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Spektroskopische Untersuchungen an kondensierten Phosphaten und Phosphorsauren. Vl) Strukturunterschiede beim Trimetaphosphation in KristaII und Losung Von E. STEGER Mit 3 Abbildungen Professor Erich Thilo xum 60. Geburtstage gewidmet Inhaltsubersicht Die Symmetrie D3h fur das Trimetaphosphation in waljriger Losung wird durch Infrarotuntersuchung in H,O und D,O bestatigt, einige fruhere Zuordnungen werden richtiggestellt. RAMAN-Aufnahmen an kristallisiertem Na,P,O, . 6 H,O zeigen eine verminderte Symmetrie im festen Zustand an. Es werden die Infrarotspektren Iierangezogen und unter Vcrwendung von Rontgenergebnissen gedeutet. Im Kristall hat das P,O,-Ion die Eigen- symmetrie C3". Summary The symmetry of D,, of the trimetaphosphate ion dissolved in H,O or D20 is con- firmed by investigation of the infrared spectrum. RAMAN frequencies of crystalline Na,P,O,. 6 H,O, combined with data from the infrared spectrum and X-ray analysis, show a symmetry of C,,, for the P,O,-ion in the lattice. Vorbemerkungen Fur das Tetrametaphosphation war gefunden worden, daf3 mit dem Einbau in den Kristall sich seine Struktur wesentlich verandern kann I) ". Auch fur das Trimetaphosphation ist schon ausgesprochen worden, dalJ mit solchen Effeliten zu rechnen ist3). Tatsachlich hat BUES fur das Anion im wasserfreien Natriumsalz die Symmetrie C,, gefunden und deshalb eine Winkelung des Phosphor-Sauerstoffringes in Sesselform angenommen4). Er hielt diese Struktur auch fur bindend fur das freie 1) Mitteilung IV: E. STEGER? Z. anorg. allg. Chem. 294, 146 (1958). 2) E. STECER u. A. SIMON, Z. anorg. allg. Chem. 294, 1 (1958). 3) E. STEQER, Vortrag in Munster 1954. 4) W. BUES u. H. W. GEHRKE, Z. anorg. allg. Chem. 288, 307 (1956). Z. anorg. allg. Chemle. Bd. 296. 20

Spektroskopische Untersuchungen an kondensierten Phosphaten und Phosphorsäuren. V. Strukturunterschiede beim Trimetaphosphation in Kristall und Lösung

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Spektroskopische Untersuchungen an kondensierten Phosphaten und Phosphorsauren. Vl)

Strukturunterschiede beim Trimetaphosphation in KristaII und Losung

Von E. STEGER

Mit 3 Abbildungen

Professor Erich Thilo xum 60. Geburtstage gewidmet

Inhaltsubersicht Die Symmetrie D3h fur das Trimetaphosphation in waljriger Losung wird durch

Infrarotuntersuchung in H,O und D,O bestatigt, einige fruhere Zuordnungen werden richtiggestellt.

RAMAN-Aufnahmen an kristallisiertem Na,P,O, . 6 H,O zeigen eine verminderte Symmetrie im festen Zustand an. Es werden die Infrarotspektren Iierangezogen und unter Vcrwendung von Rontgenergebnissen gedeutet. Im Kristall hat das P,O,-Ion die Eigen- symmetrie C3".

Summary The symmetry of D,, of the trimetaphosphate ion dissolved in H,O or D20 is con-

firmed by investigation of the infrared spectrum. RAMAN frequencies of crystalline Na,P,O,. 6 H,O, combined with data from the infrared spectrum and X-ray analysis, show a symmetry of C,,, for the P,O,-ion in the lattice.

