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Sportpolitik der EU Ein Überblick

Sportpolitik der EU2015... · Sportpolitik der EU Seite 4 von 27 über bestimmte Probleme anregen und die Sichtbarkeit des Sports in der EU-Politik erhöhen. Mit dem begleitenden

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Sportpolitik der EU

Ein Überblick

In diesem Dokument wird die Entstehung einer Sportpolitik der EU beschrieben, wobei insbesondere auf die Entwicklungen seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon 2009 eingegangen wird. Im Mittelpunkt stehen die Maßnahmen der EU innerhalb der Grenzen der durch die Verträge verliehenen Rechtsgrundlage. Nach einer Übersicht über die zentralen politischen Dokumente, Instrumente und Strukturen wird anhand einiger Beispiele veranschaulicht, wie sich die Politik derzeit entwickelt. Besondere Aufmerksamkeit wird der Frage der Integrität des Sports gewidmet.

PE 565.908 ISBN 978-92-823-7902-8 doi:10.2861/159120 QA-01-15-599-DE-N

Redaktionsschluss des englischen Originalmanuskripts: August 2015. Übersetzung abgeschlossen: Oktober 2015.

HAFTUNGSAUSSCHLUSS UND URHEBERRECHT

Die Verantwortung für den Inhalt liegt ausschließlich beim Verfasser dieses Dokuments; eventuelle Meinungsäußerungen entsprechen nicht unbedingt dem Standpunkt des Europäischen Parlaments. Das Dokument richtet sich an die Mitglieder und Mitarbeiter des Europäischen Parlaments und ist für deren parlamentarische Arbeit bestimmt. Nachdruck und Übersetzung zu nicht kommerziellen Zwecken mit Quellenangabe gestattet, sofern der Herausgeber vorab unterrichtet und ihm ein Exemplar übermittelt wird.

© Europäische Union, 2015

Fotonachweise: © Tabthipwatthana/Fotolia.

[email protected] http://www.eprs.ep.parl.union.eu (Intranet) http://www.europarl.europa.eu/thinktank (Internet) http://epthinktank.eu (Blog)

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ZUSAMMENFASSUNG

Sport hat erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft und Gesellschaft der Europäischen Union (EU), und seine Bedeutung nimmt zu. Die sportbezogene Beschäftigung liegt Schätzungen zufolge bei 7,38 Mio. Personen, was 3,51 % der Gesamtbeschäftigung der EU entspricht, und der Anteil der sportbezogenen Bruttowertschöpfung bei 294 Mrd. EUR (2,98 % der gesamten Bruttowertschöpfung der EU).

Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon 2009 erlangte die Europäische Union erstmals eine besondere Zuständigkeit im Bereich des Sportes (im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV) und erhielt ein klares Mandat für die Erarbeitung und Umsetzung einer durch eine spezifische Haushaltslinie unterstützten EU-koordinierten Sportpolitik und für die Entwicklung der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen im Bereich Sport.

Allerdings sind die im Vertrag verankerten Eingriffsmöglichkeiten der EU in den Sport begrenzt. Die der Union übertragene unterstützende Zuständigkeit impliziert, dass sie nur eingreifen kann, um von ihren Mitgliedstaaten getroffene sportpolitische Maßnahmen zu unterstützen, zu koordinieren oder zu ergänzen. Die Verabschiedung einer europäischen Sportgesetzgebung oder sonstiger rechtsverbindlicher Maßnahmen ist damit ausgeschlossen. Weiter begrenzt wird der Handlungsspielraum der EU durch die Notwendigkeit, der Sonderstellung des Sports Rechnung zu tragen und die Unabhängigkeit der Leitungsstrukturen im Sport zu wahren. Diese zwei eng verflochtenen und vom Sportsektor stark verteidigten Grundsätze werden unterschiedlich ausgelegt und bleiben ein heikles Thema in den Beziehungen zwischen EU und Interessenträgern im Sportbereich.

Vor diesem Hintergrund hat sich die EU „weichen“ Instrumenten der Politikgestaltung zugewandt, zu denen der Dialog, die politische Zusammenarbeit, die Erstellung von Leitlinien und Empfehlungen sowie die Finanzausstattung zur Unterstützung sportbezogener Ziele gehören. Die Finanzausstattung ist schon an sich ein wichtiges politisches Instrument. Aus diesem Grund ist die Einführung einer eigenen Haushaltslinie für Sport, bei der das Europäische Parlament eine wichtige Rolle spielte, von großer Bedeutung. Im Zeitraum 2014-2020 werden im Rahmen des Kapitels Sport des Programms Erasmus+ 265 Mio. EUR zur Bekämpfung der Bedrohungen für die Integrität des Sports und von Intoleranz und Diskriminierung sowie zur Förderung von verantwortungsvollem Handeln, dualen Karrieren von Sportlern, Freiwilligentätigkeit, sozialer Inklusion, Chancengleichheit und gesundheitsfördernder körperlicher Betätigung zur Verfügung stehen. All diese Prioritäten entsprechen wichtigen EU-Handlungsfeldern im Sport.

Da viele Zuständigkeiten im Bereich Sport bei den Mitgliedstaaten liegen, ist die Möglichkeit der Schaffung eines Mehrwerts notwendig, um EU-Maßnahmen zu rechtfertigen. Zu den identifizierten Handlungsbereichen gehören zum Beispiel das Fehlen vergleichbarer Daten über den Sportbereich in der EU oder transnationale Herausforderungen, denen sich der Sport in Europa gegenübersieht, wie zum Beispiel Doping oder Spielabsprachen. Dort muss die EU jedoch mit anderen Akteuren wie zum Beispiel dem Europarat rechnen, der seit fast 40 Jahren im Bereich Sport aktiv ist und zudem wichtige verbindliche Instrumente geschaffen hat.

Die direkte Zuständigkeit der EU für Sport ist neu, und es ist noch zu früh, um die Auswirkungen der weichen Politikgestaltung der EU im Sport abzuschätzen, vor allem weil einige ihrer Ergebnisse und konkreten Ausdrucksformen erst noch umgesetzt werden müssen. Die Kooperationsstrukturen der EU wurden hingegen bereits 2014 im Rahmen des Beurteilungsberichts über die Durchführung des ersten EU-Arbeitsplans für den Sport einer Bewertung unterzogen. In dem Bericht wurden eine Stärkung der Zusammenarbeit im Sport und die Verbesserung der politischen Koordinierung auf EU-Ebene begrüßt, während gleichzeitig auf erwünschte Änderungen insbesondere hinsichtlich der Strukturen für den Dialog mit Interessenträgern hingewiesen wurde.

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INHALTSVERZEICHNIS

1 Entstehung einer Sportpolitik der EU ........................................................................ 3

1.1 Hintergrund ......................................................................................................... 3

1.2 Auftakt ................................................................................................................ 3

1.3 Handlungsgrenzen für die EU im Sport ............................................................... 5

2 Politische Instrumente ............................................................................................... 6

2.1 Zusammenarbeit auf EU-Ebene .......................................................................... 6

2.2 Zusammenarbeit auf internationaler Ebene ...................................................... 7

2.3 (Strukturierter) Dialog mit den Akteuren ........................................................... 8

2.4 Unterstützung für Projekte und Netzwerke ....................................................... 9

3 Tätigkeitsfelder der EU im Sport .............................................................................. 11

4 EU-Maßnahmen in der Praxis: einige Beispiele ....................................................... 13

4.1 Bewegung für die Gesundheit: Förderung körperlicher Aktivität .................... 13

4.1.1 Hintergrund .......................................................................................................... 13

4.1.2 EU-Maßnahmen ................................................................................................... 13

4.1.3 Schwerpunkt Europäische Woche des Sports ...................................................... 14

4.2 Sportstatistik: Messung der wirtschaftlichen Bedeutung des Sports............... 15

4.2.1 Hintergrund .......................................................................................................... 15

4.2.2 EU-Maßnahmen ................................................................................................... 15

4.3 Wahrung der Integrität des Sports ................................................................... 16

4.3.1 Integrität des Sports: Begriff und Hintergrund .................................................... 16

4.3.2 Dopingbekämpfung .............................................................................................. 17

4.3.3 Bekämpfung von Spielabsprachen ....................................................................... 21

4.3.4 Förderung von Good Governance im Sport ......................................................... 23

4.4 Erfahrungen ...................................................................................................... 24

5 Bestandsaufnahme und Ausblick ............................................................................. 25

6 Wichtigste bibliografische Angaben ......................................................................... 27

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1 Entstehung einer Sportpolitik der EU

1.1 Hintergrund

Bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon 2009 hatte die Europäische Union (EU) keine direkte Zuständigkeit für Sport, sie konnte also keine spezifische EU-Politik in diesem Bereich umsetzen oder finanzieren. Dies soll jedoch nicht heißen, dass es keine Interaktion zwischen der EU und der Welt des Sports gab, ganz im Gegenteil. Zum einen hatten die Zuständigkeiten der EU in Bereichen wie der Binnenmarkt- und Wettbewerbspolitik sowie ihre Politik und Finanzierungsprogramme auf Gebieten wie Bildung, Gesundheit, Jugend oder soziale Inklusion, die eng mit dem Sport verbunden sind, damals wie heute1 bedeutende Auswirkungen auf den Sport. Darüber hinaus wurde der EU-Ansatz für den Sport durch verschiedene Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gestaltet, welcher infolge der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung und Kommerzialisierung des Profisports zunehmend2 sportbezogene Rechtssachen bearbeiten musste.

Experten zufolge3 war es die berühmteste dieser Rechtssachen, die Rechtssache Bosman4 (siehe Kasten), die den Sport auf der europäischen Agenda weiter nach oben rückte, indem durch sie auf eine Klarstellung bezüglich der Beteiligung der EU an der Sportregulierung gedrängt wurde. Tatsächlich kam es von den späten 1990er bis in die frühen 2000er Jahre zu einer steten Abfolge politischer Erklärungen und Initiativen5, die den Boden für die Ausarbeitung eines kohärenten politischen Ansatzes für den Sport auf EU-Ebene bereiteten.

1.2 Auftakt

Das von der Kommission im Jahr 2007 veröffentlichte Weißbuch Sport6 war die erste „umfassende“ Initiative der EU auf diesem Gebiet. Es sollte unter anderem eine strategische Ausrichtung der Rolle des Sports in Europa ermöglichen, eine Diskussion

1 Wie zum Beispiel die Studie der Kommission „The impact of European Community activities on sport“

(1994) bestätigt. 2 Die erste sportbezogene Rechtssache, mit der der EuGH befasst wurde, war die Sache Walrave und

Koch (1974), in der zwei niederländische Staatsangehörige eine auf Staatsangehörigkeit basierende Regelung des Internationalen Radsportverbands als diskriminierend anfochten.

3 Urteil des Gerichtshofs vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93.

4 Borja García: „From regulation to governance and representation: agenda-setting and the EU’s

involvement in sport“, in: Entertainment and Sports Law Journal, Juli 2007. 5 Darunter die Erklärung zum Sport im Anhang des Vertrags von Amsterdam (1997), die

Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen mit dem Titel „The Development and Prospects for Community Action in the Field of Sport“ (1998), der Helsinki Bericht zum Sport (1999), die Erklärung von Nizza über die besonderen Merkmale des Sports (2000) sowie Veranstaltungen wie das Europäische Jahr der Erziehung durch Sport 2004 (2004).

6 Europäische Kommission: Weißbuch Sport, COM(2007) 391 final.

Die Bosman-Entscheidung (1995)

Diese vom belgischen Profi-Fußballspieler Jean-Marc Bosman herbeigeführte Grundsatzentscheidung des EuGH betrifft die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union. Sie hatte bedeutende Auswirkungen auf die Welt des Profifußballs und gab Spielern in der EU die Möglichkeit, nach Ablauf ihres Vertrags zu einem anderen Verein zu wechseln, ohne dass eine Ablösesumme erforderlich ist. Außerdem wurden Beschränkungen für ausländische EU-Spieler verboten, die von europäischen Vereinen unter Vertrag genommen werden. Die gerichtliche Entscheidung führte zu einer Überarbeitung des Spielertransfersystems in Europa.

