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Zeitschrift fiir vergleichende Physiologie, Bd. 37, S. 211--220 (1955). SPEZIFITATEN DER ZELLPERMEABILIT~T UND STAMME S GE SCHICHTLICHE VERWANDT SCHAFT*. Von W. WILBRASDT, H. MISLI~ und F. STRAUSS. Mit 4 Text~bbildungen. (Eingegangen am 1. September 1954.) Neben den bekannten Prinzipien der Selektivitgt naeh Lipoidl6slieh- keit und naeh Molekularvolumen hat die systematische Untersuehung der Zellpermeabilit~t, die in den letzten Jahrzehnten an zahllosen Objekten in extensivster Weise durehgefiihrt worden ist, auch Spezi- fit/iten aufgedeekt, die sieh mit diesen Prinzipien nieht befriedigend er- kl~iren lassen. Sie deuten darauf hin, dal? die ffir den Stoffaustauseh maBgebliehen Zellgrenzsehiehten einen sehr differenzierten Aufbau be- sitzen miissen. Die gr6Bte Zahl derartiger Spezifitiiten ist an den roten Blutk6rperchen dureh M. H. JACoBs, den Pionier der quantitativen Permeabilitatsforsehung, gefunden worden. Er zeigte beispielsweise, dab S~tngetier-Erythroeyten fiir Harnstoff ungleieh durehl~issiger sind als fiir Glykol, Fisch-Erythrocyten dagegen umgekehrt f/Jr Glykol durehlgssiger Ms fiir Harnstoff, obwohl beide Molekiile etwa das gleiche Volumen besitzen und sieh in der LipoidlSslichkeit nieht betriichtlieh unter- seheiden. Naeh JAco~s geht die Spezifit~t soweit, dab vermutlieh bei geniigender Anzahl gepriifter Substanzen, die roten Blutk6rperehen jeder Tierart aus ihren Permeabilit~itseigensehaften mit der gleiehen Sieherheit erkannt werden k6nnten, wie mit serologisehen Methoden. Ob dieser hohe Grad von Spezifit/~t bei S~iugetierzellen sieh auf die Erythrocyten besehr~nkt oder aueh bei anderen K6rperzellen besteht, ist nicht eingehend geprtift worden. Das liegt daran, dab methodiseh bei den Erythroeyten ganz besonders g~nstige Bedhlgungen vorliegen (leiehte Zug~ngliehkeit der Zellen auch am lebenden Organismus, homogene Zellpopulation, Verwendbarkeit der osmotisehen It~imolyse mit quan- titativ gut meBbaren Kriterien wie der Lichtdurehl/issigkeit der Sus- pension u.a.). Eine /~hnlieh extensive Bearbeitung anderer Zellarten wiirde ganz ungleieh grSBeren Aufwand bedingen. Sicher ist dagegen, dab bei Pflanzenzellen die Spezifitat wesentlieh geringer ist. Vor allem die Untersuehungen yon ELO zeigen, dab der Vergleich des PenetrationsvermSgens yon zahlreiehen Substanzen an einer grSBeren l%eihe yon Zellarten zwar keine vollstandige Uberein- * Herrn Prof. Dr. W. v. BUDDENBROCK zum 70. Geburtsta.g.

Spezifitäten der Zellpermeabilität und stammesgeschichtliche Verwandtschaft

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Zeitschrift fiir vergleichende Physiologie, Bd. 37, S. 211--220 (1955).

SPEZIFITATEN DER ZELLPERMEABILIT~T UND STAMME S GE SCHICHTLICHE VERWANDT SCHAFT*.

Von

W. WILBRASDT, H. MISLI~ und F. STRAUSS.

Mit 4 Text~bbildungen.

(Eingegangen am 1. September 1954.)