Vorbemerkungen

Fur das Tetrametaphosphation war gefunden worden, daf3 mit dem Einbau in den Kristall sich seine Struktur wesentlich verandern kann I) ". Auch fur das Trimetaphosphation ist schon ausgesprochen worden, dalJ mit solchen Effeliten zu rechnen ist3). Tatsachlich hat BUES fur das Anion im wasserfreien Natriumsalz die Symmetrie C,, gefunden und deshalb eine Winkelung des Phosphor-Sauerstoffringes in Sesselform angenommen4). Er hielt diese Struktur auch fur bindend fur das freie

1) Mitteilung IV: E. STEGER? Z. anorg. allg. Chem. 294, 146 (1958). 2) E. STECER u. A. SIMON, Z. anorg. allg. Chem. 294, 1 (1958). 3) E. STEQER, Vortrag in Munster 1954. 4) W. BUES u. H. W. GEHRKE, Z. anorg. allg. Chem. 288, 307 (1956).

Z. anorg. allg. Chemle. Bd. 296. 20

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2. Die RAMAN-Spektren Mit der beschriebenen Festkorpereinrichtung mit.

2 Sekundarfilterns) wurde ain gutes Spektrum rnit einer Belichtungszeit von 4 Tagen auf Agfa-RAMAN- Platten erhalten. Die Spaltbreite betrug wie immer

Anion in Losung und stellte die Frage, ob nicht irn RAMAN-Effekt die fur diese Entscheidung wichtigen Linien einfach durch zu geringe Inten- sitaten oder mangelnde Auflosung der Beobachtung entgangen sein konnen. Jedoch ist die annahernde Vollstandigkeit des friiher mitge- teilten R ~ ~ ~ x - s p e k t r u m s ~ ) sicher und seine Deutung durch eine Struk- tur mit ebenem Ring trotz einiger Korrekturen in der Zuordnung richtig. In dieser uberzeugung wurden, urn eine direkte Vergleichbarkeit zwi- schen den RAMAN- und Infrarotergebnissen herzustellen, Infrarot- untersuchungen in waljriger Losung und RAM AN- Aufnahmen der kri- stallisierten Substanz durchgefiihrt.

Experimentelles 1. Die Praparate

von KIPP und Z O N E N ~ ) ausgewertet. Die Gegenuber-

5 ) A. SIMON u. E. STEOER, Z. anorg. allg. Chem.

6, K. KARBE u. G. JANDER, Kolloid-Beih. 64, 277, 209 (1954).

1 (1942). . ') E. THILO u. R. RATz, Z. anorg. Chem. 258, 33. Abb. 1. Mikrophotograrnrne der (1949). RAMAN-Spektren von Na,P,O, 8) A. SIMON, H. KRIECSMANN, E. STECER, Z. im Bcreich der PO-Valenz- physik. Chem. 206, 181 (1956). schwingungen. a) gesattigte O) Dern Institut fur wissenschaftliche Photographie Losung, b) Hexahydrat, Kri- der Techn. Hochschule Dresden wird fur die Moglich-

stallpulveraufnahme keit zur Benutzung des Gerates bestens gedankt.

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E. STEGER, Strukturunterschiede beim Trimetaphosphation in Kristall und Losung 307

stellung fur den hier interessierenden Ausschnitt der PO-Valenzschwingungen zeigt Abb. 1.

3. Die Infrarotspektren Infrarotspektren von Natriumtrimetaphosphat, im besonderen von den] wasser-

freien Salz, hatten neben einer von BUES und G E R ~ X E diskutierten Arbeit auch schon CORBRIDGE und LO WE'^) beobachtet, und ihr Spektrum stimmt mit dcm von BUES und GEHRKE iiberein bis auf eine Fre- quenz von 1262 cm-l, die nun bei 1213 cm-l gefunden wird. Die Hohere Frequenzen des Na,P,O,-Spektrums,

Tabelle 1

waDrige Losung Nachprufung bestatigte die erstere __ _ _ Angabe (MeDwert: 1265 cm-l) bei Zuordnung Infrarot RAMAN-Effekt der Untersuchung eines durch Entwassern des Hexahydrates dar- gestellten Na,P30g mittels der KBr-PreDtechnik. Sollte der letz- tere Wert nicht auf einem Irrtum beruhen, so mudte man spektrale Verschiedenheiten annehmen zwi- schen Praparaten, die aus dem Hexahydrat, und solchen, die aus dem GRAHAMschen Salz dargestellt wurden.

