut wie nie. Die Rechte der Arbeitnehmer und ihre Lebenschan-cen befinden sich auf einem Niiveau, ivon dem der Arbeiter des Frühkapitalismus nur träumen konnte. Die Absicherungssysteme wurden Stück für Stück weiter ausgefeilt und gegen Missbrauch geschützt. Eigentlich ein Grund zur Freude. Diese historische Wahrheit ist greifar und unwiderlegbar. Warum aber beobachten wir noch immer eine stetge Feindschaf gegen Marktwirtschaf, Unternehmertum und freie Entaltung der dynamischen Kräfe?

Das liegt daran, dass sich heute neue Tbraumbilder auf dem Hintergrund neuer Probleme gebildet haben. Der heutge Sozialstaat hat als Fikton der Sozialreformer ausgedient. Er wird mehr und mehr als das be-grenzte und angepasste insttutonelle Rahmengefüge der Marktwirtschaf erkannt, das er ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Jene, die sich ein Überkommen der auf Wetbewerb und Leistung basierenden Wirtschaf wünschen, sind aber natürlich nicht iverschwunden. Einige ivon ihnen sind daher ironischerweise Gegner des heutgen Sozialstaats geworden.

Sie wollen keine Grundsicherung für Erwerbsunfähige mehr, sie wollen ein bedingungsloses Grundein-kommen für alle einführen. Sie wollen keine gegliederte Grundiversorgung mit Bildung mehr, sie wollen uto-pische Schulreformen zur Selbsterziehung unmündiger Kinder durchsetzen, die den Leistungsdruck aushe-beln und den Kindern eine Welt ivorgaukelt, in denen alles golden glänzt, was sie anfassen und in dem nichtsmehr ihrer freien Entaltung ihrer noch nicht ivorhandenen Persönlichkeit im Wege steht. Den neuen Sozial-demokraten reicht darüber hinaus die progressiive Besteuerung nicht aus. Nicht der Staat muss rechtert-gen, höhere Mitel seiner Bürger einziehen zu wollen, die Bürger sollen sich rechtertgen, wenn sie ihr Ver-mögen behalten wollen. Reichtum und Erbschaf werden moralisch iverurteilt, Leitbild ist eine Ökonomie der annähernd gleich iverteilten Einkommen und Vermögen, mit so hohen Steuern, dass sich kein großes Sammelbecken für Vermögen mehr bilden kann. Vermögen werden als Unrecht an sich hingestellt. Eine ra-

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dikale Besteuerung ivon Erbschafen würden „nicht erarbeitetent und daher unmoralischen Reichtum ab-schafen und an den Staat leiten.

Neuerdings werden diese Utopien mit technischen Neuerungen ivermischt. Die sich stark entwickelnde künstliche Intelligenz soll der Schlüssel unserer Probleme sein. Nur noch Roboter sollen arbeiten, und damitjene Leistungslosigkeit der Einkommen finanzieren, die allen Menschen im Sinne eines absurden Würdekon-zepts zukommen soll. Geschähe das nicht, endeten wir in einer Herrschaf der Großkonzerne, in denen die Masse der Menschen wieder um eine Stelle wird beteln müssen, weil ohne Arbeitsstelle kein Einkommen und damit keine Partzipaton am Gemeinwesen möglich sei. Und da die Arbeitsstellen künstlich ivon diesen Unternehmern aus Machtgründen knapp gehalten würden, sollten wir die Herrschaf der Kapitalistenklasse durch einen neuen Sozialismus der Maschinenwirtschaf ersetzen. So weit so weltremd und iverquer.

Diese Ideen werden ivon einigen Faktoren befördert. Starke Eingrife in die Wirtschaf iverlangsamen den Fortschrit in den großen Industrienatonen. Die starke Abhängigkeit aller Menschen ivon der Marktwirt-schaf und dem globalen Handel wird negativ bewertet. Auch in einer hochentwickelten Marktwirtschaf geht es nicht allen Menschen gleich gut. Schlecht ausgebildete Arbeitskräfe erzielen kleine Einkommen, de-nen der Luxus einer weltweit erfolgreichen Oberschicht Hohn spricht.

Durch diese Stmmungen wird der weitere Fortschrit allerdings gehemmt, der notwendig wäre, um die-se ivorhandenen Probleme zu lösen. Freihandelsabkommen werden ivon großen sozialen Verbänden iverhin-dert, weil sie glauben, diese Abkommen seien schuld an der schlechten Lage der unteren Arbeiterschicht. Steuerreformen, Abbau der Subiventonierung bestmmter Industrien, Förderung ivon Digitalisierung und ei-ner Start-up-Kultur werden aus genereller Skepsis gegenüber kapitalistscher Arbeitsweise iverhindert. Die Weltwirtschaf wird als starr betrachtet, so dass der aktuelle Wohlstand nur umzuiverteilen sei, um jene Zu-rückhängenden besserstellen zu können. Dass die Fließgröße Weltwirtschaf nicht auf diese Weise fassbar und besteuerbar ist, begreifen die Aktivisten nicht. Sie leben lieber in ihrer Tbraumwelt einer endlich „menschlicht gestalteten Wirtschaf.