Neben den bekannten Prinzipien der Selektivitgt naeh Lipoidl6slieh- keit und naeh Molekularvolumen hat die systematische Untersuehung der Zellpermeabilit~t, die in den letzten Jahrzehnten an zahllosen Objekten in extensivster Weise durehgefiihrt worden ist, auch Spezi- fit/iten aufgedeekt, die sieh mit diesen Prinzipien nieht befriedigend er- kl~iren lassen. Sie deuten darauf hin, dal? die ffir den Stoffaustauseh maBgebliehen Zellgrenzsehiehten einen sehr differenzierten Aufbau be- sitzen miissen. Die gr6Bte Zahl derartiger Spezifitiiten ist an den roten Blutk6rperchen dureh M. H. JACoBs, den Pionier der quantitativen Permeabilitatsforsehung, gefunden worden. Er zeigte beispielsweise, dab S~tngetier-Erythroeyten fiir Harnstoff ungleieh durehl~issiger sind als fiir Glykol, Fisch-Erythrocyten dagegen umgekehrt f/Jr Glykol durehlgssiger Ms fiir Harnstoff, obwohl beide Molekiile etwa das gleiche Volumen besitzen und sieh in der LipoidlSslichkeit nieht betriichtlieh unter- seheiden. Naeh JAco~s geht die Spezifit~t soweit, dab vermutlieh bei geniigender Anzahl gepriifter Substanzen, die roten Blutk6rperehen jeder Tierart aus ihren Permeabilit~itseigensehaften mit der gleiehen Sieherheit erkannt werden k6nnten, wie mit serologisehen Methoden.

Ob dieser hohe Grad von Spezifit/~t bei S~iugetierzellen sieh auf die Erythrocyten besehr~nkt oder aueh bei anderen K6rperzellen besteht, ist nicht eingehend geprtift worden. Das liegt daran, dab methodiseh bei den Erythroeyten ganz besonders g~nstige Bedhlgungen vorliegen (leiehte Zug~ngliehkeit der Zellen auch am lebenden Organismus, homogene Zellpopulation, Verwendbarkeit der osmotisehen It~imolyse mit quan- ti tativ gut meBbaren Kriterien wie der Lichtdurehl/issigkeit der Sus- pension u.a.). Eine /~hnlieh extensive Bearbeitung anderer Zellarten wiirde ganz ungleieh grSBeren Aufwand bedingen.

Sicher ist dagegen, dab bei Pflanzenzellen die Spezifitat wesentlieh geringer ist. Vor allem die Untersuehungen yon ELO zeigen, dab der Vergleich des PenetrationsvermSgens yon zahlreiehen Substanzen an einer grSBeren l%eihe yon Zellarten zwar keine vollstandige Uberein-

* Herrn Prof. Dr. W. v. BUDDENBROCK zum 70. Geburtsta.g.

212 W. WILBKANDT, H:. MISLIN und F. STRAUSS:

stimmung in allan Einzelheiten, aber doch im ganzen ein recht einheit- liches Bild ergibt. Der Einflul~ der LipoidlSslichkeit dominiert hier durchaus.

Unter den yon JACOBS gefundenen Spezifit~tten findet sich mindestens eine, bei der die Verteilung der betreffenden Bes0nderheit auf die ver- schiedenen S~ugetierarten den Eindruck erweckt, sie kSnne mit der stammesgeschichtlichen Verwandtschaft in Zusammenhang stehen.

Diese Besonderheit betrifft die Durchl~tssigkeit der roten BlutkSrper- chen flit Glycerin. JAOOBS und Col~so~ beobachteten, daI~ bei Erythro- cyten gewisser Tierarten die Gesehwindigkeit der H~molyse in isotoni- schen GlycerinlSsungen, d.h. die Geschwindigkeit der Glycerinpene- tration, in auff~L]liger Weise vom pg abhgngt. Sie berichten, daf~ ge- ]egentlich eine unvorsichtige Exspiration geniigte, um durch Einfiihrung yon Kohlens~Lure in eine Blutsuspension die Gesehwindigkeit der Pane- tration in die Zellen aui~erordentlich herabzusetzen, w~hrend bei den Zellen anderer Tierarten eine ~hnliche Abhgngigkeit yon der Wasser- stoffionenkonzentration nicht besteht.