vBs PO A': E "

' v,PO A: E'

vag POP A: E'

v,POP A: E'

1277

I 1 ia

1098

ia ~ 1015

1 783 ia

I V I

1 1243

1 1158 1119 1

i v I 1000 1 634 763

Auch das Spektrum des Na3P,0,. 6 H,O wurde nachgepruft. Dieses sehr leicht ent- wassernde Hydrat wird bei Anwendung der KBr-PreBtechnik zerstort. DEBYE-SCHERRER- Aufnahmen von Proben, die mit 100 atm unter Zusatz von KBr gepredt worden ,waren, lieBen sich zu keiner der be- kannten Hydratformen12) in

wandlung durch den Druck allein oder durch das Kalium- bromid erfolgt, wurde nicht untersucht. Es wurde aber

nahmen gepruft, da6 die Paraffin - Einbettungs -Technik anwendbar und das von COR- BRIDQE und LOWE angegebene Spektruni einwandfrei ist.

Infrarotuntersuchungen an wll3rigen Losungen bieten Schwierigkeiten wegen der --- Wasserloslichkeit des ublichen Abb. 2. Na,P,O,, ges. Losung, Infrarotabsorption

.. !$! 7 % T

2 g 58 go k8 8: s?.a 4%. 2 L

Beziehung setzen. Ob die Um-

durch DE BY E-SCHE RRER-AUf-

lo) J. LECOMTE, A. BOULLE u. M. DOMINE-BERG&, Bull. SOC. chim. France [ 51 15,

11) D. E. C. CORBRIDGE u. E. J. LOWE, J. chem. SOC. [London] 1954, 493. 12) E. THILO u. TJ. HAUSSCHILT, Z. anorg. Chem. 261, 324 (1950); E. THZLO u.

764 (1948).

M. WALLIS, Chem. Ber. 86, 1213 (1953).

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Kuvettenmaterials und wegen der starken Eigenabsorption des Wassers. Aus dem ersten Grund wurde mit einer Kiivette von KRS-5-Platten gearheitet. Der 2. Uinstand fordert die Bcnutzung geringster Schichtdicken und setzt deshalb reichlich losliche Salze voraus. Es wurde also eine kaltgesattigte Losung von Na,P,O, in kapillarer Schichtdicke ver- wendet. Dazu werden die KRS-5-Platten in einer passenden Schraubfassung aufeinander geprcBt, nachdeni ein Tropfen der Losung dazwischen gebracht wurde.

Abh. 3. Na,P,O,. ges. Losung in D,O, Infrarotabsorption

Das Wasser erweist sich im Bereich der PO-Valenzschwingungen als genugend durcli- Iassig. Durchlassigkeit nach tieferen Frequenzen la St sich durch Anwendung von D,O als Losungsmittel erzielen.

Das hier in gleicher Methodik wie H,O, aher unter moglichster Abhaltung der Luft- feuchtigkeit verwendete schwere Wasser erwies sich als niit HDO verunreinigt, so daS die Durchlassigkeit nur bis 600 cm-l herunterreicht (vgl. Ahb. 3).

Die Infrarotuntersuchungen wurden mit dem Ultrarotspektralphotometer UR 10 des VEB Carl ZeiB, Jena, durchgefuhrt.

Ergebnisse Die Unterschiede zwischen den beiden fiir das Trimetaphosphation

gefundenen Formen driicken sich in den Auswahlregeln so Bus, daB es bei der Symmetrie D,, (ebener Ring) totalsynimetrische Schwingungen gibt, die in Infrarotabsorption inaktiv sind. Bei der geringeren Symme- trie C,, erhoht sich die Zahl der totalsyinmetrischen Schwingungen von 4 auf 7, und diese sind in RAMAN-Effekt und Infrarotabsorption in gleicher Weise zugelassen. Auch bei den anderen Rassen gibt es charak- teristische Unterschiede. So sind bei der hohersymmetrischen Form Schwingungen der Rasse A; moglich, die infrarotaktiv und im RAMAN- Effekt verboten sind. Eine Gruppe der entarteten Schwingungen E” ist umgekehrt auf das RAMAN-spektrum beschrankt4) 5 ) .