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über bestimmte Probleme anregen und die Sichtbarkeit des Sports in der EU-Politik erhöhen. Mit dem begleitenden Aktionsplan „Pierre de Coubertin“7 wurden diese allgemeinen Ziele in konkrete Vorschläge umgesetzt und eine Reihe von Maßnahmen vorgestellt, die von der Kommission durchgeführt oder unterstützt werden sollten und die in drei umfassende Kapitel gegliedert sind, die sich auf wichtige Dimensionen des Sports beziehen: seine Rolle in der Gesellschaft, seine wirtschaftlichen Aspekte und seine Organisation.

Das Weißbuch legte die Grundlagen für die Entwicklung einer EU-Politik für Sport, indem es zu einem strukturierten Dialog mit Akteuren des Sportbereichs führte, eine Basis für die durchgängige Berücksichtigung sportbezogener Maßnahmen in den entsprechenden Fonds, Programmen und Initiativen der EU bot und den Weg für eine verstärkte politische Zusammenarbeit mit und zwischen Mitgliedstaaten ebnete. Es antizipierte die Rolle, die die EU nach dem Inkrafttreten des AEUV spielen würde, der dem Sport eine Rechtsgrundlage verlieh.

Für die EU, die nur über die Zuständigkeiten verfügt, welche ihr durch ihre Verträge übertragen werden,8 war dieser Schritt von großer Bedeutung. Der AEUV erteilte der Union ein klares Mandat für die Erarbeitung und Umsetzung einer durch einen spezifischen Haushalt unterstützten EU-koordinierten Sportpolitik und für die Entwicklung der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen im Bereich Sport.

In ihrer Mitteilung zur „Entwicklung der europäischen Dimension des Sports“9 (2011), dem ersten nach dem Inkrafttreten des AEUV erstellten Orientierungsdokument, legte die Kommission ihre Vorstellungen dazu dar, wie diese neue Zuständigkeit der EU in die Praxis umgesetzt werden könnte. Auf das Weißbuch aufbauend wurden darin Bereiche für die Zusammenarbeit auf EU-Ebene aufgezeigt, wobei insbesondere der Mehrwert betont wurde, den die Union zum Beispiel dabei erbringen könnte, das Fehlen vergleichbarer Daten über den Sportbereich in der EU als Grundlage für die Politikgestaltung oder transnationale Herausforderungen wie zum Beispiel Doping oder Spielabsprachen oder die Tätigkeiten von Sportagenten anzugehen.

Mit den nachfolgenden vom Rat der EU angenommenen EU-Arbeitsplänen für den Sport 2011-201410 und 2014-201711 wurde die Rolle, die von der Union und ihren Mitgliedstaaten zu übernehmen war, weiter präzisiert.

Das Europäische Parlament, das diese Entwicklungen durch verschiedene Entschließungen unterstützte,12 spielte eine wichtige Rolle bei der Errichtung eines eigenen Haushalts für Sportpolitik.

7 Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, Aktionsplan „Pierre de Coubertin“, Begleitdokument

zum Weißbuch Sport, SEC(2007) 934 final. 8 Im Rahmen des sogenannten „Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung“, der zusammen mit

den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit festlegt, ob und inwieweit die EU in einem bestimmten Politikbereich tätig werden kann.

9 Europäische Kommission: Entwicklung der europäischen Dimension des Sports, COM(2011) 12 final.

10 Entschließung des Rates zu einem Arbeitsplan der Europäischen Union für den Sport 2011-2014, ABl.

C 162 vom 1.6.2011. 11

Entschließung des Rates zu einem Arbeitsplan der Europäischen Union für den Sport (2014-2017), ABl. C 183 vom 14.6.2014.

12 Siehe insbesondere die Entschließungen des EP zum Weißbuch Sport (2008) und zu der europäischen

Dimension des Sports (2012).

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1.3 Handlungsgrenzen für die EU im Sport

Das Eingreifen der EU in den Sport ist von zwei Seiten her begrenzt. Zum einen durch die der EU seit 2009 nach Artikel 6 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) erteilte Zuständigkeit, die unterstützender Natur ist. Dies bedeutet, dass die EU nur eingreifen kann, um von ihren Mitgliedstaaten getroffene sportpolitische Maßnahmen zu unterstützen, zu koordinieren oder zu ergänzen. Folglich hat sie keine Gesetzgebungsbefugnis und darf nicht in die Ausübung dieser Zuständigkeit durch die Mitgliedstaaten eingreifen. In Artikel 165 AEUV, in dem die Ziele der EU-Sportpolitik dargelegt sind, wird dies insofern klargestellt, als darin nur Fördermaßnahmen und Empfehlungen vorgesehen werden, unter ausdrücklichem Ausschluss jedweder Harmonisierung der Gesetze und Vorschriften von Mitgliedstaaten. Die der EU zugewiesene Aufgabe besteht darin, „zur Förderung der europäischen Dimension des Sports“ beizutragen, sowie in der „Entwicklung der europäischen Dimension des Sports“ insbesondere durch Förderung der Fairness und der Offenheit von Sportwettkämpfen und der Zusammenarbeit zwischen den für den Sport verantwortlichen Organisationen sowie durch den Schutz der körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Sportler. Zum anderen wird der Handlungsspielraum der EU durch die Notwendigkeit begrenzt, der Sonderstellung des Sports Rechnung zu tragen und die Unabhängigkeit der Leitungsstrukturen im Sport zu wahren. Diese Grundsätze können als zwei Seiten ein und derselben Medaille gesehen werden (siehe Kasten unten).

Die Besonderheit des Sports: ein anerkanntes, aber schwer fassbares Konzept

Der Begriff „Besonderheit des Sports“ bezieht sich auf die seit Langem anhaltende Debatte über die Anwendung der Anforderungen des EU-Rechts (wie Wettbewerb, Freizügigkeit, Grundrechte oder Diskriminierungsverbot) auf den Sport und über das Bestehen einer sogenannten „sportlichen Ausnahme“, einem durch die Urteile des Europäischen Gerichtshofs und die Entscheidungspraxis der Kommission insbesondere in Bezug auf Wettbewerbsregeln etablierten und entwickelten Rechtsbegriff.

Im Grunde kann die „Besonderheit des Sports“ als die dem Sport innewohnenden Merkmale verstanden werden, die ihn von anderen wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten abheben und eine spezifisch angepasste Anwendung europäischer Gesetze und Strategien rechtfertigen können13. Sie wurde in der Erklärung des Europäischen Rates über die besonderen Merkmale des Sports14 anerkannt und im Weißbuch Sport von 2007 näher erläutert, demzufolge die Besonderheit des europäischen Sports aus zwei Blickwinkeln betrachtet werden kann, d. h. im Hinblick auf die Besonderheit sportlicher Aktivitäten und sportlicher Regeln (darunter die „Spielregeln“ und die Auswahlkriterien bei Sportwettbewerben) und im Hinblick auf die Besonderheit der Sportstrukturen (d. h. eine monopolistische15 Pyramidenstruktur mit einer einzigen nationalen Vereinigung pro Sport und

13

Borja García: a. a. O. 14

Europäischer Rat: „Erklärung über die besonderen Merkmale des Sports“, a. a. O. 15

Kienapfel et al.: The application of articles 81 and 82 EC in the sport sector, 2007.

Abbildung 1 – Die Pyramidenstruktur des Sports

Datenquelle: Europäische Kommission, 1998 (angepasst).

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Mitgliedstaat, die unter dem Dach eines einzigen europäischen und eines einzigen weltweiten Verbands tätig ist – siehe Abbildung 1). In dem Weißbuch wurde jedoch klargestellt, dass die Anerkennung dieser Besonderheit nicht so ausgelegt werden kann, dass eine allgemeine Ausnahme von der Anwendung des EU-Rechts gerechtfertigt ist, und dass nur von Fall zu Fall entschieden werden kann, ob eine Sportregel mit dem EU-Recht vereinbar ist.

Das Konzept der Besonderheit des Sports ist untrennbar mit der Governance des Sports und der Autonomie der Führungsgremien des Sports verbunden, die traditionell für die Regulierung und Organisation „ihres Sports“ verantwortlich sind. Aus diesem Grund haben sich Sportverbände und -organisationen, die den von der EU verfolgten Einzelfallansatz als Quelle der Rechtsunsicherheit für den Sport betrachten, wiederholt für eine explizite, umfassendere und systematischere Anerkennung der Besonderheit des Sports ausgesprochen. Daher haben sie deren Aufnahme in den Vertrag16 begrüßt und sich bemüht, Orientierungshilfen für die entsprechende Auslegung zu geben.17 Die Debatte über die Besonderheit und Autonomie des Sports, die aus Sicht der Sportbehörden eng mit der Frage der Legitimität des EU-Eingriffs in die Regulierung und Governance des Sports verflochten ist, ist jedoch noch lange nicht beendet. Alles weist darauf hin, dass die diesbezüglichen Tätigkeiten der EU in den kommenden Jahren sehr genau beobachtet werden.18

2 Politische Instrumente

Da Artikel 165 AEUV die Verabschiedung einer europäischen Sportgesetzgebung oder sonstige rechtsverbindliche Maßnahmen ausschließt, nutzt die EU „weiche“ Instrumente der Politikgestaltung wie Dialog, Zusammenarbeit, Finanzierung für Projekte und Netzwerke, Bereitstellung von Informationen durch Studien oder Erhebungen, Konsultationen und Veranstaltungen.

2.1 Zusammenarbeit auf EU-EbeneDie europäische Zusammenarbeit in der

Sportpolitik orientiert sich an den dreijährigen EU-Arbeitsplänen zum Sport, in denen die Mitgliedstaaten, die Ratsvorsitze und die Kommission zur Zusammenarbeit an vorrangigen Themen (die Integrität des Sports, seine wirtschaftlichen Aspekte und seine Rolle in der Gesellschaft) aufgefordert werden und ein Rahmen für die politische Koordinierung geboten wird. Der erste Arbeitsplan wurde 2011 erstellt, um der Notwendigkeit einer verbesserten Zusammenarbeit nach der Aufnahme des Sports in die Liste der EU-Zuständigkeiten gerecht zu werden. Nach einem insgesamt positiven

16

Siehe zum Beispiel die im Oktober 2007 auf der Website der FIFA veröffentlichte Medienmitteilung mit dem Titel „Olympic and sporting movement satisfied with reference to specific nature of sport in EU reform treaty“.

17 Siehe zum Beispiel die Stellungnahme der Europäischen Fußballunion (UEFA) zu Artikel 165 des

Vertrags von Lissabon (2010) oder die „Common position of the Olympic and Sports Movement on the implementation of the new Treaty on the Functioning of the European Union (TFEU) on sport“

(2010). 18

2011 machte das EU-Büro der Europäischen Olympischen Komitees auf die Aktivitäten der Kommission bezüglich Good Governance im Sport und die Einrichtung der eigenen EU-Expertengruppe aufmerksam und wies darauf hin, dass dies hinsichtlich der Autonomie von Sportorganisationen als problematisch betrachtet werden könnte. Im Oktober 2014 betonte der Deutsche Fußball-Bund, dass die EU bei der Abgabe politischer Empfehlungen die in Artikel 165 AEUV verankerten Grenzen ihrer Zuständigkeit sowie die Autonomie des Sports im Auge behalten solle.

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Bewertungsbericht zu seiner Durchführung19 folgte umgehend ein zweiter Arbeitsplan, der bis 2017 gültig bleiben wird.

Um die Durchführung der Arbeitspläne zu unterstützen, wurden Expertengruppen von der Kommission eingesetzt. Jede Gruppe, der von den Mitgliedstaaten benannte und zur Mitarbeit bereite Experten angehören, befasst sich mit bestimmten sportpolitikbezogenen Bereichen und hat ihr eigenes Arbeitsprogramm mit bestimmten zu erfüllenden Aufgaben und zu erzielenden Ergebnissen („Leistungen“). Über die Fortschritte wird den Arbeitsstrukturen des Rates regelmäßig Bericht erstattet.20 Einige der innerhalb der Expertengruppen erzielten Ergebnisse dienen als Grundlage für konkrete Politikergebnisse, z. B. in Form von Schlussfolgerungen des Rates. Die Gruppen profitieren von der Expertise sowie der logistischen und Sekretariatsunterstützung der Kommission. Die fünf derzeitigen Expertengruppen befassen sich jeweils mit Spielabsprachen, Good Governance im Sport (Schutz von Minderjährigen, Förderung von Grundsätzen der Good Governance, Gleichstellung der Geschlechter), der wirtschaftlichen Dimension des Sports (wirtschaftliche Bedeutung, bleibender Nutzen von Sportgroßveranstaltungen, nachhaltige Finanzierung), Gesundheitsfördernder körperlicher Aktivität und Management der Humanressourcen im Sport (allgemeine und berufliche Bildung, Beschäftigung, ehrenamtliche Tätigkeit).