Die systematische Priifung ergab, dal~ sich zwei Gruppen heraus- heben. W~hrend bei den Erythrocyten yon Rind, Schaf, Schwein und Pferd (Gruppe ]) die Penetration des Glycerins aul~erordentlich langsam, abet praktisch unabh~ngig veto p~ 9rfolgt, erweist sie sich bei den Erythi'ocyten des Menschen, des Kaninchens, Meerschweinchens, der Ratte und der Maus (Gruppe 2) als pg-abh~ngig. Bei alkalischer Reak- tion erfo]gt sie wesentlieh rascher als bei den erstgenannten Tierarten, w~hrend' bei saurer t~eaktion die Geschwindigkeit stark abnimmt nnd sich derjenigen der Grnppe 1 n~hert.

Fiir die Deutung dieser pg-Abh~ngigkeit bei gewissen Tiergruppen ist die Annahme der Beteiligung fermentativer Reaktionen gemacht worden; sie stfitzt sich vor allem darauf, dal3 nicht nur das pg, sondern auch gewisse Schwermeta]le in sehr niedrigen Konzentrationen eine starke Wirkung ausiiben. Queeksilber, Kupfer und andere Schwer- metal]e verzSgern die Penetration in ghnlicher Weise wie Sguerung. Hemmend wirkt auch das Chloromercuribenzoat, ein Inhibitor yon sulfhydrilhaltigen Enzymen, ferner wurde eine Hemmung durch Phlorizin angegeben (in meinem Laboratorium a]lerdings nicht best~Lig~ - - WIL- BI~A~D~). Die Hemmung dutch Schwermetalle ist rasch reversibel , wie in einer kinetischen Studie yon M~ssEI~LI gezeigt worden ist.

Die Tatsache, dal~ sich unter dan verschiedenen Tierarten die Nager ~hnlich verhalten wie der Mensch, erinnert an gemeinsame Zfige ihrer Placentation; diese warden in ]iingerer Zeit in zunehmendem MaI3 als wesentliches Kriterium der stammesgeschichtlichen Verwandtschaft be- trachtet (Moss~A~). Die Unterschiede zwischen den einzelnen Arten, die in diesem Zusammenhang interessieren, beziehen sich auf den Bau