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E. STEQER, Strukturunterschiede beiin Trimetaphosphation in Kristall und Losung 309

Vergleicht man zunachst das Infrarot- und das RAMAN-Spektrum der wagrigen Losung (s. Abb. 2 und Tab. 1)) so findet man die fur die Symmetrie D,, kennzeichnenden Unterschiede. Von den antisymme- trischen PO-Valenzschwingungen tritt eine im RAMAN-Effekt, eine im Infrarot auf. Bei den Y, PO findet man im Infrarot nicht die total- symmetrische PO-Schwingung, die im RAMAN-Effekt durch ganz be- sondere Starke auffallt. Leicht festzustellen ist auch die Abwesenheit von A ; = 665 em-l und A ; = 634 em-l bei dem in D,O-Losung ge- messenen Infrarotspektrum (Abb. 3), wahrend sich fur andere Fre- quenzen wiederum ausreichend genaue ubereinstimmungen ergeben. An dem ebenen Ring im freien Trimetaphosphation kann man also nicht mehr zweifeln.

Auch die Zuordnung der PO-Valenzschwingungen und der ebenfalls in hohem Grad charakteristischen antisymmetrischen POP-Schwin- gungen ist damit endgultig erwiesen. Wenn so, wie aus Tab. 1 hervor- geht, die von B u m und G E H R K E ~ ) gegebene, von der vorherigen Ver- offentlichung 5 , abweichende Zuordnung, anerkannt und alizeptiert wird, so ist aber andererseits doch die von SIMON und dem Verfasser getroffene Zuordnung der Ringschwingungen richtiger gewesen, als ihre Revision. Fur A; = 635 em-l und A& = 665 em-l beweist das Fehlen im Infrarotspektrum endgultig die Zugehorigkeit zu A,; es la& sich aber zeigen, daB nicht beides Ringschwingungen sein konnen. Die F- und G-Matrizen der 2 totalsymmetrischen Normalschwingungen des Gatomi- gen PO-Ringes lauten :

1 ( 3 ( P o P ) i ( doPo d P O P

G (A;) = !j (pa + p) (pa - p ) F (A;) = fpo + 2 f' 0

Dieser Ansatz ersetzt die vollst andige Normalkoordinatenanalyse des Anions, wenn man p in der G-Matrix als resultierende reziprolte Masse der PO,-Gruppe auffagt, die zwischen den Werten von P und P + 2 0 liegen kann, aber fur bejde Schwingungsformen sicher gleich ist. Mit dcn von BUES und GEHRKE als Ringschwingungen angenommenen Fre- quenzen ist es nicht moglich, Kraftkonstanten auszurechnen. Wenn man aus der einmal mit v1 = 635 em-l einmal mit v2 = 665 em-l angesetzten Saknlargleichung (d,,, + d,,,) eliminiert und nach (f + 2 f ') auf- lost, so erhiilt man fur alle verschiedenen Werte von p komplexe Lo- sungen.

Andererseits findet man bei Verwendung einer hohen und einer tiefen Frequenz, z. B. mit A; = 634 em-l und A ; = 350 em-' mit p = p,, die Werte (fpo + 2 f') = 4,5 mdyn/8, (d,,, + d,,,) = 1,4 mdyn/A. Leider lassen sich ahnlicht Werte auch aus anderen Kombinationen

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(unter Verwendung von 665 cm-I und 398 cm-l) ausrechnen. Aber die endgiiltige Zuordnung der Ringschwingungen und ebenso der ver- schiedenen PO-Deformationsschwingungen liegt nicht in der Absicht der vorliegenden Arbeit.