Neben den Expertengruppen sind in den Arbeitsplänen weitere Arbeitsmethoden und Strukturen vorgesehen, darunter Konferenzen des Ratsvorsitzes, informelle Treffen von Sportdirektoren und -ministern sowie Studien und Konferenzen der Kommission.

2.2 Zusammenarbeit auf internationaler Ebene

Die EU arbeitet außerdem mit kompetenten internationalen Organisationen im Bereich Bildung und Sport zusammen, darunter auch mit dem Europarat. Ein aktuelles Beispiel ist das 18 Monate dauernde Projekt „Pro Safe Sport“21 zur Förderung des physischen und mentalen Wohlbefindens junger Sportler, das vom Erweiterten Teilabkommen über Sport des Europarates (siehe Kasten unten) in Zusammenarbeit mit der Kommission und anderen Interessenträgern geleitet und mit einem EU-Zuschuss unterstützt wurde.

19

Europäische Kommission: Bericht über die Durchführung des Arbeitsplans der Europäischen Union für den Sport 2011-2014, COM(2014) 22 final.

20 Die Gruppe „Sport“ wurde im Februar 2010 eingerichtet. Im Mai 2010 diskutierten Minister erstmalig

im formellen Rahmen des Rates über Sportpolitik. Im September 2010 nahm der Europäische Rat die Sportpolitik offiziell in die Ratsformation „Bildung, Jugend und Kultur“ auf.

21 Gemeinsames Programm von Europarat/Europäischer Union „Pro Safe Sport“.

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Der Europarat und der Sport

Sport wurde 1976 durch die Gründung des Steering Committee for the Development of Sport (Lenkungsausschuss für die Entwicklung des Sports) in den institutionellen Rahmen des Europarates aufgenommen. Das Jahr 1976 war auch von der Annahme der „Europäischen Sportcharta“ geprägt. Seither wurden zahlreiche Empfehlungen, Erklärungen, Entschließungen und Übereinkommen angenommen, darunter strategische Dokumente wie das „Europäische Übereinkommen über Gewalttätigkeiten von Zuschauern“ (1985), das „Übereinkommen gegen Doping“ (1989), die „Europäische Sportcharta“ und der „Kodex für Sportethik“ (1992, überarbeitet 2001).

Im Mai 2007 rief der Europarat das Erweiterte Teilabkommen über Sport (EPAS) ins Leben, eine Plattform für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit im Bereich Sport zwischen den öffentlichen Behörden seiner Mitgliedstaaten und für den Dialog zwischen diesen Behörden und den Sportverbänden und NRO, aus denen sein beratender Ausschuss zusammengesetzt ist. Derzeit zählt das EPAS 36 Mitgliedstaaten (darunter 17 Mitgliedstaaten der EU) und 28 Partnerorganisationen aus der Welt des Sports. Es hat insbesondere das neue Übereinkommen gegen die Manipulation von Sportwettbewerben (2014) und verschiedene vom Ministerkomitee des Europarates angenommene Empfehlungen in Bezug auf die Autonomie des Sportsektors, Sportethik und den Schutz junger Sportler vor Gefahren im Zusammenhang mit Migration erstellt. Außerdem unterstützt das EPAS die Organisation der Europaratskonferenzen der für Sport zuständigen Minister.

2.3 (Strukturierter) Dialog mit den Akteuren

Der auf EU-Ebene bestehende Dialog mit dem Sportsektor, der durch das Weißbuch Sport formalisiert wurde, nimmt unterschiedliche Formen an, wobei das von der Kommission organisierte und finanzierte jährliche EU-Sportforum die größte Sichtbarkeit genießt. Mit dem Ziel gegenseitigen Lernens bietet das Forum die Möglichkeit zur Aussprache über aktuelle Sportthemen und zur Vorlage EU-finanzierter Projekte22 und versammelt Vertreter internationaler und europäischer Sportverbände, der olympischen Bewegung, europäischer und nationaler Dachorganisationen und anderer mit Sport verbundener Organisationen.

Weitere von der Kommission organisierte Plattformen für strukturierten Dialog sind u. a. die Expertengruppen, bei denen Akteure des Sportbereichs einen Beobachterstatus beantragen können, Konferenzen und Veranstaltungen zu sportbezogenen Themen sowie hochrangige Treffen zwischen dem für Sport zuständigen EU-Kommissar und führenden Vertretern des Sportsektors.23

In Übereinstimmung mit der im November 2010 vom Rat der EU angenommenen Entschließung zu einem strukturierten Dialog über Sport auf EU-Ebene24 treffen sich führende Vertreter des Sportsektors, der Rat (einschließlich des erweiterten Dreiervorsitzes), die Europäische Kommission und das Europäische Parlament regelmäßig zu informellen Besprechungen am Rande von Sitzungen des Rates (Bildung, Jugend, Kultur und Sport), die mitunter als „strukturierter Dialog beim Mittagessen“

22

Siehe zum Beispiel den Bericht der letzten Ausgabe, die am 1. und 2. Dezember 2014 in Mailand stattfand.

23 Ein konkretes Ergebnis ist z. B. das am 14. Oktober 2014 unterzeichnete dreijährige

Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Kommission und der UEFA. 24

Entschließung des Rates zu einem strukturierten Dialog über Sport auf EU-Ebene, ABl. C 322 vom 27.11.2010.

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Abbildung 2 – Mittelausstattung des Programms Erasmus+

77,5%

10,0%

3,5%

3,4%1,9% 1,9% 1,8%

Allgemeine und berufliche Bildung(77,5 %)

Jugend (10 %)

Studiendarlehensfazilität (3,5 %)

Nationale Agenturen (3,4 %)

Verwaltungskosten (1,9 %)

Jean Monnet (1,9 %)

Sport (1,8 %)

Datenquelle: Europäische Kommission, Erasmus+ in detail.

bezeichnet werden. Die Tagesordnung und die Liste eingeladener Akteure werden vom amtierenden Ratsvorsitz erstellt.

Im Europäischen Parlament ist der Dialog mit Akteuren des Sportbereichs zwar nicht institutionalisiert, er findet aber regelmäßig statt, zum Beispiel im Rahmen von Anhörungen in Ausschüssen, Workshops zu sportbezogenen Themen oder des informellen Meinungsaustauschs innerhalb der interfraktionellen Arbeitsgruppe „Sport“.

2.4 Unterstützung für Projekte und Netzwerke25

Ab 2009 wurden auf Initiative26 des Europäischen Parlaments im Rahmen der sogenannten vorbereitenden Maßnahmen Mittel für sportpolitische Zwecke zugewiesen.27 Wie der Name vermuten lässt, dienen vorbereitende Maßnahmen der Vorbereitung von Vorschlägen, die auf die Verabschiedung von Maßnahmen wie EU-Strategien, Rechtsvorschriften oder Programmen ausgerichtet sind. Im Fall des Sports bestand das Ziel darin, die Durchführung der neuen Zuständigkeit, die der EU durch den Vertrag verliehen wurde, und insbesondere die Einführung eines eigenen EU-Finanzierungsprogramms vorzubereiten. Spezifischer zielten diese Maßnahmen darauf ab, die Einrichtung, Funktion und Durchführbarkeit geeigneter Netzwerke und bewährter Verfahren zu prüfen, durch Studien, Erhebungen, Konferenzen und Seminare bessere Kenntnisse im Bereich Sport zu entwickeln, um zu helfen, künftige politische Initiativen zu ermitteln, und eine größere Sichtbarkeit Europas bei besonderen Sportveranstaltungen zu fördern. Zwischen 2009 und 2013 wurden 88 Projekte mit einem Haushalt von 37 Mio. EUR finanziert.28

Wie beabsichtigt, ebneten vorbereitende Maßnahmen den Weg für eine breitere Finanzausstattung im Rahmen des siebenjährigen Programms Erasmus+29, das bis 2020 angesetzt ist. Es enthält erstmals eine eigene Haushaltslinie für Sport, die 1,8 % seines Gesamthaushalts entspricht, d. h. etwa 265 Mio. EUR über sieben Jahre verteilt.30 Zweck dieser

25

In diesem Kapitel steht die Entwicklung eines sportspezifischen Finanzierungsprogramms im Mittelpunkt. Allerdings können sportbezogene Projekte im Zeitraum 2014-2020 von verschiedenen anderen Finanzierungsmöglichkeiten profitieren, darunter auch im Rahmen anderer Kapitel von Erasmus+ (siehe z. B. die Broschüre Funding for sport in the European Union, erstellt vom EU-Büro der Europäischen Olympischen Komitees).

26 Europäisches Parlament: Entschließung zum Weißbuch Sport, 8. Mai 2008.

27 Vorbereitende Maßnahmen sind in Artikel 54 Absatz 2 der Haushaltsordnung der Europäischen Union

definiert. 28

Europäische Kommission: Preparatory actions and special events 2009-2013, 2014. 29

Verordnung (EU) Nr. 1288/2013 vom 11. Dezember 2013 zur Einrichtung von „Erasmus+“, dem Programm der Union für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport, ABl. L 347 vom 20.12.2013.

30 Europäische Kommission: „Grünes Licht für Erasmus+: EU-Mittel für Qualifikationen und

Beschäftigungsfähigkeit für mehr als 4 Millionen Personen“, Pressemitteilung, 19. November 2013.

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Mittel31 ist die Unterstützung von Kooperationspartnerschaften, gemeinnützigen europäischen Sportveranstaltungen, an denen mehrere Länder teilnehmen, des Dialogs mit relevanten europäischen Akteuren sowie von Studien, Befragungen oder anderen Formen der Datenerhebung als Grundlage für Entscheidungsfindung und Politikgestaltung.

Kooperationspartnerschaften sind von gemeinnützigen Organisationen oder öffentlichen Stellen vorgeschlagene transnationale Projekte, die die Möglichkeit bieten, innovative Praktiken zu entwickeln, zu übertragen und/oder umzusetzen. Sie zielen insbesondere auf die Unterstützung der Durchführung von Empfehlungen, Leitlinien oder politischen Strategien der EU sowie von Initiativen wie der Europäischen Woche des Sports ab und können sich auf so unterschiedliche Aktivitäten wie das Networking zwischen Akteuren, Sensibilisierungsaktionen zum Mehrwert des Sports, Datenerhebungen durch Befragungen oder Konsultationen sowie Konferenzen, Seminare und sonstige Veranstaltungen erstrecken. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Projekten für den Breitensport.32

Entsprechend der Philosophie, die vorbereitenden Maßnahmen zugrunde liegt, besteht die Absicht von Kooperationspartnerschaften im Sport darin, die Prüfung und Entwicklung neuer Projektformate und neuer Formen transnationaler Zusammenarbeit zu unterstützen, die geeignet sind, zur Entwicklung von größer angelegten Initiativen beizutragen, welche mit nationalen Fördergeldern oder aus europäischen Fonds unterstützt werden.

Die Finanzierungsprioritäten des Kapitels Sport von Erasmus+ wurden alle im Rahmen der vorbereitenden Maßnahmen (siehe Tabelle 1) mehr oder weniger umfangreich geprüft. Sie decken die meisten Tätigkeitsfelder der EU im Sport ab.

Tabelle 1 – Vorrangige Themen im Rahmen der vorbereitenden Maßnahmen (PA) und des Kapitels Sport von Erasmus+

PA 2009 Gesundheit und körperliche Aktivität; Bildung und Ausbildung; Sport für Behinderte; Gleichstellung der Geschlechter

PA 2010 Kampf gegen Doping; soziale Inklusion im und durch den Sport; Freiwilligenprogramme

PA 2011 Bekämpfung von Gewalt und Intoleranz im Sport; Good Governance

PA 2012 Bekämpfung von Spielabsprachen; aktives Altern; Sport auf kommunaler Ebene; grenzüberschreitende Wettkämpfe im Breitensport

PA 2013 Mobilität für Freiwillige und Personal; Schutz vor Verletzungen; traditionelle Sportarten und Spiele

Erasmus+

2014-2020

Bedrohungen für die Integrität des Sports; Intoleranz und Diskriminierung; Good Governance; duale Karrieren von Sportlern; Freiwilligentätigkeit, soziale Inklusion, Chancengleichheit; gesundheitsfördernde körperliche Betätigung

Quelle: Verfasserin, basierend auf Preparatory actions 2009-2013 und Erasmus+ der Europäischen Kommission.