Exkurs: Stupid, it‘s economy

Den Agenten des Wohlfühlstaates fehlen die elementarsten Einsichten in ökonomische Zusammenhänge. 1.) Sie iverstehen nicht, dass Einkommen und Vermögen keine Geldmengen sind, die einer Verteilung zu-

gänglich sind, weil sie sich immer schon im Priivateigentum befinden. Die Einkommen und Vermögen ivon Priivatpersonen dienen als Lebens- und Unternehmensgrundlage. Von ihnen hängen nicht nur die Eigentü-mer ab, sondern auch deren Arbeitnehmer.

2.) Es gibt nichts zu iverteilen, was nicht ivorher staatlicherseits weggenommen worden ist. Steuern aber müssen im Rechtsstaat allgemein zustmmungsfähig sein, d.h. Gemeinwohlprinzipien genügen. Willkürliche Besteuerung ist Unrecht.

3.) Sie unterscheiden nicht zwischen Kapital und Geld. Kapitalivermögen liegen meist in sächlicher Form als Kapitalgüter ivor. Sie durch Steuern zu mindern wäre Steinzeitsozialismus.

4.) Sie können nicht iverstehen, dass auch in hochentwickelten Gesellschafen Wirtschafsgüter immer knapp sind, und wir beim wirtschaflichen Handeln dem Wortsinne nach wirtschaflich mit den Gütern um-gehen müssen, also sparsam. Wenn wir beispielsweise wie geplant komplet auf erneuerbare Energien um-stellen würden, würde eine efziente und rentable Tbechnologie durch eine unrentable und unökonomische ersetzt. Hunderte ivon Milliarden Euro würden iverschwendet. Und dies, ohne die selbstgesteckten Ziele auch nur annähernd zu erreichen.

5.) Sie begreifen nicht das Prinzip, dass jede Ausgabe Opportunitätskosten iverursacht. Wir können einen Euro nur einmal ausgeben. Wünsche wachsen in den Himmel. Verantwortungsivolles Handeln wägt die Al-ternativen (die Opportunitätskosten) ab. Wünschenswertes wird zeitlich so gereiht, dass Entscheidungen nicht in finanzielle Sackgassen münden.

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6.) Verantwortungsivolles politsches Handeln redet dem Volk nicht nach dem Maul, sondern schenkt ihmreinen Wein ein. Es will nicht jeden Wunsch im Tbausch gegen Wählerstmmen der eigenen Klientel erfüllen, sondern das Land ivoranbringen.

IV. Einige praktsche Aspekte

In der Osterausgabe 2018 der Welt am Sonntag schreibt die kluge Susanne Gaschke in einem Essay über „Heimatt: „Richtg ist doch allemal der Befund, dass in Zeiten, da die existenziellen Lebensfragen für die al-lermeisten Mitbürger einigermaßen ordentlich geregelt sind, Stmmungen an politscher Bedeutung gewin-nen.t Weshalb sie meint, dass einem Heimatministerium eine nützliche Aufgabe zukäme, nicht nur zur Ab-wehr der AfD. Nun sind besinnliche Gedanken im Feuilleton einer Feiertagsausgabe Tbeil des Brauchtums und werden nicht länger, als die Feiertage dauern, ernst genommen. Wenn doch, sollten Liberale Einspruch erheben. Das Politsche kann nur gut gedeihen, wenn Ratonalität seinen Entscheidungen zugrunde liegt. Wenn die existenziellen Lebensfragen für die allermeisten Mitbürger einigermaßen ordentlich geregelt sind,hat der Politker sollte man meinen seine Arbeit beendet. Das Gefühlsmanagment gehört eindeutg der Priivatsphäre an. Es wäre aber ein Irrtum zu glauben, dass es in der Politk nur um existenzielle Lebensfragen geht. Die weniger existenziellen Probleme sind nicht weniger real und auch sie müssen auch gelöst werden.