Was das Trimetaphosphation im Kristall betrifft, so sollte das R . 4 ~ ~ ~ - S p e k t r u m zunachst ganz allgemein den Unterschied zu den Losungsspektren zeigen. Dieser besteht besonders im Auftreten von 2 antisymmetrischen PO-Valenzschwingungen, wahrend in Losung in- folge der Symmetrie D,, nur e ine beobachtet wird. Es kann also auch allein mit Hilfe des RAMAN-Effektes demonstriert werden, da13 bei der Losung weniger Frequenzen auftreten, die Symmetrie also eine hohere ist. Es kann nicht eingewendet werden, daB bei der Losung, bei der vie1 gunstigere Aufnahmebedingungen bestehen als beim Kristallpulver, eine Frequenz der Beobachtung entgeht.

Das Hexahydrat des Natriumtrimetaphosphates wurde nicht nur deshalb herangezogen, weil hier die Gewinnung von Kristallpulver- spektren einigermaBen aussichtsreich schien, sondern weil auch eine rontgenographische Strukturbestimmung vorliegt13). Dabei war die Raumgruppe PI, also triklines System ohne irgendwelche Symmetrie- elemente gefunden und die Anzahl von 2 Trimetaphosphatanionen in dcr Elementarzelle ermittelt worden. Nach der Theorie der Kristallspektren wurden damit alle Auswahlregeln und Entartungen aufgehoben sein und alle Frequenzen doppelt auftreten miissen.

Von einer Verdoppelung im besonderen ist im RAMAN-Spektrum des Na,P30,. 6 H,O nichts zu bemerken, ebensowenig wie auch in dem Infrarotspektrum dieses Salzes. Dieses Spektrum wurde schon vor Jahren veroffentlicht 11) und hier in der oben beschriebenen Weise nach- gepruft, weil erwartet wurde, vielleicht wenigstens eine Andeutung von Verdoppelung zu bemerken. Sie tritt aber, anders als bei dem wasser- freien Salz, nicht ein. Die Anlagerung der Wassermolekule verhindert also wohl die Koppelung zwischen den 2 Anionen der Elementarzelle soweit, daB die beim wasserfreien Salz gefundene Frequenzverdopplung gerade beim Hexahydrat, wo sie auf Grund kristallographischer Er- gebnisse erwartet wird, nicht beobachtet wird.

Erhalten bleiben auch die Entartungen, also die Auswahlregeln einer 3zahligen Symmetrie (s. dazu Tab. 2 ) . Bei den Symmetrien D,,, D, und muBten die totalsymmetrischen Schwingungen inaktiv sein, also besonders Y PO = 1158 cm-1 nicht auftreten, bei C, gibt es keinerlei

13) V.CACLIOTTI, C. GIACOMELLO u. E. BIANCHI, Atti Reale Accad. Italia, Rend. Cl. Sci. fisiche, mat. natur. [7] 3, 761 (1942).

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E. STEQER, Strukturunterschied beim Trimetaphosphation in Kristall und Liisung 31 1

Tabelle 2 Auswahlregeln der 3zahligen Punktgruppen im I n f r s r o t

a. s a. v I a. >. E" a. P

E E<:p E"

a. P a. P

1 ia, dp ia, d p

Verbote, es miiBte eine weitere Schwingung Y,, POP zu finden sein. All das trifft offensichtlich nicht zu. Es ergibt sich also die Symmetrie C, ", die auch rontgenographisch als Eigensymmetrie des Anions gefunden worden war. Man muB schlieBen, daB die Umgebungssymmetrie sich hier gegen die Eigensymmetrie des Anions nicht durchsetzeri kann, weil sie nur als eine Storung an den Randern einiger groom, nicht sehr dicht gepackten Elementarzelle anzusehen ist. Durch diese besonderen Er- fahrungen wird nun erst der SchluB berechtigt, den BUES und GEHRKE hinsichtlich der Symmetrie des Metaphosphatringes in dem wasserfreien Salz gezogen hatte. uber dessen Raunigruppe ist nichts bckannt. Man kann aber das gefundene Spektrum der Eigensynimetrie des Ringes zuschreiben in Analogie zu den Verhaltnissen beim Hexahydrat, weil bei diesem der EinfluB der Umgebungssymmetrie ausbleibt. Man muB daraufhin 2 Anionen in der Elementnrzelle annehmen, aber diesmal in starker Wechselwirkung, um die Bandenverdopplung (fur die Schwin- gurigen der Rassen A und E einheitlich) zu erklaren.

