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403 Spiel, Zivilisation, gesellschaftlicher Umbruch Tagung vom 3. bis 5. Februar 1994 in Bonn Benetton macht nicht nur bunte Pullover und provozierende Werbung, sondern be- treibt auch Kultur- und Sportsponsoring. Dadurch kam eine ungewOhnliche Tagung zur (Zivilisations-)Geschichte des Spiels zustande, die gemeinsam yon der Fonda- zione Benetton, dem Maison de Science de l'Homme in Paris und dem Historischen Seminar der Universiti~t Bonn veranstaltet wurde. Die Ergebnisse der Tagung werden in der in Treviso herausgegebenen Zeit- schrift ,,Ludica" verOffentlicht. Das Thema ,Spiel, Zivilisation, gesell- schaftlicher Umbruch" war historisch breit, interkulturell und interdisziplinar angelegt. ZwOlf Experten der Spielge- schichte aus ftinf europaischen Landern referierten zu unterschiedlichen Bereichen kulturhistorischer oder kultursoziologi- scher Forschungen zum Spiel: vom Schach- spiel im Mittelalter fiber Identifikations- spiele von Kindern bis zum ,Tod des Inka", einem rituellen Schauspiel im kolonialen Peru, und zur Geschichte des modernen Sports. Das verbindende Element wurde im Tagungstitel mit dem Begriff ,Zivilisa- tion" gekennzeichnet und war ein Hinweis auf die zivilisationstheoretische Perspekti- ve, mit der nach den einftihrenden Worten des Veranstalters Prof. Bernd ROEK(Hi- storisches Seminar der Universitat Bonn) die Spielgeschichte gesehen werden sollte. L~13t sich in den Spielen und Festen der Menschen in verschiedenen Zeiten und un- terschiedlichen Kulturen ein ,Zivilisations- prozef~" erkennen, wie ihn Norbert ELIAS theoretisch beschrieb? Welche Rolle spie- len Spiele im Zivilisationsprozel3? Ist die ,,Genese des Sports" -- so ein Titel von ELIAS -- Ausdruck eines seit der europai- schen Aufkl~irung beginnenden Zivilisa- tionsschubs und der Zivilisierung des Spiel-Verhaltens und Spiel-Empfindens der Menschen? Oder sind Spiele zwar gesell- schaftlich modellierte, aber auch elementa- re menschliche Existenzformen, die sich quer zur Zivilisationsgeschichte legen? Ein Schwergewicht der Tagung lag auf der Spiel- und Kulturgeschichte des Mittelal- ters und der Frfihen Neuzeit, ein anderes auf der eher modernen Spielgeschichte und damit auch auf dem Problem des Ver- haltnisses zwischen Spiel- und Sportkul- tur. Die zivilisationstheoretische Perspekti- ve sollte als verbindendes Element dienen, was sich jedoch nicht immer verwirklichen lieB. Gherardo ORTALLI aus Venedig, einer der Initiatoren der Veranstaltung, stellte in seinem ErOffnungsreferat mit dem Titel ,Games and Crisis: Between Prohibition and Tolerance" den Wandel der Spielkultur und des Spielverst~ndnisses in Italien von der Spfitantike zum Mittelalter dar. Er war dutch die AblOsung antiker Spiel- und Kampftraditionen durch eine vom Chri- stentum geprfigte Bewertung des Spiels gekennzeichnet. Das Verbot der ,heidni- schen" Olympischen Spiele durch den sp~itrOmischen Kaiser Theodosius im Jahr 393 stellte einen H0hepunkt dieses Wand- lungsprozesses dar. Alessandra RIZZI aus Venedig knfipfte in ihrem Referat mit dem Titel ,,Dal divieto alia moralizzazione: il gioco e la predica- zione al tramonto del medioevo" an das

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Spiel, Zivilisation, gesellschaftlicher Umbruch Tagung vom 3. bis 5. Februar 1994 in Bonn