Spezifit~ten der Zellpermeabilit~t. 213

der definitiven oder Allanto-Chorion-Placenta. Dabei spieR die Inten- sitar des Kontaktes zwischen fetalem und materltem Gewebe die Haupt- rolle, oder mit anderen Worten der Bau der Placentarmembranen, die kind]iches und mfitterliches Blur voneinander trennen. So geht aus den Untersuchungen yon FI~EXNEI~ und GEI, LI~Ol~ - klar hervor, dab der Stoffaustausch zwisehen kindlichem und miitterlichem Blur in hohem Grad yon der Dicke und der Struktur der Placentarmembranen ab- h~ngig ist. Dicke Membranen sind weniger duroh]~ssig als dtinne. Dabei wird also der Grad der AuflSsung materner und fetaler Grenzschichten ftir Fragen des Stoffdurchtrittes entscheidend. Entsprechend dem Abbau uteriner Gewebe unterscheiden wir in der Klassifikation naeh Gl~ossEu einen epithelio-, syndesmo-, endothelio- und hi~mochorialen sowie mit MossMA~r noch einen h~moendothelialen Placentartyp. Gt~ossEI~ und mR ihm viele andere glaubten in dieser Reihenfolge stammesgeschicht- liche Entwicklungsstufen yon eincm primitiven epit~heliochorialen Typus zur hSchstentwickelten h~mochorialen Topfplacenta des Menschen sehen zu miissen. Dieser Auffassung wird neben sehr gewichtigen wissenschaR- lichen Einwiinden (WIsLocKI) entgegengehalten, sie sei allzusehr der Ausdruck einer anthropozentrischen Grundeinstellung (STI~AVSS). So wird heute die h~mochoriale Labyrinthplacenta als der ursprtingliche Typus betrachtet. Von dieser Grundform w~trell einerseits die sog. ,,ein- faehen", die epithelio- und endotheliochorialen Placentartypen abzu- ]eiten, w~hrend sie andererseits yon der ihr zugesprochenen Zentral- stellung aus aueh nach der Placenta olliformis des Menschen und der hSheren Affen iiberleitet. Der syndesm0-choriale Typ, den Gl~oSSEl~ als charakteristisch fiir die Ungulaten ansah, wird heute nicht mehr als selbstiindige l~orm betrachtet (~[oss~A~). Er kommt nur in einem sehr beschr~nkten und offenbar nicht funktionierenden Abschnitt der Rinder- placenta vor, wi~hrend bisher keine Fi~lle bekannt wurden, in denen eine syndesmo-choriale Placenta den Hauptteil des feto-maternen Stoff- weehselorganes bildet. Alle epithelio-chorialen oder adeciduaten Pla- centen sind zottentragend, wi~hrend die endothelio-chorialen, h~mo- endothelialen und meisten h~Lmo-chorialen Placenten dem labyrinthinen Typus angehSren. Der makroskopischen Form der Placenta und ihrer Zottenverteilung, denen frtiher grol3e Beaehtung geschenkt wurde, wird heute kein phylogenetischer Wert mehr zugemessen. Allein das mikro- skopische VerhaRen der sich unmittelbar beriihrenden kindlichen und mfitterlichen Gewebe wird heute zur Beurteilung stammesgeschicht- licher Fragen herangezogen.

Zur l~rfifung der Frage, ob sich die Parallele zwischen phylogeneti- scher VerwandtschaR, beurteilt nach dem Kriterium der Placentation und der in Fr~ge stehenden Besonderheit der Erythroeytenpermeabilit~t noch weiterffihren I~IR, wurden die Erythrocy~en yon 15 verschiedenen

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o.

Spezifitgten der Zellperme~bilit~t. 215

Tierarten vergleichend untersucht. Es ergab sich dabei, um das Re- sultat vorwegzunehraen, in der Tat eine recht auff~llige ~bereinstimraung aueh innerhalb weiterer Gruppen, fiber die bisher keine Beobachtungen vorlagen.

Methodik.

Die Durchl~,ssigkeit der roten Blutk5rperchen fiir Glyzerin wurde bei Zimraerteraperatur in osraotisehen Versuchen rait photoelektriseher Methodik der Lichtdurchl~s- sigkeitsbestiraraung quanti- tat iv bestimmt. Einzelheiten 3o

der Methodik sind in frtiheren zs VerSffentliehungen dargestellt ~c worden, auf die verwiesen sei. Es wurde ausschliel~lich das ~ z direkte Verfahren beniitzt, ~_ 10 wobei iiir eine Prfifung ira allgeraeinen 25 ram s Blur und 4,5cm 3 GlyzerinlSsung ver- wendet wurden. Die Glyzerin- 15sung war ira ganzen etwa 3o isotoniseh und enthielt 0,24 25i raolar Glyzerin und etwa 0,05 ~ 20 molar Universalpuffer nach TEORELL und STENHAGEN ~ ;'5

(20 em 3 Glyzerin 3 molar ~ je ~ 1o 10 era ~ Universalpuffergemisch 5 d- 14 25,2 ems HC1 n/10, je nach Pm nach den Vorschrif- ten yon TEORELL und STEN- g A c ~ , Wasser ad 250 cmS).

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Abb. 1.