Es steht nun noch nicht fest, ob die Struktur der gefundenen Sym- metrie C,, gerade eine ,,Sesselform" ist. Die Verfasser der Rontgen- arbeit geben im Hexahydrat eine Struktur mit ebenem P-0-Ring und zur Ringebene unsymmetrischen PO,-Gruppen an. Eine Entscheidung ist hier mittels spektroskopischer Daten gar nicht moglich und war

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wohl durch den Bezug auf einfache valenztheoretische Grundsatze vor- weggenommen worden. Wie aber die ramanspektrosko pischen Unter- suchungen an Trimetaphosphatlosungen und die hier erbrachte infrarot- spektroskopische Bestatigung des ebenen Ringes zeigen, ist im ebenen Trimetaphosphatring wohl kein ,,Tetraederwinkel" anzutreffen und die Obernahme eines solchen aus der Kohlenwasserstoffchemie irrefuhrend.

Folgeningcn Abgesehen von den speziellen Aussagen uber die Ringsysteme der

ltondensierten Phosphat'e konnen aus den in der vorliegenden Reihe ver- iiffentlicht,en Arbeiten I) 2, auch Folgerungen gezogen werden uber die Anwendung von Auswahlregeln bei Deutung der Spektren kristalli- sierter Stoffe. Im Gegensatz zu Losungen und Flussigkeiten gestattet eine definierte Kristallmodifikation keine Komplikationen durch das Vorliegen von verschiedenen Isomeren, Dissoziaten oder Assoziaten nebeneinander.

Oft,mals werden aber gerade die Spektren von Festsubstanzen linienreicher gefunden. Dafur werden neben den klassischen Kristall- auswahlregeln 14) auch andere Ursachen, wie Kombination mit den nieder- frequent,en ,,Gitt,erschwingungen" verant,wortlich gcmacht15). Das hier untersuchte Mat'erial lie13 sich befriedigend mit den Mitteln der ersteren Theorie deuten. Es scheint aber auf Grund der Erfahrungen am Trimetaphosphathexahydrat, da13 die schema,tisehe Anwendung nicht immer richtig ist. Erwartete Aufspaltungen und Verdoppelungen brauchen nicht immer in Erscheinung zu treten. Die sicherste Grundlage fur die Deutung der Kristallspektren ist aber die kla.ssische Theorie ohne Zweifel. Ihre Anwendung set,zt die Kenntnis der Kristallstruktur voraus. Oft lassen sich aber auch weitgehende Strukturaussagen geben, wenn eine Rontgenstrukturbestimmung fur nur eine zugehorige Modifikation, oder vielleicht auch nur fur ein Salz eines bestimmten Anions vorliegt. Immer aber mu13 ein Kristallbaustein eine gro13ere Anzahl von Element,en der Eigensymmetrie besitzen.

AbschlieSend dankt der Verfasser Herrn Prof. Dr. A. SIMON fur wertvolle Rat- schlage und fur die Unterstutzung der Arbeit niit den Mitteln des Instituts.

14) Z. B.: J.-P. MATHIEU,

15) D. F. HORNIG, J. cheni. Physics 16, 1063 (1948).

Dresden, Institut fur anorganische uiid anorganisch-technische Chemie

Spectres de vibration e t syrnetrie des niolPcules e t des cristaux, Paris 1945.

drr Technischen Hochschule.

Bpi der Redaktion eingegangen am 3. Februar 1958.