31

Europäische Kommission: „Erasmus+ Programmleitfaden“, 14.11.2014, S. 245. 32

Gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1288/2013 zur Einrichtung von „Erasmus+“ (a. a. O.) bezeichnet „Breitensport“ den „organisierten Sport, der auf lokaler Ebene durch Amateursportler ausgeübt wird, und Sport für alle“.

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Zu den im Rahmen des Programms Erasmus+ unterstützten Projekten im Bereich Sport gehören derzeit 44 Kooperationspartnerschaften und 10 gemeinnützige europäische Sportveranstaltungen (von denen zwei bereits beendet sind).33

Standpunkte der Interessengruppen

Die Interessengruppen begrüßen die über das Kapitel Sport von Erasmus+ bereitgestellte finanzielle Unterstützung und betonen zugleich, wie wichtig es ist, die Teilnahme von Akteuren der Breitensport-Ebene sicherzustellen. In einer Erklärung zu EU-Finanzmitteln für den Sport34 unterstrich die European Non-Governmental Sports Organisation (Dachverband europäischer nichtstaatlicher Sportorganisationen, ENGSO) die Notwendigkeit von angemessener Vorfinanzierung, EU-Finanzmitteln ohne zwingende Forderungen nach privaten Mitteln und von Betriebszuschüssen für auf europäischer Ebene tätige Organisationen, die den Breitensport fördern und deren Arbeitsprogramm den Prioritäten des Kapitels Sport entspricht. Sie empfahl außerdem, Kleinprojekte aufzunehmen und Freiwilligenarbeit als Sachleistung förderfähig zu machen.

Nach Konsultierung zahlreicher Akteure zu den für Breitensport gebotenen Möglichkeiten und unter Berücksichtigung der geringen Anzahl an Breitensportvereinen, die als Partner an den ausgewählten Programmen des ersten Jahres von Erasmus+ Sports beteiligt waren, schlug das EU-Büro der Europäischen Olympischen Komitees35 verschiedene Änderungen an der Umsetzung des Kapitels Sport vor, um eine umfangreichere Beteiligung des Breitensports sicherzustellen. Insbesondere empfahl es, Projekte zu unterstützen, an denen weniger Partner beteiligt sind und/oder die über kleinere Haushalte verfügen, Freiwilligentätigkeit als eine Quelle des Eigenbeitrags zu Projekthaushalten zu erlauben sowie administrative und finanzielle Belastungen zu verringern, indem z. B. die Antrags- und Vergabeverfahren angesichts der begrenzten Finanz- und Personalressourcen von Akteuren des Breitensports verringert werden.

3 Tätigkeitsfelder der EU im Sport

Die Tätigkeiten auf EU-Ebene umfassen eine Vielzahl von Bereichen,36 die in drei thematische Hauptsäulen gegliedert sind, welche im Weißbuch identifiziert werden: die gesellschaftliche Rolle des Sports, seine wirtschaftliche Dimension und seine Organisation.

Die erste Säule umfasst Themen, die Bürgerinnen und Bürger direkt betreffen. Zu den Prioritäten gehören die Förderung der Teilnahme an regelmäßiger körperlicher Aktivität, die Förderung von sozialer Inklusion, Integration und der Gleichstellung der Geschlechter durch Sport, die Ermutigung zu einer verstärkten Teilnahme an Sport durch Sportprogramme an Schulen, die Bekämpfung von Doping, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie die Unterstützung dualer Karrieren für Sportler (d. h. Zugang von Sportlern zu hochwertiger akademischer und beruflicher Bildung parallel zu ihrer Sportausbildung).

33

Weitere Informationen über die zugewiesenen Beträge und die Projektbereiche finden sich unter Erasmus+ Ergebnisse und in der Datenbank unter Erasmus+ Project Results (Suche nach Programm, Aktion und Aktionstyp). Daten abgerufen am 28. August 2015.

34 ENGSO Statement on the EU Funding for Sport. Standpunkt basierend auf dem Vorschlag der

Europäischen Kommission bezüglich des Programms „Erasmus für alle“ 2014-2020, 26. März 2012. 35

EU-Büro der EOK: Erasmus+ Sports Programme. Recommendations for future calls for proposals: How to ensure the participation of grassroots sports, Januar 2015.

36 Alle Informationen dieses Abschnitts basieren auf den Daten der Website der Kommission für Sport.

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Die zweite Säule beinhaltet Themen, die die wirtschaftlichen Aspekte des Sports betreffen. Zu den Zielen gehören eine bessere Überwachung und Prognose von Sportdaten, die Identifizierung des wirtschaftlichen Potenzials von Sport, die Unterstützung von Rechtsvorschriften in den Bereichen Kartellrecht, Fusionskontrolle und staatliche Beihilfe im Rahmen des europäischen Wettbewerbsrechts, die Sicherstellung nachhaltiger Finanzierung von Sport auf Breitensport-Ebene sowie die Sensibilisierung für die sozioökonomischen Auswirkungen sportbezogener Medien und der Schutz von Rechten des geistigen Eigentums.

Die dritte und letzte Säule behandelt den politischen und gesetzlichen Rahmen für den Sportsektor. Zu den Prioritäten dieses Themenbereichs zählen die Anhebung der Governance-Standards im Sportsektor, die Bekämpfung von Spielabsprachen und Förderung der gerechten Regulierung des Sports auf allen Ebenen, die Sicherstellung der Freizügigkeit von Amateuren und Profisportlern entsprechend den Binnenmarktgrundsätzen und die Entwicklung von Regeln zum Spielertransfer unter Wahrung von Integrität und Verhinderung von Ausbeutung.

All diese Prioritäten sind in unterschiedliche Handlungsfelder untergliedert.

Tabelle 2 – Die drei Säulen der EU-Sportpolitik

Gesellschaftliche Rolle des Sports

Wirtschaftliche Dimension Organisation des Sports

Gesundheit und Teilnahme Sportstatistik Good Governance

Soziale Inklusion Nachhaltige Finanzierung Spielabsprachen

Bildung und Ausbildung Wettbewerbsgesetzgebung Freizügigkeit von Sportlern

Anti-Doping-Maßnahmen Staatliche Beihilfe Transfer, Sportagenten

Duale Karrieren Medien/ Eigentumsrechte

Quelle: Verfasserin. Basierend auf der Website der Europäischen Kommission für Sport.

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4 EU-Maßnahmen in der Praxis: einige Beispiele

4.1 Bewegung für die Gesundheit: Förderung körperlicher Aktivität

4.1.1 Hintergrund Der Mangel an körperlicher Aktivität, den die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als viertgrößten Risikofaktor für die weltweite Sterblichkeit sieht37, hat nicht nur bedeutende Auswirkungen auf die allgemeine Gesundheit, sondern ist auch mit erheblichen direkten und indirekten sozialen und wirtschaftlichen Kosten verbunden (aufgrund von Gesundheitsausgaben, Krankheitsurlaub etc.).

Einer aktuellen Studie zufolge38 verursacht Inaktivität den Mitgliedstaaten der EU jährlich wirtschaftliche Kosten in Höhe von mehr als 80 Mrd. EUR.

Die jüngste Eurobarometer-Studie39 zu Sport und körperlicher Aktivität von 2014 bestätigt die Ergebnisse größtenteils vergleichbarer Studien aus den Jahren 2002 und 2009 und macht deutlich, dass zwischen den Mitgliedstaaten große Unterschiede in Bezug auf die körperliche Aktivität bestehen und dass diese in einigen Ländern abnimmt (siehe Abbildung 3). Dies lässt auf ein erhebliches Potenzial für gegenseitiges Lernen durch den Austausch und die Verbreitung bewährter Praktiken schließen.

4.1.2 EU-Maßnahmen Zur Unterstützung ihrer Mitgliedstaaten ist die EU bemüht, durch die unverbindlichen EU-Leitlinien für körperliche Aktivität,40 deren Entwicklung im Weißbuch Sport vorgesehen war, eine Orientierung bei der Entwicklung der nationalen Strategien zur Förderung von Sport zugunsten der Gesundheit (oft als „gesundheitsfördernde körperliche Aktivität“ oder HEPA bezeichnet) zu bieten. In diesen Leitlinien, die im November 2008 von einer Gruppe aus 22 Experten erstellt und von EU-Sportministern (die in Ermangelung einer im Vertrag verankerten Zuständigkeit für Sport informell zusammenkamen) bestätigt wurden, wird ein sektorübergreifender Ansatz zur Förderung von HEPA unter Einbeziehung von Sport, Gesundheit, Bildung, Verkehr, Stadtplanung usw. befürwortet.

Nach Vorarbeit der im Rahmen des ersten EU-Arbeitsplans für den Sport eingesetzten Expertengruppe „Sport, Gesundheit und Beteiligung“ forderte der Rat die Kommission in seinen Schlussfolgerungen dazu auf, einen Vorschlag für eine Empfehlung des Rates vorzulegen, der einen einfachen Beobachtungsmechanismus zur Beurteilung

37

Weltgesundheitsorganisation: 10 facts on physical activity, aktualisiert im Februar 2014. 38

International Sport and Culture Association: Bericht mit dem Titel „The economic cost of physical inactivity in Europe“, Juni 2015.

39 Europäische Kommission: Special Eurobarometer 412 „Sport and physical activity“, März 2014.

40 EU-Leitlinien für körperliche Aktivität, Oktober 2008.

Abbildung 3 – Befragte, die sich nie körperlich betätigen oder Sport treiben (im Vergleich zu 2009)

Datenquelle: Eurobarometer 412, März 2014.

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des Fortschritts auf Grundlage ausgewählter Indikatoren enthält, wie z. B. dem Prozentsatz an Erwachsenen/Kindern, die das empfohlene Maß an gesundheitsfördernder körperlicher Aktivität erreichen, oder der speziell für die Unterstützung gesundheitsfördernder körperlicher Aktivität bereitgestellten Finanzmittel. Die Empfehlung,41 die erste überhaupt, die dem Sport gewidmet ist, wurde im November 2013 vom Rat angenommen.

Sportbezogene EU-Finanzmittel werden seit 2009 für Projekte im Bereich körperlicher Aktivität bereitgestellt. Insbesondere wurden 50 %42 der im Rahmen der ersten vorbereitenden Maßnahme verfügbaren Finanzmittel zur Prüfung von neun EU-weiten HEPA-Projekten verwendet, welche während des EU-Sportforums 2011 als Teil eines Austauschs von Erfahrungen und bewährten Verfahren eingereicht wurden (eine Anforderung an die Projekte besteht in der Dokumentation ihrer Arbeit, um diesen Austausch nach Projektende zu erleichtern, indem zum Beispiel Datenbanken zur Verfügung gestellt werden).43

4.1.3 Schwerpunkt Europäische Woche des Sports Die Europäische Woche des Sports44 ist Teil der Antwort der EU auf die Krise der körperlichen Aktivität45, welche zuletzt durch die Eurobarometer-Studie von 2014 deutlich wurde, die auf ein anhaltend hohes (und sogar leicht zunehmendes) Maß an Bewegungsmangel in der EU hinweist. Die Idee, eine solche Initiative ins Leben zu rufen, entstammte einem Bericht des Europäischen Parlaments über die europäische Dimension des Sports46, in dem eine jährliche europäische Großveranstaltung vorgeschlagen wird, um auf die Bedeutung von Sport und körperlicher Aktivität aufmerksam zu machen.

Die erste Ausgabe der Europäischen Woche des Sports fand vom 7.-13. September 2015 statt. Es handelt sich um eine EU-weite Initiative unter Leitung der Europäischen Kommission, die in dezentralisierter Form auf EU-, nationaler, regionaler und lokaler Ebene unter Mithilfe nationaler Koordinatoren und in Partnerschaft mit Sportorganisationen und Interessenträgern umgesetzt wird. Sie soll mehr Europäer zu Sport und körperlicher Aktivität ermutigen, auf deren verschiedene Vorteile aufmerksam machen und zur Änderung von Gewohnheiten beitragen. Bei der Werbung hilft ein Team prominenter Sportler, die als Botschafter der Woche des Sports fungieren. Die Europäische Woche des Sports ist nicht als einmaliges Ereignis gedacht. Sie soll jedes Jahr zur gleichen Zeit (zweite Septemberwoche) organisiert werden, mit einer offiziellen Eröffnung, einer Leitveranstaltung und drei bis fünf Schwerpunkttagen,

41

Empfehlung des Rates vom 26. November 2013 zur sektorübergreifenden Unterstützung gesundheitsfördernder körperlicher Aktivität, ABl. C 354 vom 4.12.2013.