Abb. 1 zeig~ Kurven, die mit Hilfe photoelek~riseher Messung der Liehtdurchl~ssigkeit so gewonnener Suspensionen erhalten wurden. Sie zeigen das aus den JAeoBschen Versuchen bekannte Verhalten yon I-Iamraelblut sowie yon Rattenblut. Bei t tamraelblut ist die H~raolyse langsara. Vollst~ndige H~raolyse (Maximum der photoraetrischen Ab- lesung) wird auch bei den rasehest h~traolysierenden Suspensionen (pg 4 und 4,5) erst nach etwa l0 rain erreicht, bei den langsaraeren (p~ 8) erst nach etw~ 40 rain. Die Geschwindigkeit der H~raolyse zeigt kontinuier- liche Abnahrae yon pg 4 bis p~ 8. Bei I~attenblut dagegen ist die H~rao- lysegeschwindigkeit bei p~ 7 und 8 ungleich rascher, die tt~molyse ist naeh 1 rain vollst~tndig. Die Geschwindigkeit niramt mit zunehmender S~uerung fiber p~ 6 bis 5 stark ab und erreicht bei pg 5 etwa gleiehe Werte wie bei Haramelblut.

216 W. ~;ILBI%AI~DT, i~. MISLII'; und F. ST~A~JSS:

Die Zunahme der ttgmolysezeiten mit steigendem pg bei Hammel- blur ~ bedeutet wahrscheinlich keine Abhgngigkeit der Permeabilit,~t vom pg. Auch bei gleicher Permeabilits mfissen die Zeiten mit steigen- dem pg zunehmen, dg der osmotisch wirksame Inh~lt der Zellen ~uf Grund der eigentiimlichen Ionendurchl~ssigkeitsverh~ltnisse mit steigen- dem p~ ~bnimmt, so d~fi der Weg der osmotischen Schwellung his zum kritischen h~molytischen Volumen verls wird (anionenperme~ble Zellen, Bindung der fixen K~tionenmenge bei saurer Reaktion vor- wiegend durch C1, bei alkalischer dnrch Hb, Umstellung von sauer auf alkalisch durch Austausch yon Chlorid innen gegen Hydroxyl, ~nl~en mit dem Effekt eines osmotischen Verlustes). Ffir Rinderblut wurden in Kontrollversuchen die Permeabilitgtskonstanten in Abh~ngigkeit vom p~ bestimmt und erwiesen sich tgts~chlich uls prgktisch pg-un~bhgngig: 0,88, 0,80, 0,98 und 0,88 (Minutenkonstanten nach JACoBs) fi~r pg 6, 7, 8 und 9.

Die Abnahme der tt~m0lysezeit bei stark saurer t~eaktion in den Versuchen mit Rattenblut (ebenso bei anderen Blut~rten, s. Abb. 3) diidte aui beginnender S~ureh~molyse beruhen.

Resultate.

Es konnten insgesamt 33 Versuchsserien mit ~bgestuftem p~ zwischen log 3--4 und p~ 8 durchgefiihrt werden, in den d~s Blur yon 15 verschie- denen Tierarten geprfift wurde : Rind, Hammel, Pferd, Schwein, Hund, Katze, Mensch, M~us, Ratte, Meerschweinchen, Kaninchen, Fledermaus, Igel, Spitzmaus und Mau]wud.

Abb. 2 zeigt zun~tchst, dab bei je einem Vertreter der Insectivoren (Igel) nnd der Chiropteren-Gruppe (Fledermaus), die in bezug auf die P]acentationsverh~ltnisse der Gruppe der Nagetiere und der Primaten verwandt sind, in der Tat ~hnliche Verh~ltnisse auch in bezug auf die Glycerinpermeabilit~t gefunden werden. In beiden Versuchsserien zeigt sich das oben in Abb. 1 fiir die 1~tte wiedergegebene und fiir die ganze Grnppe der Nagetiere sowie iiir den Menschen char~kteristische Ver- halten: rasche Hgmolyse bei alkalischer Reaktion, Zunahme der Hgmo- lysezeiten mit steigender 8guerung. Wie im oben wiedergegebenen Bei- spiel des R~ttenbluCes ist auch hier beim Fledermausblut wieder bei den niedrigsten p~-Werten eine Beschleunigung der Hgmoiyse zu beobachten (vermutlich beginnende 8gurehgmolyse).