Benetton macht nicht nur bunte Pullover und provozierende Werbung, sondern be- treibt auch Kultur- und Sportsponsoring. Dadurch kam eine ungewOhnliche Tagung zur (Zivilisations-)Geschichte des Spiels zustande, die gemeinsam yon der Fonda- zione Benetton, dem Maison de Science de l 'Homme in Paris und dem Historischen Seminar der Universiti~t Bonn veranstaltet wurde. Die Ergebnisse der Tagung werden in der in Treviso herausgegebenen Zeit- schrift ,,Ludica" verOffentlicht. Das Thema ,Spiel, Zivilisation, gesell- schaftlicher Umbruch" war historisch breit, interkulturell und interdisziplinar angelegt. ZwOlf Experten der Spielge- schichte aus ftinf europaischen Landern referierten zu unterschiedlichen Bereichen kulturhistorischer oder kultursoziologi- scher Forschungen zum Spiel: vom Schach- spiel im Mittelalter fiber Identifikations- spiele von Kindern bis zum ,Tod des Inka", einem rituellen Schauspiel im kolonialen Peru, und zur Geschichte des modernen Sports. Das verbindende Element wurde im Tagungstitel mit dem Begriff ,Zivilisa- tion" gekennzeichnet und war ein Hinweis auf die zivilisationstheoretische Perspekti- ve, mit der nach den einftihrenden Worten des Veranstalters Prof. Bernd ROEK(Hi- storisches Seminar der Universitat Bonn) die Spielgeschichte gesehen werden sollte. L~13t sich in den Spielen und Festen der Menschen in verschiedenen Zeiten und un- terschiedlichen Kulturen ein ,Zivilisations- prozef~" erkennen, wie ihn Norbert ELIAS theoretisch beschrieb? Welche Rolle spie- len Spiele im Zivilisationsprozel3? Ist die

,,Genese des Sports" - - so ein Titel von ELIAS - - Ausdruck eines seit der europai- schen Aufkl~irung beginnenden Zivilisa- tionsschubs und der Zivilisierung des Spiel-Verhaltens und Spiel-Empfindens der Menschen? Oder sind Spiele zwar gesell- schaftlich modellierte, aber auch elementa- re menschliche Existenzformen, die sich quer zur Zivilisationsgeschichte legen? Ein Schwergewicht der Tagung lag auf der Spiel- und Kulturgeschichte des Mittelal- ters und der Frfihen Neuzeit, ein anderes auf der eher modernen Spielgeschichte und damit auch auf dem Problem des Ver- haltnisses zwischen Spiel- und Sportkul- tur. Die zivilisationstheoretische Perspekti- ve sollte als verbindendes Element dienen, was sich jedoch nicht immer verwirklichen lieB. Gherardo ORTALLI aus Venedig, einer der Initiatoren der Veranstaltung, stellte in seinem ErOffnungsreferat mit dem Titel ,Games and Crisis: Between Prohibition and Tolerance" den Wandel der Spielkultur und des Spielverst~ndnisses in Italien von der Spfitantike zum Mittelalter dar. Er war dutch die AblOsung antiker Spiel- und Kampftraditionen durch eine vom Chri- stentum geprfigte Bewertung des Spiels gekennzeichnet. Das Verbot der ,heidni- schen" Olympischen Spiele durch den sp~itrOmischen Kaiser Theodosius im Jahr 393 stellte einen H0hepunkt dieses Wand- lungsprozesses dar. Alessandra RIZZI aus Venedig knfipfte in ihrem Referat mit dem Titel ,,Dal divieto alia moralizzazione: il gioco e la predica- zione al tramonto del medioevo" an das