42 Kornbeck, Jacob: The European Union, Sport Policy and Health-Enhancing Physical Activity (HEPA):

The Case of Exercise by Prescription, in Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 64 (2013), S. 157-161. 43

Kornbeck, Jacob: Play, not Therapy: the EU’s role in promoting health-enhancing physical activity (HEPA), in Theeboom et al.: EU-involvement in sport: between regulation and inspiration, VUB press, 2013, S. 136.

44 Ausführlichere Informationen stehen auf der eigens eingerichteten Website der Europäischen

Kommission zur Verfügung. 45

Vortrag von Susanne Hollmann, stellvertretende Leiterin des Referats Sport der Europäischen Kommission, während einer Sitzung mit der interfraktionellen Arbeitsgruppe „Sport“ des EP am 30. Juni 2015.

46 Ausschuss für Kultur und Bildung, Bericht über die europäische Dimension des Sports, 21. November

2011. Berichterstatter: Santiago Fisas Ayxelà.

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von denen jeder einem besonderen Thema gewidmet ist. Finanzmittel stehen im Rahmen von Erasmus+ zur Verfügung.

4.2 Sportstatistik: Messung der wirtschaftlichen Bedeutung des Sports

4.2.1 Hintergrund Vergleichbare und fundierte Informationen zur wirtschaftlichen Bedeutung des Sports in der EU sind selten.47 Zwar wurde auf verschiedenen Ebenen, insbesondere auf der nationalen, Forschung zu diesem Thema betrieben, da jedoch unterschiedliche Definitionen von Sport und unterschiedliche Messmethoden herangezogen wurden, sind die Ergebnisse im Allgemeinen nicht zwischen den Ländern vergleichbar.

Seit 2006 konzentriert sich die Arbeit auf EU-Ebene auf die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Statistikmethode48 zur Messung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Sports, die als Grundlage für Sport-Satellitenkonten (SSK) in Mitgliedstaaten dient. Satellitenkonten ermöglichen die direkte Beobachtung von Bereichen, Themen oder Sektoren der Wirtschaft, die nicht als solche in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen49 erscheinen, da sie keiner spezifischen statistisch abgegrenzten Wirtschaftstätigkeit entsprechen.50 Sport-Satellitenkonten fungieren als „Filter“, indem sie alle sportbezogenen Wirtschaftstätigkeiten innerhalb der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen identifizieren, die größtenteils in umfassenderen Kategorien verborgen sind (z. B. Sportkleidung in den Gesamtzahlen zu Kleidung)51, und diese unter Beibehaltung der Gesamtstruktur der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen in ein separates Konto aufnehmen. SSK dienen der Veranschaulichung von Struktur und Bedeutung des Sportsektors in der Volkswirtschaft.

4.2.2 EU-Maßnahmen Zu den Errungenschaften gehört die Vereinbarung über die „Vilnius-Definition des Sports“ (2007),52 die Sport statistisch und auf ökonomisch sinnvolle Weise definiert und als harmonisierter Rahmen für die Erstellung nationaler Sport-Satellitenkonten dient.

Ermutigt durch die Mitteilung der Kommission zum Sport, den EU-Arbeitsplan für den Sport 2011-2014 und die Zusammenarbeit innerhalb der 2011 gegründeten EU-Expertengruppe „Sportstatistik“, welche Handbücher zur Einrichtung von SSK erstellte, haben einige EU-Mitgliedstaaten53 ihre eigenen Sport-Satellitenkonten erstellt,

47

Europäische Kommission: Sport satellite accounts: a European project, new results, Juli 2013, 6 Seiten.

48 Das Fehlen einer gemeinsamen Methode zur Messung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Sports

impliziert, dass EU-weite sportspezifische statistische Informationen bislang nicht über Eurostat verfügbar sind.

49 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen werden im „Glossary of statistical terms“ der OECD (S. 348)

definiert als kohärenter, konsistenter und integrierter Satz makroökonomischer Konten, Bilanzen und Tabellen, die auf international anerkannten Konzepten, Definitionen, Klassifikationen und Buchhaltungsregeln basieren, und bieten einen umfassenden Buchhaltungsrahmen, innerhalb dessen Wirtschaftsdaten in einem zu Zwecken der Wirtschaftsanalyse, Entscheidungsfindung und Politikgestaltung entworfenen Format zusammengestellt und präsentiert werden können.

50 Konsortium unter Leitung des Mulier Institute: Study on a possible sport monitoring function in the

EU, Abschlussbericht, Mai 2013, 162 Seiten. 51

Gratton, Chris: Satellite Accounts for Sport: The European Project, in Sport & Citizenship, Journal 18, März 2012.

52 Europäische Kommission: Sport satellite accounts: a European project, new results, a. a. O.

53 Deutschland, die Niederlande, Österreich, Polen, das Vereinigte Königreich und Zypern.

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während andere mit deren Aufbau begonnen haben. Das Endziel ist die Entwicklung eines harmonisierten europäischen Sport-Satellitenkontos.

Das EU-Projekt für Satellitenkonten ermöglicht erstmals internationale Vergleiche der wirtschaftlichen Bedeutung des Sports.

Eine von der Kommission in Auftrag gegebene Studie54 über den Beitrag des Sports zu Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in der EU aus dem Jahr 2012 bot eine Einschätzung des Beitrags von Sport zu BIP und Beschäftigung für jeden Mitgliedstaat und für die gesamte Union. In der Studie wurden die Vilnius-Definition des Sports sowie eine Methode verwendet, die Ähnlichkeit mit der Einrichtung eines Sport-Satellitenkontos für jeden Mitgliedstaat hat. Die Schätzungen ergaben, dass die sportbezogene Beschäftigung mit 7,38 Mio. Personen 3,51 % der Gesamtbeschäftigung der EU entspricht und der Anteil der sportbezogenen Bruttowertschöpfung (d. h. 294 Mrd. EUR) bei 2,98 % der gesamten Bruttowertschöpfung der EU liegt.55

Die zur Messung der wirtschaftlichen Bedeutung des Sports geleistete Arbeit muss in einem breiteren Kontext betrachtet werden, und zwar mit steigendem Bedarf an zuverlässigeren und besser vergleichbaren Daten zum Sport aufseiten von Entscheidungsträgern, Experten und Interessengruppen im Sportbereich. In einer Studie aus dem Jahr 201356 – in der die Durchführbarkeit der Einrichtung einer Sportüberwachungsfunktion in der EU erkundet wurde, um Trends zu analysieren, Daten zu erheben, Statistiken zu interpretieren, Forschung zu erleichtern, Erhebungen und Studien zu lancieren sowie den Informationsaustausch zu fördern – wurde auf das Fehlen einer einzigen, benutzerfreundlichen Übersicht über sportbezogene Daten und Ergebnisse hingewiesen und die Erstellung einer Website und eines Taschenbuchs zum Thema „Sport in Europa“ empfohlen.

4.3 Wahrung der Integrität des Sports

4.3.1 Integrität des Sports: Begriff und Hintergrund Der Begriff „Integrität des Sports“57 kann auf zwei unterschiedliche Arten verstanden werden. Er kann sich auf die Werte beziehen, die Sport vermittelt und verkörpert, wie z. B. Fair Play, Solidarität oder Teamgeist. Und er wird mit der Integrität von Sportwettkämpfen in dem Sinne assoziiert, dass diese äußeren Einflüssen und externen Elementen standhalten sollten, welche die Art und Weise, wie Sportergebnisse erzielt werden, in Zweifel ziehen könnten. Die Integrität von Werten und die Integrität von Sportwettkämpfen sind oft eng miteinander verflochten, wie das Thema Doping zeigt, das gleichzeitig den Grundsatz des Fair Play verletzt und die Integrität von Sportwettkämpfen aufs Spiel setzt.

54

Konsortium unter Leitung von SportsEconAustria: Study on the Contribution of Sport to Economic Growth and Employment in the EU, Abschlussbericht, November 2012, 210 Seiten.

55 Europäische Kommission: The economic value of sport in the EU. Für die Europäische Woche des

Sports 2015 veröffentlichte Infografik, basierend auf der Studie zum Beitrag des Sports zu Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in der EU.

56 Konsortium unter Leitung des Mulier Institute: a. a. O.

57 Die Informationen in diesem Kapitel basieren, soweit nichts anderes vermerkt ist, auf Monte,

Gianluca: Transfers, licensing systems and players’ agents: the EU as a gatekeeper of the integrity of sport competitions? In: EU involvement in sport, between inspiration and regulation, a. a. O., S. 84.

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In Artikel 165 AEUV wird der EU ein klarer Auftrag hinsichtlich der Integrität des Sports erteilt, indem vorgesehen wird, dass die Union die „Fairness und [...] Offenheit von Sportwettkämpfen“ fördert und für den „Schutz der körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Sportler“ sorgt. Damit wird beiden Aspekten des Integritätsbegriffs Rechnung getragen. Seither ist der Integrität des Sports in beiden Arbeitsplänen für den Sport oberste Priorität eingeräumt worden.

Mit der Zeit hat Sport als Wirtschaftstätigkeit an Bedeutung gewonnen und mächtige kommerzielle Akteure angezogen, darunter Medien, Sponsoren, Sport- und Wettindustrie (siehe Abbildung 4). Aufgrund seiner wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung machte er in den letzten Jahren mit Problemen wie Doping, Spielabsprachen, Korruption oder Bestechung Schlagzeilen.58 Die wachsenden Geldbeträge, die im Sportsektor und in den beteiligten Organisationen59 in Umlauf sind, haben zu Forderungen nach Good Governance geführt.60

4.3.2 Dopingbekämpfung

Hintergrund

Doping stellt in vielerlei Hinsicht eine Bedrohung für den Sport dar. Es stellt eine schwerwiegende Verletzung der ethischen Werte und Grundsätze des Sports wie z. B. des Fair Play dar (Doping ist Betrug). Es beschmutzt das öffentliche Bild des Sports und gefährdet die Gesundheit von Sportlern und Sportlerinnen. Doping hat eine lange Geschichte im Profisport, und aufsehenerregende Fälle machen regelmäßig

58

Geeraert et al.: AGGIS: The governance network of European football: introducing new governance approaches to steer football at the EU level, Play the Game, 10.1.2013.

59 Aufgrund seiner gesellschaftlichen Rolle und der positiven Werte, die er verkörpert, erhält Sport

zudem beachtliche Finanzmittel von öffentlichen Behörden, die darauf abzielen könnten, ihre Unterstützung an Mindeststandards der Good Governance zu knüpfen.

60 Konsortium unter Leitung des Mulier Institute: a. a. O., S. 30.

Abbildung 4 – Das Finanzierungssystem des Sports in Europa

Datenquelle: Konsortium Eurostrategies: Study on the funding of grassroots sports (für die Kommission), 2011.

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Schlagzeilen.61 Die Art des Dopings hat sich im Laufe der Zeit geändert und ist von einer Einzeltat, die von einem einzelnen Sportler am Tag des Wettkampfes begangen wird, zur organisierten Praxis auf Mannschaftsebene geworden.62 Experten63 sehen einen Zusammenhang zwischen den steigenden finanziellen Einsätzen und Prämien im Spitzensport und der Verbreitung von leistungssteigernden Substanzen und Techniken, d. h. zwischen den beachtlichen Geldbeträgen, die in der Sportindustrie mit einem Sieg verbunden sind, und dem Wettlauf um bessere Leistungen um jeden Preis.

Die Verantwortung für die Bekämpfung von Doping liegt in erster Linie bei Sportorganisationen und öffentlichen Behörden. Erstere sind beauftragt, bei ihren Wettkämpfen und im Training Kontrollen durchzuführen, Aufklärungsprogramme bereitzustellen und diejenigen zu bestrafen, die gegen Anti-Doping-Bestimmungen verstoßen, während Letztere unter anderem zuständig sind, Doping-Kontrollen zu ermöglichen und nationale Kontrollprogramme zu unterstützen, Maßnahmen gegen Herstellung und illegalen Handel zu treffen und die Anti-Doping-Aufklärung und -Forschung zu finanzieren.64

Die internationale Zusammenarbeit bei der Dopingbekämpfung beschränkte sich lange Zeit auf den Europarat, von dem auch das erste international verbindliche Instrument in diesem Bereich stammt: das Übereinkommen gegen Doping65 (1989). Das Übereinkommen, dem auch Nichtmitgliedstaaten des Europarates beitreten können, fördert die nationale und internationale Harmonisierung von Maßnahmen zur Dopingbekämpfung und stellt gewisse gemeinsame Standards und Regelungen auf, wie z. B. die Einrichtung einer nationalen Koordinierungsstelle.