Um die Resultate der ganzen Untersuchung in iibersichtlicher Weise d~rzustellen, wurde folgenderm~l~en vorgegangen. Es wurden in Ver- suehen, wie sie in den Abb. 1 und 2 dgrgestell~ sind, die Zeiten bis zu

1 sowie bei den BlutkSrperchen yon Pferd, 8chwein, Rind, Hund und Katze (s. Abb. 3).

Spezifit/~ten der Zellpermeabilitit.. 217

einer bestimmten Ablesung, d .h . bis zu einem bestimmten H~molyse- grad ausgemessen und gegen das p~ der Glyzerinl6sung aufgetragen, wo- bei wegen der grolen quantitativen Differenzen zwischen den beiden Hauptgruppen ftir die H~molysezeiten (tH) der logarithmische MaBstab verwendet wurde. Abb. 3 zeigt in dieser abgekiirzten Darstellungsweise eine I)bersicht tiber die gesamten erhMtenen Resultate.

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Abb. 2. Abb. 3.

Es ergibt sich in der Tat eine recht gute l~lbereinstimmung mit der Einteilung der Ordnungen und Arten nach ihren Placentarkriterien, wie sie in Tabelle 1 dargestellt sind. ])as fiir die Huftiere charakteristische Verhalten (niedrige Perlneabilit/~t, d .h . lange H/~molysezeiten, ohne Besonderheit bei saurer Reaktion und mit vermutlich vorwiegend osmotisch bedingtem Anstieg der H/imolysezeitem mit steigendem p~) wurde bei den Erythrocyten yon I~ind, t tammel, Pferd und Schwein ge- funden. Eine Sonderstellung der Wiederk/iuer hebt sich dabei nicht heraus.

Bei den untersuchten l~aubtieren sind bereits Anzeichen einer Ver- wandtschaft zur Grulope 2 zu erkennen. Sie Kulern sich in den Mittel- wertskurven der Abb. 3 darin, dab zwischen pH 4 und 5 eine Tendenz zur Abnahme der H/imo]ysezeit zu erkennen ist, auf die dann der langsame Anstieg der H/~molysezeiten mit s~eigendem p~ wie bei Gruppe 1 folgt. Zu diesen Mittelwerten ist zu bemerken, dab sie aus Versuchen stammen,

Z. vergl. Physiol. Bd. 37. 15

218 W. WILBI~NlgDT, H. ~r uI ld F . STI~AIISS:

die kein einheitliches t~esultat hatten. Mit Hundeblut wurden 2 Versuchs- serien durehgefiihrt, mit Katzenblut 4. Bei beiden Blntarten war in einem Teil der Versuche (bei Hundeblut in einer Serie, bei Katzenblut in 2) die in den Mittelwertskurven der Abb. 3 angedeutete Tendenz betr~chtlich ausgesprochener, w~hrend in anderen Versuchen das Ver.- halten denjenigen der Gruppe 1 ihnelte. Es sind daher noeh 2 Einzel- versuche, je einer mit Hunde- und Katzenblut, in Abb. 4 wiedergegeben. In beiden Kurven zeigt sieh eine deutliche _~hnlichkeit mit der Gruppe 2,