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Problem der christlich-mittelalterlichen Be- wertung oder Verurteilung von Spielen an. Ihren Erkenntnissen zufolge ist in der Zeit zwischen Reformation und Gegenreforma- tion in Italien ein Wandel der Einstellung von Predigern zum Spiel festzustellen. Eine generelle christlich-moralische Verur- teilung von Spielen weiche einer differen- zierten Spielbewertung in gute und schlechte Spiele, zu denen in erster Linie Glt~cks- und Wettspiele z~hlten. Diesem Zusammenhang zwischen Spiel und christlicher Moral widmeten sich auch die Referate von Gerd SCHWERHOFF aus Bielefeld zum ,,blasphemischen Spieler" und von Valerio MARCHETTI aus Bo- logna zum Thema ,I1 gioco et l'6resia". SCHWERHOFF machte in seinen For- schungen zum Spiel im Mittelalter und der Frt~hen Neuzeit einen verbreiteten an- thrologischen Verhaltenstypus von t~ber- wiegend Glticks- und WOrfelspielern aus, die durch Fluchen und I_astern beim Spielen Spielverbote und drakonische Stra- fen provozierten. Blasphemie beim Spiel sei nicht nur eine spezifisch mittelalterliche Form affektiver Entladungen beim Spiel gewesen, sondern ktinne auch als Hinweis auf die enge Verbindung zwischen dem Glticksspiel auf der einen und den Vor- stellungen von Gott und Teufel auf der anderen Seite gesehen werden. Glflcks- spiele kOnnten nach dem religiOsen Emp- finden mittelalterlicher oder frahneuzeit- licher Menschen als Versuche gedeutet werden, Gott in seiner Allmacht zu zwin- gen oder zu beeinflussen und ihm konse- quenterweise im Fall der Niederlage im Spiel l~tsterlich zu fluchen. Die Spielwelt des blasphemischen Spielers habe darOber hinaus einen kommunikativen Code ge- pragt, der sich radikal von dem der ,,nor- malen" christlich-frommen Welt unter- scheide und in der Blasphemie verdammt worden sei. Das Spiel konnte, mit anderen Worten, im Mittelalter auch eine Form der H~resie darstellen, wie MARCHETTI aus- f0hrte.

Eigens dem Schachspiel im Mittelalter und in der Frtihen Neuzeit widmeten sich Rai- ner A. MOLLER aus Eichst~tt und Hans Hollander aus Aachen. MOLLER legte die unterschiedlichen Theorien zur Entste- hung und Entwicklung des Schachspiels dar und ftihrte aus, inwiefern sich das Schachspiel als Sozial- und Moralmetapher verstehen laBt. Im Schachspiel seien sozia- le Figurationen angelegt, die die starre Standegesellschaft transformierten. In der berOhmten Schachbeschreibung des Domi- nikanermOnchs Jakob de CESSOLIS aus dem 13. Jh. werde der Bauernzug als ,Kai- sererhebung" definiert und damit als MOg- lichkeit verstanden, die Standesgrenzen zu durchbrechen. Ebenso verweise die Bedeu- tung der Bauern im Schachspiel auf die Abh~ngigkeit des KOnigs von den ,,popu- lares". HOLLANDER legte das Schwergewicht sei- ner eher kunstgeschichtlich orientierten AusfOhrungen auf die Schachreform des 15. Jhs. Sie sei vor allem durch die Aufwer- tung der Dame als wichtigster Figur des Schachspiels gekennzeichnet. Diese neue Art des schnellen Schachs, das in franz0si- schen Quellen als ,6checs de la dame enra- g6e" bezeichnet werde, sei durch die weit- rgumigen Ztlge der Dame und des Laufers gekennzeichnet. HOLLANDER brachte die- se Schachreform mit einem grundlegenden ,Strukturwandel des gesamten Zeichensy- stems" der mittelalterlichen Gesellschaft im Obergang zur Renaissance in Zusam- menhang. Die neuen Vorstellungen von Raum, Zeit und Bewegung, die sich im 15. Jh. zu bilden begannen und zur Entste- hung der Zentralperspektive ft~hrten, f~in- den sich auch im Schachspiel wieder. Iris GAREIS aus Freiburg fiel mit ihrem Vortrag 0ber den ,Tod des Inka: Spiel und rituelle Representation im kolonialen Pe- ru" etwas aus dem europ~schen Rahmen. Sie machte zunachst deutlich, wie weit un- ser heutiges s~ikulares Spielverst~ndnis von dem frtiherer Zeiten und anderer Kultu- ren verschieden sei, z.B. von solchen im