Die begonnene Harmonisierung der Anstrengungen zur Dopingbekämpfung gewann infolge des Tour-de-France-Skandals von 199866 an Dringlichkeit, was zur Gründung der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und zur Entwicklung des Welt-Anti-Doping-Kodex führte, der 2004 in Kraft trat.

61

Zu den erwiesenen Dopingfällen gehören zum Beispiel die des kanadischen Sprinters Ben Johnson, der 1988 positiv auf das Steroid Stanozolol getestet wurde, der US-amerikanischen Leichtathletin Marion Jones, die 2007 zugab, Steroide verwendet zu haben, und des siebenmaligen Tour-de-France-Siegers Lance Armstrong, der 2012 wegen Dopings schuldig gesprochen wurde. Allen wurde daraufhin der Titel abgenommen. Erst diesen Sommer äußerten der deutsche Sender ARD und die britische Sunday Times die Anschuldigungen des Massendopings in der Leichtathletik. Die Expertenanalyse der Ergebnisse von 12 000 offiziellen Dopingkontrollen, die im Besitz des Weltleichtathletikverbands (IAAF) waren und aufgrund eines Datenlecks zugänglich wurden, legte nahe, dass rund ein Drittel der Sportler, die zwischen 2001 und 2012 in Ausdauerwettkämpfen der Olympischen Spiele und Weltmeisterschaften Medaillen gewannen, verdächtige Blutwerte hatten. Der IAAF wies den Vorwurf der Doping-Vertuschung zurück.

62 Wie die Kommission in ihrer Mitteilung mit dem Titel „Plan für den Beitrag der Gemeinschaft zur

Dopingbekämpfung“, COM(99) 643 final betont. 63

Baron et al.: Doping in sports and its spread to at-risk populations: an international review, in World Psychiatry, Juni 2007, 6(2): S. 118-123.

64 Weitere Informationen finden sich unter „Anti-doping Community“ auf der Website der WADA.

65 Europarat: Übereinkommen gegen Doping, 16.11.1989.

66 Bei einer Razzia während der Tour de France fand die französische Polizei zahlreiche verbotene

Substanzen in einem Fahrzeug des Festina-Teams, dessen Leiter ein „abgestimmtes“ und kontrolliertes Dopingprogramm für die Fahrer zugab.

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Die Welt-Anti-Doping-Agentur

Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) mit Sitz in Montreal wurde am 10. November 1999 auf Initiative des Internationalen Olympischen Komitees (IOK) in Lausanne gegründet, um den Kampf gegen Doping im Sport international zu fördern und zu koordinieren. Eingerichtet als Stiftung des schweizerischen Privatrechts, wird sie paritätisch aus Vertretern der Sportbewegung und der Regierung besetzt und finanziert.

Zu den Hauptaktivitäten der WADA gehört neben Forschung, Aufklärung und der Entwicklung von Kapazitäten zur Dopingbekämpfung auch die Überwachung des Welt-Anti-Doping-Kodex (WADC), durch den Strategien und Regeln zur Dopingbekämpfung in Sportorganisationen und unter öffentlichen Behörden weltweit harmonisiert wurden. Außerdem stellt er die Rolle und die Verantwortlichkeiten von Akteuren auf allen Ebenen klar, von den Sportlern bis hin zu IOK, nationalen und regionalen Anti-Doping-Organisationen (NADOs/RADOs) und internationalen Verbänden. Da es sich bei dem Kodex um ein Nichtregierungsdokument handelt, das nur für Mitglieder von Sportorganisationen gilt und für öffentliche Behörden nicht bindend ist, haben Regierungen durch die Unterzeichnung der Erklärung von Kopenhagen über die Dopingbekämpfung im Sport ihre Absicht signalisiert, den Kodex mittels eines internationalen Vertrags, der den notwendigen rechtlichen Rahmen bietet, formell anzuerkennen und umzusetzen. Diesen Vertrag bildete das 2005 angenommene67 Internationale Übereinkommen gegen Doping im Sport.

Der Welt-Anti-Doping-Kodex ist darauf ausgelegt, sich den Entwicklungen bei der Dopingbekämpfung anzupassen, und wurde seit seinem Inkrafttreten 2004 bereits zweimal überarbeitet. Der Überarbeitungsprozess für den Kodex von 2015 begann Ende 2011. Nach drei Konsultationsphasen wurde der revidierte Kodex im November 2013 einstimmig angenommen und trat am 1. Januar 2015 in Kraft.68

67

Die Unesco hat nicht nur die Entwicklung des Übereinkommens ermöglicht, sondern darüber hinaus einen (über 2,6 Mio. USD schweren) „Fund for the Elimination of Doping in Sport“ (Fonds für die Beseitigung von Doping im Sport) eingerichtet, der Vertragsstaaten finanzielle Hilfe für die Entwicklung und Umsetzung wirksamer Programme zur Dopingbekämpfung bieten soll.

68 WADA: Welt-Anti-Doping-Kodex 2015.

Beteiligung der EU an der WADA

Zusammen mit ihren Mitgliedstaaten und dem Europarat war die EU aktiv an der Gründung der WADA im Jahr 1999 beteiligt und bestand auf der Unabhängigkeit, Transparenz und Rechenschaftspflicht der Agentur. Anfangs war die Europäische Gemeinschaft durch den amtierenden Präsidenten des Rates und ein Mitglied der Europäischen Kommission im Stiftungsrat, dem obersten Entscheidungsgremium der WADA, vertreten, und ab 2002 war ein Beitrag der Gemeinschaft zum Verwaltungshaushalt der WADA vorgesehen. Da jedoch die gesetzlichen und politischen Voraussetzungen nicht erfüllt waren, gab die Kommission 2001 bekannt, dass die EU (als Organ) sich nicht an der zukünftigen Funktion oder Finanzierung der WADA beteiligen werde. Seither ist die EU durch Mitgliedstaaten (derzeit Luxemburg, Malta und Belgien) im Stiftungsrat vertreten. EU-Mitgliedstaaten leisten individuelle Beiträge zum Haushalt der WADA. Die Koordinierung ihrer finanziellen Verpflichtungen gegenüber der WADA findet innerhalb des Europarates statt. Ebenfalls in diesem Rahmen, genauer gesagt im Ad-hoc-Ausschuss des Europarates für die Welt-Anti-Doping-Agentur (CAHAMA), werden die Standpunkte des europäischen Kontinents im Vorfeld der WADA-Sitzungen koordiniert. Die Agentur ist nach Kontinenten strukturiert, und der Europarat hat zwei Sitze im Stiftungsrat.

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EU-Maßnahmen

Die Beweggründe für EU-Maßnahmen im Bereich Doping liegen eindeutig in der transnationalen Natur des Problems. Aus den obigen Schilderungen ergibt sich jedoch, dass andere Akteure wie die WADA, der Europarat, die Unesco und die einzelnen Mitgliedstaaten bei der weltweiten Anti-Doping-Politik im Vordergrund stehen. Dies wirft die Frage auf, an welcher Stelle in dieser Konstellation ein Eingreifen der EU angebracht wäre.69

Die EU-Maßnahmen orientieren sich an der Notwendigkeit, eine Angleichung der unterschiedlichen Ansätze zu fördern und die verschiedenen zur Dopingbekämpfung getroffenen Maßnahmen zu koordinieren, welche bereits 1998 vom Europäischen Parlament aufgezeigt wurden.70 Im internationalen Kontext ist die EU bemüht, die Einigkeit zwischen ihren Mitgliedstaaten zu stärken und in internationalen Foren mit einer Stimme zu sprechen, wie die folgenden Initiativen zeigen: die Schlussfolgerungen des Rates von 201071 über die Rolle der EU im internationalen Kampf gegen Doping, in denen die Koordinierung der Standpunkte der EU und der Mitgliedstaaten auf Veranlassung des Vorsitzes gefordert wird, die Entschließung des Rates von 2011 zur Umsetzung einer neuen Regelung für die Vertretung der EU-Mitgliedstaaten im Stiftungsrat der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA)72 und die Überarbeitungen des Welt-Anti-Doping-Kodex durch die EU, die 2012 eingereicht und innerhalb der im Rahmen des Arbeitsplans für den Sport 2011-2014 eingerichteten EU-Expertengruppe „Antidoping“ ausgearbeitet wurden. Im Kontext der EU wird der Austausch von Informationen und bewährten Verfahren sowohl hinsichtlich Rechtsdurchsetzung als auch in Bezug auf die Aspekte Gesundheit und Prävention des Kampfs gegen Doping in den Mittelpunkt gerückt.

In langjährigem Bewusstsein über die Bedeutung von Aufklärung und Prävention73 und unter Hinweis darauf, dass sich die Bemühungen zur Dopingbekämpfung traditionell auf die Aufdeckung und Abschreckung von Doping im Spitzensport konzentrieren, hat die EU in den letzten Jahren versprochen, die Bekämpfung des zunehmenden Problems von Doping im Freizeitsport anzugehen, wo die Zusammenarbeit sowohl zwischen Mitgliedstaaten der EU als auch international weiterhin begrenzt ist. In den 2012 angenommenen Schlussfolgerungen des Rates74 zu diesem Thema haben die EU-Mitgliedstaaten verschiedenen Initiativen zugestimmt, darunter einer Studie der Europäischen Kommission zur Verbesserung der Kenntnisse und Sammlung von Informationen über dieses Phänomen als Grundlage für die Politikgestaltung sowie der Ausarbeitung einer Reihe von Empfehlungen zur Dopingbekämpfung im Freizeitsport,

69

Siehe Vermeersch, An: „The European Union and the fight against doping in sport: on the field or on the sidelines?“ In: Entertainment and Sports Law Journal, April 2006.

70 Siehe Entschließung des EP zu den erforderlichen Sofortmaßnahmen gegen Doping im Sport,

ABl. C 98 vom 9.4.1999. Am 14. April 2005 nahm das EP eine weitere Entschließung zur Dopingbekämpfung im Sport an, in der die Europäische Kommission aufgefordert wurde, eine wirksame und integrierte Politik auf allen mit der Dopingbekämpfung zusammenhängenden Gebieten zu verfolgen und die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten zu fördern.

71 ABl. C 324 vom 1.12.2010, aufbauend auf den Schlussfolgerungen des Rates zur Dopingbekämpfung,

ABl. C 356 vom 12.12.2000. 72

ABl. C 372 vom 20.12.2011. 73

Siehe zum Beispiel die Entschließung des Rates über einen Antidoping-Verhaltenskodex im Sport, ABl. C 44 vom 19.2.1992.

74 ABl. C 169 vom 15.6.2012.

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die sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene angewandt werden können, innerhalb der Expertengruppe „Antidoping“. Im gleichen Geiste wie die EU-Leitlinien für körperliche Aktivität (2008) und duale Karrieren (2012) zielen auch die Ende 2013 von der Gruppe vorgelegten unverbindlichen Empfehlungen75 darauf ab, bewährte Verfahren für Entscheidungsträger auf unterschiedlichen Ebenen (Rat, nationale Regierungen, NADO, Leitungsgremien von Sportorganisationen usw.) zu definieren.

In der im Dezember 2014 veröffentlichten Studie der Kommission über Dopingprävention76, die eine Reihe politischer Empfehlungen enthält, wird unter anderem vorgeschlagen, auf eine bessere Definition des Problems hinzuarbeiten und Aufklärungsprogramme sowie Kampagnen zu den Themen Sportethik, Gesundheitsrisiken von Doping und Möglichkeiten der Leistungsverbesserung ohne Drogen zu entwickeln.