30 indem ab p~ 4 bzw. 4,5 die H~molyse-

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Die n~ehste Gruppe der Nagetiere zeigt einheitlieh das aus den Versuehen yon JACOBS und Mitarbeitern bekannte Verhalten. Bei der Maus f/illt auf, dab aueh bei saurer I~eaktion die Hgmolyse- zeiten relativ kurz bleiben; das kann

mit der aus anderen Versuchen bekannten Eigentiimlichkeit der Miuse- Erythroeyten zusammenh~ngen, dab die Porosit i t bei dieser Zellart besonders hoch ist. Die Durchl~ssigkeit beispielsweise fiir Erythr i t ist bei ihnen um ein Mehrfaehes hSher als bei menschlichen Erythroeyten. Bei den Meerschweinehenzellen erreieht die Permeabili t i t bei alkalischer Reaktion geringere Grade als bei anderen Zellarten.

In der Gruppe der Insektivoren entsprieht das Verhalten des Igel- blutes genau demjenigen der Gruppe 2: hohe Permeabilit~t bei alkali- scher, niedrige bei saurer Reaktion. Die tterabsetzung der Hi~molyse- zeiten bei alkalischer Reaktion ist besonders hochgradig bei Spitzmaus- blur. Ob bei dieser Blutart, yon der leider nur eine geringe Menge zur Verfiigung stand, bei st~rkeren S~nregraden die ffir Gruppe 2 charak- teristisehe VerzSgerung der Hs noch zustunde kommen wfirde, konnte bider nicht mehr gepriiit werden. Auffallend verh~tlt sich das Maulwurfblut insofern, als bei alka]iseher Reaktion die Permeabili t i t zwar hSher ist als bei saurer, aber doch nur maBige Grade erreicht.

Fledermausblut verhi l t sich durehaus entspreehend der Gruppe 2. Es konnten sowoh] Rhinolophus #rrum equinum S. als Myotis myotis B. untersucht werden, die jedoeh nieht getrennt dargestellt wurden.

Mensehenblnt schlieBlieh verhielt sieh in ()bereinstimmung mit den JicoBssehen Befunden wie Gruppe 2.

Spezifit~ten der Zellperme~bilit~t. 219

1Jberblickt man die in Abb. 3 und 4 wiedergegebenen l%esultate und vergleicht sic mit der Plaoenta~ion nach der Darstellung in Tabelle 1, so zeigt sich eine immerhin auffgllige 13bereinstimmung zwischen Zell- permeabilitgt und Pl~centartyp. Die der h~mo-ohorialen Form zuge- hSrigen Sguger zeigen in ihren Erythrocyten alle den ungefghr gleichen Verlauf der Permeabilitgtskurve, wobei die {3bereinstimmung fiir den Mensehen, Igel und die Fledermaus Myotis myotis B. geradezu lrappant ist. Die ~ untersuchten lgager passen mit ihren Durohlgssigkeitskurven nicht ohne weiteres in das fiir die Vertreter des hgmo-chorialen Placenta- tionstypus gefundene Schema. iNach der Auffassung yon MossM~x reprgsentieren sie auch die hgmo-endotheliale Placentarform, bei der ein noch innigerer Kontakt zwischen miitterlichem Blut und kindlichem Gewebe gegeben ist als bei den hgmo-chorialen Placenten. In der l%eihe der l%odentier paftt wiederum das Meerschweinchen nicht ganz in das dort erhaltene Kurvenbild; die bei ihm gefundenen Werte liegen deutlieh hSher als die ftir das Kaninchen und die beiden Muriden erhaltenen Resultate. Man mag geneigt sein, diese Differenz als unbedeutend und damit als zu vernachlgssigend beiseite zu schieben. Jedoch ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dab Cavia zu den Hystrieomorphen gehSrt und neben ihrer definitiven Placenta eine als ,,Subplacenta" be- zeichnete akzessorische Placenta hat. Diese Subplacenta gehSrt zu den wichtigen Paraplacentarorganen, wie sic bei vielen Labyrinthp]acenten anzutreffen sind und die der Umlagerung yon EiweiBk6rpern dienen sollen. Zu dieser Gruppe der akzessorischen Plaeenten dfirfen in einem physiologischen Sinn auch die persistierenden Chorio-Vitellinplacenten wie die verschiedenen Anpassungen des invertierten Dottersackes an die paraplacentare t~esorption gez~hlt werden. DaB die Ungulaten ein ganz einheitliehes Verhalten, entsprechend demjenigen der Gruppe 1, zeigen, kann nicht fiberraschen: ihre Placentarkriterien stimmen eben- falls iiberein (Tabelle 1). Die Raubtiere nehmen eine Zwischenstellung zwischen Gruppe 1 und 2 ein, indem die ErhShung der Durchl~ssigkeit bei alkalischer Reaktion klar angedeutet erscheint, jedoch nur m~Bige Grade erreicht und nicht konstant ist (odor bei Aufbewahrung des B]utes nicht sta.bil). Diese intermediate Position ]~gt sich vielleicht damit erkl~ren, dab die Hauptplacenta der nntersuchten Carnivoren woh] dem endothelio-ehorialen Typus angehSrt, ihr aber zur Erg~nzung der Stoffweehselarbeit im ,,Randh~m~tom" ein akzessorisches Organ zur Verfiigung steht.