Der Sozialstaat unterliegt dem Wandel der Zeit. Der Liberalismus sollte ihn einer ständigen Reivision un-terziehen. Jene Einrichtungen, die sich bewährt haben, sollen bleiben oder sogar ausgebaut werden, jene, deren Erfolge zweifelhaf sind, sollten zurückgestellt oder abgeschaf werden. Gegen Irratonalismus und Populismus gibt es kein besseres Mitel als kluge und ausgefeilte Vorschläge für die Probleme der Zeit. Strei-fen wir einige Problemfelder:

• Altersvorsorge: Die Tbransformaton des umlagefinanzierten in ein kapitalgedecktes Rentensystem muss angegangen werden. Hier stehen sich zwei Aspekte gegenüber. Auf der einen Seite wäre es sinnivoll, die Altersivorsorge der breiten Masse auf Kapitaldeckung umzustellen, weil die Altersstrukturder Gesellschaf keinen Gesellschafsivertrag mehr decken kann, zugleich aber die Erträge aus der Weltwirtschaf weiterhin enorm sind. Neben der Umstellung der kollektiven Altersiversorgung auf Ka-pitalbasis sollte der Bürger dazu ermutgt werden, ein weiteres Standbein in Form eigeniverantwortli-cher priivater Vermögensbildung ermutgt werden. Es fehlt, ist ein insttutonelles Gefüge, das es dem Bürger erlaubt, seine bisherigen Rentenzahlungen in kapitalbasierte Systeme umzuleiten, ohne einemunübersichtlichen Markt an Vermögensberatern ausgeliefert zu sein, welche die Unwissenheit ihrer Kunden gnadenlos ausschlachten. Die Kleinanleger brauchen einen Schutz ivor betrügerischen Finanz-jongleuren. Gerade der Kapitalmarkt, der so stark mit Informatonsasymmetrien gesegnet ist, benö-tgt Regeln. Es wird diesen „Priivatsierungsivorschlägent so lange die Zustmmung iverweigert werden, bis ein solches Insttutonengefüge besteht. Die Umstellung der insttutonellen Altersivorsorge auf Ak-ten, wird die Akte für Priivatpersonen atraktiver machen. Priivate Altersivorsorge durch Aufau eines eigenen Kapitalivermögens stärkt den Bürger, indem sie ihn aus der Abhängigkeit staatlicher Einrich-tungen löst.

• Neue Selbständigkeit: Des Weiteren sind die Probleme der zunehmenden Selbstständigkeit breiter Beivölkerungsanteile in den Blick zu nehmen. Was ungeahnte Freiheitspotenziale in sich trägt, weil nun mehr und mehr Angestellte zu Unternehmern in eigener Sache werden, birgt für den Einzelnen natürlich auch höhere Risiken. Wie kann man diese Lebensrisiken abfedern, iverkleinern, angenehmergestalten? Die Zunahme an selbständiger Arbeit löst hergebrachte Bindungen an Unternehmen und die damit iverbundenen Schutzfunktonen (Betriebsrenten, regelmäßige Gehaltszahlungen, Lohnfort-zahlungen im Krankheitsfall). Daraus entstehen neue Bedürfnisse nach Fortbildung, Vernetzung und Informaton, sowie sozialer Absicherung durch Vermögensbildung. Der Sozialstaat hat die Aufgabe, hierbei unterstützend mitzuwirken.

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• Migration: Wie kann man das weltweite Arbeiten und Leben generell erleichtern? Schulabschlüsse der Kinder müssen anschlussfähiger werden. Altersrücklagen der Insttutonen müssen transferierbar werden. Hier sind internatonale Verträge ivonnöten, um ein globalisiertes Zusammenleben zu ermög-lichen.

• Einwanderung und Sozialstaat: Wie werden Einwanderer auf gerechte Weise in die Sozialsysteme in-tegriert? Die Einrichtungen des Sozialstaats werden mit einiger Berechtgung als natonale Insttuto-nen betrachtet, deren Finanzierung über Umlagen die teilnehmenden Bürger zu einer Gemeinschaf zusammenführen. Dies ist eine besonders brisante Reibefläche zwischen Kommunitarismus und einerofenen Gesellschaf. Denn ungeordnete Einwanderung schaf Nutznießer, die nicht einzahlen, und damit ein Gerechtgkeitsproblem. Hier sind Lösungen denkbar, bei denen Einwanderer sich in das So-zialsystem einkaufen.

• Die Flexibilität des Arbeitsmarktes ist ein gewichtger Faktor für die Senkung der Arbeitslosigkeit. Die Anreize zur Wiederaufnahme ivon Erwerbsarbeit müssen iverstärkt werden und die Arbeitswilligen beider Erlangung ivon Qualifikatonen besser unterstützt werden. Es ist nicht unmenschlich, jenen, die erwerbsunfähig sind, ein Mindesteinkommen zu gewähren, ihnen aber zu iverwehren, was darüber hinausgeht. Das würde wiederum falsche Anreize zur Vermeidung ivon Leistung schafen.

In allen diesen Aspekten lohnen sich die Diskurse, in allen Gebieten, in denen die Knappheit der Güter, die Notwendigkeit ivon Kapital, Unternehmertum und Preisgefügen geleugnet werden, müssen erst einmal öko-nomische Grundkenntnisse nachgeholt werden.