Parallel zu diesen Entwicklungen wurden im Rahmen der vorbereitenden Maßnahmen im Bereich Sport Finanzmittel für Projekte zur Dopingbekämpfung bereitgestellt. Zu den Ergebnissen zählen ein Netz bewährter Verfahren zur Dopingbekämpfung mit Schwerpunkt im Bereich Gesundheit und Fitness, ein europaweites Netzwerk aus Anti-Doping-Junior-Botschaftern und Empfehlungen zur Verhaltensbeeinflussung hinsichtlich Fitnessdoping.

4.3.3 Bekämpfung von Spielabsprachen

Hintergrund

Spielabsprachen sind eine Praxis, die Teil eines breiteren Phänomens ist: der Manipulation von Sportwettkämpfen, die vom Europarat definiert wurde als „jede vorsätzliche Abmachung, Handlung oder Unterlassung, die auf eine missbräuchliche Veränderung des Ergebnisses oder Verlaufs eines Sportwettbewerbs abzielt, um die Unvorhersehbarkeit des genannten Sportwettbewerbs ganz oder teilweise in der Absicht aufzuheben, einen ungerechtfertigten Vorteil für sich selbst oder für andere herbeizuführen“.77 Unabhängig davon, ob sie durch Sportwetten oder sportliche Ziele (z. B. Sieg, Qualifikation für einen Wettkampf) motiviert sind, verstoßen Spielabsprachen gegen die Ethik und Integrität des Sports. Beiden Kategorien von Spielabsprachen ist gemeinsam, dass sie sowohl sportlichen Sanktionen durch Sportbehörden als auch zivil- und strafrechtlichen Sanktionen in den Mitgliedstaaten unterliegen, weil sie in der Regel als eine Form von Korruption oder Betrug betrachtet werden.78 Allerdings ist das Bild in Europa in dieser Hinsicht nicht einheitlich.79

Die Besonderheit von wettmotivierten Spielabsprachen liegt in ihrer internationalen Dimension und ihrem globalen Maßstab. Aufgrund seiner grenzüberschreitenden Natur und der potenziellen Beteiligung internationaler krimineller Gruppen sprengt das Problem den Zuständigkeitsbereich und die Kapazitäten von nationalen Behörden und Sportorganisationen allein. Dies zeigen zum Beispiel die Ergebnisse der größten

75

EU-Empfehlungen zur Bekämpfung von Doping im Freizeitsport, sechster konsolidierter Entwurf (final), November 2013.

76 Europäische Kommission: Study on Doping Prevention. A map of Legal, Regulatory and Prevention

Practice Provisions in EU 28, 2014, 154 Seiten. 77

Europarat: Übereinkommen über die Manipulation von Sportwettkämpfen, 18. September 2014. 78

Monte, Gianluca: a. a. O., S. 95. 79

Match-fixing in sport – A mapping of criminal law provisions in EU 27, im Auftrag der Europäischen Kommission durchgeführte Studie von KEA European Affairs, März 2012, 124 Seiten.

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Europol-Ermittlung80 von Spielabsprachen im Fußball, die die Schwierigkeiten aufzeigen, die mit der Ermittlung und Strafverfolgung von solch internationalen Fällen verbunden sind, an denen Verdächtige aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Rechtsrahmen und Definitionen von Spielabsprachen und Wettbetrug beteiligt sind.

Die Manipulation von Wettkämpfen betrifft nicht nur den Fußball, der in der Reihe aufgedeckter Fälle ganz vorne steht, sondern auch viele andere Sportarten wie Kricket, Basketball, Volleyball, Wrestling, Boxen, Snooker, Badminton oder Handball.81 Verschiedene Faktoren haben zur Ausbreitung des Phänomens beigetragen, darunter das exponentielle Wachstum internationaler und weltweiter Sportveranstaltungen82, die verstärkte Kommerzialisierung von und Berichterstattung im Sport, die die mit Sportergebnissen verbundenen finanziellen Einsätze erhöhen83, und die Ausweitung des Sportwettenmarkts84, insbesondere im Internet.

EU-Maßnahmen

Der Bekämpfung von Spielabsprachen als Bedrohung für die Integrität des Sports wurde, neben der Dopingbekämpfung und der Förderung von Good Governance, im EU-Arbeitsplan für den Sport oberste Priorität eingeräumt, und es wurde eine eigene EU-Expertengruppe zu diesem Thema eingerichtet.

Auch in diesem Bereich bilden Koordination und Zusammenarbeit die Eckpfeiler der EU-Maßnahmen. Teil der Aktivitäten zur Sammlung von Informationen – die in der Regel als Grundlage für Maßnahmen für mehr Konvergenz auf EU-Ebene dienen – ist eine Studie85 zur Ermittlung der Anwendung nationaler Strafrechtsbestimmungen auf Spielabsprachen in EU-Mitgliedstaaten und zur Identifizierung möglicher Divergenzen oder Diskrepanzen. Die Kommission plant den Entwurf einer möglichen Empfehlung über bewährte Verfahren zur Prävention und Bekämpfung von Spielabsprachen im Zusammenhang mit

80

Im Rahmen der zwischen 2011 und 2013 unter Beteiligung von Europol, Eurojust, Interpol und Polizeiteams aus 13 Ländern Europas durchgeführten Ermittlung wurde ein umfangreiches kriminelles Netzwerk aufgedeckt, das in weitreichende Spielabsprachen im Fußball involviert war. Betroffen sind mehr als 380 Profifußballspiele und 425 Verdächtige aus über 15 Ländern. Diese groß angelegte Spielabsprache generierte Wettgewinne in Höhe von über 8 Mio. EUR, während die Bestechungsgelder an Spielteilnehmer über 2 Mio. EUR erreichten.

81 University Paris 1 Panthéon-Sorbonne & International Centre for Sport Security (ICSS): Fighting

against the manipulation of sports competitions, report, Teil I, November 2014, 221 Seiten. 82

University Paris 1 Panthéon-Sorbonne & International Centre for Sport Security (ICSS): The threat to sport, the facts at a glance, auf oben genanntem Bericht basierende Infografik.

83 Erläuternder Bericht zum Übereinkommen des Europarates, a. a. O.

84 Daten von H2 Gambling Capital (März 2015) zufolge belief sich der Gesamtbruttogewinn aus Wetten

in der EU im Jahr 2013 auf 12 174,5 Mio. EUR (offline: 8 116,1 Mio. EUR, online: 4 058,4 Mio. EUR). 85

Match-fixing in sport – A mapping of criminal law provisions in EU 27, a. a. O.

Das Übereinkommen des Europarates über die Manipulation von

Sportwettkämpfen

Am 15. März 2012 lud die Europaratskonferenz der für Sport zuständigen Minister die Vertreter des Erweiterten Teilabkommens über Sport (EPAS) ein, um mit den Verhandlungen über ein internationales Rechtsinstrument gegen die Manipulation von Sportergebnissen, insbesondere Spielabsprachen, in Form eines Übereinkommens zu beginnen. Der Text wurde am 18. September 2014 zur Unterzeichnung aufgelegt. Es ist das erste rechtsverbindliche Instrument zur Bekämpfung von Spielabsprachen. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Dokuments haben 21 Länder (davon 12 Mitgliedstaaten der EU) das Übereinkommen unterzeichnet, aber nur Norwegen hat es ratifiziert. Für das Inkrafttreten des Übereinkommens sind fünf Ratifikationen erforderlich, davon mindestens drei durch Mitgliedstaaten des Europarates.

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Sportwetten, welche innerhalb der oben genannten Expertengruppe erörtert werden sollte. Die Förderung der Bekämpfung von Spielabsprachen im Rahmen des EU-Dialogs mit Akteuren des Sportbereichs, zu der der Rat in seinen Schlussfolgerungen von 201186 ausdrücklich aufgefordert hatte, nahm mit der Erklärung von Nikosia87, die beim EU-Sportforum 2012 verabschiedet wurde, konkrete Form an.

Auf internationaler Ebene hat sich die EU aktiv an der Ausarbeitung des Übereinkommens des Europarates über die Manipulation von Sportwettkämpfen (siehe Kasten) beteiligt. Im Auftrag des Rates88 nahm die Kommission im Namen der EU an den Verhandlungen teil und reichte im März 2015 zwei Vorschläge89 zur Unterzeichnung des Texts im Namen der EU ein. Die Vorschläge werden derzeit in den zuständigen Ratsgremien geprüft. Hier zeigt sich ein weiteres Mal die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen EU und Europarat in Angelegenheiten des Sports, die von globalem Belang sind.

Neben diesen Schritten auf politischer Ebene wurden auch hier im Rahmen der vorbereitenden Maßnahmen im Bereich Sport Finanzmittel für Projekte zur Bekämpfung von Spielabsprachen vor allem durch Aufklärungs- und Präventionsprogramme bereitgestellt.

Bekämpfung von Korruption im Sport: ein dauerhaftes Anliegen des Europäischen Parlaments Das EP widmet sich regelmäßig diesem Thema und hat das Problem der Spielabsprachen in seinen Entschließungen90 zu der Integrität von Online-Glücksspielen (2009) und zu Online-Glücksspielen im Binnenmarkt (2011) sowie in seiner Entschließung zu der europäischen Dimension des Sports angesprochen. 2011 hat es eine schriftliche Erklärung zur Bekämpfung von Korruption im europäischen Sport und 2013 eine Entschließung zu Spielabsprachen und Korruption im Sport angenommen. Im Juni dieses Jahres hat das EP eine Entschließung zu aktuellen Enthüllungen über Korruptionsfälle auf hoher Ebene bei der FIFA, dem Führungsorgan des Weltfußballs, angenommen. Das Parlament hat von Sportorganisationen wiederholt gefordert, dass es bei Korruption im Sport keine Toleranz geben darf.

4.3.4 Förderung von Good Governance im Sport

Hintergrund

Wie bereits vorher im Abschnitt zur Besonderheit des Sports betont wurde, sind EU-Eingriffe in die Governance des Sports ein heikles Thema. Sie berühren den anerkannten Grundsatz der Autonomie der Führungsgremien des Sports, der von den primär betroffenen vehement verteidigt, durch Maßnahmen von Gerichten, nationalen

86

ABl. C 378 vom 23.12.2011. 87

Erklärung von Nikosia zur Bekämpfung von Spielabsprachen, September 2012. 88

ABl. L 170 vom 22.6.2013. 89

Ein Vorschlag bezieht sich auf Aspekte, die materielles Strafrecht und die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen betreffen, der andere hingegen auf Aspekte, die nicht materielles Strafrecht und nicht die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen betreffen.

90 Entschließung vom 10. März 2009 zu der Integrität von Online-Glücksspielen; Entschließung vom

15. November 2011 zu Online-Glücksspielen im Binnenmarkt; Entschließung vom 2. Februar 2012 zu der europäischen Dimension des Sports; Erklärung vom 9. Juni 2011 zur Bekämpfung von Korruption im europäischen Sport; Entschließung vom 14. März 2013 zu Spielabsprachen und Korruption im Sport; Entschließung vom 11. Juni 2015 zu aktuellen Enthüllungen über Korruptionsfälle auf hoher Ebene bei der FIFA.

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Regierungen und Regulierungsbehörden oder kommerzielle Interessen aber zunehmend infrage gestellt wird.91

EU-Maßnahmen

Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung über die europäische Dimension des Sports von 2011 klargestellt, dass Good Governance im Sport eine Voraussetzung für die Autonomie und die Selbstregulierung von Sportorganisationen ist. Da die unterstützende Zuständigkeit, die der EU in der Sportpolitik zukommt, diesbezüglich kein starkes Eingreifen ermöglicht, befürworten Experten eine Form von „Lenkung“.92 Der Ansatz, den die EU mit den „Empfehlungen für die Grundsätze für Good Governance im Sport in der EU“93 verfolgt, scheint dieser Richtung zu folgen.

Diese Reihe von Empfehlungen, die von der EU-Expertengruppe „Good Governance“ ausgearbeitet und im Oktober 2013 dem Rat vorgelegt wurde, soll die für die gesamte Sportbewegung (Profi- und Amateursport) geltenden übergeordneten Grundsätze umreißen, darunter Demokratie, Transparenz, Rechenschaftspflicht bei Entscheidungen sowie den Grundsatz, dass die betreffenden Interessengruppen einbezogen werden und vertreten sind. Aufbauend auf Daten, Fakten und bewährten Verfahren, die aus den im Rahmen der vorbereitenden Maßnahmen von 2011 unterstützten Projekten gewonnen wurden, werden darin Standards für Good Governance präsentiert, die für alle Organisationen gelten und von diesen auf freiwilliger Basis angenommen werden können. Empfohlen wird ein stufenweiser Ansatz, dessen erste Phase in der Aufklärung und Information einschlägiger Sportorganisationen besteht. Es wird vorgeschlagen, dass die EU zur Einhaltung der vereinbarten Grundsätze ermutigt, insbesondere indem sie im Rahmen des Kapitels Sport von Erasmus+ Projekte zu deren Förderung finanziert. Geplant sind auch Überwachungsaktivitäten, und im Fall einer nicht zufriedenstellenden Anwendung steht strengeren Compliance-Maßnahmen nichts im Wege. So könnten zum Beispiel EU- und/oder nationale Finanzmittel von der Einhaltung der vereinbarten Good-Governance-Grundsätze abhängig gemacht werden.