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vorkolonialen Amerika. Spiele hatten im- mer rituellen und kultischen Charakter ge- habt. Der ,Tod des Inka" sei ein rituelles Schauspiel, das in unterschiedlichen Varia- tionen bis heute in Peru gespielt werde~ Nach den Untersuchungen von GAREIS stellt es eine Form spielerisch-kultureller Verarbeitung des traumatischen Erlebnis- ses der Eroberung des Inkareichs durch die spanischen Conquistadoren dar. Dabei werde auch die historische Wirklichkeit um den Tod des sagenhaften Inkaherr- schers Atahualppa verdreht. Atahualppa erscheine im Spiel als M-~irtyrer, wahrend er selbst kurz vor Ankunft der Spanier an- dere Indianergruppen grausam unterwor- fen habe. Andine und europaische Tradi- tionen fl0ssen in diesem Spiel zusammen, das zugleich rituelles Drama der Erfah- rung der Conquista, Opfer- und Frucht- barkeitskult sowie Ausdruck der Suche der andinen Indianer nach kultureller Indenti- tat sei. Die eher theoretischen Akzente der Tagung setzte Eric DUNNING aus Leicester. DUN- NING, der als einer der besten ELIAS-Ken- ner gilt und zahlreiche Bticher und Artikel, z.T. zusammen mit Norbert ELIAS, zu einer zivilisationstheoretisch orientierten Sportsoziologie verfabte, stellte in seinem Vortrag die Grundztige einer zivilisations- theoretischen Betrachtung von Spiel und Sport dar. Dabei ging es ihm auch darum, eines der zentralen MiBverstandnisse in der Diskussion um die Zivilisationstheorie auszuraumen, das auch in der ELIAS-Kri- tik des Bremer Anthroplogen Hans Peter DI~RR immer wieder auftaucht: ,Zivilisa- tion" im Sinn yon ELIAS sei kein alltags- sprachlich und damit miBverstandlich-wer- tender, sondern ein theoretischer Begriff. Die Entwicklung des Sports unserer Zeit wird von DUNNING und ELIAS im Zusam- menhang mit dem StaatsbildungsprozeB in England sowie mit der Industrialisierung und Parlamentarisierung gesehen. Die Par- lamentarisierung politischer Konflikte und die Sportisierung der Freizeitaktivitaten

der englischen gentry seien zwei Seiten derselben Medaille. Der Sport sei eine er- folgreiche kollektive Erfindung, die es mo- dernen, ,zivilisierten" Menschen erlaube, Spannung und Aufregung erfahren und er- leben zu kOnnen, ohne zu exzessiver Ge- waltausiibung zu degenerieren. ,That is to say, they (sports, M. K.) fit the tempers of the times o f people, ie ourselves, who Elias described as ,late barbarians" ie people who are ,civilized' relative to their ancient and medieval forebears but who are still a very long way short of reaching any ,pinnacle of civilized self-restraint' (ELIAS)." Den theoretischen Kontrapunkt zu DUN- NING setzte August NITSCHKE aus Stutt- gart, der sich aus der Sicht der historischen Anthropologie mit Bewegungs- und Inden- tifikationsspielen yon Kindern auseinan- dersetzte - - Identifikationsspiele deshalb, weil sich an diesen Spielen, in denen Kin- der bestimmte Situationen und Personen nachspielen, z.B. Ritterspiele, Priester- spiele, Handwerkerspiele, der Wandel der Geschichte deutlicher ausdrilcke als bei an- deren Bewegungs- und/oder RoHenspielen wie Kreisel; Ball- oder Springspielen. NITSCHKES Spieluntersuchungen ergaben, dab seit dem 15. Jh., im Obergang vom Mittelalter zur Renaissance, in den Spiel- konfigurationen eine grundlegend andere Ordnung zu erkennen ist, die er an einem Wandel der Zeit- und Raumwahrnehmun- gender Menschen vonder vertikalen zur eher horizontalen Perspektive festmacht. NITSCHKE halt den Ansatz von ELIAS fflr grundsatzlich ungeeignet, den Wandel der Geschichte tiberhaupt und speziell den im 16. Jh. zu erklaren. In der Geschichte sei keine Dampfung der Triebe und Affek- te der Menschen auszumachen, sondern eher das Gegenteil. Zwischen beiden Posi- tionen - - NITSCHKE versus DUNNING - - versuchte Pieter SPIERENBURG aus Rot- terdam in seinem als Literaturbericht ver- standenen Vortrag ,Play, community, popular culture and civilisation: a re-