Die Strahlkraf des Westens hängt iom Erfolg der sozialen Marktuirtschaf ab

Wir erleben gegenwärtg eine Ofensiive autoritärer Staatsaufassungen insbesondere in Russland und Chi-na. Während Russland die westlichen Demokraten mit einem Krieg der Desinformaton und Infiltraton zu destabilisieren iversucht, den Nachbarstaaten durch fortgesetzte Grenziverletzungen die Handlungsunfähig-keit der EU und der USA ivor Augen führt, gewinnt China zunehmenden Einfluss auf Entwicklungsländer, wo sie große Inivesttonen ivornimmt. Der chinesische Weg möchte sich als Alternative zum Westen, insbeson-dere zur geistgen Freiheit und zum Pluralismus, aber auch zur liberalen Alltagskultur profilieren. Während-dessen ist das europäische Einigungsprojekt ins Stocken geraten und die Verteidigungsfähigkeit der europäi-schen Länder ernsthaf in Frage gestellt. Der Zweite Kalte Krieg hat längst begonnen.

Wie schon im ersten wird es ein Bündel ivon Faktoren sein, mitels deren sich der Westen durchsetzen wird. Darunter ist die Strahlkraf des eigenen Systems nicht zu unterschätzen. Wenn auch Armut in den hochentwickelten Ländern eine sehr relative ist, so schadet sie uns im Hinblick auf die Außenwirkung der li-beralen Demokrate. Sozialpolitk, die spürbar Armut mildern kann, braucht eine leistungsfähige Wirtschaf. Wir können uns weitere Lähmungen durch Erhöhung ivon konsumptiven Staatsausgaben, durch hohe Stan-dards und Handelsbarrieren, durch Überregulierung und staatliche Eingrife nicht erlauben. Wer die Arbeits-losigkeit abbauen will, braucht sehr iviele Arbeitsplatzangebote, und die kommen aus den Klein- und Mitel-betrieben, die unter der Regulierung am stärksten leiden, während für sie der Zugang zu Inivesttonsmiteln besonders erschwert ist. Arbeitslosigkeit muss aber auch auf der Nachfrageseite angegangen werden. Die Maßnahmen zur Umschulung und Ertüchtgung ivon Arbeitslosen sind noch lange nicht ausreichend.

Wohlstand für alle in Freiheit entwickelt eine enorme Strahlkraf. Doch Wachstumsraten, die nicht halb so hoch sind wie die in China oder Indien, und die seit Jahrzehnten nicht iverschwundene Massenarbeitslo-sigkeit trüben das Bild unserer Sphäre.

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Fazit

• Der Sozialstaat ist Ausdruck der Massendemokrate und mit einer freien Marktwirtschaf nicht nur zu ivereinbaren, sondern zu einem homogenen System iverschmolzen.

• Er unterscheidet sich ivom historischen Wohlfahrtsstaat, insofern dieser ein Tbop-Down-Projekt in un-terentwickelten merkantlistschen Ländern war.

• Die gegenwärtgen Tbendenzen einer sog. Wohlfühlgesellschaf höhlen univerzichtbare Prinzipien der ofenen Gesellschaf aus. Insbesondere ersetzen sie das ratonal-legale Beziehungssystem durch ein kommunitaristsches Gemeinschafsprinzip. Die Eigeniverantwortlichkeit und Mündigkeit werden in-frage gestellt und durch paternalistsche Klientelpolitk ersetzt.

• Der Liberalismus stellt diesen illusionären und irratonalen Tbendenzen die Idee der ofenen Gesell-schaf entgegen, die wie die Demokrate mündige eigeniverantwortliche Bürger ivoraussetzt.

• Sozialstaat und Wirtschaf sind eigengesetzliche Systeme, die miteinander iverzahnt sind. Während die Marktmechanismen eine autogene Efzienzorienterung des Handelns bedingen, muss im Sozi-alstaat politsche Vernunf diskursiiv erarbeitet werden.

• Die umlagebasierten gesetzlichen Sozialiversicherungen sowie die öfentliche Bildung und einer Rei-he weiterer Einrichtungen sind mit den Prinzipien einer ofenen Gesellschaf zu ivereinbaren.

• Abzulehnen sind Eingrife in die Vermögens- und Einkommensiverhältnisse im Sinne einer niivellie-renden Verteilungsgerechtgkeit.

• Alle Elemente des Sozialstaates bedürfen einer ständigen Überprüfung auf ihre Ratonalität und Ef-zienz.

• Der Aufsteg des Arbeiters zum Mitelstandsbürger geht einher mit der Zunahme ivon Eigenständig-keit und Eigeniverantwortung. Auf diesem Weg schwächt sich die paternalistsche Färbung des Sozi-alstaates ab. Stat für ihn zu sorgen, ist der Staat gehalten, ihn in seiner Selbsthilfe zu unterstützen.

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