Im Rahmen der vorbereitenden Maßnahmen im Bereich Sport von 2011 wurden acht Projekte ausgewählt, durchgeführt und bis Ende 2013 abgeschlossen. Sie behandelten so unterschiedliche Themen wie die Erarbeitung von Leitlinien für internationale Sportorganisationen, Verbesserung der Governance durch effektive Einbeziehung von Gremien oder Unterstützern und die Weiterentwicklung eines koordinierten Netzwerks für Sporttraining in Europa.

4.4 Erfahrungen

Aufgrund der im Vertrag definierten Handlungsgrenzen der EU im Sport schreiben einige der EU eine anreizgebende, stimulierende94 oder initiierende95 Rolle zu. In den oben beschriebenen Beispielen wird diese Auffassung größtenteils bestätigt.

91

EU-Expertengruppe „Good Governance im Sport“, Empfehlungen für die Grundsätze für Good Governance im Sport in der EU, September 2013, 30 Seiten.

92 Geeraert, Arnout: The role of the EU in better governance in international sports organisations,

AGGIS, Play the Game, April 2013. 93

EU-Expertengruppe „Good Governance im Sport“, Empfehlungen für die Grundsätze für Good Governance im Sport in der EU, a. a. O.

94 Theeboom et al.: a. a. O.

95 University Paris 1 Panthéon-Sorbonne & International Centre for Sport Security (ICSS): a. a. O., S. 57.

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Tatsächlich scheint die Union zu versuchen, sowohl ihren Mitgliedstaaten als auch Akteuren des Sportbereichs Orientierungen zu bieten. Ein erster Schritt sind oft Aktivitäten zur Sammlung von Informationen, um abzuschätzen, wie das betreffende Thema auf nationaler Ebene geregelt und gehandhabt wird, und um festzustellen, ob Diskrepanzen oder Ungleichheiten vorliegen und ob ein Tätigwerden der EU einen Mehrwert bringen würde. Die Finanzausstattung zeigt sich als wichtiges und systematisches politisches Instrument. Sie erfüllt eine doppelte Funktion. Zum einen ermöglicht sie die Prüfung und Unterstützung bewährter Verfahren und Netzwerke. Zum anderen trägt sie zur Verstärkung der Faktengrundlage für die Politikgestaltung im Bereich des Sports bei. EU-finanzierte Projekte sind in der Tat eine Quelle von Daten, Fakten und Verfahren, die Informationen für die Arbeit und politische Diskussion zum Sport auf EU-Ebene bieten kann.

Probleme von globalem Belang wie Doping oder Spielabsprachen, die von nationalen Behörden und Führungsgremien des Sports nicht alleine bewältigt werden können, rechtfertigen und verlangen aufgrund ihrer transnationalen Natur ein Tätigwerden der EU. Allerdings muss die Union, deren Zuständigkeiten für Sport neu sind, mit anderen Akteuren wie zum Beispiel dem Europarat rechnen, der seit fast 40 Jahren in diesem Bereich aktiv ist und zudem wichtige verbindliche Instrumente geschaffen hat. Daher sind die Maßnahmen der EU stärker auf die Konvergenz und Einigkeit zwischen den Mitgliedstaaten ausgerichtet und zielen darauf ab, auf internationaler Ebene zu einem koordinierten Standpunkt zu gelangen.

5 Bestandsaufnahme und Ausblick

Es ist noch zu früh, um die Auswirkungen der weichen Politikgestaltung der EU im Sport abzuschätzen, vor allem weil einige ihrer Ergebnisse und konkreten Ausdrucksformen (z. B. die Europäische Woche des Sports oder die Empfehlungen für die Grundsätze für Good Governance im Sport) erst noch umgesetzt werden müssen. Die Kooperationsstrukturen, Instrumente und Arbeitsmethoden der EU wurden jedoch bereits im Rahmen des Berichts über die Durchführung des ersten EU-Arbeitsplans für den Sport einer Bewertung unterzogen.96 Dieser Bericht stützt sich auf die Arbeit der Expertengruppen, Beiträge von Mitgliedstaaten und Konsultationen mit Akteuren. Während die Stärkung der Zusammenarbeit insbesondere zwischen der EU und dem Sportsektor sowie die Verbesserung politischer Koordination auf EU-Ebene im Bericht begrüßt werden, zeigt er gleichzeitig auch Grenzen für die Arbeitsstrukturen auf, zum Beispiel wenn auf die hinsichtlich Ausmaß der Vertretung und Grad des Fachwissens nicht sehr homogene Zusammensetzung der Expertengruppen und die zu hohe Zahl der Beobachter in einigen dieser Gruppen hingewiesen wird (welche damit erklärt werden kann, dass der Zugang zu diesen Arbeitsgruppen für Akteure des Sportbereichs von wesentlicher Bedeutung ist97). Im Bericht wird außerdem unterstrichen, dass es angesichts der steigenden Zahl der Akteure im Sportsektor, die die Arbeit auf EU-Ebene mitgestalten möchten, eine echte Herausforderung darstellte, mit den Akteuren einen integrativen strukturierten Dialog über den Sport zu führen, ohne dessen Wirksamkeit zu gefährden. Vor diesem Hintergrund wurden verschiedene Verbesserungen an den Arbeitsstrukturen vorgeschlagen, darunter die Einrichtung von drei „Sportstrategiegruppen“ („Sport und Gesellschaft“, „wirtschaftliche Dimension des

96

COM(2014) 22 final, a. a. O. 97

Siehe EU Institutions and EU Sport Policy auf der Website des EU-Büros der EOK.

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Sports“ und „Integrität des Sports“), die mit Vertretern der Mitgliedstaaten und der Kommission besetzt werden und die Expertengruppen ersetzen sollen, die Einrichtung von Dialogplattformen für den Dialog mit Akteuren des Sportbereichs entsprechend diesen drei Sportstrategiegruppen sowie andere Regelungen für Treffen, die den strukturierten Dialog beim Mittagessen am Rande von Ratstagungen ersetzen sollen. Diese Änderungen wurden noch nicht umgesetzt.

In den kommenden Jahren wird sich die EU weiter auf die Ausarbeitung von Empfehlungen und Leitlinien – unter anderen zum Schutz junger Sportler oder zu Demokratie und Menschenrechten im Zusammenhang mit der Vergabe großer Sportveranstaltungen an Ausrichter98 – sowie auf die Förderung der bereits bestehenden konzentrieren. Zu den neuen Instrumenten gehört möglicherweise die sogenannte „Liste mit Verpflichtungen“,99 ein Instrument, mit dem vor allem Sportorganisationen ihre Verpflichtungen im Zusammenhang mit bestimmten Themen, wie Grundsätze für die Good Governance oder Ziele im Bereich der Geschlechtergleichstellung, freiwillig veröffentlichen können.

Die Kommission wird in Kürze eine hochrangige Gruppe für Sportdiplomatie100 einsetzen, die den Wert des Sports in der EU-Außenpolitik, seinen Beitrag zum Erreichen außenpolitischer Ambitionen der EU und seine Rolle im Dialog mit Drittstaaten und Regionen als Teil der öffentlichen Diplomatie der EU bewerten soll. Auch die Einrichtung einer hochrangigen Gruppe für Breitensport ist vorgesehen. Sie wird den Platz und die Rolle des Breitensports in der europäischen Gesellschaft beurteilen, insbesondere bei der Förderung positiver Werte wie Toleranz.101 Mitglieder der Gruppe können Organisationen sein, die im Bereich Sport aktiv sind (Verbände, Profi- und Breitensportvereine, NRO, Universitäten, Forschungsinstitute, Zivilgesellschaft), oder Einzelpersonen.

98

Das Thema Sport und Menschenrechte wurde vom Europäischen Parlament im Rahmen einer gemeinsamen Anhörung des Unterausschusses Menschenrechte und des Ausschusses für Kultur und Bildung (6. Mai 2015) angesprochen, bei der die Bedeutung der Menschenrechte bei der Auswahl der ausrichtenden Länder für große Sportveranstaltungen wie die Olympischen Spiele oder Weltmeisterschaften hervorgehoben wurde. Außerdem wurde das Thema in der Plenarsitzung im Juni im Vorfeld der Europaspiele in Baku besprochen, nach einer mündlichen Anfrage an den Rat.

99 Entschließung des Rates zu einem Arbeitsplan der Europäischen Union für den Sport (2014-2017),

a. a. O. 100

Call for applications regarding a High Level Group on Sport Diplomacy, 2015. 101

Call for applications regarding a High Level Group on Grassroots Sport, 2015.

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6 Wichtigste bibliografische Angaben

Borja García: „From regulation to governance and representation: agenda-setting and the EU’s involvement in sport“, in: Entertainment and Sports Law Journal, Juli 2007.

Entschließung des Rates zu einem Arbeitsplan der Europäischen Union für den Sport 2011-2014, ABl. C 162 vom 1.6.2011.

Schlussfolgerungen des Rates zur Stärkung der Faktengrundlage für die Politikgestaltung im Bereich des Sports, ABl. C 393 vom 19.12.2012.

Empfehlung des Rates vom 26. November 2013 zur sektorübergreifenden Unterstützung gesundheitsfördernder körperlicher Aktivität, ABl. C 354 vom 4.12.2013.

Entschließung des Rates zu dem Arbeitsplan der Europäischen Union für den Sport (2014-2017), ABl. C 183 vom 14.6.2014.

Europarat: Übereinkommen über die Manipulation von Sportwettkämpfen, 18. September 2014.

EU-Leitlinien für körperliche Aktivität, Oktober 2008.

EU-Expertengruppe „Good Governance im Sport“: Empfehlungen für die Grundsätze für Good Governance im Sport in der EU, September 2013.

EU-Empfehlungen zur Bekämpfung von Doping im Freizeitsport, sechster konsolidierter Entwurf (final), November 2013.

Europäische Kommission: Weißbuch Sport, COM(2007) 391 final.

Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, Aktionsplan „Pierre de Coubertin“, Begleitdokument zum Weißbuch Sport, SEC(2007) 934 final.

Europäische Kommission: Entwicklung der europäischen Dimension des Sports, COM(2011) 12 final.

Europäische Kommission: Special Eurobarometer 412 „Sport and physical activity“, März 2014.

Europäische Kommission: Study on Doping Prevention. A map of Legal, Regulatory and Prevention Practice Provisions in EU 28, 2014, 154 Seiten.

Europäische Kommission: „Erasmus+ Programmleitfaden“, 14.11.2014, 315 Seiten.

Europäisches Parlament: Entschließung zum Weißbuch Sport, 8. Mai 2008.

Europäisches Parlament: Entschließung zu der europäischen Dimension des Sports, 2. Februar 2012.

Europäisches Parlament, Ausschuss für Kultur und Bildung: Bericht über die europäische Dimension des Sports, 21. November 2011.

KEA European Affairs: Match-fixing in sport – A mapping of criminal law provisions in EU 27, Studie im Auftrag der Europäischen Kommission, März 2012, 124 Seiten.

Konsortium unter Leitung des Mulier Institute: Study on a possible sport monitoring function in the EU, Abschlussbericht, Mai 2013, 162 Seiten.

Konsortium unter Leitung von SportsEconAustria: Study on the Contribution of Sport to Economic Growth and Employment in the EU, Abschlussbericht, November 2012, 210 Seiten.

Theeboom et al.: EU-involvement in sport: between regulation and inspiration, Vrije Universiteit Brussel press, 2013, 164 Seiten.

University Paris 1 Panthéon-Sorbonne & International Centre for Sport Security (ICSS): Fighting against the manipulation of sports competitions, report, Teil I, November 2014, 221 Seiten.

Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA): Welt-Anti-Doping-Kodex 2015.