Zusammen/assung. Bei der Untersuchung der Erythrocytenpermeabilit~t fiir Glyzerin

stieg M. It. JAcoBs auf eine Eigentiimliehkeit, die charakteristisch er- schien ffir Erythrocyten der Nagetiere und des Menschen (Gruppe 2), wghrend sic bei Rind, Schwein, Pferd und Hammel (Gruppe 1) fehlt: eine ErhShung der Permeabilitgt bei a]kalischer Reaktion, deren Ausmag

Z. vergl. Physiol. :Bd. 37. 15&

~ 0 WILBI~ANDT, MISLIN und STaAuSS: Spezifiti~ten der Zellpermeabflit~t.

ein bis zwei GrSBenordnungen be t r~g t und die durch gewisse Fe rmen t - inhibi toren, vor a l lem Schwermetal le , ve rminde r t bzw. un te rd r i i ck t wird, was zur A n n a h m e einer enzymat i sehen K o m p o n e n t e des Penet ra t ions-

prozesses gef i ihr t ha t . Es wurde untersueht , ob die yon JACOBS gefundene Gruppenbi ldung ,

die in dem ~hnliehen Verha l ten yon Nage t i e ren und N[ensch )~hnlich- ke i ten mi t den P lacen ta t ionsverh~l tn i ssen zeigt, diese ~hn l i ehke i t bei Ausdehnung der Unte r suchung auf andere Tier~r ten beibeh~]t .

I n 33 Versuchsserien wa rden die E r y t h r o c y t e n von Rind , Hamme] , Pferd, Schwein, H a n d , Ka tze , Mensch, Maus, R a t t e , Meerschweinchen, Kan inchen , F lede rmaus , Igel, Sp i tzmaus und Maulwurf auf ihre Durch- 1/issigkeit fiir Glyzer in bei Var ia t ion des lO~ un te r such t und mi t e inande r vergliehen.

Das Resu l t a t ergab in der T a t wei tgehende ~ b e r e i n s t i m m u n g , indem sieh ebenso wie die Gruppen der Naget ie re und der P r i m a t e n diejenigen der Insee t ivoren und der F lede rm~use verh ie l ten ; das Verhal ten der Gruppe 2 besehr~nkte sieh auf die Ungula ten , und die Raub t i e r e nehmen eine Zwischenste] lung ein. Die Differenzen werden mi t der verschieden- ar t igen P lacen ta t ion der un te r such ten T ie ra r t en vergl ichen, wobei sich auffal]ende Para l le len ergeben.

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Prof. Dr. W. WILBgA~D% Bern (Schweiz), Freiburgstr. 30, Pharmakologisches Institut der Universits