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consideration" zu vermitteln. In der Lite- ratur zur historischen Spiel- und Sportfor- schung seien zwei Ans/~tze zu unterschei- den: erstens die Richtung einer historisch- anthropologischen Spiel- und Kulturfor- schung und zweitens entwicklungstheoreti- sche Konzepte, die auf den Ansatz von ELIAS zurt~ckzuftihren seien. Am Problem der Gewalt und der Frage des Umgangs mit sowie des Verstandnisses yon KOrper und K6rperlich, keit versuchte er ein inte- gratives Modell anzudeuten, in dem so- wohl der t~ber lange Zeitr~iume angelegte historische Wandel als auch die Vielfalt kultureller Erscheinungsformen berOck- sichtigt werden kOnnen. Gewalt und KOr- perlichkeit im Verlauf der Geschichte lie- Ben sich nach SPIERENBURG auf zwei Achsen abbilden, auf einer Achse, die von eher impulsiv zu eher rational, und einer anderen, die yon eher rituell zu eher instru- mentell reicht. Den AbschluB der Tagung in Bonn bilde- ten die Referate yon Gilbert ANDRIEU aus Paris zum Thema ,Jeu, civilisation et changement social" und von Henning EICHBERG aus Kopenhagen zur ,Sportifi- zierung des Spiels: Vom Fest zu Fachlich- keit". ANDRIEU beleuchtete die Spiel- und Sportbewegung im Frankreich der Zweiten Republik auf dem Hintergrund der durch die Niederlage gegen Deutschland im Krieg von 1870/71 ausgelOsten sozialen Umwalzungen und des Rufs nach einer Modernisierung des Sport- und K6rperer- ziehungssystems, um eine wehrtiichtige franzOsische Jugend zu formen. EICHBERG, in der Sportgeschichte in Deutschland zum Tell ge/ichtet, wartete - - wie immer - - mit einem provozierenden und zur engagierten Diskussion anregen- den Vortrag auf, den er mit dem Satz ,,Es gibt keine Sportgeschichte vor dem An-

bruch der Moderne" begann. Gemeint war ein harter Vorwurf an die Sportgeschichte, die unter der engen Perspektive des Sports die komplexen Fest-Zusammenh~tnge, in denen Spiele und Wettk~mpfe vor der mo- dernen Epoche des Sports eingebunden waren, auBer Acht gelassen habe. W~hrend der Sport auf fachlich-spezialisierte und funktionalisierte R~lume (,,R~ume tiberall - - aber kein Ort nirgends") und auf das Zeitmuster des Fortschritts eingegrenzt ge- wesen sei, seien die Orte des Festes und des Spiels mit dem Alltag verbunden gewesen: Strai3en und Pl~ttze, der Dorfanger oder auch FriedhOfe. Dem linearen Zeitmuster des Sports stellte EICHBERG die Diskon- tinuit~t vorsportlicher Spiel-Festkulturen gegentiber: ,,Wechsel von Hoch-Zeit und Niederzeit, Spiel mit der Anderen Zeit, ,Traumzeit'". Yon der Festlichkeit des Spiels zur Fachlichkeit des Sports bedeutet fiar EICHBERG zusammengefaBt und in zi- vilsationstheoretischer Hinsicht eine ,Ver- lustgeschichte", die erst durch neuere Ent- wicklungen, durch die Entdeckung einer ,,neuen Festlichkeit", tlberwunden werden kOnne. Die Tagung in Bonn hat auch ffir die Sportwissenschaft viele Anregungen gebo- ten. Es ist deshalb zu bedauern, dab sie in unserem Fach kaum beachtet wurde: weder vonde r Sportpfidagogik, die filr histori- sche Fragestellungen nicht (mehr) sensibel ist, noch yon der ebenfalls ahistorisch orientierten herrschenden deutschen Sportsoziologie, die sich im Unterschied zu anderen europfiischen IAtndern bisher kaum - - mit A u s n a h m e der ELIAS-Tagung im Dezember 1992, bei der jedoch nur ,AuBenseiter" referierten - - mit zivilisa- tionstheoretischen Aspekten der Sportent- wicklung besch~ftigt hat.

M. KRtAGER